Auswahl I- vermischter Schriften von Carl Leonhard Reinhold, Vrofessvr in Kiel. Erster Theil. Jena, bey Johann Michael Mauke. 1796. Vorrede. §^ie gegenwärtige Sammlung meiner zer- streuten, aber hier von mir selbst gewählten und durchgesehenen, Aufsähe soll der drohenden Dienstfcrrigkeit eines Nachdruckers zuvor- kommen, der dieselbe, wo nicht durch neue Fehler verschlimmert, doch wenigstens ohne Wahl und Durchsicht veranstaltet haben wär- de. Dieses zu besorgen fehlt es mir nicht an ganz besonderen Veranlassungen, von denen ich Eine nicht verschweigen darf. Vor Kurzem verschrieb ich mir eine in mehreren Bücherverzeichnissen angekündigte: A u s- wahl der besten Aufsäße über die kantische Philosophie, und erhielt mit )( 2 nicht Vorrede. nicht geringer Vefremdung und — Beschämung Acht meiner Briefe über die kantische Philosophie, die man dem teutschen Merkur nachgedruckt und meiner eigenen Sammlung vorgedrnckt, nach der Erscheinung der letzter» aber, umgetauft hakte. Der vorige Titel wurde ausgeschnitten, damit er die Besitzer meiner Sammlung nicht abhielte, jene Acht Briefe noch einmal, und ohne die Veränderungen und Zusätze mit weichen sie unter den Zwölfen meines Ersten Bandes vorkommen — zu kaufen. Kiel, den 29 Merz, 1796. Änhakt. Inhalt. I. Ueber den Geist der wahre» Religion. S. l II. Ueber den Einfluß der Moralität des Philosophen auf den Inhalt seiner Philosophie. 3 r III. Ueber die teutschen Beurtheilungen der französischen Revolution. 66 IV. Ueber die Duelle auf Universitäten. 122 V. Ueber den Cölibat der katholischen Geistlichkeit. I4§ VI. Inhalt. VI. Ueber ven Zweck meiner öffentlichen Vorlesungen über Wielands Oberem. S- i8l VII. Ueber den Begriff der Geschichte der Philosophie. 207 VIII. Ueber den Einfluß des Geschmacks auf die Kultur der Wissenschaften und der Sitten. 246 IX. Ueber die bisherigen Begriffe vom Vergnügen. 27! I. Ueber den Geist der wahren Religion. s giebt zwey einander entgegengesetzte Gei- ster angeblicher Religion, welche nichts unter sich gemein haben, als daß sie beyde dem Geiste der ei-nzig Wahren widersprechen, und denselben aus unsren Kanzeln und Kathedern, und in unsren Erbauungsschriften und Lehrbüchern nicht weniger als in unsrem häuslichen und öffentlichen Thun und Lassen aufzukommen hindern. So verständig die Sprache des Einen, und so fromm die Sprache des Andern klingen mag: so ist doch auch Auswahl »eriu, Schrift. Th> I. A selbst 2 Ueber den Geist selbst die Lehre von beyden, wenn man sie genauer betrachtet, im wescntlichen um nichts besser als das gewöhnliche Betragen des Zeitalters. Der Eine erklärt Unwissenheit und Irrthum, der Andere — Begierde und Leidenschaft für die einzige Urquelle alles Uebels, und der Eine prediget Aufklärern g, und der Andere Zucht als die einzige Urquelle alles Guten. Das menschliche Herz, behauptet der Eine, ist an und durch sich selbst immer unschuldig; ist keiner anderen Verkehrtheit fähig, als zu der es durch unrichtige Urtheile des Verstandes und durch Fehlschlüsse der Vernunft verleitet wird. Das menschliche Herz, behauptet der Andere, ist an und durch sich selbst verkehrt, und durch seine natürliche Bösartigkeit die einzige und fortwährende Ursache der unrichtigen Urtheile des Verstandes und der Fehlschlüsse der Vernunft. „Gebt , ruft der Eine, dem Streben nach Genusse, welches die einzig mögliche und daher auch rechtmäßige Triebfeder menschlicher Handluri' der wahren Religion. z Handlungen ist, richtige, tiefe und ausgebreitete Erkenntniß seiner Gegenstände; kläret den Menschen über sein wahres Interesse auf; befördert, beschleuniget, vervielfältiget und erhöhet den Gebrauch seiner Denkkrast, und überlasset alles übrige der Natur, welche theils durch den Trieb nach Glückseligkeit im Menschen selbst wirkt, theils diesem Triebe in den richtig erkannten Gegenständen von außenher entgegen kömmt."— „Die sich selbst überlassene Vernunft, ruft der Andere, wird durch Begierde allem in Wirksamkeit gesetzt, und muß daher den Menschen sowohl über sich selbst als über die Natur außer ihm in dem Verhältnisse vielfältiger und gefährlicher täuschen, als sie im Dienste der Begierden durch Aufklärung entwickelt und verfeinert wird. Der Mensch unterwerfe durch Glauben seine Neigungen den unerforschlichen Nathschlüssen, und seine Begriffe den unbegreiflichen Gedanken Gottes; Er halte seine Vernunft nicht weniger als seine Begierde unter der Zucht der Selbstverläugnung, A s und 4 Ueber den Geist und überlasse alles übrige der Gottheit, die daS Unvermögen seiner Natur durch übernatürliches Vermögen ersetzen wird." — Diese beyden kehrbegriffe führen den Menschen über seine wichtigste Angelegenheit irre; der Eine, indem er den sittlichen Werth durch bloße Thätig- keit der Denkkraft von der Natur — der Andere, indem er denselben durch bloße Unthätig keit der Denkkraft von Gott erwarten läßt. Der Eine erzeugt und nährt den sclbst- gcnugsamcn Wahn, sich durch bloße Erkenntniß zum Urheber seines Werths und Herrn seines Schicksals empor zu schwingen; der Andere — das niederträchtige Bestreben, sich durch Sclbstverachtung und leidendes Verhalten Glück und Werth zu erschleichen. Der Eine macht durch seine einseitige Empfehlung des Vernunftgebrauches die Menschen vergessen, daß es einen Mißbrauch, der wenigstens eben so schlimm als der Nichtgebrauch ist, Und schlechte Handlungen giebt, die einen äußerst hohen Grad der Entwicklung der Denkkräste vor- der wahren Religion. 5 voraussetzen. Der Andere macht durch seine e i n se i t i g e Emp fe h l u n g des Glaubens vergessen, daß der Nichtgebrauch der Vernunft, alle Sittlichkeit aufhebt und daher wenigstens eben so schlimm als der Mißbrauch ist, und daß der Charakter der G.ottheit selbst nur in Freyheit und Vernünstigkcit bestehen könne. Der Eine widerspricht dem gesunden Urtheile des Gewissens, das den sittlichen Werth des Menschen von der Cultur seines Der- ftandcs unterscheidet, Handlungen, welche aus guter Absicht auch bey einem irrigen Urtheile geschehen, für sittlich gut erklärt, und die Große des Verbrechens nach dem höheren oder niedrigeren Grade der Einsichten abmißt. Der Andere widerspricht dem gesunden Urtheile des Gewissens, welches den sittlichen Werth der Menschen von allen gegebenen Vorzügen unterscheidet, nur das allein, was der Mensch durch seine Freyheit selbst thut, vor Gottes Augen ihm zum Verdienste oder M Schuld anrechnet, und den, ohne Gebrauch derVcrnunst A 3 gesehn 6 Ueber den Geist geschehenen, Handlungen den Charakter der sittlichen Zurechnung abspricht. Der Eine verkehrt das Urtheil des Gewissens, indem er das Glück zum Verdienst erhebt, und die Schuld zum Unglück herabsetzt; und ungeachtet er den guten und bdsen Willen lediglich aus den Beschaffenheiten der Organisationen und Temperamente, den Graden der Talente und Fähigkeiten, und den Umstanden der Erziehung und Gewohnheit, ohne Rücksicht auf freyen Willen erklärt: so kann er sich darum nicht weniger auf die Selbstliebe seiner Anhänger verlassen, daß diese die Ehre des guten Willens von dem Schicksale aus das I ch, und dieSchande des Bösen von dem Ich auf das Schicksal übertragen wird. — Der Andere verkehrt das Urtheil des Gewissens, indem er das innere Gute, das der Mensch thun soll, so wie das äußere, das die Natur für ihn thut, auf Gott — das äußere Böse, das in der Kargheit der Natur gegründet ist, so wie das innere, das wirklich sein Wille thut, aus der wahren Religion. 7 auf den Menschen — und Glück und Verdienst ohne Unterschied auf Gott, Unglück und Schuld ohne Unterschied auf die Natur überträgt. Obwohl er übrigens die Ehre Gottes als die einzige mögliche Triebfeder guter Handlungen einschärft: so kann er sich auf die Selbstliebe seiner Anhänger verlassen, daß dieselben in dem Verhältnisse, als sie sich gewöhnt haben, sich selbst nichts als das Schändliche zuzutrauen, auch gegen die Ehre Gottes, die sie im Munde führen, im Herzen gleichgültig werden müssen. Der Eine verkündigt nichts als Glückseligkeit, zu welcher die Menschheit durch alle Anstalten der Natur nicht weniger als durch einen unwiderstehlichen Trieb bestimmt wäre. Allein da er die Verbindlichkeit des Wohlverhaltens auf das nothwendige Streben nach Wohlbefinden gründet, begünstiget er die Ansprüche der Selbstliebe, die nur gar zu gern das Wohlbefinden nicht als bloße Folge, sondern als einzigen Grund des Wohlvcrhaltens annch- A 4 men; 8 Ueber de» Geist wen; nicht die Wünsche dem Betragen, son« dcrn das Betragen den Wünschen unterordnen; und der Vernunft den Gehorsam, den man ihr nur unter der Bedingung zu vermindernder Leiden und zu vermehrender Freuden zugesagt hat, aufkündigen: so bald sie nicht Wort halt, oder so bald man die Erfahrung gemacht zu haben glaubt, daß das Schicksal mehr als die Vernunft über Freuden und Leiden, Glück und Unglück, Leben und Tod walten — Der Andere verkündiget nichts als ein unvermeidliches Elend, das sich der Mensch durch die Verkehrtheit seines Willens zugezogen habe, das er in dem Verhältnisse vermehre, als er es durch den Gebrauch seiner Vernunft zu vermindern strebe, und von dem er sich nur für das zukünftige Leben, und nur dadurch loszukaufen vermöge, daß er es im gegenwärtigen durch freywillige Leiden verdoppelt. Allein da der Gläubige in dieser Einrichtung seines Schicksals eine Schuld büßen soll, zu der er ohne Wissen und Willen gelangt ist: so sucht er Lerwahrcn Religion. - cr den ganzen Grund dieser, sein sittliches Gefühl Nicht wcnigcr als seine Selbstliebe empörenden, Heilöordnung in dem unerforscht lichcn Willen Gottes auf, der für ihn nichts weiter als ein blondes Verhängnis» ist, das cr in dem Verhältnisse hasset, als er sich selbst verachtet; während ihn eine sklavische Furcht nöthigt so gar sich selbst weist zu machen, daß er es liebe. — Der Eine findet in der Bestimmung des Menschen alles begreifst ch. In den Forderungen der N a- tur ertönt ihm allein die Stimme Gottes, die chm umso verständlicher ist, da das gemeinschaftliche aller jener Forderungen Genuß, und Genuß in seinem Auge die Triebfeder, der Endzweck und der ganze Werth aller Sittlichkeit ist. — Der Andere findet in der Bestimmung des Menschen alles unbegreiflich. Die Forderungen der Natur sind ihm nichts als Antriebe zum Bösen, Aufruf zur Empörung gegen den Willen Gottes, und Leiden und Entbehren ist in seinen Augen das A 5 Einzige, 12 Ueber den Geist Einzige, wodurch die Natur und jede Tugend Gott nicht mißfallen kann. — In der R er tigionslehrc des Einen sind Gott und Natur fast gleichbedeutende Ausdrücke, und wird die Religion durch das, was Er Moral nennt, und eigentlich nichts als die Kunsi zu gcnießcn ist, verdrängt. Je weiter er es in dieser Kunst gebracht hat, desto weniger lassen ihm die Freuden und Leiden des gegenwärtigen Lebens Lust und Muße übrig, an ein zukünftiges zu denken. — In der Rel igion sichre des Andern sind Teufel und Natur fast glcichbedcutende Ausdrücke, und wird die Moral durch das, was er Religion nennt, und eigentlich nichts als die Kunst durch Selbstpciuig en den Zorn Gottes zu entwaffnen ist, verdrängt. Je mehr es ihm gelingt die Bestimmung des Menschen jenseits des Grabes hinüber zu versetzen r desto weniger findet sich der Bürger der künftigen Welt an die Pflichten der g e- genwärtigen gebunden, desto, sorgfältiger schränkt der wahren Religion. n schränkt er sich auf Handlungen ei», die, weil sie lediglich für den Himmel bestimmt sind, für die Erde weder Sinn noch Zweck haben dürfen, und desto geschwinder stirbt er der Menschheit ab, um für die Gottheit zu leben. Diesen beyden Geistern widerspricht der Geist der wahren Religion so wohl durch die Ueberzeugung als durch die Gc- sinnung, welche sein Wesen ausmachen. Seine Ueberzeugung ist nicht durch was immer für eine, sondern nur durch die sittlich e, das heißt, nur diejenige Aufklärung möglich, welche nicht erst den guten Willen begründet, sondern durch ihn begründet wird. Diese, ihres Nahmens allein würdige Aufklärung , besteht in dem Einflüsse des reinen Herzens auf die Dcnkkraft, der zwar nicht den Gebrauch des Verstandes bestimmt, aber den Mißbrauch desselben hindert, durch das Gewissen zwar nicht die Ueberzeugungen vorschreibt, rr Ueber den Geist schreibt, aber die Untersuchungen leitet, und durch das von aller Spekulation unabhängige, wichtige und nachdrückliche Gefühl des Rechts und Unrechts den Gedanken gegen die Herrschaft derBcgier d e, und gegen die Zügcllor sigkcit der Einbildung in Schutz nimmt. Diese Aufklärung, welche die Richtigkeit der Erkenntniß von der Sittlichkeit der Gesinnung zwar nicht als von der einzigen Ursache, aber doch als von der vornehmsten Bedingung ableitet, kann allein den Geist auf dein Wege seiner Kultur gegen solche Ueberzeugungen verwahren, welche die philvsophi- rcndc Vernunft mit dem gesunden Verstände in Widerspruch setzen, die Aussprüche des Gewissens verdrehen, und nur durch Inkonsequenz sich mit Sittlichkeit vertragen, indem sie zum B. die Freyheit des Willens für eine Täuschung des Eigendünkels, die Unsterblichkeit der Seele für einen Wahn der Liebe zum Leben, und das Daseyn Gottes höchstens für einen frommen Wunsch erklären. Lehren, wie diese, gehören nur der wahren Religion. 13 nur unter die Früchte derjenigen Aufklärung, welche die Sittlichkeit für eine bloße Folge der Erkenntniß ausgicbt, eben so viele einander wesentlich widersprechende Sittlichkeiten aufstellt als sie metaphy fische Lehrbegriffe erkünstelt, die Trieb sedc r der Unsittlichkcit als das Princip der Sittlichkeit ankündiget, in der unschuldigsten Wendung, die sie nehmen kann, die Metaphysik durch die Staats- Land- und Hauswirthschast verdrängt, und die Moralität in derjenigen Pflege des äusseren und inneren Vermögens bestehen läßt, welche die größeste mögliche Nutznießung abwirft. Diese Afteraufklärnng ist bloßer Luxus des Geistes, der denselben in dem Verhältnisse mehr schwächt- und verwirrt, je mehr er die Vernunft im Dienste der Begierde schlauer, geschmeidiger, verschmitzter machte. — Sie verträgt sich sowohl mit dem nüchternen Unglauben einer an die Genüsse der physischen Natur gebundnen, als auch Ueber den Geist i4 auch mit der trunkenen Leichtgläubig» kcit einer schwärmerischen die Gränzen sowohl der moralischen als physischen Natur überfliegenden Einbildungskraft. Aber sie ver- trägt sich durchaus nicht mit der gesunden Ueberzeugung, die der einzig wahren Religion ausschließend eigen ist, die von dem unmittcl- baren Bewußtseyn der Freyheit und des Gesetzes des Willens ausgeht, und in dem Verhältnisse immer gründlicher, reiner und Heller wird, als die freye Gesetzmäßigkeit des Willens durch das ernste und redliche Bestreben zunimmt, der Mensch besonnener, gewissenhafter, mit sich selbst einstimmiger, gerechter, wohlthätiger, in seiner inneren freyen Gesinnung heiliger und in seinen Thun und Lassen rechtschaffener wird. Diese Ueberzeugung schöpft ihren einfachen und reinen Begriff der Gottheit aus dem Bilde Gottes, das wir alle in unserm besseren Selbste mit uns herumtragen, und das in dem der wahren Religion. i; dem Verhältnisse Gott ähnlicher wird, als sich dieses Selbst durch freyeVcrnünstigkeit und vernünftige Freyheit immer mehr und mehr veredelt. Indem das reine Herz der einzige Sinn ist, durch den der Mensch Gott anschaucn kann, ist unsere Anlage zur religiösen Ueberzeugung so wie unser Interesse an derselben dem Grade der Reinheit des Herzens immer angemessen. Unabhängig von Talenten, Fähigkeiten, Einsichten und allem, was Gabe der Natur und des Glückes in irgend einem Sinne heisscn kann, gehört die auf Moralität gegründete Religion zu demjenigen Werth, den der Mensch allein in seiner Gewalt hat, zu dem einzigen Gute, was ihm nicht gegeben und nicht genommen werden kann. Ihre Ueberzeugung ist die Weishcit des Himmels, die den Weltklugcn und Mächtigen dieser Erde ein Geheimniß bleibt, und nur denen, die in den Augen jener eingebildeten Großen klein sind, geoffenbart wird. Wenn die xhilosophircnde Vernunft, welche so manche» Ueber den Geist i6 tiianchcn ihrer Helden nicht einmahl vvm Bezweifeln oder gar vom Laugncn des Daseyns Gottes abzuhalten vermochte, in ihrem Begriffe von der Gottheit, bey gleicher Reust heit des Herzens, vor dem Begriffe des gemeinen und gesunden Verstandes etwas an Deutlichkeit und Bestimmtheit voraus hat: so muß sie dafür diesem Verstände in der Klarheit und Lebhaftigkeit nachstehen. Durch seine gerechte und wohlwollende Gesinnung kaun de: nächste beste Ungclehrte mit dem Eharatter, der die Gottheit von einem Urwesen- das kein Gott wäre, allein auszeichnet, nähnlich mit dem Willen Gottes vertrauter seyn, als der tiefsinnigste und mit der selteasi.'n Gelehrsamkeit ausgerüstete Theolog, der mit allem seinen Lesen und Forschen nicht üb:r die Einsicht hinausgekommen ist, daß jemr Wille unerforscht ich sey. Nur die Etiniue des Gewissens, welche nur der Gewiss'»',afte mit Aufmerksamkeit hört und mir Treue befolgt, v ffe n- bart der wahren Religion. 17 hart ihm den Willen des Vaters, der im Himmcl ist; un) es genügt ihm diesen Willen— das einzige, was den, Menschen an Gott nicht unbegreiflich, und das ein, zigc, was an Gott Gegenstand einer »neigen« nützige» Anbetung seyn kann, zu kennen, ohne daß er sich auch nur im Traume einfallen ließe, sich um die Substanzialität, Asei« tat, Ubiquitat u. s. w. zu bekümmern, durch welche ihm die Gottheit um nichts b e« greif! icher und anbetungswürdiger werden könnte. Er weiß, daß man den himmlischen Vater nur in so ferne kennen und lieben kann, als man den Willen desselben weiß und thut. Der Sinn des Satzes: Seyd heilig, wie euer Va ter im Himmcl heilig ist, ist unter den Schriftgelehrten nicht ausgemacht, und in den Augen mancher der berühmtesten Weltweisen eine gleißende Tirade. Der wahre Christ hingegen findet in diesem Satze, ohne alles Kopfbrcchen, alle Geheimnisse der Auswahl verm. Schrift. Th I- V e li« l8 Ueber den Geist Religion enthüllet, alles was der Mensch von Gott wissen, alles was er für Gott thun kann. Christus, der dieses der erste gelehrt hat, ohne es gelernt zu haben, der die ganze Ueberzeugung und Gesinnung ächter Religion in diesen Worten so unübertrefflich ausgedrückt, und was durch die Dogma- tik der Theologen immer dunkler, und durch die Metaphysik der Philosophen immer streitiger geworden ist, denen, die eines guten Willens sind, zu ihrer völligen Befriedigung gcoffenbarct hat, Christus ist ihm eben darum der Abgesandte Gottes, dessen Wort er nicht aufsein bloßes Ansehen, sondern dessen Ansehen er um des Wortes willen, für göttlich anerkennt, und laut bekennt, ohne sich daran zu kehren, daß dieses Bekenntniß den Pharisäern und Juden aller Zeiten Aergerniß, und den Sa- ducacrn und Heiden Th orheit seyn muß. Nur neben dieser Ueberzeugung ist die achte Gesinnung der Religion möglich, welche gleich- der wahren Religion. 19 gleichweit entfernt von dem Uebermuth des u n- gläubigen Grüblers / und von dem Sklar vcnsittn des ab er gläubigen Frömmlers, die Furcht vor der Gerechtigkeit, und die Hoffnung von der Güte mit derjenigen Achtung gegen die Heiligkeit Gottes verbindet, welche allein als unabhängig von jenen beyden den Charakter einer sittlichen und gottgefälligen Furcht und Hoffnung begründen kann. In dieser Gesinnung allein ist das Geheimniß dargestellt, wie in einem endlichen, dürftigen, von dem Allmächtigen gänzlich abhängigen, und ohne ihn hülflosen Wesen, freyer und uneigennütziger Gehorsam gegen den Heiligen möglich sey. Die wahre Gottseligkeit weiß, daß sie den Willen des Heiligen gänzlich verfehlen würde, wenn sie denselben aus Hoffnung oder Furcht vor dem Allmächtigen befolgen wollte. Für sie sind Furcht und Hoffnung nie Endzwecke, aber desto gewissere Mittel der Beobachtung des Gesetzes. Ohne der Fre y- B L heit 20 Ueber den Geist heit des Willens, durch welche sich allein ein sittlicher, verdienstlicher, der Zurechnung fähiger Gehorsam gegen Gott denken laßt, durch jene Furcht und Hoffnung Gewalt anzuthun, halt sie durch dieselben den Ungestüm der unwillkührlicheu, die Besonnenheit und mit ihr die Ausübung der Freyheit des Willens einschränkenden Begierden im Zaume, und macht aus diese Weise dasjenige, wodurch der Abcrglaubige sich um alle Freyheit bringt, zur Schutzwehr derselben. Aus reinem und festem Entschlüsse den Willen des Heiligen zu erfüllen, verlangt sie von dem Allmächtigen Einschränkung oder Beförderung des Wohlbefindens, je nachdem er den Menschen in dessen Handlungen des Wohlbefindens würdig oder unwürdig finden würde. Sie verschmäht jedes durch Schuld verwirkte Glück, und geht freywillig dem verschuldeten Unglücke entgegen, das eben durch diese Gesinnung seinen Stachel verliert und zum Heilmittel wird. Indem ihr der wahren Religion. 2l ihr Vergnügen und Schmerz, Gesundheit und Krankheit, Leben und Tod nur als Veranlassungen wichtig sind, damit der Wille des Heiligen geschehe im Himmel uttd auf Erden: erhebt sie die Selbstliebe zum Werkzeuge der Pflicht, anstatt die Pflicht zum Werkzeuge der Selbstliebe herabzuwürdigen, macht sie die Eigennützigkeit selber zur Stütze der Uneigcnnützigkcit, und den unfrei) willigen Trieb nach Wohlbefinden zum Mittel der freywilligcn Treue gegen Gott. Der in dieser Gesinnung und in der von ihm unzertrennlichen Ueberzeugung bestehende Geist der wahren Religion vollendet das Wesen der höchsten sittlichen Aufklärung und der höchsten sittlichen Zucht, indem er die durchgängige und wechselseitige Eintracht zwischen Kopf und Herz durch seine Ueberzeugung von der einen und durch seine Gesinnung von der andern Seite begründet. Durch seine Ueberzeugung wird die als B 3 Denk- 22 Ueber den Geist Denk kraft raisonnirc nde mit der im Gewissen schlechterdings gebieten- den Vernunft in Einversiändniß gebracht. Denn der gereinigte V cg r iff von .e Heiligkeit, und der von aller w-ssenschattlicheli Einsicht unabhängige Glaub en an das Das eyu des Heiligen begegnet allen Zweifeln und Bc- denklichkcitcn der über die Bestimmung der Menschheit nachforschenden Dcnkkraft, die außerdem gar nicht oder nur zum Nachtheile der Denkart des Gewissens aufgelöset werden könnten. Durch seine Gcsinnung macht der Geist der wahren Religion eine Zucht der Neigungen möglich, welche die Beschränkung derselben keincswcges zum ganzen Geschäffte, sondern nur zum Mittel der Sittlichkeit macht, und die Freyheit des Willens und den unbeschrankten Gebrauch der Vernunft nicht aufhebt, sondern nachdrücklich unterstützt. Denn er hebt durch die Furcht und Hoffnung eines zukünftigen, lediglich der Schuld rrnd dem Verdienste angemessenen, und von der der wahren Religion, 23 der Allmacht des Heiligen zu erwartenden Schicksals nur das Uebermaß der unfreywilli- gen und vernunftwidrigen Begierden auf, und erhält das Gemüth in dem Zustande der Ruhe, Unbefangenheit und Selbstsiändigkeit, in well chcm es sich befinden muß, wenn man das Gesetz durch Freyheit, das heißt, in dcm Sirill e erfüllen soll, in welchem dasselbe allein der Wille Gottes ist. Der von diesem Geiste beseelte Lehrer der Religion setzet daher weder die Aufklärung der Zucht, noch die Zucht der Aufklärung entgegen. Er weiß beyde als unzertrennliche Mittel für die moralisch religiöse Cultur geltend zu machen. Weit entfernt die Gewissen durch das unbesonnene Beginnen, welches die freyen Handlungen von richtigen und unrichtigen Urtheilen des Verstandes ableitet, oder sie mit vernunftmäßigcn und vernunftwidrigen Begierden verwechselt, irre zu machen, weiß er die Veranlassu n- B 4 gen gen sittlicher und unsittlicher Handlungen in jenen Urtheilen und Begierden zu zei» gen, ohne der Freyheit des Willens, der Zu» rechnungsfähigkeit, und mit derselben der Mo» ralität zu nahe zu treten. Ihm ist weder das Herz in seinen unwillkührlichcn Neigungen der Sitz, noch der Kopf in seinen unwill» kührlichen Ueberzeugungen die Quelle der Sittlichkeit, und der Mensch ist ihm keines» tvcgs durch Natur weder gut noch böse, sondern eines von beyden durch F reyheit. Er versteht sich besser auf den Willen Gottes, als daß er denselben entweder in der Thätigkeit der unsren Neigungen dienen» den, oder in der Unthatigkeit der unsrem Willen gebietenden Vernunft finden könnte. Er versteht sich besser auf Natur und Gna» de, als daß er dasjenige, was der Mensch durch Freyheit und Vcrnünftigkeit zu thun hat, entweder der Natur in den durch Dcnkkraft verfeinerten und vervielfältigten Begierden, als der Gnade durch Verläugnung der der wahren Religion. -5 Denkkraft und Ausrottung der Begierden überlassen könnte. Seine Lehre erweckt zugleich das Bewußtseyn der Freyheit des Willens »eben dem Gefühl der Abhängigkeit des -Begehrens, sichert das Zutrauen auf eigene Kraft durch das Mißtrauen auf die Schranken derselben, verstärkt den Glauben an sich selber durch den Glauben an Gott, und zeigt, wie man zwischen einer Furcht, die mehr aufrichtet als niederschlägt, und einer Hoffnung, welche die eigene Thätigkeit nicht einschläfert, sondern aufmuntert, sein Heil wirken müsse. Er setzt die Bestimmung des Menschen weder ausschließend in das gegenwärtige noch ausschließend in das z u- künftige Leben, und läßt dieselbe weder diesseits des Grabes in einem Wohlbefinden, worüber man alles Daseyn jenseits vergessen müßte, noch in einem Uebclbefiudcn bestehen, wodurch man einzig ein besseres Dasey» jenseits zu erwarten hätte. H i m m e l und Erde sind ihm nicht der Endzweck, sondern nur der B 5 Wir- 26 Ueber den Geist Wirkungskreis seines Bestrebens, und wenn er dem Abscheu und der Begierde des Zeitlichen Furcht und Hoffnung des Ewigen entgegenstellt, so geschieht dieses nicht um sich durch den Gedanken an die Zukunft zur Befolgung des Gesetzes zu zwingen, sondern um sich nicht durch das Gefühl der Gegenwart zur Ueberkrctung desselben zwingen zu lass se n. Erhaben und erhebend sowohl über das Vorurtheil: man könne der Gottheit einzig dadurch gefallen, daß man sich auf seinen eigenen Vortheil versteht, als über das Entgegengesetzte: man müsse der Gottheit mißfallen, wenn man unnöthige Leiden von sich entfernet, und unschuldige Freuden aufsucht, — wird er das Rcchthandelu, den einzigen Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens, weder im epikurischen Fliehen vor dem Mißvergnügen und Streben nach dem Vergnügen, noch in dem mönchischen Fliehen vor dem Vergnügen und Streben nach dem Mißvergnügen, noch in der stoischen Gleichgültigkeit gegen beydes — sondern der wahren Religion. r? sondern in dem Gebrauch von beyden zum Behufe der freyen Gesetzmäßigkeit und der gesetzmäßigen Freyheit des Wollens besehen lassen. Ucberzeugr und überzeugend, daß vor Gott und dem Gewissen das Thun und Lassen nur durch die Gesinnung, nicht aber diese durch jenes Werth oder Unn erth hat, das das Gesetz, dem Geiste nach, selbst in den Fallen übertreten werden kann, wo es den: Buchstaben nach befolgt wird, und daß man ein sehr gesitteter Mensch seyn könne ohne darum ein sittlich guter Mensch zu seyn,— richtet er seine Aufmerksamkeit auf die innereGüte des Willens, als den einzigen Grund der sittlichen Zucht der Neigungen und der sittlichen Besserung des Betragens. Diese innere Güte des Willens ist ihm aber nichts geringeres als die Gesinnung der Heiligkeit selber, der ernste allgemeine beharrliche Enk schluß, dem Gesetze als der Richtschnur und dem Bestimmungsgrunde aller seiner freyen Entschlüsse treu zu seyn; das heißt: dasselbe nicht -8 Ueber den Geist nicht etwa nur in denjenigen Fallen gelten zu lassen, wo zufälliger Weise die Begierde mit ihm zusammentrifft, in den Fällen aber wo es der Begierde widerspricht, zum Vortheil dcrsel- den mit ihm zu dingen und zu feilschen, und durch die Ausnahmen für seine Lieblings- Neigungen zu zeigen, daß es selbst bey der angeblichen Beobachtung nicht um das Gesetz, sondern um heuchlerische Beschönigung des Ge- lüstens durch den Schein der Gesetzlichkeit zu thun war. Der moralischgesinnte Lehrer der Religion kennt und lehrt das freye, ernsthafte, redliche, standhafte Ergreifen und Festhalten des Gesetzes, durch welches der Mensch dem inneren Charakter nach allein sittlich , und in der Gesinnung wenigstens heilig wird, ungeachtet er es vermöge der Schranken seiner Natur in seinem Thun und Lassen nie über die Rechtschaffenheit hinausbringt, er kennt und lehrt es als das Eine was Noth i st. In Kraft dieser Kenntniß und Lehre verabscheut und entlarvt er die Wcrkheiligle it, der wahren Religion. 29 keit, welche das Wesen der Religion in lauter solche Handlungen setzt, die durch das Gesetz nicht geboten sind, und deren Unnützlich- keit für die Welt im Auge des Frömmlers das einzige Kennzeichen ist, daß sie nur um Gottes Willen vorgenommen sind, und darum Gott gefallen müssen. Aber er verabscheut und entlarvt nicht weniger die Denkart derUnheili g- keit, welche die Religion von der Moral nicht nur unterscheidet, sondern trennt, den Leidenschaften keine anderen Schranken als ihr eigenes Interesse in diesem Leben entgegenstellt, und das von ihr verkannte Sittcngcsetz dadurch entkräftet wähnt, daß dasselbe als der Wille Gottes und nicht als blinde Naturnoth- wcndigkcit gedacht und beobachtet wird. Seine Religionsvorträge sind weder trockene Raison- nements über dieKunstzu genießen, noch traurige Anweisungen in der Kunst sich selbst zu peinigen, weder Lobreden noch Satyren auf die Menschheit, keine Abhandlungen weder aus der Diätetik, Oekonvmie und Ge- Zo Uebet den Geist Gefthmackslehre, noch aus der mystischen Dog- matst, keine Ausfalle gegen den Aberglauben zum Vortheil des Unglaubens, noch gegen die» sen zum Vortheil von jenem. Ton und Farbe seines Ausdrucks kündigen die von Kaltsinn und Leidenschaftlichkeit glcichentferntc Gemüthsstimmung der G ottseligkeit an, erhaben über den gemeinen Sinn der Weltleute, denen nichts wahr und wichtig ist, was sie nicht mit den Handen greifen können, und über die ausschweifenden Phantasien derSchwarme r, welche das Uebersinnliche durch einen besondern Sinn anschauen, das bloß Denkbare empfinden, und das nicht Denkbare glauben wollen. Der ehrwürdige Charakter des Mannes, der da weiß was er will, und will was er weiß, und die schöne Eintracht eines hellen Kopfes mit einem warmen Herzen drücken seinen Reden und Schriften wie seinen Handlungen ihr unverkennbares Gepräge auf. Man mag Ihn hören, lesen oder sehen, so fühlt man sich von dem Frieden Gottes erheitert und durchdrungen, der wahren Religion Zl drungen, den das Evangelium das er prediget, denen verbeißt, die eines guten Willens sind. II. Ueber den Einßuß der Moralität des Philosophen auf den Inhalt seiner Philosophie. ^as wahre Philosophieren setzt immer guten Willen voraus; man mag nun dasselbe für das, was es bis itzt war und seyn konnte, oder für das, was es seyn soll und werden wird, ansehen — für das Voraussetzen nnd Aufsuchen,— oder für das Aufstellen und Anwenden des Schlechthi ii l etzt cir das unsrem Erkennen n v thwcnd ig zum Grunde liegt, und unsrem Wollen frey zum Grunde gelegt werden soll. Die Weisheit in der Dcnk- Z2 Ueber den Einfluß d. Moralität d.Philos. art zu welcher die Philosophie führen soll, muß schon vorher in der Gesinnung vorhanden seyn; und diese kann zwar und soll durch Wissenschaft unterstützt und befördert, aber keineswegs begründet werden. Diese Gesinnung, welche durch keine Philosophie, und ohne welche keine Philosophie möglich ist, geht einzig von der Gesundheit desjenigen Verstandes aus, den ich, in wie ferne er von der philosophierenden Vernunft verschieden und unabhängig ist, den gemeinen nenne, — und der, in wie ferne Gewissenhaftigkeit, oder innere Rcchtscyaffenhcit, seine höchste Bedingung und sein gewissestes Kennzeichen ist, allein mit Recht der gesunde heißt. In Kraft seiner Gesundheit ordnet dieser Verstand alles Seyn und Wissen dem Rechtwollen, als dem Zweck aller Zwecke unter, den der Gewissenhafte um so genauer kennt, je endlicher und aufrichtiger er denselben geltend machen will. Da nun das Wissen, wonach die Philosophie als Versuch auf den Inhalt seiner Philosophie, zz Versuch strebt, und das sie als Wissen, schaft einst erreichen soll „in der deurli- „chen Erkenntniß des Zusammenhangs der „letzten Gründe des Wissens mit dem „Endzweck alles Seyns und Thuns bc- „steht:" so kann die ächte philosophierende Vernunft mit nichts andern umgehn, als daß sie den gesunden Verstand sich selber verstehen lehrt, und die Eintracht zwischen Kopf und Herzen, die dieser von Seiten des Herzens begründet, von der Seite des Kopfes vollendet. Das menschliche Erkennt- nißvermöge» kann nur der Bestimmung der Menschheit angemessen, und wir können daher nur für dasjenige Wissen, welches wir zum Recht thun nöthig haben, durch unsre Natur ausgerüstet seyn. Es muß also die Kenntniß und das Wollen dessen was Recht ist, der Erforschung des Erkenntnißvermögcns, und der Kenntniß der letzten Gründe des Wissens vorhergehen, um die philosophierende Vernunft beym Suchen und Finden zu leiten; und der Auswahl vrmi. Schrat Sh l' E gesunde Z4 Ueber den Einfluß d. Moralität d.Phllos. gesunde Verstand muß dieser Vernunft den klarcn Begriff des Rechts vorhalten, den dieselbe anfangs zur Dcntlichkeit / und endlich durch seinen Zusammenhang mit den lcktm Gründen des Wissens ztir durchgängigen Bestimmtheit erheben soll. Daher bezeichnete der Name Philosophie schon in seiner ursprünglichen Bedeutung ein Streben nach Wissen um des Rcchthandclns willen; und daher sollte auch noch immer alles Streben nach Wissen um eines andern Endzwecks willen Ph i- lvdoxie heißen. Dir Principien der Philosophie, sowohl diejenigen, von denen sie selbst ausgeht, als auch die, welche sie anderen Wissenschaften zum Grunde legt, müssen rein (durchgängig, völlig) wahr seyn; wenn die Begriffe, worauf sie angewendet werden, durch sie nicht vielmehr verfälscht als gereinigt; alte Irrthümer nicht vielmehr befestiget als aufgehoben, und neue nicht vielmehr erzeugt als auf den Inhalt seiner Philosophie, z z als verhindert werden sollen. Allein nur in wieferne die Wahrheit lediglich um ihrer selbst willen gesucht wird, kann sie als reine Wahrheit gefunden werden. Sie wird in dein Verhältnisse iin Suchen und Finden verkannt, als inan sie um irgend eines andern Endzwecks willen finden will. Wie jedes andere Mittel, wird auch sie nach dem (von ihr selbst verschiedenen) Endzweck modificiert, und indem sie dem, was nicht W ahrheit ist, angcpassck wird, zlnn bloßen Schein herabgewürdiget. Reine Wahrheit ist die Der- nünftigkcit d er Crkenntni ß in wiesen rie sie mit der Erkenntn iß ihrer eigenen Vcrnüttftigkeit verbunden ist; so wie das Sittlichgutc diejenige Vernünftig- kcit des Wollens ist, die im Wollen der V ernü nstigkcit besteht. Reine Wahrheit kann daher nur durch sittlich guten Willen gesucht und gesunden werden. Dct Wille, der aus was immer für einem andern Gruiide, als aus Achtung für die Mrnünsiigkeit um C 2 ihrer z6 Ueber den Einfluß d. Moralität d.Philos. ihrer selbst willen, nach der Vernünftigkeit, »in Erkennen strebt, sucht die Wahrheit nicht um ihrer Selbst willen; kann sie daher nie in ihrer Reinheit finden. Nnr für den sittlich guten Willen allein kann die Wahrheit ohne Widerspruch zugleich Mittel und Zweck seyn. Wenn der unsittliche Wille nach Wahrheit strebt: so geschieht dieses nur um der Lust oder Unlust willen, durch die ihm allein an der Vernünftigkeit im Erkennen und Thun etwas gelegen seyn kann. Gegen Verr nünftigkeit an, und für sich selbst ist er bald gleichgültig, bald eingenommen, weil sie ihm für seine Zwecke bald unbrauchbar, bald hinderlich ist. Er bedarf nur derjenigen Verr nünftigkeit die dieses Interesse begünstiget, seinen Wünschen entgegen kömmt, sich seiner Gesinnung anschmiegt. Er bedarf zu seinem Wohlbefinden des bloßen Scheins der Wahrheit. Anstatt das Unvernünftige zur Vernünf- rigkeit zu erheben, strebt er das Vernünftige dem auf den Inhalt seiner Philosophie. 37 dem Unvernünftigen anzupassen. Darauf laust all sein Forschen nach Wahrheit hinaus, das durch Eigensucht begründet, eingeleitet, gelenkt und entschieden wird. Alle Ueberzeugungen, zu denen die philosophierende Vernunft die letzten Gründe sucht, müssen bereits v 0 r diesem Suchen vorhanden seyn, und jene Gründe müssen sich n a ch den Ueberzeugungen, zu welchen man sie aufsucht, als nach ihren wirklichen oder angeblichen Folgen, richten. Sie können daher für den sie aufsuchenden Philosophen nichts anderes enthalten, als was er aus ihnen ableiten will, und was für ihn schon vorher ausgemacht war. Sie können nicht besser und nicht schlechter seyn, als die Ueberzeugungen über welche er sich durch sie Rechenschaft geben will. Sie werden wahr für ihn, weil er etwas Anderes, das er schon vor ihrem Aufsuchen für wahr gehalten hat, durch sie allein begreifen zu können glaubt. Er erhebt seine nichtphi- C3 losophi« ^8 Ueber den Einfluß d. Moralität d.Philos. losophischen Ueberzeugungen zu philosophj- scheu dadurch, daß er sie auf letzte Grün- dczurückführt» Aber indem cr keine anderen letzten Gründe suchen m'.d finden konnte, als die er zu seinen nichtphilosophischen Ueberzeugungen bedurfte: so sind diese nicht so viel durch jene, als jene durch diese in seinem -Wissen bestimmt; er ist von seinen philosophischen Gründen weit mehr durch seine «»philosophischer, Ueberzeugungen, als von diesen durch jene Überzeugt; die Beweise, die cr für das Fmu dament seines philosophischen Wissens Hält, werden durch das, wozn er sie suchte (und was das eigentliche Fundament seines Systemes ist), empor gehalten; und seinePhilosophie wird durch das begründet, was er durch sie begründet zu haben glaubt. Das Philosophische in unsren Begriffen, Einsichten, Kenntnissen und Ueberzeugungen hangt daher mehr von dem Nichkph i lo so- phischeu, als dieses von jenem ab, und der gemeine Verstand leitet die p h i l o so p h i- r c n d e auf den Inhalt scluer Philosophie. Zy rcudc Vernunft mehr, als er von ihr geleitet wird. Allerdings kann und soll diese die Ueberzeugungen von jenem verbessern. Aber sie müsse" dann auch an sich selbst verbessen lich seyn. Sind sie durch bösen Willen im Grunde verdorben: so werden sie anstatt sich durchs Philosophieren verbessern zu lassen, vielmehr das Philosophieren selbst verderben, und sie selber werden durch die von Ihnen erzeugte Philodopie noch schlimmer werden als sie vorher waren. Durch Philosophie sönnen uuftc Ueberzeugungen nicht ihrem Inhalt sondern nur ihrer Form nach verbessert; können unsre reellen Begriffe nicht vermehrt nur aufgehellet, unsre Kenntnisse nicht erweitert nur erläutert, und nur ynsre schon vorhergegangenen Ueberzeugungen befestiget, keine Neuen begründet werden. Denn die philosophierende Vernunft muß die Mac erialken ihrer Bcschäfftigungen C 4 durch 40 Ueber den Einfluß d. Moralität d. Philos. durch den gemeinen Verstand erhalten; und diese müssen aus den schon vorhandenen und schon klaren Begriffen desselben best« hen, welche durchs Philosophieren zu deutlichen und durchgängig im Bewußtseyn bestimmten erhoben werden sollen. Dieses geschieht durch eine bloße Zergliederung, welche in dem Begriffe selbst nichts Neues hervorbringen , sondern nur das was schon in ihm zusammengefaßt war, finden und dasselbe, es sey nun wahr oder unwahr, nach den logischen Regeln ausstellen kann. In so ferne ist die Philosophierende Vernunft nichts weiter als Dollmerscherinn des gemeinen Verstandes; die Wahrheit oder Unwahrheit ihrer Erklärungen, Einteilungen, Grundsätze und Beweise hangt von der Gesundheit oder Krankheit des gemeinen Verstandes ab, dessen Aussprüchcsie erörtert, entwickelt, beweiset, vertheidiget. Der Dogmatismus oder Skepticismus, Theismus oder Atheismus eines jeden war bereits in seinem auf den Inhalt seiner Philosophie. 41 nein gemeinen Verstände entschieden, bevor ihn die philosophierende Vernunft zum deutlichen Bewußtseyn und zur Sprache gebracht hat. Die äußere Erfahrung hat^keine eigentlichen, (oder schlechthin) letzten, Grün, d e auszuweisen. In ihr ist jede Thatsache, welche Grund ist, zugleich auch Folge einer Ändern; und jede in ihr vorhandene bekannte letzte Ursache einer physischen Bosch affenh ei t oder Vcgebenheit ist Wirkung einer andern noch unbekannten ebenfalls physischen Beschaffenheit oder Begebenheit. Daher ist die physische Naturforschung eines Fvrtschrcitens ins Unendliche von Wirkungen zu Ursachen fähig. Eben darum weil die absvlutletzte Ursache einer physischen Erscheinung nie gefunden werden kann: so muß jede bisher gefundene Ursache die Wirkung einer andern seyn die noch nicht gefunden ist, aber gesucht werden muß. Wäre die psychologische und moralische C 5 Natur 4? Ueber den Einfluß d. Moralität d. Philos. Natur nicht wesentlich von der phy s, sch c n verschieden: so würde überhaupt nichts als ein endloses Aufsuchen des Relativlctzr tcn, mit der Gewißheit nie zum Absolut- letzten gelangen zu können, statt finden, und qllc Wissenschaft der absoluten Gründe und durch absolute Gründe, das heißt: alle eigentliche Philosophie würde unmöglich seyn. Allein das Physische ist von dem Psychologische» und Moralischen wie die äußere Erfahrung von der Inneren und vom Sclbstbcw u ß t- se y n verschieden; und die Ueberzeugungen, zu welchen die Philosophie die absolutletzten Gründe aufstellen soll, betreffen keineswegs physische sondern lediglich psychologische und moralische Begebenheiten und Beschaffenheiten. Sie sind von der äußeren Erfahrung durchaus unabhängig; und würden durch die philosophierende Vernunft schon dadurch verkannt und verfälscht werben, jvenu diese die Gründe derselben außer der »Mieren quf den Inhalt seiner Philosophie, inneren Erfahrung und dem Selbstbewußtseyn aufsuchen wollte. Die psychologischen Gegenstände bestehen aus Zuständen, Veränderungen, Wirkungen, Handlungen, Vermögen, Kräften und Fähigicitcu des Gemüthes; die Moralischen bestehen aus den Aus sprächen des Gewissens über Recht und Unrecht, Verdienst und Schuld und über den moralischen Gesetzgeber und Richter der freyen Handlungen - lauter Gegenstände , die durchaus nichts Handgreifliches, sich den Sinnen aufdringendes, enthalten. Die Begriffe, durch welche alle diese Gegenstände von dem gemeinen Verstände der philosophierenden Vernunft vorgehalten werden, stich um so mehr der Willkühr der Phantasie unterworfen, jemehr sich die Gegenstände selbst you der ärisse rn Erfahrung entfernen, und jcweuiger die Phantasie bey der Boxstellung derselben durch irgend etwas was den Organen durch E i n- drücke gegeben wäre, gebunden ist. 44 Ueber den Einfluß d. Moralität d.Philos. Die Vernunft, durch welche allein hier die Willkühr der Phantasie beschränkt werden muß, kann nicht die Philvsophieren- .d c seyn. Denn es ist von denjenigen Begriffen die Rede, welche durch diese Vernunft vorausgesetzt nicht hervorgebracht, durch sie entwickelt nicht erzeugt werden sollen, welche daher durch die im gemeinen Verstand beschäfftigte Vernunft aufgestellt werden, und bey denen der Einfluß der Phantasie sich nach der Beschaffenheit des den Neigungen dienenden, oder sie beherrschenden Willens richten muß. Die Ueberzeugungen, welche auS der inneren Erfahrung und dem Selbstbewußtseyn durch den gemeinen Verstand geschöpft und durch Philosophierende Vernunft bis zu den letzten Gründen zurückgeführt werden, müssen sich nach der innern Beschaffenheit des eigentlichen Selb- sies in uns richten. Dieses Selbst ist seinem Grund- auf den Inhalt seiner Philosophie. 45 Grundwesen nach frey, und seine innere Beschaffenheit ist das von der Freyheit angenommene Verhältniß zu der uns gegebenen Vernunft, der gute oder schlimme Charakter der Person. Durch die Freyheit wird entweder die Lust und Unlust der Vernunft, oder die Vernunft der Lust und Unlust untergeordnet. Im ersten Falle wird die Vcrnünstigkeit von der Freyheit als Endzweck, im zweyten als bloßes Mittel gebraucht; dort ist das Se l b stbestimmen durch Vernunft, hier das Bestimmtwerden durch Lust und Unlust derChar rakter des Selbstes; durch die Eine Handlungsweise wird das Ich zu einem durch Vernunft über die Begierden herrschenden, durch die Andere zu einem durch Vernunft der Begierde dienendenSelbst. Aber sowohl die eine als die andere Beschaffenheit ist in jedem Selbste nur durch seine Freyheit, folglich nur zufällig vorhanden, und keine derselben macht das Wesen eines Selbstes übrr^ 46 Ueber den Einfluß d. Moralität d. Philos. überhaupt, das in der bloßen Freyheit und Vernunft besteht, au§. Deck Manne von bloß gemeinem aber gesundem Verstände kann es auch nicht :m Traume einfallen, seinen von ihm selbst angenommenen Charakter für das ihm gegebene Wesen seiner Natur zu halten, und zu glauben daß seine guten oder bösen Handlungen unvcrmcidlichc Folgcn jenes Wesens sind. Denn die Freyheit seines Willens ist für ihn durch sein Gewissen völlig ausgemacht. Der Philosoph hingegen, der die Wirklichkeit dieser Freyheit nur in so ferne gelten lassen kann, als er die Nichtnnr Möglichkeit derselben einsieht, wird, so lange srin abstrakter Begriff von der Freyheit unrichtig ist, in demselben Widersprüche finden müssen. Die Gesundheit seines gemeinen Verstandes ist zwar die vornehmste aber nicht die einzige Bedingung von der Richtigkeit jenes Begriffes. Er kann in seinem gesunden und konkreten Begriffe unrichtig abstrahiert haben. Er hat zwar auf den Inhalt seiner Philosophie. 47 die Grundmapime der die Lust und Unlust beherrschenden Vernunft zu der Scimgcn gemacht. Aber es kann ihn, in der Spekulation begegnen, daß er das Herrschen der Vernunft, das nur ein angenommener Charakter der Freyheit ist, für den Charakter und das Wesen der Freyheit überhaupt hält , und diese daher in die bloße Vernünftig keit setzt. Allein der Philosoph von u n g csund ein Verste, >, d denkt die Freyheit schon in feinem konkreten Begriffe unrichtig. Er hat die Grundmapime der unter der Triebfeder von Lust u n d Wer die in der Ä 0 rrede zur n custcn Äns< gäbe seiner Moral gegen wich geführte Klage des Herrn Profeffor und Diakonus Schi» i d in Hena: daß ich durch die Bestreitung seiner Defi- nicion des Willens seinen Charakter angegriffen habe, nicht etwa durch das Nachlesen der Stellen j» meinen Beyträgen, auf welche sich der Kläg er her» fr, wehr als hinlänglich widerlegt fände, entscheide hier zwischen Ihm und mir- 48 Ueber den Einfluß d. Moralität d. Philos. und Unlust dienenden Vernunft zu der scinigen gemacht; und indem er den angenommenen Charakter seiner Freyheit für das Wesen der Freyheit überhaupt halt, kann er dasselbe in nichts andern als in dem Vermögen durch Lust und Unlust bestimmt zu werden, bestehen lassen. Durch einen unrichtigen abstrakten Begriff von der Freyheit verleitet, wird also der gesunde Verstand das Wesen des Selbstes für die Sclbstthatigkeit der bloßen Vernunft, der ungesunde aber für das Streben nach Lust (zu dessen Werk; engen auch die Vernunft gehört,) halten müssen. Jeder glaubt, daß sein Ich durch bloße Natur so beschaffen sey, wie dasselbe durch Freyheit entweder beschaffen seyn sollte, oder wirklich beschaffen i st; und jeder beurtheilt nach seinem verkannten Selbst die menschliche Natur überhaupt. Aber der ungesunde Verstand verkennt, wenn er zur philosophierenden Vernunft erhoben ist, das Selbst und die mensch- auf den Inhalt seiner Philosophie. 49 menschliche Natur auf eine doppelte Weise: Erstens, indem er das Vermögen der Vernunft, Endzweck der freyen Handr lungen zu seyn, (d. h. die praktische Vernunft) Zweytens, indem er das Vermögen der Freyheit, die Vernunft entweder als Zweck oder als Mittel zu gebrauchen verkennt. Durch diese beyden Grundirrthümer befangen, würde er schon allein nie zur reinen Wahrheit der Erkenntniß gelangen können. Reine Wahrheit ist reine Vernünftigkett; und diese ist uns im Siktengesetze, aber auch nur in demselben und durch dasselbe gegeben. Sie kann und darf hier nicht erst hervorgebracht, durch Spekulation gesucht, durch Raisonnemcnt entwickelt werden. Sie wirkt für sich und durch sich selbst; und wenn ihre unfehlbare Wirkung in unsre Gesinnung und Denkart hinübergehen soll: so kann und darf sie nur durch unsre Freyheit angenoip- AnSwahI verin- Schrift. Th> I- D men, zs Ueber den Einfluß b. Moralität d. Philos. mcn, und unsren Entschlüssen zum Grunde gelegt werden, Sie ist in dem gemeinsten wie in dem gebildetsten Verstand, in dem untrüglichen Ausspruche des Gewissens vorhanden. Die Vernunft kann nur im Raisvnniren (als theoretische), keineswegs aber im Aufstellen des Sittengcsetzes (als praktische Vernunft) irren; so wenig als die Freyheit, dje sich unmittelbar an dieses Gesetz halt. Sie raisonnirt nur mit den Begierden, mit der Freyheit des Willens raisonnirt sie nicht, sondern gebietet derselben schlechterdings und unbedingt : das Vernünftige anzunehmen, weil es vernünftig ist. In diesem Gesetze ist sie durchaus mit sich selbst einig, und so weit als unser Raisonnement durch den an dieser unfehlbaren Richtschnur festhaltenden Willen geleitet wird, wird es untrüglich gefeiter, sieht die theoretische Vernunft unter der Lenkung der praktischen, die Philosophie unter dem Schutz der Gewissenhaftigkeit, Zeey^ auf den Inhalt seiner Philosophie. § l Freylich kann das unfehlbare Gesetz seh» lerhaft angewendet werden, und in so ferne, aber auch nur in so ferne, ist das irrende Gewissen möglich» Daraus folgt zwar, daß selbst der gute Wille nicht gegen alle Irrthümer schützen; aber keineswegs, daß man ohne denselben sich vor den verderblichsten Irrthümern verwahren könne. Auch der Gewissenhafte kann, aber der Gewissenlose w i l l getäuscht werden. Der eine irrt in der besonderen Anwendung der rein wah- den Grundmaxime seines Willens, der andere hingegen irrt in der Grnndma^ime selbst, und zerstört durch die Anwendung derselben die Wahrheit seiner übrigen, auch noch so richtigen, Einsichten. Das Gedankensystem des Einen ist bey allen seinen Unrichtigkeiten in der Haup t fache wahr, und enthalt die vornehmste Bedingung seiner allmähligett Berichtigung in sich selber. Das Gedankcnsystem deS Andern ist in der Hauptsache, und vorn Grund aus verderbt, und enthält einen D s durch 5 2 Ueber den Einfluß d. Moralität d. Philos. durch keine Spekulation und Erfahrung ve« tilgbaren Keim der Unwahrheit in sich selber, durch den selbst jede zufällig erkannte Wahrheit zu einem Mittel der Täuschung werden muß. Aus der Möglichkeit des irrigen Gewissens ergicbt sich also die Nothwend i g- keit der Aufklärung zur Erkenntniß und ErfüllungPnsrer besonderen Pflichten, aber keineswegs weder die Abhängigkeit des Entschlusses überhaupt seine Pflicht zu thun von irgend einer Aufklärung, noch die Unabhängigkeit der achten Aufklärung vbn jenem Entschlüsse. Diese Aufklärung setzt eben darum, weil sie Pflicht ist, die Gewissenhaftigkeit voraus. Ohne den allgemeinen und festen Entschluß seine Pflicht zu thun, und ohne die von demselben abhängige Zucht der Neigungen würde sie nie die sittliche, das heißt, die einzig wahre, A ufklärung werden können. Wenn die Entwicklung der Gemüthskräfte keine aridere Triebfeder als Lust und auf den Inhalt seiner Philosophie. ;z und Unlust hat, und erkennt: kann der Ver- stand auch nur für den Dienst der Neigungen aufgeklart werden. Die Vollkommenheit seiner Begriffe besteht alsdann in ihrer Tüchtigkeit zur Verfeinerung und Vervielfältigung der Genüsse; die Richtigkeit seiner Ueberzeugungen in ihrer Angcmesscnheit zu den stets abwechselnden Bedürfnissen der Sinnlichkeit, und das Streben nach Wahrheit in der Geschmeidigkeit der Urtheilskraft die logischen Regeln der Veränderlichkeit der äußern Umstände anzupassen. Bey dieser Art von Cultur können die Wissenschaften nichts als Gegenstände und Werkzeuge des Lurus seyn, nach welchem ihr Wehrt und ihre Beschaffenheit beurtheilt werden muß. Die durch unsittlichen Willen gelenkte Aufklärung ist freylich von noch schlimmerer Art. Sie verdunkelt die eigentliche Quelle der Wahrheit in dem Verhältnisse mehr, als sie die Quelle des Scheins mit dem erborgten Lichte der Wahrheit überstrahlt; sie zwingt den Verstand die willkührlichen Maxi- k s 54 Ueber den Einfluß d. Moralitätd.Philos» mcn der Unsittlichkeit durch die Sanktion dcr Gesetze des Denkens zu bestätigen, und die große Hauptlügc: daß der Wille nicht frey ist, allen seinen Nachforschungen über den menschlichen Geist zum Grunde zu legen. Die Grundfalschheit, die allem Phi- losophieren eine falsche Richtung geben muß, liegt in dem Begriffe einer allgemeinen und durchgäng igen Naturn othw endigtet t. Dieser Begriff setzet die Verwechslung des Unbedingten und Freyen in unsrem j Selb ste mit dem Be dingten und Noth- ! Wendigen der äußern Natur voraus, und legt diese Verwechslung allen Untersuchungen über Geist und Körper, innere und äußere Erfahrung, moralisches und physisches Ver, mögen zum Grunde. Hievurch wird die Quelle aller Principien der Philosophie, die entweder nirgends oder einzig indem Selbst vorhanden ist, verkannt und verfälscht, und, alles was aus ihr geschöpft und unter dem Namen auf den Inhalt seiner Philosophie. 5 5 Namen der Philosophie aufgestellt wird, ist in dem Verhältnisse unwahrer, je konsequenter der Selbstdenker dabey verfahrt. In jedem seiner Grundbegriffe liegt Vermengung des Unbedingten mit dem Bedingten, des Freyen mit dem Nothwendigen. Findet er nun in denselben daS Widersprechende, das sie wirklich enthalten; so wird er als Skeptiker die Grundlosigkeit des menschlichen Wissens , und die Unmöglichkeit aller Philosophie als Wissenschaft behaupten. Nimmt er hingegen jenes Widersprechende nicht wahr: so glaubt er das Unbedingte, welches er anzunehmen durch seine Vernunft genöthiget ist, außer seinem Selbst aufsuchen zu müssen, während er i n demselben nichts als Bedingt- heitund Abhängigkeit voraussetzt. Er mag nun das lediglich außer sich selbst hinaus versetzte Unbedingte — Materie oder Geist, Natur oder Gott nennen: so muß er dasselbe in dem Verhältnisse mehr verkennen, als er das Unbedingte in sejuem eige- D4 ncn z 6 Ueber den Einfluß d. Moralität, d. Philos. nen Selbst, die von ihm geläugnete und für eine Täuschung erklärte Unabhängigkeit seiner Vernunft im Sitrcngcfttze, und die Freyheit seines Willens, folglich das ganzcWesen der Moralität, das Bild der Gottheit in sich selber, und den durch dasselbe geoffenbarten, einzig möglichen Charakter verkennt — durch den Gott und Natur von einander unterschieden wer? den können. Die Grundwahrheit, durch welche alle ächte Philosophie begründet werden muß, ist oieUnterscheidung unsres Selbstes als des unbeding ten und freyen Sub- jektes der inneren und äußeren Erfahrung — von allen bloßen Objekten der äußern Erfahrung , welche als solche nur unter dem Charakter des bedingten Daseyns und nothwendigen Wirkens in unsrem Bewußtseyn vorkommen können. Die unbedingten Gesetze des Erkenncns sind die einzig auf den Inhalt feiner Philosophie. ; 7 einzig möglichen Principien der Theoretischen, und das unbedingte Gesetz des freyen Wollens ist das einzige Princip der Praktischen Philosophie. , Diese Gesetze können nicht außer dem erkennenden und trollenden Subjekte zu suchen und zu finden, sie müßen in unsrem Selbst gegründet seyn. Sie würden nicht unbedingt, keine eigentliche Gesetze, nicht schlech th in nothwendig und allgemein seyn, wenn das Subjekt? in dem sie gegründet sind, nicht als unbedingt gedacht werden müßte. Für bedingte Subjekte kann es auch nur bedingte Prä- dikare und nur relative Gesetze geben; und jedes unbedingte Prädikat, und absolute Gesetz setzt auch ein Solches Subjekt voraus. Auch der gemeine Verstand denkt das Selbst als Unbedingt. Jeder zum Selbstbewußtseyn gelangte Mensch unterscheidet mit mehr oder weniger Klarheit, aber immer nothwendig, sich alsPerso ir von allen Sachen in wicferne er sein Ich im D 5 Senn 5 z Ueber den Einfluß d. Moralität, d. Philos. Seyn und Thun von allen andern Beding» ungen als von sich Selbst unabhängig denkt. Er unterscheidet dieses Selbst von feinem Leibe, der sich in seinem Bewußtseyn als ein bloßes Objekt, und als Werkzeug (Organ) des Selbstes (als der Seele) verhält. Alles bloße Wirken bezieht er unmi ttel» har, alles bloße Leiden nur vermittelst des Organs auf das Selbst; indem er den Grund seines Denkens und Wollens in der Seele, seiner äußeren Empfindungen und Anschauungen aber im Leibe aufsucht, und eben dadurch das reine Selbst als das Subjekt der bloßen Selbst- thätigkeit und Freyheit denkt, und alles was in Ihm selber nicht thätig und frey ist, in dem bloßen Verhältnisse des Selbstes, zu etwas was nicht Er selbst ist, voraussetzt. Allein so unvermeidlich sich auch der gemeine Verstand die Unbedingt- heit des Selbstes in der Selbstständigr keit.und Sclbstthätigkeit des Ichs, in auf den Inhalt feiner Philosophie. 59 in dem klaren Begriffe der Persönlichkeit Lenkt; fo nothwendig wird die Philosophierende Vernunft jene yribedingtheit und die ganze Unterscheidung der Person von den Sachen für eine bloße Täuschung erklären müssen: so bald sie die Freyheit des Willens für Täuschung halt, und nach dieser Ueberzeugung konsequent zu Werke geht. Die Selbsithat ig keit, durch welche sich die Sclbstständigkcit der Person im Bewußtseyn ankündiget, äußert sich allein im Denken und im Wollen. Die Vernunft ist in allen ihren Aeußerungen an eine einzig mögliche, nothwendige, Wirkungsart gebunden; sie mag als Mittel oder Zweck bes fchäfftigt seyn, dienend oder gebietend gebraucht werden: so geschieht beydes, in wiese rne es durch Vernunft geschieht, nach Einem und demselben Gesetze der Wirksamkeit, welches Pas Wesen der Vernunft ausmacht. Die Vernunft kann sich ihre Wirkungsart nichj selbst bestimmen; Wh ihre Wirkung sist daher 6o Ueber den Einfluß d. Moralität d. Philos. daher keineswegs als frey, als eigentliche Handlung, denkbar. Der Wille ist das einzige freye Vermögen, weil er sich seine Wirkungsart selbst bestimmt, und weil er die Wirkungsart der Vernunft entweder als Zweck oder als Mittel gebraucht. Nur durch diese Freyheit allein sind zwey wesentlich verschiedene Aeußerungen von einer und derselben Wirkungsart der Vernunft möglich. Ohne sie würde die Scibsithätigkeit der Vernunft nicht selbstthätiger als die Spontaneität einer Uhrfeder seyn, die nothwendig ausschntllt, wenn der Gegendruck von außen aufhört. Die Wirkungsart der Vernunft würde nicht jm vernünftigen Subjekte allein bestimmt seyn können, weil ihre Aeusserung in keinem Falle lediglich von diesem Subjekte abhicnge. Die Sclbstständigkeit, welche sich durch Vernunft ankündiget, wäre eine bloße Täuschung, im Grunde bloße Elasticität. Die P e r so n wäre nichts weiter als eine Sache, die sich ihrer elastischen Kraft bewußt wäre. auf den Inhalt seiner Philosophie. 6 r wäre. Der Unterschied zwischen Sollen und Müssen, Nöthigung durch bloße praktische Vernunft, und Nöthigung durch Lust und Unlust in Verbindung mit theoretischer Vernunft würde bloß eingebildet, und die Selbstthätig- keit der Vernunft würde keineswegs in dem bloßen Subjekte allein gegründet, keine absolute Sclbstthatigkeit und die Vernunft selbst würde lediglich theoretisch seyn. Ohne also die Freyheit des Willens anzunehmen, wird der Philosoph, in wieferlie er konsequent denkt, die Unbedingthcit und Selbstständigkeit des Ichs aufgeben, und eben dadurch den leitenden Begriff, den alle reine und wahre Philosophie vorausseht, entbehren müssen. Er wird die Freyheit seines Willens nicht annehmen wollen, wenn er ein sittlich böser Mensch ist. Fühlte er sich auch weniger durch sein Interesse aufgefordert, die verhaßte Last, durch die ihn sein Gewissen drückt, vtm sich 62 Ueber den Einfluß-.Moralität d.PHLlof. sich abzuwälzen, und seine Schuld — der Natur aufzubürden, so müßte er schon allein durch die angenommene Gewohnheit, sich durch seine Triebe und durch die Gegenstände derselben bestimmen zu lassen, endlich an seiner Selbsisiandigkcit irre werden. Er fühlt sich durch die leiseste Regung seiner herrschenden Leidenschaften überwältiget; sieht in jeder Schwierigkeit seine Pflicht zuthun, eine Unmöglichkeit; kann sich für sein gegebenes Wort nur auf so lange verbürgen, als es sein Vortheil ist dasselbe zu halten; ist immer nur das was die äußeren Umstände aus ihm Machen. Was ist natürlicher, als daß sich in einem solchen Menschen das Bewußtseyn seiner Freyheit in dem Verhältnisse verliert, als er diese Freyheit aufgiebt, und baß er die von ihm selbst sich zugezogene Abhängigkeit seines Denkens und Wollens von der unvermeidlichen Abhängigkeit seinesErkcnnens und Begehrens nicht mehr zu unterscheiden vermag, -Lern auf den Inhalt seiner Philosdphie. 6z Dem Sittlichguten Menschen hingegen kann nichts so einleuchtend und so gewiß seyn, als die Unabhängig keit seines Denkens und Wollens bey aller Abhängigkeit seines Erkenncns und Begehrens. Sein gewöhnlicher Gemüthszustand ist Beso litt cnheit, in welcher er sich durch seine Freyheit zu erhalten strebt, und durch die er sich in dem Bewußtseyn seiner Freyheit zu erhalten weiß. Er ist g « wissenhaft, er höhlet daher über jede seiner vorzunehmenden Handlungen den Ausspruch seines Gewissens ein, und in seiner unbedingten Bereitwilligkeit zu thun oder zu unterlassen, je nachdem die Entscheidung desselben ausfällt, wird ihm die Wirklichkeit seiner Freyheit dargestellt. Selbst die Fehltritte seiner Gebrechlichkeit dienen ihm diese Ueberzeugung einleuchtender zu machen. Weit entfernt die Ursache seiner Vergehungen außer sich selber aufzusuchen, klagt er sich selbst, aber jede derselben vor dem Richtersiuhle des Gewissens mit unbestechlicher Strenge an; und jedes Geständ- 64 Ueber Hen Einfluß d. Moralitätd.Philos. «iß seiner Schuld und jeder Vorsatz seiner Besserung ist zugleich Huldigung gegen das Gesetz und Anerkennung der Freyheit seines Willens. Er weiß daß die Nechtschaffenhcit das Einzige ist, was gänzlich von ihm selbst abhängt, und was ihm die Natur weder geben noch nehmen kann; daß es zwar nicht auf ihn selbst ankomme: ob er in dem nächsten Augenblick noch gesund oder krank, glücklich oder unglücklich, lebendig oder todt, — daß es aber völlig aus ihn selbst ankomme: ob er in der Zeit und in der Ewigkeit rechtschaffen seyn werde oder nicht; daß also dasjenige, woran ihm am meisten gelegen ist, der Wehrt seiner Person, die Würdigkeit zum Wohlbefinden, sein Wohlverhalten in seine eigene Hände niedergelegt ist. Seine Ueberzeugung von seiner Freyheit ist ihm so theuer als die Rcchtschaffen- heit selbst, und steht mit der Aufrichtigkeit Und der Festigkeit seines Entschlusses rechtschaffen zu seyn, im innigsten Verhältnisse; ist schon in diesem Entschlüsse enthalten, und Unter- auf den Inhalt feiner Philosophie. 6z unterstützt denselben nicht weniger als sie durch ihn aufrecht erhalten wkd. Sie ist der erste Artikel des Glaubens, der für ihn der alleinseligmachende ist; das von aller Untersuchung Ausgemachte, das er allen Untersuchungen über die letzt cn Gründe des Wissens zum Grunde legt; dasjenige, was alle Handlungen seines Willens begründet und durch sie begrüntet wird, und wodurch sein Glauben, Wissen und Handel n, Zusammenhang, Leben, Harmonie und Wahrheit erhalten. M. Auswahl verm. Schrift. ?h. I. E 66 Ueber die teutschen Beurtheilungen III. Ueber die teutschen Beurtheilungen der französischen Revolution. Ein Sendschreiben an den Herrn ysftath Wicland. In, Februar/ -7SZ- Aer weltbärgerliche Gesichtspunkt, aus welchem Sie, mein innigst geliebter und verehrter Vater, die menschlichen Angelegenheiten zu betrachten und zu beleuchten gewohnt sind, ist wohl nie in einem höheren Grade verkannt worden, als er gegenwärtig durch diejenigen verkannt wird, die denselben erst neuerlich bey Gelegenheit der französischen Revolution entweder angenommen zu haben meynen, oder vcrwers der französischen Revolution. 67 verwerfe» zu müssen glauben. Wenn Sie bedenken, daß der bey weitem größte Theil sowohl der Vertheidiger als der Gegner jener Weltbegebenheit in diese Klasse gehört: werden Sie es sehr natürlich finden, daß Ihre, seit ein paar Jahren her, durch den deutschen Merkur bekannt gewordenen Aufsätze von beyden Parteyen so arg mißverstanden und gemißdeutet worden sind. Durch die spateren Erörterungen Ihrer früheren Urtheile können Sie es zwar dahin gebracht haben, daß Ihr Rame eben so wenig in einem Jakobinischen PariserrKluöb als in der Wiener- Zeitschrift unter den Kämpfern für die respektive,, guten Sachen wieder genannt wird: allein alle politische und moralische Klugheit, und alle logische und ästhetische Klarheit, wodurch Ihre Betrachtungen über die gegenwärtige Lage des Vaterlandes für alle Ihre Geistesverwandten «in so schätzbares Neujahrs- gcschenk geworden sind, werden nicht nur kein Hinderniß, sondern vielmehr die Veranlassung E s seyn, 6z Ueber die teutschen Beurtheilungen seyn, daß sich unsere angeblichen Weltbürger mit den erklärten Antipoden alles Weltbürgersinnes vereinigen werden, Ihr politisches Glau- bensbckenntniß theils für gefährlich, theils für sich selbst widersprechend auszurufen. Der »«parteyische Beurtheiler wird den beyden Parteyen in dein Verhältnisse immer unverständlicher, als er sich von ihren entgegengesetzten Denkarten gleich wert entfernt. Da jede derselben die Maximen ihrer Gegnerinn eben so sehr als ihre Eigenen bey Ihm vermißt: so sehen sich beyde genorhigct, ihn des gänzlichen Mangels an festen Grundsätzen zu beschuldigen; und da er sich für keine gegen die andere, sondern gegen Beyde für ein Ihnen gemeinschaftlich unbekanntes Etwas interessiert r so scheint er ihnen bald in dem verhaßten Zustande der egoistischen Gleichgültigkeit gegen das gemeine Beßte, bald in einem geheimen Einverständnisse mit der Gcgcnpartcy, bald mit dem lächerlichen Versuche bereit, durch Der- der französischen Revolution. 69 Vereinigung dessen was sich nicht vereinigen läßt, sich anfangs zum Schiedsrichter zwischen den Parteyen, und dann zum Herrscher über beyde auszuwerfen. Das böse, in einem ewigen Kampfe mit sich selbst nicht weniger als mit dem Guten begriffene, Princip äußert sich unter andern auch durch den Streit zwischen der politischen Herrschsucht und der politischen Zügellos i g l c i t, wobey die Eine Partey bürgetliche O r d n u n g, die Andere bürgerliche Freyheit als das Losungswort im Munde führt. Bey jedem neuen und heftigeren Ausbruch dieser Fehde kann der weltbürgerlich gesinnte Selbstdcnker keinen angelegnem Wunsch haben, als daß sich beyde Kampfer das Gleichgewicht halten, und ihre aufgeregte Wuth durch gegenseitige Beschränkung erschöpfen mögen. Wie sollte Er nicht wissen, daß Vaterland und Menschheit durch den entscheidenden Sieg entweder der sogenannten Demokraten E 3 über 72 Ueber die teutschen Beurtheilungen über die Arisiokraten, oder dieser über je- ne, durchaus nichts zu gewinnen, aber desto mehr zu verkehren haben! So oft also der leidige Fall eines solchen Sieges eintritt; sieht er sich verpflichtet, auch auf die Gefahr für einen Hochverräther an der Menschheit von Demokraten, oder am Vater lande von Aristokraten erklärt zu werden für die gute Sache der Menschheit und des Vaterlandes, die zugleich mit der schlimmen der unterliegenden Partey unterdrückt wird, gegen die Unterdrückende aufzutreten. So haben wirklich in allen Ländern Europas die achten Freunde der Freyheit ihre Stimmen gegen die Anarchie in Frankreich, in dem Verhältnisse lauter erhör den, als dieses Ungeheuer, indem es den Despotismus der vorigen Regierung verdrängt, zugleich auch alle heiligen Grundlagen der bürgerlichen Ordnung zerstört hat. Allein so wie diese Stimmen in Frankreich durch das tolle Triumphgeschrey der ohne Zügel der französischen Revolution. yr Zügel herum wüthenden neuen Souveraine über- tönt werden mußten: so dürften sie sich gegenwärtig in Teutschland indem fürchterlichen Zetergcschrey derjenigen verlieren, die mit und ohne Absicht die Gefahr unsers Vaterlandes übertreiben, und durch alle Künste der Überredung unsre Regierungen zum Gebrauch derjenigen Kunstgriffe und Zwangsmittel auffordern, durch welche über kurz oder lang Anarchie herbey geführt wird. Die Zahl und der Einfluß der Patrioten von dieser Art nimmt bey uns in dem Maße zu, als sich in Frankreich die Eräuel der politischen Zügellosigkeit anhäufen, und die Partey, welche noch vor kurzem an der Revolution alles entschuldiget wissen wollte, durch Schrecken und Angst in die Enge getrieben, der Eegenpartcy, die an derselben alles ohne Unterschied vcrurtheilt, das Feld zu überlassen scheint. Die Bedeutung, in welcher diese teutschen Patrioten Regierung und Unterwcr- E 4 fung 72 Ueber die teutschen Beurtheilungen sung handhaben, ist um nichts besser, als diejenige, in welcher die jakobinischen Weltbürger Freyheit und Gleichheit verkündigen. Allein die Erstem dürften unter den bey uns so zahlreichen Klassen der V ornc h in e n, die mit dem Namen des bürgerliche n Standes auch die Lasten der bürgerlichen Gesellschaft von sich abzuwälzen gewöhnt sind, weit mehr vorbereitete Gemüther antreffen, als die ledern unter unserm gemeinen Volke finden wurden, welches gerechte und ungerechte Lasten nur selten mit gleicher Ungeduld, gewöhnlich aber mit gleicher Gefühllosigkeit trägt. Das einzige, worüber die Vertheidiger der beyden Extreme unter sich einig sind, und was die teutschen Aristokraten den französischen Demokraten aus ihr Wort glauben, ist: daß die Revolution ganz oder doch größtem theils das Werk der Philosophie sey, und es ist dermalen in Teutschland etwas eben so gewöhnliches, sich durch D e- schul- der französischen Revolution. 7z schuldigungen, als in Frankreich sich durch Lobsprüche an dieser Wissenschaft zu versündigen. Die wahre Philosophie ist frey- lich über beydes gleich hoch erhaben; aber sie wird gleich sehr verkannt und ihr wohlthätiger Einfluß wird auf gleiche Weise gehindert, wenn in Teutschland das Vorurtheil, Philosophie überhaupt könne mit Politik und Jurisprudenz nur zum Nachtheile der beyden letzter» verbunden werden, eben so tief einwurzelt und so weit um sich grejkt, als in Frankreich das entgegengesetzte Vorurtheil, Politik und Jurisprudenz müßten ihre Principien aus bloßer Philosophie schöpfen — eingewurzelt ist und um sich gegriffen hat. Ich unterscheide diejenige populäre Philosophie, welche die Tochter der mit sich selbst einigen philosophircnden Vernunft und des durch das sittliche Gefühl geleiteten und in so ferne allein gesunden Verstandes ist, und die von dem Pöbel eben so wenig verstanden und geliebt E 5 wird 74 Ueber die teutschen Beurtheilungen wird als die wissenschaftliche, von derjenigen , welche, von unreifer Spekulation und gemeinem— durch bloßen Luxus verfeinerten — Mutterwitz erzeugt, nur um den Beyfall der Menge buhlt, und sich dem Pöbel aller Stande Preis giebt. Diese letztere ist vorzüglich in Frankreich groß gezogen worden. Bey keinem Volke hat man sich so sehr um die Zurückführung aller menschlichen Angelegenheiten, von der wichtigsten, bis zur unbedeutendsten, auf allgemeine Sätze, und bey keinem so wenig um die Beschaffenheit dieser Satze bekümmert. Die Philosophie wurde immer allgemeiner zum Fundamente alles übrigen Wissens erhoben; aber ihr eigenes Fundament wurde immer allgemeiner vergessen, und man verlohr sie selbst in dem Verhältnisse aus dem Auge, als man über Alles, sie allein ausgenommen, philosophirte. Indem man durch sie allenthalben außer ihr Gründlichkeit erkünstelte, wurde sie selbst zum seichten Geschwätze, und sie war zur Rhapsodie leerer Gemeinplätze herab- 75 der französischen Revolution. hcrabgesunkcN? vähreud die Politik und die Politesse, dieLaktik unddieTanz ku gst, die Chemie und die Kochkunst mit allem Gepränge der systematischen Darstellung ausges stattet wurden. So geschah es, daß die M es taphysik in demselben Zeitpunkte vcrnachläßh get, verachtet/ verspottet, und ihr Name zum Schimpfwort«! gebrandmarkt wurde, da alle Raisonncmcnts aller Lieblingsschriftsteller der Nation von keinen andern als metaphysischen Sätzen ausgingen; von Sätzen, die man als ausgemachte, keines Beweises weder fähige noch bedürftige Urtheile desgesunden Verstandes annahm; über welche man aber gleichwohl nur in so ferne einig war, als man ihren Sinn unbestimmt zu lassen bequem gefunden hatte, und die, ohne einschränkende Bestimmungen gedacht, in der Anwendung nur durch Inkonsequenz gegen Mißbrauch gesichert werden konnten. Mittlerweile hatten Staatsverfassung und Staatsverwaltung in Frankreich den Grad 76 Ueber die teutschen Beurtheilungen Grad von Ausartung erreicht, auf welchen die Lasten des Staates, nachdem sie von dem unterdrückten Volke nicht mehr getragen werden konnten, die Regierung selbst zu erdrücken an- ficngcn, und die ohnmächtigen Versuche der letzter«, den immer zunehmenden Verlust ihrer Kräfte theils zu hemmen, theils zu verbergen, die Aufmerksamkeit denkender und undenkcnder Köpfe auf sich zog. Während der nahe Untergang des Staates einerseits durch die Unwissenheit und Verkehrtheit des grösseren Theils der Minister und ihrer Werkzeuge beschleuniget wurde, andererseits durch die Einsichten und Treue des kleineren Theils aufs höchste nur verspätet werden konnte, — war der Gedanke an wirkliche Rettung dein Wunsche und der Spekulation der Philosophen anheim gefallen, welche sich dieselbe nur unter der Bedingung einer Wiedcrgeburt, und diese nur dadurch zu denken vermochten, daß sie ihre allgemeinen Sätze an die Stelle der bisherigen individuellen Umstände zur Grundlage einer neuen Ordnung der Ver frmizöj.'lschcn Revolution. 77 der Dinge annahmen. Das Lehrgebäude einer Staatsverfass ung überhaupt, welche die bisherige wirkliche Rcgierungssorm ersetzen sollte, wurde dabey aufkeine andere Weise individualisiert, als daß man in allen Punkten das kontradiktorische Gegentheil der vorigen Einrichtung ausstellte, und was sich damit nicht vereinigen ließ, vernichtete. Freyheit und Gleichheit der Personcn, die freylich — in einem gewissen, bisher mehr durch bloße Gefühle als bestimmte Begriffe bekannten Sinne — von der menschlichen Natur unter jedem äußern Verhältnisse unzertrennlich sind, wurden in dem bisherigen Zustande der Nation am meisten vermißt. Eben darum nahm man sie unter die Elemente der neuen Grundlage um so bereitwilliger und allgemeiner auf. Diese Freyheit und Gleichheit war den Wvhlmeyncndcn durch den Ucbcrmuth der Unterdrücker und durch das Elend der Unterdrückten, — den Uebclge- sinnten aber durch ihre eigene Herrschsucht und Habsucht aus Herz gelegt. Beyde, sonst so ungleich- 78 Uebel die teutschen Beurtheilungen gleichartige Klassen der Unzufriedenen waren daher gleich wenig aufgelegt, sich auf die Festsetzung der einschränkenden Bestimmungen einzulassen , durch welche der eigentliche Sinn jener viclbcdcutenden Worte für die gründlichere Philosophie des bcdächtlichen Teutschen noch immer sircitig ist. So wurden in Frankreich die Rechte der Menschheit überhaupt durch seichte Philosophie ausgestellt, durch Schwärmerey und Lasterhaftigkeit ausgedeutet, und durch die physische Gewalt, die aus den Händen der Regierung in die Hände des Pöbels übergicng, und die bisher einzig mit der Behauptung der Vorrechte des Throns, des Adels und der Geistlichkeit beschäftiget war — zu bloßen Vorrechten des Pöbels herabgewürdiget, und als solche geltend gemacht. Teutschland hat von dem gegenwärtigen Zustande weder seiner Philosophie noch seiner Staatsverfassung und Staatsverwaltung ein ähnliches Schicksal zu besorge», Bey der französischen Revolution. 7.) Bey uns hat die phi.'osophircnde Vernunft bis itzt sehr viel für die Wissenschaft, und sehr wenig durch die Wissenschaft geleistet. Unangefochten durch Verfolgungen von unphilosophuchen Dienern der Kirche und des Staats — denen die französischen Philosophen eine zu frühzeitige Eintracht unter sich selbst, und ein zu voreiliges und zu weit verbreitetes Aufsehen beym großen Haufen zu danken hatten sind die eigentlichen Bearbeiter und Lehrer der Philosophie in Teutschland ganz sich selbst überlassen. Dagegen sind sie in unaufhörlichen Fehden unter sich begriffen, durch welche sie das Ansehen ihrer Wissenschaft in eben dem Verhältnisse von außen schwächen, als sie die Vollkommenheit derselben von innen befördern. Jeder neue, auch noch so wahre und wichtige, Gedanke wird bey uns so lange angefachten, als er noch einer genaueren Bestimmtheit fähig, oder (welches für den Philosophen dasselbe ist) bedürftig ist. Während unsere Philosophie durch die Re- volw zo Ueber die teutschen Beurtheilungen volutivnen auf ihrem eigenen Gebiete ihrem Einflüsse auf die Felder der positiven Wissenschaften Schranken setzt, werden diese Wissenschaften durch ihre historischen Hülssgucl- le» mir dem hartnäckigsten Fleiße und dein glücklichsten Erfolge bearbeitet; mit einem Fleiße, der ihren Pflegern keine Zeit, und mit einem Erfolge, der ihnen keine Lust übrig laßt, dasjenige was sie einmal durch die unbezwcifelten Thatsachen der Geschichte fest begründet zu haben glauben, durch die Zurückführung auf die streitigen Principien der Philosophen schwankend, oder wenigstens verdächtig, zu machen- So nimmt bey uns die Trennung zwischen der Philosophie und den positiven Wift senschaften in dem Verhältnisse zu, als beyde auf dem Weg ihrer dcrmaligen Kultur weiter fortschreiten, als die Eine zu den letzten und allgemeinsten Principien höher hinaufsteigt, und die Andern sich tiefer in das historische Detail herablassen. Es der französischen Revolution. 8r Es ist bereits auf beyden Seiten so weit gekommen, daß an eine Vereinigung dieser so sehr abgesonderten und heterogenen Erkenntniß- arten nicht eher zu denken ist, als bis eö den Philosophen gelungen seyn wird, zu den einzig möglichen, und folglich auch wirklichen letzten Principien ihrer Wissenschaft zu gelangen, oey welchen ihnen das Einvcrständniß über dieselben unvermeidlich, alles wettere Hinaufsteigen Unmöglich, gemeinschaftliches Herabsteigen nothwendig, und gegenseitige Annäherung zwischen Ihnen und den positiven Gelehrten möglich wird. Bis zu dieser Epoche — die freylich für jetzt noch von den meisten Philosophen von Profession für die überschwengliche Idee eines gutherzigen Schwärmers angesehen wird — muß unsre Philosophie immer abstrakter, unsre positive Gelehrsamkeit immer konkreter werden; die erstere durch die Subtilirat und Vieldeutigkeit ihrer Resultate sich immer mehr von der An- tvendbarkeit entfernen; die letztere durch die Menge, Mannichfaltigkcit und Verwicklung A»ew->l>l vkr»i. Schrm §!>. i A ihrer 82 Ueber die teutsche» Beurtheilungen ihrer Materialien das Gedächtniß ausschließend bcschafftigcn und die Denkkraft betäuben. Bey uns sind gegenwärtig die öffentlichen Angelegenheiten durch den Zustand unserer Wissenschaften selbst sowohl gegen die Nachtheile einer seichten als gegen die Vortheile einer gründlichen Philosophie gesichert. Die teutsche Staatsverfassung und Staatsverwaltung ist in jeder wesentlichen Rücksicht von den vormaligen französischen verschieden. Frankreich wurde durch einen einzigen und unumgeschränkten, Tcutsch- land wird durch viele und umschränkte Fürsten regiert. Die Beamten des Staates, welche Frankreich Im Namen seines Königs beherrschten , wurden durch ihr gemeinschaftliches Ins tcresse angetrieben, jeder Einschränkung der königlichen Gewalt entgegen zu arbeiten; und es war ihnen nach und nach gelungen, die Will, kühr des Monarchen (ein blindes Werkzeug in -er Hand der ihrigen) über alle positive Gesetze zu der französischen Revolution. zu erheben. Lie Regenten Teukschlands sind durch ihr gemeinschaftliches Interesse gcnöthiget, die Gesetze der Konstitution aufrecht zu erhalten, durch welche zwar ihre Souveränität in Rücksicht aufWillkührlichkeit eingeschränkt, aber auch in Rücksicht auf ihr Wesen und ihre Grundlage sicher gestellt wird. In Frankreich endlich sind die Verfassung und Verwaltung des Staates durch den Mißbrauch der Willkühr, welche der letztem durch die erstere eingeräumt war, bis zu einer Ohnmacht geschwächt worden, bey welcher sie sich gegenseitig nicht mehr zu unterstützen vermochten. Sie fielen dadurch der Willkühe eines Volkes anheim, das mit beyden eben so sehr unzufrieden, als mit vernünftiger Freyheit und vernünftigem Gehorsam unbekannt war; eines Volkes, das den höchsten Grad derjenigen Kultur erreicht hatte, welche, weil sie in bloßer Verfeinerung der Sinnlichkeit besteht , die Moralität der Sitten und die Gründlichkeit der Wissenschaften in eben dem Maße zerstört, als sie Sitten und Wissenschaften zu F 2 bloßen 84 Ueber die teutschen Beurtheilungen bloßen Erscheinungen des Luxus herabwürdiget. Die Verfassung unsres Vaterlandes hingegen erhalt, im Ganzen genommen, durch die beschrankte Willkühr der Verwaltung genau so viele Festigkeit, als sie bedarf, um derjenigen üllmähligen Verbesserung fähig zu seyn, ohne welche jede menschliche Einrichtung unaufhaltsam ihrem Untergänge entgegen eilt. Der Charakter unsrer Kultur, deren Verfeinerung durch unsere Verfassung eben so sehr beschrankt, als ihre Gründlichkeit begünstiget wird, macht eine allmahlig fortschreitende Verbesserung keineswe- ges unmöglich, aber desto mehr unentbehrlich. Politische Revolutionen sind gegenwärtig bey uns unmöglich, aber Reformationen vielleicht mehr als jemahls nothwendig. Verbesserung unsrer Verfassung ist durch keine Gewalt, weder der Fürsten noch der Unterthanen, sondern nur durch bessere Einsicht und guten Willen möglich. Sie kann und muß vornehmlich von dem G e i st e unsrer Staats» u-nd-Rechts« kundi- der französischen Revolution 85 kundigen ausgehen, und setzt Revolution in un- scr» positiven Staats- und Rechtswissenschaften voraus, die sich mit dem höchste» Grade einer cinsettigcn historischen Gründlichkeit, zugleich dem höchsten Grade einer uuphilosophi- schcn Leichtigkeit zu nähern scheinen. Die Form dieser Wissenschaften muß sich bey uns in dem Verhältnisse verschlimmern, als dieselbe durch den bloßen Stoß bestimmt zu werden fortfährt, und als die Gelehrsamkeit durch die Menge und Rohhcit ihrer Materialien den Geist des Gcsetzkundigen, der auf sie als seine einzige Nahrung eingeschränkt ist, zu ersticken droht. Bey uns glaubt der künftige Gcsctzkundige seine Wissenschaft zu studircn, indem er das unermeßliche Aggregat unserer positiven Gesetze und Rechte, und den ungeheuren Apparat der hiezu gehörigen historischen Hülfs- wissenschasten, so gut es angeht, seinem Gedächtnisse aufdringt; und unsre wirklichen Gc- setzkundigen glauben an der Verbesserung ihrer Wissenschaft zu arbeiten, indem sie jenen Appa- F 3 rat z6 Ueber die teutschen Beurtheilungen rat durch unbenutzte Urkunden und unbekannte Thatsachen bereichern, und das Verzeichniß des Ganzen in bequemere Tabellen bringen. Die Einrichtung des teutschen Staatskörpers ist so sehr zusammengesetzt, so mannichfaltig, und so verwickelt, daß derjenige, der den gegenwärtigen Zustand und die Entstehung desselben auch nur zu b e- schreiben, und die positiven Gesetze, die ihm im Ganzen und in den einzelnen Theilen zum Grunde liegen, auch nur zu benennen weiß, nicht bloß in seinen eigenen Augen für einen außerordentlichen Mann gelten muß. Durch die leidige Verwechselung der Gelehrsamkeit mit der Wissenschaft wird unsre Staatskunde immer mehr zur bloßen Statistik, unsre Rechtswissenschaft zur eigentlichen Rechtsgclehrsamkeit, während die bloße Observan; immer auffallender als die Quelle der praktischen Principien, und das Fundament unsrer Staatskunst und unsrer Rechtspflege in die Augen springt. Und doch ist es eben diese leidige Observanz, welche durch ihre natürliche Fol- der französischen Revolution. z? Folgen — politische Orthodoxie und juristischen Empirismus — jede bestimmtere Unterscheidung zwischen Staat und Regenten, zwischen Geist und Buchstaben des Gesetzes, zwischen dein was wärklich i st, und dem was seyn soll, unmöglich macht. Wenn also unser teutsches Vaterland einerseits durch die unstreitigen Vorzüge seiner Verfassung sowohl, als durch die Grü n d- lichkcit seiner Philosophen von Prosession, sehr weit von der traurigen Nothwendigkeit entfernt ist, sich einer seichten Philosophie in die Arme werfen zu müssen: so wird ihm doch andererseits durch nicht weniger unstreitige Fehler seiner Verfassung sowohl, als durch den Zustand seiner politischen und juristischen Gelehrsamkeit, der Beystand einer gründlichen Philosophie um so unentbehrlicher , je mehr seine fleißigen, gelehrten und geübten Geschäftsleute dieses Beystands überheben zu müssen glauben. Deutschland dürfte mehr von der tiefen Eelehrsamkeit seiner F 4 Ein» 88 Ueber die teutschen Beurtheilungen Emgebvhrncn als von der seichten Philosophie seiner Nachbarcn, mehr von den »«philosophischen Vertheidigern als von den philosophischen Tadlern seiner Konstitution, mehr von einem einseitigen, parteyischen und steifen Staats- bürgersinn, als von einem schwankenden, geschmeidigen und unpatriotischen Weltbürger sinn, zu dem es sowenig aufgelegt ist, zu besorgen haben. Wenn der gewöhnliche fra n- zö fische Weltbürger dem Staate dadurch verderblich wird, daß er diejenigen Schranken der Freyheit und Gleichheit aufhebt, ohne welche sich die Gründung und Erhaltung eines Staates gar nicht denken laßt: so muß der gewöhnliche teutsche Staatsbürger dem Staate dadurch gefährlich werden, daß er auf solchen Einschränkungen der Freyheit und Gleichheit besteht, durch welche nicht nur der Wohlstand, sondern so gar die Fortdauer eines Staates untergraben wird. Die Willkührlichkcit der Staatsverwaltung, der Murhwiüe, und das Elend des gemeinen Mannes der französischen Revolütion. zy Mannes sind bey uns Gottlob! noch sehr weit von demjenigen Uebermaße entfernt, ohne welches die unreifen Principien der französischen Philosophie sich nie weit über dieSrndierstuben hinaus verbreitet haben würden, und durch welches dieselben in Frankreich den Kopsen und Herzen des großen Haufens gleichsam mit Gewalt aufgedrungen worden sind. Allein, wer wird es läugnen können, daß unsre Verfassung keineswegs das Werk der bloßen Weishei: allein, sondern zugleich auch der Leidenschaften und der Zufalle sey; daß in derselben die Will- fuhr der Beherrscher weit mehr in Rücksicht auf ihre gegenseitigen Verhältnisse unter einander , als in Rücksicht auf die Unterthanen beschränkt ist, und daß manche unsrer politischen Gesetze ihre Entstehung, Beschaffenheit und Fortdauer mehr dem Interesse der Regenten als der Regierten zu danken haben? Welcher Gutgesinnte wird seinem Fürsten nicht jeden Vortheil gönnen, der ihm die Lasten seines schweren Berufes erträglich macht? und welcher F 5 Hell- >)Q Ueber die teutschen Beurtheilungen Helldcnkcnde wird die Regierungen nicht lieber Lurch ihre eigene Weisheit und Gerechtigkeit, als durch physische Gränzen ihrer Gewalt, beschrankt wissen? Allein welcher Gutgesinnte und helldcnkcnde Patriot wird auch zweifeln rönnen, daß jeder -— sey es im Ganzen noch so unbedeutende Grad von Willkührlichkeit in der Verwaltung, von Muthwillen der Großen, und von Elend des gemeinen Mannes, der durch die Verfassung weder verhindert noch auf» gehoben werden konnte, sich nach und nach bis zum äußersten treiben ließe, wenn der Geisi der Humanität, welcher die Gesinnungen unsrer Regenten zu mildern und die Denkart unsrer Staats- und Rechtskundigen aufzuheitern bisher gcschäfftig war, wieder verdrängt, wenn der Despotismus, der bey uns nichts weniger als die Absicht der Gesetzgeber und Gesctzkundigen bis itzt gewesen seyn konnte, durch neue Maximen und Vorkehrungen zu einem zweckmäßigen System der Rcgicrungs, kunst erhoben würde? Anar- der französischen Revolution» yi Anarchie ist freylich verderblicher als DcsPotisn! u e. Sie verhält sich zu ihm, wie der Tod zur Krankheit. Allein wir müssen diesen Tod für unser Vaterland in der Krankheit fürchten lernen, die ihn allein her- beysührcn kann, und die durch ein panisches Schrecken vor ihm überhand nehmen muß. Die französische Revolution scheint mir weniger durch das Anlockende, womit sie anfangs begleitet war, als durch das Empörende und Zurückstoßende, das sie in der Folge angenommen hat, für uns gefährlich zu seyn. Abscheu und Entsetzen vor den verheerenden Erscheinungen mißverstandener Freyheit und Gleichheit reisten auch den unbefangensten Beobachter unvermerkt und unwiderstehlich zu dem entgegengesetzten Extreme hin, und söhnen ihn mit der willkührlichcn Gewalt von was immer für einer Regicrungsforir, aus, mit welcher auch nur einige Ucbcrrcsie bürgerlicher Ordnung bestehen. Wer hätte nicht seit ein paar Jahren lieber in Kom y2 Ueber die teutschen Beurtheilungen Avnstantinopck als in P a ris gelebt? *) Der entschiedenste Gegner des Despotismus sieht an demselben unter den Schrecknissen der Anarchie nichts als die Nothwehr gegen die zerr störende Gewaltsamkeit eines zügellosen Pöbels, und die moralisch - politischen Principien, die er kurz vorher aufgestellt oder verbreiten geholfen hat, werden ihm durch ihren Mißbrauch verdächtig, der ihm nunmehr, da er die Menschen seines Zeitalters durch eine so unvcrmu- thete Erfahrung besser kennen gelernt zu haben glaubt, unvermeidlich scheint. Wie sehr muß diese ängstliche Eemüths- stimmung das sonst so scharfsichtige Auge des geistreichen und wohlwollenden Verfassers der Betrachtungen über die französische Revolution geblendet haben, da derselbe Und wer lebte im Anfanae des gcgenwärliecit Jahrs 17-16 nicht wieder lieber in Paris als in — London? der französischen Revolution. yz selbe allenthalben, fast lauter Freunde und Lobt redner dieser Revolution wahrzunehmen, die tyrannische V crhcerungstheorie der Franzosen (der Jakobiner) oer Alleint Herrschaft nahe —> und Ehre und Succeß des Schriftstellers fast ganz auf diesePartcy übergegangcn glaubt.» Nein! Schon seit einer geraumen Zeit her hat den der Jakobincrklubb, und die durch ihn der herrschte Nationalversammlung, durch ihre Verhandlungen und Beschlüsse die einseitigsten Freunde und eifrigsten Lobrcdncr der jakobin i- sch e n Principien unter uns auf eine weit nachdrücklichere Weise widerlegt und zum Still, schweigen gebracht, als es die wärmsten Freunde der bürgerlichen Ordnung keineswegs erwarten und — wünschen konnten. Denn leider ist diese Widerlegung nicht durch diejenigen Grundsätze bewirkt, welche zugleich die Denkart der Anarchie und des Despotismus niederschlagen, sondern durch lauter Thatsache n, welche in den Augen der erschrockenen Zu- y4 Ueber die teutschen Beurtheilungen Zuschauer den Despotismus gegen die Anarchie rechtfertigen, die Regierungen zu übereilten Maßregeln reitzen, den Fürsten Publicität, Denk - und Preßfreyheit verhaßt machen, die alte Gleichgültigkeit der Staarskundigcn, Rechts- gelehrte und Geschäftsleute gegen alle Philosophie zur Verachtung herbey stimmen, und der bey uns keineswegs unbeträchtlichen und unbedeutenden Menge theils schlauer theils schwach- köpfigcr Eiferer, die jede Warnung gegen Despotismus und Aberglauben als Aufforderung zur Anarchie und zum Unglauben vcrschreyen, — überwiegenden Einfluß verschaffen können. Die französische Revolution unter der leidigen Wendung, welche dieselbe wahrend der Herrschaft der Jakobiner genommen hat, lobpreisen , oder auch nur entschuldigen zu wollen, setzt meines Trachtens eine Tollkühnheit voraus , die sich kaum einThomas Paine unter uns zu Schulden kommen lassen dürste, und die der französischen Revolution. 95 die allenthalben,- wo nicht etwa die Obrigkeit durch ihre Zwangsmittel dem freyen Urtheil des denkenden Publikums zuvorkömmt, durch den Unwillen und die Verachtung aller vernünftigen Verfechter der Rechte der Menschheit ge- züchtiget werden würde. Allein die Gründe anzugreifen, welche man unter uns bisher und gewöhnlich der Revolution entgegen gestellt hat, ist ein Unternehmen, wozu um so viel mehr Muth gehört, je mehr auch die unbefangensten Sclbstdenker bey der dermaligen Stimmung der Gemüther geneigt seyn dürften, dasselbe unzeitig und bedenklich zu finden. Gleichwohl darf es itzt am allerwenigsten verheclt werden, daß die eigentlichen Ursachen des Abscheues, den der größere Theil der vornehmen Welt und selbst unserer Staatskundigcn und Rechtsgelehrten -gegen die Maßregeln der französischen Demagogen fühlt und an den Tag legt, um nichts gerechter, probehältiger und menschlicher sind, als es die eigentlichen Beweggründe jener Demagogen sind. Wäh- y6 Ueber die teutschen Beurtheilungen rend der jakobinische Dcmokratismus durch immer auffallendere Ungereimtheiten in Frankreich sich selbst widerlegt, und der Aristokratismus in Teutschland bey jedem neuen Frevel seines französischen Widersachers immer übermüthiger fein Haupt erhebt; ist es wohl nicht die rechte Zeit Teutschland vor den Gefahren des Demo- kratismus zu warnen, und den Aristokratismus wäre es auch nur stillschweigend zu schonen. Da sich der gemeine Verstand durch das Gefühl von Recht und Unrecht so laut und so allgemein gegen den Einen erklärt, und eben darum und dadurch für den Andern sich zu erklären scheint, wird das Bedürfniß immer dringender diesen Schein zu zerstreuen, und es ist für die Lenker der öffentlichen Ueberzeugung die höchste Zeit, sich durch ihre Sprache, so bestimmt und so nachdrücklich als sie nur immer vermögen , von den heuchlerischen Aposteln der Unterdrückung nicht weniger als von den unverschämten Sachwaltern der ZügcUosigkcit zu unterscheide».- - der französischen Revolution. 97 Die französischen Philosophen haben sich vor der Revolution durch die Erscheinungen des Despotismus zu unbehulsamen Urtheilen über die Fundamente der StaatSvcrfassungen verleiten lassen, welche der darauf gcfolgten Anarchie nicht wenig zu statten kommen. Die teutschen Philosophen würden wider ihren Willen den Despotismus begünstigen, wenn sie sich durch die Erscheinungen der Anarchie zn eben so unbehutsamcn Urtheilen über das was man jetzt französischc Principien nennt, verleiten ließen. Der wirkliche Antheil dieser Principien an dem Umsturz der französischen Monarchie und an den Verwüstungen, die auf denselben gefolgt sind, wird so wohl von Philosophen als Unphilosophen, von diesen aus Haß, von jenen aus Vorliebe für Philosophie überhaupt, viel zu hoch angeschlagen. Die Beurtheiler der seitdem io Aug. 179s wieder umgestürzten Konstitution irren sich nicht weniger als sich die wohlmeyncndcn unter den Verfassern derselben geirrt haben, indem sie die Auswahl tznm. Schiifr. Th-1, A <)8 Ueber die teutschen Beurtheilungen in der Deklaration der Rechte der Menschen aufgestellten Principien, ich will nicht sagen für die Triebfedern der Revolution, sondern auch nur für die vornehmsten Ursachen des guten und schlimmen Inhalts der Konstitution selbst ansehen. Da die Philosophie zur Zeit noch nichts weniger als eigentliche Wissenschaft ist, da sie kein anerkanntes Fundament auszuweisen hat, und durchaus keine Principien besitzt, über deren Sinn auch nur ihre größten Kenner und Pfleger unter sich einig wären: so kann sie nicht nur kein wahres Linrerstandniß der Sclbstdcnker über die Beurtheilung moralischer Angelegenheiten, sondern auch keine diese Angelegenheiten betreffende Ueberzeugung begründen — die nicht schon ohne die Gründe, die sie dafür angicbk, vorhanden gewesen wäre. Alles Philosophieren bestand bis itzt aus einem auf geratheivohl angestellten Zergliedern von bereits vorhandenen, nach unbekannte» Ge-. setzen - der französischen Revolution. 99 'setzen erzeugten, richtigen und unrichtigen Be- griffen — im Aufsuchen der Beweise zu schon aufgestellten Behauptungen — in dem Bestreben nach dem Bewußtseyn der Gründe zu lauter solchen Ueberzeugungen, die schon vor jenem Bewußtseyn, und folglich auch ohne dasselbe angenommen waren. Man fiel daher keineswe- ges, wie man durch eine sehr natürliche Täuschung dafür hält, den Folgen um der Gründ« willen bey; (denn alle diese Gründe sind in ihren streitigen Fundamenten bis auf den heutigen Tag unausgemacht) sondern man ließ die an sich selbst unbestimmten und unerwiesenen Gründe um der Folgen willen gelten, die man aus ihnen begriffen zu haben meynte; und sv begründete die Ueberzeugung die man begründen wollte, den Beweis, durch den sie hatte begründet werden sollen. Ich glaube mich daher auch keineswegs zu irren, indem ich diejenigen Ueberzeugungen, die an der Revolution, und vorzüglich an der Konstitution, wirklichen Antheil haben, Nicht so viel in den Behauptn»- G 2 gen 102 Ueber die teutschen Beurtheilungen gen der Deklaration der Rechte, als vielmehr die Gründe dieser Behauptungen in jenen Ueberzeugungen aufsuchen zu müssen dafür halte. Diese allgemeinen Sätze aus dem französischen Naturrecht sind auch in der That nicht das schlimmste, was bey Gelegenheit der Revolution zum Vorschein gekommen ist. Rechtschaffene Männer und Bösewichter haben sich über diese unbestimmten Formeln vereiniget, und sich auf dieselben als die allgemeinsten und letzten Gründe der Maßregeln berufen, nach welchen sie bey ihrem gefährlichen Eeschäffte zu Werke gegangen sind. Ich behaupte, daß diese Formeln weit schlimmer sind, als die Gesinnung der Rechtschaffenen, welche durch dick selben ausgedrückt, und weit besser, als die Absichten der Bösewichter, welche durch dieselben verborgen werden sollten. Wenn diese zwey so ungleichartigen Klassen von Menschen irgend ein Resultat gemeinschaftlich festsetzen: so kann man gewiß seyn, daß der Eigennutz der frauzi fischen Revolution. ior der Einen mit der Wahrheitsliebe der Andern zufälliger Weise auf Einem Punkte zusammen getroffen sind; und wenn das Resultat (wie dieses bey jeder Angelegenheit der positiven Ger sctzgcbung wirklich der Fall ist) mit den Begriffen von Recht und Unrecht zusammenhangt: so wird der Böfewicht sowohl als der Rechtschaffene den Grund seiner Ueberzeugung durch irgend einen Satz angeben, der einen Begriff von Ncchtmaßjgkeir ausdrücken soll. Aber der Bösewicht wird, — entweder durch seine Eigenliebe getäuscht, oder um andere zu tauschen, — sich air die Formel des Rechtschaffenen halten, die, so bald sie nicht bestimmt genug aufgestellt ist, eben so wenig die ganze und reine Gesinnung des letztem ankündigt, als die eigentliche Absicht des erstem ausschließt, und daher von diesem viel schlimmer, von jenem viel besser ge- meynt ist, als sie lautet. Zn dem vor uns liegenden Falle haben sich die Stellvertreter der Nation erklärt, bey d.r von Ihnen festgesetzten Regicrungsform die angcbohrne und un- G 3 ver- rc>2 Ueber die teutschen Beurtheilungen verlierbare Freyheit undGleichheit der Menschen vorzüglich vor Augen gehabt zu haben. Allein die Gutgesinnten unter ihnen kennten, ohne sich selbst zu widersprechen, durch diese Ausdrücke nichts anders bezeichnen wollen, als was jeder Sclbstdenkcr sich in dem Begriffe des äußeren Rechts überhaupt, mehr oder weniger bestimmt, denken muß. Die Uebelgesinnten hingegen dachten dabey mehr an sich selbst als an die Nation, mehr an die Er» nicdrigung der ihren Neid reihenden Vvrneh» mcn als an die Erleichterung des gemeinen Mannes, mehr an die Möglichkeit im Namen des Volkes zu herrschen, als an die Nvthwenr digkeit dem unterdrückten Volke aufzuhelfen. Wenn die französische Philosophie die Enk Wicklung der Begriffe von innerem und ausi serem Rechte auch nur halb so weit bis zu den letzten Bestandtheilen fortgeführt hatte als die teutsche: so würden sich entweder die Verfasser der Konstitution nie entschlossen haben, Prin- der französischen Revolution. rvz Principien aus dem wissenschaftlichen Natur, rechte in den Kodex der positiven Gesetze auf- MichMU; oder es würde ihnen wenigstens unmöglich geworden seyn, dieselben Lurch so unbestimmte Begriffe zu denken, und durch so vieldeutige Formeln auszudrücken, daß sich die Zerstörer der bürgerlichen Ordnung eben so gut als die Gründer und Vertheidiger derselben, ohne dem Sprachgebrauch Gewalt anzuthun, auf jene Principien berufen können. Dieser Dorwurf kann freylich von der französischen Philosophie nicht abgewälzt werden. Aber kann er die Philosophie überhaupt treffen? Die teutsche Philosophie macht, auch schon in ihrem gegenwärtigen Zustande, die Vereü nigung denkender Kopse über nicht genug bestimmte Grundsätze, und dadurch das Einvcr* ständniß über Grundirrthümer, unmöglich. Wen» man ihr daher auch noch nicht nachrühmen kann, daß sie wirkliches Einverständniß über Grund- K 4 wahr- io4 Ueber die teutschen Beurtheilungen Wahrheiten erzeugt hätte: so muß man dabey nicht vergessen, daß dasjenige, was nur von der bisherigen, die ihre Principien erst aufzu- suchen hatte, gilt, keineswegs auch von der künftigen gelten kann, welche ihre Principien gefunden haben wird. Nichts ist in den mir bekannt gewordenen Beurtheilungen der Revolution und Konstitution gewöhnlicher, als die Verwechslung sowohl der Philosophie überhaupt mit der Französischen, als desjenigen, was die Philosophie bis iht geleistet hat, mit dem was sie leisten kann und soll; und selbst mancher unsrer vorzüglichsten Schriftsteller hat sich über diesen wichtigen Punkt lange nicht sorgfältig genug ausgedrückt. Herr Nehberg z. B. hat in seinen Untersuchungen über die franz ö fische Revolution sich vorgesetzt: (S. S. XVIIl der Vorrede) „die Grundsätze zu entwickeln „und zu prüfen, auf denen wc Systeme bcru- „hm, der französischen Revolution. 125 „hcn, nach denen man das Recht hat rcforr „mircn wollen, so wohl diejenigen welche verworfen worden sind, als auch, und zwar „vorzüglich, diejenigen auf welchen die hcrrs „sehende Denkart des Zeitalters (?) beruht, und „in denen die erste Quelle (?) des neuen wirklich „eingeführten Systems zu suchen ist." Er zeigt in diesem Werke „die Ungereimtheit aller Verbuche, Staatsverfassungen auf bloße Principien ä griori zu gründen; die Unmöglichkeit, „aus den allgemeinen Begriffen des Natur- „rcchts diejenigen Einrichtungen und positiven „Gesetze abzuleiten, ohne welche bürgerliche „Verfassungen durchaus nicht bestehen können;" und stellt mit treffenden Zügen sowohl die politischen Widersinnigkeiten als die moralischen Abscheulichkcitcn, deren sich die Urheber und Beförderer der Revolution, unter dem Verwände die Rechte der Menschheit geltend zu machen, schuldig gemacht haben. Dieß alles durste freylich nicht so viel unsren Staatskun- digen und Rcchtsgelchrten gesagt werden, die G 5 gegen io6 Ueber die teutschen Beurtheilungen gegen die Gefahren der Philosophie gewöhnlich nur allzusehr schon auf ihrer Hut sind: aber desto wichtiger und unentbehrlicher sind diese Belehrungen für unsre Populac r Philosophen, welche ohne von den neuesten Verhandlungen auf dem Gebiete der strengen Wissenschaft die geringste Kenntniß zu nehmen, fortfahren , durch ihre scheusten Gemeinplätze und vieldeutigen Formeln, unsre Theologie, Jurisprudenz und Politik, nach Art ihrer französischen Geistesverwandten, reformiren zu wollen. Die ehemaligen Lobredncr der Revolution, die meistens in diese Klasse gehören, können sich aus den Rchbergschcn Untersuchungen überzeugen, daß es keineswegs des 10 Augusts, r Sept. und 21 Jänners bedurft hätte, um ihren Enthusiasmus über den vermeyntlichen Triumph der Philosophie herab- und in Bestürzung, Unwillen und Entsetzen umzustimmen. Allein da unsre Philosophen überhaupt so selten und so wenig Staatskundige, als unsre Staats- kundigen Philosophen sind: so dürfte Herr Rehberg der französischen Revolution. 107 Rchberg über manche seiner Begriffe von dem Verhältnisse der Philosophie zur Ctaatskunst und Gesetzgebung um so leichter mißverstanden werden, je nachdrücklicher und kürzerer seine Ueberzeugungen hierüber vorgetragen hat. Vorzüglich dürften die meisten seiner Leser dafür halten; er habe die Philosophie überhaupt vv» allem wesentlichen und unmittelbaren Einfluß auf positive Gesetzgebung ausschließen wollen; ein Mißvcrsiändniß, das ihm den bittern Tadel unsrer seichten Philosophen und das ekelhafte Lob unsrer gedankenlosen Politiker unfehlbar zuziehen würde. Ich will aus den vielen hieher gehörigen Stellen seines Buches nur Eine hier anführen, und mit einigen Bemerkungen begleiten. Er schreibt (S. 4 .1- B.) „Ehe die allgemeinen und „höchsten Principien des alles umfassenden Syr „siems aus dem jene Grundsätze (der französie „sehen Staatsreformatoren) entsprungen (sind), „aus einander gesetzt (werden) und ihr Wehrt geprüft wird, muß bemerkt werden, daß es „um ivz Ueber die teutschen Beurtheilungen „unmöglich ist, diese höchsten und abstraktesten „Begriffe, und die aus ihnen entspringenden „'Grundsätze so zu behandeln, daß sie eben so „leicht einzusehen und zu beurtheile» waren, als „historische, oder andere philosophische aus der „Erfahrung genommene Begriffe und Borstest „lungen." — (Es war ein Hauptfehler der französischen Philosophie, daß sie Principien, als solche, anwendete, bevor dieselben durchgängig bestimmt waren; daß sie von den abstrakten Grundbegriffen, ehe sie dieselben völlig entwickelt hatte, zum konkreten Gebrauch derselben herabsiicg, und daß sie Sätze als die höchsten und allgemeinsten angab, die auf diesen Rang nicht den geringsten Anspruch machen konnten. Ob nun Hr. R. die Grundbegriffe und Grundsätze, welche den Franzosen für die höchsten und allgemeinsten gelten, oder diejenigen, die es in der That sind und bey den französischen nur unentwickelt und unrichtig vorausgesetzt wurden, verstanden wissen wolle, ist ungewiß, und wird durch die unmittelbar folgenden der französischen Revolution. den Aeußerungen noch ungewisser.) — „Viele, „auch sehr verständige Männer verlachen alle „diese metaphysischen Speculationcn als Tram „mcreycn, die keiner Anwendung fähig, und „daher von keinem Werthe seyen. In wissen- „schaftlicher Rücksicht ist dieses ein seichtes und „eingeschränktes Urtheil. Denn da kömmt man „nie zu etwas Gutem und Festem, bis man die „Natur des Bodens, auf den man bauen will, „ganz vollkommen erforscht hat, sollte man auch „finden, daß es eine Untiefe ist." — (Hier ist doch wohl unstreitig nicht mehr von der Philosophie der Franzosen allein die Rede.) — „Aber auch in praktischer Absicht ist es nicht „mehr erlaubt so zu denken." — (Zu denken, daß alle metaphysischen Spekulationen Träume- reyen und von keinem Werthe sind. Warum nicht mehr erlaubt? War es sonst erlaubt, oder, bestimmter zu reden, verständig, den wissenschaftlichen Principien in praktischer Absicht allen Wehrt abzusprechen ? Wozu alsdann Wissenschaften? überhaupt?) „Es „kostet no Ueber die teutschen Beurtheilungen „kostet Frankreich sehr viel, daß die spekulativen Köpfe sich in diese Grübclcycn, wie man „es wohl nennen mag, vertieft, und so viele „Menschen mit hinein gezogen haben, die zu „einem so abstrakten Raisonnemcnt nicht fähig „waren. Diese Metaphysik hat die französische „Monarchie zertrümmert, und eine Revolution „zu Stande gebracht, von deren Gleichen nie „gehört worden." — Cs muß freylich einer Nation theuer zu stehen kommen, wenn ihre Repräsentanten, denen die Verbesserung der Stüatsverfassung anvertraut ist, sich auf nichts weiter als spekulative Philosophie, und auch auf diese so schlecht verstehen, daß sie nicht, selbst aus der Natur und dem Inhalte der allgemeinen und höchsten Begriffe, die Unzulänglichkeit der» selben einsehen, ohne Beyhülfe der Erfahrung und Zuziehung der individuellen Bedürfnisse der Nation eine Staatsverfassung zu begründen; wenn sie sogar so wenig Philosophen und Politiker sind, daß sie, was sich nur durch die Kenntniß jener Bedürfnisse bestürmten laßt, durch abstrakr der französischen Revolution. m te und noch dazu schwankende Theoreme desNa- turrechts festsetzen wollen. Allein dieses Betragen der französischen Gesetzgeber beweiset durchaus nichts gegen den Wehrt der spekulativen Philosophie überhaupt in Rücksicht auf das Praktische, sondern «bloß, daß Frankreichs Philosophen noch lange nicht tief genug geforscht, und noch nichts weniger als die allgemeinsten und höchsten Principien des Naturrechts aufgestellt haben. Diese Principien würden ihnen alles Grübeln unmöglich gemacht habe», welches doch nur lediglich darin bestehen kann, daß man in unentwickelten abstrakten Begriffen sucht und zu finden glaubt, was in ihnen nicht enthalten ist, und auch nicht gesucht werden kann, wenn sie einmal völlig entwickelt sind. Eine aus solchen Principien bestehende Metaphysik würde aufs wenigste eben so viel beygetragen haben, die Zertrümmerung der Monarchie zu verhindern, als die französische beygetragen hat dieselbe zu befördern. I» der That aber kann eine Staatsverfassung durch die seichteste H2 Ueber die teutschen Beurtheilungen teste Metaphysik eben so wenig zertrümmert, als durch die gründlichste aufgebaut werden ; und sie muß, wie bey der französischen wirklich der Hall gewesen ist, in ihren morschen Trümmern kaum mehr zusammen halten, wenn seichte Spekulationen der Philosophen zu ihrem völligen Umsturz auch nur beyzutragen vermögen sollen. Philosophische Principien können aufzweyer- ley Art schädlich werden: durch Unbestimmtheit ihres Sinnes, und durch Mißbrauch in der Anwendung. Man würde die Wirkungen der Unwissenheit, der Unklugheit, -er Schwärmerei) , der Herrschsucht und Habsucht der französischen Anarchisten auf die Rechnung der Vernunft selber setzen müssen, wenn man die Philosophie überhaupt wegen des Mißbrauchs beschuldigen wollte, der bey der Revolution v.'N ihren Principien gemacht worden ist. Allein auch sogar bey der Beurtheilung des Nachtheils, der aus der Unbestimmtheit der Principien erfolgt, kann man der Philosophie sehr leicht zu nahe treten. Jedes der französischen Revolution. uz Jedes nicht völlig bestimmte philosophische Urtheil ist, als ein bloßer allgemeiner Satz angenommen, halbwahr, als ein eigentlicher Grundsatz aber, dashcißr, in der Eigenschaft eines völlig ausgemachten, durchgängig bestimmten und anderen Ueberzeugungen zum Grund liegenden Satzes gebraucht, wird es ganz falsch. So wird z. D. durch die Behauptung: Persönliche Freyheit und Gleichheit ist allen Menschen angcr bohren und unverlierbar, ein Urtheil ausgedrückt, das im Kontexte einer Abhandlung, in welcher der eigentliche Sinn desselben aus dem Vorhergehenden und Nachfolgenden erhellen konnte, ganz wahr seyn müßte. Ohne alle Erörterung aufgestellt, würde es nur halbwahr, das heißt nur in so ferne wahr semi, als-man die gehörigen Einschränkungen hinzu denken kann, die aber durch den Ausdruck des Urtheils keineswegs bezeichnet sind. Zum Grundsatz endlich erhoben, würde es ganz falsch werden müssen, weil es alsdann als ein Auswahl vm». Schrift. .TH.I. H gNNj LI4 Ueber die teutschen Beurtheilungen ganz wahres, keiner Einschränkung bedürftiges und fähiges Urtheil, und als ein ohne Ausnahr me geltender Satz angesehen würde. Alles was aus einem solchen Grundsätze gefolgert wird, muß dann eben so unrichtig seyn, als er selbst ist. So müßte zum Beyspiel die Aufhebung des Adels, in wiefcrne sie durch jene als Grundsatz gebrauchte Behauptung allein begründet wäre, völlig grundlos seyn, und sogar dem eigentlichen Sinne widersprechen, in welchem jene Behauptung, unter ihren näheren Bestimmungen gedacht, völlig wahr ist. Sie würde willkührlicher Zwang und Verletzung des Eigenthums und folglich derjenigen Freyheit und Gleichheit seyn, ohne welche sich keine Heiligkeit der Verträge, kein Recht überhaupt, und folglich auch keine andere als eine auf willkühr- liche Gewalt gegründete schlechterdings despotische Verfassung denken ließe. Herr Rehberg unterwirft in seinen Untersuchungen die Deklaration der Rechte der französischen Revolution, uz der Menschen einer besondern Prüfung, der um so mehr eine größere Bestimmtheit in Gedanken und Ausdruck zu wünschen gewesen wäre, da sie hauptsächlich den Fehler der Unbestimmtheit zu rügen hatte. „Gleich der erste Para» „graph (heißt es S. r rs) dieser Deklaration enthalt die ungeheuerste Unwahrheit, weis „chcr die ganze Konstitution selbst widerspricht. „Des dommes, heißt es, rnüffenr er Uemeu- „renc libres et e§sux en llroits. Das ist „schlechterdings in keinem Sinne „wahr. Man sieht wohl ungefähr, woher „dieser monströse Gedanke entspringt. Die „metaphysischen Gesetzgeber der Franzosen ha» „ben daran gedacht, daß alle Menschen vor „dem Richter gleich sind, daß Gesetze einen wie „den andern binden, und daß hieraus eine „Gleichheit des Rechts entspringt, vermöge „dessen die Rechte des Einen so heilig sind, als „die Rechte jedes andern. Aber ist das eine „Gleichheit der Rechte?" Unstreitig soll dieses harte Urtheil den angeführten Satz nur in so H r ferne ii 6 Ueber die teutschen Beurtheilungen ferne treffen, als derselbe in der Eigenschaft eines Grundsatzes aufgestellt ist. Auch kann man bey der aus seinen übrigen Schriften rühm- lich bekannten Denkart des Hn. Rehberg voraussetzen, daß er unter den Gesetzen, welche einen wie den andern binden, hier keineswegs solche verstanden wissen wolle die keine andere Sankrivn haben als Zwang, und die nur in so ferne binden, als man nicht durch überwiegende Starke oder bist denZwang vereiteln kann. Herr Rehberg weiß und erkennt daß positive Gesetze nur darum den einen Menschen wie den andern binden, in wie- ferne Alle unter demjenigen Gesetze stehen, durch welches jeder Mensch über alle Sachen erhaben, und ihm, als Person, äußere Freyheit als Bedingung der Inneren, und folglich Unabhängigkeit von jeder bloß willkührlichcn Behandlung durch andere Personen zugesichert wird. Gewiß findet Hr. N. jene unbestimmte Behauptung der Deklaration nur in der Ausdehnung, in welcher sie ausgedrückt, nur m der Bedem der französischen Revolution. 117 Bedeutung, in welcher sie in manchen Stellen der Konstitution angewendet ist, nur in den Begriffen, die ihr der Fanatismus der Anarchisten unterlegt, schlechterdings falsch. Allein so wie er sich hier, und bey vielen andern ähnlichen Gelegenheiten ausdrückt, werden seine Behauptungen , und mich dünkt nicht ohne Veranlassung von seiner Seite, sowohl von denen, welche Freyheit und Gleichheit der Menschen ohne alle Einschränkung predigen, als von denen, welche beyde ohne alle Einschränkung verwerfen, von der seichten französischen Philosophie und von der barbarischen Unphilosophie vieler teutschen Politiker, von unsren Demokraten und Aristokraten, mißverstanden, gemißdeutet, und von beyden zum Vortheil ihrer schlimmen Sachen gemißbraucht werden. Je leidenschaftlicher, unbestimmter, übertriebener beyde Parteyen für und wider die, Freyheit und Gleichheit der Menschen de- klamiren, desto dringender wird die Pflicht des H 3 par- 21 8 Ueber die teutschen Beurtheilungen . parteylosen Selbstdenkers, sich über diese äußerst wichtigen Punkte, kaltblütig, bestimmt, und behutsam auszudrücken. Nichts ist wohl ausgemachter, als daß jene Ausdrücke einen reinen, vernünftigen, durchaus wahren, nicht bloß unschuldigen, sondern wirklich heiligen Sinn zulassen, und daß dieser Sinn, auf eine zwar durchaus entgegengesetzte, aber der Glückseligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit gleich widersprechende Weise, von den beyden Parteyen verkannt wird. Wenn die Demokraten alle bürgerlichen Verhältnisse, die sich nicht aus dem abstrakten und von ihnen unbestimmt und unrichtig gedachten Begriffe der M enschheit überhaupt ableiten lassen, aus den Augen verlieren: so vergessen die Aristokraten das eigentliche Wesen der menschlichen Natur über die politischen Modificationcn der drey Stäns d e. Wenn die Einen in dem Bürger durchaus nichts anders anerkennen wollen, als was derselbe, unabhängig von den äußern Umständen, unter welchen er gcbohrcn und erzogen wird, der französischen Revolution. ng wird, als Mensch überhaupt, mit sich auf die Welt bringt, und was sie sehr schlecht kennen müssen, indem sie daraus allein die konkreten Bedingungen einer Staatsverfas- sung bestimmen zu können glauben: so wollen die Andern im Menschen durchaus nichts anders gelten lassen, als was er durch äußere Umstände, Herkommen, Erziehung, Gewohnheit und vorhandene Regicrungsform wirklich geworden ist. Wenn die Einen endlich den Rang der Menschheit nur auf das Volk einschränken: so setzen die Andern den sogenannten vornehmen Stand über den Rang der Menschheit hinauf, und den sogenannten gemeine» Mann unter denselben herab. Der weltbürgerlichgesinnte Bou« theilcr des Geistes unsrer Zeit verliere daher weder die Apostel der Unterdrückung über den Apostel der Zügcllosigkcit, noch diese über jene aus dem Auge. Er vergesse nicht, daß, wenn es für die Einen keinen noch so ungeheuren und abge- H 4 schmacks :2O Ueber die teutschen Beurtheilungen schmückten Sinn giebt, in welchem nicht Freyheit und Gleichheit etwas Ausgemachtes für sie wäre, es auch für die Anderen keinen denkbaren und wahren Sinn gebe, welchen sie nicht mit dem Sinne ihrer Gegner zu verwechseln suchten, um ihn verwerflich zu finden. Er hüte sich, was immer für eine dieser Parteyen durch die Waffen der Andern zu bekämpfen. Er lasse sich nicht bcygehen, die Natur ordnung bey der Kompensation lenken zu wollen, bey der sie ein Uebel durch das andere einschränkt, einen Irrthum durch den andere aufwiegt, eine Ungerechtigkeit durch die andere züchtigen läßt. Er überlasse dieses furchtbare Geschäft demjenigen Erzieher der Menschheit, der bey keinem Uebel interessirt seyn, der nicht irren, und keine Ungerechtigkeit begehen kann. Er besireite Irrthum und Ungerechtigkeit, wo er sie antrifft, und erkläre sich nicht eifriger gegen das kleinere Uebel, das Ihn selbst, als gegen ein größeres, das Andere drückt. — Doch ich bedenke vielleicht zu spät, -aß ich mit dem Man- der französischen Revolution. irr Manne spreche, der mir seit mehr als zwanzig Jahren, als Schriftsteller, und seit mehr als acht Jahren, als Freund und Vater, bey unzahlichen Gelegenheiten diese Gedanken durch Darstellungen ans Herz gelegt hat, die meiner Feder auch dann noch immer unerreichbar bleiben würden, wenn dieselbe auch weniger an trockene Zeichnung bloßer Umrisse gewöhnt wäre. H 5 IV. 122 Ueber die Duelle IV. Ueber die Duelle auf Uuiver- fitäten *). §)cr Gegenstand, der uns heut an diesem Orte versammelt, läßt sich aus zwey sehr verschiedenen aber gleichwohl , unzertrennlichen Ec- schichtspunktcn betrachten. Der Eine wild durch die bloße Klugheit angegeben, welche den unruhigen Kopf, den Störer gemeinnütziger Anstalten, den Beeinträchtige».' des öffentlichen Wohls auf seinen eigenen Schaden avfi mcrk- ') Eine Rede bey der Wiederherstellung LeS «lade- mischen Ehrengeri chlcö in Kiel. «Ulf Universitäten. I2Z merksam macht. — Zu dem Andern hingegen ladet uns die Weisheit ein, die jedes Pri- vatintcrcsse bey den Forderungen des gemeinen Beßten verstummen heißt. Aus dem ersten Gesichtspunkt zeigt sich mir ein Institut, das sein Daseyn einerseits zwar einer bloßen Gunst unsres Königes, aber anderseits der vertragsmäßigen Annahme der hiesigen akademischen Bürger verdankt; ein Institut, das ein rechtmäßiges Eigenthum und schätzbares Vorrecht unsres gemeinen Wesens geworden ist, auf dessen Erhaltung unsere Nachkommen ein vollgültiges Recht haben; ein Institut endlich, das, in wicscrne es zur Aufrechthaltung der wesentlichsten bürgerlichen Gesetze abzweckt, in den Personen derjenigen, die es leichtsinnig von sich stoßen, oder gar hinterlistig untergraben, nichts weniger als künftige gute Bürger, und zu öffentlichen Aemtern taugliche und würdige Subjekte wahrnehmen läßt. Ich begnüge mich das bloße Daseyn dieses politischen Gesichtspunktes bemerkt zuhaben; 124 Ueber die Duelle ben; und folge dem unwiderstehlichen Winke des Moralischen, der mir die Sache von einer ungleich anziehendem und tröstlicheren Seite darstellt. Da erblicke ich unsere Regierung, und Ihre uns zu Theil gewordene Wohlthat nicht bloß in dem ehrwürdigen Lichte, in welchem jedem guten Bürger seine Obrigkeit, und jede durch dieselbe veranstaltete gemeinnützige Einrichtung erscheint; sondern auch in einem Glänze, der beyden ganz eigenthümlich ist, und den sie gegenseitig auf einander zurückwerfen. Heil der glorreichen Regierung, welche unter allen übrigen die Erste, und unaufgefordert durch die Drohung gewaltsamer Revolutionen diejenigen Einrichtungen zu treffen anfing, die an dem sonst noch so finstern politischen Gesichtskreise von Europa die Morgenröthe der Humanität verkündigen. Heil der Regierung, welche Dänemark von der alten Schande der Leibeigenschaft seines Landvolkes befrcyt, von ihm die Blutschuld des Sklavenhandels abgewälzt, und ihm die Freyheit der Mit- auf Universitäten. 125 Mittheilung und Verbreitung der Gedanken durch die Druckerpresse/ nicht etwa als ein geduldetes Wagestück eingeräumt, sondern als ein durch Gesetze geheiligtes Recht zugesichert hat. Während fast alle anderen Regierungen in den gegenwärtigen unseligen Kampf zwischen Unterdrückung und Zügellosigkeit, Aberglauben und Unglauben, Despotismus und Anarchie mehr oder weniger sich verwickeln ließen, nimmt die Unsrige keinen anderen Antheil daran, als daß Sie den Kämpfenden durch Ihr Beyspiel die große Lehre aufstellt r Bürgerliche Ordnung sey gar wohl mit menschlicher Freyheit, achte Religion mit gesunder Vernunft, Staatsklugr hcit Mit Rechtschaffenheik zu vereinigen. Nicht mit den übrigen Gewalthabern zu einem verheerenden Kriege, nein! mit Ihren Unterthanen hat Sie gemeine Sache gemacht, um ihnen die Fortdauer des langwierigen Friedens sicher zu stellen, und mit ihnen gemeinschaftlich den Blüthen und Früchten desselben in Gewerk und Handel, Kunst und Wissenschaft, öffentlichen Unter- 126 Ueber die Duelle Unterricht und Gerechtigkcitspflege abzuwarten. Ganz im Geiste dieser bewunderten Regierung, die wir die Unsrige zu nennen das beneidend werthe Glück haben, völlig zusammenstimmend mit Ihren übrigen weisen Verfügungen, und nachdrücklich wirksam für Ihre wohlthätigen Absichten ist die Anstalt unsres Ehrengerichts, welche ich Ihnen, meine Herren, nach dem Auftrag des akademischen Konsistoriums und nach dem Wunsche des größeren und besseren Theiles unsrer Kommilitonen gegenwärtig naher ans Herz legen soll. Leider! kann ich nicht von der Wichtigkeit dieser Anstalt sprechen, ohne mich nicht auf eine Beleuchtung des Uebels einzulassen, gegen welches dieselbe vorzüglich gerichtet ist. Sie soll nämlich dem Duelle zuvorkommen, dessen Bestrafung für den Staat ein nicht viel kleineres Unglück ist, als das Verbrechen selbst, ungeachtet dieses zu den schwärzesten gehört, deren sich ein M ensch, ein Bürger, und auf Universitäten. 127 und eirrkstudirender Jüngling schuldig machen kann. Der Todtschlag, auf dessen Gefahr jedes Duell mehr oder weniger gewagt, und der, wie so viele Beyspiele beweisen, durch die gewöhnlichen Dorsichtsregeln auch bey den akademischen Duellen nicht immer verhindert wird, ist unter allen Ucbelthaten die unmenschlichste, indem er das in der Verbindung zwischen Leib und Seele bestehende Wesen der Menschheit aufhebt. Wer schaudert nicht bey dem bloßen Gedanken der Vernichtung eines Menschen durch einen Menschen! Nur in Rücksicht auf das erschreckliche Unrecht, das in dem Angriffe auf ein Menschenleben liegt, ist das traurige Recht denkbar, sein Leben durch den Tod des Angreifers zu retten. Der Duellant mag nun die Absicht zu morden haben oder nicht: so ist er vor Gott und seinem Gewissen schon dadurch ein Mörder, daß er Menschenleben in Gefahr setzt, und zwar ein zweyfachrr Mörder, einmal 128 Ueber die Duelle einmal seines Nebcnmenschen, dessen Leben er nachstellt, und dann Selbstmörder, indem er, so viel an ihm liegt, seinen Gegner zwingt, seinem eigenen Leben nachzustellen. Und ist nicht schon auch nur die bcabsichtete oder gewagte Verstümmelung eines Menschen Verbrechen der beleidigten Menschheit? Daß dieses von allen Duellen ohne Ausnahme gilt, erhellt schon daraus, weil keines, wenigstens von der Seite seines Urhebers, eine bloße Nothwehre seyn kann; und nur Nvthwchre nicht Rache, nur Verhinderung nicht Vergeltung des Unrechts, nur Vertheidigung gegen Angriff nicht Erwiederung desselben, kömmt uns durch das Recht der Menschheit zu. Gesetzt aber auch, Rache, Vergeltung, Erwiederung des Unrechts wäre nicht wieder neues Unrecht, welche Beleidigung kann die Begleichung mit dem Todtschlag aushalten, welche Mißhandlung den Verlust des Lebens aufwicgen? „Meine gekränkte Ehre" 'höre ich hier den bwcntampfer mir in die Rede fallen, > „ist mir „als auf Universitäten, 129 „als einem Manne von Ehre theurer als das „Leben, das ich dagegen aufs Spiel setze." Armer Mann von einer lämmerlichcn Ehre! Entweder ist das, was du Ehre nennst, nichts als wahre Schande — und Schande für dich ist doch wohl die Meynung anderer, daß du das Herz habest ein Verbrecher zu seyn — oder es ist die äußere Anerkennung deiner Rechts fchaffenheit, und diese büßest du eben dadurch am gewissesten ein, daß du Leib und Leben eines Menschen angreifst, ohne Leib und Leben vertheidigen zu müssen. „Aber du berufst dich „auf die unter den Menschen deines Standes „herrschenden Begriffe von Ehre und Schande, „deren Unrichtigkeit du als ein Aufgeklärterer „gerne cingestchst; aber die nun einmal in der „Welt da sind, und nach denen dich die öffentliche Meynung beurtheilt, verdammt oder losspricht." — Elende Ausflucht! So wolltest du also einem Vorurthcile huldigen, welches du selber als ein Vorurtheil und zwar als ein unmenschliches anerkennest? wolltest dasselbe Auswahl «er,». Schritt. U. I- ^ durch Ueber die Duelle lZO durch dein eigenes Betragen bestätigen, welltest es verewigen helfen? bloß weil du im entgegengesetzten Falle darunter zu leiden haben würdest. O! du Mann von Ehre! der du die Verachtung der hclldenkenden und gutgesinnten wählst, um ja nichts im Auge des Pöbels einzubüßen; wirkliche Schande über dich nimmst, weil du nicht Muth genug hast eine eingebildete zu ertragen, und vor den ediern, die stark genug sind Nutzen und Schaden der Pflicht unter zu ordnen, als ein Feiger erscheinst, um vor den Vlödsichtigcn und Schwachsinnigen für einen Herzhaften zu gelten! Als bloßer Mensch würdest du bey einer so verächtlichen und schändlichen Gesinnung keinen Anspruch auf Ehre haben, wenn du denselben auch nicht als Bürger verwirken müßtest. Sicherheit des Lebens und Eigenthums ist der unmittelbare Zweck der bürgerlichen Gesellschaft; und um dieses Zweckes willen hat jedes einzelne Glied sein ihm außer der Gesellschaft zukom- auf Universitäten. izr zukommendes Recht, sich selbst für ein zugefügtes Unrecht Ersatz zu verschaffen, in die Hände der ganzen Gesellschaft niedergelegt, die dasselbe durch die Obrigkeit, als ihre Stellvertrcterinn, verwalten läßt. Der beleidigte Bürger, der durch eigenmächtigen Zwang Genugthuung verschafft, ist ein schlechterer Bürger, als der Beleidiger selbst. Dieser vergeht sich nur an einem Einzelnen, jener an der ganzen Gesellschaft. Er bemächtiget sich eines Rechts, das er aufgegeben hat, und für ihn kein Recht mehr seyn kann; eines Eigenthums, das nicht mehr das Scinige ist, das die Gesellschaft ausschließend besitzen muß, und das sie an keinen Privatmann übertragen kann, ohne die Grundfeste der ganzen bürgerlichen Verfassung zu untergraben , und die allgemeine Sicherheit in Gefahr zu setzen. Der Duellant bricht daher den Vertrag, der den Bürger zum Bürger und den Staat zum Staate macht, er greift das Heiligthum der Gesellschaft in dem wesentlichsten Vorrechte derselben an, hebt die vornehmste I s Be- Ueber die Duelle IZ2 Bedingung der bürgerlichen Ordnung auf, opfert das gemeinschaftliche Interesse Aller der kleinen Angelegenheit seines Ichs auf, und ist im strengsten Sinne des Wortes ein schlecht tcr Bürger, und als solcher ein ehrloser Mensch. Doch Ich besinne mich, daß ich vor Per- sonen spreche, die dem Stande der Gelehrten angehören, dem die Kultur der Humanität als fein eigentlichstes Bürgergcschäft angewiesen ist; jenem Stande, der eben darum zwar durch kein äußeres Privilegium, aber desto inehr durch Unschuld seines Betragens über jedes bloß bürgerliche und positive Gesetz erhaben seyn soll; jenem Stande, der nie gegen ein solches Gesetz anstoßen darf, weil er durch Aufklärung des Geistes und Besserung des Herzens, das, was jene Gesetze verbieten, unmöglich machen, und durch seinen freyen guten Willen unterlassen und verhindern soll, was der Staat nur durch Zwang verhindern kann. Es ist unsere gemein- schast- auf Universitäten. izz schaftliche Bestimmung, von der wir uns nicht lvszählcn können, ohne uns in unsren und der ganM Welt Augen verächtlich zumachen, es ist die unerläßliche Pflicht unsers Standes, alles das Böse, das der Staat durch Strafen, nicht aufheben, sondern nur beschränken kann, durch Lehre, und weil diese außerdem unwirksam seyn würde, durch Beyspiel zu bekämpfen. Uns kommt es zu, diejenigen Voestcllungsars ten, welche auf die Handlungen der Menschen den nächsten Einfluß haben, folglich die Begriffe von Wohlbefinden und Wohlvcrhalten, von Glück und Unglück, von Recht und Unrecht, von Ehre und Schande zu berichtigen, die Stürme der Leidenschaften in der Brust der gedankenlosen Menge zu beschwören, den Nebel der Vorurthcilc, unter dessen Begünstigung die Selbstsucht unaufhörlich dem gemeinen Beßren entgegen arbeitet, zu zerstreuen, und die Ucbcrrestc der Barbarei) finsterer Zeitalter, wo wir sie auch antreffen, mit Entschlossenheit und Vorsicht anzugreifen. Welch eine ungereimte, I 3 lächer- IZ4 Ueber die Duelle lächerliche, erbärmliche Erscheinung müßte daher nicht der ducllircnde Gelehrte seyn, wenn «r eine weniger ekelhafte, weniger abscheuliche Erscheinung wäre. Selbst das Vorurthcil ist bey aller seiner Unsinnigkcit nicht unsinnig genug, die Ehre des Ducllirens für etwas im gelehrten Stande einheimisches anzusehen; es leitet dieselbe aus dem Stande des Soldaten und des Adelichen her, welche den nächsten Anspruch darauf haben, und mit denen durch diese leidige Ehre der Stand der Studenten in eine Klasse erhoben werden soll. Wie der Irrthum, daß Zwcykampf etwas ehrenvolles sey, bey demjenigen Stande, dessen Beruf der Tod fürs Vaterland, und dessen Handwerk der Krieg, für den die Furcht des Todes das größeste Verbrechen, und die Bereitwilligkeit das Leben zu wagen die größte Tugend ist, leichteren Eingang finden konnte, springt von selbst in die Augen. Dieß ist nicht weniger in Rücksicht auf den Adel der Fall, der in seinen unedleren Mitgliedern (.denn auch er hat auf Universitäten. 13; hat seinen Pöbel) die ehrwürdigen Pflichten nicht weniger als den Ehrennamen des B n r- gers verschmäht, und sich so hoch über die bürgerlichen Gesetze erhaben wahnt, als er sich durch seine lächerlichen Anmaßungen unter den Rang der Humanität herabsetzt. Das armselige Vorrecht der gcmcindeukcnden aus diesem Stande, seines Gleichen zu würgen und sich von seines Gleichen würgen zu lassen, ist freylich so uralt als das F-ustrccht, ja! noch alter, indem es von den Zeiten der Völkerwanderung hcrstammt, da die Barbaren aus den nördlichen Asten das kultivirte Europa überschwemmten, das geraubte Landcigcnthum unter sich theilten, und durch seine vorigen Eigenthümer, die ihr Schwert zur Leibeigenschaft aufgespart hatte, bearbeiten ließen. Zum D ü r- gerstand durch ihre Rohheit unfähig, erkannten sie, als freye Herren, niemand über sich als den Stärker», der sie im Besitz ihres Raubes schützte, und dem sie diesen Schutz durch den Dienst der Waffen, das einzige, I 4 worauf Ueber die Duelle 136 worauf sie sich verstanden, vergalten. Aber es dürfte schwer zu begreifen seyn, wie der Vorzug keinen andern Schiedsrichter als Faust und Schwert anzuerkennen, der aus der Denkart und den Sitten jener freyen Herren so natürlich hervorgeht, auf die friedlichen Zöglinge und künftigen Priester der Musen und Grazien herübergekommen ist, wenn mau nicht wüßte, daß Kayser Friedrich der Zweyte, um die ncucrrichteten Mufcnsitzc in Aufnahme zu bringen, und den Stand der Gelehrten nach den Begriffen der damaligen Zeit auszuzeichnen, den auf Universitäten Studircndcn die Privilegien des Adels durch offene Briefe einheilt hak. Wie hatte sich der redliche alte Teutsche auch nur im Traume einfallen lassen können, daß er uns durch das kindische Vorrecht, einen müssi- gen Degen an der Seite zu tragen, mit dem unsinnigen und unsittlichen Vorurtheilc anstek- kcn würde, das so manchen studirendcn Jünglingen Leben, Gesundheit, Wohlfahrt und Ehre gekostet, den Universitäten so viel Schaden gethan, auf'Universitäten. iz? than, den Stand der angehenden Gelehrten vor der großen Welt lächerlich gemacht, und die künftige» Pfleger der Wissenschaften zu Erhaltern und Fortpflanzen, derselben Varbarey, die durch die Wissenschaften ausgerottet werden sollte, erniedriget hat! Vielleicht habe ich schon zu lange bey der Betrachtung eines Uebels verweilt, dessen Ab- schculichkeit sich jedem nicht ganz verfinsterten Kopfe, und jedem nicht ganz verhärteten Herzen von selbst aufdringen sollte. Es ist Zeit, daß wir uns durch den Anblick des Gegenmittels erhöhten, das uns demselben entgegen zu setzen vergönnt ist. Die Schlichtung der Ehrensachen der Stu- Lirenden, durch gesetzliche Schiedsrichter aus ihrem eigenen Mittel, wirkt dem falschen Ehren- punkte der Selbstrache um so gewisser und nachdrücklicher entgegen, je mehr durch sie das Wahre und Unschuldige geschont wird, das bey jenem Vorurthcile, wie bey allen übrigen mit IZ8 Ueber die Duelle dem Falschen und Schädlichen verbunden ist und demselben den Schein von Wahrheit und Recht giebt. Der beleidigte Studircnde wählt lieber das Verbrechen des Duells als die Genugthuung auf dem Wege der Gesetze, weil er nicht ohne Grund fürchtet, daß der Ausspruch der bürgerlichen Obrigkeit in den durch ein altes Vorurtheil geblendeten Augen den auf ihm haftenden sogenannten Schimpf nicht zu vertip gen vermöge. Allein diese Bcsorgniß fällt durch einen Ausspruch von Richtern hinweg, die zugleich seine Kommilitonen sind, und deren Entscheidung, da sie durch die Stellvertreter seines ganzen Standes gegeben wird, die allgemeine Stimme desselben rechtmäßig darstellt. Vor Schiedsrichtern aus ihrem eigenen Mittel sind die streitenden Parteyen gegen den natürlichen Scheu und die schüchterne Bcsorg- lichkeit gesichert, wodurch vielleicht eben die wohlerzogensten Jünglinge am leichtesten von dem obrigkeitlichen Richtersiuhle entfernt gehest- auf Universitäten. ize, ten werden, und wodurch es manchen so schwer wird ihre jugendlichen nur in den Augen von ihres Gleichen bedeutenden Streitsachen dem Ernste von Männern bloß zu stellen, denen es durch ihre Jahre und Geschäfte nicht mehr so leicht wird, sich an die Stelle des Jünglinges zu versetzen. Durch das Institut des Ehrengerichtes wird das Bedürfniß der streitenden Parteien, ihre Angelegenheit durch unparteiische und mit dem Ansehen der Gesetze ausgerüstete Richter entscheiden zu lassen, zugleich mit dein Bedürfnisse befriediget, sich durch diejenigen, von denen man am bcßtcn verstanden und am mildesten beurtheilt zu werden hoffet, gerichtet zu wissen. Das unwiderrufliche Verbot des Sittengcsctzes, das alle Selbstrache ohne Ausnahme zum Verbrechen macht, trifft mit dem unverlierbaren Rechte des Beleidigten, Genugthuung zu verlangen und zu erhalten, auf einem Punkte zusammen, und der heilige Gehorsam gegen die bürgerlichen Gesetze, die das Recht, Genugthuung zu erzwingen, ausschließend der Obrig- Ueber die Duelle 140 Obrigkeit übertragen haben, wird zugleich mit dem gerechten Wunsche der Freyheit, des Zwangs und der Machtsprüche entbehren zu können, auf die glücklichste Weise vereiniget. „Es ist nicht zu läugncn," höre ich hie und da mir einwenden, „daß die Zahl der Duelle „seit der Einführung des Ehrengerichts bey „uns abgenommen, aber auch eben so wenig, „daß seitdem Unhöstichkeit, Ungezogenheit, „Grobheit unter unsren Skudircndcn merklich „zugenommen, und sich in den Konversationen „derselben ein Ton eingcfundcn hat, der sich „unter den Handwerksgesellen und Bauerknechs „ten zu verlieren anfängt, und der vormals auf „unserer Akademie durch die Furcht vor der „Degcnspitze im Zaum gehalten wurde." — Wenn diese leidige Thatsache ausgemacht, und wenn sie über dieses eine wirkliche, und zwar nicht zufällige, sondern wesentliche Folge dcv Abschaffung oder Verminderung der Duelle wäre, dann würde ich sagen müssen: Lasset uns auf Universitäten. 141 uns, wenn es doch nicht anders seyn kann, lieber weniger feine Sitten als keine Sittlichkeit habenz lasset uns immer etwas mehr ungezogen, aber dafür auch weniger ungerecht seyn; lasset uns weniger An stand in unsrem äußeren Betragen, aber weniger Verbrechen auf unsrem Gewissen, weniger Höflich seit in unsren Reden, aber dafür weniger Barbareyin unsren Handlungen haben! Weg mit derjenigen Feinheit der Sitten, welche nur durch die Furcht vor Duellen, die immer der Ungezogenste am wenigsten fürchtet, erkünstelt und erzwungen wird! Wir haben eine gründlichere und höhere Verfeinerung der Sitten auf einem gewisseren und rühmlicheren Wege zu erwarten, auf dem Wege der wissenschaftlichen und sittlichen Kultur, den wir mit der Absicht betreten haben, um in der Folge andern auf demselben als Führer voranzugehen. Zu dieser Verfeinerung wird das Ehrengericht durch den, wohltätigen Einfluß 142 Ueber die Duelle Einfluß mitwirken, den es auf Denkart und Gesinnung unsrer Kommilitonen immer mehr und mehr gewinnen muß. Sie, meine Herren, und Ihre Nachfolger, werden an diesem Institute eine sprechende, belehrende, rührende Darstellung jener mit Gesetzmäßigkeit vereinigten Freyheit vor Augen haben, welche das Ziel und die unfehlbare Maßregel aller Veredelung der Menschheit ist, und welche in gleich weiter Entfernung von Zügcllosigkcit und Untcrdrük- kung, Ungcbundenhcit und Zwang, Anarchie und Despotismus besteht. Sie werden durch die Geschäfte selber, die ihnen das Ehrengericht auflegt, besser, liebenswürdiger, edler werden; durch die ernste und fcyerliche Vcschaff- tigung der Wahl, wobey sie über die Gesetztheit, die Rcchtschaffcnhcit und den Geistes- adcl der Wahlfähigen zu urtheilen, ihre Huldigung gegen die Sittlichkeit durch die Wahl der Würdigsten an den Tag zu legen, und ihre Wahlstimme zu einer öffentlichen Ehrenbezeugung gegen anerkanntes Verdienst zu machen haben. auf Universitäten. 14z haben. Sie werden sich unvermerkt veredelt fühlen durch die hcrzerßcbende Sorgfalt Unrecht zu verhindern und zu vergüten, durch die das moralische Gefühl weckende, übende, stärkende Lhcilnchmuug an der Erhaltung der öffentlichen Ruhe, der bürgerlichen Ordnung und der Ehre ihres Standes. Aber Sie werden auch durch das Beyspiel unsrer Regierung, welche Sie durch ein Zutrauen, von dem man kaum ein Beyspiel auszuweisen hat, vor den Augen der ganzen Welt ehret, lernen, sich unter einander selber zu ehren, und auch durch ihr äußeres Betragen, und selbst durch den Ton ihres Um- ganges, zeigen, daß sie würdig waren als freye, durch ihren eigenen Willen sich an Ger setze haltende Männer, als befugte Richter über Ehre und Schande behandelt zu werden, und daß Sie Ihren Beruf nicht verfehlt haben, indem Sie Sich einem Stande widmeten, dem die Pflege des edelsten Kleinodes der Mensche heit, der Sittlichkeit von Zeitgenossen und Nachwelt anvertraut ist. Indem ^44 l^ber die Duelle Indem ich keinen unter den Anwesenden dieser Gesinnung unfähig halten, indem ich von keinem befürchten darf, daß er sich durch die Weigerung, an der Ehre, welche seinem Stande wiedersähet, und an dem Geschäfte, das ihm das gemeine Beßte auflegt, Theil zu nehmen, beschimpfen werde: so glaube ich, daß ich nicht nur im Namen der verehrungs- würdigen Vater unsers akademischen Gemeinen Wesens, sondern auch aus der Seele aller gegenwärtigen Kommilitonen spreche, indem ich denjenigen unter ihnen, welche durch rühmlichen Eifer und wohldurchdachte Vorschläge zu dem Zweck dieser Versammlung mitgewirkt haben, öffentlichen und feyerlichen Dank sage. Nicht weniger bin ich überzeugt/daß es im Namen und aus der Seele aller gegenwärtig und künftig hier Studi- rendcn (wohl nur diejenigen ausgenommen, die sich durch Denkart und Gesinnung so tief herabsetzen, daß .ihre Stimmen zu unbedeutend werden, um in Anschlag zu kommen) geschieht, auf Universitäten, 145 geschieht, wenn ich jeden Anwesenden bitte und beschwöre, nicht nur durch sein ernstes, anständiges, gewissenhaftes Benehmen bey dem heutigen Wahlaktus, zur Fortdauer und Würde, sondern, wenn er diesfalls einen gerechten Wunsch auf dem Herzen hat, durch Mittheilung desselben auch zur Verbesserung eines Instituts beyzutragen, das alles, was wir zu seiner Veredelung thun werden, durch unsre Veredelung überschwenglich vergelten wird. Auswahl vrrm. Schrift. Th-1- V Ueber den Cölibat 146 V. Ueber den Cölibat der katholischen Geistlichkeit ^))reisaufgaben von theologischem Inhalt, die nicht etwa von den frommen, zur Erhaltung und Beförderung der reinen Lehre gestifteten, Gesellschaften, sondern von Regenten auf- ») Die Veranlassung zu diesem Aussatz war das durch gelehrte und polnische Zeitungen verbreitete Gerücht: Es sey von einer hohen Hand auf die beste Lobschrifr über den Cblibat der katholischen Geistlichkeit ein Preis gesetzt. Die bekannte Eemleri- scheVorbcrcitung auf diekdiiigl. Grof- brirranische Preisaufgabe— von der Gottheit Christi, 1787 brachte den Verfasser auf den Gedanken, daß auch über jene PreiSaufgade eine Vorbereitung nicht überflüssig seyn dürtte. der katholischen Geistlichkeit. 1^7 aufgeworfen werden, sind in unsern Tagen zwar etwas Seltenes, aber nichts Sonderbar res. Etwas Seltenes — denn da, nach dem einstimmigen Urtheile politischer Sachkenner, gegenwärtig das erste und größte aller Staatsbcdürfnisse— Geld ist: so kann ein Vater des Vaterlandes das wenige, was er etwa von den dringenderen Ausgaben ersparen und der Aufmunterung des gelehrten Fleißes zuwenden kann, nicht wohl für andere Erörterungen bestimmen, als wckche die Vermehrung seiner Einkünfte zum Zwecke haben. Daher denn auch die neueren Preisfragen der königl ichen und fürstlichen Akademien der« Wissenschaften meistens Finanzspcr Marionen betreffen. — Aber nichts Sonderbares. Man weiß nämlich sowohl aus den neuesten philosophischen Verhandlungen in Teutsch land, als aus den neuesten politischen Begebenheiten in Frankreich, daß was immer für eine Nation, und wäre sie auch die aufgeklärteste der Welt, in ihren nicht- K 2 den« 145 lieber den Cölibat denkenden Individuen gar keine—in den den« kenden aber keine mitsich fclbsteinige Vernunft, und ebendarum auch keinen allgemeinen Willen habe. Es ist daher zwar seit kurzem, aber für immer ausgemacht, daß die Gewalt der Obrigkeiten, nicht wie die neuern Philosophen vorgeben, von dem Willen der Nation, sondern, wie die ältern Theologen beweisen, und die Fürsten in jeder Verordnung laut und wiederholt eingcr stehen— von Gottes Gnade abhänge. Es darf also ein Regent eben nicht durch den Ehrentitel eines Verfechters des Glaubens, den ihm der rechtgläubige Eifer eines seiner Vorfahren errungen hat, dazu aufgefordert werden, dem sinkenden Ansehen der Theologie durch dasjenige Mittel aufzuhelfen, das von jeher dcrlstervus rerum Aerenöarum hieß, heut- zutag aber die Quelle alles Glanzes, der Maßstab aller Wichtigkeit, und die gemeinste Veranlassung zum schriftstellerischen Dcruf ist. Wir der katholischen Geistlichkeit. 149 Wir leben m einem Zeitalter, wo die W e- nigcn, welche, zur Empfehlung kirchlicher Lehrsätze und Gebote etwas Neues zu sagen, Kopf genug haben, weder durch Ehrgeiz noch durch Einsicht in die Natur der guten Sache, noch durch irgend eine andere, als jene unwiderstehliche Triebfeder, vermocht werden dürften, ihre Federn zu ergreifen. Nie würde Ich etwas zum Vortheil des Cclibats geschrieben haben, wenn ich nicht in mehreren öffentlichen Blättern gelesen hatte, daß für die beste Lobschrift aufdicsm heut zu Tag so sehr verkannten Gegenstand ein Preis ausgesetzt Ware. Ich gehöre nicht unter diejenigen, die etwas Neues zu seinem Lobe zu sagen vermögen. Die Neuheit des Wenigen, was ich zu seiner Vertheidigung vorzubringen gedenke, ist eine bloße Folge von der Neuheit der Angriffe auf ihn. Ich weiß, daß ich auch außerdem den Preis denen überlassen müßte, welche die Vorzüge des Cöli- bats aus eigener Erfahrung kennen, und eben darum auch von demselben mit unr K 3 gleich »52 Ueber den Cölibat gleich tieferer Einsicht und innigerer Warme zu sprechen vermögen als ich. Allein ich kann und will mich mit der Ehre begnügen, dasjenige zur Sprache gebracht zu haben, was jene Lobredner, weil ihnen der Gegenstand zu nahe liegt, vielleicht übersehen dürften. Es steht für die vor uns liegende Preisaufgabe eine größere Cvncurrenz, eine gründlichere Behandlung des Themas, und eine gewissere Zuerkcnnung des Preises zu erwarten, als bey einer andern wirklich eingetroffen ist, welche von der Theol. Fakultät zu Göttingen im Namen ihres Landcsfürsten vor einigen Jahren den teutschen Theologen vorgelegt worden ist, und die in allen diesen Punkten ein sehr widerliches Schicksal erfahren hat. Man weiß, daß unter den bis zum Erstaunen wenigen eingelaufenen Abhandlungen auch der besten der Preis abgesprochen wurde, und daß Herr Professor Flatt in Tübingen mit dem Zeugnisse der Richter, Leu Sinn der Frage am wenigsten der katholischen Geistlichkeit. r;i verfehlt zu haben, zufrieden seyn mußte, Allein außerdem, daß die Preisfrage von Göt» tingen zwar von ungleich größerem theologi- scheu aber ungleich geringerem politischen Interesse war, als die gegenwärtige ist: so betraf jene einen bloßen Glaubcnsartikel, der schon an sich selbst über alle Einwendungen der Vernunft erhaben, und noch dazu ein solcher ist, dagegen keines der d r ey im H. R. Reiche privilegirten Bekenntnisse in Schutz genommen zu werden bedarf. Der Cölibat hingegen ist nicht einmal für die katholische Partey ein bloßer Glaubensartikel; und liegt in so ferne für keinen Bürger des teutsche» Reichs ganz und gar außerhalb des Gesichtskreises der natürlichen Vernunft. Selbst die Entscheidung der Kirchenversammlung zu Tridcnt, welche über manniglich den Fluch ausgesprochen hat, der sich beygehen lassen würde den Ehestand für etwas besseres als die Iungsrauschaft zu erklären, hat den Cölibot keineswegs in jeder Rück- K 4 ficht 152 Ueber den Cölibat ficht der freyen Untersuchung seines Werthes entzogen. Billig ist zwar die Rechtgläubig k e i t einiger neueren Katholiken verdächtig, welche im allgemeinen behaupten: die unfehlbare Kirche könne und wolle nur theologische Wahrheiten festsetzen, und sey daher keineswegs gcwillet, die politischen, welche etwa jenen widersprechen dürsten, gradezu für Kctzcreyen, und folglich für Unwahrheiten zu erklären. Allein daß wenigstens in dem angeführten tridentinischen Glaubensartikel nur von einem theologischen, und keinem politischen Bcsserseyn die Rede seyn könne, wird mir auch der Rechtgläubigste zugeben müssen, wenn er mit mir den himmelweiten Unterschied und offenbaren Widerspruch bedenkt, der zwischen Wahrheit und dem politischen Nutzen statt findet, seitdem die Eine ausschließend die Angelegenheit der Philosophen, und der Andere — der der Staats - und Geschäftsmänner geworden ist. Gesetzt also auch, daß, der Philosophie zum Trotze, der katholischen Geistlichkeit. izz Trotze, die politisch wahre Vortrefstichkeit des Cölibats als eine bloße Folge der theologischen geglaubt werden müßte: so würde gleichwohl immer der Nutzen, den die Häupter der Staaten, oder welches natürlicherweise eben dasselbe ist, die vornehmsten Glieder, oder welches glücklicherweise eben dasselbe ist, die Stärkere in den Staaten, aus dem Cölibats zu ziehen haben, eine Frage seyn, welche der Vernunft von allen Seiten zugänglich wäre. Allein selbst von derjenigen Seite, aufwel- cher der Cölibat als Glaubensartikel feststeht, ist er noch keineswegs gegen die Einwürfe der beyden reichsfriedcnsschlußr mäßigen Parteyen gesichert, welche der dritten das Recht streitig machen, der ganzen Christenheit Glaubensartikel vorzuschreiben. Ja, was noch mehr ist, er steht, so gar von jener Seite selbst, noch den Zweifeln derjenigen rechtgläubigen Katholiken bloß, welche durch unumstößliche historische Gründe, (deren Un- K 5 wahr- i54 Ueber den Cölibak Wahrheit unglücklicherweise in Trident zu keinem Glaubensartikel erhoben ist,) beweisen zu können glauben, daß es jener Versammlung an den wesentlichen Bedingungen eines rechtmäßigen und unfehlbaren Conciliums gefehlt habe. Diese historischen Kritiker können nun, — wenn sie nicht etwa durch die den Tribunalen des heiligen Offtciums eigenthümlichen Motivs cre- äibiliraris eines Besseren belehrt werden —> unbeschadet ihres Glaubens an die Unfehlbarkeit der Kirche auch den theologischen Werth des Cölibats entweder nur als eine fromme Meynung annehmen, oder, wenn sie anders den Lohn eines zwar nicht gebotenen aber um so mehr verdienstlichen Glaubens fahren lassen wollen, so gar ausdrücklich verwerfen. In wie ferne man also den Cölibat eben nicht für einen Glaubensartikel anerkennen muß, um zu was immer für einem der vorgeschriebenen Bekenntnisse zu gehören, die allein auf Schutz oder Toleranz im H. R. Reiche Ansprü- der katholischen Geistlichkeit. iz Ansprüche haben: in so ferne wenigstens ist auch kein politischer Grund da, die Heiligkeit des Cölibats, als eine geoffenbarte, und eben darum geheimnißvolle Wahrheit, als ausgemacht vorauszusetzen. Es dürste daher den künftigen kobrednern des Cölibats anzurar then seyn, daß sie seinen Rang als Glaubensartikel auf sich selbst beruhen lassen möchten. Dadurch allein wird man sich gleich weit von den zwey entgegengesetzten Klippen entfernen, an welchen die gute Sache scheitern könnte; wenn sie entweder durch Herlcitung aus streitigen Gründen Ungläubigen Preis gegeben, oder durch unnöthlgcs Hinwegräumen jener Gründe um den Vortheil gebracht würde, den sie aus denselben für so manchen Gläubigen gewinnen könnte. Ich meines Ortes würde noch weitergehen, wenn ich um den Preis ränge. Ich würde sogar alle theologischen Beweise ohne Ausnahme dahin gestellt seyn lassen. Wer kennt nicht die biblischen Stellen, auf welche sich die Freunde des iz6 Ueber den Cölibat des Cölibats unter den katholischen Theologen berufen? Wer weiß es nicht, daß diese Stellen von den Kirchenvätern, mit einer unter ihnen äußerst seltenen Einhelligkeit, zum Vortheil des Cölibats gedeutet sind, und daß diese Einhelligkeit von dem größten und rechtgläubigsten Theile besagter Gottcsgclehrtcn für achte Tradition, und folglich für eine der gesetzmäßigen Quellen theologischer Wahrheit gehalten wird? —Allein wem ist es nicht eben so bekannt, wie sehr die neuere Exegese auch selbst in der katholischen Theologie von der ältern abweicht? Wer weiß nicht, daß man bey allen Punkten, worüber keine Kirchcnversammlung entschieden hat, in der Bibel gerade das Gegentheil von dem findet, was man sonst fand; und daß die Zahl der ächten unfehlbaren Concilien mit den Fortschritten der historischen Kritik im umgekehrten Verhältnisse steht? Wer weiß nicht, daß sogar katholische Exegetcn im alten Testamente ein ausdrückliches Verbot des Cölibats gefunden haben wollen, welches durch das Neue keines- der katholischen Geistlichkeit. 157 keineswegs aufgehoben wäre? Und daß sie unter der Einzigen Gattinn, die Paulus für jeden Bischof fordert, keine metaphorische, sondern eine ganz eigentliche Frau verstehen? Ich gestehe zwar, daß ich auf den ungeheuren, mit jeder Buchhandlermcsse sich erweiternden Feldern der heiligen Philologie viel zu wenig bewandert bin, und befchei- de mich gerne, daß nur derjenige, der alle auf denselben neuentdeckte und bearbeitete Schätze sich eigen gemacht hat, ein gültiges Urtheil über die Resultate der neuesten Exegese, und über die Gründlichkeit ihrer Abweichungen von den Aeltern, zu fallen im Stande sey. Allein ich kann auch nicht umhin, im Vorbeygehen anzumerken : daß eben dieser Umstand für die Versuche der Neueren Theologen, die Eintracht des gesunden Verstandes mit sich selbst in Sachen der Dogmatik auf dem Wege der Exegese einzuleiten, kein sehr günstiges Dor- urtheil erweckt, und daß derselbe zu keiner geringen Empfehlung der althergebrachten or- th 0- Ueber den Cvlibat rZ8 thodoxen Methode dient, nach welcher der Bibclsinn aufs bloßeWort entweder der unfehlbaren Kirche oder der symbolischen Bücher geglaubt wird, ohne daß man sich zur Erforschung und Ergründung desselben um Vorkeimt- nisse zu bekümmern braucht, zu deren Erwerbung gegenwärtig kaum ein ganzes Menschenalr tcr zureicht. Gesetzt aber auch, es gelange mir auf einer Wanderung in den Gefilden der biblischen Philologie zufälliger Weise neue Gründe zu entdecken, durch welche die alte dem Cölibate günstige Exegese gegen die Einwürfe der neuen auf immer gerechtfertigt würde: so wäre auch selbst dadurch für den Zweck unserer Preisaufgabe durchaus nichts gewonnen. Wer mit dem Worte Cölibat einen richtigen genau bestimmten Begriff verbindet, dem muß es sogleich in die Augen springen, daß alle theologischen Beweise aus der Schrift und Tradition für den Gegenstand jenes Begriffes zu viel, und folglich nichts der katholischen Geistlichkeit. 159 nichts beweisen. Bey allen Ueberzeugungen, die sich aus jenen beyden theologischen Erkennt» iß quellen schöpfen lassen, ist die Rede von dcrabfolutenKeuschheit, welche durch das lateinische Wort Virginüris, und durch das teutsche in diesem Sinne minder gewöhnliche Jungfrau schuft ausgedrückt wird; wahrend das Wort Cölibat die bloße Ehelosigkeit bedeutet. Nur die Verwechslung zweyer, sowohl den ursprünglichen Begriffen als dem Zeugniß her Erfahrung zu Folge, so wesentlich verschiedener Dinge, die man in den verworrenen Begriff von Cölibat zusammen naht«, hat den Gegenstand der Preisaufgabe bisher so vielen Weitläufigkeiten, Mißverständnissen und Wortstrcitigkciten ausgesetzt, und die neue Erörterung nothwendig gemacht, zu welcher die Freunde der guten Sache durch den Preis aufgefordert sind. Durch die Zurückführung des bestimmten Begriffes vom Cölibat auf die bloße Eh e- losig- Ueber den Cölibat i6o losigkeit, werden auf einmal aus dem ganzen Uinfang der zu beantwortenden Frage alle theologischen, philologischen, exegetischen, polemischen, kritischen, biblischen, casuistischcn, mystischen, h ermcneutischcn, linguistischen, par tristischen u. s. w. Untersuchungen auf immer ausgeschlossen; und es fallen damit alle die mißlichen Umstände hinweg, welche bisher die Hauptfrage so sehr verwickelt, und die bekannte Verschiedenheit der Meynungen über dieselbe uw vcrmeidlich gemacht haben. So bald der Begriff des Cölibats auf die bloße Ehelosigkeit eingeschränkt wird; so fallt, unter andern, erstens das theologische Argument der Gegner, das von dem alttcstamentischen: Wachset und mehret euch! hergenommen ist, von selbst weg. Denn nimmermehr wird irgend ein Exeget darthun können, daß in den belobten Stellen entweder der bürgerliche Cvntrakr, oder gar das Sakra- der katholischen Geistlichkeit. r6i Sakrament der Ehe geboten sey; oder daß diesem alresten unter allen Geboten, wofern nicht etwa andere physische oder moralisch e Hindernisse dazwischenkommen, nicht auch von den Cblibatairen nachgelebt werde. Zweytetts fällt das Medieinisch- Natur rechtliche Argument von selbst weg, welches von einer, in gewissen Temperamenten gegründet seyn sollenden, physischen Unmöglichkeit die Pflicht der Sclbacrhaltuirg mit dem Cölibat zu vereinigen, entlehnt ist. Denn nimmermehr wird irgend ein Arzt öder Lebrcr des Naturrechts beweisen können, daß durch die Ehelosigkeit der Gebrauch des in den vorausgesetzten Fällen von der Natur festgesetzten Mittels unwirksam werde; und daß nicht, der Erfahrung zu Folge, weit Mehrere Cölibataire durch den zu eifrigen Gebrauch als durch den Nichtgcbrauch desselben ihr Leben verkürzt haben» Drittens fallt das Politisch- Kam e- ralistische Argument von selbst weg, das sich Wswoyl vm». Schrgt. rh i. L auf Ueber den Cölibat 162 auf die durch den Cölibat gehinderte Bevölkerung, und die daraus ergebende Verkür« zung an Köpfen für die Armeen und an Kopfgeldern für das Aerarium, beruft. Denn nimmermehr wird irgend ein Politiker und Kameralist beweisen können: daß die Katholischen Gegenden Deutschlands weniger als die Protestantischen bevölkert wären —- daß durch die Kriege nicht ungleich mehr wirkliche, und durch den militärischen Cölibat nicht eben so viele mögliche Bürger den Staaten entzogen würden, als durch den kirchlichen — daß die Geschäftigkeit des Naturtriebes, die durch kein Kirchengebot und kein Gelübde aufgehoben werden kann, nicht durch den Reiß des Verbotenen verstärkt werde, — und daß nicht die Staaten, was sie durch die hin und wieder beschränkte Fruchtbarkeit der Cölibatairen an -er Quantität der Köpfe einbüßen, an der berühmten Qualität der sogenannten Kinder -er Natur wieder gewönnen. Endlich, der katholischen Geistlichkeit. l6z Endlich, was das wichtigste ist: so bald in den künftigen Lobschristcn auf den Cölibat bloß von der Ebelosi gleit die Rede ist, so treten die folgenden politischen Gründe für denselben in ihre volle Wirksamkeit ein, zu deren Entwickelung ich mir besonders die Aufmerksam- keit der Concurrcnten erbitten muß. Ich setze als er;.'lesen und allgemein anerkannt voraus, daß alles, was den bekannten Unterschied unter den drey Hauptkl»sscn der Stande, der Geistlichkeit, dem Adel und dem Bürger st and begünstigt, indem Verhältnisse als es diese Folge hat, von höchster politischer Unentbehrlichkeit und Nützlichkeit sey. Um die althergebrachte Ueberzeugung unserer Politiker bey dieser Voraussetzung gehörig zu beleben, darf ich sie nur au das Beyspiel der sogenannten N cufrankc n erinnern, welche neuerlich eine der ältesten, vollkommensten und festesten Staatsvcrfassungcn in Europa bloß dadurch umgestürzt habe», daß sie die philosophische Schi- L 2 märe 164 Ueber den Cölibat märe von der ursprünglichen Gleichheit unter den Menschen zu realisiren unternahmen, und die Ausführung ihres hochvcrräthcrischcn Vorhabens sogleich damit begannen, daß sie den politischnothwendigen Unterschied der drey Stände, so viel an ihnen lag, aufheben. Wenn man, außer der Gefahr der Ansteckung durch dieses Beyspiel, noch bedenkt, daß mehrere teutsche Compendien des Natur- rechts bereits v or der französischen Revolution von jener ursprünglichen Gleichheit alle Rechte abzuleiten versucht haben, daß sich mehrere miscrer Philosophen nicht entblöden, selbst wahrend derselben jener Gleichheit laut und öffentlich das Wort zu reden; daß in so manchem viel gelesenen Journale der reelle und erbliche Adel des Blutes gegen einen gewissen idealischen des persönlichen Verdienstes, den sich der nächste beste Erdensohn erringen kann, herabgesetzt, und der überirdische Charakter der Gottgeweihten zu dem bloß bürgerlichen Amte des Lehrers von einem Capitel der katholischen Geistlichkeit. 165 der Moral herabgewürdiget wird: so muß es jedermann einleuchten, daß der Unterschied der Stände, dasPalladium jeder guten und zumal der teutschen Consiitution, sich noch nicmal in größerer Gefahr befunden habe; und daß die Regenten alle Ursache haben, vielmehr neue Mittel zur Verwahrung dieses Palladiums aufzusuchen und geltend zu machen, als die alten und bewahrten untergehe!? zu lassen. Ich habe also hier nichts weiter zu zeigen, als daß der kirchliche Cölibat unter die einsach- sic» und gewissesten Mittel gehöre, den Unterschied Erstens zwischen dem Geistlichen und Weltlichen, Zwcytens zwischen dem Adelichen und bürgerlichen Stande für immer aufrecht zu erhalten. Unter den Maßregeln, durch welche Gregor VI l. den Unterschied und den Zusammenhang zwischen den Dienern der Kirche und den Dienern des Staates, oder, welches ebenso viel ist, zwischen den Regenten über L 3 die i66 Ueber den Cölibat die geistigen/ und den Regenten über die körperlichen Bestandtheile der menschlichen Natur fest zu setzen gesucht hat, war keine, web cher er mehr Wirksamkeit zugetraut, und die er daher eifriger betrieben hätte, als der Cdlibat. Er wußte daß die Wicht des Ehestandes lediglich in der irdischen Hälfte des Menschen ge- gründet sey; daß sie eben darum denjenigen nicht zngcmuthet werden könne, welche nur die Angelegenheiten der überirdischen Welt zu besorgen berufen sind, und daß der Staat keine gesetzmäßige Bevölkerung der Erde von denen erwarten dürfe, die durch ihre ganze Bestimmung auf die Bevölkerung des Himmels beschrankt sind. DieKleriscy sollte nach seiner Absicht über den weltlichen Stand, wie der Geist über den Körper, herrschen; und eben darum sollte sie über das, was den Bürger an die Erde knüpft, und ihm zum Weltlichen macht, erhaben seyn; sie sollte, der Regel nach, der Natur Gesetze geben, ohne von ihr Gesetze anzunehmen; und wenn sie gleich nicht aufhören konnte der karelischen Geistlichkeit. 167 konnte in ihren Individuen der Menschheit anzugehören: so sollte sie doch, als Stand, übermenschlich, md in ihrer Verfassung übernatürlich sevyu Durch den Cölibat sollte der Stand ,um Range entkörperter Geister crhvhenwcrdcn; und die Befriedigung des Gcschlechtstriwes, die sich etwa einIndiv i- duuin erlaub ew dufte, sollte wenigstens keine bürgerlich gcs-tzmaßige Handlung, sondern nichts weiter als eine natürliche Ausnahme von einem übcrnachrlichcn Gesetze seyn. Da die erste und letzte Triebfeder in der menschlichen Natur, wie die Politiker und politischen Philosophen wissen — Eigennutz istr so kann die Absonderung und der Unterschied der Stande nur durch die entschiedenste Entgegensetzung ihrer gcgenseitigenJntcrcffen bewirkt und verewiget werden. Es ist allgemein bekannt und anerkannt, daß der in der katholischen Welt allein noch bestehende Widerspruch zwischen dem Interesse des geistlichen und des ? 4 weit- Ueber den Cölibat r6z weltlichen Standes, lediglich durch den Cölis bat bewirkt werde. Wenn ich daher meinen Lesern ins Gedächtniß zurückrufe: daß der Dürger durch den Ehestand an den Staat, der Geistliche durch die Ehelosigkeit an die Kirche gefesselt werde, daß dem einen alles an dem Wohl des Staates, in welchem und durch welchen sich seine Kinder Wohlbefinden sollen, dem andern alles an der Macht und Herrlichkeit der Kirche, von welcher die Würde und der Wohlstand seines Individuums abhängt, gelegen seyn müsse; daß der ehrlose Priester an den Opfern, welche der Staat der Kirche zu entrichten hat, nur zu gewinnen, nichts zu ven lieren habe: wahrend der vcrheyrathete Geists kiche in einem ewigen Kampfe zwischen seiner doppelten Person, als Glied des Staates und der Kirche, begriffen seyn müßte, der aus sehr begreiflichen Ursachen fast immer zum Vortheil des Staates ausfallen würde; wenn ich an diese allgemcingcltcndkir Wahrheiten erinnere, so ges schießt der katholischen Geistlichkeit. 169 schieht es nicht um das so oft wiederholte noch einmal zu wiederholen, sondern um mir dar durch zur folgenden Beantwortung einiger wichtigen Einwürfe den Weg zu bahnen. Man hat dem Cölibat zur Last gelegt, daß er die katholische Geistlichkeit nicht so wohl an das Interesse der K ir eh c als des rö m isehc n Hofes feßle; ei» Interesse, für welches man in der ganzen katholischen Welt und vorzüglich in Teutsch! and in eben dem Verhältnisse gleichgültiger wird, als man dasselbe von dem kirchlichen genauer unterscheiden lernt« Allein dieser Entwurf widerlegt sich selbst. Seit« dem man in Tcutschlaud über den Werth des Geldes aufgeklärter denkt, werden auch die teutschen Bi schösse immer mehr abgeneigt, die Befehle des Römischen mit einem beträchtlichen Theile ihrer Einkünfte zu bezahlen; und nach dem Gang zu urtheilen, den die von unsern Kirchenhauptcrn selbst begünstigte Untersuchung der päpstlichen Ansprüche genommen L 5 hat. I?o Ueber den Cölibak hat, steht der Verfassung der katholischen Kirche in Tcutschland eine Revolution bevor, wodurch die bischöfliche Gewalt eine völlig unumschränkte, von Gott allein unmittelbar abhängige Machtvollkommenheit erringen wird. Bey dieser für das Interesse der teutschen Kirchen, oder, (welches ebensoviel ist) der Häupter derselben, so entscheidend vorthcilhaften Veränderung bleibt nicht nur die Uncntbchrlichkcit und Nützlichkeit des Cölibats völlig eben dieselbe: sondern unsere Vischöffe erhalten in der vergrößerten Gewalt und Würde ihres erhabenen Posten einen neuen Grund, das Interesse der untergeordneten Klcrisey an den bischöflichen heiligen Stuhl durch eben das bewährte Mittel anzuknüpfen, wodurch es bisher an den päpstlichen gebunden war. Seitdem sich die Philosophie in die Theorie der Politik hin und wieder eingedrungen hat, hört man nicht selten einen durch ihre Spekulationen verführten Politiker einwenden: daß der katholischen Geistlichkeit. 171 daß die Staaten durch die Ent g egensetz u n g zwischen dem weltlichen und geistlichen Interesse an innerer Kr aft und äußerer Dichtigkeit verlieren müßten, und daß daher der Cölibat, eben wegen jener durch ihn bewirkten Entgegensetzung unpolitisch wäre. Allein wenn es irgend einen Fall giebt — und es giebt deren, laut des politischen Grundsatzes äi ville er lwpers. unzählige — wo der Widerspruch zwischen einzelnen Theilen die Harmonie des Ganzen befördert, so ist es der gegenwärtige. Je mehr die beyden Stände wegen ihrer widersprechenden Vortheile von einander zu befürchten haben, desto g rößcr wird für beyde das Bedürfniß des Schutzes, und mit demselben ihre Abhängig keit von dem Regenten. Der Geistliche beweiset dann aus der Bibel, daß die Füwstlich e Gewalt, so wie die Bischöfliche, unmittelbar durch Gott selbst ertheilt wrrde, und daß der Fürst durch eine übernatürliche und eben darum auch unbegreiflich e Bevollmächtigung berechtiget 172 Ueber den Cölibat gct und verpflichtet sey, das zeitliche Wohl des weltlichen Standes zum Vortheil des ewigen (und folglich auch zum Vortheil der Auöspcn- der desselben) einzuschränken. Der Wcltl iche hingegen beweiset aus dem sogenannten Na- t u »-r echte, daß der Fürst durch den gescll- schaftlichen Vertrag berechtiget und verpflichtet sey, das zeitliche Wohl der Bürger aus allen Kräften zu schützen und zu vermehren, die Sorge für das Ewige Ihnen selbst zu überlassen, die Kirche hingegen in ihrer ursprüngliche Würde dadurch wieder herzustellen, daß er ihr den ausschließenden Besitz und die Verwaltung ihrer himmlischen Gnadcnschatze zusichere, alle irdischen Besitzungen hingegen als eine unnütze Last abnehme, und als ein weltliches Eigenthum des Staates behandle. Auf diese Weise wird das Oowinium sleum in bona subäicorum, das durch die Philosophen Neuerer Zeit so oft in Zweifel gezogen wird, dem Lan- dcshcrrn, in Rücksicht auf die Kirche ngü- ter, durch die Stimme des weltlichen Standes, der katholischen Geistlichkeit. 17z des, und in Rücksicht auf die Besitz» ngeii der Bürger durch die Stimme des Geist» lichen zugesichert. Beyde Stände schließen sich um so inniger an den Regenten an, je weiter sie durch ihre Interessen von einander entfernt werden. Während sie sich nie gegen ihn vereinigen können, bleibt es immer in sei» ner Willkühr, seine Machtvollkommenheit gc» gen die Anmaßungen der Priester durch das Volk zu behaupten, und die seinem Aerariunr nachtheiligcn Forderungen des Volkes durch die Priester abzuweisen. Auf diese Weis« wird die Starke des geistlichen und des weltlichen Armes, die übernatürliche Gewalt der Gottheit und die Natürliche des Volkes, in dem Regenten als in dem Mittelpunkte aller Macht und Gewalt vereiniget, aus welchem allein alles politische Heil über eine Nation ausgehen kann und soll. Die protestütische Klcrisey hüt mit dem Rechte zu hcyrathen alle Pflichten der D ü r- !74 Ueber ven Cölibat Bürger übernehmen müssen; und laßt sich gegenwärtig kaum durch etwas anderes als durch den bloßen Namen und die Kleidung von dem weltlichen Stande unterscheiden. Sie hat jenes traurige Recht nicht nur mit dem gänzlichen Verluste ihres übermenschlichen Ansehe n s, sondern auch durch die Einbuße der Kircheng üter erkauft. Der Staat, weit entfernt durch diese Sekularisation der Personen und Güter gewonnen zu haben, beraubte sich dadurch einer unversiegbaren, durch ihre Heiligkeit gesicherten Hülfsquclle, durch welche die Kirche, als eine gütige Mutter, in außerordentlichen Nothfällen den katholischen Fürsten aushilst; während die protestantischen, nachdem die geistlichen Güter durch die weltlichen Bedürfnisse ihrer Vorfahret größtcntheils aufgezehrt sind, die Bedürfnisse der Kirche aus den Einkünften des Staates bestreitcn müssen. Man sage ja Nicht: durch die Aufhebung des Cölibats sey die geistliche Gewalt unmittelbar mit der weltlichen vereiniget der katholischen Geistlichkeit. I?; einiget worden. Denn in der That ist sie dadurch vernichtet; und die weltliche ist der Verstärkung, die sie sonst von der geistlichen zu erhalten gewohnt war, auf immer beraubt worden. In den Händen eines besondern Standes, der durch ein ausschließendes Interesse zu ihrer Erhaltung und Vermehrung unaufhörlich angetrieben wird, sieht die Macht der Kirche, als eine lebendige Kraft, der Politik der katholischen Regenten zu Erbot, wahrend sie in den Händen der protestantischen Fürsten unvermerkt in eine bloße irdische, weltliche Macht ausartet, und ihre ganze eigenthümliche Energie verliert. Ich getraue mir zu behaupten, daß die sogenannte Reformation, oder eigentlicher, die bedauernswürdige große Trennung der lateinischen Kirche in zwey einander entgegengesetzte Hauptparkeyen, hauptsächlich durch die ') Siehe diezwcy hicher gclstriqcn beiühnttcn Kapitel in M- 2- EchuttSlS Geschieh« der Tcuischcn. Ueber den Cölibük r^6 die Aufhebung des Cöübats bewirkt worden ist. Ohne die durch den Ehestand erfolgte Gleichgültigkeit gegen das Interesse der Kirche hätten sich die Vorfahrer des heutigen protesten» tischen Klerus wohl kaum entschließen können, ihre Ansprüche auf Unfehlbarkeit aufzu- geben. Nie würden sie auf den unpolitischen Einfall gerathen seyn, so gar den Sinn der Bibe. dem übernatürlichen durch Kirchcngcwalt gebotene« Glauben zu entziehen, um denselben, wie jede andere weltliche Angelegenheit, der natürlichen Vernunft zu unterwerfen. Eine zwar nicht vorhergesehe- ne aber unvermeidliche Folge davon war, daß, von jener Zeit au, das göttliche Recht der Obrigkeiten aus der Bibel n ur in der Bedeutung erwiesen werden konnte, welche ihm die weltliche und bürgerliche Vernunft geben kann; und daß sich die protestantischen Fürsten alle die Einschränkungen gefallen lassen müssen, welche diese Vernunft mit ihrer Machtvollkommenheit vornehmen dürste, wenn sie — was der katholischen Geistlichkeit. 177 was zum Glücke noch so bald nicht zu besorgen ist — in ihrer Repräsentanten mir sich selbst einig WkMir seilte. Allenthalben/ wo die Quelle und der Umfang jener Machtvollkommenheit durch den bloßen Glauben bestimmt wird/ hat niemand weder den Muth noch auch die Veranlassung/ Untersuchungen über dieselben anzustellen/ welche immer Zweifel und Unglauben voraussetze»/ und Neuerungen hervorbringen. Ich überlasse es hier den Lobred- ncrn des Cölibats durch eine umständliche Auseinandersetzung zu zeigen: wie der Geist des Unglaubens/ der Zügcllosigkeit und der Rebellion/ der gegenwärtig unter den theils beliebten/ theils verabscheuten Namen der Philosophie/ Freyheit und Aufklärung von so manchen Schriftstellern in Tcutschland verbreitet wird / aus jener großen Revolution erfolgt sey/ durch welche der Ehestand der protestantischen Geistlichkeit die Vernunft der einen Hälfte der christlichen Welt in eine kvnsii- tntionsmäßige Freyheit gesetzt hat. Aii-W^h! v»m. Schritt. Tlt. I. M Wenn Ueber den Cölibat l?S Wenn gleich der reelle Unterschied zwie schen dem Adel und dem Bürgerstand durch Aufhebung des Cölibaks, keineswegs wie der Unterschied zwischen dem geistlichen und weltlichen Stande gänzlich aufgehoben würde: so mußte derselbe doch, zumal in Deutschland wenigstens vermindert, und einer scincb beträchtlichste» Stützen beraubt werden. Das Wesen des Adels besieht bekanntermaßen in sei: nein Glänze, und dieser hängt, wenigstens in Rücksicht auf seine Realität (wie alles, dem man heut zu Tag eine unbestrittene Real» tät einräumt), vom Gelde ab. Er wird zwar unmittelbar und lediglich durch die Titel Ritter, Freyherr, Grafu. s» w. ertheilt und erworben; und daher durch Armuth eben so wenig als durch Mangel au per« sönlichen Verdiensten verlohrcn. Allein gleich wie es heut zu Tag schlechterdings nur auf die größere oder kleinere Summe ankömmt, die der bemittelte Bürger daran setzen kann oder will, um sich entweder zum Ritter, oder der katholischen Geistlichkeit. 179 oder Baron, u. s. w. empor zu schwingen: so vermag sich auch der bereits Adeliche nur durch den seinem Titel angemessenen 21 ufwand auf der Stuft des Ranges, auf die ihn sein Geld oder seine Geburt erhoben hat, sichtbar zu erhalten; und es ist eine allgemein bekannte Thatsache, daß der ahnenreichstc Cavar lier ohne Vermögen neben einem Bürger mit fürstlichem Einkommen kaum bemerkt wird. Der ungeheure Aufwand, den der Geburtsadel zu machen hat, um seinen Glanz neben dem immer mehr zunehmenden Schimmer des Geldadels zu behaupten, hat schon manche alte Familie erschöpft; und die Zahl derjenigen, welche bereits von dem Schauplätze der großen Weit verschwunden sind, würde ungleich großer seyn, wenn nicht so manches Geschlecht seine Verlornen Kräfte im Schvvße der Kirche wieder gewonnen hätte. Durch die Aufhebung des Cölibats stünde nichts geringeres zu befürchten, als daß die reichsten Pfründen, und insbesondere die geistlichen Fürstenthü- M 2 mer i go Ueber den Cölibat der kathol. GeiMchk. mer erblich, und folglich so gut als weltlich werden, und dadurch der Geburtsadcl, die für den ganzen Stand so äußerst wichtige Möglichkeit verlieren müßte, seinen durch besagte Erschöpfung verdunkelten Glanz zu erneuern. Durch bloßes Heyrathen würden alsdann einige wenige Geschlechter in ihren Nachkommen in den Fürstenstand erhoben, und alle übrigen der augenscheinlichen Gefahr ausgesetzt werden, nach und nach unter den Geldadel herab zu sinken ; wahrend gegenwärtig schon durch die bloße Wahlfähigkeit zu einem fürstlichen Thron, die sich jedes einzelne Glied des siiftsmäßtgcn Gr- burtsadcls durch die bloße Ehelosigkeit erwerben kann, die Würde des ganzen Standes über alle andere empvrgehalten wird. VI. rsr VI. Ueber den Zweck meiner öffentlichen Vorlesungen über Wtelands Oberen *). 9ln einem heitern Frühlingstage unter freyem Himmel, trunken von den Reißen einer schönen Landgegcnd, die man so eben mit offenen Sinnen genossen hat, fühlt man sich wohl zuweilen aufgelegt, den vor unsren Augen arbeitenden Landmann zu bedauern, der diesen Schauplatz der Wonne mit seinem Schwciss<> oft auch mit seinen Thränen, befeuchtet, ohne M 3 dafür Eine akademische Rede, gehalten in Jena 17s». IZ2 Ueber den Zweck meiner öffentl. Vorles. dafür durch eine einzige der zahllosen Schönheiten, welche die Natur rings um ihn herum aus- gegossen hat, entschädigt zu werden. Dlmd für alle die anmuthigcn und prächtigen Scenen, die sich von allen Seiten her seinem Blicke darbieten, sieht er nichts als das kleine Stück Erde, das er zu bearbeiten hat, und das ihm seine saure Mühe kaum mit dem dürftigsten Unterhalt belohnt. Fast täglich wohnt er dem herrlichen Schauspiele der auf und nieder gehenden Sonne bey, ohne sich dabey etwas anders, als den Anfang und das Ende seines Tagewerks zu denken. Gleichgültig wendet er sein Ohr von dem lieblichen Gesänge der Lerche und der Nachtigall weg, um den Fröschen und Unken, den Naben und Eulen zu horchen, die ihm Veränderungen des Wetters und des Schicksals prophezcihcn. Mit einem Worte, die Natur scheint ihn mit ungerechter und beyspielloser Harte zu behandeln, mdem sie ihn, der in so vielen Nückstchwu ihr fleißigster Diener, ihr getrcucsier Freund, ihr gutartigster Sohn über WielandS Oberen. igz Sohn ist, von der Thcilnehmnng an ihren feineren und edleren Freuden ausgeschlossen hat, die sie au so manchen undankbaren Günstling verschwendet. Und doch meine Herren, ist hier unser Mitleiden nicht ganz am rechten Orte; ist es nicht viel mehr als empfindsame Schwarmcrey; und muß es in eben dem Verhältnisse verschwinden, als wir über die Bestimmung und die dieser Bestimmung angemessenen Bedürfnisse des Landmanns reifer nachdenken. Ganz anders verhält es sich, wenn wir das ähnliche Schicksal des Gelehrten, oder Studierenden, betrachten, der auf den Feldern der Wissenschaften, wie der Bauer auf den ländlichen Gefilden, nichts als Arbeit und Brot zu suchen und zu erwarten hat. Er sieht im unermeßlichen Gebiete des menschlichen Wissens nichts weiter als den Acker, den er zu bedienen sich vermiethet hat, oder sich zu ver- miethen denkt, und wirst aufs höchste kalte M 4 oder IA4 Ueber den Zweck meiner Lffentl. Vorles. oder gar verächtliche Seitenblicke auf die bet nachbarten blühenden Fluren, die er für u u- fruchtbar hält-— weil sie kein Getreide tragen. Er laßt sich auch nicht im Traume einfallen, daß es eine und eben dieselbe Sonne der Vernunft seyn könne, die nicht nur das nährende Produkt des Fleißes, sondern auch die erquickende Frucht der Begeisterung und diecrgötzende Blume des Witzes zur Reife bringt, und durch deren Strahlen die bczaubcrte Welt der Dichter die rechenden Farben und das wohlthätige Licht erhält, wodurch sie das Auge des Geistes aufzuhellen und zu stärken vermag. Der Arme hält den Namen; Wissenschaft durch das Beywort schön für entheiligt, und was Wunder, daß er alles , was man unter diesem Ausdrucke zu verstehen gewohnt ist, für Zcitvcrdcrbcude Tändelei) erklärt, da er die Einbildungskraft dem Verstände, den Witz dem Scharfsinne, die Empfindung der Vernunft, das Angenehme dem Nützlichen, das Vergnügen der Arbeit, und das über Wl'elands Oberen. rgz das Schöne dem Wahren im geraden Widerspruch entgegen zu stellen gewohnt ist. Das poetische Werk, das er seiner Aufmerksamkeit würdigen soll, muß in einer todten Sprach c geschrieben seyn. Er studiert es, ohne sich durch den Genuß irgend einer lebendigen Schönheit desselben in seiner Arbeit stören zu lassen, und sucht und findet im ganzen Inhalt nichts als ein Aggregat von Materialien für seine grammatische und antiquarische Gelehrsamkeit. Mit einem Worte, meine Herren, der nächste beßte Ungclehrte, der sich durch Umgang mit der feinern Welt gebildet hat, und unterhaltende Lektüre liebt, hat weit mehr Genuß von den Blüthen und Früchten des menschlichen Geistes als der mühsam arbeitende Gelehrte oder Studierende, der durch ois Wissenschaften nichts als Brot, oder durch nichts als Vrotwiffenschaften Ehre erwerben will. Sie werden das Loos eines solchen Gelehrten um so bedauernswürdiger finden, je mehr M Z Sie rz6 Ueber den Zweck meiner öffentl. Vorles. Sie die Bestimmung seines Standes und die demselben angemessenen Bedürfnisse erwägen. Indessen daß der Pflüger seinem Tagewerke um nichts schlechter, sondern nur um so viel besser vorsteht, weil er für die feinern Schönheiten der Natur keinen Sinn hat, muß es dem Gelehrten sowohl an Empfänglichkeit für den Genuß, als an Fruchtbarkeit für die Erzeugung der näh renden Früchte des Geistes in eben dem Verhältnisse mangeln, als es ihm an Geschmack für die erquickenden und ergötzenden fehlt. Der Gelehrte und Studierende bedarf einer Erholung, er bedarf ihrer zum Vortheile seiner Arbeiten selbst. Er bedarf einer Erholung, die sowohl dem Grade als der Beschaffenheit seiner Arbeiten angemessen ist. Nur der Leib ersetzt seine erschöpften Kräfte durch Ruhe: der Geist erfrischt die seinigen durch Veränderung der Beschäftigung. Er kann sich mit seiner Theil- nehmung an den Vergnügungen des Körpers, die mehr seinem Werkzeuge als ihm selbst an- gehör über WielandS Oberen. rz? gehören, unmöglich begnügen. Er kann es um so viel weniger, je höher sich die Sphäre seiner Wirksamkeit über die körperlichen Bedürfnisse erhebt. Er bedarf um so mehr der Nahrung für die Einbildungskraft, je mehr seine Vernunft mit Zergliederung allgemeiner Begriffe zu thun hat; bedarf um so mehr der feinen Spiele des Witzes, je ernsthafter, trockner und einförmiger die Arbeit seines Scharfsinnes ist; er bedarf um so mehr der Erquiekuug durch die wohlthätige Wärme des Herzens, jemehr er durch seine Bcrufspflichtcn an die kalten Geschäfte des Kopfes gefesselt ist. Er bedarf, damit ich alles zusammen nehme, des Vergnügens das ihm die Felder der schönen Wissenschaften in so reichem Maße anbieten in eben dem Verhältnisse mehr, je schwerer und vielfältiger die Arbeiten sind, die er auf den Feldern der ernsthaften Wissenschaften zu übernehmen hat, und je mehr «hm an 158 Ueber den Zweck meiner öffentl. Vorles. an dem glücklichen Erfolg dieser Arbeiten gelegen ist. Das Vorhaben, Sie, meine Herren in öffentlichen Vorlesungen durch den Ober on und über den Oberon zu unterhalten, bedarf also keiner Rechtfertigung; und ich habe um mich ihrer künftigen Aufmerksamkeit zu versicheren, nur zu zeigen; Wie sehr die Unterhaltung, die aus der näheren Betrachtung und dem feinern Genusse der Schönheiten poetischer und vorzüglich epischer Werke besieht, sowohl durch die Größe des Vergnügens als durch die Art und die Wichtigkeit des Nutzens, den sie gewährt, die Bedingungen erfülle, welche bey einer zweckmäßigen Erhohlung für Gelehrte und Studierende vorausgesetzt werden müssen. Daß derDichter in der Schönheit seiner Werke, und folglich auch in dem Vergnügen, das er durch dieselben zu bewirken vermag, mit der über Wielands Hberön. rzy der Natur wetteifern, und sie sogar übertreffen könne, ist ein Vorzug, den er mit jedem Virtuosen gemein hat. Der Grund dieses Vorzugs gereicht der Natur nicht weniger als der Kunst zur Ehre. Denn wahrend die Natur auch dadurch eine Probe von der Weisheit ihrer Einrichtung giebt, daß sie bey ihren Werken die Schönheit nicht selten hohem Zwecken aufopfert; kann und muß die Kunst, die bey den ihrigen keinen andern Zweck hat als zu gefallen, alle ihre Maßregeln dem Gesetze der Schönheit unterordnen. Daher hat es der darstellende Künstlet so ganz in seiner Gewalt, von dem Geschöpfe seines Geistes alles zu entfernen, was die angenehme Wirkung hindern und schwächen, dasselbe hingegen mit allem auszustatten, was diese Wirkung erleichtern und verstärken kann. Der Freund der Natur findet in den Meisterwerken der Kunst alle die Reize wieder, die er in dem Gebiete seiner Freundinn kennen und lieben gelernt hat; aber findet sie, die er sonst auf jenem weiten Gebiete an unzähligen Gegen- ryo Ueber den Zweck meiner öffenll. Vorles. Gegenständen mit vieler, oft vergeblicher Mühe aufsuch-n mußte — er findet alle diese Reize durch die Kunst in einem einzigen Gegenstände vereiniget, von allem fremdartigen geläutert und in ein Ganzes zusammengewcbt, dessen erster überraschender Anblick mit entzückender Wonne und dessen fortgesetzte Betrachtung mit der Ueberzeugung begleitet wird, daß die Natur dieses Werk gerade so gemacht haben würde, wenn das Vergnügen der Sterbliche» ihr einziger Zweck gewesen wäre. In dieser Vervielfältigung, Verfeinerung und Veredlung der Gegenstände unsres Vergnügens thut es die Dichtkunst ihren Schwestern, der Mahlerey, der Bildhauerkunst und der Musik zuvor. Was diese vor ihr durch die unmittelbare Wirkung auf unsre sinnlichen Werkzeuge voraus haben, das ersetzt die Dichtkunst durch ihre unmittelbare Wirkung auf den Geist, durch welche sie eiu Vergnügen erzeugt, welches der Erholung des arbeltenden Gelehrten um so an- gemcs- über Wielands Oberon. ryr gemessener ist, da es nicht nur allein (wie bey der Musik und den bildenden Künsten der Fast ist) diejenigen Fähigkeiten des Gemüthes beschäftiget, die bey Gelehrten und Studierenden gewöhnlich müssig bleiben, sondern auch und vorzüglich diejenigen erquickt, die bey ihm gewöhnlich am meisten angestrengt werden,— Gedächtniß, Scharfsinn und L,» »unft. Indessen, daß sich die Musik und die bildende Kunst vermöge der Narur ihxcr Zeichen begnügen muß nur gewisse Gegenstände von gewissen Seiten zu zeigen , herrscht die Dichtkunst mit unumschränkter Macht so weit das Gebiet der Schönheit reicht: ihr Stoff ist nicht nur alles Wirkliche, sondern auch sogar alles Denkbare; selbst dasjenige, was in der Namr häßlich und unangenehm ist, gewinnt unter ihren Händen Anmuth und Reiz, und sie ist in der Wahl ihrer Gegenstände um so weniger beschränkt, da sie jeden Gegenstand nach ihrer Absicht :y2 Ueber den Zweck meiner vffentl. Vorlcs. Absicht umschaffen kann, und bey dieser Schöpfung kein anderes Gesetz erkennt, als das größte mögliche Wohlgefallen. Eben dem Umstände, der ihr von so manchem Unverständigen zum Vorwürfe gemacht wird, daß sie nämlich nur Worte, d. h. nur solche sinnliche Zeichen in ihrer Gewalt hat, die an sich selbst ohne Bedeutung sind— eben diesem Umstände, sage ich, hat sie cS zu verdanken, daß sie nicht etwa nur an dasjenige gebunden ist, was sich durch Linien, Farben und Töne darstellen laßt, sondern daß ihr die ganze Schöpfungskraft der Phantasie ohne Einschränkung zu Gebot steht. Mit dem Zaubcrstabe dieser Feenköniginn ausgerüstet, ersetzt, ja übertrifft sie sogar die Wirkung des sinnlichen Eindruckes; läßt uns nicht bloß denken, sondern sehen und hören, was sie uns sehen und hören lassen will; verwandelt die geistigsten Begriffe in die sinnlichsten Anschauungen, und begabt Gedankendinge mit den Eigenschaften und Kräften der wirklichen. Und so entsteht auf ihren Wink jene neue Welt, die Voile au, über Wl'elandS Oberon ry3 leau, der Gesetzgeber des französische» Parnasses, mit folgenden Zügen schildert: „Verkörpert treten hier sie Geister auf *); „und was nicht Leben, Geist und Sprache hat, „wird hier belebt, beseelet und beredt, — „und jede Tugend, deren Namen hier „ertönet, steht sogleich als Göttinn da; „Die Weisheit wird Minerva, und ihr Ernst „strahlt milder aus dem blauen Aug hervor. „Die *) Im Franchsueben: ponr nous ensdancer touc elt nüs en uss§s taut prenä un corps, uns sms, un espric, ua visa^e 6bgljus vertu äsvienc uns äivinics ^iuerve esc Is pruäence, et Venus-ls beauce Le n'escplus lu vspeur, ^uj proäuic Is konnere; 6'ssc Jupiter srme ponr ettis^er Ig terre. Un orgge lerrible sux /eux äes IVI^celots — 6'est Neptuns en courroux, qui ßourmsuäs les Nvls. Lclw n'esc plus un son qui äans 1'sir rstencisse; L'esc uns d))'Mpbs en plsurs, qui ss plsinc äs b^zrcisse. ^oct. L/iant. ///. Auslvahl vcrni. Schrift. Tb-1. N i«)4 Ueber den Zweck meiner vjfentl. Vorles. „Die Reize, sonst nur einzeln zugetheilt „den Töchter» dieser Unterwelt, und nur „im Ideal vereint, das Schönheit heißt, „entzücken hier in Cypriens Person. „Nicht etwa» Erdendämpfc, die sich selbst „entzünden, sind die Ungcwitter hier: „Denn jeder Donnerkeil entfährt der Faust „des aufgebrachten Jupiters. Der Sturm, „der Schiffern mit dem nassen Tode dräut, „ist nicht der Winde Werk: der Waffcrgott „ists, der in seiner Wuth die Flukhen peitscht „und Echo ist kein Schall, der durch die Luft „zurücke prellt; die arme Nymphe ists, „die über ihres Jünglings Harte weint. u. s. w. Ich bedaure den geistlosen Vernünftler der über die poetische Welt spotten, und den gefühlt losen Pedanten, der nicht begreifen kann, wie man sich in dieser erdichteten Welt wohl befinden könne. Uns, meine Herren kann und soll diese Welt, durch den Gebrauch, den wir von ihr mache» werden, nicht nur in den Genüssen, die über WielantS Oberon. iy; die uns dieselbe gewährt, etwas sehr wirkliches, sondern auch in der Belebung und Veredlung unsrer Gemüthskräfte, zu der sie uns Veranlassung und Stoff giebt, etwas sehr Ehrwürdiges seyn. Alles, was bisher von der Poesie übe r- Haupt gesagt worden, gilt in einem ganz vorzüglichen Grade von der Epischen, in welcher die Kunst ihren weitesten Spielraum hat, alle ihre Kräfte aufbietet, allen Zauber ihrer Farben und Formen erschöpft. Die epische Dichtart vereiniget alles, was die übrigen an Stoff anziehendes und an Behandlungsart vorzügliches auszuweisen haben. Ohne Verwirrung, und in einem lichtvollen Zusammenhange, der eine ihrer größten Schönheiten ausmacht, stellt sie alles, was uns in der leblosen und lebendigen, in der sichtbaren und unsichtbaren Natur am stärksten interessiern kann, in einem einzigen großen Gemählde auf. Sie zeigt und vergegenwärtiget die weitausschcnden Entwür- N 2 fe, r<)6 Ueber den Zweck meiner öffentl. Vorlcs. fe, die gefahrvollen Unternehmungen und die glänzenden Thaten von Staatsmännern und Helden, und die Angelegenheiten der hoffnungslosen, der geprüften und belohnten Liebe; den Kampf empörter Elemente bei) Ungewittcrn und Seestürmen, und die holde Freundlichkeit der Natur an einem heitern Frühlingsmorgcn; Schlachtcntümmcl und die schrecklichen Verheerungen des Krieges, und die stillen Freudenfeste des arbeitsamen Landmanns in den blühenden Gefilden des Friedens; den Aufruhr wüthender Leidenschaften in der Brust des Sclaven der Sinnlichkeit, und die wonnevolle Ruhe des Herzens unter dem Zepter der Vernunft; prächtige und unmuthige Natursccncn, große Charaktere edler Menschen, und feine Gemählde schöner Seelen. — Denken Sie sich meine Herren, das herrliche Ganze, das aus der harmonischen Verbindung so verschiedener Theile, wovon jeder für sich schon anziehend genug wäre, herauskömmt; denken Sie sich dieses so wunderbare und doch so natürliche Ganze mit allen Schönheiten der übrigen über Wiclands Oberen. 197 gen Dichtartcn geschmückt; allenthalben, wo es die Natur des Stoffes zuließ und forderte, aus- gcstalttt bald mit der Lebendigkeit der dramatischen Darstellung, bald mit dem erhabenen Ernste und der tiefen Rührung der Tragödie, bald mit der Einfalt und Naivität der Idylle, bald mit den schmelzenden Klageröncn der Elegie, bald mir der hohen Begeisterung und dem hinreißenden Schwung der Odc — denken Sie sich dieses Ganze in eine Sprache eingekleidet, die sich nach der Musik eines melodischen Sylben- maßcs, mit dem Anstand und der Leichtigkeit einer Grazie fortbewegt, und mit jedem Schritte , jeder Wendung dem trunkenen Blicke neue Schönheiten enthüllt; und Sie werden sich ungefähr den Grad des Vergnügens vorstellen können, den die Unterhaltung mit einem epischen Meisterwerke dem Mann von gebildetem Geschmack zu gewähren vermag. Aber sollte dieses Vergnügen durch diejenige üähere Betrachtung seines Gegenstandes, die N z ohne lyZ Ueber den Zweck meiner öffentl. Vorles. ohne Zergliederung desselben nicht möglich ist, und die den wesentlichen Theil unsrer Unterhal- tung mit dem Oberen ausmachen soll, nicht vielmehr gestört, als befördert werden? — Ich wcißm. H. daß dieses von nicht wenigen sowohl wirklichen Liebhabern und Virtuosen als angeblichen Kennern und Philosophen behauptet wird. Bald ist es das Uebermaß der produktiven Einbildungskraft, durch welche gewisse Köpfe mehr aufgelegt sind Theile in ein Ganzes zusammenzusetzen, als ein Ganzes in seine Theile aufzulösen; — bald bloße Bequem- lichkcitslicbe, die nicht gerne aus dem behaglichen Zustande des Helldunkels herausgeht —- warum diese Leute, die durch das Gefühl urtheilen , durch den Verstand empfinden und durch die Vernunft betasten wollen, das kritische Auseinandersetzen schöner Kunstwerke so sehr verabscheuen. Was wir mit demO bcrvn vornehmen werden, müßte ihnen ungefähr eben so abscheulich und unsinnig vorkommen, als wenn ein Mahler oder Bildhauer eine lebendige junge Schönheit, über Wiclands Obcron. ryy heit, die ihm das Modell zu einer Venus oder Grazie abzugeben sich erbitten laßt, mit dem Anatomischen Messer zerschneiden wollte,— um ihre Reize naher ins Auge zu fassen. Allein Sie begreifen leicht, meine Herren, daß die Schönheit eines ächten Meisterstücks der poetischen Kunst, durch Zergliederung eben so wenig verloren gehen könne, als das Meisterstück selbst dadurch zerstört wird. Dieses könnte nur bey einem blendenden Meteor der Fall seyn, das in einer gewissen Entfernung betrachtet, in den Farben des Regenbogens erscheint, und welches durch die Annäherung in citeln Dunst aufgelöset wird, oder bey einer hinfälligen Hirngeburt, die durch den sonst erworbenen Namen ihres Urhebers, oder durch andere günstige Zufälle.eine Zeitlang über den Strom der Vergessenheit cm- porgchaltcn wird, der sie über lang oder kurz verschlingen muß. Ein Werk das seine» Urheber überleben wird, hat durch die strengste Prüfung nichts zu verlieren, aber desto mehr zu gewinnen. Ein großer und zwar der für den Ge- N 4 lehr- 2ov Ueber den Zweck meiner össentl. Vorlest lehrten wichtigste Theil seiner Schönheiten kann nur durch Vereinzelung seiner Theile entdeckt und genossen werden. Der Geist, de.:> der schöne Körper sein Leben und seine besten Reize zu danken hat, kann nur durch schärferen Blick, der nicht auf der Oberfläche hinwcggleitet, sondern lief ins Innerste einbringt, ausgespäht und erkannt werden. An der Hervvrbringung eines solchen Werkes hat die Vcrnunf wenigstens eben so viel Antheil gehabt, als die Einbildungskraft , der Scharfsinn eben so viel als der Witz, die bildende Dcukkraft eben soviel als der gebildete Geschmack, das ticfforschende Nachsinnen eben so viel als die Eingebungen des Genius in den glücklichen Stunden der Begeisterung. Und wie sollten Schönheiten, die lediglich durch Scharfsinn, Vernunft und Nachdenken vorhanden sind, durcbs bloße Gefühl, durch eine Art von leidendem Genuß, ohne allen Aufwand von Scharfsinn, Vernunft und Nachdenken gefunden werden? Uns sind nicht gerade diese über Wielands Oberon. 2Ol - Lieft Schönheiten, die edelsten und größten? Und ist das Vergnügen, das sich von Geistes- werken erwarten laßt, nicht eben so sehr dem Grade der Erkenntniß als dem Grade derSchönr hcit derselben angemessen? Keiner unter uns m. H. dürfte nun wohl nach dem Nutzen fragen, der für uns mit der Unterhaltung, die ich vorschlage, unzertrennlich verbunden ist. Woran kann und muß dem Gelehrten und Studierenden mehr gelegen seyn, als an derjenigen Fertigkeit der höheren Kräfte seines Geistes, von der nicht nur der glückliche und leichtere, sondern auch sogar der mögliche Erfolg des Stusierens abhängt? und wie viel muß nicht diese wichtige Fertigkeit durch eine Uebung gewinnen, die sich so gar auf die Erho- lungsstundcn erstreckt, auf Stunden die nicht selten an Unterhaltungen verschwendet werden, wodurch man die entgegengesetzten Fertigkeiten, Gedankenlosigkeit, Plattheit und Stumpfsinn N Z an- 2v2 Ueber den Zweck meiner öffentl. Vorles. annimmt? —- Wie viel muß nicht der Geist durch eine Uebung an einem Gegenstände gewinnen , der durch unwiderstehlichen Reiz eben so sehr zur Anstrengung auffordert, als er dieselbe erleichtert und belohnt? Durch eine Uebung endlich, die, indem sie Vernunft und Scharfsinn zugleich so stark und so leicht beschäftiget, diesen Fähigkeiten ungleich besser zu statten kommen muß, als selbst die mühsamste Anstrengung derselben in einem Fache, wo sie allein und ohne Unterstützung durch Einbildungskraft und Gefühl, wirksam sind. Ein zweyter nicht weniger in die Augen fallender Vortheil, den der Gelehrte und Studierende aus der Unterhaltung, von der hier die Rede ist, ziehen muß, ist die Reinigung, Verfeinerung und Erhöhung seines Geschinakr kes. Die einseitige Uebung, es sey nun der Vernunft, oder der Einbildungskraft entfernt nicht nur von aller Bildung des Geschmacks, sondern über WielanLs Oberon. 203 sondern zerstört sogar alle ursprüngliche Naturanlage dieses dem Menschen eigenthümlichen Vermögens. Die Gelehrte Welt hat keine größer» Meister in der Syllogistik und Dispu- tirkunst, aber auch keine geschmackloser» Barbaren auszuweisen, als die voctores jubilier. in- viacidiles und irrelragsbiles Unter den S ch 0- lastikern; und wie so mancher Gelehrter unter unsern Zeitgenossen hat sein ganzes Leben mit Aufbauen und Einrcisscn von Lehrgebäuden aus abstrakten Begriffen, oder mit Zusammentragen und Aufsammle« konkreter Kenntnisse zugebracht, und sich in dem Verhältnisse, als er damit ausschließend beschäftiget war, zur reinen Darstellung der Resultate seiner Bemühungen unfähiger gemacht. Eben so wenig läßt sich der Geschmack ohne Mitwirkung der Dcnkkraft durch die bloße Uebung der Einbildungskraft kultiviren. Ich darf Sie m. H. hier nur an die in der Geschichte unserer Literatur so lehrreiche Periode der Kraftgcn ien erinnern, in welcher die mit einer bis dahin ungewöhnlichen Popu- rc>4 Ueber den Zweck meiner öffentl. Vorles. Popularität verbundene Energie und Originalität in den Schriften eines großen Geistes eine Menge unberufener Kunstjüngcr wähnen ließ, die ganze Stärke des poetischen Genies bestünde in der mit gesuchter Regellosigkeit gepaarten Lebhaftigkeit des Ausdrucks. Die poetischen Ungeheuer, welche durch den daraus entstandenen Wettcrcifcr, unregelmäßig und kräftig zuschreiben, erzeugt wurden, mußten unsrem Vaterlande und unsrem Zeitalter, bey den Ausländern und der Nachwelt zur Schande gereichen, wenn sie ihr Jahrzchcnd überlebt hätten. — Das Gefühl des Schönen äußert sich zwar nie ohne alle Mitwirkung der Vernunft, ohne welche jede Wahrnehmung auch der sinnlichsten Schönheit schlechterdings unmöglich wäre. Allein die gewöhnliche Thätigkeit der Vernunft beym Gefühle der Schönheit, macht noch lange nicht den feinen und den festen Geschmack aus. Unzählige haben den Oberen mit Gefühl, aber wohl kaum halb so viele mit Geschmack gelesen; unzähligen hat er Vergnü- über Wielaiids Oberon. 20; gen gewährt, aber nicht halb so vielen den Geschmack gebessert. Er ist reich an Schönheiten, die freylich jedem der ihn liess, oder anhört, in die Augen springen müssen; aber noch weit reichhaltiger an solchen Schönheiten, die das ungeübte Gefühl mit aller seiner Spur- kraft nicht wittern kann. Diese sind entweder nur dem völlig ausgebildeten Geschmacke, oder der Vernunft zugänglich, die durch sie ein noch nicht ganz geläutertes und geschärftes Gefühl zum Geschmack erhöhen soll. Unmöglich kann sie dabey diese Absicht verfehlen, wenn sie es nicht etwa nur beym bloßen Lesen bewenden läßt; wenn sie, Hand in Hand mit dem Gefühle, die Beschaffenheit, Ordnung und den Zusammenhang der einzelnen Theile untersucht, Und indem sie die Regeln ausfindig macht, während daß ihr das Gefühl die Anwendung im Beyspiel vorhält, dem Geiste zur Entdeckung und zum Genusse derjenigen Vollkommenheiten vcrhilft, die für den Pöbel der Leserwclt so gut als nicht vorhanden sind. — Und was meine, Herren, 226 Ueber den Zweck meiner vffentl. Dorfes. Herren, kann dem Gelehrten und Studirenden, der das Maß seines Berufes kennt und es zu erfüllen ernstlich entschlossen ist, wichtiger seyn, als die Fähigkeit feinere und. höhere Schönheit tcn zu entdecken und zu genießen, die verbunden mit der Reinheit und Energie des sittlichen Gefühls, den wahren Charakter der Humanität ausmacht. Wie sehr ich diese Rücksichten vor Augen gehabt habe, da ich den Oberen zum Gegenstände meiner öffentlichen Vorlesungen für dieses halbe Jahr wählte, wird, wie ich hoffe, in diesen Vorlesungen selbst am beßten zu beurtheilen seyn. So wenig Ihnen übrigens das laute und allgemeine Urtheil, womit die Nation über den Werth dieses Gedichts entschieden hat, unbekannt seyn kann, so wenig dürfte es hier am unrechten Orte seyn, wenn ich Ihnen das bestimmte Urtheil über Oberen und das poetische Verdienst seines Urhebers von einem Manne anführe, den der bessere Theil unsers lesenden Publi- über Wielands Oberen. 227 Publikums als einen eben so einsichtsvollen Kenner als »»parteyischen Richter der Werke des Geschmackes anerkennt *). VII. Ueber den Begriff der Geschichte der Philosophie ^Oären die Philosophen von Profession über irgend einen bestimmten Begriff der Philosophie unter sich einverstanden: so würde ich, um den vorläufigen Begriff von der Geschichte derselben festzusetzen, keineswegs erst bey der Arage: Was wir unter Philosophie zu ') Siehe Nü. so, s) der Allgein. Litt. Zeitung von »786- befindliche Recension. **) Line akademische Vorlesung. 2oz Ueber den Begriff der Geschichte zu verstehen hätten? verweilen dürfen. Ich würde die Antwort auf diese Frage entweder als allgemein bekannt voraussetzen, oder mich begnügen können, eine Definition aus dem nächsten bcßtcn Compcndium zu entlehnen, und sie der Entwicklung des Begriffes der Geschichte der Philosophie zum Grunde zu legen. Allein auch unsre berühmtesten Lehrer der Philosophie sind weder unter einander, noch so gar mit sich selbst darüber einverstanden, worin denn das eigentliche Objekt der Wissenschaft, für deren Kenner und Pfleger sie bekannt sind, bestehe; und ich gestehe Ihnen, daß ich noch bis itzt keine Definition dieses Objektes gefunden habe, die mich befriediget, keine, deren Unzulänglichkeit ich nicht zu Ihrer völligen Ueberzeugung darzuthun vermöchte. In vielen, und zum Theil den vorzüglichsten, Compendicn wird man sogar vergebens nach einer Erklärung der Bedeutung des Wortes Philosophie nachsuchen. Die Verfasser derselben haben sich die Schwierigkeiten einer solchen Erklärung dadurch erspart, der Philosophie. 209 erspart/ d,aß sie sich nur auf die Erörterung des Begriffes von einer gewissen Art der Philosophie, oder nur eines sogenannten Thei- l e s derselben einließen / und damit der Rechenschaft über dasjenige/ was sie sich unter Philosophie überhaupt dachte»/ auswichen. So habe ich zum Beyspiel in den Plattner- schen Aphorismen vergebens Antwort auf diese Frage erwartet; wozu ich freylich durch die beliebte Form dieses Werks/ welche di,e Wahl der Materien ganz von der Willkühr des Verfassers abhängen laßt/ nicht berechtiget war. Herr Plattucr sagt uns nur /. was er unter Philosophie im höheren Sinne dieses Wortes verstehe/ nämlich: Eine Reihe geordneter Untersuchungen über die Frage: „Was „ist die Welt/ und was ist der Mensch mit //Rücksicht auf die höchsten Allgcmcinl'egriffe //Und Grundsätze der reinen Vernunft." Aber außerdem/ daß ein Leser, der durch diese Aphorismen mit dem Wesen und dem Geiste der Philosophie bekannt zu werden wünschet, im Auswahl »er,,!. Lchrisl. Ld- l- Ä E>N- r rs Ueber den Begriff der Geschichte Eingänge des Buches schlechterdings nicht er- rathen kann, was Herr Plattner unter reiner Vernunft und unter den A llgemeinber griffen (vermuthlich allgemeinen Begriffen) und Grundsätzen derselben gedacht wissen wolle: so hätte uns der Verfasser vorher zeigen müssen, was er unter Philosbphie überhaupt verstünde, bevor er von einer höheren handelte, die noch dazu seinem eignen Berichte zufolge nichts als die Metaphysik seyn soll. Wenn Herr Feder in seinem Lehrbuche der Logik und Metaphysik die Philosophie für den Inbegriff der wichtigsten Erkenntnisse erklärt, welche durch den bloßen Gebrauch der Vernunft herausgebracht werden können: so scheinet er zwar die Philosophie von der Geschichte dadurch zu unterscheiden, daß er die Erstere nur aUfdasjenige, was nur durch te.r Gebrauch der Vernunft erkannt (nicht herausgebracht) werden kann, einschränkt. Allein der Philosophie. s l i da der Begriff der bloßen Vernunft iu der bisherigen Philosophie so sehr vieldeutig ist, und es über das was du rch Vernunft erkennbar ist, schlechterdings kein anerkanntes Criterium gerbt; so erfährt man durch jene Erklärung nichts von allem dem, was man zu wissen wünschte. Ja! da der Verfasser die Philosophie unmittelbar darauf für die Kenntniß der Natur und ihrer allgemeinen Gesetze erklärt, zur Kenntniß der Natur aber auch offenbar dasjenige gehört, was durch die Sinnen erkannt wird: so ist es durchaus unmöglich, zu errathen, was er unter dem, was sich durch bloße Vernunft herausbringen ließe, wohl gemeynt haben dürfte. Der angegebene Begriff wird endlich dadurch noch unbestimmter, daß die Philosophie der Inbegriff der wichtigsten Erkenntnisse genannt wird. — Alles Unwichtige, das sich durch bloße Vernunft erkennen laßt, ja auch so gar das Wichtigere, was aber nicht das Wichtigste ist,, wäre O 2 also 2 l2 Ueber den Begriff der Geschichte also von dem Gebiete der Philosophie ausges schlössen? Worin bestünde aber das Unwichtige und das weniger Wichtige, das durch bloße Vernunft erkennbar wäre? Oder giebt es überhaupt etwas durch bloße Vernunft Erkennbares, das Unwichtig heißen könnte? Ist nicht jede durch bloße Vernunft mögliche Erkenntniß ein wesentlicher Theil eines Systematischen Ganzen, und in f» ferne gleich wichtig? Die Definition einiger Anhänger der Lci b- nitzisch- Wölfischen Schule, welche die Philosophie in der Wissenschaft der zureichenden Gründe bestehen laßt, scheint mir zwar der Wahrheit näher zu kommen, aber gleichwohl den bestimmten Begriff, den sie ausdrücken sollte, verfehlt zu haben. Denn die Philosophie wird in derselben keincsmeges genug von der Geschichte unterschieden, welche ebenfalls zureichende Gründe aufstellt. Wer aber die philosophischen zureichenden der Philosophie, 2lA Gründe von den historischen dadurch genugsam ausgezeichnet zu haben glaubt/ daß er die Erster» bald angc bohren/ bald « ^,-sm-r bestimmt/ bald absolut nothwendig nennt/ vergißt/ daß/ da es an einem anerkannten Criterium von allen diesen Merkmahlen fehlet/ seine Erklärungen eben das/ wonach die Frage ist/ und worüber gestritten wird/ als bekannt und ausgemacht voraussetzen. Auch der von mir zu meinen Vorlesungen gewählte Leitfaden geht von keinem bestimmten Begriffe aus. Herr G »rlitt spricht nur von gewissen Begriffen und Kenntnissen überden Menschen/ die Welt und die Gottheit/ welche den Inhalt der Philosophie ausmachten. Er scheint dabey/ und zwar mit Recht/ vvrauszu- O 3 setzen/ Abriß der Geschichte der Philosophie von I. Gur» litt, zuiu Gebrauch der Lchrvorkrage. Leipzig in, Verlag der Müllcrschcn Buchhandlung 1786. r r4 Ueber den Begriff der Geschichte setzen, daß nicht alle Begriffe und Kenntnisse von den genannten Gegenständen in die Philosophie gehören. Allein in seiner Erklärung ist auch nicht ein Wink enthalten, welchen, die Gottheit u. s. w. betreffenden Kenntnissen er den Vorzug der eigentlichen Philosophischen einräume. Leine Erklärung ist also wohl um nichts bestimmter, als die alte Cicero» ionische: die Philosophie sey Wissenschaft göttlicher und menschlicher Dinge, und der Ursachen, durch welche diese Dinge zusammengehalten würden. So wohl Gurlitt als Cicero verwechseln die Philosophie mit dem Inbegriffe aller Wissenschaften; und aus ihren Begriffen laßt sich nicht angeben, warum z. B. die Logik mehr als die Länder- und Völkerkunde zur Philosophie gehören soll. Die historischen Aufschlüsse , die uns die Geschichte über den Menschen und die Welt giebt, müßten, wenn die Gurlittsche Erklärung den wahren Begriff von Philosophie enthielte, weit eigentlicher den Namen dieser Wissen- der Philosophie. 2t 5 Wissenschaft verdienen, als die Ontologie, welche sich wicht so viel mit Gottheit, Welt und Menschen, als mit den allgemeinsten Prädicaten derDinge überhaupt abgiebt. Wenn wir von was immer für einer der er- »ahnten Erklärungen ausgingen: so könnten wir gewiß seyn, daß wir den Begriff der Ge- schichte der Ph ilosop h ie verfehlen, und durch denselben allen unsern künftigen Betrachtungen einen falschen Gesichtspunkt anweisen würden. Die Frage: Was ist Geschichte der Philosophie? ist so lange unbcant- wörtlich, als man nicht über die Frage: Was ist Philosophie? mit sich selbst einig geworden ist. Man nennt eine Erkenntniß historisch, in wie ferne sie von eigener oder fremder E r- fahrung; philosophisch, in wie ferne sie vom Denken abhängt. Das Historische an unsern Erkenntnissen ist dasjenige, was wir an denselben der Wahrnehmung und in so ferne S 4 dem 216 Ueber den Begriff der Geschichte dem Gebrauche unsrer Sinne; das Philosophische , was wir dem Naisonncmcnt und folglich dem Gebrauche der Vernunft verdanken. Wahr- nommcn wird das Daseyn des Dinges und seiner Beschaffenheiten; gedacht wird die Art und Weise, wie das Ding mit seinen Beschaffenheiten und andern Dingen zusammenhängt. Die Sinne liefern uns das Mannigfaltige, welches den Stoff unsrer Erkenntnisse von den Gegenständen der Erfahrung ausmacht; die Vernunft schafft die Einheit herbey, durch welche alles Mannigfaltige unsrer Kenntnisse überhaupt zusammenhängt. Gleichwie nun unter demjenigen, was sich durch den Gebrauch der Sinne in der Erfahrung wahrnehmen läßt, das Objekt der Geschichte im eigentlichsten Sinne des Wortes verstanden wird: so muß unter dem durch keine Erfahrung bestimmten und durch den Gebrauch der Vernunft allein erkennbaren Zusammenhang der Dinge überhaupt, oder durch die Verknüpfung alles Vorstellbarm das Objekt der Philosophie gedacht der Philosophie. 217 gedacht werden. Philosophie im sirengsten Sinne des Wortes ist Wissenschaft des bestimmten von der Erfahrung unabhängigen Zusammenhangs der Din- g e. Da man bey dem gegenwärtigen Zustande der Philosophie »och über die Bedeutung keines einzigen Wortes einig ist; so weist ich sehr welch daß die Ausdrücke dieser Erklärung uoch einer nähern Erörterung bedürfen, Lurch welche ich wenigstens mit Ihnen M. H. über den Sinn derselben einig zu werden hoffe. Ich sage erstens: die Philosophie sey Wissenschaft, und ich erkläre dadurch, daß ich keine Erkenntniß für philosophisch halte, die nicht wissenschaftlich ist, und die sich nicht von der gemeinen, unordentlichen und unregelmäßigen Erkenntniß dcsNichtphilc.sophcn unterscheidet. Da die Vernunft nicht anders, als durch die Verknüpfung unserer Vorstellungen wirkt, so kann es auch wohl keinen Menschen geben, dessen Vernunft sich nur einigermaßen entwickelt hätte, und der nicht eben dadurch Q 5 eine rrz Ueber den Begriff der Geschichte eine wehr oder weniger richtige und mehr oder weniger ausgebreitete Erkenntniß von dem Zusammenhange seiner Vorstellungen und der durch dieselben vorgestellten Objecte besäße. Mein nicht jede Erkenntniß des Zusammenhangs deS Vorgestellten verdient den Namen der Philosophischen: sondern nur diejenige, welche die Frucht absichtlich und zweckmäßig angestellter Untersuchungen ist. Die natürliche (nicht wissenschaftliche) Philosophie des gemeinen Mannes besteht aus zufälligen Bemerkungen, welche die Vernunft bey Gelegenheit ihrer Beschäftigung mit den Mitteln der Befriedigung sinnlicher Bedürfnisse gemacht hat, während die wissenschaftliche Philosophie blos die Resultate eines Nachdenkens begreift, das die Erkenntniß dcrWahr- hcit um ihrer Selbstwillen, das geistige Bedürfniß der Vernunft selbst, den mit Absicht untersuchten Zusammenhang der Dinge zum Zweck hat. Ich sage zweytens; die Philosophie ist Wissenschaft des bestimmten Zusammenhan« -es. Der Zusammenhang mehrerer Dinge ist bestimmt, der Philosophie 2ry stimmt, in wiefcrne er sich nicht anders denken laßt, oder welches eben so viel heißt, in wiefcrne er nothwendig ist. So lange diese Nothwendigkeit von uns nicht eingesehen wird; ist der Zusammenhang für uns unbestimmt. Wenn z. B. zwey Körper unmittelbar neben einander im Raume wahrgenommen werden: so findet ein Zusammenhang zwischen denselben Statt, der aber, in wicserr ne er in unsrem Bewußtseyn von der bloßen Wahrnehmung des Ncbcncinanderscyns abhängt, u nr b e st i m m t ist. Es liegen zwey Steine neben einander, und ich sehe ein, daß jeder derselben seyn würde, was er ist, wenn sie auch nicht neben einander lagen; ihr Zusammenhang ist also in soferne blos zufällig, er ist durch nichts in den Steinen selbst erklärbar, er ist unbestimmt. Allein man nehme an, diese Steine werden in einem Gebäude zusammengefügt: dann läßt sich aus der Figur eines jeden Steines erklären: warum er diese und keine andere Steile einnimmt das Ganze läßt sich nicht ohne seine einzelne Theile, und kein Theil ohne sein Verhältniß zuck Andern 2 2o Ueber den Begriff der Geschichte Andern denken; der Zusammenhang der Steine ist bestimmt, in wicfcrne er nothwendig ist. Auf eben dieselbe Weise können zwey Begebenheiten in der Zeit unmittelbar nach einander wahrgenommen werden; und ihr Zusammenhang wird gleichwohl so lange unbestimmt bleiben, als er in unsrem Bewußtseyn durch nichts als durch die Wahrnehmung bestimmt ist. Er hört nur dann auf, unbestimmt zu seyn, wenn der Grund, durch den eine Nothwendigkeit des Nachcinandcrscyns bestimmt wird, hinzu gedacht .wird. In wieferne also Dinge unter einander durch die bloße Wahrnehmung im Raume und in der Zelt zusammen hangen, d. h. in wieferne sie in keiner andern Verbindung stehen, als daß sie neben einander und nacheinander ez'isiiren, in so ferne ist ihr Zusammenhang unbestimmt, weil er zufällig ist; und die Gegenstände sind in sofcrne Objekte der Geschichte, nicht der Philosophie. Ich sage drittens: die Philosophie sey Wissenschaft des bestimmten, und von der Erfahrung der Philosophie. 221 fahrung unabhängigen Zusammenhanges, und ich bezeichne dadurch die Quelle, aus welcher die Vernunft die Form des durch sie erkennbaren Zusammenhangs schöpft, nämlich die reine Natur des menschlichen Geistes, oder das Dorstellungsvermögen, in wicftrnc dasselbe zur Erfahrung indem vorstellenden Subjecte vorausgesetzt wird, und also nicht aus der Erfahrung geschöpft seyn kann. Daß jeder Körper eine Substanz d. i. etwas Beharrliches im Raume, und A c c i d e n z e n d. h. veränderliche Beschaffenheiten haben müsse, und folglich in jedem Körper das Veränderliche mit etwas Unveränderlichem nothwendig zusammenhänge; daß jede Veränderung eine Ursache haben müsse, und folglich alles, was entsteht, mit etwas Anderem, als Wirkung, nothwendig zusammenhänge; daß Alles, was an einem Ob, jekte im Raume zugleich vorhanden ist, als gegenseitig auf einander wirkend, und folglich in thätiger Gemeinschaft, oder in Wechsel w i r k u n g gedacht werden müsse; — dieses laßt 222 Ueber den Begriff der Geschichte läßt sich durch keine Wahrnehmung, und folglich auch durch keine Erfahrung, die der Inbegriff von Wahrnehmungen ist, und ihre Verknüpfung selbst Mir dem Denken verdankt, erkennen. Allgemeinheit, die sich auf alle mögliche Fälle erstreckt, kann sich nicht aufLrfahrung gründen, die immer nur eine gewisse Anzahl wirklicher Falle begreift: so wie die Erfahrung nur von dem, was da ist, nicht was da seyn muß, nur von der Existenz, Nicht von der Nothwendigkeit überzeugen kann. Diejenigen Merkmahle der Gegenstände hingegen, die in dem Vorsiellungsr vermöge» ihren Grund haben, und ursprünglich nichts, als die Formen der Vorstellungen selbst sind, kommen eben darum den Objekten allgn mein und nothwendig zu, weil diese nur durch sie vorgestellt (nur durch die auf sie bezogenen Vorstellungen zu Vorgestellten erhoben) werden können. Die Nichtigkeit einer Definition muß sich durch die Fruchtbarkeit derselben bestätigen; und der Philosophie. 22Z die Fruchtbarkeit der uttsrigcn kann sich gegenwärtig kaum in einem helleren Lichte zeigen, als wenn wir aus dem aufgestellten Begriffe der Philosophie überhaupt die Begriffe der bisher bekannten philosophischen Wissenschaften ableiten können, welches bey keiner bisherigen Definition der Fall ist. Die richtige Definition der Philosophie überhaupt muß das Merkmahl der Gattung enthalten, das auf alle sogenannte Theile der Philosophie als auf die Arten derselben paßt; sie muß der Logik/ Metaphysik/ Physik und Moral gemeinschaftlich zukommen, und es muß sich aus ihr begreifen lassen, warum und in wicfcrnc alle diese Wissenschaften den Namen der Philosophie führen. Ding in weiterer Bedeutung heißt alles/ was Objekt einer Vorstellung seyn kann. Die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhangs der Dinge in diesem wettern Verstände begreift also auch die Wissenschaft des uvrhwendi- 224 Ueber den Begriff der- Geschichte gen Zusammenhangs unter unsern bloßen Begriffen, in wiefernc wir uns desselben als eines solchen bewußt werden können. Diese Ästssen- schüft ist die Logik, welche die Gesetze des Denkens vortragt, durch welche der Zusammenhang unter unsern bloßen Begriffen in Rücksicht auf seine Nothwendigkeit und Allgemeinheit bestimmt wird. Als Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhanges der Dinge im engeren Verstände, oder der von allen bloßen Vorstellungen unterschiedenen Objekte begreift die Philosophie: i) Ontologie, oder die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhangs der Objekte überhaupt, in wrcferne derselbe durch ihre allgemeinsten Merkmahle bestimmt ist; 2) Mali o n a l c P sy ch o l o g i e, oder die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhanges der Merkmahle, durch welche die Seele oder das Subjekt des Dorstellungsvermögcns gedacht werden muß; Z) Rationale CvSmologic, der Philosophie. 225 oder die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhangs der Merkmahle, durch welche die Welt oder der Inbegriff endlicher Substanzen gedacht werden muß; 4) Rationale Theologie, oder die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhangs, unter welchem die Welt mit einem von ihr verschiedenen Wesen als ihrer Ursache, und der Merkmahle, durch welche dieses Wesen gedacht werden muß; z) Die reine Physik, oder die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhangs, unter welchem die sinnlich- erkennbaren Substanzen, oder die Körper sowohl in Rücksicht auf ihre beharrlichen als veränderlichen Merkmahle Überhaupt gedacht werden müssen; 6) Die Moral, oder die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhangs, der für die willkührlichcn Handlungen durch die Selbsithä- tigkeit der Vernunft bestimmt wird. Da die empirische Philosophie nur aus der Anwendung der Principien der reinen aufLrfahrung, und folglich aus der Wissenschaft Auswahl v«rn>. Schrift. ?h. l- P des 226 Ueber den Begriff der Geschichte des nothwendigen Zusammenhanges der aus der Erfahrung geschöpften Merkmahle besteht; so paßt unsre Erklärung auf alle möglichen Theile der sogenannten Erfahrungsphilosophie nicht weniger, als auf die reine. Ich glaube daher ohne mich bey einer noch weitläufigern Erörterung derselben aufhalten zu dürfen, zu der wie im Verfolge unserer Betrachtungen manche Veranlassung finden werden, meinen Begriff von Geschichte der Philosophie folgendermaßen ausdrücken zu können: Sicistderdargestell- te Inbegriff der Veränderungen, welche die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhanges der Dinge, -oder der Schicksale, welche das Streben nach einer solchen Wissenschaft von seiner Entstehung bis auf unsre Zeiten erfahren hat. In dem bisher ganz unbestimmt gebliebenen Begriffe der Philosophie liegt der hauptsächlichste Grund, warum auch der Begriff der G«- fchich- der Philosophie. 22-7 schichte der Philosophie bisher nicht weniger vieldeutig und schwankend geblieben ist, und warum man die eigentliche Geschichte der Philosophie bald mit der Geschichte des menschlichen Geistes, bald mit der Geschichte der Wissenschaften überhaupt, bald mit der Geschichte einzelner philosophischer Wissenschaften, bald mit der Geschichte des Lebens und der Meynungen der Philosophen verwechselt hat. Ich unterscheide die Geschichte der Philvsb- phie erstens von der Geschichte des menschlichen Geistes. Man versteht unter menschlichem Geist die im Menschen zur Humanität unmittelbar gehörigen Anlagen im Gegensatz mit den Animalischen. Die Wissenschaft der Veränderungen, welche das menschliche Geschlecht überhaupt in Rücksicht auf seine in thierischen und geistigen Anlagen bestehende Natur erfahren hat, ist die Geschichte der Mensch- P s heit 22Z Ueber den Begriff der Geschichte heit*), während die Geschichte des menschlichen Geistes eigentlich nur auf die Schicksale des Zustandes der Geistigen sich einschränkt. Sie beschäftiget sich mit der Aufzählung der verschiedenen und merkwürdigsten Stufen der allmählichen Entwicklung dieser Anlagen und den äusseren in den allgemeinen und besonderen Beschaffenheiten der Organisationen, in den Klimaten, physi- schcn und politischen Revolutionen gegründeten Veranlassungen derselben; breitet sich über d.ie fortschreitende, durch die genannten Umstände bald beförderte bald gehinderte Ausbildung so wohl der empfänglichen als der thätigen Fähigkeiten des Gemüths, der Sinnlichkeit so wohl als der Vernunft aus. Die Geschichte der Philosophie hingegen zeigt uns den menschlichen Geist, beschäftiget mit einem einzigen und besiimm- Auch die Naturgeschichte dcS menschlichen Gescklechre muß vvn der Naturbeschreibung desselben unterschieden werden. Zur letzter» liefert kerr Mcinerö schätzbare Beyträge. dsk Philosophie. 22y bestimmten Zwecke, im Bestreben den Zusammenhang der Dinge zu entdecken, und seine Begriffe von demselben zu erweitern und zu berichtigen. In wieferne man nun unter Geschichte der Philosophie nicht etwa ein trocknes Ver- zcichniß philosophischer Meynungen und Systeme verstehet; in wieferne diese Geschichte zugleich die historischen Gründe der Entstehung jedes Systemes in dem jedesmahligen Zustande des menschlichen Geistes überhaupt, und insbesondere in dem individuellen Geiste seines Stifters angicbt; in wiefern sie auch den psychologischen Ursprung philosophischer Lehren beleuchtet, in soferne schließt sich dieselbe an die Geschichte des mcnschlichcnGcistes an,und macht einen sehr wichtigen Theil derselben aus, indem sie die Epochen der Entwicklung der vornehmsten theoretischen Kräfte desselben erzählt, — aber immer nur Einen Theil den man ohne Verwirrung wesentlich verschiedener Begriffe nicht mit dem Ganzen verwechseln kann. P Ä Ich 2ZV Ueber den Begriff der Geschichte Ich unterscheide die Geschichte der Philosophie zweyten 6 von der Geschichte der Wissenschaften. Dem ersten Anblicke nach sollte man diese Unterscheidung für überfiüßig halten, indem schon allein die alte, auf Akademien, allgemein übliche Einthcilung aller Fächer der Gelehrsamkeit in die Vier Facultäten, die durch den gemeinschaftlichen Namen der Wissenschaft ten bezeichnet werden, genugsam anzeigt, daß die Philosophie nur als Eine Art der Gattung untergeordnet seyn müsse. Allein da die Philosophie alter als alle sogenannte Brodwissenschaften ist, da in den frühernZeiten der Kub tur alle übrigen Wissenschaften nur von Philosophen getrieben wurden, Philosophen nicht weniger die ersten Stifter und Ausleger der bürgerlichen Gesetze, Erfinder und Ausübcr der Arzneykunst, als die Lehrer und Diener der Religion waren, und da die Wissenschaften überhaupt den Namen Philosophie führten; so war, zumahl in der neuerlichen Periode der Popular- philosophie, wo die Bedeutung dieses Namens ihre der Philosophie. 23 r ihre Bestimmtheit verloren hat, nichts natürlicher , als daß man die Geschichte der eigentlichen Philosophie mit der Geschichte Anderer Wissenschaften vermengte, und in dieselbe ohne Unterschied aufnahm, was theils nur in die Geschichte der Wissenschaften überhaupt, theils nur in die Geschichte besonderer außer dem Gebiete der eigentlichen Philosophie gelegener Wissenschaften gehört. Indem wir es bey unseren bevorstehenden Betrachtungen nur mit Geschichte der Wissenschaft des bestimmten Zusammenhanges der Dinge überhaupt zu thun haben, werden wir uns um die Schicksale der Mathematik, der Naturgeschichte, der Rhetorik und Poetik so wenig, als der Arzeneykunde , Rechtswissenschaft und Gottesgelahrtheit bekümmern; und dadurch, daß wir von unserem Gegenstände selbst alles Zufällige sorgfältig absondern, zur Behandlung des Wesentlichen an demselben mehr Zeit gewinnen. P 4 Ich 2Z2 Ueber den Begriff der Geschichte Ich unterscheide drittens die Geschichte der Philosophie von den besondern Geschichten einzelner Theile der Philosophie, und insbesondere der Metaphysik, die man so oft und noch heut zu Lage so gewöhnlich mit der Philosophie überhaupt verwechselt. Zwar das so auffallende Unvermögen der bisherigen Metaphysik, die großen, die Gründe unserer Rechte und Pfiichr tcn in diesem und unserer Erwartung im zukünftigen L ben betreffenden Probleme, zur allgemeinen Befriedigung der Eelbsidcnker aufzulösen; die vier Haupt parteyen, in welche die Kenner und Pfleger dieser Wissenschaft über jede Frage von Bedeutung zerfallen; und der immcr- mehr sich verwickelnde Streit dieser Parteyen haben es endlich dahin gebracht, daß man nicht nur aller bisherigen, sondern auch aller möglichen Metaphysik den Rang einer Wissenschaft abzusprechen angefangen hat; und daß man selbst von den -Akademischen Kathedern eben dieselben Metaphysischen Theoreme, durch welche man die Grundwahrheit der Religion und der Moralität, in her Philosophie. 233 in der sogenannten Natürlichen Theologie beweiset/ in der Ontologie für bloße Meynungen erklärt. Allein, wenn die Metaphysik durch dieJnconse- qucnz unserer Empiriker und Popularphi- losophen zu sehr vcrnachlaßiget und zu tief herabgesetzt wird: so ist doch eben so wenig zu läugncn, daß sie von den Rationalisten und Systematikern zu ausschließend bearbeitet und zu sehr erhoben, folglich, daß sie von beyden Antipoden gleich verkannt wird. Als die Wissenschaft der ersten Erkcnntnißgründe der menschlichen Erkenntniß, wie sie von Baum- garten dcfinirt, als die Königin» aller Wissenschaften, wie sie von ihren Verehrern gepriesen wird, ist sie mit großem Unrecht an die Stelle der philosophischen Eleinen tarwift senschaft, und sogar auf den Thron der eigentlichen Philosophie gesetzt worden. Indem wir unter Philosophie die Gattung derjenigen Wissenschaft verstehen, von der die Metaphysik nur Eine Art ist, wird unsere Geschichte der Philosophie die Schicksale der Metaphysik nur m P 5 Be- 234 Ueber den Begriff der Geschichte Beziehung auf Philosophie überhaupt erzählen, und daher die Schicksale der Naturwisscnschast,dcr Moral und der Logik, in wiefern sie von der Geschichte der Wissenschaft des Zusammenhanges der Dinge unzertrennlich sind, keinesweges von dem verhältnißmaßigen Antheile ausschließen, den sie an den Schicksalen der ganzen Philosophie haben. Ich unterscheide viertens die Geschichte der Philosophie von einer Sammlung der Lebensbeschreibungen berühmter Philosophen, dem Auszuge oder der Anzeige des Inhalts ihrer Schriften, ja auch sogar von der historischen Angabe ihrer Lehren und Meynungen aus ihren eigenen Schriften oder den Nachrichten Anderer. Die Biographie der Philosophen gehört durchaus nicht in die Geschichteter Philosophie, die sich blos um die inneren Schicksale der Wissenschaft, keinesweges aber ihrer Pfleger und Beförderer bekümmert. Nur in den besondern Fällen, wo sich der Einfluß des psychologischen oder der Philosophie. 235 oder moralischen Charakters eines Mannes, oder gewisser Umstände seiner Lebensgeschichtc aufsein philosophisches System bestimmt angeben läßt, und zwar wenn dieses System an sich merkwürdig, sein eigenes Werk, und der Einfluß jener historischen Daten auf dasselbe entscheidend war, nur in diesen gewiß nicht sehr häufigen Fasten darf die Geschichte der Philosophie im Vorbeygehen auf die Biographicen Rücksicht nehmen. Außerdem ist die Erzählung der gewöhnlich an sich nicht sehr bedeutenden und zumahl bey den Philosophen des Alterthumes aus sehr unzuver- läßigen und geringhaltigen Quellen geschöpften Lebensumstände in den akademischen Vorlesungen über Geschichte der Philosophie ein unnützer Zeitverlust. Die Geschichte der Philosophie ist von der Litterärgeschichte dieser Wissenschaft wohl zu unterscheiden, welche in dem vollständigen und genauen Verzeichnisse der merkwürdigen Werke, die in das Gebiet der Philosophie gehören, und -A6 Ueber den Begriff der Geschichte und in einer kurzen aber bestimmten Charakters stik des Wesentlichsten von ihrem Inhalte bestehet. Die Geschichte der Philosophie nennet nur dieses uigen Werke, welche in der Wissenschaft Epochen gemacht, wesentliche Veränderungen in der Form derselben hervorgebracht, den jeweiligen Zustand derselben bestimmt haben. Aber auch die Erzählung der Lehren und Meynungen der Philosophen, die mit den Le- bensgeschichten und den litterarischen Nachrichten zusammengenommen in unseren bisherigen K vmpcndic n den Namen der Geschichte der Philosophie führte, verdient selbst wenn sie von der Biographie und Littcrärgeschichte ge trennt ist, noch keinesweges diesen Namen. Auch die genaueste historische Angabe der Lehren und Meynungen der Philosophen liefert nichts weiter als bloße Materialien zur Geschichte der Philosophie, keinesweges diese Geschichte selbst. Nicht jede Vorstcllungsart, die ein Mann wirklich oder angeblich gehabt hat, der der Philosophie. 2Z7 der mit Recht oder Unrecht den Namen eines Philosophen erhielt, gehört in die Geschichte der Philosophie; sonst müßte jeder abgeschmackte Einfall bloß aus dem Grunde hinein gehören, weil der Mann, der ihn gehabt hat, von irgend einem Schriftsteller z. V. von Oioge- nes Laertius unter den Philosophen genannt wurde, ungeachtet er eigentlich nur unter den Tollhauslern genannt zu werden verdient hätte. Nur diejenigen Vvrstellungsartcn einzelner Menschen können auf einen Platz in der Geschichte der Philosophie Anspruch machen, welche entweder mittelbar oder unmittelbar den untersuchten Zusammenhang der Dinge betreffen, mit der Philosophie als Wissenschaft zusammenhangen, und einen eigentlichen philosophischen, folglich auch einen vernünftigen Sinn zulassen. Es ist eine Ungereimtheit, deren sich unsere bisherigen Geschichtschreiber der Philosophie bey jeder Gelegenheit schuldig machen, daß sie ihren Beruf zu erfüllen glauben, wenn sie die hehren der alten Weltweisen 2ZZ Ueber den Begriff der Geschichte weisen sämmtlich unter dem Titel von Meynungen *), mit den eigenen Worten derselben, oder aus fremden Quellen anführen, mrd sie dann, wenn sich dieselben mit ihren eigenen Meynungen nicht vereinigen lassen, widerlegen, oder gar als offenbaren Unsinn ausschreycn, wobey sich der Geschichtschreiber oft nicht genug wundern kann, wie ein Philosoph so etwas Unphilosophisches habe sagen können, ich aber mich nicht genug wundern konnte, wie der Geschichtschreiber der Philosophie dazu kam, so etwas für ein Materials der Geschichte der Philosophie zu halten. So wird z. B. die Zahlenlehre des Pythagoras als ein Lehrstück angeführt, das die Philosophie dieses berühmten Mannes charakterisiern soll; und dabey wird sie gradezu für den abcnthcuerlichs sien Einfall, die unerklärbarste Grille erklärt. Was Kein Philosorh kann durcb seine Philosophie meine», so wcnia als der Mathematiker durch seine Wissenschaft glauben kann. der Philosophie. 2Zy Was soll man bey dieser Gelegenheit unter Phi- losophie verstehen? was für ein Kriterium annehmen, nach welchem einer Vorstellungsarr, oder einem Manne m der Geschichte der Philosophie eine Stelle eingeräumt oder versagt wird? Giebt es ein anders Kriterum als den philosophischen Sinn einer Vorsiellungsart, um sie unter die Philosophischen zu zählen? Läßt irgend ein Lehrsatz, der einem auch noch so berühmten Philosophen zugeschrieben wird, durchaus keinen solchen Sinn zu: so gehört er gar nicht in das, was Geschichte der Philosophie heißen kann. Läßt er aber einen solchen Sinn zu, so gehört die Entwickelung desselben zu demjenigen, was die Form der Geschichteter Philosophie heißen muß, weil ein solcher Lehrsatz nur durch einen solchen Sinn zu einem tauglichen Stoffe dieser Wissenschaft wird. Die Ursache warum die Geschichte der Philosophie, zumahl der alten, in unsern Comr pendien mehr als Geschichte der menschlichen Thor- 240 Ueber den Begriff der Geschichte Thorheit, dann als Geschichte der Weltweisheit auftritt; warum die berühmtesten und oft auch verdiensivvliesten Selbstdenker des Alterthums iu derselben auf die unwürdigste Art ge- michandelt, und ihre tiefsten Blicke ins Heilig- thum der Wahrheit als die plattesten Irrthümer gcmipdeuter und verschrieen werden, liegt darin, daß man den vernünftigen Sinn ihrer von den unsrigen freylich sehr verschrieenen Vvrstcllungsartcn nicht finden konnte, und daß man sie in eben dem Verhältnisse mißverstand und mißverstehen mußte, je genauer man sich bey ihrer Beurtheilung entweder an dre spätern Grundsätze Einer von den vier metaphysischen Hauptsekten hielt, oder je mehr man durch die Methode der Popularphilosophie gewohnt wurde, durch die angeblichen Orakel des gesunden Menschenverstandes allen tiefern Unrcr>uchungcn zuvorzukommen. Der Mann, der die alten Denkmähler und Quellen der Geschichte der Philosophie nicht nur, sonder» auch alle zur Beleuchtung derselben nöthige und nützliche der Philosophie 241 liche historische, philologische, grammatische und logische Hülfsmittel in seiner Gewalt hat, ist gleichwohl mit aller dieser Vorbereitung nur zum Sammler und mechanischen Bearbeiter der Materialien für eine künftige Geschichte der Philosophie, nicht zum Erfinder ihres Planes, nicht zum Baumeister ihres Lehrgebäudes berufen» Wir werden erst dann einen Geschichtschreiber der Philosophie auszuweisen haben, wenn wir einmal eine Philosophie ohne Deyna- mcn, eine Philosophie eine Philosophie, die alle Philosophie en verdrängt hat, und auf allgemeingeltcndcn Grundsätzen fest stehet, haben werden» Allein um auch nur die Materialien der Geschichte der Philosophie, mit deren Aufsuchung und Untersuchung wir uns bis dahin begnügen müssen, vorläufig kennen zu lernen, esi es nicht genug, daß die bisher angegebenen Lehren der Philosophen, durch die aus den Quellen geschöpften Beweisstellen erläutert werden» Sie müssen schlechterdings einerseits in Rücksicht auf die Gegen- Buäwahl vsrm. Schritt. ?!>. I. Q stände 242 Ueber den Begriff der Geschichte stände, welche sie betreffen, anderseits in Rück- ficht auf die ursprüngliche Einrichtung des menschlichen Geistes nicht weniger, als aus dem besonderen Zustande der einzelnen Köpft, aus denen sie entsprungen sind, genau bestimmt werden. Wenn der Geschichtsforscher der Philosophie über die Objekte der verschiedenen Vorstellungsarten der alten Sclbstdenker nicht mit sich selbst einig ist; wenn er selbst nicht weiß, was er über diese oder jene Frage, die dieser oder jener Weltweise zu beantworten versuchte, zu denken habe; wenn er nicht diejenige Antwort gefunden hat, welche die sich selbst erkennende philosophierende Vernunft nicht aus dem einseitigen Gesichtspunkte dieser oder jener Sekte, sondern nach den Gesetzen der ursprünglichen Einrichtung des menschlichen Geistes ertheilen muß; so wird er die Lehre, die er beurtheilt, nie verstehen, so wird er das Wahre, was sie neben dem Falschen enthält, nie angeben, so wird er ihren vernünftigen Sinn nie entdecken können. Er wird sie nicht um ihres Philosoph- der Philosophie. 243 phifchcn innern Charakters wegen, sondern- nur weil er sie unter dem Namen einer philosophischen Lehre aufgestellt fand, in seine Geschichte aufnehmen. Hat er es mit seiner Untersuchung des Vorstellungs-Erkenntniß - und Begehrungs - Dermögen^noch nicht so weit ge, bracht, sich über alle Parteyen zu erheben; gehört er selbst noch ;u Einer von den Vieren, welche mit den drey übrigen in einem endlosen Streite begriffen sind; so wird er die Philofvr phcnie älterer und neuerer Zeiten, nicht nach den bisher verkannten allgemeingültigen Principien der allen Menschen gemeinschaftlichen Vernunft, sondern nach den aus unentwickelten Begriffen gezogenen schwankenden Grundsätzen einer einzelnen Sekte beurtheilen; er wird sie vor dein Richterstuhle seines in der philoso, phischen Welt streitigen Systems prüfen; und daher bald in einer unbestimmten vieldeutigen oder gar falschen Behauptung tiefe Weisheit, bald aber in der feinsten und scharfsinnigsten Bemerkung offenbare Ungereimtheit entdecken, 2 2 bloß 244 Ueber den Begriff der Geschichte bloß weil die Eine sein System zu begünstigen, die Andere aber dasselbe umzustoßen scheint» Ich halte daher die Bekanntschaft mit der Natur des menschlichen Vorstellung^ Erkenntniß- und Bcgehrungs - Vermögens für eine eben so wesentliche Bedingung für das Studium der Geschichte der Philosophie, als die Kenntniß der alten Quellen und der historisch - philosophischen Hülfswissenschaftcn; und glaube, daß sich dasjenige, was aus der erster,, geschöpft werden muß, zu dem, was sich aus den letztem ziehen läßt, wie der Geist der Geschichte der Philosophie zu feinem Körper verhalte. Dieß ist die vorläufige Rechenschaft, die ich Ihnen M. H. von der Art, wie ich die Geschichte der Philosophie zu behandeln gesonnen bitt, geben zu müssen geglaubt habe. Wir werden in unserer nächsten Betrachtung die Hauptepochen der Veränderungen untersuche», welche im menschlichen Gemüthe vorhergegangen seyn mussten, bevor die Vernunft den Grad der Philosophie. -45 der Entwickelung ihrer Kraft erreichen konnte, der zum Philosophieren, oder Nachdenken über den Zusammenhang der Dinge unentbehrlich ist. Wir werden uns also mit derjenigen Periode aus der Geschichte des menschlichen Geistes beschäftigen, welche den allmähligeu Uebergang dieses Geistes aus dem Zustande des bloßen Instinktes im sogenannten Stande der Natur, M demjenigen nur im Schoße der bürgerlichen Gesellschaft erreichten Vernunftgebrauche enthalt, mit welchem das Geschäft der philosophierenden Vernunft angisng. Q K VIII. tz»-- -46 Ueber den Einfluß des Geschmackes VIII. Kleber den Einfluß des Geschmackes auf die Kultur der Wissenschaften und der Sitten *). aß der menschliche Geist in den Zeiten und Gegenden, wo der Geschmack am schönsten blühte, auch die reifste» Früchte des Wissens und des Handelns hervorgebracht habe, ist eine ziemlich allgemein anerkannte Thatsache, die zu ihrer Bestätigung nur einiger aufmerksameren Blicke in die Geschichte vergangener und gegen« wärriger *) Aus einer akademischen Antrittsrede. Jen», >787- aufd. Kultur d. Wissensch. u. der Sitten. 247 wärtigcr Zeiten bedarf. Die Griechen in jeder Rücksicht die edelste Nation unter allen übn- gen des Alterthums, zeichnen sich auch unter allen am auffallendsten durch ihren Geschmack aus; und ihr Vaterland, die alte Schule der gesitteten und gelehrten Welt, ist noch heut zu Tage, in den Ueberresten seiner Geisiesfrüchte und in den Trümmern seiner Kunstwerke, dir allgemeine Schule des Geschmackes. Auf jeglichem Grund und Boden, wo die Keime des griechischen Geschmacks nicht gedeihen konnten, verdorrten oder entarteten auch die Keime der griechischen Wissenschaften. Die Geist- und Herzcrhebcnde Philosophie des Pluto verwandelte sich während des eisernen Zeitalters des Geschmacks in das abscheuliche Gespenst des Ncuplatonismus, und auf der ewigen Grundfeste, die Aristoteles für die Vernunftlehre und alle Vernunftwissenschaften gelegt hatte, wurden von den gelehrten Barbaren deS Mittclalters die gothischen Labyrinthe der Scholastik aufgeführt. Q 4 Was -48 Ueber den Einfluß des Geschmackes Was half es der geschmacklosesten aus allen gesitteten Nationen des Alterthums, eins Etaatsverfassung gehabt zu haben, die uns noch heut zu Tage von einem großen Theile unsrer Rcligionslehrer als das unmittelbare Werk des unendlichen Verstandes angcrühmt wird? Zchvva hatte den Hebräern Gesetze aber keine Sitten geben können, und sein auserwähh tes Volk ist der Gegenstand des Abscheues für die übrige Menschheit geblieben. Wie lange und wie schrecklich haben nicht die Schlacken der Unmenschlichkeit, welche das Christenthum mit den Goldkörnern reiner Religion aus dem Hebraismus gezogen hat, in den Eingeweiden Europas gewürhet, und wie bald ist nicht auch in dem neuen Bunde der Würgengel an der Seite des hebräischen Iehovahs zum Vorschein gekommen! Das Evangelium war eben in den unglücklichen Zeiten der Kodex der herrschenden Religion geworden, als der Genius des guten Geschmacks zugleich mit der bürgerr auf d. Kultur d. Tissensch. u. der Sitten. 249 bürgerlichen FreHütund den republikanischen Sitten, die Griechen und Römer verlassen hatte, und Europa )ie Deute von Völkern zu werde» aNsicng, d.'u:n jener Genius von jeher fremde gewesen war. Las Christenthum vermochte unter diesen Umstanden der eindringenden Barbarey so wenig Einhalt zn thun, daß es vielmehr selbst barbarisch wurde, und in den groben Aberglauben übergicng, der die Köpfe vollends verfinstern , und die Herzen gegen die sanftern Gefühle verhärten half, —. die Staaten entvölkerte, um die Kirche und den Himmel zu bevölkern, — und Millionen Menschen aus dem Weg räumte, um die Ehre ihres himmlischen Paters auszubreiten. Nachdem die allgemeine Lähmung aller Kräfte des menschlichen Geistes viele Jahrhunderte hindurch gedauert hatte; nachdem man weder von der Religion noch von den Wissenschaften erwarten konnte, daß sie der tiefgesunkenen Menschheit wieder aufhelfen würden, iu- Q 3 dem r;c> Ueber den Einfluß des Geschmackes dem sie selbst durch ihren Verfall mitwirkende Ursachen des Verderbnisse^ geworden waren;- sich! da erweckte der Schutzgeist der Menschheit tue Musen und Grazien wieder, die nun über Tausend Jahre lang unter den Trümmern der Denkmähler besserer Zeit geschlummert hatten. Durch einen glücklichen Zusammenfluß zufälliger Umstände wurden die Ucbcrceste der unvcrwclk- lichcn Blüthen und Früchte des Geistes aus dein gvldnen Zeitalter des Geschmackes in Italien wieder hcrvorgcsucht, und dieser Zeitpunkt wur« de die merkwürdige Epvkc der Wiederherstellung der Wissenschaften, und der Ansang einer allgemeinen Kultur von Europa, die den Rück- fall in die vorige Barbarei) aller Wahrscheinlichkeit nach auf immer unmöglich gemacht hat. Das Gefühl für Schönheit war kaum in die Herzen zurückgekehrt, als gesunde Vernunft durch Philosophie, und Gesinnung der Humanität durch Religion wieder allmählig ju wirken anfiengcn. Sehr bald zeigte sich diejenige auf d. Kultur d. Wiffensch. u. der Sitten. 251 diejenige Milderung und Verfeinerung der Sitten, mit welcher wenigstens die Außenseite der feineren Menschlichkeit zu einem Ehrenpunk- te ward, und die, wenn sie euch nicht immer "ein zuverläßiges Merkmahl der wirklichen Veredlung ist, wenigstens als Vorbereitung und Vorbote derselben dem Menschenfreunde eine tröstliche Erscheinung seyn muß. Der in die Staatsverfassungcn eingeflochtene römische Kir- chenglaube konnte und mußte zwar in den Ländern, welche der Reformation verschlossen blieben, die Fortschritte der wissenschaftliche» und zumal der religiösen Aufklärung erschweren und verzögern: allein es war ihm unmöglich den hohen Grad von ästhetischer Kultur zu verhindern, der z. B. in Italien, mitten unter den traurigen Wirkungen der Intoleranz und des Aberglaubens nur um so mehr auffällt, und den man selbst in dem protestantischen Teutschlande noch kaum vor dreyßig Jahren vergebens gesucht haben würde. Erst z;2 Ueber den Einfluß des Geschmackes Erst ungefähr um die Mitte des gegenwärtiger, Jahrhunderts kamen die Blüthen und Früchte des Geschmackes, auch in unserm Va- ttrlande zum Vorschein- und in eben dem Verhältnisse, als sie ihren lieblichen Geruch um sich her verbreiteten, erheiterte sich der Geist der Nation, und thaute das nordische Eis in ihrem Herzen auf. Das steife, rauhe, trockene, schwerfällige Wesen, das uns so oft von unsren Nachbarn zum Vorwurf gemacht wurde, verlor oder verminderte sich wenigstens nach und nach an dem Vortrage unsrer Wissenschaften/ der Außenseite unsrer Sitten und Gewohnheiten, dem Ton unsres Umganges, der Gestalt unsrer Kleidung und unsres Hausgeräthes. In der Theologie begann jene äußerst wichtige und merkwürdige Revolution, die noch gegenwärtig im Werke ist, und durch welche die Vernunft erst in den wirklichen Besitz derjenigen Freyheit eintrat, die ihr Luther, ohne es selbst zu wissen, errungen hatte, und die ihr, die beyden Jahrhunderte hindurch, während welcher «ufd. Kultur d. Wissensch. u. der Sitten. 2 ;z cher unsre Theologen in dem Unseligen Streite um die Trümmer des katholischen Despotismus über die Gewissen begriffen waren, vorenthalten worden war. Ich schweige von den bewundernswürdigen Fortschritten, welche sowohl diese als alle übrigen Wissenschaften unter uns seit dreyßig Jahren her gethan haben, und erwähne nur eines einzigen Vorzuges, den sie in dieser Zeit gewonnen haben, und dessen Ursprung man am allerwenigsten verkennen kann: nämlich/ daß sie insgesammt menschlicher geworden sind; Wahrend daß die Lehrer der dogmatischen Theologie Toleranz verkündigen, schärfen die Lehrer des positiven Rechts die unveräußerlichen natürlichen Rechte der Menschheit ein, und die erster» finden daS ewige Höllenftuer der Göttlichen Gerechtigkeit eben so wenig mehr angemessen, als die letztem die Todesstrafen der Menschlichen» — Diese auflebende Gesinnung der Humanität ist an der neuern Arzneykunst nicht weniger sichtbar geworden, aus welcher der durch sie aufgeregt« 254 Ueber den Einfluß des Geschmackes geregte Geist der Beobachtung und Untersuchung mit nicht weniger Erfolg den gedankenlosen Empirismus, als aus der Theor logiedie blinde Orthodoxie und aus der Jurisprudenz die barbarische Observan; zu verdrängen anfangt. Die Philosophie endlich die über ihren Beschäftigungen mit seelenlosen Körpern, und körperlichen Geistern den Menschen fast gänzlich aus dem Auge verloren hatte, kehrte nun wieder zum Menschen als den vornehmsten Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit und den Versinigungspunkt derKörper- und Geisicrwelt zurück. Dieser einzig richtige Standpunkt, aus dem sich der wahre Umkreis des eigentlichen Gebietes der Philosophie mit Zuverlässigkeit bestimmen läßt, wurde ihr durch die Musen und Grazien angewiesen. Das durch die Werke des Geschmackes aufgeweckte, erwärmte, und verfeinerte Gefühl für Schönheit, hatte einige unsrer besseren Köpfe eingeladen, seiner Quelle nach- «ufd. Kultur d.Wissensch.u. der Sitten. 255 nachzuforschen. Sie suchten dieselbe in der Na» tur des Gefühl Vermögens, und die wich» tigen Entdeckungen, die sie bey dieser Gelegen heit gemacht hakten, führten nach und nach zu einer neuen auf Beobachtung und Erfahrung gegründeten Bekanntschaft mit der Natur unsres Vvrstellungsvermögcns überhaupt. Teutsch- land ward auf diese Weise das Geburtsland der sogenannten Aesthetik, der empirischen Psychologie, und endlich der Kritik der Vernunft (oder der transcendentalen Psychologie), und wird hauptsächlich durch diese letztere um so gewisser die Schule der hör heren Aufklärung des übrigen Europas werden, da es bisher allein bescheiden und wißbegierig genug war, von alle» übrigen Ländern Euro» pas zu lernen. Es war eine Zeit, wo der wohlthätige Ein» fluß des Geschmacks auf die wissenschaftliche Kultur auf unsren vaterländischen Universitäten und besonders auf der Unsrigen (der Ienaischen), weniger des Geschmückt 256 Uebcb den Einfluß weniger in die Augen fiel- und wo ein Lehrer der schönen Wissenschaften, der denselben zum Stoff seiner Antrittsrede gewählt haben würde, nicht eben so zuversichtlich voraussetzen konnte, daß ihm seine Zuhörer auf dem halben Wege entgegen kommen würden. Damals schien man die Wissenschaften aufs höchste für Mittel anzusehen, um den Fluch zu vereiteln, der uns unser Brod im Schweiße unsers Angesichtes zu essen verdammt hat. Mau erlernte sie als eilt bequemes und ehrenvolles Handwerk, um sie im Fall der Noth wieder als Handwerk treiben zu können. Der Geschmack am Schönen und Erhabenen, den man weder käuflich an sich bringen, noch in Hefte einzeichnen, noch mit dem Gedächtnisse auffassen, noch gegen Amtsgebühren und Besoldungen umsetzen kann, wurde für etwas sehr Entbehrliches, für eine Sache des Luxus angesehen, deren Besitz der auf seine Geschmacklosigkeit stolze Pedant für ein wahres Unglück hielt. Allein wie sehr war nicht der Geschmack schon dadurch gerächt, daß man seine auf d. Kultur d. Wisscnsch.u. der Sitten. 257 seine Wichtigkeit nicht verkennen konnte, ohne nicht zugleich den Werth der Wissenschaften und der Sittlichkeit zu verkennen. Ich lasse ven Vorhang über jene Zeiten fallen, wo man Zü- gellosigkeit für Freyheirssm», Schwelgerey für Fröhlichkeit, Tollkühnheit für Muth, rohe Wildheit und Verachtung alles Wohlstandes für ächte akademische Sitte, für die angemessenste Gesinnung und Hantlungswcife von Jünglingen hielt, die eben mit der Grundlegung für das Wohlverhaltcn und Wohlbefinden ihres ganzen künftigen Lebens, durch die Vorbereitung zu ihren Wirkungskreisen in der bürgerlichen Gesellschaft beschäftiget sind. Ich habe dieser traurigen Zeiten nur darum erwähnt, um mich mit Ihnen, meine Herren, zu freuen, daß sie vorüber sind; und um mir und Ihnen Glück zu wünschen, daß wir uns in besseren Zeiten gefunden haben. Ich spreche hier zu Jünglingen und Männern, die durch ihr rühmliches Betragen zur festeren Auswahl vrrm. Schrift. TH.I. R GkÜM 2Z8 Ueber den Einfluß des Geschmackes Gründung und Erhaltung des Rufes beytragen , der unsre Akademie in kurzem nicht weniger durch die feineren Sitten ihrer Bürger, als durch die Weisheit und Gelehrsamkeit ihrer Vorsteher dem übrigen Teutschlande empfehlen wird. Ich spreche zu Jünglingen und Männern, die, von diesem Rufe aufgefordert, zu uns gekommen sind, nicht etwa um ihr Gedächtniß mit trockenen Gerippen wissenschaftlicher Systeme oder mit leeren Namensverzeichnissen alter und neuer Gelehrsamkeit anzufüllen, sondern ihrem Geiste und Herzen jene höhere und feinere Bildung zu geben, ohne welche es heut zu Tage immer unmöglicher wird, nicht nur in dem großen Haufen gewöhnlicher Menschen bemerkt zu werden, sondern auch nur mit einigem Erfolg an seinem eigenen Glücke und an dem Wohl seiner Ncbenmcnschen zu arbeiten. Ich spreche endlich zu Jünglingen und Männern, welche von der Wichtigkeit des Einflusses des gebildeten Geschmacks auf die Bildung des Geistes und Herzens überzeugt einen Theil ihrer Zeit und Mühe dem aufd. Kultur d. Wiffensch. u. der Sitten. 2 dem Studium der Geschmackslehre zu widmen entschlossen sind. Um so gewisser aber darf ich wir für das wenige, was ich noch zur Ermunterung ihres und meines Eifers zu sagen habe, ihre geneigte Aufmerksamkeit versprechen. Daß man auf Universitäten seine Einsichten verbessern und seine Sitten verschlimmern könne; daß es große Gelehrten gebe, die sehr kleine Menschen sind; daß man sogar ein berühmter Sittenlehrer und zugleich ein berüchtigter Böse» wicht werden könne; sind lauter Erfahrung^ sätze, die nicht mehr und nicht weniger beweis sen, als daß wissenschaftliche und sittliche Kultur wesentlich verschieden sind, so sehr sie auch unter einander zusammenhangen können und sollen ; daß man den Geist bilden und dabey das Herz vernachlaßigen, und daß der Wille sehr verkehrt handeln könne, wenn auch der Verstand sehr richtig, weil und scharf sieht. Jedes beträchtliche Uebermaß und jede beträchtliche Schwäche einer einzelnen Gemüthskraft hebt die R 2 Ge, 260 Ueber den Einfluß des Geschmackes Gesundheit der Seele auf, die in dcmGleichger Wichte aller unwillkührlichcu Vermögen dersel- ben unter dem freyen Gebrauch der Vernunft besteht. Die einseitige Kultur des Erkenntnisvermögens bringt ein Mißverhältnis zwischen dem geübten Verstand und dem vcrnachläßigtcn Gefühl hervor, durch welches die Seele mehr oder weniger zum psychologischen Ungeheuer wird» Ich verschone Sie, mit der Schilderung des frostigen finstern Pedanten, bey dem die Quelle der Empfindung durch lange Vernachläßigung ausgetrocknet ist. Seine Gelehrsamkeit hak ihn sich und der Welt unbrauchbar gemacht. Er ist nicht blos zum Gatten und Vater, zum Freunde und zum Gesellschafter, er ist sogar zum Lehrer und Schriftsteller verdorben. Denn wer ist geschickter als er, vor der Wissenschaft, die er mündlich und schriftlich vorträgt, Ekel einzustoßen? Ich verschone Sie mit dem Gemählde des ruhmsüchtigen und gcldgeitrigen Gelehrten, der die einseitige Bildung seines Verstandes znr Befriedigung der niedrigen Leidenschaften mißbraucht, aufd. Kultur d. Wissensch. u. der Sitten. 261 braucht, die aus seinem ungebildeten Herzen wild und regellos hervvrschießen, seinem Geiste alle gesunde Nahrung entziehen, und selbst den Baum seiner Erkenntnisse verwelken und verdorren machen. Die Einsichten und Fähigkeiten des Ruhmsüchtigen werden gewöhnlich so klein und eingeschränkt, als die Eitelkeit ist, welcher sie stöhnen müssen, und die Waare des gelehrten Krämers wird gemeiniglich so verlegen und unbrauchbar als seine Seele, die elendeste unter allen Krämerseelen. Ich bin weit entfernt, die Bildung des G« schnracks für diejenige Kultur des Gefühls zn halten, welche allem Mißbrauche des Wissens vorbeugt und für sich allein diejenige Harmonie zwischen Geist und Herzen hervorbringt, in welcher der innere Werth und die Würde des Menschen besteht. Ich weiß daß es Wcltleute von Geschmack geben könne, die auf der Waagschale des moralischen Werthes vor den geschmacklosen Stubengelehrten nichts voraus haben; und ich R Z will 2Ü2 Ueber den Einfluß des Geschmackes will hier keineswegs entscheiden, welche von diesen beyden Menschenklassen die zahlreichere und schädlichere seyn möge. Allein, vorausgesetzt, daß auch das beste Mittel zu dem besten Zwecke durch Vernachläßigung unnütz, und durch Mißbrauch verderblich werden könne: so ist es un- läugbar, daß das Gefühl für das Schöne und Erhabene, oder der Geschmack zu den vornehmsten Mitteln der wissenschaftlichen Cultur des Verstandes und der sittlichen des Willens gehört. Die Einbildu ngskraft bedarf einer besonderen Pflege, durch welche sie zugleich m Zucht und Nahrung erhalten wird. Sich selbst überlassen, schränkt sie durch ihre wilde und willkührliche Einwirkung auf die Geschäfte der Denkkcast die Wahrheit unsrer Ueberzeugungen , und durch ihren lenkenden und nährenden Einfluß auf die Begierden die freye Vers nünfligkeit des Wollens, die Moralität unsrer Handlungen ein. Durch den Geschmack, und aufd. Kultur d. Wissensch.u. der Sitten. 26z und die mit Rücksicht auf moralische Cultur vorgenommene Bildung desselben wird die Einbildungskraft in einer regelmäßigen mit den Gesetzen der Vernunft sowohl des Denkens als des Wollens harmvnirenden Wirksamkeit geübt, und also den Zwecken der Vernunft zugcbildet. Denn das Schöne ist dasjenige was im Anschauen es sey nun durch die Sinne oder die Phantasie dadurch gefallt, daß es durch seine regelmäßige Gestalt die Einbildungskraft auf eine Art beschäftiget, die mit dem Geschäfte der Denkkraft harmonirt. Durch das Gefühl und die Beurtheilung des Schönen wird daher der Hang der Einbildungskraft zur Regellosigkeit beym Denken ohne Einbuße ihrer Energie gezähmt. Sie lernt durch lauter Genüsse, und gewöhnt sich ohneZwang mit der Denkkraft harmonisch zu wirken, und wird daher zum Dienst der theoretischen Vernunft, d.h.zum Gebrauch des Verstandes bey der Erkenntniß des Wahren vorbereitet. R 4 Das 264 Ueber den Einfluß des Geschmackes Das Erhabeneist dasjenige was rm An- schauen, es sey nun durch d,e Sinne oder die Phantasie, dadurch gefallt, daß es durch seine sinnlich wahrnehmbare Größe die Einbildungskraft auf eine Art beschäftiget, die mit dem Geschäfte der Vernunft beym moralischcn Wolr l e n harmouirt. Für die Vernunft nämlich, die Las Unendliche denkt, ist kein Gegenstand zu groß. Aber für die Einbildungskraft giebt cS Schranken, über welche hinaus sie die Größe eines gegebenen Gegenstandes in kein Bild aufzufassen vermag., Ein solcher Gegenstand, er sey nun physisch oder moralisch, eine ungeheure und nahe Fclsenmasse, oder der Kampf der über alle Reize und Schrecknisse der Sinne obsiegenden Tugend, erweckt daher zugleich neben und unter dem unangenehmen Gefühl des Unvermögens unsrer Sinne das angenehme Gefühl der alles Vermögen der Sinne übersteigenden Kraft der Dcrnünftigkcit und Freyheit in uns. Aus diesen beyden Gefühlen ist das so interessante durch Schauder und Entzücken sich ankündigende Gefühl aufd. Kultur d. Wi'ssensch. u. der Sitten. 265 fühl des Erhabenen zusammengesetzt, wobey durch die Einbildungskraft die Macht der Frey- hcit und Vernünftigkeit in dem Verhältnisse er- hoben als die Gcwalr der Sinne und Begierden niedergeschlagen wird. Durch das Gefühl und die Beurtheilung des Erhabenen wird daher der Hang der Einbildungskraft zur Gesetzlosigkeit beym Wollen ohne Einbuße ihrer Energie g« zähmt. Sie lernt durch lauter Genüsse, und gewöhnt sich ungezwungen mit dem moralischen Gesetze harmonisch zu wirken, d. h. die Gewalt der Sinne der Macht der freyen Vernünftigkeit zu unterwerfen, die Erhebung des freyen Witz irns über alle Nöthigung durch Reize und Schrecknisse zu unterstützen, das Wohlgefallen an der Erhöhung der Vernunft durch Erniedrigung der Sinnlichkeit zu beleben — mit einem Worte sie wird zum Dienste der pra kt isehen Vernunft, d. h. zum Gebrauch der Freyheit und Vernünftigkeit beym Wollen vorbereitet. Das ästhetische Vergnügen hält zwischen dem moralischen und dem physischen das R 5 Mit- 266 Ueber den Einfluß des Geschmacke» Mittel, und füllt gleichsam den ungeheuren Abstand zwischen diesen beyden aus. Den Abstand zwischen dem Zustande, wo die Seele so zu sagen nichts als sich selbst, ihre eigne Kraft und Würde — und jenem Zustande, wo sie nichts als den Körper, dessen Behaglichkeit und ihre Schwache fühlt! Die Natur die sich bey der Erziehung ihres Lieblingssohnes, des Menschen, als eine eben so weise als liebevolle Mutter zeigt, hat auch dagegen ihre wohlthätigen Anstalten getroffen. Sie hat ihre sichtbaren Werke mit dem Gürtel der Anmuth und Würde geschmückt, an welchem sie unser Gefühl allmählich und stufenweise von der Sinnenlust, durch welche sie uns gleich andern Thiergattungen zur Erhaltung unsres physischen Daseyns einladet, bis zu dem erhabenen Vergnügen hinaufleitct, welches den freyen Bürger der Verstandeswelt für die Befolgung der Gesetze belohnt, die er sich selbst gegeben hat. Diese weisen und wohlthätigen Absichten der Natur zu befördern, ist der vornehmste Zweck und die edelste Beschäftigung der schönen auf d. Kultur d. Wissensch. u. der Sitten. 267 nen Künste und Wissenschaften. Indem diese die einzelnen Schönheiten, welche die Natur über ihre Werke ausgegossen hat, näher um uns herum versammeln, vervielfältigen und erhöhen: erwecken, nähren und schärfe» sie in uns diejenige Fähigkeit unsres Gefühlvermögens, welche zunächst an die Moralische gränzt; erzeugen sie Neigungen und Fertigkeiten zu Genüssen, bey welchen der Verstand nicht weniger als die Sinnlichkeit beschäftigt ist. Der durch sie gebildete Mann von Geschmack hat bessere Freuden kennen gelernt, als diejenigen sind, die sich nur mit dem Verlust seines Vermögens, seiner Gesundheit, .seiner Ehre und Geniüthsruhe erkaufen lassen; er hat sich gewöhnt, bey der Befriedigung auch seiner sinnlichsten Bedürfnisse den Verstand entweder zum Theilnehmer, oder doch zum beystimmenden Zeugen zu haben; es ist ihm zur zweyten Natur geworden, allenthalben um sich herum Ordnung, Regelmäßigkeit, Ebenmaß zu finden oder hervorzubringen. — Wie könnte er 26Z Ueber den Einfluß des Geschmackes cr diese in seinen Handlungen, in seinem Charakter , in seinem eigentlichsten Selbste vermissen ? Durch den Genuß der Schönheil mit welchem das Studium der Regeln des Geschmacks vertrauter macht, erhält der Geist diejenige sauste, ruhige und heitere Stimmung, die seine ernsthaftesten Anstrengungen erleichtert, und mit dem glücklichsten Erfolge krönt. Erhaben über die Versuchung, seine Erholung bey groben uyd niedrigen Ersetzungen aufzusuchen, die seine Kräfte zerstreuen und abstumpfen würden, erquickt er sich an den ewig blühenden, niemals ersättigcndcn Reizen, die ihm Natur und Kunst zu allen Zeiten darbieten; und so kehrt er mit erheitertem und gestärktem Auge aus den Arme» der Schönheit zur ernsten Wahrheit zurück, die sich nur dem Liebling ihrer himmlischen Schwester ohne Schlcyer sehen laßt. Auf jedem Felde der Wissenschaften und der Gelehrsamkeit wird er die Blumen pflücken, ohne sich mit dem einge- meugten Unkraute zu befangen. Seine geübte Dcur- aufd. Kultur d. Wunsch, u. der Sitten. 269 Bcurtheilungskraft, und sein richtiges Gefühl werden ihm das schiefe, unnütze und zweckwidrige, das nicht selten in seinem mündlichen und schriftlichen Unterrichte vorkömmt, bemerken und absondern lassen; während sich das Wahre, Brauchbare und Wesentliche in seiner an Ordnung und Zusammenhang gewöhnten Einbildungskraft zu einem schönen Ganzen zusam- uienordnct. Am auffallendsten endlich zeichnet sich der Mann von Geschmack von dem gelehrten Pöbel durch den Gebrauch aus, den er von seinen Kenntnissen zu machen weiß. Es hat das Angenehme mit dem Nützlichen, das Schöne mit dem Guten verbinden gelernt, und das langweiligste Geschäft gewinnt unter seinen Händen Anmuth und Würde, der trockenste Stoff Geist und Leben, die härteste Wahrheit Geschmeidigkeit und Reiz. Er kennt dieTriebfedern des menschlichen Herzens und weiß sie in Bewegung zu setzen. Ucbcrrcdung fließt von seinen Lippen, Ueber- 270 Kleber den Einfluß des Geschmackes rc. Ueberzeugung strahlt aus seinem lichtvollen Ge- dankcngange, sanfte Rührung und gewaltsame Erschütterung der Herzen tönen nach seinem Belieben in seiner Rede. Er hat gefallen gelernt, und würde auch schon durch diesen Vorzug allein jedem blos gründlichen Gelehrten, der lange Weile macht, den Rang ablaufen. Und nun, meine Herren, denken Sie sich die Gabe des bezaubernden Vertrages in den Händen eines Mannes, dessen Geist dem Gesichtskreise seiner Ber rufswisscnschaften eben so sehr gewachsen ist, als sein Her; dem Wirkungskreise seiner Pflichten.— Ich überlasse Sie hier ihren eigenen Betrachtungen, und bitte Sie dabey nicht zu vergessen, daß jene Gabe nur die Belohnung des Dienstes seyn könne, den Sie den Musen und Grazien irr ihrer Jugend weihen werden. IX. 271 IX. Ueber die bisherigen Begriffe vom Vergnügen. ^ie für die Psychologie, Moral und Geschmackslehre so wichtigen Streitfragen : Ueber die Funktion des Vergnügens und Mißvergnügens bey den Handlungen des Willens , und über den Unterschied zwischen Wollen und Begehren; Ueber die Unabhängigkeit des moralischen Gesetzes von Lust und Unlust, und über den Unterschied zwischen der moralischen und der legalen Handlung; Ueber 272 Ueber die bisherigen Begriffe Ueber den beym Gefühl des Schonen und Erhabenen eigenthümlichen Genuß, und über den Unterschied zwischen der angenehmen Empfindung und dem Wohlgefallen — würden ihrer Entscheidung u>n vieles naher seyn, wenn man einen bestimmten Begriff vvm Vergnügen überhaupt auszuweisen, oder wenn man sich wenigstens über einen solchen Begriff zu vereinigen versucht hatte, bevor man sich auf Fragen, die ohne diese Vereinigung für die Streitenden nicht einmal einen bestimmten Sinn haben können, einließ. Alles kömmt hier auf die Beantwortung der Frage an: Worin besieht der Unterschied und der Zusammenhang zwischen den bestimmten Bedeutungen dcrWorte: Vergnügen, angeneh, me Empfindung, Lust, Wohllust, Gefallen, Wohlgefallen— und Mißvergnügen, unangenehme Empfindung, Unlust, Schmerz, Mißfallen? — Der gegenwärtige Versuch soll durch eine Darstellung und Prüfung der merkwürdigsten bisherigen vom Vergnügen, 273 herigen Begriffe vom Vergnügen — jene Beantwortung nicht aufstellen, sondern einleiten und vorbereiten helfen. Er zerfallt in zwey Hauptabschnitte, von denen der gegenwärtige sich auf die Begriffe einschränkt, die der Epoche der kritischen Philosophie vorhergehen. In diesen Begriffen wird das Vergnügen betrachtet entweder 1) Bloß aus dem subjektiven Gesichtspunkte, d. h. mit einseitiger Rücksicht auf die Frage: was geht bey dem Zustande, den wir Vergnügen nennen, in dem vorstellenden Subjekte (in uns selbst) vor? (Du Bos *) Pouilly **), oder: 2) Bloß aus dem objektiven Gesichtspunkte, d. h. mit einseitiger Rücksicht auf die *) R-eklsxions crici^ues lur ts ?eincrrrs. 1.1, kscc. 1 er 2. l'ksorie cles Sentimens sZraublea Lvsx. 2 er tq, Auswahl viriii. Schrift. Th. I, S I L74 Ueber die bisherigen Begriffe die Frage: welche Beschaffenheit des vorgestellt tcn Objektes bringt jenen Zustand hervor? (Wolf*) Mcnd clssvhn ), oder: 3) Aus beyden Gesichtspunkten, aber mit einseitiger Rücksicht auf den sich leidend verhaltenden Theil des Vorstellungsven mögcns; (Helvctius^*) und die neuern Epikuräer), oder: 4) Aus beyden Gesichtspunkten, aber mit einseitiger Rücksicht auf den thätigen Theil des Vvrsicllungsvcrmögens; (S u l; e r s) oder: 5) Aus beyden Gesichtspunkten und mit beyden Rücksichten, . ec tq. Pdilvsvptzische Schriften r V-in den Vn'efcn ubtr die Empsindnngrn. Oü I'ctlirft. Olle. I- OK. r. -i) Vrrmischre P:-i:ssc?k.sche Schriften Abhaudl. Uel>cr den Urftinng der nngcnchmen Empfindungen. Pdilvstphische Aphvrieme» II D- - Hanptst. 2 Ldichnild. vom Vergnügen. L75 §. i. Subjektiver Gesichtspunkt. !) Vergnügen ist derjenige Zustand des Gemüthes, der die Befriedigung eines Bedürfnisses begleitet. Das Bedürfniß mag übrigens wirklich oder bloß eingebildet seyn, wenn es nur wirklich gefühlt worden ist. Das Urtheil über die Wahrheit oder Falschheit eines Bedürfnisses, die yuaellio juris, gehört vor den Gerichtshof der Vernunft; die guaeüio Leck wird von dem Verstände entschieden, der das Urtheil über das Vorhandenscyn eines Bedürfnisses auf den Bericht der Sinnlichkeit ausfpricht, die alles, was ihr gegeben wird, wahr oder falsch, gut oder böse, aufnehmen muß. 2) Alle unsre Bedürfnisse, sie mögen was immer für einen Namen haben, lassen sich auf das Bedürfniß der Beschäftigung unsres Vsr- stcllungsvermögens zurückführen. S 2 Alles 2 76 Ueber die bisherigen Begriffe Alles was in unsrem Bewußtseyn vorkommen kann, ist Vorstellung, oder setzt Vorstellung voraus, der sinnlichste Genuß so wie der geistigste; die Empfindung durch gereizte Nerven wie die Idee von der Gottheit. Die Gegner der kritischen Philosophie glauben zwar noch immer beweisen zu können, daß die Gegenstände unsrer Erkenntnisse Dingean sich sind. Aber bei-- nem unter ihnen ist es eingefallen zu behaupten, daß wir uns der Gegenstände anders als durch Vorstellungen bewußt werden können. 3) Das Gefühl dieses Bedürfnisses heißt der Trieb nach Vorstellungen, und das Gemüth selbst, in so ferne durch sein Vermögen Vorstellungen wirklich werden, Vorstellende Kraft. 4) Diese Kraft wird (von außen) eingeschränkt , wenn der Erfolg ihrer Thätigkeit (die wirkliche Vorstellung) gehindert — sie wird erweitert, wenn jener befördert wird. Im letzter» Falle findet das Gefühl des in einem hö-' heren vorn Vergnügen» 277 Hera, Grade befriedigten Triebes, im erstem das Entgegengesetzte Statt. 5) Die Vorstellung kömmt zur Wirklichkeit, wenn die Thätigkeit der Vorstellenden Kraft den Stoff (den Inhalt) zu Vorstellungen entweder nur auffaßt, wie er der Empfänglichkeit gegeben ist — beym Empfinden, oder denselben nach den Gesetzen ihrer eigenen Wirksamkeit bearbeitet,— beym Denken. 6) So wie der Erfolg jener Thätigkeit gehindert wird, beym Denken oder beym Empfinden , so giebt es zwey Arten des Gefühls der Einschränkung der Vorstellungskraft. 7) Das Eine (beym Denken), wenn die Thätigkeit der Vorstellenden Kraft einseitig und stark beschäftiget ist, indem sie mit den Hindernissen ringt, welche der Bearbeitung des Stoffes für Gedanken entgegenstehen (Anstrcn- S » n g). S 3 8) Das 278 lieber die bisherigen Begriffe 8 ) Das Andere (beym Empfinden), wenn die Empfänglichkeit der Vorstellenden Kraft einseitig und stark beschäftiget, und zwar wenn die Quantität des Eindrucks intensiv größer ist, als die entgegenwirkende Thätigkeit der Vorstellenden Kraft (S chin e r zd. 9) In beyden Fällen wird die Kraft p 0- sitiv eingeschränkt, und der Trieb nach Vorstellung bleibt nicht bloß nnbcfricdiget, sondern es wird ihm, bey der Anstrengung von Sei- ten der Thätigkeit, beym Schmerz von Seiten der Empfänglichkeit, Gewalt angethan; Er leidet. io) Wenn die Quantität des Eindrucks bloß extensiv größer ist als das thätige Vermögen der Kraft, so geht die Gegenwirkung, indem sie unter die unzähligen gleich stark wirkenden Bestandtheile der Einwirkung (des Tv- Laleindruckv) vertheilt wird, wenigstens in so ferne verlohrcn als sie unmerklich wird; es entsteht also in diesem Falle nicht nur keine Vorstellung, vom Vergnügen. r?y sicllrmg, sondern es wird auch selbst das Gefühl des Bedürfnisses der Vorstellung aufgehoben (Zustand dcr Betäubung). i i) Wenn die Kraft in einem merklich geringeren Grade als gewöhnlich , entweder durch Empfinden beschäftiget wird, oder durch Denken sich selbst beschäftiget, so entsteht das Gefühl des unbefriedigten Bedürfnisses (Zustand der langen Weile). 12) In diesen beyden Fasten wird die Kraft nur negativ eingeschränkt, das heißt, sie wird nicht in ihrer regen Wirksamkeit, im Erfolge ihrer Thätigkeit gehindert; sondern ihre Wirksamkeit ist in dem einen Falle gar nicht, in dem andern Falle aber in einem merklich geringeren Grade als gewöhnlich, rege *)< S 4 13 ) *) Das Gefühl deS unbefriedigten TricbcS CMißvcr, gmigen) findet daher auch nicht bey der Betäubung, wohl aber bey der Langenwci lc sinkt- 2gv Ueber die bisherigen Begriffe 13) Alle Thätigkeit der Vorstellenden Kraft beym Empfinden besteht im Auffassen (in der Apprehension) des der Empfänglichkeit gegebenen Stoffes; und in so ferne ist der Charakter des Empfindens leichte Beschäftigung der Kraft. i4> Die Thätigkeit der vorstellenden Kraft beym Denken besteht nicht nur im Auffassen, sondern auch im Herbeyschaffen und Ordnen des Stoffes der Vorstellungen; und in so ferne ist der Charakter des Denkens starke Beschäftigung der Kraft. 15 ) Je mehr Stoff beym Empfinden der Empfänglichkeit gegeben wird, und je leichter ihn das thätige Vermögen auffaßt, desto mehr wird im Gemüthe vorgestellt; desto größer ist die Befriedigung des Triebes. 1 6 ) Je mehr ein Gedanke die Thätigkeit der Kraft beschäftiget, und je leichter sein viel umfassender Inhalt aufgefaßt werden kann, desto vorn Vergnügen. rzr desto mehr wird im Gemüthe vorgestellt; desto größer ist die Befriedigung des Triebes. 17) So wohl beym Empfinden als beym Denken verhält sich also das Gefühl der Vefriedigung des Triebes, wie das Produkt aus der Starke und Leichtigkeit der Beschäftigung des Vorsiellungsver- mögens. §. 2. Objektiver Gesichtspunkt. ,/Des Carres *) war der erste, der darauf gekommen, eine Sacherklärung von dem „Vergnügen zugeben. Erfand, daß wir einen „Gegenstand als etwas in seiner Art vollkomm- „nes ansehen müßten, wenn er uns Lust gewähren sollte," (das heißt nach der von einem berühmten Schriftsteller angenommenen Worterklärung) „wenn wir die Vorstellung davon sollen S 5 „lie- *) Mendelssohn Briefe über die Empfindungen Anmerkung 6. LZr Ueber die bisherigen Begriffe „lieber haben, als nicht haben wollen. Dieses „ist die allgemeinste Formel —- die alle besondere Falle in sich schließt." — Ja wohl Formel! aber weder Sacherkläruug noch allgemeinste Formel. Denn die Formel: „Vergnügen „ist Gefühl der Befriedigung des Triebes nach ^Vorstellungen" ist doch eben so allgemein» Indessen dürste wohl niemand, der sich je im Ernste die Frage vorgelegt hat: welches ist die allgemeinste Eigenschaft oder Beschaffenheit an den Gegenständen, die uns Vergnügen gewähren? Die Cartesianischc Antwort verfehlen. Meines Wissens ist man auch m der Hauptsache durchgängig darüber einig. Desto weniger aber ist ma'.is über die gewiß nicht unbedeutende Frage: Welche Art von Vorstellung der Vollkommenheit ist dem Vergnügen wesentlich? Muß die Vollkommenheit des Gegenstandes immer nur cmpfu irden werden; oder giebt es auch ein Vergnügen, bey welchem die Vollkommenheit nur gedacht würde? Die vom Vergnügen. 283 Die bisherige Philosophie hatte nämlich die Sinnlichkeit entweder für eine bloße Eigenschaft der Organisation, oder zwar für ein Vermögen eines Geistes erklärt, aber auch nur für ein solches Vermögen, welches der geistigen Seele lediglich durch ihre Verbindung mit dem Leibe zukäme. Die Sinnlichkeit ist dem Spi- ritualisten kein besonders, vom Verstände verschiedenes, Vermögen des Gemüthes, sondern eine bloße Einschränkung des Verstandes durch den Körper, und sie ist ihm nur dadurch von dem Verstände unterschieden, daß sie eine und eben dieselbe Vorstellung verwirret, die der Verstand verdeutlichet. Eine mehr oder weniger klare, aber in ihren Merkmahlen verworrene Vorstellung von einem Gegenstände erhalten, heißt in jenem Systeme E in psinden, diese Vorstellung in ihre einzelne Merkmahle auflösen —- Denken. Die Frage: Ist die Vorstellung der Vollkommenheit beym Vergnügen wesentlich sinnlich, oder r 84 Ueber die bisherigen Begriffe oder kann sie auch intellektuell seyn? hatte in der Leibnitzischen Philosophie folgenden Sinn: Muß die Vollkommenheit, in so ferne sie Vergnügen gewahren soll, (in einer verworrenen Vorstellung) empfunden werden? oder kann sie auch ohne daß ihre Wirkung, das Vergnügen, dadurch verlohren gehe, (in einer deutlichen Vorstellung) gedacht werden? Wolf antwortet hierauf:*) „Das Vergnügen und das Mißvergnügen entstehen „aus einer undeutlichen Vorstellung der Vollkommenheit oder Unvollkommcnhcit. Denn „beyde entstehen sogleich als wir eine Vollkom- „mcnhcit oder Unvollkommenheit an einem vorgestellten Dinge anschauen, wie jeder an sich „selbst aus der Erfahrung weiß. Da nun diese „anschauende Erkenntniß erst dann deutlich wird, „wenn wir unsre Aufmerksamkeit nach und nach „von der Vorstellung des Ganzen auf die Vor- „stelluugen der einzelnen Merkmahle desselben „übcr- ) ktycbol. Lmx. tz. ZZ6. vom Vergnügen 285 „übertragen: so ist es klar, daß die deutliche „Vorstellung der Vollkommenheit keinesweges „zum Vergnügen gehöre" — weil das Vergnügen bereits vor der Deutlichkeit vorhanden war, und wirklich in eben dem Verhältnisse abnimmt, als diese Deutlichkeit zunimmt. Mendelssohn findet diese Erklärung für ihren Gegenstand viel zu enge. Er glaubt, das bloß geistige Vergnügen, welches seiner Meynung nach aus der deutlichen Vorstellung der Vollkommenheit entsteht, würde dadurch aus der Gattung des Vergnügens ausgeschlossen, und erweiset mit vielem Scharfsinne, daß man den Grund des Vergnügens keineswegs in der Dunkelheit und Verworrenheit (in keiner Un- vollkommenhcit der Vorstellung), sondern in der Vorstellung der Vollkommenheit überhaupt, nicht in der Beschränkung, sondern in der positiven Kraft des Gemüthes suchen müsse. Da er aber gleichwohl nicht laugnen kann, daß bey jedem auch noch so geistigen Vergnügen die Voll- kom- 2§6 Ueber die bisherigen Begriffe kommenheit des Gegenstandes im Augenblicke des Genusses nicht gedacht, sondern empfunden, oder welches ihm dasselbe heißt, nicht deutlich sondern nur undeutlich vorgestellt werden müsse: so glaubt er, daß diese unvermeidliche Undeutlichkeit beym Vergnügen eine bloße Folge der Einschränkung sey, in welcher sich unsre Seele während ihrer Verbindung mit dem Körper befinde» Diesem zufolge unterscheidet er zwischen dem Vergnügen an Vollkommenheit, und Vergnügen anSchönheit. „Die Gleichheit, das Einerley im Mamüchfaltigen, ist ein „Eigenthum der schönen Gegenstände. Sie müssen eine Ordnung, oder sonst eine Vollkommenheit darbieten, die in die Sinne fallt, und „zwar ohne Mühe in die Sinne fällt. Wenn „wir eine Schönheit fühlen wollen, so wünschet „unsre Seele mit Gemächlichkeit zu genießen» „Die Sinne sollen begeistert seyn, und von ihnen „soll sich die Lust auf die müssige Vernunft aus- „brei- vom Vergnügen. 287 freiten. ^— -Was folget hieraus? Daß das „Vergnügen «n Schönheit, an der Einheit inr „Mannichfaltigcn, bloß unsrem Unvermögen zur „zuschreiben sey. — Und so hat der Schöpfer „kein Wohlgefallen am Schönen? — Ich. bc« „Haupte Nein! u. s. w. Ich komme zu dir, der „himmlischen, vortrefflichsten Vollkommenheit! „Nicht wie dich die Sinne fassen, wie dich die „Vernunft begreift!— Du gewahrst Mannich- „faltigkcit; aber kein Einerley imMannichfalti- „gen, keine Leichtigkeit der Beschäftigung; dickst geringeren Vorzüge überlässest dn deiner sinn- „liehen Nachahmerinn, der Schönheit, die „sich bis zum irdischen herunter lassen mag. „Du erforderst aber vernünftigen Zusammenhang, „Uebereinstimmung, Einhelligkeit. Aus einem „gemeinschaftlichen Endzwecke soll sich begreifen, „warum das Mannichfaltigc so und nicht an- „ders neben einand er ist u.ft w« Der Weltweite Muß sich hüten diese himmlische Venus mit „der irdischen, der Schönheit zu verwechseln: „diese beruht auf der Einschränkung, auf dem „Un> rzz Ueber die bisherigen Begriffe „Unvermögen; aber das Gefallen an der Ueber« „einstimmung des Mannichfalkigen gründet sich „auf positive Kraft der Seele." — Das endliche Resultat dieser Betrachtungen ist die vermeintliche Entdeckung einer dreyfachen Duelle des Vergnügens , deren verwirrte Gränzen Mendelssohn auseinander gesetzt zu haben glaubt: „Das Einerley im Mannichfalkigen oder dieSchö ritz ei t, die Einhelligkeit des Mannichfalti- gen oder die verständliche Vollkommenheit, undendlich dcr verbesserte Zustand unsrer Leibesbeschaffenheit oder die sinnliche Lust; welche als eine undeutliche oder lebhafte Vorstellung von der Vollkommenheit des Körpers kurz zuvor erklärt worden. Es war für Mendelssohn ausgemacht, daß jede sinnliche Vorstellung eine Verworrene, und die Sinnlichkeit nichts als Beschränkung der Vorstellenden Kraft sey, und diese Ueberzeugung lag seinem ganzen philosophischen Systeme, das nn wesentlichen das Leibnitzisch-Wölfische vom Vergnügen, 28 Y sche war, zum Grunde. Es war nicht weniger für ihn ausgemacht, daß jedes Vergnügen Vorstellung der Vollkommenheit sey. Er mußte Wölfen, der diese Vorstellung für eine sinnliche erklärt hatte, zugeben, daß selbst das geistigste Vergnügen, im Genusse nicht gedacht — nicht deutlich vorgestellt — sondern empfunden werde. Aber er konnte sich nicht entschließen, das Vergnügen überhaupt in der verworrenen Vorstellung bestehen zu lassen, und in so ferne für eine bloße Folge der Schranken der Vorstellenden Kraft anzuerkennen. Er unterscheidet daher beym Vergnügen die Vorstellung derVollkommenhcit, die er der positiven Kraft der Seele zuschreibt, von der Sinnlichkeit dieser Vorstellung, die er aus der Beschränkung der Seele durch ihre Verbindung mit dem Leibe herleitet, und nur so lange dauren läßt als wir uns mit dem Jrrdischen schleppen. Davon abgesehen, daß Mendelssohn durch diese Theorie das Vergnügen an der Schönheit, in wieferne Auswahl verui. Schrift. TH.I- T er Ueber die bisherigen Begriffe er dasselbe in verworrener Vorstellung von Voll- kommcnhcit bestehen läßt, mit dem physischen Vergnügen in Eine Klasse, ja so gar unter dasselbe , in so ferne herabsetzt als er dieses in der Vorstellung der Vollkommenheit des Körpers — jenes in der Vorstellung eines bloßen Einerley im Mannichfaltigcn — (dem Sprachgebrauch zum Trotz) bestehe» laßt — darf hier nicht unbemerkt bleiben, daß auch die vom Körper getrennten Geistcr^Lenen Mendelssohn auf Unkosten der Schönheit das Vergnügen retten will — beschrankte vorstellende Kräfte sind, und in so ferne der undeutlichen Vorstellung fähig seyn müßten, und daß man selbst in Geistern den Gedanken von Gefühl unterscheiden müsse, um ihnen Vergnügen einräumen zu können, welches sich auch selbst dann, wenn sein Gegenstand nur durch Dcnkkraft vorgestellt werden kann, nur als etwas gefühltes denken laßt. Die Behauptung Wolfs: daß das Vergnügen nur sinnliche Vorstellung der Vollkommenheit sey, ist vom Vergnügen. 29 r ist unstreitig wahr, und muß sich stink der nicht weniger wahren Behauptung Mendelssohns: daß das Vergnügen keine Folge der bloßen Beschränkung der Seele sey, vereinigen lassen. Sie werden wirklich dadurch vereinigt, daß man die den beyden Philosophen gemeinschaftliche unrichtige Erklärung der Sinnlichkeit, als des bloßen Unvermögens der vorstellenden Kraft aufgiebt, und dafür die Kantische Definition annimmt, welche die Sinnlichkeit für das von jedem endlichen Vorstellungsvermögcn schlechterdings unzertrennliche Vermögen afficirt zu werden, für die Ncceptivität des Gemüthes erklärt. So wie zu jeder Vorstellung Thätigkeit (Spontaneität) des Gemüthes gehört, durch welche aus dem bloßen Stoff zu einer Vorstellung wirkliche Vorstellung wird: eben so unentbehrlich ist zu jeder Vorstellung Empfänglichkeit (Recepkivität) des Gemüthes, welcher der Stoff zu einer Vorstellung, den die Thätigkeit zwar bearbeiten, aber doch nicht aus Nichts erschaffen kann, gegeben werden muß, L s Sinn- 2y2 Ueber dr bisherigen Begriffe Sinnlich si daher diejenige Vorstellung die durch das Afiecrtwerden der Empfänglichkeit des Gemüths entsteht, und in ihrer Beziehung auf das ^stellende Subjekt Empfindung, auf da; sie Vorgestellte Objekt 21 n schanung hcßt. Jedes vorstellende Wesen das sich der -soff zu den Vorstellungen der äußeren Objstp nicht erschaffen kann, folglich jeder endliche Zcist, muß eine solche Sinnlichkeit haben, md durch sie der Empfindung fähig seyn die vom Gedanken wesentlich verschieden folglich so wenig ein undeutlicher als ein deutlicher, sondern gar kein Gedanke ist. Eine Dorsielling ist undeutlich, in so ferne ihre Merkmahle (das in ihr enthaltene Mannigfaltige) ncht von einander unterschieden werden, sie st verworren, in wieferne ihre Merkmahle v n einander unterschieden werden könnten und Pisten, aber wirklich nicht unterschieden werde«. Jede verworrene Vorstellung vorn Vergnügen. 2 yz. lung ist undeutlich, aber nicht jede undeutliche ist verworren. Undeutlich ohne verworren zu seyn, ist jede Empfindung z. B. die Worsicl- lung von der rothen Farbe; verworren hingegen sind die gewöhnlichen Vorstellungen von Recht und Unrecht, die in der bisherigen spekulativen Philosophie angenommenen Vorstcl- lungsartcn von dem Erkcnntnißvermdge», und dcrgl. mehr. Jede Verworrenheit ist Folge eines Mangels in der vorstellenden Kraft, aber nicht jede Undcutlichkeit. Jeder Gedanke in wicfcr- ne erkläre Vorstellung seines ganzen Gegenstandes ist, muß undeutlich seyn, er mag übrigens schon einmal zergliedert (verdeutlichet) worden; oder noch nie zergliedert, folglich noch verworren seyn. Im ersten Falle geht zwar Deutlichkeit, successive Vorstellung der einzelnen Merkmahle (die Partialvorstcllung) vorher; aber so bald das Geschäft der Zergliederung, das logische Denken, vorüber ist, so L 3 bald 2y4 Ueber die bisherigen Begriffe bald nicht mehr bloß Theile, sondern das Ganze vorgestellt werden soll: müssen sich die Partialvorstellungen in die Totalvorstcllung auflösen, das successiv Durchlaufene muß zu- gleich aufgefaßt, die Vorstellung rnuß undeutlich werden. Aber jeder undeutliche Gedanke oder Begriff kann wieder deutlich werden. Nicht so die undeutliche Empfindung; sie ist keine durch Denkkraft zusammengesetzte Vorstellung und laßt sich daher auch nicht durch Denkkraft auflösen. Ihre Undeutlichkeitistin ihrem Wesen gegründet, ist keine Verworrenheit, kein Mangel, sondern Bedingung für diese Art von Vorstellung; keine Folge der Einschränkung, sondern eines besonderen Vermögens der Vorstellenden Kraft. In wieferne also jedes Vergnügen Empfindung einer Vollkommenheit seyn muß, in so ferne muß es auch undeutliche obwohl nicht verworrene Vorstellung seyn. Daß vom Vergnügen. 2^; Daß das Vergnügen bloße Beschaffenheit der Empfindung, und also der Nächste Gc^ ge» stai! d desselben immer die Empfindung selbst sey, daß der Genuß, oder das Bewußtseyn des Vergnügens, in dem Gefühle, d. h. in unmittelbarer Vorstellung der (mit dem Grundtricb einstimmenden) Empfindu n g bestehe — und daß die Verschiedenheit der Arten des Vergnügens von der Verschiedenheit der Objekte jener Empfindung abhänge, die nicht immer etwas an sich vollkommcncs zu seyn nöthig haben, um jene subjektive Vollkommenheit in der Empfindung zu veranlassen, die in der Einstimmung derselben mit dem Triebe besteht — diese und alle damit zusammenhangende Bemerkungen müssen dem Le ibn itzia ncr, der die Empfindung für einen verworrenen Gedanken halt, attfimmcr unverständlich bleiben. 2 96 Ueber die bisherigen Begriffe §. 3 . Einseitige Rücksicht auf die Thätigkeit des Gemüthe. Sulzerhat das Verzügen aus diesem Ger fichtspunktc betrachtet, un- seine Resultate in der bekannten Un tersuchuy g über den Urs sprung der angenehmen und unang es nehmen Empfindungcn "I aufgestcllr. Ich will versuchen seine Theorie in einen kurzen aber vollständigen Auszug zusammenzufassen, wobey ich so viel es möglich seyn wird, die Worte des Verfassers selbst beybehalten werde. Allgemeine Theorie des Vergnügens. r) Wir müssen zu dem Wesen der Seele hinaufgehen, wenn wir die erste Crundquclle alles Vergnügens entdecken wollen. 2) Das *) I- G. Sul;erS vermischte philosophische Schriften. AuS den Jahrbücher» der Akademie der Wissenschaften z» Berlin gesammelt. Leipzig, bey Weidmanns Leben und Reich. 177z. vorn Vergnügen. 297 2) Das Wesen der Seele besieht in ihrer natürlichen Thätigkeit, und diese in der Hcrvorbringung von Ideen (d.h. Vorstellungen Überhaupt), oder in der Kraft zudenken. 3) Ich werde diesen thätigen Grundtrieb als den Ursprung aller angenchmen und unangenehmen Empfindungen betrachten — denn ich gestehe, daß mir in der Theorie des Vergnügens weder Wolf noch Cartesius Genüge leisten. 4) Die natürliche Thätigkeit der Seele rühret von einer ihr inwvhnendcn Kraft, oder einem beständigen Bestreben zu denken her; findet diese Kraft ein Hinderniß, sich zu entwickeln — so entsteht Mißvergnügen. 5) So oft die Seele einen merklichen Grad der angenehmen Empfindung fühlen soll, so muß ihre ursprüngliche Vorstellungskraft zu einer lebhaften Wirksamkeit gereizt werden. T 5 6) Die 2y8 Ueber die bisherigen Begriffe 6) Die Seele wird vornehmlich durch zweyerley zu angenehmen, oder unangenehmen Empfindungen unmittelbar fähiger oder unfähiger: durch die Fertigkeit zu denken, und durch die Lebhaftigkeit; beyde befördern den glücklichen Erfolg der Wirksamkeit der Seele. 7) Die angenehme Empfindung läßt sich folglich nur durch solche Gegenstände erregen, die an Ideen (an Merkmahlen) reichhaltig, und worin diese Ideen (Merkmahle) so verbunden sind, daß die Seele voraussieht, sie werde Nahrung für ihren ursprünglichen Geschmackfinden. Jeder Gegenstand, welcher der intellektuellen Kraft der Seele keine Nahrung verspricht, muß ihr völlig gleichgültig seyn. 8) Kein Gegenstand, der die Seele auf eine angenehme und unangenehme Art bewegt, ist einfach; er ist nothwendig zusammengesetzt, oder mit andern Worten: er hajt Mannigfaltigkeit in sich. Der Unterschied der an vom Vergnügen.' 299 an sich selbst angenehmen oder unangenehmen Gegenstände kann nur in der Verbindung des Mannigfaltigen liegen. Ist Ordnung in dieser Verbindung — so wird der Gegenstand angenehm seyn a. s. w. Theorie des Intellektuellen Vergnügens. 9) Schönheit ist das Mannigfaltige auf Einheit zurückgebracht. Die bloße Menge der Theile macht nicht die Schönheit aus; es muß auch Mannigfaltigkeit und Verbindung darin seyn, durch welche ein Ganzes entsteht. 10) Dieß ist der Fall bey der in teilet tu eilen Schönheit, d. h. bey der Schönheit derjenigen Gegenstände die sich dem Verstände durch deutliche Begriffe darstellen. Die Schönheit geometrischer Lehrsätze, algebraischer Formeln, wissenschaftlicher Grundsätze, viel umfassender Systeme, besieht eben so, wie die Schönheit der Gegenstände der Einbildungskraft und der Sinne, in der Einheit des Mannigfaltigen Ueber die bisherigen Begriffe faltigen, und steigt im Verhältniß der Quan- tität des Mannigfaltigen und der Einheit. n) Alle diese Gegenstände stellen eine Menge von Ideen auf einmal dar, die durch das Band der Einheit so mit einander verbunden sind, daß der Geist dadurch im Stande ist, sie zu entwickeln, und alles verschiedene, daß in diesen Gegenständen liegt, auf einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt zurückzuführen. 12) Hieraus erkennt man, daß das Schöne nicht anders Vergnügen erweckt, als vermittelst des wirksamen Principiums in der Seele. Einheit, Mannigfaltigkeit, Uebereinstimmung der Theile, machen uns einen Gegenstand nur in so ferne angenehm, als sie auf die wirksame Kraft der Seele eine vorthcilhafte Beziehung haben. i 3 ) Die Beziehung, welche die Schönheit auf den Geist hat, ist daher nothwendig und mithin unveränderlich. Nur eine cinffgc vom Vergnügen. Z2l einzige Bedingung wird erfodcrt, wenn das Schöne seine Wirkung thun soll; man muß es kennen, und um es zu kennen, muß man in der Gattung, wozu es gehört, einigermaßen bewandert seyn, weil man sonst nicht gleich im Stande ist, das Schöne an einem Gegenstands zu fassen. (!) 14) Die Verschiedenheit des Geschmacks findet nur bey Unwissenden und Halbkennern statt, so wie der Skepticismus nur die verführt, die keine recht gründ» liche Wissenschaft der Vcrnunftleh- re haben. (?!) iz) Der Geschmack ist eine nothwendige Folge der Erkenntniß und Einsicht. Von dem sinnlichen Vergnügen. 16) Wir haben sinnliche Empfindungen, das heißt, starke und lebhafte Vorstellungen von gewissen Dingen, die durch Bewegungen, welche ZQ2 Ueber die bisherigen Begriffe welche sie unsern sinnlichen Vergnügen eindrükr ken, solche in uns zu erwecken scheinen. 17) Ich nehme als Grundsatz an, daß die Seele ohne eine analogische Bewegung in den Nerven der Sinne keine sinnliche Empfindungen habe. r8) Die ganze sinnliche Empfindung ist aus einer großen Menge augenblicklicher Empfindungen zusammengesetzt, die so schnell auf einander folgen, daß darüber die Augenblicke der Zeit, die zwischen zwey Schlägen verstreichen , nicht bemerkt werden. 19) Ich theile die Empfindungen in Einfache und Zusammengesetzte ein. Einfach nenne ich diejenigen, die durch wiederholte Eindrücke von gleicher Starke verursacht werden; zusammengesetzt aber die verschiedene zu gleicher Zeit geschehende Eindrücke hervorbringen. 20) Bey den einfachen Empfindungen ist zwcyerley zu unterscheiden; nämlich erstens die äugen- vom Vergnügen. ZDZ augenblicklichen Eindrücke an sich selbst, und zweylens die Beschaffenheit ihrer Folge. 21) Ich will die Empfindung, welche die Seele von einem augenblicklichen Eindrucke hat, Moment der Empfindung nennen. Diese Momente können durch nichts als ihre Stärke verschieden seyn; und weil die Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit nicht von der Starke der Empfindung abhängt, so können diese Momente zur Erklärung des Vergnügens nichts helfen. 22) Es kann also hier nur die Beschaffenheit der Folge der einzelnen Momente in Betrachtung kommen, und diese ist entweder ein» formig oder mannigfaltig. 23) Einförmig nenne ich diejenige Empfindung, wo die Eindrücke, welche die Mrvcrr empfangen, beydes in gleichen Intervallen und Mit gleicher Stärke auf einander folgen. 24) ZO4 Ueber die bisherigen Begriffe 2 4) Diese emformigen Empfindungen müssen der Seele nothwendig angenehm seyn, eben deswegen weil sie regelmäßig sind/ weil sie Einheit im Mannigfaltigen d. i. Schönheit haben. 25) Mannigfaltig nenne ich diejenigen/ wo die Eindrücke in ungleichen Zwischenzeiten auf einander folgen/ oder wo zwar die Folge in Absicht der Zwischenzeiten gleichförmig / aber in Absicht der Stärke der Momente mannigfaltig ist. 26) Es ist klar/ daß diese Empfindungen nach Beschaffenheit (Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit) der Mannigfaltigkeit angenehm oder unangenehm seyn müssen. 27) Aus dem bishergcsagteu folgt eben so einleuchtend: daß die zusammengesetzten Empfindungen angenehm sind / wenn die verschiedenen Folgen augenblicklicher Eindrücke/ woraus die ganze Empfindung besteht/ ein regelmäßiges Ganzes ausmachen/ und daß sie unaiv vom Vergnügen. ZOZ unangenehm sind, wenn sie das Gegentheil thun. 28) Wir hätten also die Vergnügungen der Sinne auf eben die Grundsätze zurückgebracht, aus welchen sich die Vergnügungen der Einbildungskraft und des Verstandes herleiten lassen. Von dem moralischen Vergnügen. 29) Niemand würde tugendhaft seyn, wenn In der Tugend nicht Vergnügen läge. Den Ursprung des moralischen Vergnügens angeben, heißt also eben so viel, als den Grund der Tugend selbst bestimmen. 32) Die Gegenstände, die moralische Vergnügungen hervorbringen, haben das alle mit einander gemein, daß sie auf die Glückseligkeit irgend eines verständigen Wesens abzielen. 31) Der moralische Gegenstand muß also die Thätigkeit der Seele, die die wahre Quelle Auswahl »erm. LchM. Lh, l- u aller .^6 Ueber die bisherigen Begriffe aller angenehmen Empfindung ist, vollkommen ner machen, und erleichtern. 32) Hiezu giebt es zweycrley Mittel; daß erste ist der Seele die nöthigen Ideen zu verschaffen, an denen sie ihre Wirksamkeit üben könne; das zweyte, die Hindcrnisse hinwegzuräumen, die ihre -Wirkung einschränken und aufhalten. 33) Die moralischen Gegenstände, die sich auf unsre eigene Glückseligkeit beziehen, stellen uns die Idee einer Sache dar, die die natürliche Thätigkeit unsrer Seele zu erleichtern ab- zweckt. — Indem sich die Seele einen solchen Gegenstand vorstellt, so befaßt sie zugleich in dieser Vorstellung die Menge von Vergnügungen, die er ihr auf die Zukunft vcrsoricht, sie erwägt, sie u. s. w. Dieß Vergnügen wird daher gerade so wie das intellektuelle hervorgebracht. 34) Wenn ich beweisen kann, daß die Glückseligkeit anderer auf uns ähnliche Wirkung thun vom Vergnügen. ZV7 thun muß, als unsre eigene, so ist zugleich bewiesen, daß der moralische Gegenstand, der sich auf audrer Glück bezieht, die angenehme Empfindung auf eben die Weise bewirkt, als derjenige, der unser eigenes angeht. 3Z) Weil die Idee eines Guts oder Uebels eben die Eindrücke auf uns macht, als das Gute oder Uebel selbst, das sich auf unsre Glückseligkeit bezieht, so ist deutlich, daß auch das Gute anderer Menschen vermöge seiner Natur angenehme, und das Uebel unangenehme Empfindung jn uns erregen müsse. 36) Ich glaube also den Ursprung alles Vergnügens deutlich in meiner Seele zu lesen, um einzusehen, daß alle Arten desselben aus einerley Quelle, nämlich aus der Thätigkeit der Seele entspringen, die überhaupt das Wesen eines denkenden Geistes ausmacht. Prüfung dieser Theorie. Das eigenthümliche Verdienst, wodurch sich die Sulzcrische Theorie von den beyden, U 2 die Zvz Ueber die bisherigen Begriffe die wir vorher betrachtet haben, unterscheidet, besteht darin, daß sie gewissermaßen beyde vereiniget , indem sie die einzelnen Gesichtspunkte, von denen jede derselben ausging (den subjektiven und objektiven), in einen einzigen zusammen faßt. Sie löset sich vollständig in folgendes Resultat auf: „Alle Arten des Vergnügens lasse» sich (subjektiv) auf erleichternde und befördernde Thätigkeit des Vorstellnngsvcrmö- gcns zurückführen, und werden (objektiv) Lurch Gegenstände erzeugt, welche durch die auf Einheit zurückgebrachte Mannigfaltigkeit ihrer Merkmahle die Thätigkeit des Gemüths stark und ohne Anstrengung beschäftigen. Sulzer nennt diese seine Erklärung des Vergnügens an mehr als einer Stelle eine Ent- d ccku NZ, und ich will ihr diesen Namen eben nicht streitig machen, ob ich gleich gestehen muß, daß ich cS für kein Meisterstück des Scharfsinns halten kann, wenn ein Philosoph, der das Vergnügen bereits von seinen Vorgängern als Folge vvm Vergnüg»». Zo- Folge der leichten und starken Beschäftigung des Vorstellungsvcrmögens, und als Borstest lung der Vollkommenheit (der Einheit des Man- Nichfalrigen) erklären hörte, auf den Gedanken geräth, daß durch das Mannjchfaltigc im Objekte die Thätigkeit im Subjekte verstärkt, und durch die Einheit erleichtert werden müsse, wen» Vergnügen entstehen soll. Ich weiß nicht, warum Sulzer die von seinen Vorgängern gebrauchten Ausdrücke: starke und leichte Beschäftigung und Vollkommenheit, mit einer so auffallenden Sorgfalt, ich möchte fast sagen mit sichtbarem Zwange, in seiner Abhandlung vermieden hat. Aber es ist einleuchtend daß seine Theorie durch diese Vermeidung der alten angenommenen Benennungen keineswcgcs an Neuheit der Gedanken gewonnen , sondern vielmehr an Bestimmtheit des Inhalts, und Präcision des Vertrags verlohnen habe — denn jene Benennungen, wären für das, was Sulzer sagen wollte, die eigenthümlichsten gewesen. U 3 Im zio Ueber die bisherigen Begriffe Im H. 8. wird die Beschaffenheit des Ger genstandes, welche den Grund des Vergnügens enthält, Mannichfaltigkeit, und Ordnung in derVerbindung des Mannichr faltigen, tz.9. das Mannichfaltige auf Einheit zurückgebracht, §.26. Regelmäßigkeit des Mannichfaltige» in der Empfindung genannt; ja sogar(S.29 der Abhandlung selbst) wird diese Ordnung, Einheit, Regelmäßigkeit u. s. w. für Ueber- einstimmnng des Mannichfaltigcn, und also im eigentlichsten Sinne für dasjenige erklärt, was dem philosophischen Sprachgebrauchs zufolge durch das Wort Vollkommenheit bezeichnet wird. Gleichwohl wählt unser Verfasser lieber das Wort Schönheit dafür, weil man „darüber einig sey, daß die Schönheit, Einheit im Mannichfaltigen sey." Er wählt es, ohne dabey bedacht zu haben, daß jeder Gegenstand des grobsinnlichen Vergnügens ebenfalls nur durch Einheit im Man- uichfaltigen seine Wirkung thue, und daß diese Ein- vorn Vergnügen. Zu Einheit des Mannichfalligcn die bey dieserArt von Vergnügen nicht außer den Organen wahr- genommen wird, zwar eine Vollkommenheit des körperlichen Zustandes, aber in keinem Sinne Schönheit heißen könne. Noch größere Unbequemlichkeiten zeigen sich bey dem Worte Thätigkeit, dem S., so oft bvm subjektiven Grunde des Vergnügens die Rede ist, immer vor dem Worte Beschäftigung den Vorzug giebt. Die französischen Philosophen welche das Vergnügen gemeiniglich aus dem subjektiven Gesichtspunkte betrachteten, bedienten sich des Wortes Beschäftigung (Occupsrion z. B. lVi 6»s, und Lxorei'ce z. B. rouxll^) offenbar darum, weil dasselbe seiner zugleich aktiven und passiven Bedeutung wegen vorzüglich geschickt ist, das was beym Vergnügen im Gemüthe vorgeht, die rege Thätigkeit sowohl als die afficirte Empfänglichkeit, in Einen Begriff und Ausdruck zusammen zu U 4 fassen z l 2 Ueber die bisherigen Begriffe fassen *), und den Zustand des sich beym Vergnügen leidend verhaltenden Gemüthes auf eine Art anzudeuten, durch welche gleichwohl die dar bey mitwirkende Thätigkeit nicht ausgeschlossen wird. Snlzers Ausdruck bezeichnet bloß die letztere, und schließt den ersten (den sich leidend verhaltenden Zustand), der bey jedem Vergnügen wesentliche Bedingung ist, aus. „Die Absicht unsers Verfassers" (höre ich hier einen Freund der Sulzerschen Hypothese gegen mich einwenden) „war, in seiner Abhandlung den eigentlichen Grund des Vergnügens überhaupt anzugeben, und denselben durch alle beson- *) U esk kre'ils äs cancsrvoir comment Iss trsvsux äu corps, meine csux hui seinblent äsmsnäer le moins ä'spplicsrion, ns leirsenc p->s ä'occupsr I'sine. Ho'rs äs ces occLsions, eile ns senroic ecrs occupes yu'sn äeiix manisrss. On I'nme ss Ilr-rL nnx im^>ressions> <)ue les odjels exterlsuri» kont sur eile, st c'esc es c^u'on sppells, on dien eile 1'encreüent eile meme per äes specn. tsrions ecc. er c'sl-r es ^n'on spxslle >-e/!ec/ri>. Li-it. 2". t. §ccr, L. vom Vergnügen. 3l3 besonderen Arten des Vergnügens in der Anwendung za zeigen; keineswegs aber sich in die Aufzählung und Erörterung aller zum Vergnügen gehöriger Bedingungen einzulassen. Indem er nun jenen Grund in der Thätigkeit der Vorstellungskraft aussucht und angiebt, schließt er darum die äußeren Bedingungen die zumal bey gewissen Arten von Vergnügungen wesentlich find, so wenig aus, daß er sie vielmehr bey jeder Veranlassung ausdrücklich anführt, wie sich jeder Leser durch eine noch so flüchtige Durchsicht der Abhandlung überzeugen kann." Wesentlich zum Vergnügen gehören, kann bey der Frage über den Grund des Vergnügens zwcyerley heißen: entweder mit dem Vergnügen als äußere oder als innere Bedingung verknüpft seyn. Diese Unterscheidung kann nur so lange eine unnütze Subtilitat scheinen, als ihr Sinn nicht gehörig geftißt ist. Von denjenigen Bedingungen, die nur gewissen Arten des Vergnügens: Z. P. entweder U 5 dem ZI4 Ueber die bisherigen Begriffe den: Sinnlichen oder dem Intellektuellen eigens thümlrch und ausschließend zukommen , kann gar nicht die Rede seyn, wo die Frage den eigentlichen Grund des Vergnügens überhaupt betrifft. Aber auch das vorstellende Subject und das vorgestellle Objekt, ohne welche sich freylich das Vergnügen nicht denken laßt, können bey der Beantwortung jener Frage nur als solche Bedingungen in Betrachtung rommen, die außer dem Vergnügen selbst liegen, und welche von denen genau unterschieden werden müssen die in jedem Vergnügen selbst vorkommen, die Natur desselben ausmachen, und folglich allein die eigentlichen konstitutiven Gründe des Vergnügens sind. Ich hoffe, ohne meine Leser in einen großen Aufwand von Anstrengung ihrer Denk- kraft zu setzen, im Folgenden zu zeigen, daß Eulr zer und seine Anhänger die äußeren und inneren, die eigentlichen und uneigcrulichen, die veranlassenden und konstitutiven Gründe des Vergnügens ziemlich unphilosophisch durch einander geworfen- und nur durch die Herbcyziehung der erster» vom Vergnügen. 3^5 erstem die ungeheure Lücke bedeckt habe»/ die an der von ihnen versuchten Erklärung der letztem, auf welche es doch allein ankam, zurückgeblieben ist. Indem nämlich S. die merkwürdigsten Gegenstände des Vergnügens scharfsinnig genug zergliedert, und an denselben das Vermögen die Thätigkeit der? vorstellenden Subjektes stark und leicht zu beschäftigen, sichtbar gemacht hat, glaubte er, und seine Leser glaubten es mit ihm, daß er seinen Hauptsatz: der eigentliche Grund des Vergnügens liege in der Thätigkeit des VorstellungSvcrmögcns— ein Satz der aufs höchste nur halbwahr ist — apodiktisch erwiesen habe. Seine Untersuchung geht gleich anfangs von einem nur halbwahrcn Grundsätze aus, nämlich daß das Wesen der Seele in der natürlichen Thätigkeit derselben bestehe. Die Thätigkeit der Seele (das Vermögen Vorstellungen hervorzubringen) ist ohne Empfänglichkeit (Vermögen «fftcirt zu werden) bey jedem Wesen dem der Zl6 Ueber die bisherigen Begriffe der Stoff seiner Vorstellungen gegeben werden muß, weil es denselben nicht erschaffen kann, ein Unding, und macht nur in unzertrennlicher Verbindung mit dieser Empfänglichkeit das Wes sett des Vorstcüungsvcrmvgens aus. Man kann mir nicht einwenden, S. habe mit dem Worte Thätigkeit der Vorstellungskraft, das Vorstellungsvcrmögen überhaupt, Empfänglichkeit und Thätigkeit desselben zusammengenommen , bezeichnen wollen. Denn er erklärt ja ausdrücklich die beym Vergnügen überhaupt beschäftigte Thätigkeit für die Kraft zu denken, die intellektuclleKraft, undcrwahnt der Sinnlichkeit, worunter er das Vermögen vermittelst der Organe afficirt zu werden, nicht die Empfänglichkeit des Gemüths überhaupt, nicht das Vermögen Stoff zn Vorstellungen zu empfangen, versteht, erst haun, wenn er von einer besondern Art des Vergnügens, nämlich dem Sinnlichen, spricht. Es vom Vergnügen. 3 ^ war ihm freylich unmöglich, das letztere Vermögen vvm Gemüthe ganz und ausdrücklich auszuschließen; allein der wesentliche Antheil, den es an jeder Vorstellung hat, war ihm , so wie die Natur desselben, ganz unbekannt. Da- her heißt ihm das Denken bald überhaupt Vorstellungen haben, und folglich auch empfinden; bald Vorstellungen hervorbringen, und folglich auch urtheilen und schließet«. „So oft die Seele einen merklichen Grad der „angenehmen Empfindung fühlen soll, so muß „ihre ursprüngliche Vorstellungskraft zu einer „angenehmen Wirksamkeit gereizt werden." Hier ist nun freylich von angenehmen Empfindungen , vom Fühlen, das doch nicht schlechtweg Denken heißen kann, die Rede; und es bleibt in diesem Aphorism unausgemacht, ob die lebhafte Wirksamkeit, oder das Gcreiztwcr- den, die afficirte Sinnlichkeit, oder die mitwirkende Denkkraft, den constitutivcn Grund, die innere Bedingung des Vergnügens abgeben soll. Z l 8 Ueber die bisherigen Begriffe soll. Die ganze Abhandlung ist damit beschäff- tigct, diesen Vorzug der Thätigkeit der intellektuellen Kraft einzuräumen. Aber ist die eigentliche Wirkung dieser Thätigkeit Gedanke? oder Empfindung? und ist nicht jedes Vergnügen ein Prädikat der Empfindung? wird es nicht selbst von S. angenehme Empfindung genannt? Sulzer beginnt die Anwendung seines Grundsatzes „das Vergnügen bestehe in der erleichterten und beförderten Thätigkeit des Vor- siellungsvcrmögcns" mit der Zergliederung des intellektuellen Vergnügens, bey welchem man die intellektuelle Kraft als die eigentliche Ursache annehmen muß."— Damit hat er sich zwar seine Arbeit erleichtert, aber gewiß auch den Beyfall seiner denkenden Leser erschwert. Diesen dürfte es wohl eben so wenig darauf ankommen , zu wissen, daß das intellektuelle Vergnügen seinen Grund in der Thätigkeit des Gemüthes, als daß das sinnliche den Seinigcn in der vom Vergnügen, 319 der Thätigkeit äußerer Gegenstände und Organe habe. Hingegen muß ihnen vor allen daran gelegen seyn, zu erfahren, wie Sicher das sinnliche Vergnügen aus der intellektuellen Kraft ableiten würde. Sie mögen daher, um ihre gerechte Ncugierde zu befriedigen, den Abschnitt von dem sinnlichen Vergnügen mit uns zuerst vernehmen. Man wird in demselben bis zum Ueberflus- se gewahr, wie sehr S. selbst eingesehen habe, daß beym sinnlichen Vergnügen mehr empfunden als gedacht werde. — Um so unbegreiflicher wird es daher, wie ihm seine Behauptung, „das Vergnügen, das sinnliche nicht ausgenommen, habe seinen eigentlichen Grund in der Thätigkeit des Gemüthes," bey so auffallenden Veranlassungen nie verdächtig wurde. Was wäre denn nun diese Thätigkeit, diese intellektuelle KraftB. bey den Gefühlen der Geschlechtslust? Bestandtheil? oder Ursache? Oder in welchem auch nur denkbaren Sinne wäre Z2o Ueber die bisherigen Begriffe wäre sie hier eigentlicher Gmnd des Vcrgnw gens? Oder soll die unlaugbar starke Bcschäffs tigung des Vvrstellungsvcrmögcns beym sinnli- chen Genusse durchaus verstärkte Thätigkeit heißer», o! so müßte das Fühlen, Empfinden, Genießen, ganz aus der Sprache verbannt werden , und man würde das Vergnügen — z. B. einer guten Mahlzeit, nicht zu empfinden, sondern zu denken haben. In der That würde man der Sulzcrschen Theorie zu folge weit mehr seine Rechnung dabey finden, wenn man seine Mahlzeit im eigentlichsten Verstände bloß dächte, als wenn man sie wirklich genösse. Der Dichter, der sich einen Göttcrschmaus bis auf die kleinsten Umstände lebhaft zu denken weiß, setzt damit sei» m intellektuellen Kräfte weit mehr in Thätigkeit, als es die üppigste Mahlzeit beym größten Hunger thun könnte. Es ist wirklich seltsam genug, daß unser Philosoph nicht selbst auf den Einwurf gerathen vom Vergnügen. Z2k chen ist , daß seiner Theorie zufolge die intellektuellen Vergnügungen ungleich stärker seyn müßten als die Sinnlichen. Die Thätigkeit dks Gemüths, seiner Meynung nach, die einzige Quelle des Vergnügens, ist bey den intellektuellen Vergnügungen offenbar am meisten beschäftiget, während bey den Sinnlichen eben der Umstand, daß das Gemüth dabey starker afficirt wird, die Thätigkeit desselben auf eine Zeitlang beynahe ganz aufhebt. Gleichwohl wird die größere Stärke des sinnlichen Vergnügens von ihm selbst ausdrücklich behauptet; ;a er trägt sogar kein Bedenken S. 74. zu schreiben: „die sinnlichen Vergnügungen sind die Körper, und die intellektuellen die Schotten von diesen Körpern!" — „Aufs wenigste aber wird man Sulzern zugeben müssen, daß die intellektuellen Vergnügungen Wirkungen der Thätigkeit des Gemüthes sind?" — Allerdings! allein sie können es doch nicht mehr, und nicht weniger, und in . Auswahl verni. Schrift. Lh. l. L Z22 Ueber die bisherigen Begriffe keinem andern Sinne seyn, als die sinnlichen Vergnügungen Wirkungen der Thätigkeit der äußeren Gegenstände sind. Thätigkeit gehört freylich zu diesen beyden Gattungen des Vergnügens , äußere zu der sinnlichen und innere zu intellektuellen; aber diese Thätigkeit ist darum keineswegs das Vergnügen selbst. Sie schasst den Gegenstand des Vergnügens herbey ; aber, wer wird behaupten, daß die Natur, der eigentliche Grund des Vergnügens selbst, in derjenigen Kraft liege, die den Gegenstand dazu herbeyschafft? Dieser eigentliche und innere Grund kann nicht in dem Afficiercndcn, sondern nur in den Meierten; nicht in der Thätigkeit, sondern nur in der modificirtenEmpfänglichkeit; nicht in der intellektuellen Kraft, sondern nur im sinnlichen Vermögen; nicht im Denken, sondern nur im Empfinden liege». Der Moment, wo auch der kalte bedachtliche Mathematiker bey seinen Zahlen und Linien in Wonne schwimmt, tritt erst dann ein, wenn er die lange Kette von Schlüssen, die das Werk seines vom Vergnügen. 323 seines thätigen Seines ist, mit Einem Bücke überschaut, wenn die Thätigkeit ihr Geschäft vollendet hat, die Empfänglichkeit von dem schönen Ganzen auf einmal afficirt wird, der thätige Zustand des Gemüthes in den sich leidend verhaltenden, das Denken in Empfinden, die Arbeit in Genuß übergeht. Am allerwenigsten können wir Sichern in seiner Erklärung des moralischen Vergnügens bcytretcn. Den Grundsatz, den er bey derselben durchgängig voraussetzt, und gleich anfangs ausdrücklich vvranschicket: nämlich, „daß niemand tugendhaft seyn würde, wenn nicht in der Tugend Vergnügen läge," ist ebenfalls nur halbwahr. Er ist wahr, in wie ferne er nicht mehr und nicht weniger bedeuten soll, als: die moralische Gesinnung würde den Menschen in Rücksicht auf ihre sinnliche Natur unerreichbar seyn, wenn nicht Vergnügen mit ihr als natürliche Folge verbunden wäre. — Er ist aber grundfalsch, in wie ferne durch ihn behauptet wird, die moralische Gesinnung wa- X s re Z2ch Ueber die bisherigen Begriffe re den Menschen schlechterdings und folglich auch in Rücksicht auf ihre vernünftige Natur unerreichbar, wenn nicht das Vergnügen als der Grund und als Triebfeder guter Handlungen wirksam wäre. Die Rücksicht auf das aus der Tugend zu schöpfende Vergnügen zerfrört nicht nur etwa den höhern Werth, und das Verdienst der Tugend, sondern auch die ganze Würde, die das Wesen derselben ausmacht, und die ich mir nur durch die Reinheit, beabsichtigte Gesetzmäßigkeit, und völlige Uneigennützig» kcit des Willens denken kann. Und eben hier ist es, wo sich die Wichtigkeit eines bestimmteren Begriffes vom Vergnügen, als diejenigen, womit wir uns bisher be- holfen haben, in ihrem stärksten Lichte zeigt. Man ist darüber einig, daß die Moralität in der eigentlichen Sclbstthätigkcit des Geistes bestehe, und in demselben ein von der Sinnlichkeit unabhängiges Vermögen (Freyheit) voraussetze, ein Vermögen der bestimmenden Wirkung sinnlicher Eindrücke auf den Willen durch Vernunft vorn Vergnügen. 325 nünst zu widerstehen. Wüßte man nun / daß Las Wesen des Vergnügens überhaupt (der Gattung und sogleich auch aller Arten) durchaus nicht in der Selbstthätigkeit, sondern lediglich in der afficirtcn Empfänglichkeit (der Sinnlichkeit) läge, folglich daß der Mensch nur durch seine Sinnlichkeit des Vergnügens fähig, und daher auch jedes noch so geistige Vergnügen eine nur bloß sinnliche Triebfeder wäre; wie könnte man sich dann noch, auch nur im Traume, einfallen lassen, das Vergnügen zur Triebfeder der Moralität, die afficirle Sinnlichkeit zum Beweggrund der von der Sinnlichkeit unabhängigen Sclbstthätigkeit zu machen, die Kraft, durch welche die Sinnlichkeit bestimmt werden soll, durch die Sinnlichkeit bestimmen, und die erhabene Gesinnung, die für ihre Aufopferungen jeden Lohn verschmäht, aus dem Triebe nach Vergnügen, dem Bedürfnisse der sinnlichen Natur , entstehen zu lassen? -— Der Streit zwischen den kritischen Philosophen und ihren Gegnern über den Begriff der X 3 Mo- Z26 Ueber die bisherigen Begriffe Moralität wird sich nur dann erst völlig befriedigend entscheiden lassen, wenn die Frage über den inneren Grund, des Vergnügens aufs Reine gebracht ist. Dann wird sichs zeigen, daß die bloße Gesetzmäßigkeit der Handlung, ohne Widerspruch, Zweck des menschlichen Willens seyn könne, in so fern derselbe durch Vernunft, und daß dieser Zweck auch das Vergnügen, in so ferne der Wille durch Sinnlichkeit bestimmbar ist; und daß das höchste Gut, welches aus diesen beyden vereinigten Gegenständen des menschlichen Willens besteht, zwar Glückseligkeit heißen könne, aber nur in wie ferne her bloße Zustand angenehmer Empfindungen durch Sittlichkeit zu der Würde erhoben wird, die dem Begriffe menschlicher Glückseligkeit eigenthümlich ist: einer Glückseligkeit, die zwar wesentlich aus angenehmen Empfindungen, aber eben so wesentlich auch aus solchen besteht, die nicht Zwecke, sondern nur Folgen der vernünftigen Gesinnung sind. Gesetzt auch, die auf Naturnvchwendig- keit vom Vergnügen, 327 feit gegründete Einrichtung der Sinncnwelt selbst brächte es nicht schon mit sich, daß jeder bloß kluge Mann, jeder moralische Egoist, jeder , der bey allen seinen Handlungen sein auch noch so verfeinertes Vergnügen zum Zweck hat, seine bea bsichtigte Glückseligkeit (den bloßen Zustand angenehmer Empfindungen) um so gewisser verfehlen muß, je eifriger er derselben nachstrebt: so würde dennoch, wenn auch das äußere Glück die eigennützigen Wünsche des Egoisten noch so sehr unterstützte, schon in seiner Vernunft selbst eine rrre versiegende Quelle peinlicher Unzufriedenheit mit sich selbst liegen, die ihm seinen Genuß wenigstens im Ganzen genommen, und in den nüchternen Augenblicken seines Lebens verkümmern müßte. Je größer seine intellektuelle Kraft ist, und je mehr er dieselbe zum Mittel des Vergnügens macht, desto schwerer muß es ihm werden, die Stimme der Vernunft, die seinen Handlungen allen Werth abspricht, seinen Genuß mißbilliget und seinen ganzen Lebensplan verwirft, zu übertäuben. Wer nichts als sein X 4 Der- Z2 z Ueber die bisherigen Begriffe Vergnügen (wars auch in dem Vergnügen eines andern, oder der ganzen Menschheit) beabsichtiget, der wird wohl zuweilen von Glück, aber nie von Glückseligkeit im strengen Sinne pes Wortes sprechen können. §« 4 » Einseitige Rücksicht auf die Empfänglichkeit des Gemüthes. Helvctius ist weder der Erste, noch der Einzige, welcher alle Fähigkeiten des Gemüthes, und folglich auch das Vermögen angenehmer und unangenehmer Empfindungen, von dem, was er für die Sinnlichkeit hielt, nämlich von der in der Organisation vorhandenen Empfänglichkeit, einzig und allein hergeleitet wissen wollte. Er hatte unter den Alten vorzüglich den Epikur zum Vorgänger, und feiner Meynung pflichten unter den Neuern alle sogenannten Materialisten, d. h. diejenigen Philosophen bey, welche in vom Vergnügen. in der Natrrr keine anderen Wesen als Materielle, und keine anderen Kräfte als p h y s ir sche zu erkennen glauben. Hclvctius behauptet im Eingänge seines von seinen Anhängern viel zu hoch erhobenen, und von seinen Gegnern viel zu tief herabgesetzten Buches cli- l'esprit *): „Wir haben zwey Fähigkeiten in uns, oder, wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf, zwey sich leidend verhaltende Kräfte, deren Daseyn allgemein und ausdrücklich anerkannt ist." „Die eine ist die Fähigkeit verschiedene Eindrücke zu empfangen, welche von den äußeren Gegenständen auf uns gemacht werden, und heißt physische Empfindlichkeit (5eniibilick physische Reizbarkeit)." „Die andere ist das Vermögen den Eindruck, den diese Gegenstände auf uns gemacht haben, aufzubehalten; man nennt sie Gedächtniß, Xz und Os I'e?r>ric. Discours l. Lb. I. Zzo Ueber die bisherigen Begriffe und sie ist nichts anderes als eine fortgesetzte aber schwächer gewordene Sensation." „Diese Fähigkeiten, welche ich für die her- vorbringendenUrsachcn unsrer Gedanken halte, und die uns mit den Thieren gemeinschaftlich sind, würden uns doch nur zu einer sehr kleinen Anzahl von Vorstellungen verhelfen können, wenn sie in uns nicht mit einer gewissen äußern Organisation verbunden waren." „Wenn uns die Natur, anstatt unsrer Hände und der weichen biegsamen Finger derselben, mit Pferdefüßen versehen hätte, so würden wir ohne Zweifel ohne Künste, ohne Wohnungen u. s. w. geblieben seyn." Helvetius läßt es unentschieden, ob die Senlibiine die er zusammen genommen mit der Organisation, und folglich auch mit den physischen Kräften der Dinge außer uns (welche durch Eindrücke den Stoss unsrer Gedanken vom Vergnügen. 331 ken liefern) für die einzige Ursache aller Vorfiel« lungcn hält, eine Geistige oder eine Körperliche Substanz sey. Er halt dafür, daß es auf diese Frage keine Antwort geben könne, die einer Demonstration fähig wäre; und ich bin vollkommen seiner Meynung, nur mit dem Unterschiede, daß ich den Glauben, der hier an die Stelle des Wissens eintreten muß, für sehr verdächtig halten würde, wenn er, wie Hclvctiuü mcynt, bloß durch die unfehlbare Kirche, und nicht durch meine eigene Vernunft festgesetzt wäre. In der Folge sucht er zu zeigen, daß alle sogenannten Handlungen unsres Gemüthes, das Denken, Urtheilen, Schließen, nichts als eben so viele besondere Arten einer und ebenderselben Gattung, nämlich der Empfindung, seyen. „Alles was man für die Aeußerung der bloßen Thätigkeit des Gemüthes hält, ist eigentliches bloßes Afficirtwerden, bloße Empfindung der Achnlichkcit oder Unähnlichkcit, der Uebereinstimmung oder des Widerstreits unter den Dingen. ZZ2 Ueber die bisherigen Begriffe gen. Unsre geistigsten Ideen bedürfen also der Empfindungen nicht etwa bloß zu ihrer Entwicklung, sondern sie sind selbst nichts als Empfindungen , und zwar Empfindungen, die bloß von außen her, bloß durch Organisation gegeben sind." „Alle Irrthümer des menschlichen Geistes haben ihre Quelle entweder in unsrer Unwissenheit, oder in unsren Leidenschaften. Wir urtheilen unrichtig*), entweder weil wir, von' einer Leidenschaft hingerissen, unsre ganze Aufmerksamkeit nur auf eine einzige Seite eines Gegenstandes heften, und gleichwohl von dieser einzigen Seite den ganzen Gegenstand beurtheilen: oder weil nicht immer alle Data, die zur richtigen Beurtheilung einer Sache gehören, in unsrem Gedächtnisse vorhanden sind. Wenn gewisse Thatsachen und die eigentliche Bedeutung gewisser Worte entweder gar nicht im Kreise unsres Empfindungsvermögens vorgc- kom- >) 6b. III. vom Vergnügen, 353 kommen sind, oder sich aus dem Gedächtnisse, der fortgesetzten Empfindung, vcrlohrcn haben, so ist Unwissenheit die eine Quelle unsrer Irrthümer, vorhanden. „Die zweyte Quell«, die Leidenschaften entspringen alle aus dem sinnlichen Begehrungs- vermögen, oder dem Bestreben nach angenehmen äußern Eindrücken, und dem Abscheu vor unangenehmen." — Unser Philosoph thut hierauf alles was an ihm lag, um seine Leser zu überzeugen, daß er unter diesen Eindrücken nichts anders als diejenigen Veränderungen im Organischen Körper verstehe, welche die Befriedigung oder die nicht Befriedigung der sogenannten thierischen Bedürfnisse begleiten. Aus diesem physischen Vergnügen und Mißvergnügen würden, glaubt er, in der bürgerlichen Gesellschaft durch Erziehung und Regiernngsform, künstliche Freuden und Leiden erzeugt, und der physische Naturtrieb werde dann zu allerley guten und schlimmen Leidenschaften modificirt. Einige ZZ4 Ueber die bisherigen Begriffe Einige der schönsten Kapitel des Werkes sollen mit einem ungemeinen Aufwand von Witz und Scharfsinn nichts geringeres beweisen, als „daß selbst denjenigen Leidenschaften, deren Gegenstand von, Vergnügen der Sinne am meisten verschieden scheint, B. dem Geitze, der Ehrsucht, dein Stolze und der Freundschaft, nichts als das Bestreben nach physischem Vergnügen und Abscheu vor physischem Schmerze zum Grunde liege *). Dieses Lehrgebäude des Hclvetius hat mit dem Materialismus und Spiritualismus eine und eben dieselbe Grundfeste, und diese ist nichts anderes als der von allen uns bekannten Philosophen bis auf Kant mißverstandene Grundbegriff der Sinnlichkeit. Daß die Materialisten den Organischen Körper unter die wesentlichen Merkmahle jenes Grundbegriffes aufnahmen , hängt sehr natürlich mit ihrem ganzen philosophischen Glaubensbekenntnisse zusammen. Er *) Oiscoars IH. Lk, IX, X, ecc. voin Vergnügen. 33 ! §r ist ihnen die einzige Erkemitnißquclle und das einzige Subjekt alles Dorstellbaren, so wie die Materie das einzige reelle und subsistirende Objekt der Vorstellungen. Aber auch dicSpiritualistcn ? wozu bedurften diese der Organisation? Freylich nicht um die Möglichkeit des menschlichen Erkennens zu erklären : denn hiezu brauchten sie nichts weiter als ihre einfache Substanz; aber desto mehr, um sich alle die leidigen Beschränkungen dieser einfachen Substanz, in welchen sie alle sinnlichen Vorstellungen bestehen lassen, begreiflich zu machen. Dadurch daß sie ein übersinnliches Vorstellungsvermögen annehmen, glauben sie denn freylich der Seele nicht etwa nur eine ausgezeichnete Ehre zu erweisen, sondern vielmehr den übersinnlichen, geistigen Charakter derselben allein auf diese Art retten zu können. Allein unglücklicher Weise ist gerade die Uncnt« behrlichkeit der Organisation zur Sinnlichkeit das- zz6 Ueber die bisherigen Begriffe dasjenige, was die Materialisten nicht nur zugeben, sondern sogar zu dcinonstrircn suchen, um aus der körperlichen Natur der Sinnlichkeit die unkörpcrliche Natur der Seele — die sie als G eist von aller Sinnlichkeit entblößet denken zu müssen glauben — zu erweisen. Wie aber, wenn in der Seele dieselbe möchte nun geistig, oder materiell seyn, eine Sinnlichkeit gedacht werden müßte, die sich weder dem Leibe zuschreiben noch der Seele absprechen laßt, und die von den Materialisten und Spiritualistcn gleich verkannt ist? Wir sind durchs Bewußtseyn genöthiget die Vorstellung , die wir von unsrem organischen Körper haben, sowohl von dem organischen Körper selbst, als auch von unserm vorstellenden Subjekte zu unterscheiden, und den ersten: in die Reihe der außer uns befindlichen Dinge zu versetzen, von denen wir nur durchs Afficirt- werden Vorstellungen haben können. Freylich müssen alle von unsrer Person verschiedenen außer vom Vergnügen, 337 ausser uns erkennbaren Dinge auf unsre sinnlichen Werkzeuge wirken, wenn Vorstellung von ihnen entstehen soll: aber eben so nothwendig müssen zu diesem Behufe die außer uns befindlichen afficirren Organe selbst wieder auf das Gemüth wirken, das von ihnen unterschieden, und in welchem für Liese Einwirkung Empfänglichkeit vorhanden seyn muß. Die Organisation kann also unmöglich dem Gemüthe dieEmpfänglichkcit für den äußeren StoffdcrVorr stcllungcn geben, da die Organisation selbst zu den äußern Gegenständen des Bewußtseyns gehöret, und Empfänglichkeit im Gemüthe voraussetzt, wenn die Organisation selbst vorsiell- bar seyn soll. In wie ferne also die Empfänglichkeit des Vorstcllungsvermögens für einen gegebenen Stoff Sinnlichkeit ist und heißen muß, in so ferne gehört Sinnlichkeit zur Möglichkeit der Vorstellung des organischen Körpers, aber keineswegcs der organische Körper zur Möglichkeit der Sinnlichkeit, und die Vorstcllbarkeit der Organisation muß von der Auswahl um». Schrift, Th, l, A SiltN- ZZZ Ueber die bisherigen Begriffe Sinnlichkeit, nicht diese von der Organisation abgeleitet werden. Jede Definition welche die Sinnlichkeit aus der Beschaffenheit der Gegenstände , welche durch sie vorgestellt werden müssen, erklärt, ist wesentlich fehlerhaft: denn da die Beschaffenheit dieser Gegenstände nur in so ferne verstellbar ist, als sie der Sinnlichkeit gegeben werden kann, so wird die Sinnlichkeit durch etwas erklärt, welches selbst nur durch Sinnlichkeit erklärbar ist. Die Vermcngung der Organisation, oder der fünf Modifikationen des äußern Sinnes die selbst nur in der Erfahrung gegeben sind, mit der Sinnlichkeit überhaupt, die als Bedingung aller Erfahrung im Gemüthe vorhanden seyn muß, ist also ein dem Hclvctius mit den Spiritualisten gemeinschaftliches Mißvcrstättd- niß des Vvrsiellungsverniögens. Eine sehr natürliche Folge dieses Mißverständnisses ist, daß die Sinnlichkeit dadurch auf die voin Vergnügen. 339 die Veränderungen in der Organisation, und folglich auf den äußern Sinn, eingeschränkt, und dadurch der Hälfte ihres Vermögens, nämlich des ganzen innern Sinnes, beraubt wird. Alles was unsrem Vorstellungsvermögen vermittelst des organischen Körpers gegeben wird, wird ihm von außen gegeben; die Gegenstände, die auf die Organisation wirken, werden, so wie die Organisation selbst, von aussen vorgestellt, und imrdie Veränderungen, welche dadurch in dem Zustande unsres Gemüthes erzeugt werden, werden in uns selbst wahrgenommen; Veränderungen, welche selbst wieder neben dem Afficirtwcrdcn von aussen, Handlungen der Thätigkeit des Gemüthes voraussetzen, durch welche das im äußern Eindrucke vorhandene Mannigfaltige aufgefaßt, und dem Gemüthe zu eigen gemacht werden muß, rverm es vorgestellt werden soll. Ueber die bisherigen Begriffe Wirklich lehrt mich mein deutlichstes Bewußtseyn, daß ich nicht bloß von aussen, sondern auch von innen afficirt werde, und daß ich selbst das Vermögen besitze mein Gemüth zu afficircn« Mein Vermögen afficirt zu werden, besteht also eben sowohl aus einem innern, als äußeren Sinne, und gleichwie sich die Vorstellungen des Letztem nicht ohne die Einwirkung der Dinge außer uns denken lassen: so sind die Vorstellungen des erstem, ohne eine dem Gemüthe eigenthümliche, und von den Dingen außer uns verschiedene innere Thätigkeit, unmöglich; ja, sogar die äußern Cindrük- ke würden ohne diese Thätigkeit nie ins Gemüth aufgenommen, nie Vorstellungen werden können« Das sich leidend verhaltende Vermögen ä rißt r e Eindrücke zu empfangen, verbunden init der Organisation, kann also keineswegs als die einzige hervorbringende Ursache aller unsrer Vorstellungen angesehen werden, und das Gemüth vvm Vergnügen. 34 r müth besteht keineswegs weder aus einem bloß sich leidend verhaltenden, noch auf bloße Eindrücke von außen eingeschränkten Vermögen, wie Hclvetius wähnte; und da auf diese Voraussetzung sein ganzes Lehrgebäude gegründet ist, so stürzt dieses zugleich mit jener ein, so bald man den richtigen Grundbegriff der Sinnlichkeit aufstellt. Und doch hat die Behauptung des Helve- tius: daß alles Vergnügen sinnlich sey, und sich auf körperliche Lust zurückführen lasse — eine Behauptung, die mit seiner Theorie des Vorstellungsvcrmögens von selbst wegfällt — Etwas Wahres an sich, das sorgfältig von dem Falschen getrennt werden muß, wenn man nicht den Materialisten gerechte Veranlassung zur Fortsetzung des alten Streites geben will. Erstens. Alles Vergnügen ist in so ferne sinnlich als sein nächster und unmittelbarer Gegenstand, der Zustand des Gemüthes, nicht N 3 etwa Z^r Ueber die bisherigen Begriffe etwa bloß gedacht, sondern wirklich gegeben seyn, und folglich das Gemüth afficiren, und von demselben empfunden werden muß. Zweytens. Kann dem Hclvetius nicht abgeleugnet werden, daß jedes Vergnügen, nach dem Zeugnisse der Erfahrung auch das Geistige nicht ausgenommen, von gewissen, beyden lebhaftem Graden sehr merklichen Bewegungen in der Organisation begleitet werde. Allein wer wird darum behaupten, daß das Vergnügen selbst in diesen Bewegungen bestehe, die selbst wieder keine Vorstellungen sondern bloß Gegenstände der Vorstellung sind? §. 5 . Vereinigung der vier angeführten Gesichtspunkte. Da das Vergnügen, dem ersten Systeme zufolge, in dem Gefühl der durch starke und leichte Beschäftigung bewirkten Befriedigung des vorn Vergnügen. 343 des Triebes nach Vorstellung besteht; so ist das Vergnügen keineswegs eine Modifikation des Erkennend und gehört durchaus nicht dem Lrkemrtirißvermögcn, sonderndem Degehrungs- vermögen des Gemüthes an. Das Vergnügen verhalt sich zum Letzter» wie die Wahrheit zum Erstem. Der Verstand der für die bloße Wahrheit geschäftig ist, ist für sich keines Vergnügens fähig, während der sinnliche Trieb ohne Rücksicht aufs Wahre uud Falsche nach Vergnügen strebt. Das Erkenntnißvcrmögen, dessen thätiger Theil, Verstand, und dessen sich leidend verhaltender Theil, Sinnlichkeit heißt, beschäftiget sich mit Gegenständen und ihren Beschaffenheiten, sie mögen ihrem Stoffe nach dem äußern oder dem innern Sinne gegeben seyn. Das Dcgchrungsvermögen hingegen, der Trieb nach Vergnügen geht unmittelbar auf Empfindungen, und zwar nicht in Rücksicht auf die von denselben verschiedenen Objekte, sondern lediglich in wie ferne sie einen Zustand des Gemüthes ausmachen. Die eigentlichen. Objekte 344 Ueber die bisherigen Begriffe jekte des Bcgchrungsvermögens und des Vergnügens sind also nicht die Gegenstände, welche das Erkenntnißvermcgei beschäftigen, sondern die durch sie bewirkten Veränrerungen in unsrem Zuff' .be, nicht Dinge außer uns, sondern unser eigener Zustand. Welches auch schon daraus erhellen würde, daß die Befriedigung des Triebes, worin die Natur des Vergnügens besieht, nicht außer dem Triebe selbst vorgehe» kann. Diejenigen also welche die Natur des Vergnügens aus der starken und leichte» Beschäftigung des Borstellungsvcrmögens erklärt haben, haben dadurch das Subjektive beym Vergnügen sehr richtig charakterisiert. Allein da jede Vorstellung einen Gegenstand der vorgestellt wird, voraussetzt, so gehl zwar der Trieb unmittelbar auf die Vorstellung, mittelbar aber auf Gegenstände. Diese Gegenstände zu liefern ist das Amt des Erkenntniß- vermögens, und in so fern ist auch Das Er- kcnntnißvermögen beym Vergnügen geschäftig. Der vom Vergnügen. 345 Der Gesichtspunkt, welcher die Natur des Vergnügens in Rücksicht auf diese Gegenstände betrachten läßt, heißt der objektive Gesichtspunkt; und er ist derjenige, aus welchem Des- eartes, Wolf und Mende ' sohn das Vergnügen untersucht haben. Diese drey Philosophen fanden, daß der Gegenstand, der Vergnügen gewähren sollte,vollkommen seyn, das heißt Einheit im ManNichfaltigen erhalten müsse. Wolf hält die undeutliche Vorstellung, diejenige Vorstellung deren einzelne Merkmale nicht unterschieden werden, sondern sich in einen Totaleindruck verlieren, für wesentlich; und ihm stimmt Mendelssohn nur in so ferne bey, als er diese Undcutlichkeit für eine bloße Folge der Einschränkung erklärt, in welcher sich unser Geist durch seine zufällige Verbindung mit dem Körper befände, und daher meynt, die Seele für sich selbst bedürfe zu ihrem geistigen Genusse keiner Einheit des Mannigfaltigen. Mein wenn die richtige Definition der Sinnlich- 346 Ueber die bisherigen Begriffe lichkcit vorausgesetzt wird, so ergiebtsichs, daß die Sinnlichkeit keine Einschränkung des Gemüthes durch den Körper, sondern das Vermögen des Gemüthes afficirt zu werden ist, und daß die Undcutlichkcit des Totalcindruckcs beym Veck gnügen keine Unvollkommcnhcir, sondern eine natürliche Eigenschaft der afficirtcn Sinnlichkeit ist. Anch ist der nächste und unmittelbare Gegenstand des Vergnügens, die Veränderung im Zustande des Subjektes, immer nothwendig eine undeutliche Vorstellung, denn sie kann im Genusse selbst nur empfunden werden; obwohl der mittelbare und entferntere Gegenstand, das Objekt, welches das Vergnügen verursacht, nicht wie Wolf glaubt, immer undeutlich vorgestellt werden muß: denn dieses Ob- ;ekr kaun durch den Verstand, z. B. beym geistigen Vergnügen, so gut als durch äußern Eindruck, wie z. B.beym physischen Vergnügen, herbcygcschaft werden. Der vom Vergnügen. 347 Der Theil des Erkenntnißvermögens, welcher die Objekte des Vergnügens dem Begeh- rungsvermögcn zunächst überliefert, ist die Sinnlichkeit, beym physischen Vergnügen der äußere mit dem inneren Sinne in Verbindung, und beym intellektuellen der innere Sinn allein, auf welchen der Verstand gewirkt hat. Durch die Sinnlichkeit wird dem Triebe des Mannigfaltige, von welchem die Starke seiner Beschäftigung abhängt, gegeben. Der andere Theil -es Erkenntnißvermögens, welcher das Mannigfaltige auffaßt, und dem bloßen Stoffe die Form der Vorstellung giebt, ist die Thätigkeit, die Spontaneität des Gemüthes, Thätigkeit desselben in weitester Bedeutung. Durch die wesentliche Mitwirkung dieses thätigen Vermögens kömmt Einheit ins Mannigfaltige, und folglich leichte Beschäftigung. Schrift. Tb-1- A Sul- Z45 Ueber die bisherigen Begriffe Sicher hat bey seiner Betrachtung über die Natur des Vergnügens auf diese bey jedem Vergnügen unentbehrliche Mitwirkung der Thätigkeit des Gemüthes vorzüglich Rücksicht genommen, und das ihm mit allen seinen Vorgängern und Zeitgenossen gemeinschaftliche Verkennen der Sinnlichkeit veranlaßte ihn, die ganze Natur des Vergnügens aus jener einzigen Bedingung cinseilig abzuleiten. Indessen ist und bleibt sein Verdienst, auf den wesentlichen Antheil, den die Spontaneität an jedem, selbst dem grobsinnlichen, Vergnügen haben muß, aufmerksam gemacht zu haben. Helv etius hat das Verdienst, den von Sulzer übcrschcnen Beytrag der Sinnlichkeit zum Vergnügen nicht übersehen zu haben. Allein vom Vergnügen. Zffy lein indem er die Gerechtsame der Sinnlichkeit vertheidiget/ verkennt er die nothwendige Mitwirkung eines thätigen Vermögens bey jedem Vergnügen/ und läugnet sogar den so sehr in die Augen fallenden Antheil/ den die Thätigkeit des Gemüthes bey dem intellektuellen und moralischen Vergnügen dadurch hat/ daß sie nicht nur zum Genusse / bey dem sich das Gemüth zwar mehr leidend verhält / in der bereits angezeigten Rücksicht unentbehrlich ist / sondern auch daß sie bey diesen Arten von Vergnügen die Objekte selbst vermittelst der Ideen von denselben herbeyschafft. Wie sehr seine Zu- rücksührung alles Vergnügens auf Sinnenlust dem richtigen Begriff von dem Vergnügen an Schönheit und Sittlichkeit widersprecht/ wird sich/ wie ich hoffe, einleuchtend genug aus der Untersuchung über das eigcn- nützi- Ueb. die bisher. Begriffe v. Vergnügen. nützige und uneigennützige Vergnügen ergeben, zu welcher uns die Plattnerr fchen Theorie die Veranlassung geben wird. -Ende des ersten Bandes. r>SL,,e.i,qis 342SS l ^MK8 LÄÄ -Ä^Ä-MSSM -HZWOM ^lNUWW '^Sl^WKKL-KK^Z sL»: MFL'M»!- :M-dö!WMN»E "»rW^Ks'rSr^»!?»- .MMM-WL HMMWM, !lk^> WWWDM ^"' ^'"-'«^ 7^«^ ^-. I MkWWM iMUD?KMÄ 8^»rr^»rrsB^. «->L^7^L^L.c.^ IWV^LUS. >. * Auswahl vermischter Schriften von Carl Leonhard Rein hold, Professor in Kiel. Zweyter Theil. Jena, bey Johann Michael Mauke. 1797. 2 I 2 I V o r b e r i ch t. 9^?eine 2tbhandüing über die Fortschritte der Metaphysik seit Lcib- nih, welche im vorigen Jahre mit zwey Andern über denselben Gegenstand von andern Verfassern durch die königliche Akademie der Wissenschaften in Berlin herausgegeben wurde, erscheint hier mit wesentlichen )( 2 Ver- Vorbericht. Veränderungen und Zusätzen. Neu hinzugekommen sind die Erörterungen über meinen Begriff von Metaphysik überhaupt und über meine Classifikation der metaphysischen Systeme, die Betrachtungen über die äusseren Schicksale der Metaphysik, und die Fortsetzung von der Darstellung des inneren Zustandes dieser Wiffenschaft seit der Epoche der Cri- tik der reinen Vernunft bis zur Epoche der WissenschafLSlehre. Indem ich die verschiedenen Vorstcllungs- artcn über Metaphysik, welche durch die Kantische veranlasset, und von der kritischen Schule ausgegangen sind, zu beschreiben unternahm, durfte ich die Meinige nicht mit Stillschweigen übergehen; und da das Eigenthümliche derselben in meinen Versuchen über dieWissenschaft des F undam eu tcs der Phi lo s op h ie, oder - über die von mir sogenannte Eleinen tar- p h i- Vor bericht. philosophic enthalten ist, mußte ich das Resultat dieser Versuche unter die übrigen von mir dargestellten Systeme aufnehmen. Ich beschloß und begann die Idee der Elcmentarphilosvphic mit den Berichtigungen auszustellen, welche dieselbe seit der Erscheinung dcS Zweyten Bandes meiner Leo trage, theils durch eigenes fortgesetztes Nachforschen, theils durch die Erinnerungen der Bcurthciler (leider! habe ich in der A l lg. Litteraturzcitung bisher vergebens nach einer Beurtheilung dieses Zweyten Bandes — so wie dcS Zweyten Bandes meiner Briefe über die kantischc Philosophie gesucht) erhalten hat. Die mir bekanntgewordenen Einwendungen schienen mir iheilS Fehler zu betreffen, welche durch Mißverstand in mein System hineingetragen waren, theils Mäuge l, denen ich durch Fleiß und Glück abzuhelfen hoffte. )( 3 So Vorbericht. vr So wie ich die Wisse n schast 6 l eh r e nach wiederholten vergebliche» Anstrengungen, endlich verstanden zu haben wähnte, hielt ich dieselbe für den gelungenen Versuch aus dem bloßen Subjekte des Bewußtseyns, die transcendentalen Gcsche des Erkcnnens und WollcnS, oder die Materie der reinen Philosophie in wissenschaftlicher Form abzuleiten. Sie schien mir nur aus einem anderen Gesichtspunkte nämlich aus dem des bloßen Subjektes — dasselbe aufzustellen und darzustellen, was die Kritik aus dem Gesichtspunkte der Möglichkeit der Erfahrung und der materiellen und formellen Bedingungen derselben zuerst entdeckt hat, und was die Elementar Philosophie aus dem Bewußtseyn vermittelst des Ausgehens von demselben als Thatsache und des Entwi- ckelns seiner bestimmten Möglichkeit, w issenschaftli ch zu begründen versprach. Ich glaubte, daß sich der Inhalt der Trans- cen- Vorbe richt. vrr cendcntalphilosophie allerdings aus dem reinen Ich dcducircn lasse; aber daß zu diesem Behuf selbst das reine Ich vorher aus den Thatsachen des Bewußtseyns als die Bedingung der Möglichkeit derselben dcducirt werden müsse. Ich war im Begriffe dieses in der folgenden Abhandlung durch Vergleichung der Wiffenschaftslehre mit der Elcmentarphilosophie darzuthun; als ich eben durch diese Verglcichung auf einmal vom Gegentheil überzeugt wurde. Ich wurde gewahr, daß die a priori bestimmte Möglichkeit des Bewußtseyns, die sich aus den von mir aufgestellten Thatsachen desselben entwickeln lasse, und welche die transcendentalen Principien der Philosophie enthalten sollte — sich keineswegs auf das bloße Subjekt des Bewußtseyns zurückführen lasse, sondern daß sie ausser demselben unvermeidlich das Ding an sich — und zwar als Objekt des Vewußtseyns, folglich unter demselben )( 4 Cha- vul Vorbericht. Charakter voraussehe, den die Elcmcntar- philosophie als sich selbst widersprechend verwirft. Ich sah ein, daß dieser Widerspruch in meinem Systeme dadurch keineswegs gehoben wäre, daß ich die objektive Bedingung der Möglichkeit des Bewußtseyns (die materielle Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung nach K a n t) in der äusseren Empfindung als gegeben annahm, und den äuffcrn Grund derselben, in wicfcrne er von der Erscheinung unterschieden und durch Vernunft gedacht werden müßte, als Noumen (Vernunft- wesen) von dem Dinge an sich unterschied. Ich sah ein, daß sich deräussere Grund der Empfindung keineswegs in dieses Noumen, so weit dasselbe bloßes Produkt der Vernunft, und, folglich meiner bisherigen Theorie zufolge, nichts ausser dem bloßen Subjekte gegründetes ist, setzen lasse, und daß derselbe also gleichwohl dem leidigen Dinge an sich Vorbericht. ix anheimfalle. Ich sah ein, daß meine Ele- mcntarphilosophie das Empirische zur Mög- lickkcit veS Transcendentalen und dieses zur Möglichkeit von jenen ohne c i n e n h ö h e- ren gemeinschaftlichen Grundvon beyden voraussetze, und aus diesem Cirkel nur durch den l^Ito inoirsle in das Gebiet des Transcendenten sich retten könne. Ich sah ein, daß die Philosophie nun und nimmermehr als strenge eigentliche Wissenschaft, als reine sclbstständige Philosophie, aufgestellt werden könne: wenn keine von allem Voraussetzen des Empirischen als solchen unabhängige Deduktion ihres Inhalts — dergleichen weder die Critik, noch die Theorie, wohl aber die Wissenschaftslehre versucht hak, möglich wäre. Nun erschien mir die setz. tere auf einmal in ihrem eigenen Lichte, und ich fühlte, daß ich sie vorher nur in ei- nem mich blendenden Widerschein meiner Theorie erblickt hatte. Ich sah ein, daß )( 5 das V o r b e r i ch t. da6 reine Ich, von welchem sie ausgeht, keineswegs das bloße Subjekt des Bewußtseyns ist, welches sich nur in Beziehung auf ein bloßes Objekt des Bewußtseyns denken läßt, und ebendarum nur das empirische Ich ist und heißen muß: sondern diejenige ursprüngliche Thätig kcit, die sich in der Reflexion über das Selbstbewußtseyn als sich sehend und durch sich gesetzt, und in soferne als Subjekt und Objekt zugleich ankündigt , durch jede andere in uns vorauS- gcseht wird und keine andere in uns vorausseht. Ich sah ein, daß dieses reine Ich nichts als derselbe Charakter der Selb st- thärigkeit sey, den die Kritik und die Theorie für das Wesen der reinen Vernunft fordert, daß aber eben darum die Idee dieses reinen Ichs die einzige sey, die den Grund ihrer Verständlichkeit, Wahrheit, Gewißheit und Gültigkeit in sich selbst enthält, und daß die wissenschaftliche Vorbericht. XI liche Philosophie nur von ihr ausgehen könne und muffe. Ich sah ein, Laß in diesem reincn Ich der absolute und zwar i in- mancncc Grund des Unterschiedes und Zusammenhangs zwischen dem Transccndcn. taleu und dem Empirischen aller Erkenntniß in soferne gesunden sey, als sich derselbe aus dem Unterschied und dem Zusammenhang zwischen der absoluten Thesis, A u t i t h e- s i 6 und Synthesis als den u r sp r ü n g- lichen F unktioncn des rci n e n I ch s crgicbt. Mit einem Worte! ich sah ein, daß durch die Wisscnseyas tslehrc das wissenschaftliche Fundament der Philosophie, das die Elementarphilosophie suchte, aber auf dem Wege den sie dabey einschlug, nimmermehr finden konnte, wirklich gesunden ist. Ich entledige mich hicmit der Pflicht dieses den Lesern meiner Schriften und insbesondere meinen ehemaligen Zuhörern, so bald ich konnte, bekannt zu machen. Wenn meine eigene Bekanntschaft mit jener wirklich XU Vorberichk. lich ganz neuen Wissenschaft weniger neu seyn wird, hoffe ich die Gründlichkeit und Wichtigkeit Ihres Verdienstes um die Philosophie, einleuchtender und ausführlicher zu zeigen, als eS in dem letzten Abschnitte Verfolgenden Abhandlung geschehen konnte. Ueber die beyden anderen Aufsätze, di« den Inhalt dieses Bandes ausmachen, habe ich hier nichts zu erinnern. Kiel, den 25. Merz, 1797. Inhalt. Inhalt. l. Ueber den gegenwärtigen Zustand der Metaphysik und der transcendentalen Philosophie überhaupt. S. r Erster Abschnitt. Einleitung. z Zweyter Abschnitt. Ableitung des Gattungs- begrijfö der Metaphysik. l z Drit- XIV Inhalt. Dritter Abschnitt. Einthcilung des Gattungsbegriffes und Classifikation des innern Zustandes der Metaphysik. S. 39 Vierter Abschnitt. Ueber den äusseren Zustand der Metaphysik. 47 Fünfter Abschnitt. Die Idealistischen Metaphysiken 9 l Sechster Abschnitt. Die Materialistische Schule. 129 Siebenter Abschnitt. Die Pantheistische Schule. 149 Achter Abschnitt. Die Dualistische Schule. 176 Neunter Abschnitt. Die Skeptische Schule. 19 r Zehnter Abschnitt. Die Kritische Schule, ro; Eilf- Inhalt. xv Eilftcr Abschnitt. Die Kantianer. S> 225 Zwölfter Abschnitt. Der Anhänger der Elemcntarphilosophie. 24s Dreizehnter Abschnitt. Der Anhänger der einzig möglichen Standpunktslchrc. 279 Vierzehnter Abschnitt. Der Anhänger der Wissenschaftslehre. 29z Fünfzehnter Abschnitt. Meine gegenwärtige Ueberzeugung vom Wesen der reinen Philosophie, LranScenLcntalphilosophie, Metaphysik. 3 34 ll. Einige Bemerkungen über die in der Einleitung zu den metaphysischen Anfangögrün- den der NechtSlehre von I. Kant ausgc- ffcll- XVI Inhalt. stellten Begriffe von der Freyheit des Willens. S. 364 lll. Aphorismen über das äussere Recht überhaupt und insbesondere daS Staalörccht. 421 Ueber den gegenwärtigen Zustand der Metaphysik und der transcendentalen Philosophie überhaupt. Neue um die Hälfte vermehrte Ausgabe meiner Beantwortung der Berlin. Preisfrage über die Fortschritte der Metaphysik seit Leidlich und Wolf. Auswahl ven„. Schrift. L5, II. A Erster A b s ch n i t t. Einleitung. <^n keinem Zeitpunkte ist die Verschiedenheit ^7 der Denkarten in der Metaphysik und üb er Metaphysik so auffallend groß; sind die Begriffe sowohl von dem Gegenstände als von dem Zustande dieser Wissenschaft so scharf bestimmt und so schwankend; ist die Behandlung ihres Inhalts so gründlich und so seicht, die Schätzung ihres Werthes in Rücksicht sowohl auf ihre Begründung als auch auf ihren Einfluß so entschieden und so unentschieden, und die Gesinn ung des gelehrten Publikums gegen sie so sehr zwi- A 2 sehen 4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik schcn kalter Gleichgültigkeit und lcidcnschaft- lichcr Uebertreibung sowohl im Erheben als Herabsetzen getheilt gewesen: als seit dem auf Veranlassung von Kants Critik der reinen Vernunft so viel über, für und wider Metaphysik abgehandelt worden ist. Ganz anders war das Schicksal dieser Wissenschaft in jenem Zeitraum, der in der Geschichte der teutschen Philosophie unter dem Namen des Leibn itzisch - wölfischen auf immer merkwürdig bleiben wird. Damals war durch eine Mehrheit der Stimmen, die der Einhelligkeit nahe kam, die Benennung der Metaphysik ausschließend dem Lehrgebäude zuerkannt, welches den Entwurf, die Grundlegung und die vornehmsten Materialien Leibnitzen, — djc. Pollen- dung, Einkleidung und Verbreitung aber Wölfen zu verdanken hatte. Die Monaden lehre, aus welcher man alle Grundsätze des philosophischen Wissens .schöp, fen u. d. krankend. Philosophie überhaupt. ; fcn zu können glaubte, hieß vorzugsweise Metaphysik, und Metaphysik vorzugsweise Philosophie und Königin» aller Wissen s ch aste n. Wie hatte der Uebcrgang der Metaphysik aus eine!» so glänzenden zu dein so unscheinbaren und unbestimmten gegenwärtigen Zustand der Aufmerksamkeit einer Akademie der Wissenschaften entgehen können, die einst Leib nitzcn an ihrer Spitze hatte, und nun K ante n unter ihren Mitgliedern zahlt! Für buchstäbliche Anhänger der leibnitzischs wölfischen Schule kann wohl nichts ausgemachter seyn, als daß die Metaphysik in Rücksicht sowohl auf die richtige Kenntniß ihres Inhalts als auch auf die achte Behandlung ihrer Form seit kurzem tief unter den Zustand herabgesunken sey, in welchem sie sich vor Lcibnitz und Wolf befunden hatte. In einer Prcisaufgabc, welche eine warnende Darstellung dieses leidigen Verfalls zu vcranr A 3 las- 6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik lassen bestimmt wäre, würde daher auch nicht nach den Fortschrittcn, sondern höchstens nach den Veränderungen der Metaphysik seit Lcibnitz und Wolf gefragt worden seyn! So wie die erleuchtete Akademie ihre Frage gestellt hat, sind alle Partheyen, welche der Metaphysik entweder alle möglichen Fort- schritte absprechen, oder ihr sogar wirkliche Rückschritte seit L. und W. schuld- geben, von der Mitwccbung um den Preis ausgeschlossen. Zeder auch noch so gelehrter und beredter Beweis: „daß die Mctaphysiß „anfangs durch die Eklektiker, und nach- „mals durch die Kantianer alles wieder „verloren habe, was sie durch L. und W. gewonnen hatte" würde den Sinn der Aufgabe verfehlen. Solche Mitwerbcr könnten allenfalls nur durch bekannte Beyspiele von Fallen eingeladen seyn, in welchen Abhandlungen gekrönt wurden, die das was die Aufgabe voraussetzte, geradezu laugneten, und die Frage «r. d. transeend. Philosophie überhaupt. 7 dadurch beantwortet zu haben glaubten, daß sie dieselbe für sinnlos erklärten. So sehr die Verschiedenheit zwischen dem vorigen Zustand der Metaphysik und dem gegenwärtigen in die Augen springt, und so sehr bey der Verglcichung der Anschein gegen den letzter» ist: so wenig ist es an sich unmöglich, daß sich die innere Beschaffenheit dieser Wissenschaft bey Verschlimmerung ihres ausser» Schicksals nicht nur nicht verschlimmert, sondern wirklich verbessert habe. Zu fragen: ob die Wissenschaft in der allgemeineren Anerkennung ihrer Principien, in der Einhelligkeit ihrer Bearbeitung und Vertheidigung, imEin^ flussc auf andere Wissenschaften, im Ansehen vor dem gelehrten Publikum gewonnen habe? — konnte der Akademie unmöglich einfallen. Sie hat keine andere Fortschritte der Metaphysik vorausgesetzt, als solche, welche bey allem Verkanntseyn ihres Werthes, A 4 aller 8 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik aller Streitigkeit ihrer Grund - und Lehrsätze, aller Verschiedenheit in den Grundbegriffen des großen Haufens ihrer Anhänger, gleichwohl in ihren, innerlichen Zustande statt finden, und durch wenige glücklicher Selbst- denker bewirkt worden seyn können. Es sind daher durch den einzig möglichen Sinn ihrer Aufgabe alle diejenigen Abhandlungen zurückgewiesen, in welchen die wichtige Unterscheidung zwischen den, innere n und dem ausses rcn Zustand der Metaphysik aus dem Auge verloren, die Herrschaft der keibnitzisch- Wolfischcn Schule für das Ziel der Fort. schritte des metaphysischen Wissens ausgegeben, die Littcr Urgeschichte der Wissenschaft mit der Entwicklung ihrer Grundbc- griffe verwechselt, und die kan tische Schule durch Principien, die von ihr selbst bestricken werden, bestricken ist. Aber auch der U nterschicd zwischen dein äusseren und inneren Zustand der Metaphysik u. d. transcend. Philosophie überhaupt. physik muß verkannt werden, wenn man über demselben den Zusammenhang zwischen beyden vergißt. Die Beschaffenheit der W ist sensch ast selbst hangt von der Beschaffenheit der Begriffe und Ausdrücke ab, durch welche ihr Inhalt gedacht und bezeichnet wird; und dieß gilt wohl von keiner andern so sehr als von der Metaphysik. So lange es keinen von den Kennern und Pflegern dieser Wissenschaft u! iac m o in äuge u o rn in c- neu Degrif von dem Objekte derselben giebt: so lange sind allerley Metaphysiken vorhanden, von denen bald diese bald jene über die Anderen die Oberhand erhält, wenn es ihr etwa gelungen hat, einen geschickteren Vertheidiger zu finden. Jede derselben, so verschieden auch ihr äusseres Schicksal seyn mag, wird indessen durch den allen gemeinschaftlichen Mangel des Grundbegriffes der Metaphysik überhaupt, folglich durch einen wesentlichen Fehler im inneren Zustande der Wissenschaft, gleich sehr unter- A Z stützt. rv Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik stützt. Es ist nicht unmöglich, daß der achte Grundbegrif, der an sich selbst allgemein zu gelten fähig ist, schon wirklich aufgestellt, und nur durch äussere Umstände verkannt ist. Allein es ist eben so wenig unmöglich, daß derselbe noch nicht vorhanden ist, und daß die einzelnen Merkmale, die seinen Inhalt ausmachen würden, bis itzt nur in den verschiedenen und einander widersprechenden Grundbegriffen der Partheyen zerstreut enthalten sind. Durch den Umstand, daß die Akademie nicht erklärt hat, was Sie unter Metaphysik verstehe, wird daher die Beantwortung ihrer Frage viel schwerer, aber auch viel lehrreicher. Die Akademie wollte der Untersuchung: was unter Metaphysik zu verstehen sey? da doch so mancherley unter derselben verstanden wird, nicht vorgreifen, und wird was Sie selbst darüber für wahr halt, durch die Zuer- kcnnung des Preises deutlich genug an den Tag legen. Der u. d. transrcnd. Philosophie überhaupt. 11 Der Umstand, daß sich die Akademie in ihrer Aufgabe für keine der vorhandenen Arten der Metaphysik erklärt hat, kündiget deutlich genug an, daß Sie die Fortschritte welche die g a n z c G a t t u n g in alle n ihren Arten seit Lcibnitz und Wolf gethan hat, angegeben wissen will. Abhandlungen, welche sich blos auf die Veränderungen entweder nur in der idealistischen, oder nur in der materia- listischen, oder nur in der dogmatische n überhaupt, oder nur in der skeptischen, oder nur in der kritischen Vorstellnngsart über Metaphysik einschränken, müssen daher die Absicht der Akademie verfehlen, die sich offenbar über die Metaphysik überhaupt erstreckt. Der gegenwärtige Versuch muß also von einer erschöpfenden Eint Heilung der Gattung in ihre Arten ausgehen; aber eben darum vorher den Gattungsbegrif aufstellen, der dem Aufsuchen der Arten, um dass 12 Gegenwärtiger Zustand ker Metaphysik selbe, zu,leiten,, vorhergehen muß. Es möchte für den Verfasser beguemer seyn jenen Bc- grif stillschweigend als a.l lgemcinb e k a u >r t und angenommen vorauszusetzen, oder in. feiner Unbestimmtheit dahingestellt seyn zu lassen. Auch möchte die!) ohne Nachtheil geschehen können, wenn von einer blos histo, reschen Aufzählung der Vorstcstungsarten, die von diesem oder jenem für metaphysische ausgegeben worden sind, die Mete wäreL Der bloße Namen, und der noch sowillkühr- lieh davon gemachte Gebrauch würden dann das C ritcrium für übrigens noch so sinnlose Vorstrllungsarten seyn, über welche sich jene Aufzahlung, verbreiten müßte. Die Akademie wenigstens kann bey Ihrer Aufgabe an kein? andern gedacht haben, als die irgend einen vernünftigen Anspruch Haben , von Ihr selbst für metaphysisch angesehen zu werden. Der Verfasser glaubt,. Ihr und sich selbst Rechenschaft schuldig, zu seyn, warum er nur diese und keine andere Arten der Metaphysik anerkennt, u. d. transccnd. Philosophie überhaupt, iz kennt, als die er in seiner Eintheilung aufstellen wird. Er will sich möglichst gegen die Gefahr sichern, wegzulassen was aufgestellt, und aufzustellen was weggelassen, werden sollte. Er unterzieht sich also dem schweren Versuche einen Gattungsl> egri f von Metaphysik überhaupt ausfindig zumachen. Zweyter Abschnitt. Ableitung des Gattungsbcgttfs der Metaphysik- §)er Gattungsbtgrif soll das was den Arten gemeinschaftlich ist, aber auch nur dieses aufstellen. Er darf daher nichts von allem enthalten, was der Metaphysik entweder nur in der skeptische n, oder nur in der dog m a- tischcn, oder nur in der kritischen Vor- stcllungsart von derselben eigenthümlich ist. Er soll dem Idealisten und dem Materialisten, dem Dua listen und dem Pan- 14 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Panth eisten, dem Skeptiker und dem Critikcr einleuchten könn e il, in wicfcrne er von der Metaphysik nichts anderes aussagt, als was sich alle jene Metaphysiker bey diesem Worte gemeinschaftlich denken müssen, wenn sie sich einander bey demselben verstehen sollen. Allein eben darum wird er auch von Keinem unter ihnen wahr befunden werden können, der das Wort nur auf das Eigenthümliche seiner Ansicht einschränkt, die Art der Gattung unterschiebt, und es sich daher unmöglich macht eine andere Metaphysik als die Se irrige zu denken. Gegen dieses leidige Schicksal könnte mein Eattungsbegrif durch das bloße Aufstellen auch der gelungensten Definition keineswegs geschützt werden. Fände sie der metaphysische Leser nur darum wahr oder falsch, weil er den Gcgrif seiner Sekte hineinlegen könnte oder nicht, so hätte er sie in beyde n Fällen misverstarr- dcn, und die Eirrtheilung der besondern metaphysischen Lorsiclluugsarten, die ich .darauf tt. d. transcend. Philosophie überhaupt. i Z auf folgen lasse, müßte von ihm für willkühr- lieh, unvollständig, oder überzählig angesehen werden. Ich muß also meine Definition durch eine Erörterung einleiten, und bey derselben die Vorstcllungsarten derjenigen Leftx zunächst vor Augen haben, von denen ich verstanden zu werden hoffen und wünschen kann. Soll diese Erörterung ihren Zweck, an sich selb st allgemeinverständlich zu seyn, nicht verfehlen: so darf in derselben durchaus keine Behauptung vorkommen, die irgend einer besonderen Vorstellungsart von der Metaphysik eigenthümlich ist. Mislingt mir mein Bestreben mich von solchen Behauptungen zu enthalten: so ist es lediglich meine Schuld, wenn meine Definition der Metaphysik überhaupt nicht verstanden wird. Aber ich kann und darf keineswegs versprechen, daß ich keinen Satz aufstellen werde, der von irgend einer der philosophischen Sekten verworfen ist. Ich gestehe, daß ich in der Phi- r6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Philosophie, ausser der Logik leinen Satz kenne, der nicht diesem Schicksal unterworfen wäre. In wicfcrne die bisherigen verschiedenen Vorstellungsartcn über Metaphysik sich in allen ihren Eigenthümlichkeiten untereinander durchgängig widersprechen, kann nur Eine unter ihnen, oder gar keine, die Wahre seyn. Und sollte es nicht wenigstens eben so wahrscheinlich seyn, daß die Satze meiner Erörterungen gegen die vielen falschen Vorstellungsartcn, als daß sie gegen die Einzige Wahre austoben werden? Die Ueberzeugungen, die ich dieser Erörterung zum Grunde lege, müssen ohne eine der besondern Vorstellungsartcn über Metaphysik vorauszusetzen, verstanden und wahr befunden werden könne n. Der Antheil den die philosophirende Vernunft an ihnen hat, muß in das Eigenthum derNarürlichcn übergegangen; sie müssen keine Philosoph eine, sondern Aussprüche des sogenannt u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 1-^7 Nannten gemeinen und gesunden Verstatt des seyn. Sowohl um die Beschaffenheit dieser Ueberzeugungen naher zu bestimmen, als auch meine Berufung auf die natürliche Vernunft von der Philosophirendcn zu rechtfertigen, muß ich hier meine Begriffe von dem Unterschiede und dem Zusammenhang zwischen diesen beyden Charaktere» der Vernunft auseinander setzen. Da es nur eine, dem Wesen nach Einzige, Vernunft giebt, so können ihr alle verschiedenen Charaktere unter welchen sie jn Betrachtung kömmt, nur in Rücksicht auf die verschiedenen Arten ihres Gebrauches zukommen. Der natürliche Gebrauch der Vernunft verhält sich zum Philosophischen, wie Natur zur Kunst. Gleichwie die Natur den Stoff und die For m ihrer Wirkungen unzertrennlich vereiniget aufstellt, die Kunst aber die bloße Form ihrer Werke Auswahl VM,I> Schnft' Th- u B her- IZ .Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik hervorbringt: so sind in den natürlichen Ueberzeugungen als solchen Inhalt und Form keineswegs abgesondert; wird in ihnen die bestimmte Möglichkeit nicht von der Wirklichkeit unterschieden, und die Möglichkeit nicht bestimmt eingesehen, ' sondern nur aus der Wirklichkeit geschlossen; wählend die philosophischen Ueberzeugungen als solche immer nur zunächst die von dem Inhalt abgesonderte Form betreffen, von der Wirklichkeit des Gegenstandes abstrahircn und dieselbe nur dann vud nur in sofcrne gelten lassen, wenn und in wtefcrnc die bestimmte Möglichkeit desselben ausgemacht ist. Die natürliche Vernunft stellt daher in ihren Ueberzeugungen bloße Fakta auf, die philofophircndc Vernunft aber das bestimmte, folglich, einzig mögliche, das Nothwendige, mit einem Worte, P r incipi e n. Wenn daher die natürliche Veruünst sich selbst von ihren Ueberzeugungen Rechenschaft giebt, bleibt sie bey u, d. transcend. Phi'losophr'e überhaupt beyThatsachcn als den nach sten Gründen stehen; während die Philosoph irrn de zur bestimmten Möglichkeit als dem letzten Grunde hinaufsteigt. Die natürliche Vernunft wird auch des gemeine und gesunde Verstand genannt. Sie heißt Verstand, weil sie durch ihre Ueberzeugungen etwas blos nach seiner Wirklichkeit versteht, ohne es nach seiner bestimmten Möglichkeit zu begreifen—Sie heißt die gemeine, in wieferne sie den, allen Menschen gemeinschaftlichen, Anlagen gemäß wirkt. In wieferne sie von dieser Wirksamkeit durch Eigenheiten gewisser Menschen abgelenkt wird, müßte sie die Partikuläre, und in wieferne sie durch gewöhnliche Hindernisse abgehalten hinter jener Wirksamkeit zurückbleibt, müßte sie die Vulgäre Vernunft heissen. Sie heißt die gesunde, in wieferne sie sich in dem Zustande befindet, der ihren ursprünglichen Nakuranla- B 2 geil 2O Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik gen und dem Endzweck ihres Gebrauchs angemessen ist. Diese Gesundheit istphysi sch, in wicfcrne sie von der Gesundheit des Leibes; p s ist cholvgisch, in wicfcrne sie von dcn Graden der Gemüthskräste und ihrem Verhältnisse gegeneinander; moralisch/ in wicfcrne sie von dem freyen/ allgemeinen undfesien Entschluß recht zu handeln, abhängt. In wicfcrne die Ueberzeugungen , zu denen die philosophirende Vernunft die letzten Gründe aufsucht und aufstellt, ursprünglich durch die Natürliche schon vorhanden sey» müssen: in so ferne setzen die Fv r t- schritte der philosvphirenden Vernunft Gesundheit der natürlichen voraus. In wie- fcrnc die fortschreitende Entwicklung der natürlichen Vernunft, ohne Erlautcrung der Thatsachen durch die Begriffe von ihrer bestimmten Möglichkeit nicht denkbar ist, in so ferne setzt jene Gesundheit — Fort- schritte der Philosophirenden voraus. Diese beyden Charaktere der Vernunft sind als» u. d. transcend. Philosophie überhanpk. 21 also wechselseitig von einander abhängig. Die philosophische Ueberzeugung verdankt der natürlichen die gesunde Beschaffen« heit rhres Inhalts; die natürliche der philosophischen, die Vollkommcnheit ihrer Form. Dcy alle» cultivirten Nationen sind die natürlichen Ueberzeugungen., durch philosophirende Vernunft, und die Philosophen,e durch die Gesundheit oder Ungesund* heil der natürlichen Vernunft mehr oder weniger modisicirt. Alle wahren Grundsätze gehören in Rücksicht auf ihre Form der philosop hexenden Vernunft, in Rücksicht auf ihren Inhalt der natürlichen an, und sind durch die Zusammen Wirkung von beyden entstanden. Allein diejenigen unter ihnen, die ohne erne besondere Erörterung durch Philosophie unmittelbar verstanden und wahr befunden werden können, gehören dem gebildeten natürlichen Verstände als solchem an; die B Z Ku n st 22 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Kunst ist i» ihnen zur Natur geworden, und sie können Aussprüche des gemeinen und gesunden Verstandes hcisscn, zum Unterschied von den Ph ilosophemen, weiche um verstanden zu werden, Beweise oder Erläutern»» gen durch Philosophie voraussetzen. In wicfcrne die philosophirende Vernunft sich selbst überlassen, in ihren Sachwaltern und Worthaltcrn mit sich selbst uneinig ist, hat sie mehrere einander widersprechende partikulare Sprachgc brauche auszuweisen. In wicfcrne die natürliche Vernunft, sich selbst überlassen, zur Vulgäres herabsinkt, muß sie sich mit einem vulgären, schwankenden, vieldeutigen Sprachgebrauch begnügen. Es kann nur der natürlichen Vernunft gelingen den philosophischen Sprachgebrauch von seinen einander widersprechenden Partikularitäten zu reinigen; und nur der philosophircnden — den vulgären zu veredeln. Derjenige Sprachgebrauch, der allein der allgemeine ftyn u. d. transecnd. Philosophie überhaupt. 2Z seyn und heissen sollte, ist also nur durch dre harmonische Wirksamkeit.der Vernunft in ihren beyden Charakteren möglich. Möchte es mir doch einigermaßen gelingen mich in folgenden Behauptungen dem Sinne, der mit der natürlichen einverstandenen Philosophie enden Vernunft zu nähern, und mich sowohl von den vulgären als den partikulären Sprachgebräuchen zy entfernen! Die natürliche Vernunft unterscheidet die äussere Erfahrung von der inneren. Sie versteht unter der Aeussercn: das Bewußtseyn der, durch äussere Empfindungen sich ankündigenden, und von dem Subjekte der Erfahrung sowohl, als von den Vorstellungen verschiedenen O b« jckre, im bestimmte »Zusammenhang. Untcr der inneren Erfahrung versteht B 4 sie: L4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik sie: das Bewußtseyn von dem Zustande des Subjektes, in wieserne sich derselbe durch Empfindungen ankündiget, im bestimmte n Z u sa m m c n h a n g. Sie unterscheidet das Subjekt der Erfahrung, unter dem Namen des Selbstes nicht weniger von dem Zustande desselben, der das Objekr der innern Erfahrung ist, als von den Objekten der äusseren Erfahrung, und nennt das Bewußtseyn, dessen Objekt das Subjekt selber ist daS Selbstb ewußtseyn. Sie unterscheidet das Selbst, unter dem Namen der Seele, von dem durch äussere und innere Erfahrung zugleich sich ankündigenden Organe seines Wirkens und Leidens, oder dem Leibe. Sie unterscheidet das Empfindbare, als den Inhalt, von dem bestimmten Zusammenhang desselben, als der For m der Erfahrung. Sie u. d. kransccnd. Philosophie überhaupt. 25 Sie unterscheidet das Empfindbare der äusseren Erfahrung, unter dem Charakter des Ausgebe Hut sey ns (des erfüllten Raumes) von dem Empfindbaren der inneren Erfahrung, unter dem Charakter der Veränderung im Zustande des Suhlest es (der erfüllten Zeit). (Alles äusserlich Empfindbare stellt sie sich unter den drey Dimensionen des Raumes vor, und räumt dem mathematische« Punkte nur als der Gränze der, Linie, dieser nur als der Gränze der Flache, und dieser nur als der Gränze des mathematischen Körpers, und diesem nur in wiefcrne sein Inhalt etwas Empfindbares ist — Realität ein. Alles innerlich Empfindbare stellt sie sich als Veränderung im bloßen Zustande des Sub>cktes vor. Sie nimmt diesen Zustand in der bloßen Zeit wahr, spricht ihm alle Figur ab und unterscheidet seine Veränderungen von den B 5 Ver- 26 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Veränderungen im Raume, den Bewegungen, die ausschließend dcc äusser» Erfahrung angehören.) Sie unterscheidet den Zusammenhang deS Empfindbaren in den bestimmbaren (der Angränzu n g), und in den bcstim m- ren (der Verknüpfung). Sie versieht unter dem Erster« das Nachcinanderscyu, Zuglcichseyn, und Fortdauern in wie- ferne es sich durch bloße Empfindung ankündiget. (Wegen seiner zu lqngsaw.cn Bewegung wird der Stundenzeiger einer Taschenuhr als ruhend, und wegen ihrer zu schnellen Bewegungen eine im Kreis hcrumgcschleudcrte glühcuhc Kohle in allen Punkten des Kreises zugleich nud als eine statige Linie empfun* den, und das Zeugniß der Empfindung kann hier nur durch den Begrif berichtiget werden.) Sie unterscheidet die Verknüpfung des Empfindbqren in die Verknüpfung durch Sub- u. d. transeend. Philosophie überhaupt. 27 Subsisteuz und Znhärenz, durch Ursache und Wirkung, und durch Wechsel, Wirkung, Da aber das Empfindbare der inneren Erfahrung nur als Veränderung Objekt derselben ist, so kann sich die natürliche Vernunft die Verknüpfung, welche die Form der inneren Erfahrung ausmacht, nur als Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung vorstellen. Das Objekt der inneren Erfahrung (als solcher), der bloße Zustand -es Subjektes, hat weder etwas Subsisti- rendcs, noch eine Wechselwirkung zwischen Substanzen auszuweisen. Die empirische Psychologie kann daher in der inneren Erfahrung die Veränderungen des Zustandes nur aus anderen Veränderungen desselben ableiten; sie kann durchaus keine irgend eine Substanz betreffende Kenntniß aufstellen, und alles was sie über die Wechselwirkung zwischen Seefc und -Leih lehren 2 8 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik rcn kann, bctrifk lediglich die Wechselwirkung zwischen dem bloßen Zustande des Subjektes, und dcs organischen Körpers. Die natürliche Vernunft nennt das Sübst stire nde an dem Empfindbaren der äusseren Erfahrung, (das Beharrliche des ausgedehnten Empfindbaren) die matcrielle Substanz, wahrend sie das Subjekt der Erfahrung in seinem Unterschiede von seinem aus bloßen Veränderungen bestehenden Zustande, Substanz, in seinem Unterschiede von den Substanzen der ä u s- sern Erfahrung immaterielle Substanz, und in wicferne kein Bewußtseyn ohne Vorstellung möglich ist, vorstellende Substanz nennt. Sie unterscheidet die an dem Empfindbaren der äusseren Erfahrung vorkommenden Veränderungen (die als solche Veränderungen im Raume, Bewegungen sind) in Ursachen und Wirkungen, und nennt i!. d. transcend. Philosophie überhaupt. 29 die Ursachen die als Bewegungen sich immer nur als Wirkungen anderer Bewegungen denken lassen, mechanische Ursachc n. In Rücksicht auf die innere Erfahrung unterscheidet sie die Ursachen in der inneren Erfahrung von den Ursachen der inneren Erfahrungen; diese sind nur ausser — jene nur i n der innern Erfahrung selbst denkbar. Sie nennt die in der inneren Erfahrung selbst enthaltenen, und in Rücksicht auf jede Wirkung in vorhergehenden Zustanden des Subjektes bestehenden Ursachen die empirisch- psychologischen Ursachen. Die Ursachen der inneren Erfahrung sucht sie theils in der äusseren Erfahrung, theils durch das Selbstbewußtseyn im bloßen Subjekte auf. Sie unterscheidet die durch das Selbstbewußtseyn einleuchtende Thätigkeit des bl 0 ßen Subjektesin die nothwendige Zo Gegenwärtige!.' Zustand der Metaphysik dige der Vernunft beym Denken/ und in die freye des Willens beym Handeln. Sie nennt das Selbstbewußtseyn, in welchem sich das unmittelbar gegen sei» tige Verhältniß zwischen Vernunft und Freyheit ankündiget, das Gewissen, und ist durch dasselbe von der von, Leibe u >» abhängigen Realität des Selbstes überzeugt. Sie unterscheidet den I n b e g r i f der durch Wechselwirkung untereinander verknüpften materielle n Substanzen unter dem Namen der physischen Welt/ von dem Inbegriffe der freye n und durch gegenseitige Pflichten und Rechte verbundenen Wesen, unter dem NameN der moralischcn Welt; denkt sich die Physische Mit der Moralischen als Mittel zum Endzwecke zusammenhängend; und nennt das Ganze der auf diese Art vcr, knüpften Dinge das Weltall — die Ursache desselben aber — Gott» 3 » u. di tranöcend. Philosophie überhaupt. ZI Zu den hier aufgestellten llebcr^ngunqeir gelangt die natürliche Vernunft durch Reflexion über dieErfahrung und das Selbstbewußtseyn. Sir wird sich der Gegenstände dieser Ueberzeugungen als wirklich in der Erfahrung und im Selbstbewußtseyn vorhanden bewußt. Als bloße natürliche ob zwar durch Philosophircn gebildete Vernunft bleibt sie bey diesem Bewußtseyn stehen, das sich von dem Bewußtseyn bey einer ungebildeten Vernunft nur dadurch unterscheidet, daß die Thatsachen, die es aufstellt, durch bestimmtere Begriffe aufgehellt sind, Die philosophirende Vernuuft sacht auch zu diesen Thatsachen die bestimmte Möglichkeit auf, und bleibt nur beym Bewußtseyn der schlechthin bestimmten Möglichkeit, (des absolut nothwendigen) und der schlechthin unbestimmten Möglichkeit, (der absoluten Frey- zr Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Freyheit) folglich nur beym Absoluten stehen, das sie in den Ueberzeugungen der natürlichen Vernunft zu entdecken und durch welches sie diese Ueberzeugungen zu erläutern, zu rechtfertigen und zu erharren strebt. Die philosophircnde Vernunft unterscheidet die in den Ueberzeugungen der natürlichen vorkommenden Subjekte, Gründe, und gegenseitigen Verknüpfungen in L o g i sch e und Reelle; unter den Erstem versteht sie die Formen des bestimmten Zusammenhanges der bloßen Gedanken/ Unter den letzten die Formen des bestimmten Zusammenhangs reeller Gegenstände. Diese gehören unter den besondern Namen .der Substanzen, Ursachen und gegenseitigen reellen Verknüpfungen zum Inhalt — jene zur bloßen Form der Ueberzeugungen. Die philosophircnde Vernunft unterscheidet die Substanzen, Ursachen, und reellen gegen- fei- u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. ZZ scitigen Dcrknüpfungcn in Relative (öe- dingte) und Absolute (unbedingte). Sie denkt sich unter der absoluten Substanz das reelle Subjekt, das nicht wieder als Prädikat eines Andern; unter der absoluten Ursache, den reellen Grund der nicht wieder als die Wirkung eines andern, und unter a bsoluter gegenseitiger Verknüpfung einen reellen Zusammenhang der nicht wieder als Theil eines Andern denkbar ist. In wicferue sie die letzten Gründe, oder die schlechthin bestimmten Möglichkeiten des Wirklichen aufsucht, hat sie es mit absoluten Substanzen, Ursache»/ und reellen Verknüpfungen zu thun. Soweit sichSubsianzialität, Causs salitat, und gegenseitige Vcrknüp, fung des Reellen in der äusseren Erfahrung ankündigen, sind sie lediglich relativ. Das Beharrliche an der Materie, so weit es durch die Sinne wahrgenommen AnewshI vmü. Lchrist. Lh U. C wer- 34 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik werden kann, ist nur in gewisser Rücksicht und auf eine Zeitlang beharrlich, an sich selbst aber der Veränderlichkeit unterworfen. Auch die Substanz des Diamanten läßt sich durch Vrennspicgcl zerstören, und hat also nur Relative Subsistenz. Das Wirken der Materie, soweit es durch die Sinne wahrgenommen werden kann, ist Veränderung im Raume, Verve, gung, und folglich selbst wieder bloße W ie» kung. Sich selbst überlassen bleibt die Materie im Zustande der Ruhe und der Bewegung bis sie von ausscnhcr aus demselben verdrängt wird. Sie hat also, wenn sie wirkt, nur eine relative Wirksam lest. Die gegenseitige reelle Verknüpfung der materiellen Substanzen, so weit sie durch die Sinne wahrgenommen werden kann, ist eingeschränkt. Wir finde» sie nur an einigen Gegenständen, und auch an diesen nur unvollständig. Die Wechselwirkung derselben ist daher nur relativ. u. d. transeend. Philosophie überhaupt. Z5 Die philosophirentc Vernunft untcrschei- dckdiese relativ eSubstanzialität, Caussalitat, und gegenseitige Verknüpfung die den Gegenständen der äusseren Erfahrung als solchen zu- kömmt , unter dem Namen der Physischen, von der absoluten Su b stau z ja lirät, Caussalität, und gegenseitigen Verknüpfung, die keineswegs in der Erfahrung vorkömmt, aber als der letzte Grund der Relativen vorausgesetzt wird, unter dem Namen der Metaphysischen. Die innere Erfahrung, in wieftrne ihr Objekt im bloßen Zustande des Subjektes besteht, hat keine Substanzen, und folg, lich auch keine gegenseitigen Verknüpfungen derselben, und hat nur Ursachen und zwar auch nur solche auszuweisen, die in vorhergehenden Zuständen des Subjektes beste, hen, und daher durchgängig relativ sind. Zwar wird das Subjekt der Erfahrung überhaupt unter dem Namen der Seele von dem Leibe, in wieftrne dieser als ä n st C 2 ser- Z6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik scrlichempfindbar ;u den Objekten der äusseren Erfahrung gehört, unterschieden. Aber als Subjekt der äussere» Erfahrung ist es nach dem Zeugnisse des Selbstbewußtseyns mit dem Leibe als dem Werkzeuge dieser Erfahrung verbunden, und heißt nur in Rücksicht auf diese Verbindung Seele. Als Seele also ist es in seinem SnbsistireU, Wirken und Leiden von materiellen Substanzen abhängig, und also auch nur als relative Substanz, und Ar fache denkbar, und dasselbe gilt von ihrer Wechselwirkung mit dem Leibe. Die philosophircnde Vernunft unterscheidet also das relative Subsistircn, Wirken und Wechsel wirken des Subjektes als Seele unter dein Namen des P s y eh or logischen von dem absoluten Subslsii» rcn, Wirken, und dem gegenseitigen Verknüpftseyn mit anderen Subjekten der Erfahrung, des Subjektes als Geist unter dem Namen der Mctaphysischen. DaS u. d. trcmseend. Philosophie überhaupt. Z7 Das Objekt der Metaphysik, das von der Erfahrung unabhängige, aber der Erfahrung zum Grunde liegende Reelle der Objekteder ausser», und des Subjck> tcs der innern und ausser» Erfahrung, welches die letzten Gründe, die als die Erfahrung begründend in derselben nicht enthalten seyn können, ausmacht, und worauf daö Relative zurückgeführt werden muß; — mit Einem Worte — das Objcft der Metaphysik ist dns reelle A d so lut e. Daher hat die hauptsächlichste Beschäftigung der Metaphysik pon jeher in der Aufgabe bestanden die Realität, Richtigkeit, Gründlichkeit der Begriffe, i) Von dem Wesen der Körper, O Von dem Wesen der Seele, 3) Von der ersten Ursache der Bewegung, 4) Von der freyen Ursache der Willenöhandlung, 5) Von der physischen Welt, und 6) Don der moralischen und ihrem Zusammenhang mit der Physischen — auszumachen; folglich C 3 die- Z8 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik die Realität der Begriffe des Absoluten der Substanzen, Ursachen, und ger genseitigenVerknüp fu ng endarzuthun. Die Auflösungen, welche die Philosophie ende Vernunft über diese Ausgaben aufgestellt hat, sind freylich sehr verschieden ausgefallen. Denn sie richteten sich nach den Begriffen der natürlichen Vernunft, die sich mehr oder weniger von den Ueberzeugungen der gemeinschaftlichen und gesunden entfernten, und welche den aus dem Selbstbewußtseyn und der Erfahrung mit mehr oder weniger Bestimmtheit geschöpften Stoff der philosophirenden Vernunft überlieferten. In so ferne hing der Zustand der Metaphysik nicht weniger von der Beschaffenheit der physischen, psychologischen und moralischen V orkcnnt 11 isse, die der Mctaphysikcr zu seinem Studium mit sich brachte, als der Zustand der P sy- ik, Psychologie und der Moral von der Beschaffenheit der Metaphysik ab. Der u. d. transecnd. Philosophie überhaupt Zy Der innere Zustand der Metaphysik selbst hangt indessen zunächst von dein Grundbegriffe, oder den Grundbegriffen ab, durch welche die Realität ihres Objektes, d. h. die Gründlichkeit und Wahrheit des Begriffes vvm Absoluten gedacht wurde. Dritter Abschnitt. Eilitheiluiig des Gattungsbegriffes und C'assisikatiorr des innern Zustandes der Metaphysik. §^ie philosophircndc Vernunft war und ist noch immer in ihren Repräsentanten über die Realität des Begriffes vvm Absoluten mit sich selbst uneinig. Man ist zwar darüber einverstanden, daß das Absei lute, wenn es keine eingebildete sondern wahre Realität haben soll, durch Vernunft vorgestellt seyn 'müsse; aber man hat sich darüber nicht vereinigen können: ob C 4 das Ho Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik das Merkmal desAbsolutcn dem Vorger stellten nur darum zukomme, weil es durch Vernunft vorgestellt isc? oder: ob dasselbe nur darum durch Vernunft vorgestellt werde, weil es dem Vorgestellten auch unabhängig von der Vorstellung durch Vernunft, folglich auch als Nichtvorgestcllten, als Dinge an sich zukömmt? Das Erste wird erst seit der Erscheinung von Kants Critik der reinen Vernunft von den Critikern behauptet, welche den Rcalg rund der Vorstellung des Absoluten einzig im Wesen der bloßen Vernunft annehmen zu müssen glaube». Vo r der Critik der Vernunft waren die Philosophen darüber einig: daß das Absolute in dc r V erstell un g nur in sofcrne Realität habe, als es das im Dinge an sich ihm entsprechende Absolute bedeute, und daß es nur dann und nur in sofcrne durch Vernunft vorgestellt werden könne: wenn und n wicfttne die Dinge an sich absolut wären. Allein u. d. transcend. Philosophie überhaupt, Allein darüber waren sie uneinig: ob das A br solute der Dinge an sich durch irgend eine Vorstellung erreicht werden, und ob überhaupt ein Ding an sich irgend einer Vorstellung entsprechen, ob ein Ding an sich ein Vorgestelltes seyn könne; und ob daher die Vorstellung des Absoluten überhaupt nicht durch bloße Phantasie undGewohnhcit, oder ob sie wirklich durch Vernunft da sey? Die Skeptiker laugncten die Ve« nünftigkeit der Vorstellung des Absoluten, weil dasselbe in unsren Vorstellungen nimmermehr etwas dem Dinge an sich zu. kommendes bedeuten könne. Sie setzten also mit den Dogmatikern voraus, daß die Vorstellung des Absoluten vernünftig seyn würde, wenn sie Vorstellung des Dinges an sich wäre oder seyn sollte, und daß sie nur als Vorstellung des Dinges an sich vernünftig seyn könnte. David Hume vorzüglich hat zu zeigen gesucht, baß die SubsÜ stenznndCaussaljtät überhaupt verlrüusü- C Z M- 42 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik gerweise nur alsRelativ gedacht werden kön» ncn, und daß das Absolute, welches dabey vorgestellt würde, eine auf Gewohnheit oft wiederholter Eindrücke gegründete Erschleichung der Phantasie sey. Die Skeptiker hoben dar her die Metaphysik selber mit ihrem Objekte auf, und erklärten sie für einen nothwendig mislungenen Versuch der sich selbst verkennenden und durch Phantasie irregeleiteten Vernunft. Die Dogmatiker schloffen die Möglichkeit der Vorstellung des Dinges an sich aus der angenommenen Wirklichkeit derselben, glaubten den Grund dieser Vorstellung wirklich in dem Dinge an sich gefunden zu haben, und hielten darum die Metaphysik für die Wissenschaft der Dinge an sich. Allein sie konnten unter sich darüber nicht einig werden: In welchem Charakter des Dinges an sich das Absolute bestünde, und was es denn eigentlich am Dinge an sich sey, das den Gründ D u> d. transcend. Philosophie überhaupt. 4Z Grund der Vorstellung des Abso, luten enthielte? Die Einen glaubten den Charakter des Abt soluten in der inneren Nothwendigkeit des Dinges an sich (in der absoluten Modalität) — Andere in der mit der Identität des Subjektes bey allem Wechsel seiner Accidenz«, verbundenen Selbstthätigkeit des Dinges an sich (in der absoluten Relation) — Andere in der unveränderlichen A usdehnungdes Dinges an sich (in der absoluten Q n an tita l)— Andere endlich theils in dem Beharren im Raume, durch Ausdehnung, theils in dem Beharren in der bloßen Zeit unter innerlichen Veränderungen, in den von einander unabhängigen, und in soferne absoluten Qualitäten der Objekte der äusseren und des Subjektes aller Erfahrung — gefunden zu haben. Die Ersten hielten sich an die Zufälligkeit als den gcmeinschaftlichenCha- rak- 44 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik rakter aller Accidcnzcn, und an dir Nothwendigkeit als den gemeinschaftlichen Charakter aller absolutenSubsi* stenz. Sie behaupteten daher das Absolute sey nur in der reellen Nothwendigkeit, folglich Nur in einer unendlichen und einzigen Substanz, in welcher die vorstellende Kraft (der Charakter der Subjekte der Erfahrung) und die Ausdehnung (der Charakter der Objekte der äusseren) als Attribute gegründet wären, denkbar.— Die Panth eisten. Die Zweyten hielten sich an die Sclbsithatigkeit (innere Wirksamkeit) als den gemeinschaftlichen Charakter der Subjekte der Erfahrung. Sie behaupteten daher das Absolute an den Dingen an sich sey die in ihnen selbst vorhandene und ihr Wesen ausmachende Kraft, die nur den vorstellenden Subjekten zukäme. Die Idealisten. Die Dritten hielten sich an das beharrliche Erfüllen eines bestimmten Theiles des Ran- u. d. tremscend. Philosophie überhaupt. 45 Raumes, als den gemeinschaftlichen Charakter der Objekte der äusseren Erfahrung. Sie behaupteten daher das Absolute an den Dingen an sich sey die reelle beharrliche Ausdehnung (die Masse), und die absolute Substanzialität käme nur der Materie zu. Die Materialisten. Die Dierten hielten sich an die eigenthümlichen Charaktere der Objekte der äusseren und des Subjektes aller Erfahrung. Sie behaupteten daher das Absolute a n den Dingen an sich sey von zwey verschiedenen Arten, und käme theils den materiellen, theils den vorstellenden Substanzen zu. Die Dualisten. Der mit sich selbst uneinige Dogma tiS> mus stritt entweder nur für eine Einzige Substanz, oder für Mehrere Substanzen. Die Vertheidiger der Mehrheit der Substanzen stritten entweder für zwey Akten derselben, oder nur für eine Einzige. Di» 46 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Die Vertheidiger einer Einzigen Art stritten entweder für lauter materielle, oder für lauter vorstellende Substanzen. Die Critiker sind unter sich einig, daß der Realgrund der Vorstellung des Absolu, 1 cn in der bloßen Vernunft und durch dieselbe vorhanden sey. Allein sie sind unter sich darüber uneinig geworden: Wie, und wodurch sich die Der« nunft als der reelle Grund der Vorstellung des Absoluten erweisen lasse? Einige behaupten, daß dieser Beweis von der Möglichkeit der Erfahrung, und der Entwicklung ihrer materiellen und formellen Bedingungen; Andere, daß er vom Bewußtseyn überhaupt und den Arten desselben, Andere, daß er von dem Ursprung Ist chen Vorstellen, tn welches man sich selbst versetzen müsse, An, u. d. transccnd. Philosophie überhaupt. 47 Andere/ daß er von dem absoluten Setzen durch reine Vernunft selbst ausgehen müsse. Vierter Abschnitt. Ueber den äusseren Zustand der . Metaphysik. er Versuch, die unzähligen von einander abweichenden Begriffe derMetaphysiker von dem Objekte ihrer Wissenschaft auf einen in allen enthaltenen Eattungsbegrif, — und die unzähligen einander widersprechenden Lehrgebäude der dogmatischen Metaphysik auf vier, sie alle erschöpfende, Hauptsy- st eine zurückzuführen, kann mir freylich mis- langen seyn. Allein wenn derselbe auch gelungen wäre, würde er bey dem gegenwärtigen Zustand der Metaphysik, den er in dessen Grundzügcn schildert, nur von sehr wenigen Lesern verstanden werden können. Jeder Mer taphysrker, der sich unter Metaphysik nur sein 43 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik sein eigenes System ;u denken vermag, wird meinen Dcgrif von Metaphysik überhaupt, eben darum weil derselbe auch auf andere Systeme anwendbar ist, viel zu weit, und meinen Begris von seinem Systeme, eben darum weil derselbe nicht die Metaphysik überhaupt umfaßt, viel zu enge finden. Er wird meine Klas- sifikation der Hauptsysteme für höchst ungereimt halten, weil es nur eine einzige wehre Metaphysik, oder gar keine gebe» könne, d-cr Irrthum aber unzählige Modifikationen zulasse, und also durch keine Einthcilung erschöpft werden könne. Aber noch wr.it mehr muß die richtige Beurtheilung meines Versuches durch den äusseren Zustand der Metaphysik erschwert werden, in wieferrre derselbe theils von dem innern Zustande selbst, theils aber von Umständen abhängt, die außer der Metaphysik selbst liegen. Der u> d. kranSceud. Philosophie überhaupt. Der innere Zustand der Metaphysik besteht in der Beschaffenheit der Wissenschaft selber, in wicftrne sie durch die Erkennbarkeit des Objektes derselben bestimmt wird. Da diese Erkennbarkeit, aller bisherigen Fortschritte der philvsophircnden Vernunft ungeachtet, gleichwohl durch keine allgemeingeltendc Erkenntniß sich bis itzt bewahrt hat, und jedes metaphysische Princip bis auf den heutigen Tag be stritten wird: so laßt sich wohl daraus schließen, daß Las Objekt der Metaphysik in keinem der bisherigen Grundbegriffe von demselben bestimmt genug vorhanden war, und daß die Verschiedenheit zwischen der kritischen, skeptischen, und den vier dogmatischen Vvrstcllungsarten von jenem Objekte i n der Metaphysik selbst gegründet ist, und folglich zu dem inneren Zustand derselben gehört. Der äussere Zustand der Metaphysik besteht in den Beschaffenheiten und Graden der Antwahl Mm. Schrift. Th. U. D Ke NN Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Kenntnisse von derselben, die von den Kennern und Pflegern der Wissenschaft zunächst abhängen. Die V i eldeutigkcit des Objektes der Metaphysik, die schon in dem inneren Zustande derselben gegründet ist, muß nothwendig durch diejenige Verschiedenheit der Grundbegriffe vermehrt werden, an welcher die Metaphysik selbst ganz unschuldig ist, und die aus den verschiedenen äusserlichcn Gesichtspunkten, verschiedenen Einsichten, und überhaupt aus den Eigenthümlichkeiten der Metaphysiker selbst erfolgt. In Rücksicht auf diese, iin ausser» Zustande der Metaphysik vorhandenen, Verschiedenheiten ist nicht nur keine erschöpf sende Einthcilung der metaphysischen Lehrgebäude möglich; sondern muß auch jeder Versuch einer solchen Einthcilung für den inneren Zustand auf eine, auch nur einigermaßen ausgebreitete, Aufnahme unter den Metaphysiken: Verzicht thun. u. d. kransccnd. Philosophie überhaupt. 51 Jede Modifikation des Criticis- Hills, des Skepticismus, oder eines dcr vier dogmatischen Hauptsystcme, die im Auge des Philosophen, der sie aufgestellt hat, allerdings das Wesen seines Systemes ausmachen hilft, setzt denselben mit den übrigen Anhängern seiner eigenen Parthey, welche jene Modifikation für unwesentlich, oder gar für falsch halten, in Widerspruch; und der Mann sieht sich dadurch berechtiget sein Lehrgebäude für das Einzige dieser Art zu halten, und jeden Platz in irgend einer Parthey von sich abzulehnen. Auch die erklärten, und sich selbst bekennenden Anhänger einer dcr philosophischen Sekten denken und lehren sehr oft, ohne es selbst zu wissen, über die Hauptmo- mcnte des g eme in sch aftlich en Systemes untereinander sehr verschieden. Nur selten wird ein großer Selbstdenkcr in seiner. Lorstellungsart über Metaphysik von D 2 sei- ;2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik seinen Vertheidigern besser als von seinen Gegnern verstanden. Dieses gilt keines» Weges lediglich von seinen Nachbetern, die bey seinen Formeln um so weniger denken , je ängstlicher sie sich an dieselben festhalten. Die meisten seiner denkendsten Nachfolger, die seine Lehre dnrch das Licht ihres eigenen Geistes zu beleuchten streben, entfernen sich von dein eigentlichen Sinne derselben, in dem Verhältnisse als sie sich ihr immermchr anzunähern glauben. Derselbe Liefsinn, der zur Erfindung oder wesentlichen Verbesserung eines vollendeten Lehrgebäudes nöthig ist, schränkt die Klarheit, und Leichtigkeit der Darstellung desselben durch den Urheber immer mehr oder weniger ein, und schreckt die meisten und keineswegs nur die ungeschicktesten Vcarbeiter der Wissenschaft ab, aus der Quelle selbst zu schöpfen. Die meisten Erläuteret eines Lehcbcgriffcs haben denselben, wenigstens zuerst, nur durch andere Erläuterer kennen ge- u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 5Z gelernt. So hat z. V. der Leibnitzisehe im Durchzuge durch jeden Kopf, aus welchem er wieder in einen andern übergicng, etwas von seinem ursprünglichen Geiste eingebüßet, ungeachtet jeder der ihn nach allen jenen Einbußen , unter alle» durch sie erfolgten Verunstaltungen angenommen hat, sich für einen Lcibnitzianer hielt, und auch wohl von andern dafür gehalten wurde. Selbst das Zurückgehen zu den Schriften des Urhebers klärt den wahren Sinn seines Systemes nur selten auf; indem man einmal durch die Commcntatoren irregeleitet, die von ihnen angenommenen Begriffe unvermerkt beym Lesen unterschiebt. Schon Wolf hatte das Idealistische Wesen des Lcibnitzifchen Systemes wenigstens zum Theil verkannt. Wer dieses System nach ihm und durch ihn kennen lernte, fand dasselbe noch weniger idealistisch als Wolf; bis endlich durch die Wölfische Schule nach und nach alles ausschließend Eigenthümliche des Idealismus init dem D z Lehr- ;4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Lehrsatz, daß es keine andern Substanzen als Vorstellende gebe, daraus verbannt, und an dessen Stelle jenes Gemisch von Dualismus und Idealismus entstanden war, das nur durch die Unbestimmtheit seiner Grundbegriffe sich eine Zeitlang halten konnte, und an dem weder Leibnitz noch Deskartes ihre Denkarten erkannt haben würden. Auch der originellste Selbstdcnker hat noch nie sein eigenes System in der ganzen Vollständigkeit desselben aufgestellt, oder auch nur blos ausgebucht. Jeder setzt bey der Grundlegung desselben so manches, nicht nur stillschweigend, sondern sogar ohne klares Bewußtseyn voraus, wovon doch der bestimmte Sinn seiner Grün d« sätze nothwendig abhängt. Jeder verschweigt sich selber so manche Folgerung seiner Lehrsätze, die mit gewisse» anderen nichtmetaphysischen aber festen Ueberzeugungen im Widerspruch stehen. Leibnitz verweilte wohl selbst nicht gerne u. d. kraiiSeeud. Philosophie überhaupk. 5; gerne bey seinem Lehrsatz, der die Elemente der Körper zu vorstellenden Kräften machte, und seine trcucsten Anhänger scheinen sich die vorstellende Kraft jener Elemente nicht ungcrne nur unbestimmt gedacht zu haben, indem sie dasselbe ein Abspiegeln des Universums »anntcn, und nicht leicht wag» tcn von einem auch nur dunkeln Bewußtseyn, das in jenen« Vorstellen statt finde, zu sprechen. So nennt Leibnitz seine Lehre von der vorherbestimmten Harmonie, Ungeachtet sie einen wesentlichen Bestand- theil seines Lehrgebäudes ausmacht, und aus den Principien desselben nothwendig erfolgt, zuweilen eine bloße Hypothese; vermuthlich, so oft er sie mehr mit seiner natürlichen als mit seiner Philosoph» rendcn Vernunft ansah. Das System jedes Philosophen muß nothwendig mehr oder weniger idcalisirt werden, wenn man dasselbe in seiner völligen Conscquenz — d. h. wenn man es in der Eigenschaft L..u n D 4 will, z 6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik will, in welcher es nicht so viel seinem Ur- Heber als der Wissenschaft angehört. Da ich mir die Schicksale der Metaphysik, die ich beschreiben will, nur unter jener Eigenschaft denken darf, so wird freylich bey der Darstellung ihrer Hauptsysteme das Idealisiern in dem angegebenen Sinne Unvermeidlich seyn. Meine Ein (Heilung der Metaphysik schränkt sich auf den innern Zustand derselben ein. Daher muß ich es in Rücksicht auf die dogmatische Metaphysik bey den vier Hauptsystemen derselben bewenden lassen. Die durch Zusammensetzung aus denselben, oder vielmehr aus Bruchstücken derselben, erkünstelten Lehrgebäude gehören nicht weniger als die ei> gentlichen Modifikationen der cinzel« nen Hauptsysteme selbst, lediglich zu dem äus- sern Zustande der Wissenschaft. Die Grundbegriffe und Hauptsätze jener vier Systeme, wenn sie bestimmt genug u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 57 genug gedacht und ausgedruckt sind, stehen untereinander in einem so auffallenden Widerspruch, daß niemcnd daran denken kann, durch ihre Vereinigung neue Systeme bauen zu wollen. Wenn z. B. der Hylozoismus das Wesen der Materie und der vorstellenden Krast in denselben Substanzen v e r- bindet, so ist dieses uur durch eine Unbestimmtheit der Begriffe von beyden möglich, durch welche das Widersprechende dieser Verbindung unmöglich wird. Das Subjekt der Erfahrung ist nur in Rücksicht auf seine absolute Selbstthätigkeit, nur als Gest st, und das Objekt der äusscrn Erfahrung ist nur durch seine absolute Unthätig- seit, (vis iuertiae) nur als Materie Objekt der Metaphysik. Daher läugnet der konsequente Materialist alle Selbstthätig kcit des Subjektes der Erfahrung, und thut auf jede metaphysische Erklärung der Thatsachen des Selbstbewußtseyns und der innern Erfahrung Verzicht, Daher D Z laug- 58 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik läugnct der kon'egucnte Ideali st dicSub- stanzialität der Materie, und sieht alles Physische, in wicscrnc es auf Existenz ausser den Vorstellungen Anspruch macht, für bloßen Schein an. Von einem Lebe >1, das nicht blcße geistige, in Dcrnünstigkeit und Freyheit bestehende, Sclbstthätigkcit ist, von dem animalischen und organischen Leben ist kein metaphysischer Vegrif möglich. Der Hylozoisinus setzt sich selber über alle Gränzen der Metaphy» fi k nicht weniger, als über das Gebiet der Erfahrung hinaus, in dem er das innere Wesen der Materie in Lebenskraft bestehen läßt. Die ungeheure Unbestimmtheit der Grundbegriffe von der einzigen unendlichen Substanz und den vielen Endlichen— die an dem Systeme der Emanation jedem, der nicht ein Anhänger desselben ist, in die Augen springt, hat diese Coalition des Pantheismus und Dualismus mög, u. d. transccnd. Philosophie überhaupt. 59 möglich gemacht, in welchem alle endliche Dinge dem Unendlichen ihr Daseyn verdanken ohne von demselben weder aus Nichts noch aus Etwas An der IN hervorg cbrucbt zu seyn, und ein Zusa m m cnhang der Welt mit der Gottheit behauptet wird, durch welchen die Welt weder ein Theil noch eine Wirkung der Gottheit, sondern — beydes zugleich ist, und auch nicht ist. Wer vermag die sogenannte eklektische Metaphysik in der Zahl, den Arten, dem Ursprung ihrer wirklichen und möglichen Produkte zu erschöpfen! Wenn der Streit zwischen den Anhängern der Hauptsystcme bis zu einer gewissen Tiefe der Spekulation gediehen ist, verlieren sich die Principien der Streitpunkte gewöhnlich aus den Augen der Zuschauer, wahrend die Unvereinbarkeit der Resultate immer einleuchtender wird. Der Partheylosc sieht, daß keine Parthey der andern den Kampfplatz überlaßt, und schließt daraus, daß beyde Partheyen im Grunde' recht, 62 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik recht, und nur in der Folge durch Einseitigkeit unrecht haben müssen. Diese durch Unwissenheit veranlaßte Unpartheylich, feit findet in dem Bestreben gegen alle Partheyen gerecht zu seyn, und von allen zu lernen, eine sehr gründliche Unterstützung. Unter der Anleitung der natürlichen Vernunft und der Maxime: „daß man Alles prüfen und das Gute behalten müsse," glaubt sie bald genug ausfindig gemacht zuhaben, „daß sich „die Materialisten auf die Körperwclk, „die Idealisten auf die Eetsterwelt am be- „sten verstünden, weil sie sich am fleißigsten „darauf gelegt hatten. Nur waren sie dadurch einseitig geworden. Aus demselben „Grunde müsse man in Rücksicht auf alles, „was sich durch Erfahrung erkennen „laßt, bey Locke und den Empirikern, in „Rücksicht auf das, was aller Erfahrung z u m „Grunde liegt aber bey Leibn itz und den „Rationalisten anfragen. Locke habe „der Erfahrungzu bicl zugemuthet. Leib- u. d< transcend. Philosophie überhaupt. 6! „nitz zulief nach den Gründen derselben „geforscht. Die Panth eisten haben das „Wesen der unendlichen Substanz, die „Materialisten das Wesen der Materie, „die Idealisten das Wesen der Geister, „die Dualistcn das Wesen von bey- „den im Grunde richtig — in der Folge aber „und zwar in dem Momente unrichtig gedacht, „in welchem sie durch ihre Spekulationen über „die Gränzen der Begreiflichst hinausgegangen sind. Diese Gränzen fiengen dort an, „wo die Verträglichkeit der unendlichen „Substanz mit den Endlichen, der Geister „mit der Materie aufhöre. Sobald man in „der Spekulation auf solche Merkmale dieser „Substanzen stoßen, durch welche sich dieselben „gegenseitig ihre Existenz streitig mar „chen müßten, wäre es Zeit sich in das „Gebiet des Begreiflichen zurückzuziehen." Durch dieses sehr richtige Näsoimement der natürlichen Vernunft müßte die philosophircnde Vernunft nothwendig zu Principien gelangen, aus 62 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik aus welchen sich jener Streit der Metaphysikcr entscheiden ließe. Allein der sogenannte E k* lekticismus bedient sich desselben nur um die streitenden Partheyen ohne weitere Schlichtung ihrer Streitsache zur Ruhe zu verweisen. Anstatt das Gebiet des Begreiflichen genau aufzunehmen, und seine Gränzlinien zu erforschen, zieht er sich scheu zurück, wo er ihnen zu begegnen fürchtet. Aus Besorgniß das Einfache nicht zu zerreißen, laßt er das Zusainmcngesetzte unentwickelt; um ja die Bestimmungen nicht bis zur Verwirrung-anzuhäufen, laßt er die Grundbegriffe unbestimmt, und damit er die Substanzen nicht in Widerspruch untereinander setze, laßt er die wesentlichen Unterschiede derselben aus ihren kehrbcgriffcn weg. Auf diesem Wege wurde der eklektische Philosoph durch sein Nachdenken zu derselben Vsrstellungsart geführt, zu welcher die vulgäre Vernunft durch Gedankenlosigkeit gelangt. Wenn sich diese u. d. transeend. Philosophie überhaupt. 6z diese z. B. die Seele zu matcriel denkt um sie für ein geistiges, und zugleich zu imma- tcrici um sie für ein materielles Wesen zu denken, und sie daher in ihrem unbestimmten Des griffe als beydes zugleich denkt, stimmt ihr der Eklektiker, der weder Materialist, noch Spirirualist, u. s. w. seyn will, nicht nur bey; sondern er glaubt an jenem Begriffe von der Se ele die Vorstellungsart gefunden zu haben, bey welcher sich die philosophirnide Vernunft und die natürliche einander b eg eg- n e n müssen. Daß dieser Eklekticismus, der sich, wegen seiner Harmonie mit der vulgären Vernunft, für die achte P opularph iloso phic hält, nie allg ein ei «geltend werden, und daß seine, durch zufällige äussere Umstände der gründete, Herrschaft nie lange dauren könne, dafür ist sowohl durch die natürliche als durch die p hi lo so ph i re n de Vernunft, unter der Gewährleistung, der Naturgesetze des menschlichen Geistes, hinlänglich 64 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik gesorgt. Das Unbefriedigende der eklckti- sehen Grund - und Lehrsätze wird durch die bloße natürliche Vernunft wahrgenommen, wenn sie jene Sätze mit den Ueberzeugungen vergleicht, die sie aus dem Gewissen schöpft, und die unter allen andern die klar- frei, und ausgemachtesten für sie sind. Sie findet z. B. daß sie sich in jenen Ueberzeugungen die Seele durch eben die Merkmale wirklich denke, die der Eklektiker aus seinem Begriffe von derselben darum weglaßt, weil die metaphysischen Partheyen über dieselben uneinig sind. Sie kann sich daher für die Eklektische Sekte so wenig als für jene metaphysischen Partheyen erklären. Die philvsophircnde Vernunft aber, die durch ihr Wesen genöthiget ist, jeden bestimmbaren Begrif zu bestimmen, arbeitet dem Eklekticismus in der Metaphysik, der nur während ihres Einsch kümmern s möglich ist, unaufhörlich entgegen. Allein u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 6; Allein so lange die philosophircnde Der, nunft durch ihr Fortschreiten nicht bis jur voll ligcn Einsicht der Mißverständnisse gelangt ist, durch welche sie in der Metaphysik und über Metaphysik mit sich selbst sich veruneiniget wird: so lange muß sie bey ihrem Wicdererwachen zu ihren einander widerspre- chenden kritischen, skeptischen und dogmatischen Vorstclluiigsartcn, und zum Streite für und wider dieselben zurückkehren. Weder in der Natur der philosophircnden Vernunft noch in dem Wesen des metaphysischen Dogmatismus ist durchaus kein Grund chcnkbar, der die Vernunft bestimmen könnte, so lange dieselbe dem Dogmatismus anhängt, irgend einem der vier dogmatischen Hauptsysteme vor den klebrigen den Vorzug einzuräumen. Jedes ist eine unvermeidliche Folge gewisser Voraussetzungen, die von den Dogmatikern, theils gemeinschaftlich angenommen, theils auf viererlcy verschiedene Arten von den Partheyen derselbe angewendet sind. Die Auswahl vttni-Schrift, TH U. E GkÜN- 66 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Gründe / warum ein System den übrigen vorgezogen wird, liegen also ganz ausser aller Metaphysik in den Mctaphysikcrn; und die hauptsächlichsten derselben sind eben nicht schwer zu finden. Der sogenannte gemeine und gesun- de Verstand, wenn er doch einmal genöthi- get ist, ssich für eine der Partheyen zu erklären, halt sich an diejenige, welche ihm für die Ueberzeugungen des Gewissens Best ä> tigungzu verheißen scheint. Er hat daher auch der Regel nach, bis itzt, den dogmatischen Theismus in soferne begünstiget, als dieser das Da seyn Gottes, die Unsterblichkeit der Seele, und die Freyheit des Willens zu beweisen und zu vertheidigen unternahm. Aber auch die vulgäre Vernunft hat dem dogmatischen Theismus viele Anhänger zugeführt, die er durch seine Beweise sehr leicht von etwas überzeugt, was durch u. d. transeend. Philosophie überhaupt. 67 den Catcchismns für sie ausgemacht ist, die als Doktoren und Professoren der Philosophie, was sie ohne Beweise glauben, von Standes - und Amtswegen beweisen; die endlich auch wohl was sie nicht glauben, beweisen, weil sie das Gegentheil zu beweisen entweder nicht gelernt haben, oder auf die Gefahr ihre bürgerliche Nahrung einzub^ ßcn, nicht wagen wollen. Die ausser dem innern Zustande der Philosophie vorhandenen Ursachen des Materialismus dürften sich alle auf den niedrigen Grad von Klarheit und Bestimmtheit zurückführen lassen, auf welchen die, aus dem Selbstbewußtseyn und auS der inneren Erfahrung geschöpften Begriffe der meisten Menschen zurückbleiben, und der durch den Contrast mit den ungleich höheren Graden von Klarheit und Bestimmtheit der äusseren Erfahrungsbegriffe in eigentliche Dunkelheit und Unbestimmtheit übergeht. Bey diesem Mißverhältniß zwischen E 2 den 6z Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik den psychologischen und moralischen Begriffen auf der einen, und den physischen auf der andern Seite setzt die räsonni- rcnde Vernunft, welche das Unbekannte aus dem Bekannten herleitet, die innere Erfahrung in der Aeusseren, das Selbstbewußtseyn in der Sinnenwelt, und das Denken und Wollen in der menschlichen Organisation gegründet voraus. Ueberhaupt wird die phi- lvsvphircnde Vernunft durch alles, was die Aufmerksamkeit, die Reflexion, die Unters;« chung von den Thatsachen des Selbstbewußtseyns und der innern Erfahrung ablenket, und an die Beschaffenheiten und Begebenheiten der aussern Erfahrung fesselt, zum Materialismus eingeladen. Ein Geist, der in der Materie ausschließend Beschäftigung und Genuß findet, überzeugt sich sehr leicht, daß der Materie auch das Daseyn ausschließend zukomme. Je mehr der Mechaniker, Chemiker, Physiolog die Kräfte der Marerie, und je weniger er die Kräfte u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 69 Kräfte des Geistes erforscht und erkennt, ie glücklicher er in seinen Untersuchungen der phnfischen Natur gewesen ist, und je wer niger er die Eigenthümlichkeiten der psychologischen Natur kennt, desto mehr traut er der Materie zu; desto weniger zweifelt er, daß die von ihm verkannten geistigen Wirkungen von künftig zu entdeckenden Eigenschaften der Materie herrühren, und daß die ganze Griffigkeit derselben in der gemeinen Dorstcllungsart nur der Unbekanntschaft wit dem W csen der Materie zuzuschreiben sey. So mancher Geschichtsforscher welcher alles was der Mensch geworden ist, in den Organisationen, Climaten, Nahrungsmitteln, Ctaatsverfassungcn, Revolutionen u. s. w. folglich iu der äusseren Erfahrung allein zu suchen und zu finden gewohnt ist, gelangt auf diesem Wege ohne zu wissen, wie, zu der Ueberzeugung, daß das ganze Wesen dcS Menschen nicht weniger in der Zusammensetzung aus gewissen Grundstoffen, als da- Ez thun 70 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik thun nnd lassen desselben im Zusanrmen» tr essen äusserer Umstände gegründet sey. Er und sein Publikum glauben historisch und s xoüeriori zu wissen, was der metaphysische Materialist philosophisch und a xriori ZU erkennen wähnt. Die vulgäre Vernunft gelangt zu der materialistischen Ueberzeugung auf einem weit kürzeren und breiteren Wege. Die Gesinnung, die sich in ihrem Streben nie über das Handgreifliche erhebt, ladet diese Vernunft unaufhörlich zu dem Urtheil ein, daß auch nichts Wirklich sey als das Handgreifliche. Dieses Urtheil wird in dem vvrnel> mcn Pöbel durch die Verfeinerung seiner Denkart vielmehr bestätiget als widerlegt. Je mehr seine Vernunft die physischen Genüsse zu vervielfältigen und zu erhöhen gelernt hak, desto mehr traut sie der physischen Natur zu, desto gleichgültiger, entbehrlicher, dunkler, beschwerlicher wird ihn jeder Gedanken an eine andere, und höhere Natur. Das u. d. transecnd. Philosophie überhaupt. 71 für wahr halten: „daß es nichts als Materie gebe" nimmt mit dem Interesse an demselben jU. Und vollends der Dvsewicht! Gerne giebt dieser die innere Freyheit zu thun was er soll, oder nicht soll, die ihm durch das Gewissen angekündiget wird, gegen die äussere: alles zu thun, was er kann, hin, die ihm durch den Materialismus zugesichert wird. Gerne schreibt er das Verdienst, das er nicht hat, dem Glücke zu, um das Unrecht, das sein Werk ist, dem Unglück zuschreiben zu können. Gerne hält er sich für ein bloßes Thier, um glauben zu können, daß er nie etwas gethan habe, was er unterlassen — nie etwas unterlassen habe, was ex thun konnte. Bey dem Streite zwischen den Ma teria- listcn und Idealisten, Atheisten und dogmatischen Thcistcu wird die natürliche Vernunft selten eine partheylose Zuschauerin bleiben. Sie wird auf die Seite des Idealismus und Theismus treten; so E 4 lang- 72 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik lange sie die Ueberzeugungen des Gewissens durch diese Systeme geschützt glaubt. Allein findet sie bey einer schärferen Prüfung derselben nicht nur keine Bestätigung, sondern vielmehr Erschütterung jener Ueberzeugungen: so giebt sie diese,Partheyen ihren Gegenpartheyen preis, ohne darum auf die Seite der letzten, zu treten. Sie selber neigt sich dann zur skeptischen Parthey, welche den Streit zwischen den übrigen für eine natürliche Folge der Nichtigkeit aller Metaphysik erklärt. Der gemeine und gesunde Verstand nimmt diese Nichtigkeit als erwiesen an, so bald er sich einmal von der Verwerflichkeit aller dogmatischen Systeme derselben durch ihren Widerstreit mit den Ueberzeugungen des Gewissens überzeugt hat. Er macht die skeptischen Grundbegriffe nm so leichter zu den Seinigen, je mehr er durch sie die Unmöglichkeit der Metaphysik zu begreifen glaubt. Er wird! um so geneigter dafür zu halten, daß der Skepticismus nur die metaphysischen Irrthümer, keir u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 7Z keineswegs aber die natürlichen Wahrheiten des Gewissens aufhebe; je fester er selbst von diesen Wahrheiten überzeugt ist. Er schließt aus der wirtlichen Fortdauer seiner eigenen Ueberzeugung auf die Verträglichkeit des Step« ticismus mit derselben, und hält dieses System für die Schutzwehr der Moralität und Religio- fttät, weil er es in dieser Eigenschaft wirklich benutzet. Aber auch zur skeptischen Denkart fin, det die vulgäre Vernunft ihren kürzern und breiteren Weg. Da sie durch kein anderes Interesse als durch das Sinnliche beschäft tigct wird, überredet sie sich leicht, daß es auch keine andere Wahrheit gebe, als die durch die Sinne bezeugt wird. Aber selbst für diese Wahrheit kennt sie kein anderes Criterium als die Lust und Unlust. Wahrheit um ihrer selbst willen ist ihr Unding, und,jene Untersuchung die diese Wahrheit voraussetzt, Thorheit. Alles, was nur durch eine An, strengung, die weder Geld noch Ruhm ein, E 5 bringt, 74 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik bringt, entdeckt werden könnte, liegt für sie aus< sc r dem Gebiete des menschlichen Erlcnmnißver- mögcns. Auf die Streitigkeiten der metaphysischen Partheyen sieht sie bald mitleidig, bald lriumphircnd herab. Sie findet ihre Lieblings- Überzeugung: daß die Wahrheit nicht ausser dem sinnlichen Schein zu suchen und zu finden sey, durch jene Streitigkeiten bestätiget, und freut sich durch eine Entdeckung, die so wenig Mühe gekostet hat, und so viele Mühe erspart, über alle Thciinchmcr an den Mißverständnissen der Metaphysik erhaben zu seyn, ohne darum weniger unter den Philcsophen eine Stelle einzunehmen, die sie auch ui Auge eines zahlreichen Publikums leicht genug behaupten kann, wenn ihr anders Witz und Beredsamkeit zu Diensten stehen. Es muß hier noch eine Parthey angeführt werden, die zwar nicht zu den Metaphysischen gehört, aber den Fortschritten dieser Wissenschaft Hindernisse in den Weg legt. Durch ci- rmi hohen Grad von Religiosität kann der phi- u. d. tranöcend. Philosophie überhaupt. 75 philosophische Skeptiker zum Supcriratu- ralismus eingeladen werden. Seine Ueber- Zeugungen von der Zurechnung, von Gott und Unsterblichkeit sind ihm nicht weniger die gewissesten als die w ichtigste n unter alle». Sie würden seinen Skepticismus niederschlagen, wenn derselbe weniger philosophisch wäre. Sie würden durch seinen Step- ticisni us niedergeschlagen werden, wenn sie weniger in seinem Gewissen gegründet, und durch seine Gewissenhaftigkeit unterstützt wären. Da er seine moralischen und religiösen Ueberzeugungen ii e b e u den skeptischen durch Vernunft unmöglich hält, glaubt er sich durch Offenbarung möglich und wirklich. Als Skeptiker weiß er, daß alles Daseyn der Objekte widersprechend wird; so bald man dasselbe durch Vernunft zu beweisen unternimmt. Gleich wie er also die Ueberzeugung vom Dasemr der sinnlichen Gegenstände aus der! natürlichen Erfahrung ableitet; so verdankter seine über allen Zweifel erhabene Ueberzeugung vo n 76 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Daseyn des Uebcrsinn li chen einer über» natürlichen Erfahrung. Sein Ge, wissen, das ihm durch Vernunft unbegreiflich ist, und durch jeden Versuch es zu begreifen, widersprechend wird, ist ihm unmittelbare Einwirkung der Gottheit, Stimme Gottes, Geschenk der Gnade. Je reiner und lebendiger sein sittliches Gefühl wirkt, je ausschließender er den Inhalt seiner moralischen und religiösen Begriffe einzig aus dieser Quelle schöpft, je mehr diese in sofcrne wirklich wahren und herzerhebenden Begriffe durch die Vergleichung mit allen dogmatischen Philvsvphemen in seinem Auge gewinnen; je genauer er die Schwäche des Dogmatismus und die Starke des Skepticismus kennt: desto unwiderlegbarer und unschädlicher wird sein Supcrnaturali'smus werden müssen. Ungeachtet dieses System in Rücksicht auf seine philosophische Begründung nichts vor den übrigen voraus hat, ist dasselbe gleichwohl in Rücksicht auf seinen Ursprung einerseits im Gewissen, andererseits u. d. trariscerid. Philosophie überhaupt. 77 in der genauen Kenntniß und gesun» den Beurtheilung des Dogmatismus und Skepticismus, die es voraussetzt, das edelste und geistreichste unter allen, welche die philosophircnde Vernunft, so lange sie noch in dem Mißverständnisse zwischen den Dogmas tikern und Skeptikern befangen ist, aufstellen kann. Der Buchstabe dieses Systems, durch den unreinen Geist des Aberglaubens belebt, macht den Supernaturalismus des vulgären Verstandes, die nie» drigste und geistloseste unter allen Vorstellungs» arten von dem Uebersinnlichen, aus. Die im Dienste der Begierden ausgeartete Vernunft schöpft den Begrif von der Freyheit des Willens nicht so viel aus dem Gewissen, dessen Stimme der Sklave der Sinnlichkeit kaum mit halbem Ohre hört, als aus den Handlungen des der Begierde preis gege» denen Willens, und denkt sich daher die Freyheit als die Zügellosigkeit der Neigungen. 78 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik gen. Der Bcgrif der Moralität, und folg« lich auch der Heilig reit, gelangt in seinem Bewußtseyn selten, oder nie, zur Klarheit und Bestimmtheit einer eigentlichen Ueberzeugung. In seinem Begriffe von der Gottheit setzt er daher bloße Willkühr (au die Stelle der Heiliakcit) der Allmacht zur Seite. Er nimmt als geoffenbart an, was er von dieser Willkühr glaubt; und glaubt von ihr, was er nach seiner verkehrten Gesinnung und Denkart von ihr wünschen muß. Dieser um philosophische Supernaturalismus, der alles Selbsidenken über das Uebcrsinuliche theils um Möglich macht, theils für ein Verbrechen er- klart, muß nothwendig die Verbreitung und den Einfluß der schon geläuterten metaphysischen Lwgriffe eben so sehr einschränken als der philosophische Supernaturalismus, der das Cclbstdenren genau bey dem Punkte über welchem hinaus die Auflösung des Mißverständnisses zwischen Dogmatismus und Skepticismus sich von selbst crgicbt, still stehen heißt, die u. d. trausceud. Philosophie überhaupt. 7Y die freyen Fortschritte der philosophirenden Wernunst in dem Geschäfte jener Läuterung aufhält. Die bisher erwähnten äusser» Umstände, und so viele anderen, die ich der Kürze aufopfern muß, mußten um so entscheidender die Schicksale der Metaphysik bestimmen, je weniger diese Wissenschaft durch innere Festigkeit und Einhelligkeit ihrer Grundbegriffe dagegen geschützt war. Es war ihr Glück, daß dieselben Umstände die ihre Fortschritte hemmten, durch den eigenen Widerspruch unter sich selber auch sich selbst einschränkten. So verhinderte z. V. auch schon der U» gla u b en, der seine Theorie in ihr aufsuchte, daß sie nicht allgemein zur Theorie des Aberglaubens gemißbraucht werden konnte; und umgekehrt. Allein, wenn die äusseren Umstände, durch welche die einzelnen Hauptsysicmc begünstiget werden , sich unter einander eine Zeitlang das Gleichgewicht halten, und der Streit für und gegen die metaphysischen Lehrbegriffe aufhört, ohne AO Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik ohne daß einer darunter die übrigen verdrängt hatte, dann tritt die Periode des melaphysi- schen Synkretismus ein, der Zustand einer gänzlichen Verwirrung aller Vorstellungsarten, während welcher aller innere Zustand der Me- taphysik aufgehoben, und sie selbst nur noch dem Namen nach vorhanden ist. Dieß war das Schicksal der Metaphysik in der Zwischenzeit von dem gänzlichen Verfall der lcibnitzisch - wölfischen, bis zum Auftritt der kanlischen Schule. Mit dem Gegensatze zwischen ihren verschiedenen Grundbegriffen verlor sich die Wissenschaft selber aus der Denkart der Metaphysikcr. Der Ticfsinn einiger weniger und die Gedankenlosigkeit vieler vereinigten sich jenen Gegensatz durch erkünstelte Verkettung und durch rohe Vermengung jener Grundbegriffe aufzuheben. Die Coa- litionen, durch welche Lambert den Streit zwischen dem Empirismus und Rationalismus, und Tetens zwischen dem Skepticismus und Dogmatismus ge- u. d. kranScend. Philosophie überhaupk. Zk geschlichtet zu haben glaubten, wurden von den wcuigsrcn der wenigen Leser dieser Schriftsteller verstanden, aber desto allgemeiner auch von ihren Nichtlesern durch Glauben angenommen. Der sich selbst so nennende Eklekticismus stellte nun in den Lehrbüchern der Metaphysik die verschiedensten Lchrbegriffe der alten und neuen Metaphysiker ohne Streit und ohne Eintracht neben einander hin. WaS er davon nicht ineinander schmelzen, und zu seiner eigcmn Lehre machen konnte, mußte freylich noch immer unter den Unter sch eidung s, lehren ehemaliger Sekten angeführt werden. Aber beydes wurde mehr erzählend als untersuchend, mehr historisch als philosophisch abgehandelt, und die abstrakteren metaphysischen Grund - und Lehrsätze wurden durch die konkreteren Bemerkungen der empirischen Psychologie und der Geschichte der Philosophie verdrängt. Dieser ungleichartige Stoss, der nun den Inhalt der Metaphysik ausmachte, erhielt endlich durch Zeders und Plattners Auswahl verm. Lchrist. Lh. ll. F xha p- 82 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik rhapsodische und aphoristische Verträge, die ihm angemessenste Einkleidung, und man war in kurzem allgemein überzeugt, daß der Metaphysik vormals nichts so verderblich gewesen sey als die systematische Form. Allein es begab sich zu gleicher Zeit, daß die Metaphysik von ihren eigenen Pflegern und Bearbeitern nicht mehr für Wissenschaft gehalten wurde; ungeachtet man nicht so eigentlich recht wußte, was sie denn in Ermanglung jenes Charakters seyn sollte. Man hielt es theils der auf dem Gebiete der Spekulation hergestellten Eintracht, theils der philosophischen Bescheidenheit am angemessensten , seine angeblichen metaphysischen Grund- und Lehrsätze für nichts als bloße Meynungen zu geben; während man irr der Moral und in der philosophischen Ncligionslehre dieselben Meynungen denjenigen Ueberzeugungen zum Grunde legte, von denen die Veredlung und Beglückung der Menschheit zunächst abhängen sollten. Die Professoren der Metaphysik würden u. d. kransecnd. Philosophie überhaupt. 83 den sich vielleicht noch immer mit bloßen Vermuthungen begnügen, wenn sie nicht durch die zuversichtliche Gewißheit, mit welcher die Critik der reinen Vernunft diese Ncr, muthungen angriff, genöthigct worden wären, das Gewisse und Ausgemachte, das denselben zum Grunde liegt, aufzusuchen und anzugeben. Durch nichts hatte der gänzliche Mangel an etwas Mgemcingeltendcn in der Metaphysik, an bestimmten Grundbegriffen, und anerkannten Grundsätzen auffallender enthüllt werden können, als eben durch die zahlreichen Widerlegungen jenes Werkes. Nichts kann verschiedener und widersprechender seyn als die Gründe, welche von mehr als zwanzig der berühmtesten Metaphysiker den kantischen entgegengestellt wurden, und durch welche diese -Männer sich untereinander selbst wenigstens eben so sehr als ihren gemeinschaftlichen Gegner bekämpften. Die spekulative Philosophie, welche unmittelbar vordem Streit für und gegen Kant in Deutschland F 2 herrschte, 84 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik herrschte, war freylich weder dogmatisch, noch skeptisch, weder empirisch noch rationalistisch, — sie war synkretistisch. Man triumphirte über die Bcfreyung der Wissenschaft von allen Sekten, die sich vorher um die Herrschaft über dieselbe stritten. Allein die wesentlichen Verschiedenheiten der Vorstellungsarten jener Sekten waren keineswegs durch tiefere Einsichten aufgehoben, sondern durch seichtere verdrängt und unsichtbar geworden. Es war freylich Friede auf dem Gebiete der Metaphysik; aber nicht weil die alten Streitpunkte hinweggeräumt waren, sondern weil man sie aus den Augen verloren halte. Das Verdienst, diese Streitpunkte allgemeiner als je angeregt und sichtbar gemacht zu haben, wird dem Philosophen von Königsberg auch von seinen Gegnern allgemein eingestanden. Indem allen Partheyen durch ihn der Krieg angekündigt war, wachte» auch alle zu ihrer Vertheidigung aus dem Schlummer auf, in welchem sie eine Zeitlang nebeneinander gelegen hatte». Die neue Art u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 85 Art des Angriffes nöthigte sie zu neuen Arten der Vertheidigung. Das Wahre, welches sie in einzelnen Behauptungen ihres Gegners gcs funden hatten, gab ihnen neue Stützen für ihre alten Lehrgebäude ab, und die Waffen die durch ihn zuerst bekannt geworden waren, wurden gegen ihn selbst gebraucht. Allein je scharfsinniger und gründlicher jeder der verschiedenen Gegnern der neuen Philosophie seinen eigenen Lchrbegrif vertheidigte, desto mehr kamen die Gegensätze und Widersprüche zwischen den Vorstellungsartcn der bisherigen Me, taphysik zum Vorschein, desto auffallender wurde die Unverträglichkeit jener Lehrbegrisse untereinander selbst, desto einleuchtender wurde es, daß sie weit eher sich untereinander selber aufreiben müßten als sie ihren Gegner überwältigen könnten. Sie scheinen sich in der That unser einander aufgerieben zu haben, in wicfcrne jeder einzelne Angrif auf die kantisehe Philosophie die Wirkung der übrigen Angriffe aufhob. F Z Im z6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Im Ganzen dürfte diese Philosophie durch Feder, Wcishaupt, Eberhard, Nei- marus, Plattn er, Seile, Tiede- mann, Schwab, u. a. ungleich geschickter angegriffen worden seyn als sie durch ihre meisten Vertheidiger verfochten wurde. Allein ihre Gegner widerlegten sich ohne es zu wollen, untereinander selber weit nachdrücklicher und treffender als sie durch die Kantianer widerlegt wurden, denen mau die unaufhörlich wiederholte Klage, daß Kant von seinen Widerlegen! nicht verstanden sey, nimmermehr geglaubt haben würde, wenn nicht die Verglcichung dieser Widerlegungen untereinander die Gründlichkeit dieser ausserdem so schwer zu jedermanns Befriedigung zu erweisenden Klage auffallend dargethan hatte. Die Zahl der Anhänger der kantischen Philosophie vermehrte sich dann erst zusehends, nachdem sich die meisten bekanntesten Philosophen von Profession gegen dieselbe erklärt hatten, und nicht nur der größere sondern im Durchschnitte wohl auch der bessere Theil der u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 87 der neueren philosophischen Schriftsteller, welche wohl nie so-zahlreich in kürzerer Zeit aufgetreten sind, bekannte sich zu der kan tischen Schule. So einig indessen diese Schule in ihren Anhängern darüber seyn mag, daß das Mißverständlich, welches die philosophircnde Vernunft in ihren dogmatisch - skeptischen und dogmatischen, empirischen und rationalistischen Repräsentanten mit sich selbst entzweyi hat, durch die Critik der reinen Vernunft gehoben sey; so einhellig sie überzeugt ist, daß es Metaphiss fik, oder welches für die meisten unter ihnen dasselbe heißt, Transcendentalphilos sophie gebe (gegen die Skeptiker, daß diese nicht Wissenschaft der Dinge an sich sey (gegen die Dogmatiker), daß die Principien derselben nicht aus der Erfahrung geschöpft sind (gegen die Empiriker -, daß sie aber nur in Beziehung auf mögliche Erfahrung Realität haben (gegen die Rationalisten); daß endlich der gesammte I n h a l t dieser Wissenschaft sich in F 4 sei- 58 Gsgenwärtiger Zustand der Metaphysik seinen einfachsten Elementen auf die reinen Begriffe von Raum, Zeit, die zwölf sogenannten Categorien, und die drey Formen der Ideen zurückführen lasse, aus welchen alle transcendentalen Erkenntnisse zusammcngesetze seyn müssen: — so bald und so sehr ist sie über die Form dieser Philosophie, über die Deduktion jener einfachsten Elemente ihres Inhalts, über die Principien, auf welchen die kantische Philosophie selbst beruh', mit sich selbst uneinig geworden» Die bekanntesten der von einander abweichenden Vorstcllungsarten dieser Schule dürften sich wohl r) auf den buchstäblichen Criticismus, 2) die Elementarphi- losvphie, z) die einzig mögliche Standpunktslehre, 4) die Wissenschaft sl e h r e zurückführen lassen, von denen der erstere dasAusgcmacht e, welches sowohl dem Inhalt, der Form als der Transccnden- talphilosophie zum Grunde gelegt werden muß, in der Critik der reinen Vernunft erschöpft u. d, kranscent. Phisosvphie üherhanpt. Fc, schöpft glaubt, die zweyte das Ausgemachte, das der.Form jener Philosophie zum Grunde ittgrn soll im Dcwu sttseyn—die dritte im ursprünglichen Vorstellen, die vierte im sich sclhst fetzenden Ich auft sucht und gefunden zu haben behauptet. So ist der äussere Zustand der Metaphysik seit dem Jahre 1781 bis 1797 von einem Extreme zum andern übergegangen: Von der gänzlichen Verwahrlosung ihrer Form und der sorglosen Vcrmcngung ihres Inhalts mit den empirischen Kenntnissen — zu den tiefsten Erörterungen und subtilsten Disputationen über ihren Inhalt (zwischen den Kantianern und Antikantianern) und über ihre Form (zwischen den Kantianern untereinander selbst). Was auch ihr innerer Zustand durch die Streitigkeiten ihrer Kenner, Pfleger und Reformatoren gewonnen hat, oder noch gewinnen mag, so ist doch, so lange unter denselben nichts allgemeingültiges entschieden ist, ihr äusserer Zustand F 5 nicht yD Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik nicht weniger mißlich als er in der Periode des Synkretismus gewesen war. Die Frage: was die Metaphysik feit Leibn itz und Wolf gewonnen habe? wird bey der hier vorzunehmenden Beantwortung lediglich auf den inneren Zu- st a n d dieser Wissenschaft eingeschränkt. In Rücksicht auf denselben hat die Metaphysik in diesem Zeitraume eine ganz neue Vorstelln n g s a r t gewonnen, nämlich dieCritische. Mein da dieser Gewinn itzt nur noch von einer obgleich sehr zahlreichen Parthey anerkannt ist, und der Streit derselben mit den Anhängern der älteren Vorstellungsarten noch nicht allgc- meingeltend entschieden ist, so behalten alle jene Vorstcllungsartcn wenigstens ihr historisches Daseyn; und es frägt sich: was hat die Dogmatische, folglich die Idealistische, Materialistische, Pantheisti- sche, Dualistische Metaphysik, was hat dieSkeptische Vorstellungsart überMe- ta- u. d. tremseend. Philosophie überhaupt. YI ta Physik, was hat die Metaphysik überhaupt durch die kritische Schule, und was hat diese durch den buchstäblichen Criricismuo, die Elcmenkarphilo- sophic, die einzig mögliche Stank Punkt sichre, und durch die Wissens schaftslehrc gewonnen? Fünfter Abschnitt. Die Idealistisch crr Mttaphpstker. §)ie Idealisten erkennen keine anderen Dinge für Substanzen als die Vorstelleuden; und lassen entweder nur eine einzige Art vorstellender Substanzen und zwar nur dir mit Dcnkkraft und Willen ausgerüsteten, d. h. die Geister zu, und hcisscn die Spiritua- listen oder die Vcrkcleyschen Ideal» sten; oder sie behaupten mehrere und wcscnts lich verschiedene Arten vorstellender Substanzen, und hcisscn Monad ologcn oder die Leib- nitzischen Idealisten» Die Y2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Die Skeptischen Idealisten oder metaphysischen Egoisten, welche das Daseyn nur einer einzigen vorstellenden Substanz , nämlich des Ich s allein, durch philo- sophirendc Vernunft erweislich behaupten, und das für die natürliche Vernunft über allen Zweifel erhabene Daseyn aller andern Substanzen für die philosophircnde Vernunft und durch dieselbe als unerweislich zu beweisen glanben — gehören unter die Klasse der Skeptiker, und haben daher kein Recht unter den D ogmatikcrn mit zu sprechen. Die Monadvlogen oder die serbnitzischen Idealisten. Die Monadologische oder Lcibni- y i schc Schule muß in dieAeltere und die Neuere unterschieden werden, von denen die erstere behauptet: Es müsse im wesentlichen bey dem bewenden bleiben was Leibnitz und nach ihm seine Anhänger vor der eklektischen Periode gelehrt haben; die andere hinge- u. d. krankend. Philosophie überhaupt. yZ gegen dafür halt, daß auf dem von Lcib- nitz eingeschlagenen Wege wesentliche Fortschritte geschehen können, und müssen. Die eine mag hier die Lcibnitzisch r wölfische, die andere die verbesserte leibnitzi- sche Schule heißen. Die seibiilßisch - wölfische Schule (spricht) Die Metaphysik hat seit Leib nitz und Wolf gar keinen wesentlichen Fortschritt gethan. Nach dem was Lcibnitz für den I n- halt, und Wolf für die Form dieser Wissenschaft geleistet haben, laßt sich in keiner von beyden Rücksichten eine wesentliche Veränderung denken, die zum Vortheil derselben gereichen könnte. Den übrigen großen Männern aus unsrer Schule blieb kein anderes Verdienst übrig, als die Darstellung des durch jene beyden enthüllten Systemes ded ewigen Wahrheiten noch mehr vereinfacht, die Grundbegri-se gegen die ihnen entgegenste- hem y4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik hendcn herrschenden Dorurtheile vertheidiget, die Anwendung der Lehrsätze auf andere Wissenschafteil gezeigt, und überhaupt das leibnitzisch r wölfische Lehrgebäude in der Eigenschaft der einzig möglichen Metaphysik gerechtfertigt zu haben. Bülfingcr und Baumgarten haben sich eben dadurch als achte Philosophen und berufene Pfleger der Metaphysik bewiesen, daß sie die Treue gegen das Allgemeingültige der -Wissenschaft mit der Originalität ihrer Denkkräfte zu vereinige», und die Entdeckungen ihrer Vorgänger durch das eigene Licht ihres Geistes zu beleuchten wußten, ohne das Wahre derselben durch ihre individuelle Denkart zu verdrängen. Lam- Lcrt würde durch seinen analysirendcn Scharfsinn, und seine logische Kunst das äussere Schicksal der Metaphysik vielleicht auf immer entschieden haben, wenn er nicht den unglücklichen Einfall gehabt hätte, das Fundament des Lockischen Systemes mit dem des Le i b- nitzischen, die einfachen Vorstellungen mit u. d. ttanSccnd. Philosophie überhaupt. l)5 mit den ange dornen vereinigen, und dadurch die Metaphysik verbessern zu wollen. Ausserdem würde er in seiner Architektonik wohl nicht die em psindbarcn (und in soferne physischen) Merkmale der Dinge, mit den bloß dcnkbarcn (und in soferne allein metaphysischen) so oft vermenget, den einfachen Sinnenschein mit dem Logischen Wesen, das aus der bloßen äusseren Erfahrung — mit dem aus der inneren Kraft der Seele geschöpften, die metaphysischen Elemente der Physik mit denen der Psychologie verwechselt haben. Da er diese ungleichartigen Materialien mit Gewalt in die Formen der dialektischen Systemacologie seines Organvns hineinzwängte: so konnte es nicht fehlen, daß seine Genauigkeit im Erklären und Eintheilen sehr oft in Spitzfindigkeit, sein Ticfsinn in Erübcley, und seine Methodik in Pedanterei ausartete. Die Architektonik — bey aller ihrer ^formellen) Gründlichkeit Grund - und Fvlgelos — wurde viel 96 Gegenwärtiger Zustand der Vietaphystk viel bewundert, wenig gelesen, und beynahe gar nicht benutzt. Sie hemmte den äusseren Fortgang der Leibnitzischcn Philosophie, ohne neben derselben der Lvckischen Eingang zu verschaffen. Niemand bekümmerte sich weiter um die Entwicklung der metaphysischen Ele- wentarbegriffe, die man in jenem Buche erschöpft und vollendet glaubte. Und dieser Glaube wurde um so leichter angenommen, je weniger man den Muth hatte, das Buch selbst zu lesen. Da auch der aufmerksamste Leser aus dem Dunkel der Lambertschcn Grundlchre auch nicht den kleinsten Stral einer neuen Beleuchtung der großen Fragen über Freyheit, Gott und Unsterblichkeit hervorzutreibcn vermochte, und da überhaupt diejenigen Probleme, durch welch« die Metaphysik allein ihr eigentliches Interesse erhalt, in dem ganzen Werke- kaum im Vorbeygehen erwähnt sind; so wurde Her bequeme Wahn: daß man jene Fragen und Probleme philosophisch beantworten könne ohne u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 97 ohne bis zu den metaphysischen letzten Ele, mentarbegriffen vorzudringen, sehr einleuchtend bestätigt. Man warf die für entbehrlich gehaltene Form des Systems um so schneller und allgemeiner ab, je mehr dieselbe Lurch die übertriebenen Forderungen, und die abschreckende Trockenheit der Systematvlo- g i e wirklich unerträglich gemacht wurde. Die Metaphysik wurde nun immer mehr und mehr ihrem Inhalt nach synkretistisch und ihrer Form nach rhap so disch, je mehr man die» selbe den Fähigkeiten und Vorkcnutnissen der studierenden Jünglinge, und der Unterhaltung und dem Zeitvertreib des lesenden Publikums aus allen Stande» anzupassen suchte, und je weniger sich der immer weiter um sich greifende, und immer tiefer einwurzelnde Hang zur Viel- rvissercy und Vielleserey mit dem Geschmack an ernsten wissenschaftlichen Untersuchungen vertrug. Das Uebel der Leichtigkeit war schon viel zu weit gekommen als daß es auf eine andere Weise als durch das entgegengesetzte Uebel Auswahl vcrm, Schrift. Th. U. E hex y8 Gegenwärtiger Zustand der TTketaphysik der Spitzfindigkeit in seinem Fortgange beschrankt werden konnte. Auf einen Feder mußte ein Kant folgen, auf die populäre Philosophie des Einen die transcendente des Andern, die eben so hoch die Region der ächten Metaphysik überfliegt, als jene unter derselben in die Liefe herabsinkt. Die verbesserte leibnißische Schule (spricht) Die Metaphysik hat seit Leibnitz und Wolf einige sehr beträchtliche Fortschritte auf dem Wege gemacht, den jene beyden großen Männer für sie eingeschlagen haben, und dessen Nichtigkeit sich eben dadurch auch bewähret, daß er weiter führt. Das Leibnitz isch- wölfische Lehrgebäude hatte schon auf der Stufe von Vollkommenheit auf welche dasselbe durch Bilfingcr und noch mehr durch Baumgarten erhoben worden war, die Benennung von seinen ersten Stiftern abgelegt, um u. d. kranöceud. Philosophie überhaupt, yy um dieselbe mit dem ihm ausschließend gebührenden Namen der Metaphysik selbst zn vertauschen. Aus der Höhe jener Stufe selbst wird cs begreiflich genug, daß die Philosoph!- rendc Vernunft des Ausruhens bedurfte, um frische Kräfte zu neuen Fortschritten einzuholen. Sie gewann diese Kräfte durch dieselbe Abwechslung ihrer Beschäftigungen, die so manchem gewöhnlichen Beobachter die Ausartung des philosophischen Geistes, und den Untergang der Metaphysik anzukündigen schien» Der achte Geist der Leibnitzischeu Philosophie wirkte noch immer, und zwar sehr nachdrücklich fort, als man den Buchstaben derselben bereits völlig aufgegeben hatte. Ihre Principien wurden zwar nicht mehr erörtert und vertheidigt; denn sie waren in die herrschende Denkart übergegangen — aber sie wurden desto eifriger und allgemeiner auf alle Fächer des menschlichen Wissens ausser der Metaphysik angewendet. An ihrem Leitfaden wurden in der empirischen Psychologie, in der G 2 Aesihe- L Q2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Aesthetik, in der Linguistik, in der historischen Kritik, in der Pädagogik u s. w., die fruchtbarsten Aufschlüsse gefunden, und die wichtigsten Verbesserungen vorgenommen. Nun trat die Periode der auf das bisher vernachlässigte Gebiet der Erfahrung fast auSschlicssend gerichteten Aufmerksamkeit ein; die Zeit der Reinigung und Veredlung derkonkrercr e n und unmittelbarer gemeinnützigen Kenntnisse, welche keineswegs hinter den bisherigen Fortschritten der spekulativen Philosophie zurücke bleiben durften, wenn sie durch die nächstkünftigeu etwas zu gewinnen haben sollten. Die lanck bcctschc Architektonik kam itzt um so mehr -ur Unzeit, jcmchr sie in der That fast nur damit umgieng, das Ausgemachte auszumachen, und einen beyspiellosen Tieskim auf zwecklose dialektische Kunststücke, auf Vermen- guug der Logik mit der Ontologie, Vervielfältigung unfruchtbarer Maximen, und ein mathematisches Spick nur den Elementar, u. d. kransecnd. Philosophie überhaupt. !vl tarbeg rissen verschwendete, kambcrt, dem die Logik und Mathematik so viel, und die Metaphysik so wenig zu danken hatt dürfte vielleicht nicht weniger beygetragen bar bcn die Transccndcntalphilosophie auf eine Zeitlang in Tcutschland verhakt, als Fede r beygetragen hat die Empirische beliebt zu machen. Es ist nicht zu läugncn, dast die in den Lehrbüchern der Philosophie nun vorgetragene sogenannte Metaphysik in dein Verhältnisse immer seichter wurde, jemchr man dieselbe durch Weglassung der transcendentalen Erörterungen zu vereinfachen, durch angebliche Aussprüche deS gemeinen und gesunden Menschenverstandes zu beleuchten, und durch Sätze aus der Ersahrnngsscelenlehre und Geschichte der Philosophie zu bereichern suchte. Die Vernachlässigung der Metaphysik hacce mit der populären Behandlung derselben den höchsten Grad erreichet, und der gewöhnliche Uebergang zu dem entgegengesetzten Aeussersten war von allen Seilen vorbereitet, und unvcr- G r > meid» roä GeZcnwartig'cr ZlistMd der Metaphysik weidlich, als Ka'nts Kritik d e r reinen Vernunft erschien, und mit cinemmale diesen Uebergang bewirkte. Was Lambcrts Architektonik mislungen war, mußte jenem Werke dadurch gelingen, daß es alle bisherigen metaphysischen Vorstcllungsartcn in Anspruch nahm, die von dem gesunden Verstände der philosophircndcn Vernunft von jeher vorgc-r legten Aufgaben über Freyheit, Gott und Unsterblichkeit auf eine neue Art bejahend und befriedigend ;u lösen unternahm, und mit wenigstens eben so viel Ticfsinn als das Lamb crtschc, aber mit ungleich mehr Originalität, weniger - Trockcnhcit der Einkleidung, und grösserer Einfachheit in Plan und Ausführung ein neues System der reinen Grundbegriffe aufstellte. DasIiiteresse an transcendentalen Untersuchungen erwachte, und' die Frage, ob und in wiefertte Metaphysik möglich sey?— welche bisher durch die von den Dvgmati- f e r n behauptete Wirklichkeit, und von den Sieg- u. d. trauscond. Philosophie überhaupt roz Skeptiker» kchauptcte Unmöglichkeit überflüssig gewesen war, beschäftigte nun die Dcnkkräfte des größten Theiles derjenigen, welche mit und ohne Beruf laut philosophirten. Fu den Achnlichkcitcn, wc lehr der Vcr- such der Kantianer: „die Möglichkeit „der Metaphysik unabhängig von „der Wirklichkeit derselben zu ergründen" mit dem Suchen der Alchymisten nachdem Steine der Weisen hat, gehört auch diese: daß jener Versuch, wie dieses Suchen auf Entdeckungen führt, die von beyden keineswegs beabsichtigt wurden. Alle diese Entdeckungen sind bis itzt zum Vortheil der Leibn itzischcn Metaphysik ausgefallen; und dieselben Nachforschungen, durch welche die Kantianer das Fundament derselben zu untergraben wähnen, werden vielmehr die unersch üttcrliche Festigkeit desselben in einem hellere» und ganz unerwarteten Lichte sichtbar machen» xoH Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Man kann nun viel bestimmter als vor» mals wissen: Warum Leibn itz die Metaphysik auf die reinen, von aller Erfahrung unab» hangigen, Dernunftwahr Heiken eilige« schränkt hat. Denn die Kritik der reu ven Vernunft hat gezeigt, daß und in wie ferne der Degrifvon S u b st a n z lediglich in der intellektuellen Kraft gegründet sey; und es ist einleuchtender geworden, daß und warum die Physik, welche sich nur mit den, in die Sinne fallenden, Prädikaten der Objekte beschäftiget, alle Kenntniß dcrSub- stanzen der Metaphysik überlassen müsse. Auch hat die Kritik der reinen Vernunft gezeigt, daß und in wieferne der Ecr grif von Grösse mit seinen wesentlichen Dc» stimmungen: Einheit, Vielheit und Allheit, aus der intellektuellen Kraft allein abstamme; und es ist dadurch begreiflicher geworden, daß und warum in der Phy, si k nur dasjenige allein rein wissen schaff lich sey, d. h. a priori erkannt werden könne. u. d. transecnd. Philosophie ttberhaupk. rc>5 könne, was ihr durch Mathematik an die Hand gegeben wird; — und daß und warum die Mathematik in der Wissenschaft der Gegenstände des äusseren Sinnes, oder in der Körperlehre eben dieselbe Rolle spiele, die der Metaphysik in der Seclenlehrc und in der Moral ausschliessend zukömmt, wie Leidlich (Dk'eneii ci/ver/er Dieccr «Dr lehrte: ek Dcr- xtr-ina Ma/alch co/laeieut eilat/ry/Ir et D/i^/iecr. Man kann n u n viel bestimmter als vormals wissen: Warum Leibn itz jedem Gegenstände des äusseren Sinnes, in wiestrnc er dem aussern Sinne zugänglich ist, den Rang der Substanzen abgesprochen, warum er diesen Rang einzig derjenigen lebendigen Kraft, die sich zunächst im Bewußtseyn und durch das Bewußtseyn ankündiget, d. h. der vorstellenden eingeräumet, und die Metaphysik als die Wissenschaft der ein» G 5 l«* lL.6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik fachen und vorstellenden Substanzen, d. h. als Monadologie aufgestellt hat. Leim die Kritik der reinen Denunft hat gezeigt, daß und warum der äussere Sinn nur Accidenzen, und in keinem Falle die Substanzi alität der Objekte darzustellen vermöge; daß und warum Ausdehnung und Veränderung im Raume d. h. Bewegung den Gegenständen des äusseren Sinnes, nur in wieferne sic dem- seiden zugänglich sind, und nur in Rücksicht auf ihn zukommen können, den durch reine intellektuelle Kraft darstellbaren Dingen aber, oder den Substanzen durchaus abgesprochen werden müssen, — daß daher, und warum, die sogenannte beweg ende Kraft, die den Körpern nur von aussen her mitgetheilt werden müsse, das Wesen keiner endlichen Substanz ausmachen könne. Dadurch ist es einleuchtender geworden: warum die Metaphysik die Wissenschaft der pp ausgedehnten und in vorstellender Kraft be- lu d. transccnd. PhilvsoHie überhaupt. bestehenden Substanzen, und die Psysik die Wissenschaft derausgedchnken und b c w eg^ l: chcn Ding? — von einander schlechterdings unabhängig, und so sehr verschieden sind, als das Sinnliche und Ucbcrsinnliche, das Zeitlich/ und Ewige, der äussere SinneNschein und das innereW e- sen der Dinge, der auf das Zeugniß der Sinne eingeschränkte und der reine, unabhängig von diesem Zeugnisse urtheilende Verstand, Man kann nun viel bestimmter als vor, Mals wissen, daß, und warum, Leihnitz einerseits die Unentbehrlichkeit eines organischen Körpers zu den klaren Vorstellungen der Seele, und die Fortdauer eines Seelcn- organs zur Unsterblichkeit überhaupt fyrdern; andererseits aber gleichwohl, ohne sich selbst zu widersprechen, in dem System der vor, herbcstimmten Harmonie die physische Einwirkung des Körpers auf die Seele, UNd dieser auf jenen läugneu mußte, Dem.» roZ Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik in Rücksicht auf das Erstere hat die Kritik der reinen Vernunft gezeigt, daß, und warum, die allgemeinen, und in der blo- ßcn intellektuellen Kraft gegründeten, Begriffe ohne Beziehung auf Empfindungen keine Anwendung auf bestimmte und individuelle Gegenstände habe» könn, tcn; und es ist einleuchtender geworden, daß der Verstand ohne Einschränkung seiner Kraft auf das, was ihm durch die Organisation vorgehalten wird, in der unermeßlichen Sphäre der vorstellbaren Dinge nur das Allgemeine denken, und keine besondern, gewissen, be, stimmten Objekte erkennen, und von einander unterscheiden würde. Auch ist es vollends begreiflich geworden, daß und warum eine Seele sich nur als die Kraft denken lasse, sich die Welt nach der Lage, und dem M- stand eines organischen Körpers vor, zustellen. Die Kritik der reinen Der, uunft hat ferner gezeigt, daß, und war, um, Veränderung im Raume, d. h. De« v. d. kranscend. Philosophie überhaupt. ioy Bewegung, immer nur Grund und Folge von Veränderungen im Raume wieder von Bewegungen, nie von Veränderung in der bloßen Zeit allein, oder von Vorstellungen seyn könne; und es ist einleuchtender geworden, daß, und warum die Körper, als die Subjekte bloßer Veränderungen im Raume, und die Seelen, als die Subjekte der Vorstellungen, oder der bloßen Veränderungen in der Zeit, schlechterdings nicht auf einander zu wirken vermögen, und daß, und warum ihre harmonische Wirksamkeit sich nicht ohne die Vorherbestimmung durch die Gottheit denken lasse. Man kann nun viel bestimmter als vor, mals wissen, daß die Metaphysik oder die Monadologie sich nur als ein System des Idealismus denken lasse, daß die Physik aber gleichwohl darum nicht weniger den ihr wesentliche» Materialismus behalten müsse, nur Körper lehre seyn rönne. Denn die Kritik der reinen Vernunft hat gs t I Q Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik gezeigt? daß die metaphysischen und, als solche, einzig und allein im vorstellenden Subjekte gegründeten Merkmale der Objekte überhaupt, denselben nur als Vorgestellten und folglich nur durch die Vorstellungen zukommen können; wahrend die physischen Merkmale als solche ohne Ausnahme ausser dem vorstellenden Subjekte gegründet sind und in denVvrsiellungen nur durch äussere Empfindungen, die sich auf erfüllten Raum, d. h. auf Ausdehnung, beziehen, vorkommen können. Aus Mangel an einem völlig bestimmten Begriffe von Jdc alismus haben selbst Leib- uitziancr diese Benennung und die Bedeutung derselben, bald attsschliesscnd auf den Spiritualismus, oder berkclcyr sehen Idealismus, eingeschränkt; bald. aber auf den metaphysischen Egoismus oder den skeptisehcn Idealismus ausgedehnt, von der Monadologie dieselbe als einen ungerechten Vorwurf ablehnen zn müssen u. d. trauSeeiid. Philosophie überhaupt. III, müssen geglaubt. Sie beriefen sich daraus, daß Leibnrtz das von den (spirirualisiischen) Jdealisien gcläugnete Daseyn der Körper- welt, und dieRcalität der körperlichen Sub» stanzen behaupte; indem er die Körper kci- „cswegs für bloße Vorstellungen der Geister, sondern für Aggregate aus reellem von den Geistern wesentlich verschiedener, Substanze n erkläre. Sie wußten also, oder bedachten, nicht, daß das Wesen eines jeden metaphysischen Systemes in dem demselben eigenthümlichen Grundbegriffe von der Substanz! alität bestehe; und daß daher jede Metaphysik dadurch und in sofcrue Idealistisch werden müsse, daß und in wieferne sie das Wesen jeder Substanz in vorstellender Kraft bestehen laßt, und den Körpern als ausgedehnten Dingen d. h. als Körpern- die Substanzialität abspricht. Die Ursache, warum die Kraft, die das Wesen einer Substanz ausmacht, sich nur als eine Vorstellende denken lasse, scheint nicht H2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik nicht einmal Wölfen recht eingeleuchtet zu haben; der über jenen lerbnitzischen Hauptsatz schnell hinwegeilt. Auch Bifinger glaubte, daß sich die Behauptung: daß selbst die Elemente der Körper vorstellende Kcafte find, von den übrigen Theilen des leib- mtzischen Systems, unbeschadet des Ganzen, trennen ließe. Er scheint also nicht gewußt, vdcr,uicht bedacht, zu haben, daß das ganze System mit dem Grundbegriffe von der Substanz überhaupt stehen und fallen müsse. Die spateren Anhänger der leibnitzisch - wölfischen Philosophie sehen jenen Grundsatz der Monadologie, und endlich die Monadologie selber, für eine bloße Hypothese an, die lediglich zum Behuf der systematischen Einheit ersonnen wäre; und berufen sich sogar auf diesen Umstand, um ihre Abneigung gegen das, was sie die SYfic in s u ch t in der Philosophie nennen, und was sogar einen xcibnitz zu solchen abgeschmackten und widersinnigen Voraussetzungen verleitet hatte, zu recht- u. d. transcend. Philosophie überhaupt. HZ rechtfertigen. Dasselbe Schicksal hatte di.e, vorherbestimmte Harmonie, über welche freylich Lcibnitz selber nicht immer mit sich selbst einig gewesen scheint: ob er sie für mehr als eine Hypothese halten sollte, — von der sichs aber durch die neuesten transcendentalen Untersuchungen ergiebt, daß sie nichts geringeres als ein nothwendiges und streng erweisliches Resultat der monado logischen Grundbegriffe ist. Folgende Darstellung der Hauptmo- mente des Idealismus überhaupt, sowohl als insbesondere des monado logischen ist nur als Versuch einer Probe von der einstweiligen grösseren Reinheit und Bestimmtheit anzusehen, zu der sich die Grund- und Lehrsätze dieses Systems durch die neuesten Untersuchungen erheben lassen. Idealismus überhaupt. Identität des Subjektes bey allem Wechsel seiner Zustände und Selbstthätig- KluSwichl VMII. Schuft, rh. II. H kett H4 Gegenwärtiger Zustand der Aietaphysik keit sind die eigentlichen Charaktere der Substanz ja li tat eines Dinges. Beyde Charaktere werden an den Objekten des äusseren Sinnes, so weit diese sich durch denselben wahrnehmen lassen, gänzlich vermißt. Diese Objekte sind, in wies ferne sie durch den äussernSinn verstellbar sind, ausgedehnt, und in soferne auch in ihren dauerhaftesten Erscheinungen ver, änderlich — (Selbst die sogenannte Substanz des Diamanten läßt sich durch Auflösung zerstören). Auch sind sie zu ihren auch scheinbarsten Kraftäusser ungcn nur von aussen her bestimmbar. (Ihre eigentliche Kraft ist nichts als das Unvermögen ihren Zustand der Ruhe oder der Bewegung selbst anzufangen oder zu endigen, die vis inertise.) Die Dauer, die an d^n ausgedehnten Subjekten wahrgenommen wird, und die, wie das Beyspiel sehr schneller oder sehr langsamer Veränderung, die als Dauer wahrgenommen wird, beweiset, an sich selbst ohne u. d. transcend. Philosophie überhaupt. HZ ohnehin betrügljch ist, kann also nur als eine scheinbare, und auf veränderliche Um- stände eingeschränkte Dauer, nur als relative, nicht als absolute Subsistenz, gedacht werden. Hingegen kündiget sich die absolute Subsisten; durch ihre beyden Charaktere, derIdentikat des Subjektes sowohl, als der Selbstthatigkeit, zunächst und unmittelbar, in dem Selbstbewußtseyn, an dem vorstellenden Subjekte an. Ein Ding an sich ist nur in soferne Substanz, d. h. ein selbstständiges Ding, in wicfcrnc dasselbe den Grund des Wirkens, durch welches dasselbe sich als ein wirkliches Ding beweiset, in sich selber enthält. Das Wesen einer Substanz besteht in der Kraft. Nun lassen sich aber nurzweyerley Arten von Wirkungen in der Zeit, h. von Veränderungen denken, riam§ H 2 lich nü Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik lich solche, die in der Z eit und im Raume zugleich vorgehen, d. h. Bewegungen, und solche, die sich nicht im Raume ^folglich auch nicht alö Bewegungen), sondern in der bloßen Zeit allein (folglich nicht als äussere, sondern nur als innere Veränderungen) und nicht ausser den Subjekten selbst denke« lassen; und diese sind die Vorstellungen. Bewegung ist nur Veränderung des Ortes, den die Substanzen einnehmen, folglich keine Veränderung im Inneren des Sub- Zeltes selbst; sondern nur in dem äusseren Verhältnisse, nämlich in der Ordnung, wie cme Substanz zugleich mit, und neben andern Srrbstanzcn czistirt. Sie ist also weder «in eigentliches Leiden noch Wirken der Substanz selbst; keine in den Beschaffenheiten (inneren Bestimmungen) des Subjektes selbst vorgehende, sondern nur eine solche Veränderung, deren Grund jederzeit ausserhalb des bewegten Dinges ist, und die, da Kraft nur die im Subjekte selbst gegründete Wir u. d. kranscerid. Philosophie überhaupt. H7 Wirksamkeit seyn kann, sich durchaus nicht als n a t ü r > i ch e n schuldiget habe. Wenn gleich noch immer das Daseyn übersinnlicher, oder u. d. transoend. Philosophie überhaupt. IZZ oder welches dasselbe ist, übernatürlicher, Gegenstände in den Lehrbüchern der akadcmi, schen Lehrer der Philosophie gelehrt wurde: so geschah dieses doch wenigstens nicht mehr durch jene transcendenten Subtilitätcn, durch welche die noch vor kurzem aller Erfahrung Hohn sprechende Metaphysik zu denselben Rcr sultaten führte, zu welchen der Volksglauben durch Unwissenheit und Furcht verleitet wurde. Der unbefangene und sclbstdenkende Materialist findet in den Argumentationen, womit unsere Popularphilosophic die auS den Catechismen geschöpften und durch die Amtspflicht eines bestallten Lehrers vorgeschriebenen frommen Ueberzeugungen beweiset, nichts als die unphilosophischen Ausfprüche des angeblich gesunden, in der That aber nur vulgären Verstandes, bey denen dasjenige, was durch sie zu erweisen war, als erwiesen vorausgesetzt wird, und die nur den bereits Glaubenden zu überzeugen vermögen. I Z UM Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Um die verkannten Ansprüche der gesunden , und auf Erfahrung gegründeten, mac er realistischen Metaphy sik gegen die idealistischen, skeptisch c n und mystischen Grür beleyen zu einer lauten und bestimmten Sprache zu bringen, und den alten Streit der ächten Philosophie der Natur gegen die weit verbreiteten und tief eingewurzelten So- phistcrcyen der Schule dem Momente seiner Entscheidung näher zu führen, hätte unter jenen günstigen Umstanden nichts Vortheil- Haftcres begegnen können, als die Erscheinung von Kants Critik der reinen Vernunft, und die durch dieselbe eingeleitete Um tersuchuug über die Möglichkeit derMe- 1 aphysik, die sich mit einer unvermeidlichen und gänzlichen Reformation des Materialismus endigen muß. Die furchtbarsten Waffen, mit welchen dieses einzig wahre Lehrgebäude ächter Metaphysik bisher bekämpft wurde, waren die Uebertreibungen und Auswüchse in der materialistischen u. d. transccnd. Philosophie überhaupt« IZ5 Denkart selbst, und die nur gar zu gewöhnt ehe Seichtigkeit ihrer Anhänger und Vers thcidiger, die eine mißverstandene Popularität der Einkleidung ihrer Gedanken für das vornehmste Criterium der Wahrheit derselben ansahen« Schon aus dieser Seichtigkeit allein laßt es sich völlig begreifen, warum die neuesten Erörterungen und Nachforschungen der kritischen Philosophie, von den an dem alten Buchstaben ihrer Lehre festhaltenden Materialisten nicht weniger als von ihren Idealistischen, Skeptischen und Mystischen Gegnern mißverstanden werden müssen, und warum man von denselben Principien, durch welche die Uebertreibungen und grundlosen Anmas- sungen des unachten Materialismus zum Vortheil des ächten aufgehoben werden sollen, die Untergrabung und den Umsturz des ganzen Systemes befürchtet. Der bisherige Materialismus hat den Sinn, in welchem er alle Erkenntnisse auf Erfahrung gegründet wissen wollte, l z6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik viel zu unbestimmt gelassen. Er hat dadurch gegründete Veranlassung zu der Beschuldigung gegeben, daß er das Fundament desphiloso, phischcn Wissens mit dem des historst sehen verwechsle, und die Metaphysik lange nicht genug von der Physik unter, scheide. Locke, der die Gegner des Materialismus in ihrem Hauptsätze: daß dieMater rie nicht denken könnte, angriff und widerlegte, hatte zwar schon den Ursprung der Erkenntnisse aus der Erfahrung, in den aus der ä usscren, durch Sensation, und den aus der Innere n, durch Reflexion — unterschieden. Er hat dadurch den Materialisten einen äusserst wichtigen und lehrreichen Wink gegeben, der gehörig benutzt zu Resultat ten führen mußte, die ihr System in seiner ganzen Gründlichkeit enthüllet, und dem Empirismus die Erniedrigung erspart haben würden, von seinen Gegnern als der Charakter der seielsten Popularität verschrieen zu werden. Allem dieser bisher kaum verstandene und völlig u. d. transcend. Philosophie überhaupt. tZ7 lig vernachlässigte Wink iss erst durch Kant zu völlig deutlichen Begriffe» erhoben worden, die nun ihre grosse Wirkung unmöglich verfehlen können. Der wesentliche Unter, schied sowohl, als der nicht weniger wesent- liche, Zusammenhang zwischen innerer und äusserer Erfahrung ist nun durch völlig bestimmte Begriffe einleuchtend, und dadurch so wohl das Dorurrheil derIdcalisten, welche alle Erfahrung Vorbeygehen, weil sich nicht alles aus der äusseren schöpfen laßt, als auch das entgegengesetzte Vvrurkhcil der blsnerincn Materialisten, welche da- durch daß sie wirklich alles aus der äuss e- ren ableiten wollen, alle Erfahrung verdächtig machen, vollends in seiner ganzen Blöße sichtbar geworden. Man weiß nun, daß von der Erfahrung sowohl innere, in der vorstellenden Substanz als auch äussere ausser derselben gegebene Bedingungen vorausgesetzet werden, von denen sich die letzter» unmittelbar nur in der äusseren, die erster» I 5 aber rZ8 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik aber nur in der inneren Erfahrung ankündigen. Man weiß nun, daß die Einen, ins wjcfcrne sie die im Subjekte selbst gegründete Möglichkeit der Erfahrung enthalten, dasjenige Vorstcllungs« Erkenntniß - und Bc> gehrungsvcrmögcn ausmachen, in welchem das Wesen des Gemüthes besteht, das keineswegs mit der Substanz, oder der Masse der es angehört, verwechselt werden muß, und das nur als Gemüth Objekt der innern Erfahrung und die Quelle der Metaphysik ist, während die in der inneren Erfahrung keineswegs vorkommende Substanz des Gemüthes, nach der Analogie der äusseren Erfahrung beurtheilt, und unter die Objekte derPhysik gezahlt werden muß. Man weiß nun die Thatsachen der äusseren Erfahrung als die Gründe und Objekte der historischen, von den Thatsachen des Selbstbewußtseyns als den Gründen und Objekte der Philosophischen Erkenntniß durch bestimmte Unterscheidungsmerkmale ab-u- tt. d. kransccnd. Philosophie üöcrhaupk. izy abzusondern, und durch den bestimmten Unkcr- schied zwischen äusserer Empfindung und Begriff die in den äusseren Bedingungen der Erfahrung gegründete Prädikate als die Ph y fi sch en — von den in dem Vermögen der Dcnkkrast selbst gegründeten als den Metaphysischen — auf immer gegen Verwechslung zu sichern, ohne den Unterschied derselben bis auf die Art der Substanzen auszudehnen. Da sich den neuesten Untersuchungen zufolge die innere Erfahrung keineswegs von der äusseren, so wenig als Liese von jener trennen labt, da beyde in Rücksicht auf ihre Realität gegenseitig von einander abhä« gen, da die Vorstellungen ihre -Wirklich ke it nicht weniger den äusseren Eindrücken als dem im Subjekte selbst vorhandenen Vorsteb lungsvermögen zu danken haben: so ist die Anmaßung des Idealismus alle Wirklichkeit, Realität und Wahrh eit aufbl of- fe Vorstellung einschränken zu wollen- ahsp !4v Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik aber auch zugleich die Anmaßung des b i eher rigcn Marerialismus, der die Vorstellungen aus bloßen äusseren Erfahrungen, und allein aus den Gesetzen des Mechanismus oder, aufs höchste noch, der Organ isation, begreifen wollte— auf immer in ihrer Grundlosigkeit dargestellt. Man weiß nun, daß die inetap hyfisch en, und als solche im Vorstellungsvermögen gegründete Prädikate der Objekte als solcher keineswegs blos idcalisch sind, sondern durch die vermittelst der sinnlichen Werkzeuge gegebenen äusseren Eindrücke ihre reelle Bedeutung, und unstreitige Anwendbarkeit auf äussere Objekte (die keine bloßen Vorstellungen sind) erhalten; aber daß sie auch nur durch jene Eindrücke zu physischen Prädikaten erhoben werden. Man weiß, daß sie ohne jene Anwendung auf erfüllten Raum (auf die Körperwclt) blos idealisch, bloße Charaktere leerer Vorstellungen seyn würden; und daß daher die Realität der Meta- u. d. transeend. Philosophie überhaupt. 141 physischen Prädikate nur von ihrer Beziehung auf die PhYs> sche n abhänge. Die alte Verworrenheit der Begriffe von Realität und Wirklichkeit ist durch die bestimmtere Unterscheidung des Subjektiven von dem ! Objektiven der Erkenntniß aufgehoben; und s, man weiß nun, daß die Objektive Nealir >, tät und Wirklichkeit auf die ausgedehn« ' ten Dinge, oder auf die Materie, und daß alles nicht ausgedehnte, und in der bloßen Vorstellung durchs Vorstellungs- vermögcn vorhandene auf subjektive Realität und Wirklichkeit eingeschränkt werden müsse. Man weiß nun, warum der Vorstellung als Vorstellung alle Ausdehnung abgesprochen werden müsse; aber auch daß alles von bloßer Vorstellung verschiedene, Reale, folglich die Substanz der Seele, nicht weniger als jede andere Substanz, sich ? nicht ohne den Charakter der Ausdehnung denken lasse, und daß das Vorurtheil, welches derselben die Ausdehnung abspricht, nur durch 142 Gegenwärtiger Zusrarid der Metaphysik durch Uebcrtragung des Subjektiven, und der bloßen Vorstellung eigenthümlichen, auf das Objektive und der Substanz ausser der Vorstellung eigenthümliche, entstan» den sey. Folgende Darstellung derHauptmo me n- le des Materialismus überhaupt — »irrer weiche sich alle besondere Arten desselben? z. B. der Hylvzvismus ohne sonderliche Mühe bringen lassen, ist Versuch einer probe der einstweiligen grossem Reinheit und -BesiimMhcit, zu der sich die Grund - und Lehrsätze dieses Systemes durch die neuesten Um rersuchungeü erheben lassen» Das Subsistirende eines Dinges ist dasjenige, was einen bestimmten Theil des Raumes fortwährend und unveränderlich erfüllt; d. h. das Substantielle ist die Masse der Materie mit ihren ursprünglichen Kräften, die sich Nur durch ihre Wirkungen erkennen lassen» Die u. d. tremscend. Philosophie überhaupt. 14) Die eigentlichen oder absoluten Substanzen sind die Atomen; d. h. die materiellen, aus keinen anderen zusammengesetzten , unveränderlichen Elemente; was'» rcnd die zusammengesetzte Materie, oder der Körper an sich austösbar und der» anderlich und eben darum nur eine relative, keine eigentliche, Substanz seyn kann. Der R a u m 'ist das Mediu m, durch welches das Objektive mit dem Subjckr tiven in der Erken ntniß zusammenhängt- Die Möglichkeit der Vorstellung des Raumes ist im Vo rstcllu ngsv ermög e u des Subjektes, und zwar in demjenigen Theile, welcher Sinnlichkeit heißt, gegründet. Allein die Wirklichkeit des Raumes in der Vorstellung hangt von den ausser der bloßen Vorstellung vorhandenen Dingen, von den Substanzen ab. Der äussere Sinn des Subjektes ist das Vermögen unter der Form des ausser einander neben einander seyn afficitt zu werden; setzt über eben i44 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik eben darum wirkliche Objekte voraus, die diese Form an sich hab en müssen, um der Empfänglichkeit des Gemüthes aiss gemessen zu seyn. Sowohl die objektive als subjektive Realität einer Substanz hängt davon ab, daß dieselbe eine unvcränderlichePor- tion des Raumes erfülle, folglich eine bestimmte Ausdehnung habe. Märe sie in, ausgedehnt: so müßte sie als ein mathematischer Punkt, folglich als die Gränze von der Gränze eines gegebenen Raumes, folglich als etwas bloß negatives d. h. als nichts an und für sich wirkliches, folglich als keine Substanz gedacht werden. Die Ausdehnung der Körper, oder der zusammen gesetzten Materie, ist das bloße Volumen, und ist als etwas der blos relativen Substanz ungehöriges, veränderlich; die Ausdehnung der Elemente aber ist die bloße Masse, und ist u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 145 ist als zum Wesen der absoluten Substanz gehörig, unveränderlich, ist das eigentlich Substanzielle in den Körpern. Bey allem Wechsel der Accidenzen, bey allen nur möglichen natürlichen und künst, lichcn Auflösungen, chemischen Zergliederungen, u. s. w. beharrt das Substanzielle, in wieftrne die eigentlichen Elemente, die Atomen, deren Verbindungen und Trennungen kein Element eben so wenig hervorbringen als aufheben, sondern dasselbe immer voraussetzen und zurücklassen —, weder vermehrt noch vermindert werden können. Den Atomen kommt daher weder Entstehen noch Vergehen zu; sie sind das Nicht entstande- n e, woraus alles Entstandene entstanden ist. Aber freylich sind diese Atomen in sofern e keine Objekte sinnlicher Vorstellungen, in wieftrne wir durch keine weder natürliche noch künstliche Erfahrung zur Empfindung und Anschauung derselben gelangen können. Wir gelangen zum reinen Bewußtseyn derselben nur Auswahl v«rm. Schrift. Lh. ll. K dUkch 146 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik durch Vcrnuiiftschlüsse, weil wir durch unsre sinnlichen Werkzeuge, die selbst Körperlich und folglich selbst nur aus den Substanzen zusammengesetzt sind, immer nur Zusammensetzungen aus den Ursub- stanzen und ihren Urkräften, folglich nie diese Ursubstan^en und Urkräste selbst wahrzunehmen vermögen. Dieses ist denn auch die Ursache, warum wir bisher nicht begreifen konnten und vielleicht nie begreifen werden: auf welche Art und Weise die organische sowohl als die vorstellende Kraft in den materiellen Ursubs stanzen gegründet ist; indem sich das Wachsen und Vorstellen freylich nicht aus der bloßen mechanischen, das heißt, durch Figur und Bewegung allein sich ankündir genden Kraft begreifen läßt. Allein so wenig man die Chemischen Erscheinungen, darum, weil sie sich nicht bloß mechanisch erklären lassen, der Materie abspricht, so wenig kann man ihr dirOrgan i- , sch e/ u. d. transcend. Philosophie überhaupt. »47 sch e, und Vorstellende Kraft darum absprechen, weil sich diese weder chemisch noch mechanisch erklären laßt. Sie kann in dem Urwcsen gewisser Atome und ihrerZusammensetzung gegründet seyn. Alle Substanzen, die wir aus der äusseren Erfahrung kennen, sind materiell. Wir wurden daher, wenn wir bloß auf die äussere Erfahrung eingeschränkt wären, keinen Augenblick anstehen das Wesen einer Substanz überhaupt in der Materialität bestehen zu lassen. Allein die vorstellenden Substanzen sind als vorstellende, kein möglicher Gegenstand äusserer Erfahrung; unsre ursprünglichen Begriffe von dem Vorstellen sind lediglich aus der i n> ueren Erfahrung geschöpft, und das Urbild von welchem wir den Begriff eines vorstellenden Dinges herholen, ist für uns nur in unsrem Selbstbewußtseyn da. Aber auf die innere Erfahrung hat uns nur das Vorstellen keineswegs aber die Substanz welche vorstellt, auszuweisen, und das Ich K 2 kömmt r48 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik kömmt selbst im Selbstbewußtseyn unter keinem anderen Prädikate als dem des Vorstellenden, Erkennenden, Begehrenden, Denkenden, Wollenden u. s. w. vor. Jeder Con kreier und anschaulicher Bc» grif von derjenigen Massa, welche die Substanz der Seele ausmacht, ist unmöglich; nicht weil diese Substanz keine Massa hat, und haben kann; sondern, weil die vorstellende Substanz sich selber so wenig als unser Auge sich — anzuschauen vermag. Don derSubstan» zialitär der Seele an sich und abgesehen von dem Pradicate des Vorstellenden, ist daher nur ein abstrakter und räsvnnirter Ber grif möglich. Da nun jede Substanz die man durch Anschauung kennt, ausgedehnt ist: so ist man nicht berechtiget denen die man nicht durch Anschauung kennt, die Ausdehnung darum abzusprechen, weil man sie nicht wahrnimmt. Wenn zum Bewußtseyn, Vorfiel» lcn, Denken, Räsonniren u. s. w. Ein» hcit des IchS, Identität und Einfach, heit u. d. transcend. Philosophie überhaupt. I4y heit des Subjektes (die mit dem Unaus- gedehnt seyn der Substanz nicht zu verwechseln ist) erfordert wird: so wird in dem» selben Subjekte zu allen jcncnZuständen nicht weniger auch Ausdehnung vorausgesetzt; indem sich bey demjenigen Verbinde» mehrerer Eindrücke und.'Vergleichen mehrerer Gedanken untereinander, worin die Operationen der Seele bestehen, jene Eindrücke und Gedanken in dem vorstellenden Subjekte zugleich und aussereinander neben einander, folglich im Subjekte, in wiefern dasselbe eineu TheildesRaumes erfüllt, d. h. ausg e- dehnt ist, befinden müssen. Es läßt sich also such der Seele keineswegs die Materialität absprechen, die zum Wesen jeder Substanz gehört. Siebenter Abschnitt. Die Pantheiftische Schule (spricht) §"ie ganze Geschichte der Metaphysik, oder der Wissenschaft des Uebersinnr K 3 lichen, ' 52 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik lichen, zerfällt in drey Hauptepochen, von denen die erste den Namen Tcno> phancs, die zweyte— Spinoza, und die dritte — Kant an der Stirne führt. Das Hauptverdienst der leibnitzischr wölfischen Philosophie ist die letzte Hauptcpoche naher und schneller herbeygeführt zu haben, und die Fortschritte, welche die Metaphysik seit Lcibnitz und Wolf gethan hat, Heu ben dieselbe an das Ziel ihrer Vollendung gebracht. Durch Lenvphanes begann das Ger schätt der philos ophirenden d. h. -eine Wahrheit suchenden Vernunft, die sich, nach mancherley Versuchen und Vorarbeiten der Vorgänger jenes Selbsidcnkers, endlich in scir uer Person zuerst über die bloße natürliche und nach dem an die Sinne gebundenen Verstand urtheilende Vernunft emporschwang, und der Dorstellungsart derselben reine eigcnthümr liehe, wesentlich verschiedene Denkart der blossen Vernunft entgegenstellte. Tens» u. d. transcend. Philosophie überhaupt. IZI Lenophancs suchte reine Wahrheit und fand — Gott, in welchem sich allein reine Wahrheit denken laßt, und den er der Erste als das Objekt bloßer Vernunft von der Welt, als dem Inbegriffe der Objekte des auf das Zeugniß der Sinne beschränk- tcn Verstandes, in welchem nur Schein der Wahrheit, Abglanz der Gottheit, enthalten seyn kann, unterschied. Er sonderte das der sinnlichen Wahr- nehmung zugängliche, an bloße Zeit gebundene, fließende, scheinbare, bloß relative Seyn — eigentlich ein ewiges Werden — von dem durch reine Vernunft allein Verstellbaren, an keine Zeit gebundenen, bleibenden , reellen, absoluten Seyn — dem eigentlichen Snbsi stiren, dem ewigen Seyn ab, und zeigte, daß diesem Nothwendigkeit, Unendlichkeit und we- scutliche Einheit; jenem aber allein Zufälligkeit, Entstehen und Berges K 4 hen, IZ2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik hen, Endlichkeit und Vielheit zukom» wen könne. In der rohen Hauptidce des Tenor phancs, die von seinen weniger scharfsinnigen Nachfolgern vielmehr vcrkünstclt, als weiter ausgebildet wurde, ist nur der Unter sch ied, aber durchaus kein Zusammenhang zwischen dem Ausspruchc der Philosoph» r c n d c n Vernunft — die nur eine Einzige und unendliche — und dem Ausspruche der bloß Natürlichen, der viele und endliche Substanzen—anerkennt, sichtbar. Dieser Unterschied, bey dem man keinen Zusammenhang noch ahndete, erzeugte den schneidenden Widerspruch zwischen jenen beyden, dem menschlichen Geiste gleich nothwendigen Vorstellungsarten, der mehr oder weniger ausdrücklich allem metaphysischen Skepticismus zum Grunde liegt, der auch bis zu den Zeiten desSvkra« tes immer weiter getrieben wurde, den S or phisten eine sehr gegründete Veranlassung zu der Meynung gab : daß sich von jedem Te< griffe u. d. transcend. Philosophie überhaupt. I5Z griffe der Satz und der Gegensatz durchsetzen ließe — , und der endlich die Haupturs fache des schlimmen Zustandes war, in welr chcm Sokrates die .Philosophie angetroffen hat. Der erste rohe Versuch einer Aussöhnung zwischen der bloß natürlichen und dcrPhilosophirenden Vernunft war die Folge von der moralisch gesunden Denkart des weisen Sokrates. Diese Aussöhnung bestand in einer gegenseitigen Annäherung zwischen den beyden entgegengesetzten Vorfiel« lungsarten, wobey Sokrates selbst mehr für die natürliche als für die philvsophirende Vernunft, seine Schule aber mehr für diese als für jene die ersten Schritte gethan hat. Die Fortsetzung dieses Versuches durch die aus der Sokratischcn hervorge gangen en Schulen macht die ganze Geschichte der Philosophie, in ihrem goldenen Zeitalter in Griechenland aus. 154 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Plato suchte die Ueberzeugung der philor sophircndcn Vernunft von der Einheit und Ewigkeit der eigentlichen Substanz mit der Ueberzeugung der Natürlichen von dem Daseyn der entstandenen und materiellen Substanzen dadurch zu vercinigen, daß er den letzte, rcn den Rang der Substanzialitat, den er der bloßen Materie gänzlich absprach, nur darum und in soferne einräumte, weil und in wiesen« ihre Formen, durch welche sie allein bestimmte Gegenstände ausmachten (und die allein das bleibende und gesetzliche, wodurch die Veränderlichkeit der Materie beschränkt würde, seyn könnten) nichts als die Nachbilder der Ideen Gottes wären, und daher das Gepräge der Urbilder, folglich auch den Charakter des Ewigen und bleibenden in soferne an sich trügen. Aristoteles hingegen ließ die Welt, oder den Jnbegrif der endlichen Substanzen durch die Gottheit oder die unendliche u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 155 liche einzige Substanz — von Ewigkeit her erschaffen seyn, und räumte dadurch den vielen und endlichen Dingen zwar einerseits den äusseren Charakter der Beharrlichkeit ein, den die natürliche Vernunft für sie fordert, ohne ihnen jedoch den inneren Charakter der Selbstständig- keit beyzulegen, den die philosophircnde Vernunft ausschließend einem einzigen und unendlichen Dinge zuerkennt. Epikur versuchte beyde Vorstellungsar- ken durch die Leu kipp ische und Demokrft tische Lehre von den ewigen Atomen zu vereinigen, in welcher den Forderungen der natürlichen Vernunft — die Vielheit der endlichen Substanzen, aber nur unter dem Charakter der Nichtcntstandenen — und den Forderungen der philosophircnden Vernunft — die Einheit der Substanzialitat, aber keine individuelle sondern nur eine specifische Einheit zugestanden wird. i;6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Während dieser Beschäftigungen der Selbst« dcnkcr mit der Metaphysik bestand der S k ep. ticismus in der Wahrnehmung des durch jeden Versuch noch nicht völlig aufgehobenen Widerstreites zwischen den Aussprachen der natürlichen und der p hilosvphirenden Vernunft; der Dogmatismus aber lag in der Ueberzeugung denselben bereits aufgehoben zu haben. Jeder Dogmatische Versuch, durch den man diese Aufgabe gelöset zu haben glaubte, veranlaßte einen neuen Skeptischen, der in der gegebenen Auflösung das wirkliche Vorhan' denscyn des Widerstreites, den man aufgehoben zu haben wähnte, sichtbar machte. Dieser Wettkampf würde wahrscheinlich schon unter den Griechen diejenige genauere und bestimmtere Festsetzung der ganzen Aufgabe, die zur einzig möglichen Auflösung vorausgesetzt wird, herbeygeführt haben; wenn er nicht durch den bald nach dem Untergang der griechischen Freyheit erfolgten Stillstand in dem Fortschreiten sowohl der natürlichen als der philo- u. d. transcend. Philosophie überhaupt. IZ7 philosophircnden Vernunft auf so lange Zeit uns tcrbrochen worden wäre. Durch die Ungesund heit der natürli- chen Vernunft, und durch den Synkretismus der Philosophircnden in den Zeiten des Neoplatonisinus, und durch die Sklaven- dicnste welche die Denkkräfte dem Kirchen- glauben in den Zeiten des Scholast leistn u s zu leisten hatten, wurden sowohl die gesunden Begriffe der natürlichen, als die reinen Ideen der philosophirenden Vernunft, und jedes Verhältniß zwischen beyden, gänzlich aus den Augen verlohrm. Die Palingenesie der Wissenschaften im Occidente gieng von der Wiederherstellung der Gesundheit der natürlichen Vernunft durch den auflebenden Geschmack an den schönen Kunstwerken und durch das Studium der griechischen und römischen Classtker aus; und die Metaphysik des Deskartes, dieser vorläufige Versuch, durch welchen die Fort, 1,5 Gegenwärtiger Zustand kcrMetaphysik Fortsetzung der alten Beschäftigungen der Griechen mit der Metaphysik vielmehr eingeleitet als angcfangcn wurde, ist nichts weiter als die Aufstellung und Darstellung der Aussprüche der bloßen natürlichen unter der äusseren Einkleidung und in der Sprache der philosophirendcn Vernunft. Die von den Ueberzeugungen der natürlichen als Principien ausgehende, und in sofcrs ne sich selbst widersprechende Philosophie rende Vernunft kann kein anderes System aufstellen als das Dualistische, in rvel* chein die Substanzialität vieler und veränderlicher Dinge als ausgemacht vor« ausgesetzt, zwey wesentlich verschiedene Are ten von Substanzen, ausgedehnte Bei wegliche, und unausgedehnte Vorstellende behauptet, und von der einzigen unendlichen Substanz, oder der Gottheit, abgesondert gedacht werden müssen. Der u. d. transeend. Philosophie überhaupt. 159 Der einzig möglichen Metaphysik der natürlichen, die philosophirende unterjochenden Vernunft stellte Spinoza die einzig mögliche Metaphysik der Philosoph«, i renden, und in soferne der natükli, j ch en widersprechenden Vernunft wieder entge, gen, die in wiefcrne sie in jedem Punkte das - Gegentheil von jener ist, nach der Aufstellung i derselben durch Dcskartes um so leichter zu finden war, da sie im Wesentlichen schon durch Tenophanes entdeckt wurde. Spinoza setzte die absolute Substanzia- lität der reinen Vernunft an die Stelle der relativen Substanzialität des gemeinen Verstandes, verdrängte durch die Einheit, Unendlichkeit und Unveräns derlichkeit von jener dieVielheit, End, lichkeit und Veränderlichkeit von dieser, als Merkmale, welche mit dem reinen und bestimmten Begriffe der eigentlichen Substanzialität sich durchaus nicht vertragen. Ä-r r6o Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik In der That fordert dergemeinc V cr« stand um einem Dinge das Prädikat S u br stanz beyzulegen, nichts weiter als daß dasselbe als Beharrlich wahrgenommen werde. Damit kann sich die Philosoph i- rende Vernunft nicht begnügen. Sie weiß, daß die bloß wahrgenommene Beharrlichkeit betrüglich ist; indem jede Veränderung in einem gewissen Grade von Geschwindigkeit und Langsamkeit gar nicht wahrgenommen wird, und das Veränderte eben darum als beharrlich erscheint. Für sie ist also nur dasjenige Substanz, was nicht nur etwa als unveränderlich wahrgenommen wird: sondern was sich nur als unveränderlich denken läßt, was ein bestehendes, alles Entstehen und Vergehen ausschließendes Seyn hat. Daß der Erundcharakttr dieses bestehenden Seyns nur die absolute und reelle Nothwendigkeit seyn, und eben darum nur einem Einzigen Dinge zukommen könne, daß ein u. d. kranscend. Philosophie überhaupt, töl zufälliges entstehendes und vergehendes Ding kein für sich bestehendes Seyn habe, und eben darum jede sogenannte endliche Substanz sich nur als ein Accidenz der einzigen Unendlichen denken lasse, daß die zwey wesentlich verschiedenen Charaktere der. durch äussere und durch innere Erfahrung sich ankündigenden endlichen Dinge, die Ausdehnung und die Denk- kraft, dieAttribute der einzigen und unendlichen Substanz ausmachen—Liese, und die übrigen LehrsätzedesSpino; istischett Systemes — ergeben sich unvermeidlich aus dem völlig entwickelten und gereinigten Begrif von absoluter Substanz, und erheben das alte Pantheistische System zu einer Vollkommenheit, die den Fortschritten sowohl der philosophircndcn Vernunft in den griechischen Schulen, als der Natürlichen in der Lehre des Dcükartes, als auch dem philosophischen Genie seines Wicderherstellers würdig ist. Ausweg verm. Schrift. Th. ll. L Von l62 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Von nun an konnten die Fortschritte der philosophircndcn Vernunft in der Metaphysik wieder in nichts anderem bestehen, als in den erneuerten Versuchen, Philosophie und Gc mein sinn mit einander auszusöhnen. Diese Versuche wurden um so unvermeidlicher, da jene beyden Vvrstellungsartcn sich in dem Verhältnisse scharfer und durchgängiger widersprechen, je reiner und bestimmter sie ausgestellt sind, und je gründlicher sie ihre Ueberzeugungen gegen einander durchsetzen. Dem gelingenden Versuche mußten natürlicherweise einige mißlungene vorhergehen. Es sind diese die Materialistischen und Idealistischen Systeme, welche unter sich gemein haben, daß sie die philosophircnde Vernunft und den gemeinen Verstand zugleich zu befriedigen suchen; indem sie zwar viele Substanzen, aber alle nur von einer einzigen Art, und in soferne nur ein einziges entweder m a t er riellcs, oder immaterielles Wesen behaupte»; unciugcdenk daß die philosophircnde u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 16g Vernunft für den Charakter der für sie ausgemachten absoluten Substanz reelle Einheit des Wesens fordern müsse, und sich mit der bloßen logischen Einheit des Wesens nicht begnügen könne. Der Versuch, dem diewirkliche Aussöhnung zwischen Philosophie und Genie in sinn gelingen sollte, mußte keineswegs die eigenthümliche Vorstellungsart weder des Einen, noch des Ander», weder g a n z^ noch auch zuin Theile, aufheben oder einschränken; sondern vielmehr beyde in ihrem ganzen Inhalt und Umfang bestätigen; nicht etwa beyden einen Vergleich durch Annäherung, und gegenseitiges Nachgeben, ausdrille gen, sondern beyden ihre vollen Ansprüche zusichern. Er mußte daher zeigen, daß, und warum, beyde das Objekt der Metaphysik, die Substanzialität, auf eine entgegengesetzte Weise denken müssen, und daß, und warum, sich beyde Vorstcllungsar- ttn in dem menschlichen Geiste neben einan- L - der l<54 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik der vertragen. Dieses hat Kants Kritik der reinen Vernunft wirklich geleistet, indem sie die Art und Weise: wie einerseits die reine Vernunft, andererseits dergemeine Verstand sich die Substanzt a l i t ä t vorstellen müsse n, durch eine neue und vollendete Zergliederung des Erkenntnißvermögens aus der Natur desselben entwickelt, und gerechtfertigt hat. Durch die in jenem Werke enthaltenen Untersuchungen ist es nunmehr erwiesen, daß die Prädikate der numerischen Quantität, der limitirten Qualität der relati v ett Und endlichen Subsistcnz, und der zufälligen Existenz einzig und allein den Erscheinungen zukommen können, daß sie demjenigen, was den Erscheinungen zu in Grunde liegt, und was lediglich durch reine Vernunft vorstellbar ist, schlechterdings abgesprochen werden müssen, und daß diesesObjekt der reinen Vernunft eben darum nur als ein Einziges, unendliches, u. d. transceud. Philosophie überhaupt. 165 chcS, absolutsubsistirendes, und nothwendiges Ding gedacht werden könne. Man weiß nun, daß Verstand, in engster Bedeutung des Wortes, und Vernunft zwey wesentlich verschiedene Vermögen der Ocnkkraft sind, von denen das Eine an die Sinnlichkeit gebunden, und, nur in und mit der Erfahrung geschäftig, die gemeine — das Andere aber von der Sinnlichkeit völlig unabhängig, und über alle Erfahrung erhaben, die reine philosophische Erkenntniß erzeugt,— die Eine das Sinnliche unter dem Charakter des Relativen und Bedingten, die Andere das Uebersinnliche unter dem Charak t er des Absoluten und Unbedingten zum Bewußtseyn bringt, die Eine auf dasAcussere eingeschränkt ist, die Andere allein ins Innere eindringt. Folgende Darstellung der Hauptmomente des Pantheismus überhaupt ist Versuch einer Probe von der einstweiligen grösseren Rcin- L 3 . heit l66 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik heit und Bestimmtheit der Begriffe, zu der sich die Grund r und Lehrsätze dieses Systemes durch die neuere Philosophie erheben lassen. Der Charakter der relativen und b er dingten Subsistenz istZufallig kcit — der ab so lut en und unbedingten aber — Nothwendigkeit des Scyns. Das zufällige und eben darum veränderliche Seyn läßt sich auf viele rley Arten; das nothwendige und eben darum unvcrander> liehe Seyn aber — nur auf eine einzige Art denken; daher kann es zwar viele relative und uneigentliche, aber nur eine einzige absolute und eigentliche Substanz geben. Jede der vielcn uncigcntlichen Substanzen läßt sich nur als ein endliches, die einzige eigentliche Substanz läßt sich nur als ein unendliches Ding denken, und die uncigentüchc Substanz kann, indem sie veränderlich ist, nur den Schein der u, d. trattsrend. Philosophie überhaupt. 167 «igentlichen Substanzialität, die unveränderlich ist, an sich haben. Accid euren, deren Veränderungen nicht wahrgenommen werden, erhalten dadurch den Schein der Substanzialir tät; und so nehmen auch bloße Accidcnzcn in unsren Vorstellungen den Rang der Substanzen an, der ihnen an sich keineswegs zukömmt. Die relativen Substanzen haben daher nur in den, an die Sinnlichkeit gc^ bundenen, Begriffen des Verstandes Sub- sianzialität, und sind in dem durch reine Vernunft vorgestellten Dinge an sich nur blosse Accidenz ein Eine relative Substanz ist nur ein fub« sistirendes Ding in der bloßen Vorfiel« lung, und widerspricht sich selbst, so bald man sie als Ding an sich zu denken versucht: denn in diesem Begriffe müßte das Veränderliche als Unveränderlich, das Zufällige als Nothwendig, das Bedingte als Unbedingt gedacht werde». L 4 Ge- L6z Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Gesetzt aber auch eine zufällige Sub» stanz, alä Ding an sich gedacht, wäre nichts widersprechendes, und man hätte wirk« lieh einen Bcgrif von einer solchen Substanz; woher wüßte man; daß dieser Bcgrif kein leer rer sey? daß er ein reelles Objekt habe? und daß es wirklich ausser unsren Vorstellungen vorhandene zufällige Substanzen gebe? Die Vertheidiger solcher Substanzen wissen keinen andern Grund anzugeben, als die vermcnütc Thatsache, daß cS 'üdliel'e Substanzen gebe. Allein wir wollen diese Thatsache näher ins Auge fassen. Die ndl > cdkcit der Substanzen müßte in den Schranken bestehen, welche dieselben im Raume und in der Zeit hatten, und die wirkliche Endlichkeit müßte sich durch dieWahrneh m ung dieser Schranken ankündigen, welche in dem Anfange, dem Ende, dem Grade, der Figur und der Zahl, als den eigentlichen Beschränkungen, bestehen müßten. Allein u. d. transccnd. Philosophie überhaupt. i6y Allein wc- hat den Anfang und das Ende einer Substanz je wahrgeno m m c n, und wer sann sie wahrnehmen? Alle Veränderung in Raum und Zeit ist Bewegung, und setzt schon das Bewegliche voraus, ehne es hervorbringen zu könne». Alles Entstehen und Vergehen besteht nur in der Verbindung und Trennung von etwas schon Vorhandenem, aus der Veränderung jn her Eomposikion, Struktur, Textur; und geht folglich nur in lauter Accidenzen vor, bey deren Wechsel das Zusammensetzende das nicht selbst wieder zusammengesetzt ist, das eigentlich Substan zi eile, be harrt, und weder Vermehrung, noch Verminderung, weder Entstehen, noch Vergehen denken laßt. Grade sind die Beschränkungen der Qualität, und lassen sich nur an demjenigen wahrnehmen, was sich an den Objekten durch Empfindung ankündigen kann. Alles, was an den Dingen Grade zulaßt, ist L ss eben 170 Gegenwärtiger Zustand dcr Metaphysik ebendarum veränderlich, und kann nur in dem Veränderlichen, in wiescrne es veränderlich ist, in der relativen, nie in der absoluten Substanz gedacht werden. Die eigentliche Snbsianzialität läßt keine Grade zu, Figur ist Beschränkung der Ausdehnung, und läßt sich nur an demjenigen, was an einem Objekte dem äusseren Sinne anschaulich ist, wahrnehmen. Die Figur ist etwas bloß äusserliches, setzt Z u sa innre nsctzung voraus, läßt sich nicht als unveränderlich denken, und wird auch, selbst nach dem Zeugniß der Erfahrung, au den festesten Körpern sz. B. an der Substanz des Diamanten, die durch Brcnnspicgcl auflösbar ist) veränderlich befunden. Die absolute oder eigentliche Substauzialität läßt keine Figur zu» Die,Zahl, oder die Numerische, d.h. Wch Einheit, Vielheit,, und beschränkte All- u. d. trauscend. Philosophie überhaupt. 171 Allheit bcsiimmbarc Quantität, kömmt nur den relativen Substanzen zu, d. h. den Dingen, m wicferue sie durch aussterc Empfindung und sinnliche Anschauung verstellbar sind. Der Körper hat nur in so- fcrnc numerische Einheit, als er nicht in viclc Theile aufgelöset wird; deren hervorgebrachte Vielheit sich durch Zusammensetzung wieder in die Einheit verliert, Nur daS Veränderliche, als veränderlich, läßt sich durch Messen und Zählen bestimmen. Die eigentliche Cubstanzialität läßt kein? numerij sche Größe zu. Ansang, Ende, Grad, Figur- Zahl, mit einem Worte, alle die Merkmals durch welche, und in welchen, sich der Chei rakter der Endlichkeit, und Zufälligkeit, ankündiget, betreffen also nur dasjcui* ge, was durch Sinne w ahrgcn 0 mme n werden kann, nicht das, was durch reine Vernunft gedacht werden muß; sie kommen also nur her Substanz zu, wie sie durch siun-lz chS 172 Gegenwärtiger Zustand dck Metaphysik che Merkmale erscheint, nicht wie sie im Auge der Vernunft, als Ding an sich, be> funden wird; in der That also nur den Substanzen in der diesen sinnlichen Vorstellung- weiche ausser derselben, durch die reine wahre Vorstellung der Vernunft, nur bloße Accidcn- zen der eigentlichen Substanzialirät des Dinges an sich sind, die weder Anfang noch Ende, weder Grad noch Figur, weder Zahl noch Maüä haben kann, sondern in jeder Rücksicht unendlich, und eben darum in dem Sinne einzig ist, m welchem die Unendlichkeit, der alle numerische Quantität widerspricht — einzig seyn kann. Unter den relativen Substanzen giebt cS eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den körperlichen, und den vorstellenden; von denen die Einen, die Ausdehnung; die Andern die vorstellende Kraft zum Wesen haben. Die ausgedehnten relativen Substan« zerr haben gemeinschaftlich Ein, und eben u. d. tranScend. Philosophie überhaupt. 1^5 eben dasselbe reelle Tbeseir, und sind in ihrer Vielheit, und Verschiß dcnhcit nichts als Modifikatione n etr ner unendlichen und absolut einzigen Ausdehr nung. Die Ausdehnung in dem Einen Körper ist von der Ausdehnung im Andern nur durch Größe, Figur, Lage, u. f. w. durch lauter Zufälligkeiten, verschieden; von denen gänzlich a bstra Hirt werden muß, wenn von dem reellen Wesen die Rede ist. Die vorstellcnden relativen Substanzen haben gemeinschaftlich Ein und eben dasselbe reelle Ärsesen, und sind in ihrer Vielheit, und Verschiedenheit nichts als Modifikationen einer unendlichen und absolut'einzigen vorstellenden Kraft. Denn diese Kraft in der Euren Seele ist von dieser Kraft in der anderen Seele nur durch Grad, Cultur, u. s. >v. durch lauter Zufälligkeiten verschieden, von denen gänzlich abstrahirt werden must, wenn von dein reellen Wesen die Rede ntz. Das» 1^4 Gegen!värtigcr Zusiand der Metaphysik Dasjenige, wodurch die vielen und verschiedenen ausgedehnten und vorstellenden Substanzen viele verschiedene, und ebendarum auch Endlich e sind, besteht aus den mannich- faltigen Dcterminationc n, Beschränkungen der Realität, während das Positive, und bloß reelle, das ihnen zum Grund liegt, eben darum die unbeschränk re und einzige, in Ausdehnung und vorstellender Kraft bestehende, Realir tät seyn muß. Die unendliche Ausdehnung ist von der unendlichen vorstellenden Kraft nur in sofern« verschiede», in wicferne beyde verschiedene Prädikate eben desselben Subjektes, Eigenschaften, Attribute der unendlichen Substanz sind, die zwar an der Ausdehnung eine a n- Lcre Eigenschaft als an der vorstellenden Kraft besitzt, aber nur E i n und eben d as- selbc nothwendige Seyn zum Wesen hat, Der u.d. transccnd. Philosophie überhaupt. 175 Der Jnbegrif aller relativen Euer stanzen, d. h. aller endlichen, ausgedehnten, im unendlichen Raume, und aller endlichen vorstellenden, in der unendlichen Zeit enthalte- nvn, Dinge, oder die Welt, besteht also aus bloßen Accidenzcn, und ist daher von Gott, oder von der unendlichen Substanz keineswegs als Wirkung von der Ursache, sondern nur wie die Accidenzcn vo» ihrer Substanz zu unterscheiden. Gott und die Welt machen daher nur eine einzige Natur aus, wenn man unter Natur die Substanzialität versieht; und Gott und die Welt, oder die Substanz Mit dem gan; en Jnbegrif ihrer Accidenzcn sind gleich ewig. Die b-Ltnra l^atiir3N3 war nie ohne Natni-ata, die Eine im ewigen (Acyn, die Andere im ewigen Werden begriffen. Achter 176 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Achter Abschnitt. Die Dualistische Schule (spricht) (?s würde unbegreiflich seyn, wie die philofo- phirende Vernunft in so manchem ihrer vorzüg- lichsien Repräsentanten den durch Deskatt tes eingeschlagenen Weg der gründlichen und gesunden Metaphysik wieder verlassen, und sich in die Abwege der Idealisten, Materialisten und Panth eisten verirren konnte; wenn sich nicht in den von dem großen Stifter des Dualismus aufgestellten leitenden Principien diejenigen Unbestimmtheiten und Unrichtigkeiten ausweisen ließen, durch welche jene Verirrungen unvermeidlich veranlasset wurden, so wie ohne jene Verirrungen die erwähnten Unbestimmtheiten nie entdeckt, und zum Vortheil des einzig wahren Lehrgebäudes der Metaphysik aufgehoben worden waren. Dkskartes erklärte luckla- ldpitise k. 1. §. ZI. er lec;.) die Substanz für u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 177 für dasjenige „existircnde Ding, welches um da zu seyn keines Andern bedarf". — Er lehrte: „die Substanz, welche schlechterdings kein anderes Ding zu ihrem Daseyn voraus, setze, könne nur eine einzige seyn, nämlich Gott; alle andern ließen sich nur durch Got, tcs M itw i r kung (lolo Del concurln) als existirend denken, und daher käme ihnen die Benennung Substanz nicht in den.* selben Sinne, wie Gott zu" — „Die Substanz kündige sich nicht durch ihre bloße Existenz, sondern durch ihre Attribute, oder unveränderliche Beschaffenheiten an. Jede Substanz habe ein gewisses Haupt» Merkmal, welches ihre Natur und ihr We, sen ausmache, und auf welches sich alle ihre übrigen Merkmale bezögen, dieses sey für die Körper die Ausdehnung nach ihren drey Dimensionen, für die Seelen — die vorstellende Kraft. Es gebe also zwey Arten von endlichen Substanzen — AnSwahlterm.Schrift.rh.il- M Kör, 178 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Körper und Geister, und ein einziges unendliches Individuum — Gdtt." Aus diesen Prämissen schloß Spinoza, daß der Name Substanz den endlichen Dingen nur u »eigentlich zukommen könne, und daß diese Dinge eben darum, weil sie kein unveränderliches unabhängiges, nothwendiges Seyn hatten, keineswegs als Selbst ständige Dinge, folglich nur als eigentliche Accidcuzen der einzigen eigentlichen Substanz sich denken ließen» Aus den Prämissen des Dcskartes schloffen die Materialisten, daß die wesentliche Verschiedenheit zwischen Vorstellen und Bewegen nur zwey verschiedene Attribute, nicht zwey verschiedene Arten dep Substanzen bewiesen; und daß sich daraus^ daßdieVorstellung aus derAusdehnung Nicht begreiflich sey, keineswegs schließen lasse/ daß ein Ausgedehntes Ding neben de» Ausdehnung und Bewegung nicht auch noch eine u. d. transcend. Philosophie überhaupt. I 7 Y eine vorstellende Kraft haböit könne, die nur dann der Ausdehnung und Bewegung widerspricht, wenn man sie aus denselben ablei- tett will. Aus den Pr «missen des Desk arte 8 schloffen die Jdeali sie», daß, da die Körper ll n unsrem Bewußtseyn ( das uns allein däs Daseyn derselben anzunehmen berechtige) nur in der Vorstellung, und durch die Vorstellu ttg vorhanden waren, und da ein gänzliches Unvermögen ihren Zustand selbst zu verändern, zum Wesen der Körper gehöre, der Rang der Substanz, der nur den in unsrem Bewußtseyn als sclbst ständig vorkommenden, und ihre Selbsiständigkeit durch Selbstthatigkeit beweisenden, Dingen zukommen könne, den Körpern abgesprochen werden müsse, die daher nur als äussere Erscheinungen die Ausdehnung zu ihren Wesen hätten, welche den eigentlichen Substanzen in den Dingen an sich widerspreche. 150 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Da aus diesen drey Systemen das Idealistische allein, neben den morali- schen und religiösen Ueberzeugungen ohne Inkonsequenz bestehen zu können scheint, und da die Monadologie, d. h., der lcibnitzische Idealismus, dadurch daß er die Realität der Körpcrwclt nicht schlechterdings aufhebt, sich ungleich weniger als der Vers keleysche von der Vorstellungsart des gemeinen und gesunden Verstandes entfernt: so ist es begreiflich genug, wie, und war» m, der Leibn itzianismus auf den Cathedern, und in den Lehrbüchern der Schulen und der Universitäten, die Oberhand gewinnen konnte. Allein sehr bald wurde der Hauptsatz des Idealismus: „daß jede Substanz nur als vorstellende Kraft sich denken ließe" und der charakteristische Hauptsatz des Lcibni, tzischen r ,chaß auch die Elemente der Körper nichts als vorstellende Kräfte seyen" von von den Leibnitziancrn selber aufgegeben, anfangs stillschweigend, nachmals ausdrücklich; und u, d. kransccnd. Philosophie überhaupt, rzi und der sogenannte Eklekticismus, der in der Folge an die Stelle der allmählig ausack tenden lc ibnitzisch - wolfischen Philoso' phie trat, gab den Elementen der Körper auch ihre Ausdehnung wieder, lehrte, und demonsirirte durch Geometrie die Theil- barkeit der Materie ins Unendliche, und be. hauptete das Geheimniß gefunden zu haben, die Newtonsche Theorie derKörper, mit der Leibnitzischen der Geister zu vereinigen. Allein die wahre Entdeckung dieses Geheimnisses , durch welches derDualismus des Deskartes auf durchgängig bestimmte Principien zurückgeführt, und in Kurzem als das einzig wahre System metaphysischer Wahrheit gegen alle übrigen alteren und »eueren Versuche geltend gemacht werden sollte, war den Untersuchungen aufbehalten, die durch Kants Kritik derreinen Vernunft ringelet tet sind. M Z Man ?52 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik -Man weiß nun durch dieselben bestimmter als vormals: wie man sich den von allen Überflüssigen Merkmalen gereinigten, und genau entwickelten Begrif von der Substanz überhaupt denken müsse; nämlich keineswegs als ein Ding, das seine Existenz keincin A i» Hern verdankt, sondern als ein reelles Subjekt, das sich nicht als das Prädikat eines andern Subjektes denken lasst. Es springt daher von selbst in die Augen, daßSpinoza nur durch Erschlei- chung das Merkmal der Noth w c n d ig k ci k in den Begrif der eigentlichen Substanzia- litat überhaupt aufgenommen habe, das nur in den Begrif einer besondern Substanz gehört. Man weiß nun bestimmter als vormals, daß, und warum, die Dcnkkraft kein Subjekt anders als durch seine Prädikate sich verständlich machen, und folglich daß der Begrif von diesem oder jenem beharrlichen Hybjrkle nur aus den unveränderlichen u. d. transecnd. Philosophie überhaupt, IZZ chen Prädikctcn desselben, die sein W e- scn ausmachen, abgeleitet werden könne. Es leuchtet dadurch ein, daß das Wesen einer Substanz überhaupt weder ausschließend in einer uners-haffcnen, noch in einer erschaffenen E- istenz, und das Wesen e» ner endlichen Substanz weder ausschlics- send in der Ausdehnung, noch i» der vorstellenden Kraft, bestehe; sondern, daß sich Eine un erschaffene Substanz und mehrere Erschaffene, und sowohl ausgedehnte körperliche, als un ausgedehnte vorstellende Substanzen, Leren Daseyn und Unterschied durch äussere und innere Erfahrung bezeugt wird, gar wohl denke» lassen. Man weiß nun bestimmter als vormals, daß, und warum, die Gegenstände des äusseren Sinnes sich in Rücksicht auf ihre Beschaffenheiten nur unter dem Charakter des crfülltcnRaumes, in Rücksicht auf ihre Wirklichkeit aber nur durch ihr M 4 Wir- i§4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Wirken im Raume, folglich nur durch Bewegung, anzukündigen vermögen, daß sich also das Wesen dieser Gegenstände nur durch Ausdehnung und Beweglichkeit denken lassen — daß sich hingegen das vorstelle n d e D i n g nur i n dem inncrenSinne und durch denselben, folglich durchaus nicht als den Raum erfüllend, und durch Bewegung anzukündigen vermöge; und daß sich daher das Wesen der vorstellenden Dinge nur als uu ausgedehnt, und in der, von aller Bewegung verschiedenen, vorstellenden Kraft bestehend denken lasse. Man weiß daher auch bestimmter, warum zwey wesentlich verschiedene Arten von Substanzen angenommen werden müssen, die so weit wir sie zu erkennen vermögen, durchaus durch einander entgegengesetzte Prädikate gedacht werden, und da der Unterschied der Subjekte nur in den Prädikaten besteht, als einander entgegengesetzte Substanzen erkannt werden müssen, u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 185 sen, wahrend ihnen, in wieferne sie ausser der Sphäre unsres Erkenntnißvcrmögens vorhanden sind, gar keine Prädikate beygelegt, folglich Ausdehnung und Nichta usdehn » ng, Einerleyheit und Verschiedenheit weder eingeräumt noch abgesprochen werde» können. Und so erfüllt dnePhilosophirende Vernunft den Beruf, auf den sie sich einschränken muß, und welcher darin besteht, daß sie die Lenkbarkeit, die vo» allem Widersprüche freye und bestimmte Möglichkeit, der zwey Arten von Substanzen darthut, die der gemeine und gesunde Verstand als Fakta aufstellt. Folgende Darstellung der Hauptmomente des Dualismus ist Versuch einer Probe von der einstweiligen größeren Reinheit und Bestimmtheit, zu der sich die Erund, und Lehrsätze dieses Systemes durch die neuere Philosophie erheben lassen. M 5 Sub- i ß6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Substanz überhaupt ist ein reelle s S u b j c k t, das sich n i ch t als das Prädikat eines andern denken läßt. Sie ist Ding an sich in wiefcrne sie unabhängig von unsrem Bewußtseyn, und ausser der blos- sen Vorstellung, subsistirt. Das sehlechterd > ngsB.leibende und Unveränderliche an einem Dinge air sich ist das Wesen desselben, oder dasjenige Merkmal, was den Grund der Möglichkeit und Wirklichkeit aller übrigen enthält, Es giebt zwey verschiedene Weseir, die sich in einem und demselben Subjekte gegenseitig ausschließen, und eben darum keineswegs wesentliche Stücke, d, h. Theile von Einem und demselben Wesen seyn können. Es giebt daher zwey Arten von subsianziellen Dingen an sich. Das Wesen der Körper besteht in der Ausdehnung der a n sich selbst ausgedehnten Dinge, und in ihrer Trä g- h e i t s- t>. d. transcend. Philosophie überhaupt. iZ? heitskraft (Vis u'qo) d. h. der Kraft, den Zustand her Bewegung sowohl als der Ruhe so lange zu erhalten als eine Substanz nicht durch eine andere aus demselben verdrängt wird. Das Wesen der Seelen besteht in der vorstellenden Kraft der an sich selbst pnausgcdchnten Dinge. Die Thatsachen des Verstell ens, Denkens und Wvllens lassen sich eben so wenig aus den m echanischen G e fe tz c n, als die Thatsachen, die durch Bewegung geschehen, aus den Gesetzen des Vorfiel- lens, Denkens, Wyllens — erklären. Die mechanischen Gesetze fetzen zur Möglichkeit der Veränderungen, die ihnen gemäß geschehen, in den Dingen, in denen diese Veränderungen vorgehen, Ausdehnung und Trä ghe itskraft voraus. Die Gesetze des Vorstellend Denkens, Woülens setzen zur Möglichkeit der Hans- 188 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Handlungen und Zustände des Subjektes die ihnen gemäß stattfinden, in dem Subjekte in welchem diese Handlungen und Zustände vor- Handen sind, Einfachheit und Selbstthär tigkcit voraus. Die Vorstellende Substanz kann nicht ausgedehnt, und die Ausgedehnte kann nicht vorstellend seyn; beyde sind also von wesentlichvcrschiedener Art. Der o br jektive Grund der Vorstellung den Substanz ist daher in zweyerlcy Arten der Subsisten; der Dinge an sich enthalten; wovon die Eine in dem beharrlichen Erfüllen des Raumes, die Andere, im beharrlichen Erfüllen der bloßen Zeit besteht, die Eine den Subjekten äusserer, die Andere den Subjekten innerer Veränderungen zum Grunde liegt. Die materielle Substanz kann keineswegs von sich selbst und durch sich u. d. transcend. Philosophie überhaupt. I§y sich selbst wirken, vermag sich nicht zu den Veränderungen Ihres Zustandes selbst zu bestimmen, und wenn sie von auffcnher in Bewegung gesetzt, und in Wirksamkeit begriffen ist, wirkt sie nicht auf sich selbst, svn- Lern nur ausser sich, auf eine von ihr selbst verschiedene Substanz, die aber um für ihre Einwirkung empfänglich zu seyn, selbst ausgedehnt seyn muß. Die vorstellende Substanz wirkt durch sich selbst und von sich selbst, aber sie wirkt nichts als Vorstellung und nur durch Vorstellung; lauter Veränderungen, die nur in, nicht ausser der Substanz vorgehen; und diese kann alsvvrstellend, nur auf sich selbst, nicht ausser sich, oder auf eine von ihr verschiedene Substanz ihre Thätigkeit äußern. Die materiellen Substanzen können also keineswegs auf die vorstellenden, und diese keineswegs auf jene wirken; t yo Gegenwärtiger Ausiand der Metaphysik ken; und die G c m e i n sch a ft zwischen S e e- Zd und Leib ist also nicht bloß unbegreiflich, sondern als ph ysische Wechsel Wirkung, d. h. auf natürliche Weise schlechterdings unmöglich. Die harMvnirtnden Veränderungen in Seele und Leib, welche eine solche Gemeinschaft ankündigen, sind alsd keineswegs als wirkende, sondern nur als gelegen hei tliche Wirkungen von einander denkbar, welche für eine übernatürliche Ursache (für die Gottheit) bloße "Verein! assun gen sind, die körperlichen Veränderungen der vorstellenden Substanz zu offenbaren, und die Beschlüsse dieser Substanz durch deU Leib in der Körr perwclt auszuführen. Äre» n- il. d. transeend. Philosophie überhaupt, iyi Neunter Abschnitt. Die skeptische Schule (spricht) §^ie Gründlichkeit und die Ausbreitung deti Ueberzeugung: daß d ie M eta physi k un- möglich sey, kann mit Recht als der Maaßstab der eigentlichen Fortschritte der philossr phirenden Vernunft angesehen werden. Der Skeptiker, oder was dasselbe heißt, der ä ch tc P h ilosop h, erweiset durch unwidersprcchliche, aus der Natur des menschlichen Geistes selbst hergeholte, Gründe, daß die Uebereinstimmung unserer Vorstellungen mit solchen Objekten, die nicht selbst wieder bloße Vorstellungen wären, schlechterdings un- erweislich sey und bleiben müsse, und er bezweifelt daher mit einem unauflöslichen Zweifel die objektive, das heißt, dicjeni- ge Wahrheit, die durch jede Metaphysik als aus- iy2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik ausgemacht vorausgesetzt wird, und mit deren Ausgemachtseyn die Metaphysik überhaupt stehen oder fallen muß. Er weiß, daß die einzige Art von Wahrheit, welche die Probe der philosophi- renden Vernunft aushalt, in derUeberei nr stim mung bloßer Vorstellungen untereinander selbst bestehe, und daß sowohl die Logische Wahrheit, oder die Uebereinstimmung der Begriffe untereinander selbst, als die Reelle, oder die Uebereinstimmung der Begriffe mit den Sensationen oder Empfindungen, lediglich Subjektiv sey. Er weiß, daß die zu einer jeden Erkenntniß gehörigen, und dieselbe ausmachenden Vorstellungen nur von zwey Arten find, Sensationen (Eindrücke oder Empfindungen), und Begriffe; von denen die Einen die ursprünglichen, die Andern aus den ursprünglichen abgeleiteten Vorstellungen u. d. kranscetld Philosophie überhaupt, tyz gen sind; das die Begriffe nur in soferne picht leer sondern recllwahr seyn können, in wieferne ihnen Sensationen korte- spo nd ire ii; daß alle Begriff e, denen keine Sensationen entsprechen können, folglich alle Begriffe von übersinnlichen Gegenständen Und Merkmalen leer, und bey aller ihrer Lenkbarkeit oder Logischen Wahrheit, nur durch die im Dienste der Phantasie geschäftige Ner- nunft erzeugt, und ihre Objekte nichts als Gedanke n dinge (eiNia ratioriks) sind Und seyn können. Er weiß, daß die metaphysischen Nationen, die sie sich auf lauter übersinnliche, aus keiner möglichen S e n satio u ge» schöpften, Prädikate einschränken, ebendarum nicht einmal subjektiv-reelle Wahrheit haben können, daß die Prädikate; Sub- .stanz, Ursache, Qualität, Nothwen- digkcit u. s. w. nur als logische Charaktere empfindbarer Objekte, nur in den konkreten, sinnlichen Dingen etwas Aui>»»hl serm, Schrift, LH.II- N Wirk- i<)4 Gegenwärtiger Zustaüd der Metaphysik Wirkliches bedeuten; daß sie um irgend eine Realität zu erhalten, aufhören müssen mctaph y si sch zu seyn, und daß sie abstrakt gedacht, nichts als die Achnlichkcit zwischen mehreren Sensationen, ein bloßes Logisch c s Ding ausmachen^ Er weiß, daß nur in diesen Ueberzeugungen diejenige reine und eigentlich philosophische Wahrheit liegen könne, durchweiche die m ündige, und sich selbst erkennende/ Vernunft die Gesundheit des gemeinen Verstandes unterstützet und vollendet; — daß gleichwohl ein ganz ungewöhnlicher Grad von Gesundheit dieses Verstandes vorausgesetzt wird, um diese Wahrheiten fassen, und noch ein höherer, um die Folgen derselben, die freylich allen herrschenden Vorstcllungsartcn widersprechen, ertragen zu können — daß daher der achte Skepticismus immer nur die esoterische Philosophie weniger Weisen bleiben müsse, wahrend der Oogmatismus, welcher der Kränklichkeit und Kurzsichtigkeit des gemei- u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 195 gemeinen Verstandes so angemessen ist, die Vor- urtheile desselben unterstützt, und von ihnen dafür wieder unterstützt wird, und eben darum als exo- terisch c Philosophie sortdaurcn wird. Er be- scheidet sich indeß gerne, daß die Menschheit ge- gen die verderblichen Einflüsse dieser Afterphilosophie weit m e ft r durch dieuncinigkeitder in entgegengesetzte Partheyen und Sekten zerfallenden Dogmatiker, als durch die Wirksa m- keit dcr Skeptiker, die sich nur untereinander selbst verstehen, geschützt werden könne. Es liegt am Lage, daß die einzig wahre (esoterischch Philosophie jederzeit gewinnen müsse, so oft irgend ein Dogmatisches Lehrgebäude umgestürzt, und in Vergessenheit gebracht wird. Dieß geschah denn auch, indem die Monadologie allmählig durch den sogenannten Eklekticismus verdrängt wurde, der den lokischen Empirismus neben dem leibnitzischeu Rationalist inus wenigstens in soserne geltend machte, als er ihn mit demselben zu vereinigen N s such- iy6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik suchte. Dadurch wurde unvermerkt, dem bis- her unterdrückten Materialismus derjenige Eingang vorbereitet, den derselbe nöthig hatte, um auf dem Gebiete derDvgmatikcr dem Idealismus die Herrschaft, wenigstens in den Augen der wenigen scharfersehenden streitig zu machen, welche in den Coa- litionsversuchen der Eklektiker nichts als die Verwirrung einander widerstreitender Vorsiellungsarten durch Unbestimmtheit und Unrichtigkeit der Grundbegriffe — nichts als »»philosophischen Synkretismus wahrnahmen. Die unbefangenen Sclbsidenkcr fien- gen nun an deutlicher einzusehen, daß die Metaphysik nur durch die Gedankenlosigkeit der Synkretisten in ein einziges Lehrgebäude umgeschmolzen werden könne, daß sie aber in dem Verhältniß in widerstreitende System? zerfallen muffe, je gründlicher und scharfsinniger sie durch Selbstdenker bearbeitet würde,— und daß endlich das Objekt derselben um so gewisser ein Unding seyn müsse, je weniger sich II. d. tranScend. Philosophie überhaupt. 197 sich ihre vornehmsten Kenner und Pfleger über dasselbe zu vereinigen vermöchten. Die mit de Cultur und Verbreitung der empirischen/ historischen/ pragmatischen lauter Sachkenntnisse betreffenden und gemeinnützigen Wissenschaften weit verbreitete und tief eingewurzelteHvchschätzung der Erfahrung/ und Geringschätzung der Spekulation hatte bereits in Deutschland über das äussere Schicksal der Metaphysik entschieden: als daselbst das Endur- thcil bekannt wurde/ das die philosophiren- de Vernunft in England durch David Hume — dem Wiederherstellet: der ächten Philosophie — über das innere Schicksal derselben gefallet hat. Um den Skepticismus in seiner durchgängig bestimmten Form als das einzig mögliche Lehrgebäude der Philosoph? renden Vernunft aufzustellen/ fehlte es nur noch an dem Systeme der Principien der subjektiven Wahrheit; und dieses N 3 laßt ry8 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik , laßt sich mit Zuverlässigkeit von den neue» Untersuchungen erwarten die durch Kayts Critik der reinen Vernunft theils vor, genommen, theils veranlaßt sind. Daß die reelle Wahrheit, soweit dieselbe dem menschlichen Geiste zugänglich ist und seyn kann, sich nur als die Subjektive denken lasse, kann nun nur noch denjenigen zweifelhaft seyn, bey denen irgend ein dogma- ' tisch es System zur zweyten Natur ihrer Vernunft geworden ist. Denn man weiß nun südlich durch die Critik, daß, und warum, die anschauenden Vorstellungen auf die bloßen Eindrücke, (Empfindungen) in welchen und durch welche ihnen allein Gegenstände gegeben werden können, die Begriffe des Verstandes aber nur auf diese empirischen Anschauungen, und die Ideen der Vernunft nur auf die Begriffe des Verstandes eingeschränkt sind, und daß wi>' es durch kcine Art unsrer Vorstellungen ant Dingen an sich zu thun haben. Mau weiß, lt. d. transeend. Philosophie überhaupt. iyy daß sogar dir Prädikate Ding, Objekt, Substanz u. s. w. u r sp r ü nglich, und an und für sich, nichts weiter als in der bloßen Denkkraft des Subjektes gegründete F o rr men unsrer Begriffe sind, und also den sogenannten Dingen an sich ausser um srcn Vorstellungen durchaus nicht zu, kommen können; daß diese Prädikate nur in wiefcrne sie sich auf Eindrücke bester hcn, reelle Bedeutung erhalten, und daß die reinen Ideen der Vernunft selbst kei- nc andere probchältigc Funktion haben, als den an die sinnlichen Vorstellungen durch seine Begriffe gebundenen Verstand, zu leite», seinen Erkenntnissen logischen Zusammenhang (Systematische Ench.it) zu geben, und bloße Regeln des Denkens undWollcns aufzustellen, ohne uns zu irgend einer übersinnlichen Einsicht in das Wesen der Dinge an sich verhelfen zn können. ?oy Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Man weiß nun/ daß die objektive Wahrheit, welche von aller Metaphysik ohne Beweis vorausgesetzt wurde, und die Erkenntniß der Dinge an sich, wvr- auf die Metaphysik stolz genug war, um sich in Rücksicht auf dieselbe dieKöniginn aller Wissenschaften nennen zu lassen — die Eine grundlos, die Andere widersprcr chend sey; und daß aller Dogmatismus, in wieferne er von beodcn, als ausgemacht angenommenen Grundwahrheiten, ausgeht, auf eine bloße, theils grundlose theils wir dersprechende Hypothese sich gründen müsse. Auch der gemeine und gesunde Verstand, der mit Recht auf das unmittelbare Zeugniß des Bewußtseyns bey jeder Erkenntniß den Unterschied zwischen Vorstellung und Objekt annimmt, laßt sich nun mit der philosophtrenden Der» Nunft, welche jenes Objekt in jedem Falle für eine bloße aber andere Borstest n. d. transcend. Philosophie überhaupt. 207 siellung erklärt, auf eine für beyde befriedigende Weise aussöhnen. Denn man weiß nun, daß jede Erkenntniß aus zwey verschiedenen Vorstellungen, einem Begriffe nämlich und einer empirischen Anschauung bestehen müsse, welche sich gegenseitig aufeinander beziehen, und unter denen der Begrif kein anderes Objekt als die Anschauung, und diese kein anderes Objekt als den Begrif haben kann, der dasjenige begreift, (in objektive Einheit zusammenfaßt) was ihm durch die sinnliche Vorstellung vorgehalten wird. Es ist nun leicht und völlig erklärbar, daß, und wie, das Bewußtseyn ausser aller Vorstellung befindlicher, und von aller Vorstellung verschiede nerGegensiände eine optische Täuschung des Vorstcllungsvers mögens sey, indem wir zum Beyspiel, bey einer Gesichtsvorstcllung den sichtbaren Gegenstand, der einzig und allein auf der Netzhaut des Auges wahrgenommen N 5 wer- 2O2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik werden kann, und nur als ein Eindruck auf - Das Organ in demselben vorhanden ist, ausserdem Auge wahrzunehmen wähnen. Der Der- stand, der doch nur mit dem Bilde auf der Netzhaut zu thun hat, wird in .die Täuschung der Phantasie hineingezogen, wähnt sich mit einem von jenem Bilde verschiedenen Original ausser der Netzhaut zu beschäftigen, und selbst die in seinem Begriffe vorhandene objektive Einheit, die doch seine eigene Wirkung ist, " trägt dazu bey diese Täuschung zu unterhalten, welche selbst durch philosophirende Vernunft nur angezeigt, keineswegs aber hinweggeräumt werden kann. Folgende Darstellung der Hauptmomente des negativen Dogmatismus oder metaphysischen Skepticismus ist Versuch einer Probe von der einstweiligen grösseren Reinheit und Bestimmtheit zu der sich die Grund - und Lehrsätze dieses Systems durch die neuere Philosophie erheben lassen, Wir u. d. trattsccnd.Philofophrc überhaupt. 2OZ Wir kcnum jedes Objekt, das wir als ein vorgestelltes von unsrer bloßen Vorstellung desselben unterscheiden, nur dadurch und in sofcrnc, daß und in wiefern« es in unsrer Vorstellung vor- kömmt; und vermögen dasselbe in wicfcrne es in der Vorstellung vorkömmt, und den Charakter der Vorstellung als ein Vorgestelltes an sich hat, keineswegs mit sich selbst, in wicferne es nicht in der Vorstellung vorkommt und als Ding an sich den Charakter der Vorstellung nicht an sich hat, keineswegs zu vergleichen, um uns der Uebereinstimmung zwischen dem Dinge in uns und dem Dinge ausser uns, dem Dinge im Bewußtsein und dem Dinge ausser dem Bewußtseyn zu versichern. Diese Einstimmung wird daher ohne Grund als ausgemacht vorausgesetzt Die vorgestellte Substanz — Ursache u. s. w., ist als vorgestellte, etwas, was von unsrer Vorstellung ab- h a n g t, SO4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik hängt, folglich nur relative, nicht ab- solute Substanz subsistirend in der Vorstellung, nicht subsistirend als Ding an sich. Tic absolute Substanz, das subsistircnde Dinge an sich, wüßte also die nicht vorgestellte seyn, an der und aus der, als einem uns völlig unbekannten Etwas sich durchaus nichts begreifen ließe. Da jede bekannte und verstellbare Substanz nur eine Relative seyn kann: so kann auch die Vorstellung von der Absoluten kcineswegcs einen Prvbehäl- tigen und vernünftigen Grund haben, Die Nothwendigkeit und Allgemeinheit, durch die wir das Absolute in unsren Vorstellungen von Substanz U s. w. von dem bloß Relativen, das wir uns als zufällig und partikulär oder individuell denken, unterscheiden, ist eine durch oft wiederholte ähnliche Eindrücke, folglich durch G cw o h n h e i t, völlig begreifliche Täuschung, In u. d. transccnd. Philosophie überhaupt. 2cZ In wieferne dasAbsolutc Nothwendige und Allgemeine den Charakter der metaphysischen Gewißheit ausmacht: in soferne ist diese Gewißheit, und die Wissenschaft, welche dieselbe voraussetzt, eine bloße Täuschung. Zehnter Abschnitt. Die kritische Schule (spricht) §^ie Periode, welche in der Geschichte der teutschen Metaphysik unmittelbar auf die Leibnitzisch - wölfische folgte, kann nicht treffender als durch den Namen der E k- lettischen charakterisier werden. Während derselben hat die philosophirendc Vernunft in Teutschland das Joch eines einseitigen Systemes, wodurch sie auf eine Zeitlang, und in soferne Vortheilhaft, beschränkt war, abgeschüttelt. Da ihre Aufmerksamkeit durch den Empiriker Lote, den Materialisten 2c6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Helvctiüs, den Skeptiker Hume, und die neuen panthcistischcn Vertreter des Spinoza fast zu gleicher Zeit zu eben so vielen einander widersprechenden Vor- sicllungsartcn hingezogen wurde, war sie gegen den sonst gewöhnlichen Uebcrgang aus einer Bothmäßigkcit in die andere gesichert» Wenn es auch in dieser ganzen Zeit keinen einzelnen eklektischen Philosophen gegeben hätte: so würde doch wenigstens die Philosophie der teutschen in sofcrne eklektisch gewesen seyn, als sie keines vsn allen metaphysischen Lehrgebäuden verschmähte, und kei- ' ues allen übrigen vorzog» Man hatte endlich aufgehört alle übrigen Systeme durch das Leibnitzische, zu widerlegen ; und angefangen das Leibnitzische durch alle übrigen berichtigen, läutern, erganzenzu wollen» Um der Einseitigkeit der rationalistischen mvnad »logischen Denkart abzuhelfen, nahm man in die Lehrbücher der Metaphysik immer mehr und u. d. transccnv. Philosophie überhaupt. 207 und mehr empirische, mctcrialistische, panthcistische und skcptische Fragmcn- tc auf, die man eben durch ihre Zusammensetzung unschädlich, und durch ihre gegenseitige Einschränkung der Wahrheit näher gebracht zu haben glaubte. Der Idealismus hatt? sich bereits aus der Metaphysik der Schulen verlvhrcn; als man noch immer dafür hielt, nicht nur in der Hauptsache die Grundbegriffe des Leibn itzischcn Systems beybehalten zu haben, sondern vielmehr durch die Entfernung von dem Buchstaben tiefer in den Geist desselben eingedrungen zu seyn. Da die heterogenen, aus allen einander entgegengesetzten Lehrgebäuden entlehnten, Bruchstücke, welche die n c u e Metaphysik ausmachten, schlechterdings keinen systematischen Zusammenhang zuließen: so wurde das System überhaupt für das vornehmste Hinderniß der Fortschritte achter Wissenschaft erklärt, die rhapsodische Einkleidung, als die einzig angemessene Darstellung der metaphysischen Ag- 208 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Aggregate beliebt, und Plattners Aphorismen und Feders Lehrbücher waren sehr bald und sehr ausgebreitet, als die vornehmsten Quellen der Materialien, und M usier der For in ächter ekle ks tisch er Metaphysik anerkannt. Die Metaphysik nahm in dem Verhältnisse die hisivrische Form an, als sie die w i sr senschaftliche ablegte r SiecrzähItc die vornehmsten Lchrbcgrisfe der bisherigen Metar Physiker; und da diese Erzählung für die Empfänglichkeit der studierenden Jünglinge zunächst berechnet war: so wurde sie nie bis zu den Grundbegriffen fortgeführt, sondern lediglich auf die sogenannten Resultate eingeschränkt. Die Darstellungen des Mai e- rialismus, Idealismus, Dualismus, Pantheismus und Skepticismus wurden mehr bloße Erwähnungen als genaue Entwicklungen dieser Lehrgebäude (S. Plattners Aphorismen r D. rtt jeder Ausgabe), und da man überzeugt war, daß u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 2OY daß jedes derselben als besonderes Lehrgebäude, und in wieferne es den übrigen entgegen» gesetzt ist, Unwahr sey: so glaubte man, daß die Eigenthümlichkeiten eines jeden, und die innere Artikulation desselben, aufs höchste nur den Gesch ichtsorscher der Phi- lvsophie interesstren könnte», dein Metaphy, siker aber und seiner Wissenschaft ganz gleichgültig seyn müßten. Es war nahe dabey, daß die metaphysischen Systeme durch ihre Erzähler in Vergessenheit gebracht, die Metaphysik überhaupt durch ihre Pfleger ausgerottet, und insbesvm derc durch die Versuche sie möglichst weit auszubreiten, gänzlich verdrängt werden mußte; als auf einmal ein Mann auftrat, der, ob er gleich auch akademischer Lehrer war, gleichwohl den Muth hatte, die Metaphysik für Man» ner, und auch für diese so zu bearbeiten, daß er nur von einigen wenigen verstanden zu werden hoffen konnte — der, ob zwar keinem der bisherigen Systeme mit Ausschließung aller Sluswchi vcrm. Schrift, jh. ll. H Übrl« rio Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik übrigen zugethan, gleichwohl der Anarchie der Principien und der System losigkcit nicht weniger als dem Despotismus einer einseitigen Vorstcllungsart zu entsagen wußte; — und ohne die Metaphysik zu einem historischen Aggregat der Lehren seiner Vorgänger herabzuwürdigen , die Einsichten eines jeden derselben zum Besten des strengen wissenschaftlichen Systemes, das er begründete, zu benutzen verstand. Ohne mit den Dogmatikern aus dem Daseyn Eines der vier dogmatischen Systeme auf die Möglichkeit, und ohne mit den Skeptikern aus dem Daseyn der vier einander widersprechenden dogmatische» Systeme, und aus einem unrichtigen Begriffe von objektiver Wahrheit, auf die U n- Möglichkeit der Metaphysik zu schlieft sen: warf er der Erste, die Frage auf: ob, und wie, diese bisher so vieldeutige und streitige Wissenschaft auch möglich sey? und suchte d-ie Beantwortung derselben in einer Zergliederung des Erkenmnißvcrmögenö auf, die sich u. d. transecnd. Philosophie überhaupt. 211 von allen biShcrigen dadurch unterschied,daß sie dasjenige, was der Dogmatismus bereits gesunde» zu habe» wähnte, und der Skepticismus als unmöglich zu finden behauptete, derjenigen Untersuchung unterwarf, welche von dem Einen als überflüssig, von dem Anderen aber als vergeblich bisher von der Hand gewiesen worden war. Daß die objektive Wahrheit in der Ucb ercinsiimmung zwischen Vor* siellung und Ding an sich bestehen müsse: ist die, ohne Untersuchung und Beweis, als ausgemacht angenommene Voraussetzung, die aller bisherigen dogmatischen und skeptischen Philosophie, bald ausdrücklich bald stillschweigend zum Grunde liegt. Die Dogmatiker glaubten in ihren metaphysischen Lehrgebäuden die reine Wissenschaft der Dinge an sich aufgestellt, und in ihren Grund - und Lehrsätzen diejenigen Begriffe geliefert und entwickelt zu haben,. O 2 welche 212 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik welche genau mit den Dingen an sich überein, stimmten und daher die objektive Wahrheit enthielten. L er Umstand, daß seinem Lehrgebäude aufs wenigste noch drey andere, demselben widersprechende, entgegenstünden, konnte keinen Dvgmatiker in der Ueberzeugung stören, daß er, und seine Parthey, allein die ächten Kenner der Dinge an sich wa, rcn; denn er fand ja eben in seinem Lehrge» bäude die Gründe, durch welche ihm die Falsch, heit aller übrigen erwiesen wurde. Die Skeptiker hingegen glaubten die Probehal, tigkeit der objektiven Wahrheit aus immer entkräftet, und die Unmöglichkeit der diese Probehältigkeit voraussetzenden Metaphy, sik dadurch erwiesen zu haben, daß sie in der That die Unmöglichkeit, eine Uebereinstimmung zwischen Vorstellung und Ding an sich jemals darzuthun, gezeigt hatten. Was der Skep, ticismus und der Dogmatismus, als entschieden voraussetzen, das läßt der kan tische Criticismus wenigstens bey fei- u. d. tranScend. Philosophie überhaupt. 2IZ seinen Untersuchungen, und vor der Vollen- düng derselben, unentschieden; und indem er bey seinem Nachforschen nach der Beschaffenheit, und den Gränzen der in dein vorstellenden Subjekte gegründeten Vermögen keineswegs davon ausgeht, daß die objektive Wahrheit (wenn sie möglich wäre) in der Uebereinstimmung zwischen Vorstellung und Ding an sich bestehen müsse: so muß er nothwendig zu Resultaten getan» gen, welche von allen bisherigen, sowohl skeptischen, als dogmatischen (die gemeinschaft» lich von jener Voraussetzung ausgehen) wesentlich verschieden ausfallen. Eines der wichtigsten unter jenen Resultaten ist: daß die objektive Wahrheit, sowohl von den Skeptikern als den Dogmatikcrn unrichtig gedacht, und daß von diesen etwas Unmögliches für Wirklich, von jenen aber etwas Wirkliches für Unmöglich angesehen wurde. O 3 Der 214 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Der Dogmatismus zerfällt in den Empirismus und in den Nationalismus, wovcn der Eine die objektive Wahrheit ein . in den einfachen unmittelbar aus der Erfahrung geschöpften, der andere in den angebohruen, unmittelbar durch intel- lekru.Uc Kraft hervorgebrachten, und sich durch Nothwendigkeit und Allgemeinheit auszeichnenden Vorstellungen gefunden zu haben behauptet. Mit den D in- gcn an sich — lehrt der Eine — stimmen nur diejenigen Vorstellungen übercin, die weder durch Phantasie noch durch Raison- riement erzeugt, sondern unmittelbar durch ihre Objekte uns gegeben, und durch Lic'Bcschas.eichcir derselben in uns bestimmt werden; die also eben darum zwar so unveränderlich als das Wesen ihrer Objekte selbst, aber auch eben so individuell seyn müssen; wahrend das Allgemeine an unsren Erkenntnissen nur das Aehnlichc unter den vbjektivwahrcn und reellen Vorstellungen ausmacht, u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 215 macht, durch das Vergleichende Raison- ncmcnt allein hervorgebracht wird, und keine andere als Logische Wahrheit? hat. (b>okes ksss)' stluiiceililug Iiuman Oixler- lmncllnZ). Die Dinge, wie sie an sich sind, vorzustellen — lehrt der Rationalismus— ist der Sinnlichkeit versagt, ist einzig der intellektuellen Kraft vorbehalten, die a!S Verstand die Dinge an sich einzeln, als Vernunft aber im Zusammenhang vorstellt; und da dem vorstellenden Subjekte durch Verstand und Vernunft das Nothwen dige und Allgemeine der Objekte vergegenwärtigt wird, so ist die objektive Wahrheit, und durch sie die Metaphysik als Wissenschaft der Dinge an sich auf das absolutnothwendige und allgemeine der Erkenntnisse eingeschränkt. Die Vermischung der Rationalistischen mit der empirischen Denkart führt entweder zur dualistischen oder panth ei frischen Metaphysik; je nachdem entweder der Empi, O 4 ris- rr6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik rismus oder der Rationalismus in der Verbindung die Erste Roll« spielt und den andern sich unterordnet. Der reine Ra- tionalismus allein führt zu der ideal« st i sch c n, — und der reine Empirismus zur materialistischen, der rational« stische Empirismus zur pantheist« schen, der empirische Rationalismus zur dualistischen Metaphysik. Der Skeptiker giebt den Dogmatikern zu: „daß die objektive Wahrheit, wenn ihre Möglichkeit erweislich wäre, in der Uebcreii« stimmung zwischen Vorstellung und Ding an sich bestehen müßte." Aber er fordert den Beweis von den E mpiri kern, daß ihre einfachen Vorstellungen, gesetzt auch, daß sie dieselben rein und unvermischt ausfindig zu machen wüßten — und von den Rationalisten, daß ihre angcbohrnen intellektuellen Vorstellungen, gesetzt auch, daß sie dieselben von allen Empirischen gereinigt aufzustellen vermöchten — wirklich mit den Dins u. d. transcend. Philosophie überhaupt._, Dingen an sich übereinstimmen. An einen solchen Beweis hat noch kein Dog, matiker gedacht, und Hume hat gezeigt, daß ein solcher Beweis unmöglich ist, und daß sich keine andere Wahrheit darthun lasse, als die in der Uebereinstimmung zwischen Begriffen und Sensationen, und zwischen den B e» griffen untereinander besteht, und daß daher weder die reelle, noch die logn sche Wahrheit, die uns zugänglich wäre, eine andere als die Subjektive sey. Der Critiker untersucht: worin die ob» jcktive Wahrheit, der Beschaffenheit und den Schranken des menschlichen Erkcnntnißvermö- gcns zufolge, bestehen könne, und müsse? Zeigt, daß sie zwar nicht als Uebereinstimmung zwischen Vorstellung und Ding an sich, wohl aber als Uebereinstimmung zwischen Vorstellung und dem vorgestellten Dinge, in wieftrne dasselbe den Gesetzen des Vorstellungsvcrmögcns gemäß vorgestellt ist, sich denken lasse; daß daher die metaphysischen Merkmale eben so O 5 we- 21 8 Gegenwärtiger Zustand Lcr Metaphysik wenig in dcn Dingen an sich als in den Sensationen, sondern im Vorsicllungsver- mögen aufgesucht werden müssen, und daß dieselben ihre objektive Wahrheit theils dem Worstcllungsvcrmögcn, theils der Erfahrung verdanken. Die Resultate, durch welche die kritische Philosophie die Streitigkeiten der Nicht- kritischen (bisherigen) Philosophischen Partheyen über Metaphysik entscheidet, sind die folgenden: Daß die Skeptiker mit Recht behaupten: die Uebereinstimmung zwischen Vorstellung und Ding an sich sey etwas, dessen Er- wcislichkeit der Einrichtung des menschlichen Dvrstcllungsvcrmögen widerspreche, — daß sie aber mit Unrecht behaupten: es ließe sich darum keine objektive Wahrheit denken. Daß die Dogmatiker mit Recht behaupten: daß es eine Wahrheit gel'-e, die keineswegs ii. d. kranSeend. Philosophie überhaupf. 2>9 Wegs in der Uebereinstimmung zwischen bloßen Vorstellungen besiehe, und daher le- diglich subjektiv sey -— daß sie aber mit Unrecht behaupten, diese Uebereinstimmung müsse zwischen Vorstellung und Ding an sich statt finden. Daß die Empiriker mit Recht behaupten : die objektive Wahrheit unsrer Vorstellungen von Gegenständen der Erfahrung lasse sich nicht ohne Sensationen denken, die durch die Beschaffenheit ihrer Gegenstände bestimmt würden, — aber daß sie mit Unrecht behaupten, diese Sensationen (welche nur der Stoff zu den Vorstellungen seyn könne») wären Vorstellungen der Dinge an sich. Daß die Nationalisten mit Recht behaupten: Das Nothwendige und Allgemeine des Lbjcktivwahrcn sey dem Subjekte angcbohren (in wicferne es lediglich im Dorstcllungsvcrmögen gegründet ist) — daß sie aber mit Unrecht behaupten, die im Vorfiel- 220 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik stcllungsvermögen gegründeten Prädikate der vorgestellten Dinge wären die Charaktere der Dinge an sich. Daß die Idealisten mit Recht behaupten: Den Körpern könne der Charakter absoluter Substanzialität unmöglich zukom- mcn — daß sie aber mit Unrecht behaupten: das Wesen der Substanzialität überhaupt bestehe in vorstellender Kraft. Daß die Materialisten mit Recht behaupten: daß die Ausdehnung zum Wesen empirisch - erkennbarer, durch Verstand und Sinnlichkeit verstellbarer, Gegenstände gehöre — daß sie aber mit Unrecht behaupten: diese Ausdehnung käme allen Denkbaren Dingen, und sogar den Dingen an sich zu. Daß die Panth eisten mit Recht behaupten: Es lasse sich nur eine Einzige absolute, nothwendige und unendliche Substanz den- He'd. transcend. Philosophie überhaupt. 221 denken — daß sie aber mit Unrecht behaupten: die vielen, relativen, zufälligen und cndli- chen Objekte ließen sich nur als Accidenzen dieser Einzigen Substanz denken. Daß dieDualisten mit Recht behaupten: Es müssen zwey wesentlich verschiedene Arten von Substanzen, vorstellende und bcwcgliche Geister und Körper gedacht werden — daß sie aber mit Unrecht behaupten: dieser Unterschied betreffe das Wesen der Dinge an sich, und wäre ausser dem Dorstellungsvermögcn gegründet. Daß die Skeptiker mit Recht behaupten: Die Nothwendigkeit und Allgemeinheit der metaphysischen Prädikate wäre nicht in den Dingen an sich — aber daß sie mit Unrecht behaupten: dieselbe wäre in der bloßen Gewohnheit gegründet. Daß die rationalistischen Dogma- tiker mit Recht behaupten: Jene Prädikate könnt 222 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik könnten unmöglich empirischen Ursprungs (aus Eindrücken geschöpft) seyn — daß sie aber mit Unrecht behaupten: dieselben körnn tcn ohne Beziehung auf die empirischen (aus Eindrücken geschöpften) Prädikate, den reellen Gegenständen dcr Erfahrung zukommen. Daß die empirischen Doginatiker mit Recht behaupten: Durch jene Prädikate würden bloße Formen von Vorstellungen ausgedrückt, sobald man von den Sensationen, abstrahln, durch welche sie sich auf die Gegenstände der Erfahrung bezögen — daß sie aber Mit Unrecht behaupten: dieselben wären nichts als logische Merkmale der Achnlich- keit und Verschiedenheit durch Mergle ich ung dcr Sensationen und durch Rai- sonnircn erzeugt. Denn die metaphysischen Prädikate wären weder in bloßen Vorstellungen, noch in den Sensationen, noch in den Dingen an sich, sondern lediglich in dem V o r» u, d. transcend. Philosophie überhaupt. 22Z Vorstellungsvermögcn des Subjektes gc- gründet, wären zwar Formen der Vorstellungen, die sich aber durch die Vorstellungen auf vorgestellte Objekte als solche, beziehen, und die man in die, in der Sin n lieh ke i r, und dem, auf die Sinnlichkeit beschränkten, Verstand, — und in die in der reinen und bloßen Vernunft gegründeten Formen der Vorstellungen unterscheiden müsse —- von denen die Ersterer» sich durch Sensationen auf die äußeren Gegenstände der Erfahrung bezögen — die letzter» aber ihre Beziehung auf ihre über alle Erfahrung erhabene, aber darum nicht weniger reelle Objekte, durch die Freyheit und das Gesetz des Willens erhielten. Die künftige Metaphysik müsse daher keineswegs, wie die bisherige, weder als die Wissenschaft der Dinge überhaupt, e Kritiker, d. h. diejenigen, welche durch die Kritik der reinen Vernunft das, den Logmaticismus und Skepticismus veranlassende Mistverständniß aufgehoben glauben, erfüllen in die Parthey, welche das Geschäft der die Philosophie als Wissenschaft suchenden Vernunft , durch die Kritik völlig vollendet, und in diejenige, welche dieses Geschäft durch die Kritik nur völlig vorbereitet und zunächst eingeleitet halt. In wieferne die erstere Parthey die Vvrstcllangsarc Kants für das uou plus Ultra der phnosophircnden Vernunft ansteht, kann i-e hier nut dem Namen der Kantianer A,i«wa»i «rm. Schritt. W.u. P bezeichn 226 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik bezeichnet werden. Ich unterscheide sie in die Selbstdcnkenden und in die Nachbetenden. Ich darf nur den Ersteren Unter den philosophischen Partheyen eine Stimme einräumen, die sie auch in ihrem ei» zencn Namen führen sollen, nachdem ich vorher der Nachbeter, ihrer Menge wer gen, erwähnt habe. Die philosophircnde Vernunft eines jeden originellen und zugleich systematischen Selbst- denkers berichtiget immer wesentliche Fehler oder Mängcl in den Vorstellungsartcn seiner Vorgänger; und zerbricht dadurch die Fesseln/ durch welche die philosophircnde Vernunft seines Zeitalters gebunden, in ihrem weiteren Fortschreiten aufgehalten war. Allein indem ein solcher Sclbstdenker eine kleine Anzahl mit ihm verwandter Geister in Freyheit setzt, unterjocht er unwillkührlich einen großen Hausen von Halbköpfen, die er an die S chr an- krn seiner Vorsicllungsart/ oder vielmehr der Darstellung derselben, fesselt. Gleich wie Er nur dadurch Nachfolger seiner Vor- U: d. transcend. Philosophie überhaupt, 2L7 Vorgänger ist, daß Er von dem Punkte, auf den sie Ihn gebracht haben, weiter fortrückt: so gehen auch Seine Nachfolger von Ihm aUs vorwärts; wahrend Seine Nachahmer nicht nur hinter Ihm, dem sie zu folgen glauben, sondern auch hinter allen seinen Vorgängern, die sie hinter sich zu haben wähnen, völlig zurückbleiben. Wenn die Kritik der reinen Vernunft vsn der kleinen Anzahl ihrer selbstdenkenden Gegner in soferne mißverstanden wurde, als diese, das was Kant wirklich dachte, in dem, was er sagte, nicht gefunden haben: so ist sie von einer desto größeren Menge gedankenloser Zinhäiig ^ und Verteidiger nicht verstanden, die das was Kant sagt glauben, ohne das was er dabey denkt, zu wissen, Diese machen den Geist der Kri- tik in dem Verhältnisse unkenntlicher, als sitz unS den Buchstaben derselben durch den -Buchstaben zu erklären bemüht sind. Bey Ihren Erörterungen setzen sie das, waS P » am 22Z Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik am meisten der Erörterung bedarf, als bekannt und anerkannt voraus; bedienen sich der Terminologie der Kritik, die nur durch den ganzen Inhalt dieses Werkes ihren völlig bestimmten Sinn erhalt, als einer allgemein- geltenden Sprache um uns mit jenem Inhalt bekannt zu machen; sprechen von formalem Verstand, reiner Anschauung, kon- stitutivem und regulativem Vernunftgebrauch, als von längst ausgemachten Dingen; und beweisen den Gegnern der Kritik, daß dieselbe von ihnen nicht verstanden sey, durch Raisvnnemcnts die kaum den vertrautestenKennern dieses Werkes verständlich seyn können. Vergebens unterscheidet Kant selbst seine Kritik als Propädevtik von der künftigen Wissenschaft. Sie sehen das Gerüste für das Gebäude selbst an, und können sich nicht genug wundern, daß niemand neben ihnen auf demselben wohnen will. Die vorläufigen Begriffe, durch welche die Kritik durchgängig bestimmte vorbereitet, werden u. d. transcend. Phisosophie überhaupt. 229 den von ihnen in der Eigenschaft der letzteren aufgestellt; jede Exposition, durch welche Kant einen Vegrif, vermittelst des Merkmals, dessen Er so eben bedarf, bezeichnet, steht als Definition an der Spitze ihrer angeblich wissenschaftlichen Darstellungen; und jede Bemerkung, durch welche Kant einen Beweis einleitet, ist Ihnen der Beweis selber. Daher wird so oft derselbcSatz,dcr in der Kritik wahr, verständlich und lehrreich ist, so wie er in ihren Schriften erscheint, falsch, unverständlich und verwirrend. Wenn Kant z. B. vvm Willen in Rücksicht auf die zu demselben gehörige Wirksamkeit der Vernunft sagt: er sey Caussalität der Vernunft, so lassen sie das Wesen des Willens und der Freyheit in dieser Caussalität bestehen, erklären den sittlichen oder reinen Willen für bloße Vernunft, und lassen sich dadurch nöthigen den unsittlichen Willen für ein bloßes un frey willig es alle Zurechnung ausschließendes Begehrungsvermögen anzuerkennen. Was Kant nicht erklärt hat, wird P 3 von »zc> Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik bvn den buchstäblichen Kantianern aus der Sphäre des Erklärbaren überhaupt ausgeschlossen, und jeder Begrif, den Er nicht zergliedert hat, eben darum für einfach gehalten. Die Kritik bedient sich z. B. der Worte: Bewußtseyn und Vorstellung ohne Erörterung. Stracks behauptet ein Kantianer, daß jede Erörterung derselben unmöglich pnd überflüssig sey. — Die kleinen Nachlässigkeiten des Ausdruckes und Unbestimmtheiten in der Bezeichnung, die auch in dem kantischm Meisterwerke als einem menschlichen Werke unvermeidlich waren, sind in der Sprache des Kantianers die wiederholtesten hervorragendsten Redensarten, diel.unUn!> Orarionis. Abc-r der schlimmste Dienst, welcher der kritischen Philosophie von ihren unberufenen Aposteln gefristet wurde, ist unstreitig die voreilige und pngefchickte Anwendung ihrer mißverstandenen Grundsätze und Resultate auf Sittenlehre, Rechtslehre, Religionslehre, Gefchmackslchre, Geschichte u. s. w. Die Kritik soll und kann Mv vermittelst her durch sie möglich Zeworde- u. d. tranöcend. Philosophie überhaupt. 2Z I neu, nicht zur Wirklichkeit gebrachten Wissenschaft, (der reinen Philosophie) die Grundbegriffe der übrigen Wissenschaften, berichtigen. Der Kantianer unternimmt diese Berichtigung unmittelbar durch die Kritik selbst, indem er die einstweilige Erörterung, durch welche Kant die künftige Untersuchung über jene Grundbegriffe einleitet, sofort für diese Grundbegriffe selbst ansieht, und sie als solche bey den neuen Grundlegungen gebraucht, durch welche er die Wissenschaften zu refcrmirm mcynt. Die Ungereimtheit dieser Versuche wird nur durch ihre Unverstandlichkeit Übertreffen, durch welche sie freylich eben so unschädlich als unbrauchbar seyn würden, wenn sie nicht so manchen pom Studium der ka »Lisch c u Schriften abschreckten, den sie durch Darstellung des wohlthätigen Einflusses derselben einzuladen unternehmen. Wer wird mit diesem buchstäblichen Kantianer den Freund der kritischen Philosophie verwechseln, der die in der Kritik aufgestellten Principien für die höchsten und letzten alles P 4 Phils- szr Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik philosophischen Wissens hält, und für seine Ueberzeugung Gründe angiebt, durch die er wenigstens sein Stimmrecht unter den bisher» genWorthaltcrn der philosophirenden Vernunft ausser Zweifel setzt? Der selbstdenkeiide Kantianer f spricht) Die Kritik der reinen Vernunft Macht alle Verschiedenheit der Vorstellungsar- tcn in der Metaphysik, und über Metaphysik, für alle künftigen Zeiten unmöglich. Wer sie verstanden hat, dem kaun es nicht im Traume einfallen, die Metaphysik entweder mit einer der dogmatischen Partheyen als Wissenschaft der Dinge an sich zu vertheidigen , oder sie mit den Skeptikern darum zu verwerfen, weil sie nichts als diese Wissenschaft seyn könne. Er weiß, daß die metaphysischen Prädikate der Dinge nichts andres als die im Vorstellungsvermögen a priori gegründeten Merkmale der vorgestellten -Objckte als solcher sind, daß sie also nach ihrer u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 2ZZ ihrer ursprünglichen Beschaffenheit, und Zahl in den reinen Formen der Vorstellungen der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft erschöpft seyn muffen; baß aus Raum und Zeit, und den sich darauf a prlori beziehenden zwölf Categvrien alle metaphysischen Merkmale der physischen, — aus den Formen der Ideen alle metaphysischen Merkmale der moralischen Natur bestehen , von denen die Erstem ihre objektive Rea litat im 2!? i ssen — den äusseren Empfindungen —- die Letztem — im Glauben dem moralischen Gesetze verdanken. Da die Formen der reinen Sinnlichkeit, des reinen Verstandes und der reinen Vernunft das Einzige sind, was in jedem menschlichen Geiste bey allen Verschiedenheiten der Organisationen, Temperamente, Culturen u. s. w. vollkomme n a u f dieselbe weise gegeben, und vorhanden ist: so bedurfte es nur der reinen, weder durch Mangel noch durch Ucberfluß ihrer Merk- P 5 mele ?34 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Male unrichtigen, Begriffe von diesen Formen um c,n denselben und durch dieselben Las cinjigmöglichc A llgcm e ing ült ig e alles menschlichen Wissens zu besitzen, welches in dem Verhältniß wirklich allgemeingel- tend werden muß, als man jene ursprünglichen Formen rein denken, oder, was dasselbe heißt, die Kritik der reinen Vernunft, verstehen lernen wird. Wenn und in wiefexne die Menschen sich untcreinan- der bisher verstanden haben konnten sie sich nur durch die Identität jener in ihrem Vorstcllungsvermögcu gemeinschaftlich vorhandenen Formen verstehen. In wicferne sie alle an diese Formen als an die Naturgesetze ihres Geistes gebunden vorstellten und darstellten; in soferne war ihre Vernunft als bloße natürliche Vernunft wirksam, und in soferne haben sie sich von jeher, und immer verstanden. So sehr auch die Philoso- phen in ihren künstlichen Vorstellungsarten sich von einander selbst, und von der natürlichen Vernunft entfernten: so einhellig u. d. krause end. Philosophie überhaupt. 3ZZ heilig so wohl unter sich selbst, als auch mit den Nichtphilvsophen, bedienten sie sich, ohne e6 selbst za wissen und zu wollen, des Raums und der Zeit und der zwölf Ca- leg orien , in wieserne sie m ihren Urtheilen, Thun und Lassen durch ihre physischen Bedürfnisse — und der Formen der Ideen — in wieserne sie durch das moralische Gefühl genöthigt waren, sich bey der Unzulänglichkeit ihrer metaphysischen Principien durch Erfahrung und Gewissen zu vrienr Liren. Allein eben darum, weil jene Formen des Vorstellens die absoluten letzten Principien sind, die dem Inhalt aller Ueberzeugungen s xriori zum Grunde liegen: konnten sie auch nur durch eine völlig gelungene Zergliederung der durch sie ursprünglich begründeten natürlichen Ueberzeugungen entdeckt, das heißt zu Gegenständen eines besondern und klaren Bewußtseyns erhoben, und in der Eigenschaft her letzten Principien anerkannt werden. So 236 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik So oft und so lange man beym Zergliedern der natürlichen, und zwar meistens durch mißlungene Spekulation mehr oder weniger ver künstelten Ueberzeugungen (beym analytischen Fortschreiten der philosophircndcn Vernunft) zu Begriffen gelangte, die man nicht weiter zergliedern zu können wähnte, und daher für die letzten Elemente der Erkenntniß ansah: so oft und so lange entfernte man sich von den wirklichen und wahren Principien, und verfehlte sie in dem Verhältnisse mehr, je mehr man sich durch die angciiommncn »»rächten Principien bey der Zergliederung anderer Begriffe leiten ließ. So lange die reine Form der physischen und moralischen Erkenntnißart nicht gefunden war: so lange mußten auch die Begriffe axriorl mehr oder weniger unrichtig gedacht und der Unterschied und Zusammenhang zwischen denselben und den empirischen Begriffen verkannt werden. Daher kam es, das die objektive Realität dem reinen Begriffe durch den Empirismus, den Empirischen durch den u. d. transcend.Philosophie überhaupt. 2Z7 dc» Rationalismus — und beyden durch den Skepticismus abgesprochen wurde, und so lange abgesprochen werden mußte: bis der Kritik ismus, durch die Entdeckung der reinen Erkenntnißform, das eigentliche Verhältniß zwischen dem Reinen und den Empirischen in der menschlichen Erkenntniß festsetzte, und dadurch das Mißver- ständniß des Dogmaticiömus uud Skepticismus endigte. Dieses Mißverständniß, eine bloße Folge unbestimmter und unentwickelter, aber für bestimmt und entwickelt gehaltener, Grundbegriffe, kann nun nicht wieder kommen: da die Bestimmung und Entwicklung derselben durch die Kritik vollendet ist. Gleich wie die reinen Formen der Vorstellungen die h ö ch- sien Gesetze sind, an welche das Vorstel- lungsvermvgen durch seine Natur gebunden ist; und von denen sich nach keinen wettern Gründen fragen laßt: so sind auch die völlig entwickelten und bestimmten Begriffe von jenen Formen, die wahren letzten Grundbegriffe 2 Z3 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik begriffe und Principien allcrreinen Philosophie, die eben darum keine weitere Ente Wickelung und Bestimmung weder zulassen noch bedürfen. Der Freund der kriti, schcn Philosophie, welcher die Former, der Von stcllungcn von noch höheren Gesetzen abzuleiten, und über die komischen Begriffe von denselben hinauszugehen versucht, beweiset dadurch, daß er den Geist der Kritik nicht viel besser gefaßt hat, als die Gegner dieser Philosophie, die sich bis zu jenen Begriffen nicht zu erheben vermochten. Durch die in der Kritik vollendete Granzscheidung zwischen dem Transcendentalen und dem Empirischen der menschlichen Erkenntniß, und durch die nicht weniger vollendete Ableitung des Ersteren aus dem reinen Vorstellungsvcr- mvgrn, ist es auf immer ausgemacht, daß und in wirferne absvlutletzte Gründe des menschlichen Wissens und Handelns gege, Len und erkennbar sind; — ausgemacht, daß und warum diese Gründe nicht ausser u. d. kraNscend. Philosophie überhaupt. 2ZY dem Vorstellungsvermögeii in den sogenannten Dingen an sich, und eben so wenig in der Erfa hru ug zu suchen und zu finden sind, daß sie aber wirklich in dem, aller Erfahrung im Subjekte zum Grunde liegenden, Vermögen gegeben, und, durch die Begriffe von den Formen desselben, erkennbar sind. Es ist daher entschieden, daß die philosophi- rcnde Vernunft endlich durch Kant gefunden hat/ was sie vsm Anbeginn ihres Forschcns voraussetzte, und suchte, die absolutletzten Gründe, so weit diese gegeben und erkennbar sind. Ihr weiteres Forschen kann von nun aN allein das Gebiet der Erfahrung und die in demselben gegebenen empirischen Beschaffenheiten und Begebenheiten, folglich nur solche Gründe betreffen, die selbst nur als Folgen empirischer Gründe niemals absolutlctzte seyn können, und ein Fortschreiten der Untersuchung ins Unendliche möglich und nothwendig machem Eben dadurch, daß die Kritik das Ziel alles Zsrkschreitens in der reinen Phils- 240 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Philosophie erreicht hat, hat sie jeden durch den sie verstanden ist, in den Stand gesetzt am Leitfaden der absoluten Principien in der empirischen Philosophie gewissere und größere Fortschritte zu thun. Die Thatsache, daß die in den reinen Formen der Vorstellungen bestehenden P r i n- cipien der Transcendenralphilosophie von so vielen und zum Theil sehr berühmten Gegner n der Kritischen Philosophie so sehr und so vielfältig mißverstanden worden sind, hat manchen Freund derselben zu glauben veranlaßt, daß die Dedukti 0 nen, welche die Knrik der reinen Vernunft von diesen Formen aufgestellt hat, manches voraussetzten, was zwar an sich wahr, aber noch lange nicht ausgemacht sey; daß dieselben daher einer Begründung durch höhere und allgemeinere Principien, die erst nach der Kritik gesucht und gefunden werden konnten, bedürften. Allein diese Männer scheinen nicht bedacht zu haben, daß die reinen Formen der Vorstellungen, sobald sie einmal entdeckt sind, eben daru m, weil u. d. tranScenb. Philosophie überhaupt. 241 weil sie die Grundgesetze des Vorstellungsver- mögenö ausmachen, durch sich selbst einleuchten , den Gründ ihrer Wahrheit und Verständlichkeit ill sich selber cuthalten, und keiner weiteren Erörterung weder fähig noch bedürftig sind. Ihr wirkliches Entdccktscyn ist zugleich der vollgültigste Beweis, daß auch bis Deduktionen, durch welche sie entdeckt sind, die einzig möglichen, folglich auch die Wahren, seyn müssen, Jede Dunkelheit / die etwa durch Mangel oder Fehler des Ausdrucks in ihnen zurückgeblieben ist, kann und soll durch hie klaren und reinen Grundbegriffe von Raum Und Zeit/ von den Categorien, und deri keinen Ideen formen, vermittelst eines reiferen Nachdenkens/ aufgehoben werden. Die Hauptursache, der bisherigen Unver- siandlichkrit der Kritik liegt ganz ausser derselben, iN den empirischen, rationalistischen, skeptischen Grund begriffen, welche in den Köpfen der meisten, und zwar gerade der jni Bhilvsophiren geübtesten, Leser durch alte Gewohnheit eingewurzelt, von ihnen unvermerkt AMwcht Uttn» Schrift. Tb- u. stL der 242 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik der Beurtheilung jenes Meisterwerkes zum Grunde gelegt, und theils den Ausdrücken Kants untergeschoben, theils seinen Begriffen entgegengestellt werden. Da» her die häufigen Widerlegungen dessen, was die Kritik nie behauptet hat, das Bestreiken ihrer Behauptungen durch dieselben Gründe, gegen welche jene Behauptungen gerichtet sind, das Beweisen aus Principien, welche durch den ganzen Inhalt des Werkes bestricken wer» den. Die meisten und bedeutendsten Gegner der Kritischen Philosophie sind Philosophen von Profession, welche längst vor der Erscheinung der Kritik an Systemen gearbeitet haben, die durch dieselbe angefochten sind, viel» jährige Lehrer und Schriftsteller, bey denen ihre durch mühsames Nachdenken errungenen, und durch Uebung und glückliche Erfolge, befestigten Vorstcllungsarte» zur zweyten Natur ihres Vorstcllungsvermegcns geworden sind, und eben darum entweder gar nicht, oder wenigstens nicht durch Nachdenken über entgegengesetzte Principien allein, sondern auch nur u. v» kränScenv. Philosophie überhaupt» 24z Nnr wieder durch Uebung und Erfolg, abgelegt werden können» Wer diese Männer, zumal Nachdem sie einmal öffentlich als Gegner aufgetreten sind, durch Erläuterungen und Wider- lcgungcn zu bekehren Host, der versieht sich auf die empirische Scclcnlehrc noch weniger als auf die transcendentale, und ist kaum ein Ansän, ger in der Menschenkenntniß» In wieferne daS An sehen, Und die Beredsamkeit jener berühmten Männer Mant chcn fähigen Jüngling vom Studium der kriti- scheu Philosophie abschrecken muß; in wiefernt die Verbreitung und Anwendung dieser Philosophie vorzüglich von der itzt angehenden Generation zu erwarten isi; in wieferne endlich durch die Angriffe auf die neue Vorsiellungs- art die alten und herrschenden Vorurtheile erhalten und fortgepflanzt werden — in ssferne können Und sollen jene Angriffe freylich nicht unbeantwortet bleiben» Allein diese Beantwortungen werden nothwendig Ncut Mißverständnisse hervorbringen müssen; so lange sie von Voraussetzungen ausgehen, die von den Q s Gegnern 244 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Gegnern mißverstanden sind. Die Kritik der reinen Vernunft hak das Eigenthümliche, daß sie nicht widerlegt werden kann, ohne den Wir dcrlcgcr in Widerspruch mit sich selbst zu setzen. Er hat es mit den Naturgesetzen des Borst ellüngsvcrmögens zu thun, d. h. mit denjenigen Principien, nach d« iren Er selbst zu Werke geht, indem er die von ihm mißverstandenen Formeln derselben an« greift. Es muß sich also zeigen lassen, daß Er die Kritik durch etwas bestreiket, was Er selbst für falsch, — und daß Er an ihr dasje« lüge bestreiket, was Er selbst für wahr halt. Freylich kann dieses eher jedem Andern als Ihm selbst einleuchtend gemacht werden. Allein sowohl sein Angriff, als die Wider!« gung desselben, sind auch mehr für Andere, als für ihn selbst, bestimmt. Die Veränderung, welche durch die Kritik in der M era p h y sik bewirkt werden soll, laßt sich nicht als Verbesserung, sondern nur als gänzliche Umschaffung dieser Wif» senschaft denken, Durch sie wi»d der Haupt- begriff u. d. krankend. Philosophie überhaupt. 2.ss begriff aller bisherigen Metaphysik, derBe- griff des Dinges an sich, als sich selbst widersprechend ausgehvbcn, der ganzen Wissenschaft ein völlig andres Objekt angewiesen, ein neuer Grundbegriff untergelegt, und aus demselben lauter Resultate, die den vorigen gerade entgegengesetzt sind, gezogen. Die kriti- tische Philosophie kaun weder mit dem Empirismus noch mit dem Rationalismus, noch mir dem Skepticismus über die Annchinung der »legen Grund- und Lehrsätze dingen und feilschen. Ei? muß alle jene Vvrstelluugsanen durch die Ihrige verdrängen. Sie kann die Deduktionen der Formen der Vorstellungen an keinen der bisherigen Grundbegriffe anknüpfen, weil sie alle für unrichtig erkennt, und erklärt. Wer kaun sie daher tadeln, daß sie selbst von nichts Ausgemachten ausgeht, daß sie Voraussetzungen zum Grunde legt, die ihr weder von dem Empiriker noch von dem Rationalisten, noch von dein Skeptiker zugegeben werden können? Ware sie anders zu Werke gegangen: so hatte sie in ihren Prämissen Q 3 behaupr Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik behaupten müssen, was durch ihre Resultate gclaugnec werden sollte. Die Satze, auf welche die Kritik baut, konnten und sollten keineswegs für die, in ihren Repräsentanten mit sich selbst uneinige, philosophircnd? Vernunft, aber müssen desto mehr für die natürliche, oder den gemeinen gesunden Verstand ausgemacht seyn. Wessen natürliche Vernunft durch die Künste- seyen der bisherigen Metaphysik zu sehr ver- künstelt ist, als daß sie die Sätze, auf welche Kant seine Deduktionen gründet, verstehen und wahr finden kynnte, der ist für die Kritische Philosophie aus immer verloren. Seine Einwendungen können nimmermehr zu feiner Befriedigung beantwortet werden, Er wird auch bey der geschicktesten und glimpflichsten Zurechtweisung klagen müssen, daß man ihn mißverstanden habe, oder mißdeuten wolle. Jede Revolution muß nothwendig Unzufriedene machen; und die Kritik wirkt entweder gar nichts, oder die gänzlichste und unaufhaltsamste Revolution — die je im mensch- sichert u. d. lranscend. Philosophie überhaupt. 247 lichtn Geiste statt gefunden hat. An eines Reformation würden alle Philosophen von Profession, die dieses Namens würdig sind, Theil nehmen können; indem jeder seinen Grundbegriff nur zu verbessern hätte. Zu der Revolution, von der hier die Rede ist, können nur diejenigen mitwirken, die ihre vorigen Grundbegriffe ganz aufzugeben vermögen, Eine Reformation der Metaphysik würde allmahlig und nur durch mehrere Mitarbeiter zu Stande kommen müssen, Aber die kantische Umschaffung der Metaphysik ist für alle diejenigen, welche die Kritik verstanden haben, auf einmal, nnddurchKant allein völlig vollendet vorhanden — oder sie laßt alles, wie es vorhin war. Die xhilosophirende Vernunft nimmt in der kritischen Philosophie einen ganz neuen Gang ihrer Nachforschungen. Sie steigt nicht mehr zu höheren Principien hinauf, sondern von den höchsten herunter; sie sucht nicht mehr das Absolutlctzte: sondern geht von dem Gefundenen aus. Das Letzte in der Spekulation wird für sie das Q 4 Erste ?48 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Erste in der Wissenschaft/ und das Streifigste unter ihren bisherigen Repräsentanten wird für die künftigen das Ausgemachteste. Wer den unaufhaltsamen Gang dieser Ncvolu» ficn zu hindern oder zu leiten unternimmt, kann aufs höchste nur die Verbreitung ihres wohlthätigen Einflusses erschweren; aber er wird an der ausbleiblichen neuen Gestalt alles menschlichen Wissens keine Spur seiner Wirkt sqmfeit zurücklassen. Zwölfter Abschnitt. Dep Anhänger der Elemcntarphilosyphie (spricht) Allerdings mußte dasjenige, was die Kritik der reinen Vernunft allen ihren Erörter rungcn und Beweisen zum Grunde legte, nicht pur aus un erörterten und undewieset Nen, sondern auch aus solchen Sätzen bestehen, welche allem was die bisherige Mit losophie, in jeder ihrer Vorstellungsarten, theils als ausgemacht voraussetzte, theils ausgemacht u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 2 /jy gemacht zu haben dafür hielt, widerspre: ch e», Nichts von Allem, was die Kritik als ausgemacht annimmt, ist für den Skeptiker, den Empiriker, den Rationalisten ausgemacht, und eben die wichtigsten unter den von ihr, ohne Erörterung und Beweis, aiifgestest, ten Behauptungen, können von keiner dieser Sekten verstanden, und wahr befunden werden^ Wenn auch der Rationalist der Kritik zuzieht: „daß es wirkliche Erkenntnisse a gebe" — der Empiriker.- „daß dje Gegenstände nur durch das Afficirtseyn des Gemüthes gegeben werden" — der Skeptiker: „daß der Gegenstand der Anschauung Erscheinung und die Materie der Erscheinung Empfin düng sey; st — so nimmt er diese Behauptungen aus bloßem Mißverstand , und iu einem ganz anderen Sinne an, a!s in welchem sie durch die Kritik aufgestellt sind, Aber eben darum glaubt jeder auch die Lehre seiner Gegenparthey nicht weniges ausdrücklich neben der Genügen in anderes Sollen der Kritik gefunden zu haben, unh O. 5 Mstchk 2ZO Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik macht sich zum Beweise fertig, daß Kant in den Voraussetzungen, von denen ev aus» gehe, durchgängig sich selbst widerspreche. In welchem weder skeptischen noch dogmar tischen, weder empirischen noch rationalistischen Sinne, die unerörtertcn und uncrwicsenen Voraussetzungen der Kritik genommen werden müssen, läßt sich nur .rrcnhen. Nur durch eine oft wiederholte Lesung des ganzen Werkes und durch sorgfältige Verglei- chung jener Behauptungen untereinander, wobey man sein Unheil über die scheinbaren Wi- dcrsprüche zwischen ihnen sorgfältig zurüchge- halten haben muß, — laßt sich endlich die Bedeutung herausbringen, in welcher sie sich unter einander vertragen, und gegenseitig unterstützen. Freylich! wenn man sich einmal bis zum richtigen Denken der Begriffe von Raum und Zeit, den Categvrien und den Formen der Ideen hindurchgearbeitet hat; (die, so bald sie einmal richtig gedacht sind, unmittelbar durch sich selbst einleuchten) dann wird der ganze Weg, auf welchem man zu ihnen gelangt y. d. transccnd. Philosophie überhaupt. 2;l gelangt ist, durch ihr auf ihn zurückgeworfenes Licht so sehr aufgehellet, der Sinn der von Kant als ausgemacht angenommenen Satze so sehr gegen alles Mißverständniß gesichert, pnd über allen Zweifel erhoben, daß man Mühe hat zu begreifen, wie man jene Sätze habe mißverstehen odee bezweifeln können, und daß man sie nicht nur völlig wahr, sondern auch ausgemacht findet. Allein der Lehrer und Verbreiter der Kritikder rcincn Vernnnft würde sich selbst zum Nachtheil seiner Leser und Zuhörer sehr täuschen, wenn er vergäße oder nicht wüßte, daß Er das Verstehen und Aus- gemachtfindcn der unerörterten und uncrwrese« neu kantischcn Fundamcntalsätze seinem richtigen Denken der Formen der Vorstellungen zu verdanken habe, zu dem er nur durch daS Errathen des Sinnes jener Fundamcntalsätze gelangt ist. Die Mühe, welche dieses Errathen kostet, ist in dem Verhältnisse größer, je länger und je scharfsinniger der Leser der Kritik vor seiner Bekanntschaft nnjt diesem Merke philosophier, UNd Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik und je weiter er es in der Begründung und Vollendung feines eigenen Systemes gebracht hat. Das Gelingen dieser Mühe hängt auch selbst bey dem angestrengtesten und gewissenhaftesten Studium, bey noch so ausgebreiteten und gründlichen Vorkcnntnissc», und bey dem entschiedensten Philosophischen Geiste, noch immer — bom Zufalle ab — solange die phi- losophirende Vernunft über ein höchstes Prin- klp ihres Wissens mit sich selbst nicht einig ist. Unvermeidlich waren daher, und sind noch immer, die Versuche sclbstdcnkender Freunde der kritischen Philosophie, die Behauptungen, von denen die Cririk ausgeht, auf welche sie alle ihre neuen Entdeckungen gründet, und in denen sie am meisten mißverstanden wird, — qyf wenigere, einfachere, und verständlichere Satze zurückzuführen, und hstse der Aufstellung und Entwicklung der Begriffe von der Beschaffenheit der transcendcns fglcn Grundvermögen des menschlichen Geistes »M Emide zu legen. Wer sich einmal durch die u. d. kranscenv. Philosophie überhaupt. 2 5Z die glücklich errathenen Voraussetzungen der Cririk in den Besitz der richtig gedachten Formen der Vorstellungen gesetzt hat, und ebett durch dikfti! Vlsitz völlig versteht/ was er vormals nur errieth: der kann und soll das Genie i n sch a f t I i ch e, sowohl als das Eigenthümliche, jener verschiedenen Voraussetzn», gen ausfindig machen, und durch dasselbe ihren Cmn in einer Darstellung angeben, durch welche die Begründüng der kritischer Philosophie gegeir die Mißdeutungen der bisherigen Partheyen mehr gesichert werden karch, als dieses durch die Kritik selbst möglich war> Freylich würden auch die auf diesem Wege gefundenen neue» Prämissen ihreVersiänv- lichkeit für seine Lcftr immer nur den Formen der Vorstellungen, als den Naturgesetzen alles Verstchens, verdanken müssen. Aber sie würden die reinen Best r > j s c dieser Formen nur in soferne voraus, setzen als sie ohne dieselben nicht hätten e u t-, deckt und ausgestellt werden können- Sie würden ohne diese Begriffe b«p, st ä n d- S54 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik stündlich seyn, und zu einfacheren UNd faßlicheren Deduktionen derselben gebraucht werden könncm Der bloße Raum und die bloße Zeit, die Catcgvrien, und die Formen der Ideen haben das Gemeinschaftliche, daß sie die transcendentalen d. hr im Subjekte der Möglichkeit der Erfahrung zum Grunde liegenden Formen der Borst e l l» n g e n sindr Sie werden in diesem ihrem gemeinschaftlichen Charakter nm so leichter verstanden und wahr befunden, wenn die Abhandlung über ihre Eigenthümlichkeiten, als Formen der sinnlechcn Vorstellungen (die transcendentale Aesthetik), als Fokin e n der Staminbegriffe des Verstandes (die transcendentale Analytik) und als For- men der Stammideen der Vernunft (die transcendentale Dialektik) durch dicFcsi? setzung undE'.rtwicllung des Begriffes von Vorstellung überhaupt e ingereil er wird» Da der Charakter der Vorstellung überhaupt das gemeinschaftliche Merkmal der A d. tränkend. Philosophie überhaupt. 2;; der Empfindung, derAnfchauu n g, des Begriffes und der Idee enthält: so müssen nothwendig mit demselben, und durch denselben, in wicferiie er unrichtig gedacht ist, auch die Begriffe von allen jenen Arten der Vorstellung unrichtig gedacht werden^ Die Kritik hat aber nicht nur den Begriff der Vorstellung gänzlich unbestimmt gclqsscn, sondern sie geht auch von lauter Unterscheidungen der Empfindung von der Anschauung, beyder von dem Verstände s- bcg risse, und dieser dreyen von der Idee aus, deren bestimmter Sinn, wenn nicht der richtige Begriff von Vorstellung wenigstens stillschweigend vorausgesetzt wird, nimmermehr verstanden, und wahr befunden werden kann. Daß derBegriffvon derVsrstellung imCmpirismus, Rati 0 nalismu 6 und Skepticismus unter ganz entgegengesetzte» Charakteren, von denen nur Einer, oder gar Keiner, der Wahre seyn kann, gedacht werde, ist wohl keinem Zweifel unterworfen. Die Vor- 256 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Vorstellung ist dem Empiriker etwas, entweder durch Sensation oder durch Reflexion Gegebenes, und in sofern« ein bloßer leidender Zustand des Gemüthes — dem Rationalisten etwas durch die G N b- stanz der Seele Hervorgebrachtes, und in svfcrnc ein Zustand der bloßen Thätigkeit — dem Skeptiker/ theils Im- pressisn, zu der das Gemüth, man kann Nicht wissen, wie? gelangt, theils Cvpie derselben — dem Materialisten eine be- svndere Aeußerung der menschlichen Orga« stisaiistt — dem Idealisten Alles rvas in dek Seele vorgeht« Alle diese Sekten kommen dem bestimmten Begriffe von dem, worin die Vorstellung besteht, durch ihre streitigen und verschiedentlich bestimmten Be» griffe von dem, woraus die Vorstellung entsteht, zuvor, und legen dieses letztere in ihre Unbestimmten und leeren Begriffe von der Vorstellung überhaupt hinein. Sie Me nwdificwen diesen Begriff erst nach ihren Atzstenmr, und durch ihre Systeme; uns denken u. d. transccnd. Philosophie überhaupt. 257 denke» sich denselben willkührlich unter denjenigen Bestimmungen, unter welchen er sich mit ihren einander entgegengesetzten Thcvricen verträgt. Alles, was die Kritik über den Unterschied zwischen dem Transcendentalen und dem Empirischen der Erkenntniß, und zwischen den verschiedenen Arten der Vorstellungen lehrt, führt, sobald es einmal wohl verstanden ist, zudem richtigen Begriff der Vorstellung überhaupt, der dabey undeutlich vorausgesetzt ist. Eben darum muß die Festsetzung und Verdeutlichung dieses Begriffes auch wieder, theils unmittelbar zu einigen Hauprlchren der Kritik, theils zur leichteren Verständlichkeit der übrigen führen. Allein er muß zu diesem Behufe vor den Theorien der verschiedenen Arten der Vorstellung, und unabhängig von denselben aufgestellt werden. Die Vorstellung kömmt ursprünglich nur im Bewußtseyn, und durchs Bewußtseyn vor. Dieses ist in softrne Answichl virm. Schrift. Th. N. U hjK 2 z8 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik die Quelle (nicht der Vorstellung selbst), sonder» des richtigen ursprünglichen Begriff f c 6 von derselben. In rvicfcrne das Bewußt» seyn derjenige Zustand des Gemüthes ist, der zu jeder Erkenntniß, Einsicht und Ueberzeugung zunächst vorausgesetzt wird, und Bedingung, und Bestandtheil von ihnen allen ausmacht, in soferne ist es unter den Ueber» zeugungey, welche Thatsachen, und uns tcr den Thatsachen, welche Ueberzeugungen sind, die Erste und allgemein» stc. Die reine Philosophie mag es versuchen, die Möglichkeit des Bewußtseyns überhaupt aus höher« Principien abzuleiten, und zu den Bedingungen hinaufzusteigen, aus welchen sich die Thatsache des Bewußtseyns begreifen läßt. Aber sie selbst setzt den Begriff des Bewußtseyns als einer Thatsache, welche sie zu erklären unternimmt, als sch v n vorhanden voraus; und zwar nicht was immer für eine», sondern den gesunden und bestimmten Begriff von dieser Thatsache. Nimmermehr wird die reine Philo» u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 2ZY Philosophie die bestimmte Möglichkeit des Bewußtseyns aufstellen können, bevor ihr nicht die bestimmte Wirklichkeit desseb den, in einem von ihr selbst unabhängigen De-^. griffe gegeben ist. Die Begriffe des Selbstbew ußtseyns, sowohl des reinen als des empirischen, und des Bewußtseyns bloßerObjekte setzen den BegriffdcsBewußtseyns überhaupt voraus, wenn sie sowohl in ihrem Zusammenhang als in ihrem Unterschiede richtig gedacht werden solle». Der Begriff des Bewußtseyns überhaupt ist nur in soferne einfach, als seine Bestandtheile sich untereinander gegenseitig voraussetzen, keiner für sich allein verständlich ist, und keiner von ihnen eine weitere Zergliederung zuläßt. (In dem zusammengesetzten Begriffe: Mensch, ist das Merkmal sowohl der Lhierheit als der Ver- nünftigkeit, jedes für sich, verständlich, und jedes einer weiteren Zergliederung fähig. R 2 Daher 26o Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Daher auch bey zusammengesetzten Begriffen Definitionen möglich und nothwendig sind; wahrend der c i u fa ch e Begriff nur der E x p vr sition oder Erörterung seines Inhalts, bedarf. ) Im Begriffe des B ewuß tseyns übe r- hauvt wird gedacht i) Etwas, das sich bewußt ist — Subjekt des Bewußtseyns — 2) Etwas, dessen sich jenes bewußt ist — Objekt des Bewußtseyns — 3) Etwas, w or durch es sich desselben bewußt ist die Vorstellung. Daher ist die Vorstellung, ihrem ursprünglichen Begriffe nach, dasjenige wodurch das Subjekt sich eines Objektes bewußt ist, und was daher im Bewußtseyn von Subjekt und Objekt verschieden ist, aber sich auf beydes bezicht. Das Objekt ist das Vorgestellte, in wicftrne die Vorstellung sich darauf bezieht; ohne diese Beziehung ist es kein Objekt eines möglichen Bewußtseyns. In wicftrne also unter Ding ü. d. krankend. Philosophie überhaupt. 26l Ding an sich das Objekt ohne Beziehung der Vorstellung auf dasselbe gedacht würde, müßte es ein nichtvorstellbarcs Ding —. folglich ein Objekt seyn das kein Objekt ist. Dasjenige an der Vorstellung, was sich in ihr und wodurch sie sich auf s Objekt bezieht, heißt ihr Stoff— dasjenige, was sich in ihr und wodurch sie sich aufs Subjekt bezicht, heißt ihre Form. In wicferne die Vorstellung i m Subjekte, und durch das Subjekt, entsieht, in so- ferne ist der Stoff dem Subjekte gegeben, und die Form durchs Subjekt hervorgebracht; und die Möglichkeit der Vorstellung überhaupt setzt in sofcrne im Subjekte Rcceptivität und Spontaneität voraus. Die Vorstellung überhaupt wird also wcdcv gegeben, noch hervorgebracht, sonders durch Rcceptivität und Spontaneität des Subjektes erzeugt. (Die Empiriker ließen sie gegeben — die Rationalisten — her- R Z vor- s6r Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik vorgebracht, dieSkeptiker—EineArt der Vorstellung gegeben und die Andere aus dieser hervorgebracht seyn.) Dasjenige Bewußtseyn, welches das Sub» jekt zugleich zum Objekte hat, heißt das Sckbst- bewußtscyn, und ist nur in sofcrne möglich, als das Subjekt sich selber vorstellen, und sich daher zugleich als Vorstellendes und Vorgestelltes verhalten kann; in dieser Eigenschaft heißtdasSubjekt das vorstellende Selbst. Das Selbstbewußtseyn ist entweder empirisch oder rein (transcendental), in wiefern« sich das Subjekt entweder in seinem Zusammenhang mir dem Leibe oder in seinem Unterschiede von demselben bewußt ist. Beyde Arten des Selbstbewußtseyns setzen einander voraus, und sind in soferne von einander unzertrennlich; das Subjekt ist nur in seinem Zusammenhang mit — und Unterschied — von dem Leibe — Seele. Das Bewußtscyn des bloßen Objektes ist dasjenige, welches ein vomCubjekte sowohl u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 26z sowohl als öon aller Vorstellung verschiedenes Objekt hat; und ist ebenfalls entweder empirisch oder rein, je nachdem es entweder lediglich im Subjekte des reinen, oder des empirischen Selbstbewußtseyns gegründet ist. Das reine Bewußtseyn des Objektes sann sich zwar nicht auf das Subjekt als Subjekt — aber muß sich, in wicferne eS im reinen Selbst gegründet ist, auf etwas demselben als solchen Eigenthümliches beziehen, während das empirische Bewußtseyn des Objektes sich lediglich auf etwas dem Selbste nur durch seine Verbindung mit dem Leibe «»gehöriges beziehen kann. Das Dvrsiellungsvermögen selbst ist entweder rein oder empirisch, je nachdem es im reinen oder im empirischen Selbst gegründet ist. Sinnlich Heißt die Vorstellung, die durch einen dem empirischen Subjekte gegebenen Stoff entsteht, und in soserne (so wie die R 4 Sinn» 264 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Sinnlichkeit selbst) im reinen Subjekte nur durch die Verbindung desselben mit etwas ausser ihm befindlichen — mit dem Leibe — denkbar ist. Die Sinnlichkeit heißt die Reine, in wicfcnie sie in dem Verhältnisse des reinen Subjektes zum Leibe; die Empirische, in wieferne sie im Verhältnisse des Leibes zum reinen Subjekte gegründet ist. Die letztere ist das Vermögen des empirischen Subjektes vermittelst der fünf sinnlichen Werkzeuge afficirt zu werden — die Reine ist das Vermögen durch afficirkwcrden überhaupt zu Vorstellungen zu gelangen. Die letztere wird zur Möglichkeit der Vorstellung des Leibes, und vermittelst des Leibes, imrcinen Subjekte vorausgesetzt, und ist in soferne von der Empirischen unabhängig; ungeachtet sie sich im reinen Subjekte nur in Beziehung auf etwas von demselben wesentlich verschiedenes als Bedingung der Möglichkeit, dasselbe als etwas Husseres hyrzustellen, denken laßt. Alles, u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 2Ü; Alles, was sich das Subjekt ausser sich selber vorstellt, stellt es sich im Raume, und alles was es von aussen gegeben in sich aufnimmt, stellt es sich, in wieferne es dasselbe in sich aufnimmt, in der Zeit vor. Das Subjekt stellt sich den Leib nur in softrne ausser sich vor, als es denselben als einen Theil des Raumes erfüllend vorstellt, und es stellt sich sein eigenes empirisches Wirren und Leiden nur als erfüllte Zeit als Veränderung in ihm selbst vor. Die Receptivität der reinen Sinnlichkeit besteht in dem Vermögen durch ein Mannigfaltiges unter der Form des Aussereiuauder- feyns afsicirt zu werden, und die Spontaneität derselben in dem Vermögen in dieses Mannigfaltige Einheit zu bringen — (die Cow tinuität zu erzeugen). Die reine Form der sinnlichen Vorstellung überhaupt besteht in der Einheit des aussercin- ander befindlichen Mannigfaltigen. Die Form der Vorstellung des äusseren Sinnes in der R Z Einheit 266 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Einheit der im aussereinanberseyn bestehenden Form des Mannigfaltigen, in wiefern es von aussen her gegeben ist — Continuität nach allen drey Dimensionen, bloßer Raum. Die Form der Vorstellung des inneren Sinnes — in der Einheit der im aussercinanderseyn bestehenden Form des Mannigfaltigen, in wieferne es durch das Auffassen desselben dem Subjekte gegeben ist, successive Eoptinuis tät, bloße Zeit. — Die ursprünglich aus schon vorhandenen sinnlichen Vorstellungen durch die Thätigkeit des Subjektes erzeugte Vorstellung heißt der Dcrstandesbegriff. Sein Stoff ist das durch Sinnlichkeit bereits vorgestellte Mannigfaltige, und seine Form die Einheit desselben, welche als Einheit des Vorgestellten, die Objektive Einheit heißt. Die sinnliche Vorstellung, als solche, hat zwar ein Objekt, aber dasselbe wird im Bewußtseyn nicht als Objekt vorgestellt. Denn bezogen auf ihr Objekt (als Anschauung) wird u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 267 wird sie im Bewußtseyn keineswegs von dem» selben unterschieden. Daher auch durch sie allein, und ohne das Hinzukommen des Bc» griffs keine Erkenntniß, oder Bewußtseyn des Objektes, als solchen, möglich ist. Der Verstand ist das Vermögen des Subjektes sich bloßer Objekte als solcher bewußt zu werde». In wieferne unter Objekt die durch Verknüpfung des vorgestellten Mannigfaltigen hervorgebrachte Einheit gedacht wird, in soscrne setzt der Verstand selbst, durch die allgemeine Form seiner Vorstellung, die Objekte. Allein er setzt sie nur durch Verknüpfung schon vorhandener Vorstellungen, und zwar solcher, zu denen der Stoff dem Subjekte — von aussen her gegeben seyn muß, und hängt in soferne selbst in Rücksicht auf die bloße Möglichkeit ein Objekt als ausser dem Subjekte befindlich vorzustellen, von der Sinnlichkeit ab. Daher auch die ihm eigenthümlichen besondern Verknüpfungsarten, die in ihm selbst gegründeten Modifikationen der objektiven Ein- 2ÜZ Gegenwärtiger Zustand der Mekaphystk hcit, die Categoricn — nur durch die reine Sinnlichkeit, und durch die (in den Schcmaten, d. h. auf Ra um und Zeit bezogenen Categvrien —) vermittelte Beziehung auf den empirischen Zustand des Subjektes — objektive Realität haben, und haben können. Die durch Verknüpfung der Verstau» desbcgriffe erzeugte Vorstellung heißt Idee, und das Vermögen des Subjektes Ideen zu erzeugen — Dern u n f t. Der unmittelbare Stoff der Ideen besteht aus dem Mannigfaltigen, das in der Form des Verstandes und durch dieselbe gegeben, und daher sowohl von dem Mannig« faltigen in der sinnlichen Vorstellung (dem Eindrucke) als dem Mannigfaltigen im Begriffe (dem sinnlich vorgestellten) unabhängig, und wesentlich verschieden ist; indem es aus den bloßen Verknüpfungsarten des Verstandes besteht. Die Form der Idee ist daher die absolute — von allen ausser der Spontaneität befind- u. d. transrcnd. Philosophie überhaupt» 269 befindlichen Bedingungen unabhängige — Einheit. Die Dcrknüpfmigsapten des Verstandes, welche durch Vernunft auf Einheit gebracht werden, sind entweder in den Categorien, vermittelst der Sinnlichkeit auf den empirischen Zustand des Subjektes (die Materie der Erfahrung) bezogen — in welchem Falle die Ideen Empirische — oder sie sind als Handlungsweisen des Subjektes ledig» lieh auf das reine Subjekt bezogen, in welchem Falle die Ideen — Reine heisscn. Durch reine Vernunft kann kein reelles, bloß es Objekt vorgestellt werden. Dieses ist das ausschließend eigenthümliche Geschäft deS mit der Sinnlichkeit verbundenen Und an die Sinnlichkeit gebundenen Verstandes. Eben darum haben auch die, vermittelst der Vorstellungen des Verstandes auf solche Objekte sich beziehende, Ideen keinen diese Objekte selbst :m Bewußtseyn konstituiern? den, sondern nur einen die Erkenntnisse re. gulircndcn Gebrauch» Eben 272 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Eben so wenig aber kann auch durch den Verstand das Subjekt vorgestellt werden, welches als das reine Subjekt durch bloße Vernunft vorgestellt wird, und seinen Charakter als absolutes Subjekt lediglich der Form der Idee verdankt. Als Subjekt der Vernunft enthalt es den Grund seiner Vorstellung lediglich in sich selber. Es wird als absolutes Subjekt gedacht, weil es Subjekt der Vernunft ist; und es ist Subjekt der Vernunft, weil es sich nur als absolutes Subjekt denken läßt. Der reine Verstand und die reine Sinnlichkeit werden durch reine Vernunft vorgestellt, in wiefcrne diese ihrem Subjekte jene Vermögen in Beziehung auf etwas von demselben verschiedenes aber damit verbundenes nothwendig beylegt. Es giebt noch ein besonderes Selbstbewußtseyn, welches sowohl daS Reine als das Empirische voraussetzt, aber keineswegs lediglich aus der Verbindung von beyden besteht, u.d. transcend. Philosophie überhaupt. 271 besieht, das moralische Selbstbewußtseyn, oder das Gewissen. Durch dasselbe ist sich das Subjekt des Sollens bewußt, welches Freyheit des Wollens voraussetzt, in« dem es in der Forderung der bloßen Vernunft an das empirische Subjekt besteht: die bloße Bcrnunftmaßigkeit als den Grund der Bestie« digung und die Vcrnunftwidrigkeit als den Grund der Nichkbcfriedlgung der Begierden an« zunehmen, und gclrcnd zu machen. Die Freyheit diesem Gesetze gemäß und zuwider zu handeln, und folglich die Vernunft entweder als Zweck oder als bloßes Mittel der Begierde zu gebrau« chen — ist von der Selbstthätigkeit der Vernunft wesentlich verschieden. Diese hat nur eine Einzige und innerlich nothwendige Handlungsweise, die Form der absoluten Ein« hcit — jene hingegen hat zwey ihr gleich mögliche Handlungsweisen, bestimmt sich also nicht bloß zur Wirklichkeit, sondern auch zu der Weise ihres Handelns selber, und ist daher allein im strengsten Sinne des Wortes Freyheit zu nennen. Ohne «72 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Ohne diese Freyheit des Willens würde das reine Subjekt nur als die bloße Vernunft selber denkbar seyn, welche sich selber vorstellen würde, well sie als reine Vernunft sich selber vorstellen muß, an dem reinen Verstände aber und der reinen Sinnlichkeit nichts als ihr V crhalt»iß zum empirischen Vvrstellungsvermögcn vorstellt. Allein in wiefcrue jene Freyheit dem Subjekte zukömmt, ist dasselbe nicht bloße Vernunft, sondern hat es Vernunft. Als Subjekt der Freyheit des Willens muß cs nicht nur deine, sondern auch empirische Vernunft und die übrigen Vermögen haben, welche die letztere voraussetzt. In theoretischer Rücksicht ist das Subjekt nur in soferne etwas Reales, in wiefcrue cs in seinem Unterschied und Zusammenhang mit dem Empirischen dem Selbstbewußtseyn zum Grunde liegt. Der Geist ist nur als Seele, und diese nur in ihrem Verhältnisse zum Leibe erkennbar. In u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 27-j In praktischer Rücksicht aber ist das Subjekt durch seine vermittelst des moralischen Gesetzes gewisse Freoheit, zwar nicht im Dasey», aber imHan d eln von dem Unterschiede und Zusammenhang mit einem reibe unabhängig; setzt zur Erfüllung des moralischen Gesetzes die endlose Fortdauer jenes Unterschiedes und Zusammenhangs voraus, und kann sich in softrne nur als unsterbliche Seele denken. In theoretischer Rücksicht ist kein anderes absolutes Subzelr erkennbar als die bloße reine Vernunft, und diese ist es nur in der Eigenschaft des transcendentalen Vorstcllungs- vcrmögens, und folglich nur in ihrer Verbindung mit dem empirischen Vermögen des menschlichen Geistes. Daher ist auch theoretisch keine Ueberzeugung von Gott möglich. In praktischer Rücksicht hört die Vernunft auf das Subjekt selbst zu seyn, und überläßt diesen Rang der Frenhcit des Willens. Aller» in wiefern das Subjekt nur in Rücksicht Anöw^hl verm. Schrift. Tb- ll. S §us 274 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik auf die Richtung seines Willens frey ist und der empirischen Materialien seines Handelns bedarf: in sofernc setzt das moralische Gesetz zur äusseren Möglichkeit seiner Erfüllung eine durchgängige, und kcineswegs von der Freyheit des Subjektes abhängige, Ueber- einsiimmung der physischen Gesetze mit dem Moralischen, und folglich einen moralischen Urheber der Natur voraus. Durch das Bewußtseyn des moralischen Gesetzes wird die Vernunft zum Prädikat eines freyen und endlichen Wesens, das durch das Verhältniß zwischen seiner Endlichkeit, Freyheit und Dcrnünstigkeit gcnöthiget ist, «in Unendliches freyes und vernünftiges Wesen anzunehmen. Die sogenannte Elcmerrtarphiloso- phie, von welcher in den Beyträgen zur Berichtigung der Mißverständnisse der Philosophen die Idee aufgestellt ist, geht in ihrem Versuche die der theoretischen und praktischen Philosophie gemein- schast- u. d. tranSeend. Philosophie überhaupt. 275 schaftlichcn Prillcipicn aufzustellen, von den allgemeinen Thatsachen des Bewußtseyns aus, um die bestimmte Möglichkeit derselben in den Formen der Vorstellungen darzustellen. Der Verfasser verdankt es den Erinnerungen einiger Beurtheile« seines Versuches, daß er aus den ihm selbst bekannt gewesenen Mangeln auch wesentliche Fehler desselben sehr bald kennen lernte. Er wurde überzeugt, daß er in der Fundamentallehre aus dem Satze des Bewußtseyns überhaupt und dem Begriffe der Vorstellung manches abgeleitet habe, was nicht darin enthalten ist; daß z. B. der Unterschied zwischen Vorstellung a xriorl und a xosterior! aus dem Begriffe der Vorstellung überhaupt sich durchaus nicht begreifen lasse, und ohne die Sätze des Selbstbewußtseyns, die der Verfasser erst bey der Theorie der Vernunft aufzustellen im Sinne hatte, nicht einmal verstanden werden könne. Allein davon wird man ihn nie überzeugen können, daß der S 2 Satz 276 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Satz des Bewußtseyns überhaupt und der aus demselben abgeleitete Begriff der Vorstellung entbehrt werden könne, wenn es um die Auf» stellung der verschiedenen Arten des Bewußt» seyns und der Vorstellung zu thun ist, die durch einen bestimmten Gattungsbegriff eingeleitet und vorbereitet werden müssen. In der Abhandlung über den Un» ter schied zwischen dem gesunden Verstand und der philosophirenden Vernunft im 2. B. der Beyträge hat der Verfasser die Resultate seines bis dahin fortgesetzten Nachforschens über die Begrün» düng der Philosophie als Wissenschaft dem Publikum vorgelegt. Diesen Resultaten nach hielt er die innere Erfahrung, in wie» ferne dieselbe von dem Subjekte des reinen Selbstbewußtseyns abhängt, und aus den Thatsachen dieses Selbstbewußtseyns besteht, für das Fundament der Elementar» Philosophie. Die Satze, durch welche die unmittelbar aus diesen Thatsachen geschöpften und in Urtheile aufgelöseten Begriffe von diesen That u. d. lranScetid. Philosophie überhaupt. 277 Thatsachen ausgedrückt sind, nennt er Satze des Bewußtseyns. Sie sind lauter Er- fahrungssätze, und in so ferne keine philosophischen Principien. Aber in wieferne die Thatsachen, die durch sie ausgesagt werden, unmittelbar im Subjekte des reinen Selbstbewußtseyns gegründet sind, in soferne enthalten sie die Materialien zn jenen Principien, welche durch Reflexion und Abstraktion aus ihnen ausgehobcn, und in der Eigenschaft der transcendentalen Gesetze aufgestellt werden. Das reine Selbstbewußtseyn muß von dem Empirischen unterschieden, aber es kann nicht von demselben getrennt werden. Das Ich ist sich seiner Selbst nur in seinem Unterschiede und seinem Zusammenhange mit dem Leibe, folglich nur zugleich als reines und empirisches Subjekt bewußt. Die Elementarphilosophie kann daher auch weder reine noch empirische Philosophie seyn. Sie soll der Inbegriff derjenigen Erkenntnisse seyn, welche zunächst von beyden S 3 von 278 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik vorausgesetzt werden; sie soll die Principien von beyden aus ihrer gemeinschaftlichen Quelle, dem Bewußtseyn, ableiten, und in ihrem Verhältnisse gegen einander aufstellen. Sie selbst würde gar nicht Philosophie, sondern nur die Propadeutik aller Philosophie hcisscn müssen, wenn man nur das Ausgehen von den letzten Principien, und nicht auch das Aufsuchen derselben (welches nicht in einem Ausgehen von ihnen bestehen kann) Philosophie zu nennen im Besitz wäre. Nach ihrer genauer bestimmten Idee hatte die Elementarphilosophie zuerst die Classtsikation des Bewußtseyns vollständig aufzustellen, und dann die Möglichkeit jeder Art des Bewußtseyns im Subjekte des Selbstbewußtseyns aufzusuchen. Die Möglichkeit des Objektiven Bewußtseyns würde zur Theorie der Sinnlichkeit und des Verstandes, die Möglichkeit des Selbstbewußtseyns überhaupt zur Theorie der Vernunft, und die Möglichkeit des moralischen Selbstbewußtseyns, oder des u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 279 Gewissens, zur Theorie der Freyheit des Willens führen. Dreyzehnter Abschnitt. Der Anhänger der einzig möglichen StandpunkLslehre (spricht) §)ie Quelle aller Irrungen in der spekulativ ven Philosophie ist der Begriff von einem Bande zwischen der Vorstellung und ihrem Gegenstand e. Dieser Begriff hat kein Objekt. Denn alle Versuche eine Verbindung zwischen den Vorstellungen und Etwas ausser ihnen zu erweisen, müssen vergeblich seyn, indem sie eine von der Vorstellung unabhängige Kenntniß, folglich ein Unding voraussetzen. Die Kritik der reinen Vernunft hat für alle, welche sie verstanden haben, jenen Versuche» auf immer ein Ende gemacht. Die in ihr aufgestellten Principien ächter Transccnden» talphilosophie, in der von einem Bande zwischen Vorstellung und Gegenstand gar keine S 4 Frage 2 8V Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Frage ftyn kann, würden längst allgemeiner anerkannt, und mit besserem Erfolg angewen- det worden seyn, wenn nicht die verwirrenden Versuche so mancher unberufenen Verbreiter und Verbessere»: der kritischen Philosophie dazwischen gekommen wären. Dahin gehören besonders die leeren Gcdankeiispicie, welche bald unter dem Titel einer neuen Theorie des Vorstellungsvermögens, bald unter der Benennung der E lc men tarp h ilor sophie nicht wenige Freunde der kritischen Philosophie um ihre Zeit und manchen darunter vielleicht auf immer um alle gesunde Philosophie gebracht haben. Der Verfasser versprach die, von der Kritik nur stillschweigend vorausgesetzten, Prämissen der neuen Philosophie ausdrücklich zu liefern, und durch dieselbe diese Philosophie selbst in einem völlig neuen Lichte darzustellen. Daß er aber die Kritik völlig mißverstanden, und sehr arg gemißdeutet habe, würde schon dadurch hinlänglich einleuchten müssen, daß er ihr die sinn» lose Frage nach dein Band zwischen Vorstellung und u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 2 81 und Objekt in den Mund legt, den Stoff gewisser Vorstellungen von den Dingen an sich herleitet, und von der Denkart der Dogma tikcr, die er auf immer aufgehoben zu haben mahnt, bloß darin abweicht, daß diese die Existenz zu einer Beschaffenheit der Dinge an sich macht, Er aber dieselbe für ein Produkt der Dinge an sich und der Spontaneität ausgiebt. Darin indessen hat er nicht ganz unrecht gehabt, daß er einen höchsten Grundsatz der Philosophie nöthig fand; obwohl er sich auf die Entdeckung desselben schlecht verstanden hat. Sein Satz des Bewußtseyns, durch den er die Nicht, »orstcllbarkeit der Dinge an sich bewiesen zu haben, sich einbildete, läßt sich ohne jene Dinge — oder Undinge, gar nicht denken, und würde einen weit schlimmeren Dogmatismus, als der vorige war, in die Philosophie einführen. Der erste Grundsatz der Philosophie darf nicht erst aufgesucht werden, er ist schon in der Kritik selbst, wenn gleich nicht mit dürren S 5 Wor- 2Z2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Worten, doch in der Sache selbst enthalten, indem Kant ausdrücklich genug seine großen Entdeckungen auf die synthetische Einheit des Bwußtseyns zurückführt. Es war ein sehr »»philosophischer Mißgriff der sogenannten Elemcntarphilosophie, daß sie diese synthetische Einheit selbst aus höheren Principien ableiten zu müssen glaubte, und auf diese Weise das höchste Princip der kritischen Philosophie für ein bloßes Resultat derselben ansah. Die o bj ekt iv syn th c tisch e Einheit des Bewußtseyns ist nichts anderes als das ursprüngliche Vorstellen, das allem anderen Vorstellen zum Grunde liegt, und eben darum aus keinem andern abgeleitet werden kann. Der höchste Grundsatz der Philosophie, oder nicht sowohl der Philosophie (sofcrne man darunter noch eine besondere Wissenschaft verstehen will), als vielmehr alles Verstandcsgcbrauches ist das Postulat: „sich ein Objekt ursprünglich vorstelle n." — „ Der höchste Grundsatz der Philosophie muß durchaus keine u. d. tranScend. Phlosophie überhaupt. 2ZZ keine andere Form huben, als die eines Postulates. Der Sinn desselben besteht eigentlich in der Anmuthung. daß man sich in die ursprüngliche Vorsteluugsweisc selbst versetzen soll. Er sagt also grr nichts aus, und ist doch der Grund aller möglichen Aussagen. Dabey kömmt es nicht auf.ste Erklärung au, was ein Objekt, was ursprünglich, und waS sich vorstellen leiste. Das sind alles schon abgeleitete D-rstellungen (Begriffe) die insgesammt das ur'prüngliche Vorstellen voraussetzen. Auf die Frage: was heißt das, sich etwas ursprünglich vorstellen? gebe ich keine Antwort: denn die rechte Antwort darauf ist das ursprüngliche Vorstellen selbst."— „Damit man hierin nun nicht falsch greifen, sondern uns wohl verstehen mögen, so setze man den Fall, daß man in eine Region sich versetzt sehe (etwa auf einen andern Planeten), wo einem Dinge vorgeführt würden, die niemals vorgekommen wären. In diesem Zustande würde man bloß mit seinem ursprünglichen Vorstellen beschäftigt seyn, 2 84 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik seyn, weil es noch an Begriffen fehlen würde, unter die man diese Gegenstände fassen, und so in abgeleiteten Vorstellungen sie sich vorstellen könnte." — „Von einer ursprünglichen Vorstellung kann eigentlich niemals die 9rcüe seyn, sondern bloß von einem ursprünglichen Vorstellen. Denn wir wollen doch dadurch eigentlich den 21 ktus bezeichnen, wodurch wir uns die Vorstellung eincsOb- jektes erzeugen, nicht aber die Vorstellung, die wir schon von einem Gegenstand haben, und denselben dadurch denke»." Auch aus diesem Umstände erhellt, wie dadurch, daß man sich auf den Standpunkt des ursprünglichen Vorstevens hinstellt, die leidige Frage nach dem Bande zwischen Vorstellung und Objekt wegfallt, und das ganze Problem der Philosophie sich von selbst auslöset. „Der wichtigste Punkt der Kritik der reinen Vernunft, der dieselbe allein zur kritischen Philosophie macht (dafcrne wir darunter denjenigen Vernunftgebrauch verstehen, der an einem haltbaren nämlich verständlichen 2i >1 a e l u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 2Z5 Angel befestigt ist), ist das ursprüngliche Vorstellen." — Das Ursprüngliche Vorstellen ist das Objekt der W i s- senschaft, welche Transccndentalphi- lvsophie heißt. — „Das ursprüglir che Vorstellen ist der Verstau desge- brauch." — „Diesen letztem selbst (nicht die daraus geschöpften Begriffe) zu zergliedern, das in sich selbst Verständliche sichtbar zu machen, und es von dem seiner Natur nach in sich selbst bestehenden Unverständlichen zu scheiden, mithin den Punkt ausfindig zu machen, an den sich jeder Gedankengang, jedes Verfahren unter bloßen Begriffen anschließen muß, wenn es ein Phi- losophircn heißen kann, ist die ganze Absicht der Transccndentalphilosophie. Da bekennen wir nun unsre lautere Ueberzeugung, wenn wir urtheilen, daß die Kritik diese Absicht vollkommen erreicht hat. Wir halten aber dafür, daß die Methode, welche fie getroffen hat, hauptsächlich Schuld daran sey, daß dieses Ziel so sehr, selbst von ihren 2 z6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik ihren Verehrern verkannt wird. Zu jenem bemeldeten Punkte, der Spitze alles Verstandesgebrauchs führt sie die Leser nur nach und nach. Wir wollen diese Methode umkehren und uns bestreben die Leser auf einmal darauf zu setzen." „Die objektiv- synthetische Einheit des Bewußtseyns ist der höchste Gipfel alles Versiandesge- brauchs" und zugleich das ursprüngliche Vorstellen, worein sich nun die Leser in Kraft unsres Postulates als des höchsten Princips alles Verstandesgcbrauchcs zu versetzen haben. „ Das ursprüngliche Vorstellen besteht in den Categvrien. Dieselben sind nichts anders als ursprüngliche Vorstellungsartcn. Wir wollen sie demnach hier durchaus nicht als Begriffe von den Gegenstände» angesehen wissen." — „Wir wollen sie nach der.Ordnung, wie sie die Kritik aufstellt, und zwar als ursprüngliche Vorstellungsarteu vortragen: Die Categorie der Größe ist die ursprüngliche Synthesis (Zusammensetzung) u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. 2 57 fetzung) des Gleichartigen, dievonThei- len zum Ganzen geht, der Raum selbst. In diese ursprüngliche Vorstellungsart muß sich der Leser selbst versetzen. Denn unser Princip ist ein Postulat, und keine Vorstellung durch Begriffe. Eben deswegen ist hier nicht an Erklärungen zu denken, was nämlich Synthesis, was ursprünglich, was gleichartiges ist, was Theile sind, und was ein Ganzes ist." Wer daher dafür hält, daß die Synihesis, durch welche der Raum erzeugt wird, von der Synthesis der Größe wesentlich verschieden, daß Raum und Größe zwey ganz verschiedene Arten des ursprünglichen Vorstellens, daß nur die Größe eine Categ o ri e, der Raum aber keine sey; der hat sich es selbst zuzuschreiben, daß er sich nicht ins ursprüngliche Vorstellen versetzen kann, er versteht sich nicht auf Verständlichkeit, er ist zu allen Philosophiren untauglich. „Der Raum, oder die Synthesis des gleichartigen von Theilen zum Ganzen ist das reine Anschauen selbst. Die K r i- tik 288 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik ti k nennt ihn reine Anschauung; ich glaube aber dem Sinne unsres Postulats entsprechender wich auszudrücken, wen» ich diese Tategv > ie ein Anschauen nenne." — „Von dieser ursprünglichen Synthcsis ist eine andere Handlung verschieden, die in dem ursprünglichen Vorstellen mit ihr in Verbindung steht. Ich nenne sie die ursprüngliche Anerkennung; die Kritik giebt ihr den Namen transcendentaler Schematismus der Catcgorie. Da es hier immer auf das ursprüngliche Vorstellen selbst und nicht auf einen Begriff von irgend etwas ankommt, so wollen wir uns bemühen, den Leser in diese Handlung selbst zu führen. Man betrachte ein H a u 5, der Leser sehe nun davon weg, daß er sich den Gegenstand schon durch den Begriff; Haus vorstellt; und sey auf nichts als auf die Handlung des ursprünglichen Borst ellens aufmerksam, wodurch er überhaupt zu dem Begriffe von dic sc ni bestimmten Objekte kommt. Er synthesirt hierin ursprünglich, das ist: er erzeugt sich den N a u in; u. d» kränseeNd. Philosophie überhaupt. 289 Raum; und, wie gesagt, der Raum selbst ist diese Synthesis. Aber in diesem ursprünglichen Vorstellen entsteht Mir die Zeit. Das ursprüngliche Fesimcst theil (Bestimmen) dieser Zeit, ist die irrt sprünglichr Anerkennung» Durch biet ses Fixiern der Zeit fixire ich jene ursprüngliche Synthesis, und erhalte dadurch den Begriff von einer bestimmten Gestalt des Hauses." — Wer dieses Entstehen der zeit, und das Festmachen derselben, Und das Fixiern der ursprünglichen Synchesis nicht versteht, versteht sich nicht aufs ursprüngliche Vorstellen, und folglich auch nicht auf Tränst tendentalphilofophie. „Die Categoric bet Realität ist die Ursprüngliche Synthesis des Gleichartigen, die vdM Ganzen zu den Theilen geht." — „Ich synkhesirc darin meine Empfindung»" — „ Ich erhalte in der CatÄ hone der Realität durch die ursprüngliche Zeitbestimmung den Begriff von einem bestimmten Grade (intensive Größe). Diese Synthe- si s heißt eine Empirische und die Kritik ÄuSwlih! vm, ».Schrift. Lh ll' A nennt Lyo Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik nennt sie auch eine empirische Am schauun g." — „Wir nennen sie ein e mr pirisches Anschauen." — „Die Kritik sagt (freylich) van unsrem Verstand er sey ein denkender und kein anschauender Verstand. Es kommt uns vor, daß man die Meinung des großen Verfassers hierin noch wenig vernommen habe." Zm ursprünglichen Vorstellen ist der Verstand allerdings anschauend, und die Categorien nicht nur sondern auch die Empfindungen sind ein bloßes Anschauen durch Verstand. „Die Catcgorie der Substanzialitat ist das ursprüngliche Setzen eines Beharrlichen, woran die Zeit selbst erst vorgestellt wird." — „ Die Categorie der Caussalität besteht in einem ursprünglichen Setzen, wodurch die ursprüngliche Synthesis meiner Empfindungen als eine successive fixirt wird." — „DieCate- gvric der Wechselwirkung ist ein ursprüngliches Vorstellen, in welchem die Synthesis meiner Empfindung, als eine willkührliche ursprüngliche fixirt wird. Dieses Fipirm ist u. d. tranScend. Philosophie überhaupt. 2yr ist eine ursprüngliche Anerkennung (Zeitbestimmung), wodurch Erfahrung des Zugleich« feyns erhalten wird." — „Möglichkeit besieht im Zurückführen des bloßen Begriffes, wodurch ein Gegenstand gedacht wird, aus daS ursprüngliche Vorstellen in den Catcgoricn der Quantität, Qualität und Relation. Es be« steht also dasselbe in der ursprünglichen Syn« thesis, durch welche der Begriff auf das ur, sprüngliche Vorstellen geführt wird, und in der ursprünglichen Anerkennung, die diese Syn» thesis bestimmt." „Wirklichkeit ist das ur« sprüngliche Vorstellen selbst, worauf der Be« griff vom Objekt allererst folgt." — „Nothwendigkeit ist das ursprüngliche Setzen eines durch einen bloßen Begriff (nicht im ursprünglichen Vorstellen) vorgestellten Gegenstandes." — „Was diese ganze Vorstcd lungsart erschweren dürfte, und was gewiß die Einsicht in den wahren Geist der Deduktionen der Kritik so sehr gehindert hat, ist: die ricptuu.' unsres Verstandes, der seine Gegenstände nicht anders als durch T r De- 292 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Begriffe sich vorstellen kann. Eben daher können wir das ursprüngliche Vorstellen selbst unsren Lesern nicht anders als durch begriffe vorgestellig machen. Aber eben daher, damit diese Beschaffenheit des Verstandes ihn nicht ferner behindere, in die Natur des Vcrstandesgebrauchcs einen Blick zu thun, erinnern wir ihn so oft, mid so dringend , daß das oberste Princip alles Verst a n d e s g e b r a u ch e s das Postulat sey r u r- sprünglieh vorzustellen." — In dieses Vorstellen muß er sich selbst versetzen können, wenn er das, was wir ihm davon durch Begriffe vorstellig machen verstehen, und ein Philosoph werden will. „ Unsre eigene Erfahrung hat uns gelehrt, daß esschrschwcr sey, den rechten Weg wohl aufzufinden, sich nämlich in das ursprüngliche Vorstelle» zu versetzen, welches das Transcendentale der Erkenntniß eigentlich ausmacht." — „Dabey ist es für den Leser nothwendig die Seelcnkrafte zu sammeln, und ob ich gleich wegen der sehr großen Klarheit meiner Einsichten in u, d. transcend. Philosophie überhaupt. 2yz in die Kritik mit einer gewissen Zuversicht- lichkeit versprechen darf, ihn sicher in dieselbe einzuführen: ist es doch von seiner Seite nothwendig mit Ernst dabey zu verfahren." — „Ihm aber zu zeigen, daß, wenn seine Vorstellung sart nicht mit der Meinigen übereinstimmt, er sicherlich gar nichts, in Ansehung dieser Angelegenheiten, weiß, er möge sich nun einen dogmatischen, skeptischen, oder kritischen Philosophen nennen — das soll mir hoffentlich nicht schwer fallen !!" Vierzehnter Abschnitt. Der Anhänger der Wissenschaftslehre C spricht) e?> -r. re sogenannteElcmeutarphilosophie ist freylich nicht zu retten: in wiefcrne sie ihren Satz des Bewußtseyns, der nur als ein Lehrsatz der theoretischen Philosophie pro- behältig ist, zum ersten Grundsatz aller Philosophie macht; — in wiefcrne sie T 3 da- 2Y4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik dadurch, daß sie auf bloße Thatsachen und auf das Bewußtseyn baut, die Transccn- dentalphüosophie durch etwas bloß Empiri- sches begründet, — in wicfcrue sie endlich die reine Thätigkeit auf das bloße Verbinr den (die Synthcsis) eingeschränkt wissen will, welches doch nur unter der Bedingung eines Setzens (Thesis), und Entgegen- setzcns (Antithesis) denkbar ist. Allein aus ähnlichen Gründen ist auch die einzig mögliche Standpunktslehre und ihr Postulat des ursprünglichen Dorstellens, als Fundament der Lransccndentalphilosophie, eben so wenig zu reiten. Die objektivsyntheti« sche Einheit ist ihrer Versicherung zufolge „der höchste Gipfel alles Verstandcsgebrauches " und Synthesis die einzige Handlung, und Handlungsweise, in welch: sie alles hin- cinschiebt, was sie aus ihr abzuleiten bedarf. Die Kritik der reinen Vernunft ist von derselbe» gleich in ihrem ersten, und aus u. d. tranScend. Philosophie überhaupt. 295 aus dem Standpunkte, aus welchem Sie daS Erkcnntirißvermögen untersucht und darstellt, wichtigsten Haupttheile — in der transcen« dentale» Aesthetik— mißverstanden und gemißdeutet. Dieser ganze Haupttheil verschwindet, wenn man sich aufHerrn Decks einzigmöglichen Standpunkt hindrängen läßt; und mit demselben verschwindet der so wesentliche, von Kant so ausdrücklich ge- lehrte, behauptete, vertheidigte, und besonders in seiner Abhandlung gegen das Eberhard sch c M a g a z i n eingeschärfte Unterschied zwischen transcendentaler Sinnlichkeit und transcendentalem Verstand, und zwischen transcendentaler und empirischer Sinnlichkeit. Es ist bis zum Ekel widerlich wahrzunehmen, wie sich Herv Deck dreht und wendet um Kanten das Gegentheil von dem, was er wirklich gesagt hat, was er aber nach der Standpunktslehre nicht gesagt haben durfte, sagen zu lassen. Um den in die Augen springenden Widerspruch zwischen der Deckisehen und der Kantischen Theorie T 4 aus Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik gus dem Wege zu räumen, wird bald vorausgesetzt, Kant habe sich zu der gewöhnlichen pnd bisherigen DorstcllungSart des Publikums gnfangs herabgelassen, um verständlich zu wer; hen, habe sich der gemeinen Sprache akkomo- Hirt, sey von der einmal eingeführten Ansicht ausgegangen; bald wird die Schuld seiner Methode beygemcssen; bald wird einzelnen Stellen ein Sinn aufgedrungen, durch den sie ?ben das, was sie behaupten, laugnen sollen, Die Kritik der reinen Vernunft Unterscheidet das Empirische der Erkennt; mß von dem transcendentalen oder reinen in derErfahrul> gscrkenntniß „als das was wir durch Eindrücke empfangen^ von dem, Was unser eigenes Erkenntnißvcrmö; gen, durch sinnliche Einbrüche bloß veranlaßt aus sich selbst hergicbr, welchen Zusatz Wir von jenem Grundstoff nicht eher unterscheiden , als his lange Uebung uns darauf aufmerksam, und zur Absonderung desselben geschickt gemacht hat." Sie nennt die Erkenntniß a priori „eine von aslen Eindrücken u. d« lransecnd, Philosophie überhaupt. 2k)7 brücken der Sinne unabhängige Erkenntniß", und die Erkenntnisse a xriori — rein „denen gar nichts Empirisches bey» gemischt ist" — und „alle Vorstellungen rein im transcendentalen Verstände, in denen nichts, was zur Empfindung gehört, ane getroffen wird." Sie behauptet ,,die reine Form sinnlicher Anschauungen" (allein) „werde im Gemüthe s pi-imi angetroffen, worin- nen alles Mannigfaltige der Erscheinungen in gewissen Verhältnissen angeschauet werde;" — sind „da das worin sich die Empfindungen pllein ordnen, und in gewisser Form gestellt Werden können, nicht selbst wiederum Empfindung seyn könne, so sey uns die Materie aller Erscheinung nur a polie- rlori gegeben, die Form derselben müsse aber im Gemüthe a piiori liegen, und abgesondert von aller Empfindung können betrachtet werden." Herr Deck weiß dieses ganz anders. „Als Zeichen des Unterschiedes (behauptet er) zwischen dem was a priori und dem was a pokerlori heissen soll, dif Tz E m- 298 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Empfindung angeben, und denjenigen De« griff 3 xriori nennen, der von Empfindung frey ist, den aber für einen Empirischen halten, in welchem sich Empfindung befindet, bedeutet gar nichts." Allein da die Kritik wirklich alles aus dem Neckischen Standpunkte soll gesehen, und eben darum nichts Bedeutungsloses gesagt haben kann; so sucht ihr Herr Deck durch einen Commentar durch zu helfen. Man sehe folgendes Beyspiel. Die Kritik lehrt: „Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstcllungsfähigkcit, in wicferne wir von derselben afficirt werden, ist Empfindung. Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht, heißt: Empirisch." Herr Beck kommentirt: „Also das Objekt, daS Empfindung in uns hervorbringt, ist Erscheinung" (Kant nennt die Erscheinung den unbestimmten Gegenstand der empirischen Anschauung) „ und dieses ganze Hervorbringen (der Empfindung) ist das ursprüngliche Setzen eines Etwas, Ursache, wek ches u.d. transcend. Philosophie überhaupt. 2yy chcs ein Fixiren dcr ursprünglichen Synthcsis meiner Wahrnehmung ist" — „Empirische Anschauung ist nichts als der ursprüngliche Vcrstandesgcbrauch in der Categorie dcr Realität , die ursprüngliche Synthcsis des Gleichartigen die vom Ganzen dcr Empfindung zu den Theilen geht." — Wenn Kant dieses bey jener Stelle verstanden wissen wollte, dann hat ihn freylich nur Herr Bcck allein verstanden. Allein sollte sich Kant auch nur im Traume haben einfallen lassen; daß die Empfindung eine ursprüngliche Verstand esh and lung sey. Die Kritik dcr reinen Vernunft unterscheidet in der transcendentalen Aesthetik, und auch sonst allenthalben, den Gegenstand „dcr die Vorsicllungssähigkeit bey dcr äusseren Empfindung afficirt" von der Vorstellung^ fähigkeit selbst, vom Verstände sowohl als von der Sinnlichkeit, so wie von dem Vorstellen selbst. Was aber übrigens suntcr diesem afsi- circndcn, und die Ursache dcr äusseren Empfindung ausmachenden Gegenstand zu verstehen ZOO Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik hen sey, läßt sie wenigstens in der lranscen- dentalen Aesthetik dahin gestellt. Sie versteht eine äussere Ursache der Empfindung, und nichts weiter, ohne etwas dabey vorauszusetzen, was erst durch ihre darauf folgende und vollendete Untersuchung des sämmtlichen Erkenntlüßvcrniögcns verstanden werden sonnte. In der Folge, und durch diese Untersuchungen, ergiebt es sich, daß sie unter demjenigen Dinge, was der Erscheinung der Materie nach zum Grunde liegt, und welches weder als Erscheinung noch als Ding pn sich denkbar ist, daöNoumcn, das durch Vernunft vorgestellte Ding, verstehe, ein Ding, weiches lediglich durch Vernunft der Erscheinung zum Grund gelegt wird. Die W i ssc n scherst öl eh r c hat alle Schwierigkeiten dieses durch reine Vernunft nothwendigen äusseren Beziehungspunkres, ohne welchen keine objektive Realität unsres Vor- siellcns, ja keine Sinnlichkeit und kein Verstand denkbar waren, durch die Entdeckung der ursprünglichen Antithesis gehoben, durch u. d. lranscend. Philosophie überhaupt. ZOI durch welche das Ich sich selber ein Nicht ich entgegensetzt. So wenig nun Kant, dadurch, daß er der äusseren Empfindung einen Gegenstand giebt, der nicht durch den an die Sinnlichkeit gebundenen Verstand hervorgebracht ist, diesen Gegenstand zum Dinge an sich macht: so wenig kaun dieses Reinh-ol- den schuld gegeben werden, wenn er den von ihm sogenannten objektiven Stoff auf einen solchen Gegenstand bezogen wissen will» Es erhellt freylich erst aus seiner Theorie der Vernunft, daß er unter dem besagten Gegenstände nur das N vume n verstehe Allein dasselbe ist auch in der Kritik selbst der Fall; und der Sinn den Herr Beck der kantischcn Behauptung von der durch Gegenstände afficirten Empfänglichkeit unterschiebt, ist ja seinem eigenen Geständnisse nach, auch erst aus der transcendentalen Analytik von ihm geschöpft wor- den. Wenn Reinhold den Ausdruck Ding an sich einigemal anstatt des von der Erschein JO2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik scheinung verschiedenen Gegenstandes gebraucht, so hat er nicht etwa nur die bisherige Observanz, sondern Kants eigenes Beyspiel für sich, der fast eben so oft den Phänomenen das Ding an sich als das Noumen entgegensetzt. Daß Kant unter dem Dinge an sich, wenn er von demselben als von einem verstellbaren Dinge spricht, jederzeit das Noumen verstanden habe, setzt Herr Beck mit Recht voraus, weil Kant sich ausserdem offenbar selbst widersprechen würde. Warum versagt er diese Gerechtigkeit Reinhol den, der wohl noch öfter und umständlicher als Kant auf die Unterscheidung des Noumen von dem eigentlichen und sich selbst widersprechenden Dinge an sich dringt, und das letztere nicht bloß als ein nicht erkennbares, sondern als ein überhaupt nicht vor stellbares Ding, und in wieferne nur das Vorstellst arc ein Ding heissen kann, für ein bloßes Unding erklärt? Herr Beck interpretirt die gesammte transcendentale Aesthetik, weil er sie mit u. d. kranseend. Philosophie überhaupt. ZLZ mit der Analytik im Widersprüche glaubt, aus der Kritik hinaus; und lässt es sich und seinen Lesern so äusserst sauer werden, die kehre von der reinen Sinnlichkeit, die Kaut als solche für das erste Hauptstück und die Basis seines Systemes erklärt, in die Der, standeslehre hineinzuschicbcn, — und Rein, holden will er nicht durch eine sehr leichte exegetische Wendung von einem Widersprüche helfen, der nur in einem einzigen Ausdrucke vorkömmt, und gegen welchen der ganze Inhalt der Theorie des Vorstellungsvermögcns gerichtet ist. Wem, der die Schriften von beyden gelesen hat, muß nicht Herrn Becks gewaltsames Bestreben auffallen, in der Theorie des Vorstellungsvermögens nichts als Widersprüche, durchaus nichts Haltbares, überall leeres Eedankenspiel und allenthalben das Gegentheil von Kants Lehre — hingegen in der Kritik durchaus seine eigene kehre, sowohl in den Lehrstücken, die derselben ausdrücklich widersprechen, als in denjenigen, die der Kritik, mit der Theorie gemein. ZO4 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik gemeinschaftlich sind, es koste auch, was es wolle, herauszufinden? RaU m und Zeit, so wie sie von der Kritik üls die transcendentalen Formen dck S i - >i l l ch s e i t aufgestellt werden, sind eben so, als der von dieser Sinnlichkeit wesentlich verschiedene, aber in Rücksicht auf die objektive Realität seines Vorstcllens auf sie beschränkte Verstand '— ohne Beziehung auf ein Nichtich durchaus unmöglich. Kant unterscheidet die aus der Beziehung der Caier gorien auf die Formen der Sinnlichkeit bestehenden Scheinate? als bloße Formale, und !> prinri vorhandene Bedingungen — von den Mater ialen, die er m den Empfindungen bestehen läßt. Wie soll er unter diesen Empfindungen —- Derstandeshandlungen — Cattgorien verstanden haben, ohne sich selbst zu widersprechen? Unter den Eindrücken, die er von der Vorß siellüNgsfahigkeit empfangen werden laßt, und zu denen er allenthalben etwas vom Ich verschiedenes voraussetzt eine chloße Wirkung u. d. transcend. Philosophie überhaupt. Zs; kung der Vorstcllungsfähigkeit selbst — ein bloßes Vorstellen? „Der Raum," sagt Herr Beck, „ist der ursprüngliche Vcrstandcsgcbrauch, der in der Synthesis des Gleichartigen besteht." Das Gleichartige an sich ist wohl nicht Raum: denn es laßt sich mancherley gleichartiges denken was kein Raum ist. — Die SynthcsiS Überhaupt kann aus dem Gleichartigen überhaupt auch keinen Raum erzeugen. Denn es läßt sich eine Einheit eines gleichartigen Vielen denken, die kein Raum ist. Und woher sollte die Syn- thesis das Gleichartige erhalten, aus dem sie den Raum hervorbringt? Wird es durch die Synthesis selbst erzeugt? so ist die Synthests ja nicht mehr bloße Synthesis? — Jedoch wir erinnern uns zu spät, daß sich Herr Beck gegen alle ähnlichen Einwendungen dadurch ge- sichert hat, daß er seine Genesis desRaumeS für ein ursprüngliches Vorstellen erklärt, das eben darum, weil es über alle Begriffe erhaben ist, sich auch nicht nach Begriffen beurtheilen läßt. Indessen, nach dem was A>!sn»hl vcrm. Schrift. Lli. II. U Wir ZO6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik wir für unser ursprüngliches Vorstellen hall ten,) ist der Raum keine Symhesis weder eines Gleichartigen noch eines Verschie* denartigen— kein Anschauen ebenso wenig als Anschauung oder gar Begriff — sondern die Form des äussern Anschau- d. transcend. Philosophie überhaupt. ZQ7 glücklichen Einfall durch welchen alle Uneinigkeiten der Philosophen über die Principien ihrer Wissenschaft aber auch alle Untersuchungen über dieselbe niedergeschlagen würden, wenn er allgemeinen Beyfall fände, und Herr Beck allein von Kants Schultern herab durch seine Darstellung des ursprünglichen Vorstellcns dem philosophischen Publikum sein Gesetz verkündigte — oder es wird das ursprüngliche Vorstellen durch das Abgeleitete, welches jenes voraussetzt, postulirt. Aber was hat die Theorie des Vorstellungsvermögcns, und die Kritik anderes verfuhr, als dasjenige abgeleitete Vorstellen ausfindig zu machen , welches zunä ch st auf das urspr ü n g- liche zurückfuhrt? Was wäre ubcrstüssiger und ungereimter gewesen als die anssührlichen Deduktionen, durch welche die Kritik in der Aesthetik Raum und Zeit, und in der Analytik die Caregoricn aufgestellt uns in denselben das ursprüngliche Vorstellen, so weit dasselbe aus der Beziehung des Transcendentalen auf das Empirische begreiflich ge- U 3 macht ZOZ Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik macht werden kann, dargestellt hat, und wel- che Arbeit wäre entbehrlicher und zweckwidriger gewesen, als jene ganze Aesthetik und Analytik: wenn es nichts weiter als ein von dem (aus dem ursprünglichen abgeleitetem) Vorstellen UnabhängigesPostuliren bedurfte, um fich in das ursprüngliche Vorstellen zu ver» setzen? Was kann das Anweise» derer, die da wissen wollen: was heißt ursprünglich Vorstellen?— an das ursprüng- licheVvrstellen selbst, besseres seyn, als das Princip dcrPopularphilosophic: „Was Vorstellen, Erkennen, Denken heisse, muß jeder selbst wissen?" Herr D e ck versichert: Kant wäre der erste gewesen, der sich auf das ursprüngliche Vorstellen verstanden hat. Aber Kant gelangt in der Kritik nur Schritt vor Schritt dahin, und feine Leser können ihm nicht ohne Mühe bis zu diesem Ziele folgen, wo sich Herr Deck mit einem einzigen Sprunge befindet, und wohin er seine Leser durch das Zauberwort Postulat Hinbannet. Er will ursprünglich vorstellen, und u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. Zvy und Er kann es; und so stellt er ursprünglich vor und alle Categorien, und unter denselben auch Raum und Zeit stehen vor seinem Blicke auf einmal da, entkleidet von allem fremdartigen Stoffe, und erhaben über alle Mißverständnisse, denen sie bisher seit dcnz Anbeginn alles Philosophirens unterworfen waren, und denen sie sogar noch nach der Kritik und durch die Kritik unterworfen blieben, die es an der Methode darin versehen hat, daß sie nicht auch postulirte. Kant hat freylich ursprünglich vorgestellt, aber er wußte es selbst nicht, und erwähnte daher auch mit keinem Worte davon. Wie würde er sich darüber wundern, wenn er es im dritten Bande des auf sein Anrathen erschienenen erläuternden Auszugs lesen sollte! Für uns andere kömmt nun alles, aber auch allein, darauf an, daß wir uns selbst ins ursprüngliche Vorstellen versetzen. Gelingt uns dieses, so lernen wir auf wenigen Blattern aus der einzigmöglichen Standpunktslehre — nämlich aus der bloßen Darstellung U 3 des Zlv Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik des ursprünglichen Vorstevens, was wir alle durch all unser Studium der Kritik nimmermehr zu erlernen vermocht haben. Aber wir müssen uns selbst ins ursprüngliche Vorstellen zu diesem Behufe versetzen. Allein wie machen wirs mit diesem Versetzen? Sollen wir das ursprüngliche Vorstellen in uns hervorbringen? Aber muß dieses denn nicht schon vorhanden, folglich auch hervorgebracht oder gegeben seyn, wen» wir es zum Objekt unsres Willens machen sollen? Da alles abgeleitete nur'durch das ursprüngliche Vorstellen da ist, so war und ist das u r- sprüngliche in alIcnPhilosophen und Unphilosophen immer da, ohne daß sie sich erst darein versetzen durften. Wie gelangen wir also zum Bewußtseyn des ursprünglichen Vorstcllens, um welches bey jenem von uns Postulirtcn Versetzen allein zu thun seyn kann? Wie versetzen wir uns in dasjenige Bewußtseyn, welches einzig und allein das ursprüngliche Vorstellen zum Objekt hat? — Können wir das, ohne daß wir dadurch die leidige u. d. transcend. Philosophie überhaupt. ZU seidige Frage: Was ist für ein Band zwischen der Vorstellung und dein Objekte, die zusammen das Bewußtseyn des ursprünglichen Vorstcllcns ausmachen, herbeyführen; jene Frage, welche durch das ursprüngliche Vorstellen auf immer aufgehoben seyn soll? Oder wird das ursprüngliche Vorstellen durch das ursprüngliche Vorstellen erkannt? So müßte jeder Mensch ohne Ausnahme, eben darum weil er ursprünglich vorstellt, wissen, was ursprünglich Vorstellen sey? Und doch sollen Kant und Beck die Ersten gewußt haben: was ursprünglich Vorstellen sey ? Auch versichert der Letztere, daß er „seinen Lesern das ursprüngliche Vorstellen selbst nicht anders als durch Begriffe vorstellig machen könne!" Das postulirte Versetzen heißt also gleichwohl sich das ursprüngliche Vorstellen durch Begriffe vorstellen. Man stellt aber nicht mehr ursprünglich vor, wenn man sich das ursprüngliche Vorstellen, vorstellt— wenn manB.egriffe davon U 4 sucht, -z i2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik sucht, findet, aufstellt, d. h. wenn man sich darein versetzt. Wir hatten also die Fvde- rung des Postulates ursprünglich einen Gegen,rand sich vorstellen! nicht erfüllt; indem wir uns auf jene Weise ins ursprüngliche Vorstellen versetzen. Noch größer wird unsre Verlegenheit dort, wo uns Herr Beck in den ganzen Sinn seines Postulates dadurch einzuführen glaubt, Laß er versichert: „Es gebe eigentlich kein ursprüngliches Vorstellen eines Gegenstandes, sondern bloß ein ursprüngliches Vorstellen. Denn wenn wir eine Vorstellung von einem Objekte haben: so ist diese schon allemal Begriff, das ist: schon immer ein Beylegen gewisser Bestimmungen, wodurch wir einen Bc- ziehungspunkt uns fixiren." Um ursprünglich vorzustellen dürfen wir uns also keinen Gegenstand vorstellen. Das ursprüngliche Vorstellen ist also ohne ein Vorgestelltes, es stellt nichts vor und ist doch ein Vorstellen! Wir können nichts bey jener Behauptung denken, wenn Herr Beck nicht etwa damit u. d. tranScend. Philosophie überhaupt. ZIZ andeuten wollte, daß das ursprüngliche Vor, stellen, keinen Gegenstand voraussetzt, sondern erst selbst seinen Gegenstand setzt. Aber wenn dieser Lehrsatz in dem Sinn des Postulates enthalten ist, so ist es kein Wunder, daß dasselbe so schwer einleuchtet.— Das, was bisher das Streitigste in der gan, zen Philosophie war, wird hier als ausgemacht, ohne weiteres, vorausgesetzt. Oder soll das Gesetztwerden des Objekts, die Er, zeugung desselben, durch Synthesis aus dem ursprünglichen Vorstellen unmittelbar einleuchten? In diesem Falle kommen wir wieder auf die Frage zurück: Wie gelangen wir zur Anschauung oder zum Begriff des bloßen ursprünglichen Vorstevens? Was verbürgt uns, daß in den Begriffen und Anschauungen, durch die wir uns — selbst mit Beyhülfe der, Beckischen Darstellung, dieses so lange her und so vielfältig verkannte Objekt vorstellig zu machen streben — kein Mangel und kein Uebcrfluß vorkömmt? Woran erkennen wir das ursprüngliche Vorstellen, und U 5 wo- Z74 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik wodurch unterscheiden wir es von allem Ab« .geleiteten? Das alles soll sich von selbst ver« stehen, so bald wir uns ins ursprüngliche Vorstellen versetzt haben. So müssen wir dann gestehen, daß uns dieses Versetzen nicht gelungen habe, so sehr wir auch nach Herrn Decks Aufforderung unsre Seelen« krafte gesammelt haben und mitErnst dabey verfahren sind. Der einzige Weg auf dem jenes Versetzen gelingen könn« te, scheint uns das Reflektiern über das Vorstellen und das Abstrahiern von allem was nicht ursprünglich Vorstellen ist, zu seyn. Aber dieses läßt sich zwar durch ein Paar Worte postuliren, aber keineswegs durch ein Paar Akte der Denkkraft ausführen. Die Kritik hat ihr Rcflektiren und Abstrahircn über das was sie die Formen der Anschauungen, der Begriffe und der Ideen nennt, selbst vorgetragen und dargestellt, und wir haben sie verstanden. Die einzigmögliche Standpunktslchre stellt bey ihrem Vortragen und Darstellen desjenigen was sie ursprüngliche Vor« u. d. transcettd. Philosophie überhaupt« ZIZ Vorsicllungsart nennt, bloß die Resultate ihres Rcficktircns und Absirahircns auf, und wir haben sie zum Theil gar nicht, zum Theil nur in softrne verstanden, als uns manche Ausdrücke und Satze durch unsre Bekanntschaft mir der Kritik selbst verständlich waren. Es ist eine Tau sch ung, die den Erlä us terern der kritischen Philosophie sehr gewöhn« lieh ist, von der aber kaum ein auffalendercs Beyspiel auszuweisen seyn dürfte, als das Herr Deck durch seine Darstellung der Cate« gorien liefert. Sie wähnen, ihre Leser, welche doch erst durch Sie in den Sinn der Kritik eingeführt werden sollen, könnten und müßten ihre der Kritik abgcborgtcn Ausdrücke: synthetische Einheit, objektive Einheit, Caregorie u. s. w. ohne Bekannt« schaft mit der Kritik eben so verständlich finden, als sie selbst, denen doch jene Ausdrücke nur durch die Kritik verständlich, und durch den Gebrauch bey ihren eigenen Meditationen geläufig geworden sind. Herr Beck' fordert von seinen Lesern: sie sollen sich selber ins ursprüngliche Zi6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik liche Vorstellen versetzen, und dadurch und daraus selbst lernen, was ursprünglich Vor» stellen sey. Seine Berufung auf die Postu» late des Geometers erläutert uns den Sinn seiner Forderung keineswegs. Denn gesetzt auch die geometrischen Objekte würden, wie Herr Beck glaubt, durch ein ursprüngliches Vorstellen erzeugt, so kann doch das ursprüngliche Vorstellen selbst — Raum und Zeit und die Categorien keineswegs wie jene Gegenstände con, struirt werden, welche'eben zu ihrer Conr struktion Raum, Zeit >>c. voraussetzen — die der Geometer keineswegs postulirt, sondern die aller Möglichkeit seiner Postulate zum Grunde liegen. Hat nun der Leser sich nicht durch das bloße Postuliern ins ursprüngliche Vorstellen selbst versetzt, so wird er durch die darauf folgende sogenannte Darstellung der ursprünglichen Vorstellungsar- ten noch weniger hinein gelangen. Denn diese Darstellung besteht aus Erklärungen: j. B. „Die Categorie der Größe ist die ursprüug- u. d. tranScend. Philosophie überhaupt. AI 7 ursprüngliche Synthcsis, Zusammensetzung des Gleichartigen, die von Theilen zum Ganzen geht, der Raum selbst." Die Worte dieser und der übrigen Erklärungen sollen nun, ohne Erklärung, aus dem ursprünglichen Vorstellen selbstverständlich seyn. — „Wir sind," meint Herr Beck, „hier in der Lage des Geomcters der das ursprüngliche Vorstellen des Raums postulirt." Aber Herr Deck vergißt, daß der Geometcr leicht poftuliren hat, da dem Raume, den er nöthig hat, schon der Raum als Form des Anschauens zum Grunde liegt, der in so« ferne nicht erst postulirt werden darf. UnS aber ist es hier um Raum, Zeit und die Cate« gorien in der Eigenschaft des ursprünglichen Vorstcllcns zu thun. Wir und Herr Deck kennen sie als Bedingungen der Möglichkeit des objektiven Vorstellens aus der Kritik der reinen Vernunft; und Herr Beck täuscht sich sehr, wenn Er sie unabhängig von derselben, durch das was er das sich selbst ins Ursprung« liche ZiZ Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik liche Vorstellen versetzen nennt, zu kennen und zu verstehen glaubt. Die Theorie des Vorstellungsver- niögens lehrt freylich nicht mit Herrn Bcck, daß Raum und Zeit dem Verstände angehören und durch den ursprünglichen Gebrauch des Verstandes gesetzt würden; sie lehrt mit Kant, daß dieselben der reinen Sinnlichkeit angehören, und durch den ursprünglichen Gebrauch des Verstandes vorausgesetzt würden. Aber sie halt und erklärt die Carcgvricn, wie Herr Deck, für ursprüngliche Vorstcllungsarten des Verstandes. Sie erklärt die objektive Einheit, die durch den Verstand hervorgebrachte Einheit des Vorgestellten, für die im Vermögen des Verstandes gegründete Form des Vorstevens durch Verstand, und also für keinen Begriff; sie laßt dieselbe in wicferne sie objektive Einheit ist, durch den bloßen Verstand hervorgebracht, und in softrne auch das Objekt durch den Verstand gesetzt seyn. .Hätte sie deutlicher erklären können, daß u. d. transcend. Philosophie überhaupt. Zly Laß sie das Objekt für kein Ding au sich, und dieses für kein Objekt halte? Daß sie aber zur Realität dieses durch den bloßen Verstand gesetzten Objektes überhaupt, das in svferne nichts als die bloße Derknü- pfungsart durch Verstand ist, ein von den Categorien verschiedenes Vorstellen, und zu diesem Vorstellen — Sinnlichkeit mit ihren Formen, Raum und Feit — und Eindrücke auf die Sinnlichkeit, äussere Empfindung, forderte, dadurch bewies sie eben, daß sie sich auf den Sinn der Kritik der reinen Vernunft besser, als die einzigmögliche Standpunktslehre, verstanden hat. Herr Beck hat von seinem ächtphilosophischen Talente, das ihm niemand, der nicht selbst davon gänzlich entblößt ist, streitig machen kann, vorzüglich dadurch einen sehr auffallende» Beweis gegeben, daß Er an dem Empirischen (der Vorstcllungsfähigkeit von ausscn- her gegebenen), von dem die Kritik der reinen Vernunft und die Theorie des Vor- Z2o Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik stellungsvermögens die objektive Realität des Raums und der Zeit und der Categorien abhängen lassen, Anstoß genommen hat. Er hat diese schwache Seite der kritischen Philosophie unverkennbar aufgedeckt. Die Transcendentalphilosophie steht noch lange nicht als Wissenschaft fest, wenn sie von dein Empirischen keine andere Rechenschaft ge- ben kann, als daß sie dasselbe zu ihrer eigenen Realität bloß voraussetzt, und gleichsam postulirt. Als Wissenschaft muß sie einen schlechthin transcendentalen Grund und Boden haben; und es fehlt ihr gänzlich an demselben, so lange sie bey der Deduktion ihres Inhalts von der äusseren Empfindung als einer Thatsache ausgehen muß, ohne dieselbe selbst deduciren zu können. Allein Herr Deck hat die Schwierigkeit, die Kant und nach ihm Rei »hold übrig gelassen haben, nicht eben so glücklich hinweggeräumt, als sichtbar gemacht. Dadurch, daß er das ihm mit Recht lästige Empirische, das die Kritik, aber auch mitRecht, vom Transcendentalen so sorgfältig absvn- u. d. kranscend. Philosophie überhaupt. Z2I absondert, die äussere Empfindung, und Raum und Zeit, die sich mit ihrer objck- tiven Realität auf dieselbe beziehen, ohne weit ters in die Categorien hineingescho- den, dieß alles zusammengenommen das ursprüngliche Vorstellen genannt, in dieser Eigenschaft keiner weiten: Erklärung und keines Beweises weder fähig noch bedürftig erklärt, und jedem Leser der dieses alles nicht thunlich finden würde, das Vermögen sich ins ursprüngliche Vorstellen zu versetzen und damit alle Fähigkeit zum Philosophiren abgesprochen hat — damit hat er sich freylich seine Arbeit sehr erleichtert, aber auch die Transcendcutal- philosophie um nichts weiter gebracht. Die Elementar Philosophie hat wie die Kritik der reinen Vernunft bc- ihren Deduktionen des Raums und der Zeit, und der Categorien das Empirische als empirisch und von dem Transcendentalen ganz unabhängig, ohne weitere transcendentale Erörterung desselben, vorausgesetzt. Beyde haben, in dem was sie Empfindung, Auswahl verm. Schrift. LH. II S Ej N- Z22 Gegenwärtiger Zustand dc» Metaphysik Eindruck auf die Empfänglichkeit nennen, und die erstere objektiven Stoff nennt — etwas angenommen, das durch den Verstand eben so wenig als durch reine Sinnlichkeit gesetzt, sondern von beyden vorausgesetzt wird, so wie es selbst, um zu einer Erkenntniß zu werden, jene beyden von ihm unabhängigen Vermögen und die Formen derselben voraussetzt- Da nur der empirisch angeschaute Gegenstand, folglich der schon unter den Formen der Sinnlichkeit vorgestellte Gegenstand die Erscheinung ist, so hat die Theorie dcs Vdrstellungsvcrmögens das worauf der bloße Eindruck ohne jene Form gedacht sich bezöge — Ding an sich genannt, in der Folge aber, da dieses erst durch die Theorie der Vernunft möglich wurde, für ein Noumen erklärt. Allein, damit ist die Schwierigkeit keineswegs gehoben wordcm Denn wird jenes Noumen als lediglich im Vorstellen durch reine Vernunft, wie die Theorie dafür halt, gegründet gedacht, ist es nichts als die Form der Vorstellung der bloßen u. d. transcend.' Philosophie überhaupt. Z2Z bloßen Vernunft; wie kann es als das Her- vorbringende der Empfindung gedacht werden? Wird es aber nicht für die bloße Form der Vorstellung der Vernunft, sondern für etwas worauf diese Form angewendet ist, angenommen, so läßt sich als der Grund dieser Anwendung wieder nichts denken, als die Empfindung als Thatsache, zu welcher die Vernunft einen ausser ihr selbst befindlichen Grund hinzudenkt, und in sofcrne entweder an der Klippe des auch ihr nicht verstellbaren Dinges an sich scheitert, oder um die Anwendung ihrer Form zu rechtfertigen bey der Empfindung als empirischer Thatsache stehen bleiben muß. Endlich hat die Elemcntarphilöso- phie mit der einzigmöglichen Stand- punktslehrc den Fehler gemein, daß das Fundament, welches sie der Philosophie unterlegen, wenn dasselbe auch noch so haltbar wäre, keineswegs die ganze Philosophie als ein einziges System, sondern nur einen Theil derselben, die theoretische Philosophie L s begrün» H 24 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik begründen würde. Die Eine schöpft alles aus dem Bewußtseyn und die Andere alles aus dem ursprünglichen Vorstellen; und beyde sehen sich in der Folge genöthiget, das Objekt der praktischen Philosophie, das sich aus keinem von beyden schöpfen läßt, als der Himmel weiß woher, gegeben anzunehmen; und die Praktische Philosophie der Theoretischen als ein Nebengebäude anzufügen. Dieses trift die Standpunkt slehre noch mehr als dieElcmenkarphilosvphie, die doch wenigstens — das Gewissen als eine besondere Art des Bewußtseyns — dem Bewußkscn» überhaupt unterordnet, während die Erstere in ih» rem Postulate Ursprünglich Borstet« ken durchaus keinen Platz für das was sie die Thatsache der Praktischen Freyheit nennt, auszuweisen hat. „In allem Philosophircn herrscht freylich ein Vorstellen, aber daraus folgt nicht daß dasjenige worüber philosvphirt wird, nichs anders als ein Vorstellen sey und seyn müsse." In der Philosophie „wird das Ich u. d. transcend. Philosophie überhaupt. Z2Z vorgestellt; aber daraus folgt nicht, daß es bloß als vorstellend vorgestellt werde. Es können sich noch wohl andere Bcstimmun» gen darin auffinden lassen. Das Ich als phi- losophirendes Subjekt ist unstreitig nur vorstellend, das Ich als Objekt des Philssophirens könnte wohl noch etwas mehr seyn. Das Vorstelle» ist die höchste und absolut erste Handlung der Philosophen. Die absolut erste Handlung des menschlichen Geistes könnte wohl eine andere seyn." Die Möglichkeit des Vvrstellens setzt etwas transcendentales und etwas empirisches im Ich — und das Transcendentale im Ich setzt das Empirische, und dieses setzt das Transcendentale voraus. Es ist also keine reine Philosophie als Wissenschaft möglich — wenn diese nicht über das Bewußtseyn, und alles Vorstellen hinausgehen und zu einem höchsten Princip gelangen kann, aus dem sich das Transcendentale und Empirische im Ich ableiten laßt. X 3 Die Z26 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Die reine Sinnlichkeit und der reine Verstand sind im Ich nur in Beziehung auf ein Nicht ich denkbar, welches keineswegs durch Verstand und Sinnlichkeit gesetzt, sondern nur vorausgesetzt wird. Reins Vernunft hingegen ist im Ich allein denkbar/ und kann sich nur in soferne auf das Nicht ich beziehen in wieferne dieses dem Ich entgegengesetzt ist. Reine Vernunft hängt daher keineswegs vom Nichtich ab, setzt dasselbe nicht voraus, sondern wird von demselben vorausgesetzt. Sie setzt das Nichtich in wieferne es dasselbe dem Ich entgegensetzt. Reine Vernunft ist absolute Thätigkeit. Ihr allein kömmt das Setzen zu welches nichts voraussetzt, und von allem vorausgesetzt wird, das absolute Setzen. In wieferne sie also dasjenige setzt, was von allein anderen Setzen vorausgesetzt wird, und selbst kein anderes voraussetzt, in soferne setzt sie sich selbst. Sie setzt das was durch nichts anderes, also nur durch sich selbst, gesetzt wird. u. d. krankend. Philosophie überhaupt. Z2? wird. Sie setzt sich selbst. Sie ist in sofcrne zugleich Subjekt und Objekt ihrer Beschäftigung. Es ist dieses der Charakter des Ichs der zur Möglichkeit des Selbstbewußtseyns vvrausgcsest wird, der Charakter des »-einen Ichs, unsres besseren Selbstes. Der Satz, der dieses absolute Setzen ausdrückt, stellt die ursprüngliche Thesis in der Form des Grundsatzes der Jndeytitat aus: Das Ich setzt daS Ich, oder: das Ich fetzt sich selber. Es ist der einzige völlig durch sich selbst bestimmte Satz; weil sein Inhalt: das Ich (die reine Vernunft) seine Form das Absolute Setzen (die reine Thätigkeit) bestimmt, und wieder von ihr bestimmt wird. Er läßt keinen Beweis zu, weil er keinen bedarf, und bedarf keinen, weil er keinen zulaßt. Er ist wahr, weil er wahr ist, und ohne seinen Inhalt nichts anderes wahr seyn konnte. Er ist der erste Grundsatz der rejnen Philosophie. S 4 Durch Z2Z Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Durch dü'seü e absolute Thätigkeit, folglich schlechthin, wird das Nichtich als Nicht- ich gesetzt. Der Satz, der dieses ausdrückt, stellt die ursprüngliche Äntikhesis auf: Das Ich setzet sich selbst ein Nichtich entgegen; oder, durch das Ich wird das Nichtich schlechthin gesetzt. Dieser Satz erhält seinen Inhalt durch den vorigen — in wicfcrne das Nichtich nur unter der Bedingung durch das Ich gesetzt ist, daß das Ich sich selbst gesetzt hat. Aber seine Form erhalt er nicht durch den vorigen Satz — sondern durch seinen bloßen Inhalt. Das Nichtich ist durch sein bloßes Gcsetzrseyn dem Ich entgegengesetzt — und nur durch dieses Eutgegengcsetzlscyn gesetzt. Der Satz ist als» in Rücksicht seiner Form lediglich durch sich selbst bestimmt, und in dieser Eigenschaft der zweyte Grundsatz der reinen Philosophie. Durch dieselbe absolute Thätigkeit, folglich schlechthin, wird das Ich, und das ihm entgegengesetzte Nichtich gegenseitig beschränkt gesetzt. Der Satz, der dieses ausdrückt, stellt u. d. tranSccnd. Philosophie überhaupt. Z2y stellt die ursprüngliche Synthesis auf: Das Ich setzt das Ich, und das Nichtich als gegenseitig beschränkt durcheinander. Dieser Satz erhalt seine Form durch die beyden porigen, in wicfcrne er zu derselben die beyden vorigen Sätze voraussetzt, welche die Aufgabe, die durch ihn gclöset werden soll, bestimmen, Aber seinen Inhalt, welcher in der Lösung jener Aufgabe besteht, erhalt er durch das absolute Setzen der das Ich und Nichtich vereinigenden Beschränkung , folglich schlechthin durch einen Machtspruch der Vernunft. Der Satz ist also seinem Inhalt nach bloß durch sich selbst bestimmt; und in dieser Eigenschaft der dritte Grundsatz der reinen Philosophie. In diesem unbedingten Setzen, unbedingten Entgegensetzen, und unbedingten Zusammensetzen des Gesetzten und Entgegengesetzten besteht alle unbedingte ursprüngliche Thätigkeit; und in ihnen und durch sie machen das Ich, das Nicht ich und dir Beschränkung beyder durcheinander X Z das ZZo Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik das schlechthin a prinri Gegebene aus — Der gesummte Inhalt der reinen Philosophie muß sich aus diesen Urbegriffcn durch Entgegensetzung und Zusammensetzung ableiten lassen. In wieserne das Ich durch das Nichtich beschrankt wird, ist es abhängig, und heißt in dieser Eigenschaft Intelligenz, und der von ihr handelnde Theil der reinen Philosophie ist der Theoretische. „Er wird gegründet auf den von den Grundsätzen abzuleitenden und durch sie zu erweisenden Begriff der Vorstelln nz überhaupt." — Das durch das Nichtich beschränkte Ich ist das Subjekt — das durch das Ich beschränkte Nichtich ist das Objekt — und die gegen, festige Beschränkung derselben giebt die Vorstellung. Das Ding an sich, als ein Ding, das unabhängig vom Ich entweder von Hllem Ich oder nicht durch das Ich gesetzt wäre — ist dadurch in seiner ganzen Blöße aufgedeckt, ohne daß man das vom Ich Verschiedene und demselben Entgegengesetzte, ohne n. d. transcettd. Philosophie überhaupt. ZZr ohne welches sich nicht nur weder Raum und Zeit noch die Catcgoricn, sondern nicht einmal ein Objekt, und das Ich nicht als Sub- jckt denken ließe, darum vermißte. Das Ding an sich, ohne welches und mit wett chcm die Philosophie bisher nicht zu seyn vermochte, ist nun auf immer cnträchfclt. Der Widerspruch, der zwischen dem reinen, und dem durch dasNichtich beschrankten Ich, dem Empirischen, in dem theoretischen Theile unvermeidlich ist, durch den« selben nicht aufgehoben, sondern nur aufgedeckt werden konnte; wird im praktischen Theile dadurch gehoben, daß das reine Ich dgs Empirische der Beschränkung des. rxincn durch das Nichtieh en tg cg en st rohen d setzt. Der als nothwendig zu erweisende Begriff d e s S t r e b e n s wird dem zwe y- ten Theile der reinen Philosophie ziW Grun-i he gelegt. In wieferne die reine. Philosoph iß hix wichtige, hishcx weder befriedigend beantwortete. ZZ2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik wertete, noch auch bestimmt genug aufgeworfene, Frage: Wie ist innerer Gehalt, und wie ist Form der Wissenschaft in eigentlicher Bedeutung dieses Wortes, d. h. wie ist Wissenschaft selbst möglich —. Wirklich beantwortet, in sofcrne ist sie Wissenschaft der Wissenschaft überhaupt, und kann füglicher 21-isse lisch»r! tslch- rr — als Philosophie — (bloßes Streben nach Wissenschaft) heissen. „Die Frage: Welches ist der Grund unserer Behauptung, daß unsren Vorstellungen etwas ausser uns entspreche? Diese Aufgabe, die eigentliche Aufgabe aller Philosophie, wie der Verfasser der Wissenschaftslchre glaubt, nimmt die Wis» ftnschaftslehre auf, und beantwortet sie folgendermaßen: Die Vorstellung und das Objekt, das ihr entsprechen soll, sind Eines und ebendasselbe, nur angesehen aus verschiedenen Gesichtspunkten. Daß es aber aus diesen jtvey verschiedenen Gesichtspunkten angesehen werden u. d. tränscend. Philosophie überhaupt. ZAZ werden muß, liegt j» der erkennbaren und darzu wstenoen Natur der Vernunft, ist sonach nothwendig, und ist einzusehen als nothwendig. (Vorstellung und O b j c k l sind Eine und ebendieselbe Synthesis, die aus dem Gesichtspunkte des Ichs als frey, aus dem des Nichtichs als nothwendig angesehen werden muß.)" „Der Verfasset der Wissenschaftölehre, den jene Frage von seinen frühesten Jahren beunruhiget hakte, und den Kant nur vom neuen anspornte, aber (dem er) kein Genüge that, beantwortete sich dieselbe völlig unabhängig von jenem großen Manne auf seine eigene Weise Und auf seinem eigenen Wege. Erst hinterher sah er mit Ueberzeugung ein, daß Kant dieselbe Frage in ihrer ganzen Ausdehnung aufgenommen, sie beantwort, und sie gerade so beantwortet habe, w te die Wissen- schaftslchre es thut. Er halt es nicht überflüssig, dieß bey Gelegenheit zu erklären. Es beweisen? Wem sollte er den Beweis führen?" 334 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik „Erst Muß irgend jemand entweder die Wissenschaft sichre verstehen, oder die kantischm Schriften. Die erstere hat n:an znr Zeit kaum gelesen; die Letztere wird meines Erachtcns niemand verstehen, der nicht die kan tische Denkart schon mit hinzu- bringt; und es hat, gleichfalls meines Trachtens , bis diese Stunde noch keiner gezeigt, daß er sie versiehe»" Fünfzehnter Abschnitt. Meine gegenwärtige Ueberzeugung vom Wesen der reinen Philosophie, Lranscendentalphüosophie, Metaphysik. Aünts gelungener Versuch die Materid der reinen Philosophie zu entdecken und aufzustellen, Mußte nothwendiger Weise Versuche , die Wissenschaftliche Form derselben zu finden, veranlassen, unter denen Einer wirklich gelungen, und meiner gegenwärtigen Ueberzeugung nach derjenige ist, den Herr u. d. ttanöcend. Philosophie liberhaupt. ZZZ Herr Fichte, und entweder nach ihm oder zugleich mit ihm Herr Schelling, aufgestellt Habens Ich erwähne hier auch zweyer mißlungener Versuche, in wiefcrne ich dieselben benutzen kann, um meine Ueberzeugung von dem gelungenen zu erläutern; des Meinigen,, der dem letzten vorherging, und vielleicht eben durch sein Mißlingen etwas beytrug den best fern zu veranlassen — und des Neckischen/ der auf den Fich tischen folgte und desselben als eines iWlungencn erwähnt *)» Der CiNziamdglichcr Standpunkt- S. igs. Erwähnt Hr. Deck „der sonderbaren Täuschung derer, die da sie damit umgehen der Kritik der reinen Vernunft ein Fundament unterzulegen, welches der große Verfasser anzugeben unterlassen habe, bey dem wahren Ziel der Kritik gerade Vorbeygehen." — „Da ist dem Einen der Satz des Widerspruches, dem andern der des Be» lvnßtseyns, einem dritten der Satz der Beseelung, einem vierten der der Bestimmbarkeit, einem fünften das Princip der 2 chhcit, und wer weiß waS sonst noch vielen andern die Thatsache, woraus alle Philosophie quellen soll." ZZ6 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Der erste von den zwey gelungenen Vcr- suchen hat die Materie der reinen Philosophie, durch die Angabe des Unter? schiedes und des Zusammenhanges zwischen dem Transcendentalen und dem Empirischen, in der Kritik der reinen Vernunft aufgestellt. Die wissenschaftliche Form der Philosophie ist nur dadurch möglich, daß sich dieser Unterschied und Zusammenhang auf ein gemeinschaftliches Princip zurückführen lasse. Der erstr mißlungene Versuch nahm das Bewußtseyn für dieses Princip an, gicng von demselben als von einer Thatsache aus, und zeigte, daß dieselbe nur durch den Unterschied und den Zusammenhang zwischen dem Transeendentalen und dem Empirischen möglich sey. Er stellt das Bewußtseyn als den Erkennt» ißgruud dieses Unterschiedes und Zusammenhanges, und diesen Unterschied und Zusammenhang als den Real- grund u. d. kränscend. Philosophie überhaupt. ZZ7 gründ des Bewußtseyns auf. Allein eben darum leistet er nicht, was er verspricht. Aus seinem Princip sollte jener Unterschied UndZusannmtlhang abgeleitet werden; und die Darstellung dieser angeblichen Ableitung zeigt, daß derselbe von dem Princip selbst vorausgesetzt wird; und daß also jenes Princip nur zur bloßen Erläuterung keines» Wegs zur Erklärung, zur weiteren Entwickelung nicht zur wisscnschaftlichcn Begründung desjenigen, was erklärt und begründet werden sollte, brauchbar sey. Das Problem der w i sscn sch a stl iche n Trans- ten dental Philosophie, ist durch die Theorie des Dvrstellungsvermö- geus und die Idee der Element abphi» losophic nur vorbereitet, nicht einmal bestimmt genug ausgestellt, viel weniger aufgelöset worden. Die Elcm entarph ilosor p hi c leitet den Unterschieb und Zusammenhang zwischen dem traiiLcendcürnlen und empirischen aus keinem höheren Princip ab. Ihr Princip ist selbst empirisch, und sie Auüwghl vcrnt. Schrift. Th> ll. A leitet 333 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik leitet das Transcendentale aus dem Empirischen ab. Der zweyte mißlungene Versuch nimmt das ursprüngliche Vorstellen, worunter er nichts als das Transcendentale der Erkenntniß, verstanden wissen will, zum Princip an. Es versieht sich von selbst, daß hier von keinem gemeinschaftlichen Höheren Princip sowohl des Unterschiedes als des Zusammenhanges zwischen dem Transcendentalen und dem Empirischen die Rede seyn kann. Die einzig mögliche Standpunktslchre leitet freylich nicht Las Transcendentale von dem Empirischen; aber bald leitet sie dieses von jenem, und zwar als Wirkung von seiner Ursache, ab; Lald läßt sie das Empirische selbst i m Transcendentalen gegeben seyn. Der einzig gelungene Versuch, der wirklich die Philosophie als Wissenschaft begründet, nimmt das Wesen der reinen Vernunft selbst zum Princip an. Er opfert u. d. transcend. Phi'sosophi'e überhaupt. ZZY opfert weder den Zusammenhang zwischen dem Empirischen und dem Transcendentalen dem Unterschiede auf, wie die Element tarphilosophie noch den Unterschied dem Zusammenhange, wie die Stand/ punktsl ehre — sondern er leitet bcyd es aus einem gemeinschaftlichen höheren Princip, nämlich der absoluten Thätigkeit ab, und erklärt es völlig befriedigend aus dem Unterschiede und dem Zusamme - ang zwischen den ursprünglichen Funktionen jener Thätigkeit, dem absoluten Setzen, dem absoluten Entgegensetzen und dem absoluten Zusammensetzen. Das Princip, von dem die Wissenschaft sichre ausgeht, begründet die reine Philosophie sowohl ihremI n halk als ihrer Form nach, ist nicht nurErkennt- nißgrund, sondern auch zugleich derReal- grund des Tran scen dentalen als solchem; während es das Empu netze nur in svfernc begründet und erklärt, in wieferne dieses in der Transcendcnralphüvsophie allein möglich aber auch schlechterdings nothwendig ist — A 2 nam- ZchO Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik nämlich in Rücksicht auf seinen Unterschied und Zusammenhang mit dem Lranocendentalen. Aber eben darum sind die Standpunkte/ aus welchen die Kritik der reinen Ver- nunft und die Wissensch a ftsiehre das Transcendentale und Empirische der Erkenntniß betrachten und beleuchten/ eben so wesentlich von einander verschieden — wie die bloße Materie, und die Form der reinen Philosophie. Kants Standpunkt ist der kritische. Auf demscl- den war es Ihm lediglich um die Unter scheu düng des Transcendentalen von dem Empirischen zu thun — und er entdeckte durch dieselbe in dem Transcendentalen die Materie der remen Philosophie, so weit sich dieselbe ohne die Form entdecken ließ, und vor der Form (auf dem Wege der fortschreitenden Entwicklung) entdeckt werden musire> Fichtes Standpunkt ist der wissenschaf t- liche. Auf demselbe» war es vor allen um denjenigen Zusammenhang zwischen dem Transcendentalen und dem Empirischen r» u d. kranseend. Philosophie überhaupt. Z^r zu thun, durch welchen der Unterschied zwischen beyden nicht vorausgesetzt, sondern begründet wird. Dieses ist nur durch ein Princip möglich, das zugleich von dem Ein« pirischcn und dem Transcendentalen vorausgesetzt wird, und kein anderes als die reine Vernunft selbst seyn kann, die durch absolutes Setzen, Entgegensetzen und Zusammensetzen den Unterschied und Zusammenhang zwischen beyden hervorbringt, und zugleich Erkenntnißgrund und Realgrund von beyden ist. Sollte daher Fichte nicht sich selbst unrecht gethan haben, wenn er behauptet: „Die Kritik der reinen Vernunft habe die Frage: Welches ist der Grund unsrer Behauptung, daß unsren Vorstellungen etwas ausser uns entspreche? gerade so beantwortet wie die Wissenschaftslehre es thut." — Jener Grund ist freylich auch nach der Kritik der reinen Vernunft im Ich vorhanden; aber nur in wiese r n e die cmpirische Erkeirntniß (Er- I 3 fahrung) Z42 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik fahrung) in demselben als ein Faktum statt findet, und in wiefernc diese Erkenntniß ihrem transcendentalen Inhalt nach (der nur die Form derselben ausmacht) lediglich im bloßen Ich — aber ihrem empirischen Inhalt nach, durch den sie objektive Realität hat, im Ich durch etwas vom Ich Verschiedenes begründet seyn muß. Es war keine wissenschaftliche Form der Philosophie möglich, so lange jenes vom Ich Verschiedene als Grund der objektiven Realität des transcendentalen lediglich ausser dem Ich aufgesucht werden mußte. Es war Fichten vorbehalten, zu entdecken daß dasselbe als Nichtich für das Ich auch nun durch das Ich selbst, durch absolute Ent- gegensc^ung begründet seyn könne und daß man zur Begründung der Transccndentalphilor fophic nicht nöthig habe aus der reinen Vernunft selbst herauszugehen. Sollte Fichte nicht Kanten unrecht thun, wenn er behauptet, daß er sich die obige Frage „völlig unabhängig von jenem großen u. d. transcend. Philosophie überhaupt. Z4Z großen Manne auf seine eigene Weise und auf seinem eigenen Wege beantwortet habe?" Sollte nicht die Kritik der reinen Vernunft die Bedingung gewesen seyn ohne welche Fichte auf seinen Weg nimmermehr gelangt wäre, ungeachtet der weitere Weg zum Ziel der Philosophie als Wissenschaft, den Er über die Kritik hinaus genommen hat, wirklich in jeder Rücksicht sein Eigener ist? Sollte endlich Fichtc nicht uns andern unrecht thun, wenn er behauptet: „bisher habe noch Niemand gezeigt, daß er Kant verstehe"? Dieses würde freylich (mit Ausnahme Schcllings) wahr seyn, wenn es wirklich erweislich wäre, „daß sich Kant das Problem der Philosophie gerade so gedacht und aufgelöset habe, wie Fichte." Dieser Erweis aber dürfte der Kritik wohl nicht weniger Gewalt anthun müssen, als sie durch die ein zig mög« liche Standpunktslehre erfahren hat. Wozu überhaupt jenes Berufen auf den grost cn Ma n n? und würde derselbe für einen § 4 großen A44 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik großen Mann anerkannt seyn, wenn Er nur von einem Einzigen ausser Ihm selbst verstände»: wäre? Die Philosophie konnte nur so lange ynd sofcrnc, in Rücksicht auf die Kritik — hie kritische heisscn, als sie noch nicht Wissenschaftliche war. Als Kritische war sie Bedingung der Wissenschaftlichen, die keineswegs durch sie aber auch nicht ohne sie gefunden ist, Sie hat durch diese nichts von ihrem Werthe verloren, sondern vielmehr ihre Bestimmung erreicht. Warum wollten die Anhänger der Wissenschaftlichen — bcyd? untereinander vermengen. Kann die nächste Stufe die zur Wissenschaft führte, die Wissenschaft selber seyn'? Ich komme nun zu den beyden mißlungenen Versuchen, die Form der Wissenschaft zu finden, zurück. Herr Beck glaubt dieselbe in seinem angeblich einzigmöglichcn Standpunkte entdeckt zu haben, den schon die Kritik selbst in der Hauptsache festgesetzt und nur in der Methode nicht deutlich genug angegeben habe, Es war ihm sehr leicht zu zeigen, daß u. v. tränkend. Philosophie überhaupt. Z4Z paß meine Elementarphilosophie jenen Standpunkt nicht erreicht — aber desto schwer per fiel es ihm darzuthun, daß nicht auch die Kritik selbst denselben gänzlich verfehlt habe. Sie wird von ihm mit einer konvulsivischen Anstrengung, die ihren ganzen Glicderban zerreißt, auf jenen Standpunkt hingezcrret. In der ganzen transcendentalen Aesthetik kömmt selten eine Behauptung vor, die nicht gerade das Gegentheil von dem wirklich sagte, was Herr Deck sie sagen läßt; und diese sonderbare Erscheinung erklärt sich der Conline»ta- for daraus, daß die Kritik diesen Weg eingc- schlagen habe um — leichter verstanden zu werden! Alle diese Unbequemlichkeiten— durch welche die Kritik auf der einen Seite eben so sehr ins Dunkle gesetzt wird, als sie von einer andern durch sehr treffende Bemerkungen wirklich beleuchtet ist — würde sich Herr Deck erspart haben, wenn er seinen Gesichtspunkt nicht für den einzig möglichen gehalten hätte. Allerdings sind die Categ orten, als Formen der synthetischen objektiven Einheit, § 5 ein 346 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik ein ursprüngliches Vorstellen. Sie liegen nicht nur den Begriffen sondern auch den Gegenständen selber zum Grunde, die als der transcendentale Inhalt der Begriffe, in Rücksicht der objektiven Einheit/ durch sie konstituirt werden. Daher und in softrne sind sie in verschiedenen Rücksichten zugleich Vorstellung und Gegenstand; und es fallt in sofernc durch sie die Frage nach dem Bande zwischen Vorstellung und Gegenstand weg. Ferner, da durch die Ca- tcgoricn nur in Verb in düng mit Raum und Zeit reelle Gegenstände des objektiven Bewußtseyns möglich sind: so leuchtet schon dadurch ein, daß die Objekte der bisherigen rationalen Psychologie, Kosmolo- gie und Theologie keine möglichen Gegen- stände jenes Bewußtseyns seyn können. Endlich, da ohne objektives Bewußtseyn auch kein subjektives möglich wäre, so liegen die Categorien in svferne auch dem Selbstbewußtseyn zum Grunde; verdienen also auch in dieser Rücksicht den Namen eines ursprüng- u. d. transcend. Philosophie überhaupt. Z47 ursprünglichen Vsrstellens. In svfernc ist der Neckische Standpunkt richtig und lehrreich. Allein so wie der Standpunkt, aus welchem die Categoricn als ein ursprüng- liches Vorstellen angesehen werden, zum eil« zigmö glichen gemacht wird, wird er unrichtig und verwirrend. Er hebt alsdann den wesentlichen Unterschied zwischen Sinnlichkeit und Verstand, und der ste beyde verbindenden transcendentalen Einbildungskraft auf, macht die Categorien zu materialcn und formalen Bedingungen der Erfahrung, und die Empfind nutz e n und mit ihnen die ganze Erfahrungzu einem bloßen Produkte des Verstandes. Die Categoricn, sagt Herr Beck, sind der Verstatt o se l b st. Dieß kann in keinem andcrn^in« ne wahr seyn, als daß sie die ursprünglichen Handlungsweisen des Verstandes sind. Durch ste weiß ich, warum in meinem Vorstellen objektive Einheit^ Quantität, Qualität, Relation u. s. w. zu meinem Bewußtseyn gelangen, und diese Charaktere machen die Z 48 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik die formale Basis meiner ganzen Erkennt» njß aus. Aber auch nur die Fo rmale. Diejenige Realität, die Lurch die bloße Catego- rie ursprünglich gesetzt ist, — ist, wenn ich auch noch Raum und Zeit, die keine Cafe.) orten sind, zu Hülse nehme — noch nichts weiter ais der bloße Grad, intensive Größe, überhaupt. Die Materie, die in meinem empirischen Vorstellen vorkömmt, ist keineswegs durch bloße Catcgo- rien, selbst niwt durch ihre Beziehung auf Raum und Zeit gesetzt, obschon ich nicht ohne diese Bedingungen zum Bewußtseyn jener Materie gelangen kann. Die Möglicykeir der Erfahrung setzt mehr PvrauS als das was Herr Beck ursprüngliches Vorstellen nennt, und uns unter dieser Benennung darstellt. Woher dieses mehrere? Antwortet er: Es sey durchs ursprüngliche Vorstellen hervorgebracht, so frage ichr Woher und woraus? Kant nimmt ausser dem ursprünglichen Vorstellen, das dem Verstände als solchem zukömmt, u. d. transcend. Philosophie überhaupt. Z4H kömmt, ein ursprüngliches Vorstellen durch Sinnlichkeit an, welches eine Bedingung von jenem ist. Er läßt die Beziehung der Car tegvrien auf die von ihnen wesentlich verschiedene empirische Anschauung durch die reinö Anschauung vermittelt werden; erklärt den Raum nicht für die Größe selbst, sondern nennt den Raum, verbunden mit der von ihm verschiedenen Categorie der Größe, das Schema, das reine Bild der Größe. Ek unterscheidet die Empfindung nicht nur von dem, was er reine Anschauung nennt, sondern auch von der empirischen Anschauung, deren Stoff er in der Empfindung und deren Form er in der reinen Anschauung angiebt. Durchgängig unterscheidet er in der empirischen Erkenntniß das durch E > ndrücke gege > e n von dem durch die transcendentalen Vermögen begründeten, und laßt die obi cktive Erke» ntniß von dem Einen in Rücksicht auf die Mater io allein, und von dem Andern in Rücksicht auf die Form allein abhängen» Luie oas Affi- rirt< ZZO Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik cirtseyn durch Eindrücke von aussen möglich sey, läßt er dahingestellt seyn. Er geht von jenem ?! fficirtscyn bald als von einem Faktum aus— bald setzt er dasselbe als matcriale Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung voraus, und führt durch seine Lehre von Raum und Zeit und den Categorien , welche jenes Gcgcbenseyn der von ihnen selbst unabhängigen materralen Bedingung, zur Möglichkeit der Erfahrung (die nur ihrer Form «ach von ihnen abhängt) pvsiulircu — auf jenes Asficirtsevn zurück. Konnte und sollte das Empirische Gegeben seyn weiter noch ausgcmittclt werden, so ist diese Ausmittelung eine Thema, daß die Kritik der künftigen Philosophie als Wissenschaft überlassen hat, welche durch sie nicht aufgestellt, sondern nur vorbereitet werden, und zu der sie sich nur als Propadeutik verhalten sollte. Daher hat sich die Theorie des Vorstelln ngsver mögen s dadurch keineswegs vom Geiste der Kritik entfernt, daß sie zur v b j e k- u. d. transcend. Philosophie überhaupt. ZZl objektiven Gültigkeit der Categorien und deS Raumes und der Zeit etwas/ daS weder durch das vorstellende Subjekt als sol« ches, noch durch die Categorien und Raum und Zeit gegeben ist als materiale Bedingung voraussetzte; etwas was dem Subjekte in der empirischen Vorstellung als Materie dieser Vorstellung/ das den Raum und die Zeit erfüllende gegeben ist; was in soferne in der Erscheinung selbst durch Empfindung sich ankündiget/ ausser der Erscheinung aber als das dem Inhalt der Erscheinung zum Grunde liegende, durch bloße Vernunft —> als Nouincn / vorgestellt werden muß. Alles/ was der Theorie in Rücksicht auf diese Behauptung zur Last fallt/ drückt auch die Kritik der reinen Vernunft selbst. Aber in wiefcrne die Elementarphilosophie die Form der Philosophie als Wissenschaft aus den Thatsachen des Bewußtseyns abzuleiten versuchte, entfernte sie sich von der Kritik, ohne das Ziel, wonach sie strebte/ zu erreichen; welches sie in soferne noth- HZ 2 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Nothwendig verfehlen mußte, als sie bey ihrettt Versuche das vom Subjekte ver schier dene Noumcn, und die äussere Empfindung als bloße Thatsache in gegenseitiger Abhängigkeit von einander annehmen mußte. Der Verfasser hatte nochwcn» big noch vor der völligen Ausführung seines Planes zu der Ueberzeugung gelangen müssen, daß eine Transccndcntalphilosophic, die bey ihrer Begründung etwas Empirisches bloß voraussetzt, nimmermehr zu einer für sich selbst feststehenden Wissenschaft werden könne. Die einzigmögliche Standpunktslehre hat sich des entgegengesetzten Fehlers schuldig gemacht. Ihre Lranscendentalphilo- svphie prorcstirt freylich gegen alle Voraus«, setzung des Empirischen; allein sie verdrängt dasselbe, indem sie es durch nichts als Categoricn begründet seyn laßt. Das was Kant das Schema, Grad nennt, heißt Herr Bcck ein empirisches Anschauen, und ist durch bloßes ursprüngliches Vorstellen,, durch u. d. cransccnd. Philosophie überhaupt. durch Verstand, da. Aber ist auch Wärme, Kälte — Feuchtigkeit — nichts als ursprüngliches Vorstellen — bloßes Produkt des Verstandes? Oder wie können die Ca- tegorien geben, was sie nicht haben; hervorbringen, wozu ihnen kein Stoff gegeben ist? Die Frage von dem Bande zwischen Vorstellung und Objekt, die Herr Deck durch seyn ursprüngliches Vorstellen sinnlos gemacht zu haben glaubt, erhalt durch das, was man in seiner Darstellung des ursprünglichen Vorstcllens so ganz vermißt — den Grund desjenigen was keine Synthesis hervorbringen kann, was dem Verstände schlechterdings gegeben sei)» muß, wieder einen sehr bedeutenden Sinn. Sie heißt nun: Wie hängt das ursprüngliche Vorstellen, das uns Herr Deck darstellt und durch welches er uns bloß die formalen Bedingungen der Erfahrung angicbt, mit dem was er nicht darstellt — was wir aber durch unsre fünf Sinne kennen, und die Materie der Erfahrung ausmacht, zusammen? Durch die Oarstcllung des Herrn Decks kennen wir Auswahl veri,,..Schrift. Th. II. 2 nichts Z54 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik nichts weiter ais formale Gegenstände, welche die Materialien, die diese Darstellung vcr- laugnct, stillschweigend voraussetzen, — Gegenstände, die in wiefcrue sie nicht im ursprünglichen Vorstellen gegründet sind? doch wohl Dinge an sich seyn müssen. Das Objekt, das durch bloßes Vorstellen gesetzt wird, ist eben darum kein reales Objekt; und die Realität des Objektes laßt sich aus was immer für einem Vorstellen eben so wenig begreifen, als sie in einem bloßen Vorstellen bestehen kann. Herr Leck räumt den Vorzug des realen Vorsiellcns, da doch wohl nicht alles Vorstellen real ist, dem ursprünglichen ein— das in den bloßen Catcgorien bestehen soll. Er macht uns aus das Synthcsiren und Fipiren, wie er es nennt, das dabey vorgeht, aufmerksam. Mein wir finden nichts daran, ais die bloße Handlungsweise — nicht die Handlung selbst, das was bey einer Vorstellung durch Verstand überhaupt vorgeht, nicht wodurch es zum Vorstellen eines wirklichen Gc- u. d. transeend. Philosophie überhaupt. 355 Gegenstandes wird — die bloße Verkn ü» pfungsartcn zu denen wir vergebens Nach dem zu verknüpfenden uns umsehen» „Die synthetisch« objektive Ein» hcit ist der höchste Gipfel alles Der» standesgebrauch es," sagt HcrrBeck!^ Allerdings! vorausgesetzt, daß man unter Her stand im Gegensatze mit der Der» nnnst, nichts als das Vermögen durch wel» chcs jene Einheit und keine andere ger setzt, oder welches allein durch sie vorausgesetzt wird, verstehe. Aber jene Einheit ist Nicht der höchste Gipfel des Vernnnftge» brauch es in der Philosophie, nicht der' Punkt, Aber welchen die Vernunft nicht weiter hinaus» gehen kann, wenn sie den letzten Grund alles ihres Wissens aufsucht, und von dem sie ausgehen muß, wenn sie reine Philosophie als Wissenschaft ausstellen soll. Herr Deck läßt auch eine subjektive synthetische Einheit zu. Mit Recht behauptet er, daß von derselben die objektive vorausgesetzt wird. Aber mit demselben Rechte behaupten wir, daß dieß auch § 2 u,ng e» z;6 Gegenwärtiger Zustand derMetaphyflk umgekehrt der Fall sey, und daß sich diese Einheiten einander gegenseitig voraussetzen. Es muß nothwendig eine Synthesis noch hinzugedacht werden, die weder objektiv noch subjektiv ist, und die um das Eine und das Andere zu werden, etwas was nicht Synthesis ist, voraussetzt. Die ursprüngliche Synthesis, die der objektiv e n und subjektiven zugleich zum Grunde liegt, würde nimmermehr den Unterschied und den Zusammenhang zwischen jenen beyden begreiflich machen, ja! sie selbst würde nicht möglich seyn, wenn ihr nicht eine ursprüngliche Antithesis, als Bedingung ihrer Möglichkeit vorherginge, die keineswegs die Analysis ist, sondern von derselben vielmehr nicht weniger als von der Synthesis vorausgesetzt wird. Aber eben so wenig laßt sich die ursprüngliche Antithesis denken, ohne die ursprünglich eThesis vorauszusetzen, die allein diejenige Funktion der Vernunft ist, die in keiner Rücksicht eine andere voraussetzt, und in jeder Rücksicht von allen Andern vorausgesetzt u. d. transcend. Philosophie überhaupt. 357 gesetzt wird. Die ursprüngliche Synthesis selbst stellt eben so wenig jene beyden andere» Funktionen auf, als sie durch dieselben aufgc- stellt wird. Jede derselben ist Ursprünge lich, nur mit dem Unterschied, daß von d c r SynthesiS die keine andere Synthesis vor, aussetzt, die ursprüngliche Antithcsis, von dieser die keine andere Antithcsis voraussetzt, die ursprüngliche Thesis, die schlechter« dings nichts anderes voraussetzt, vorausgesetzt wird. Vermittelst dieser ursprünglichen Thesis hat die philosophirende Vernunft in der reinen Vernunft selbst den Punkt gefunden, über welchen sie beym Aufsuchen des letzten Grundes alles Wissens nicht hinausgehen kann, und von dem sie beym Aufstellen des ersten Grundes alles Wissens ausgehen muß; und der Streit über den ersten Grundsatz der Philosophie ist durch die wirkliche Entdeckung und Aufstellung, des cinzigmöglichen unter allen denkbaren Sätzen, der auf jenen Rang Anspruch machen kann, auf immer geschlichtet. Z z Wer ZZ8 Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik Wer sein eigenes Selbst, zugleich aber in verschiedenen Rücksichten, als frey und als gcnöthiget, als unabhängig und als abhängig, als reines und als empirisches Selbst, schon vor seiner Bekanntschaft mit der Wissenschaftslehre zu denken und dafür anzuerkennen gewohnt war, dem wird in der absoluten Thesis, sogleich das freye, unabhängige reine Selbst in die Augen springen. Er wird finden, daß er sich nie als frey gedacht hat, ausser sich in dieser Eigenschaft selbst zu setzen. Das was nur gesetzt wird, kann in soferns kein freyes Seyn uud kein freyesThun habeir. Wer über dieses noch mit dem Zustande der kritischen Philosophie, insbesondere aber mit der Kritik der reinen Vernunft, dem Versuch der Elcmentarphilosophie uud der einzigmsgiichenStandpunkts- kehre genau bekannt, und dem es nicht entgangen ist, daß jene Philosophie nach allen drey Vorstcllungsarten das leidige Ding an u. d. kransecnd. Philvsdphie überhaupt. Z5Y an sich, welches sie ausdrücklich verwirft, gleichwohl stillschweigend voraussetzt; der wird sehr bald und sehr leicht in der ursprünglichen Ant ithcsis, in der absoluten Negation des sich selbst fetzenden, folglich im reinen Nichtich dasjenige Etwas antreffen, was weder als Subjekt noch als Objekt, durchaus als kein Ding angenommen werden kann, gleichwohl aber in wieferne es durch das Subjekt und Objekt vorausgesetzt wird, angenommen werden muß: —> das dem reinen Ich durch dasselbe Entgegengesetzte — mit welchem und ohne welchen dasselbe nicht seyn kann. Wer endlich seinen Begriff vvm Dew u ßt- feyn nicht etwa als eine» angeblich einfachen Begriff in seiner UnbcstimmthciL- dahingestellt seyn ließ, sondern sich in demselben Subjekt, Objekt und Vorstellung in wechselseitiger Beziehung zu denken gewöhnte , und dadurch manches in der kritischen Philosophie verständlicher fand, der wird in der ursprünglichen Synthesis die Bedingung -es Unterschiedes und Zusammenhangs zwischen s 4 den Gegenwärtiger Zustand der Metaphysik dcn drc» Bestandtheilen des Bewußtseyns antreffen. Die absolute Synthcsis des Ichs und Nicht ichs setzt zugleich das Ich als bedingt durchs Nichtich und das Nichtich als bedingt durchs Ich. Das durch das Nichtich bedingte Ich ist nun das Subjekt, das empirische Ich, das sich nur in Beziehung aus ein Objekt denken laßt. Das durch das Ich bedingte Nichtich ist das Objekt, die Erscheinung, das sich nur in Beziehung auf das Subjekt denken laßt. Das gegenseitige Dedingtseyn beyder durcheinander macht die Vorstellung möglich, die daher etwas von Objekt und Subjekt Verschiedenes und auf beyde sich Beziehendes ist. Die drey Grundsätze der Wisscn- schafttlchrc, durch welche alles Absolute und Ursprüngliche angegeben, und in svserne auch die Metaphysik als Wissenschaft des Absoluten begründet und erschöpft ist, leuchten unmittelbar durch sich selbst ein; und es ist nicht ihre Schuld, wenn sie von u. d. tranSccnd. Philosophie überhaupt. Zs>i von einem Sclbstdcnker nicht verstanden und darum auch nicht wahr befunden werden. Sind sie einmal verstanden, so fallt aller Dogma ticismus und Skepticismus und der Cri ticisn>. us, in wiefecne man ihn für die Wissenschaft, für die reine Philosophie ansieht, von selbst weg. Allein wer einmal an Eine dieser Vorstcllungsarten durch müh, sam errungene Ueberzeugung, und langwierige Gewohnheit gefesselt ist, wird jene Grundsätze unmöglich durch sich selbst einleuchtend finden. An ihm muß alle Erörterung derselben, die aus ihrem eigenen Inhalt geschöpft ist, verloren gehen. Er wird die einzelnen Ausdrücke derselben nach dem Sinne seines Systemes ausdeuten , und ihren Zusammenhang bald schlechterdings unverständlich, bald widersprechend finden. Er muß also unabhängig von jenen Grundsätzen gegen sein bisheriges System mißtrauisch gemacht, und zum Verstehen des Neuen vorbereitet werden. Das erste durch die Aufstellung der vier bisherigen Fundamcntalsystemc, nämlich des Z 5 E m- Zcr durch die Reflexion über das moralische Selbstbewußtseyn (das Gewissen) sich überzeugt halt, daß die Moralität und die Z u- rechnungsfahigkeit der Handlungen zur Schuld und zum Verdienst nur Eines und Ebendasselbe sind; und daß sich diese Zu- rcchnungsfahigkcit nur unter der Voraussetzung einer sowohl von der Sclbflthatigkeit der ven der Freyheit des Willens. 365 Vernunft als von dem Streben der Begierde verschiedenen Freyheit des Willens denken lasse: — Wer sich durch die Begriffe von Dürfea und S 0 llen im Gegensatz mit Können .und Müssen, von Recht und Unrecht im Gegensatz mit Glück und Unglück, von Moralität (dem Sittlich- guten) und Iminoralität (dem Sittlich, bösen) im Gegensatz mit Nichtmoralität (dem Nichtsittlichcn) eine solche Freyheit anzunehmen genöthigct glaubt; — Wer endlich diese und keine andere Freyheit durch die Lehren: daß der Grund des Moralisch- bösen „nicht in die Sinnlichkeit des Menschen und in die daraus entspringenden natürlichen Neigungen gesetzt werden könne, weil diese uns nicht zu Urhebern haben" —> „daß der Hang zu jenem Bösen als uns durch uns selbst zugezogen und als selbstverschuldet zugerechnet werden müsse" — „daß die Beschaffenheit des Moralischbösen in einem wirklichen Widerstreit der freyen Willkühr, deren Begriff , nicht z66 Bemerkungen über die Kant. Begriffe nicht empirisch ist, gegen das moralische Gesetz bestehe, Und aus dem Begriffe des Bösen s priori, svferne es nach Gesetzen der Freyheit und der Zurcchnungsr Fähigkeit möglich ist, abzuleiten sry,^ CS. die Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft aufgestellt von I. Kanr) wirklich behauptet fand, — der dürste sich wohl mit mir in demselben Falle be» finden, die in der Einleitung zu den so eben erschienenen Metaphysischen An- sangsgründen der Rechtslehre vorkommenden Erörterungen über Begehr ungs- vcrmögen, Willen, Willkühr und Freyheit entweder unverständlich, oder unhaltbar zu finden. Es ist sehr möglich, daß der Grund, warum ich einen mir sonst sehr verständlichen Lehrer diescsmal Nicht verstehe — wenn ich ihn nicht verstehe --- in Mir selbst liegt. Mein es ist nicht weniger möglich, daß dieses bey vielen seiner und meiner Leser statt finde. Dir gegenwärtige Bekanntmachung unsrer Verlegenheit dürfte diejenigen, von der Freyheit des Willens. 367 jenigen, die Ihn besser verstanden haben, veranlassen, uns eines Besseren zu belehren. So viel ist gewiß, daß das Wort Wille für mich eine völlig andere Bedeutung hat, als welche demselben in der erwähnten E i n- leitnng beygelegt wird. In softriw kann zwischen uns Nur dbr Sprachgebrauch entscheiden, und zwar eben so wenig der partikuläre irgend einer philosophischen Sekte, als der vulgäre, sondern der gemeine, deö über die Gedankenlosigkeit des Pöbels, und die Streitigkeiten der Philosophen erhaben ist, und dem sich der Philosoph fügen muß, wenn er verständlich seyn will» S. xxvi der Einleitung heißt csr „Von dem Willen gehen die Gesetze aus, von der Willkühr die Maxi,neu. Die letztere ist i,n Menschen eine freye Willkühr; der Wille, der auf nichts anderes als bloß auf Gesetz geht, kann weder frey noch miftcy genannt werden, weil er nicht auf Handlungen, sondern unmittelbar auf die Gesetzgebung für die Maxime der Hand- A6z Ven'.cckungen über die Kant. Begriffe Handlungen (als die praktische Vernunft ftlbst) geht, daher auch schlechterdings nothwendig, und selbst keiner Nökhigung fähig ist. Nur die Willkühr kann also frey genannt werden." Nach meinen Begriffen von Vernunft und Willen gehen die Gcs ctzc ü bcrhaupk nur von der Vernunft, und geht das n> oralische Gesetz von der Vernunft in ihrem Verhältnisse zum Willen, der nicht Vernunft ist, die Maximen aber von dem Willen in seinem Verhältnisse zur Vernunft aus. Je« ncs Gesetz ist die Forderung der bloßen Vernunft an den Willen; die Maximen sind durch den Willen angenommene Maaßregeln, die entweder mit der Forderung der Vernunft übereinstimmen oder derselben widersprechen. Sowohl das Gesetz al: die Maximen setzen im Willen selbst Willkühr voraus. Eigentliche Willkühr ist, wie schon ihr Name andeutet, nur in einem Willen denkbar. Das ^rbitriiinr brntum ist ^uncigcnklichc, tropisch sogenannte, Willkühr, die den in Vorstellungen gegründeten Handlungen der Thiere von dkr Freyheit des Willens. z6ß Thiere nur in softrne beygelegt wird, als sich dabey ein Analogen des Willens äußert. Die menschliche Willkühr ist das dem Willen eigenthümliche Vermögen zu wählen (zu kühren), welches sowohl von dem Vermögen zu wählen überhaupt, als insbesondere von dem der Vernunft eigens thümlichen Vermögen zu wählen, unter, schieden werden muß. So wie keine Willkühr ohne Willen, so ist kein menschlicher Wil, ie ohne Willkühr denkbar. Ohne sie würde sich im Menschen nur ein zwar durch Raison, ncmeiit (theoretische Vernunft) modificirkech aber doch nur bloßes Begehren, kein Wollen, keine freye Selbstbestimmung in Rücksicht auf ein Begehren denken lassen. Sie findet im göttlichen Willen nur darum nicht statt, weil sich derselbe als kein Scibstbcstimmen in Rücksicht auf ein Begehren, sondern nur als absolute Selbstthätigkeit und also nur als ein Analogen der menschlichen Freyheit denken laßt. Ich kann mir daher bey einem Willen Slu6w«hl v«m. Schrift. Tb- U. A U von Z7O Bemerkungen über die Kant. Begriffe von dem das Gesetz ausgeht, und der auf nichts als aufs Gesetz geht, nichts als eine metaphorische Bezeichnung der reinen Vernunft als der Quelle der Gc, setze denken. Der eigentliche Wille, der menschliche, geht nur dann und nur in soferne auf das Gesetz, wenn und in tvicferne er (um mit Kant zu sprechen) dasselbe in seine Maxime aufnimmt. Dieses kann er aber nur in soferne, in wieferne das Gesetz keineswegs an und für sich seine Maxime ist, folglich in wieferne es nicht von ihm ausgeht; er selbst eben sowohl darauf gehen als auch nicht darauf gehen kann; in wieferne er Willkühr hat, und in der, selben und durch dieselbe frey ist. Er hört nicht auf Wille zu seyn, wenn er nicht aufs Gesetz geht; sondern beweiset sich eben auch dadurch als Wille. Was wäre denn also die eigentliche Bedeutung des Wortes: Wille? (C. v. heißt es:) „Das Begehrungsvermögen, dessen innerer Bestimmung-grund, folglich selbst das von der Freyheit des Willens. Z7I das Belieben in der Vernunft des Subjektes angetroffen wird, heißt der Wille. Der Wille ist also das Vegehrungsvermögen, nicht sowohl, Wie die Willkühr, in Beziehung auf die Handlung, als vielmehr auf den Bestimmungsgrund der Willkühr zur Handlung, betrachtet, und hat selber vor sich eigentlich keinen Destimmungsgrund, sondern ist, soferne er die Willkühr bestimmen kann, die praktische Vernunft selbst." — Ich gestehe, daß ich den Willen weder für ein Begeh- rungsvermögen, noch auch für praktische Vernunft gelten lassen kann. Nicht für ein Bcgehrungsvermögenr denn sowohl durch den bestimmten Sprachgebrauch als durch Reflexion über das Selbstbewußtseyn wird das eigentliche Wollen, als das sich entschließen, von dem bloßen Begehren, das mit oder ohne Entschluß stattfindet, unterschieden. Begehren ist ein durch Lust und Unlust ( von was immer für einer Art) begründetes Streben — welches nothwendig im Subjekte wirkt—> Wollen Aas ist Z72 Bemerkungen über die Kant. Begriffe ist Selbstbestimmung durch Freyheit, wo, bey das Subjekt selbst wirkt. Aber freylich ist kein Wollen ohne Begehren möglich — denn Wollen ist Selbstbestimmung der Person zur Befriedigung oder Nichtbcfricdrgung einesBegehrens, und der Wille kann nichts beschließen, wenn nicht durch das Degchrungsvermögcn Veranlassung und Stoff dazu gegeben ist. In der einmal beliebten Eintheilung der Vermögen des Gemüthes wird der Wille zum Begehrungsvcrmögc», wie die Denk- kraft zum Erkcnnrnißvermögen gezählt; und das mögen sie auch, vorausgesetzt: daß man den wesentlichen Unterschied zwischen Wollen und Begehren, — Denken und Erkennen, ohne welchen man auch ihren Zusammenhang nimmermehr zn kennen vermag, nicht aus dem Auge verliere. Wenn der gemeine Sprachgebrauch nicht nur ncugcborncn Kindern, Wahnsinnigen, Betrunkenen, nicht nur den ihre Begierden üussernden Thiere», sondern auch leblosen Din- -en, von der Freyheit des Willens. Z7Z gen, durch die etwas ju geschehen im Begriffe ist, ein Wollen beylegt; so thut er dieses nur in einem tropischen, metaphori» scheu Sinne, den nur der vulgäre Sprachgebrauch nicht von dem eigentlichen zu unterscheiden vermag. Der philosophische Sprachgebrauch, wenn er nicht in eine» Partikulären ausarten will, muß sich freylich an den gemeinen anschließen; aber er wählt immer die eigentliche und zwar die engste Bedeutung, die auch seinen genauer bestimmten Begriffen allein entsprechen kann. — Fast noch mehr scheint sich Sprachgebrauch und Selbstbewußtseyn dagegen zu erklären, daß der Wille in irgend einem Sinne praktische Vernunft seyn könne. Er ist kein Wille, wenn er nicht guter und nicht böser Wille seyn kann. Die Praktische Vernunft kann keines von beyden seyn. Es ist eine und dieselbe Vernunft, die in ihrem Verhältnisse zum Erkennen und durch dasselbe auch zum bloßen Begehren die theoretische, in ihrem Vers Aa z hältnisse A74 Bemerkungen über die Kant. Begriffe hälknissc zum Wollen aber die praktische heißt. Die Angcmeffcnhcit des Wollens (durch die bloße Freyheit desselben) zur praktischen Vernunft ist das gute Wollen — so wie die Angen'.essenheit des Begehrens zur theoretischen Vernunft das vernünftige B e g e h r c n ist. Die Praktische Vernunft als praktisch beym Wollen — d. h. als Gesetzgebend für die Freyheit des Willens wird vorn guten und vvm bösen Willen gemeinschaftlich vorausgesetzt, und kaun daher kein Wille selbst seyn. Wäre die praktische Vernunft der Wille, so müßte entweder der sittlichbsse Mensch gar keinen Willen haben, oder seine Praktische Vernunft das Böse thun, und der S it t! ich gu te könnte nichts wollen als das Gesetz. Der Wille, als Praktische Vernunft, kann nichts als das Gesetz und zwar er kann es nur in der Eigenschaft eines bloßen Gesetz g e v e r s beschließen — Er kann es nicht b e- folgen, nicht in der Anwendung geltend machen. „Dafür," wird man sagen, „wäre dieWiil- iühr da, dir Kant von dem Willen unterscheidet, von der Freyheit des Willens. Z75 scheidet, und alsfrey erkennt." Wir wollen sehen, was diese Willkühr kann oder nicht kann. Seite v. und ve. heißt es von derselben: „Die Freyheit der Willkühr ist die Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnliche Antriebe; dieß ist der negative Begriff derselben. Der Positive ist das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu seyn." Also auch die Willkühr, die keineswegs das Gesetz giebt, sondern dasselbe befolgcn solk, und nur in wicfcrne sie frey ist befolgen kau n, wäre nur in soferne frey, als sie nicht Willkühr, sondern auch wieder — wie der Wille — die Praktische Vernunft selbst wäre! Die reine Vernunft gäbe das Gesetz, und hieße Wille; sie gäbe es aber nur sich selbst und befolgte es auch nur selbst, und hieße freye Willkühr! Beydes wäre Ein und derselbe Akt der bloßen Vernunft, der nicht einmal in der bloßen Reflexion durch irgend ein denkbares Merkmal, sondern durch bloße Worte unterschieden wäre! Die Willkühr würde durch das was sie frey machen soll, Aa 4 schlechr Z76 Bemerkungen über die Kant. Begriffe schlechterdings aufgehoben. Sie wäre nur negativ frey, in wieserne sie durch sinnlichen Antrieb nicht bestimmt würde, und sie würde erst dadurch positiv frey, daß es ihr schlecht terdings unmöglich wäre sich durch sinnlichen Antrieb bestimmen zu lassen, daß ihr das was sie ihm, oder vielmehr was die Vernunft an ihrer Stelle thut, zum einzigmöglichen würde, daß sie nicht lassen könnte was sie thut, daß sie aufhörte Willkühr zu seyn. Und doch soll die Willkühr etwas vom Willen Verschiede- ncs seyn, weil von ihr die Maxime«, von ihm die Gesetze ausgehen? Allein wenn die Willkühr keine andere Selbstthötigkeit hat, als die der Praktischen Vernunft, so sind ja die M aximen, die von ihr ausgehen, nichts als Gesetze? Sie kann das Ersetz weder in ihre Maxime aufnehmen noch dasselbe davon ausschließen: denn sie hat keine Maxime, die nicht das Gesetz selbst wäre. Daher ist auch der sogenannte kategorische Imperativ (das Sollen) schlechterdings unmöglich, der sich nur unter der Voraussetzung denken läßt, daß von der Freyheit des Willens. Z77 daß die Maximen des Willens nicht nothwendig mit dem Gesetze übereinstimmen. Ist diese Uebereinstimmung nur dadurch möglich, daß die durch sich selbst praktische Vernunft sowohl das Gesetz als die Maxime aufstellt: so ist dieselbe, wo sie statt findet, schlechthin nothwendig, und wo sie nicht statt findet, unmögli ch. Das Gesetz, das durch Vernunft gegeben undbefvlgt wird, ist ein bloßes Na t u r g c se i; und durchaus nicht das Moralische. Es ist nur gegeben, wenn es befolgt wird; wird dadurch befolgt, daß es gegeben ist, und wenn und in wiefcrne es gegeben ist, wird es unvermeidlich befolgt. Es gilt nur für die Falle, bey welchen es befolgt wird, und kann daher nie übertreten werden. Seine Nich tb efo lg ung kann keine Ilebcrtretung seyn. Aber sie ist eine nothwendige Folge des Umstandes, daß die menschliche W illküh r in gewissen Fällen keine negativ ^Freyheit, keine Unabhängigkeit von sinnlichen Antrieben hat — keine mcnschliche Willkühr ist, und daß die positive Frey- Aa 5 heit 378 Bemerkungen über die Kant. Begriffe heit in diesen Fällen nicht wirksam, die praktische Vernunft nichtpraktisch ist. „Die Willkühr," heißt es S. v. „wek- che durch Neigung (sinnlichen Antrieb, üimn- lus) bestimmbar ist, würde die thierische Will- kühr (ävdirrinnidruruw) seyn. Die ine lisch- IjcheWillkührist dagegen eine solche, weiche durch Antriebe zwar afficirt, aber nicht bestimmt wird, und ist also für sich ohne erworbene Fertigkeit der Vernunft nicht rein, kann aber doch zu Handlungen aus reinem Willen bestimmt werden." Die Handlung, bey welcher die menschliche Willkühr zwar durch Antriebe afficirt, aber nur durch praktische Vernunft bestimmt wird, wäre sonach die Moralischgute; diejenige hingegen bey welcher die menschliche Willkühr durch Antriebe nicht nur afficirt, sondern auch bestimmt würde, wäre die Moralisch böse? Nein! denn dieWillkühr, welche durch sinnlichen Antrieb bestimmbar ist, ist die thierische; die menschliche wird nur dadurch afficirt, nicht bestimmt. Der von der Freyheit des Willens. A7y Der menschlichen Willkühr als solcher sind nur moralisch gute, keine moralischbösen Handlungen möglich: und da die thierische Willkühr nur nichtmoralische Handlungen zuläßt: so find die Moralischbösen überhaupt unmöglich! Nichts dcsivweniger wird behauptet, daß die menschliche Willkühr an und für sich und ohne erworbene Fertigkeit der Vernunft nicht rein seye. Was heißt hier nicht rein? oder vielmehr: was heißt hier rein seyn? nichts empirisches enthalten, nicht afficirt seyn? muß sie in diesem Sinne als menschliche Willkühr nicht immer nichtrcin bleiben? und warum follre sie es auch nicht, wenn sie nur nicht durch sinnliche Antriebe bestimmt wrrd? und dagegen wäre ja! durch die das Gesetz gebende und ausführende Vernunft gesorgt! Und wie soll sie durch crworbcue Fertigkeit der Vernunft rein werden? Kann es die Vernunft dahin bringen, daß die menschliche Willkühr das Afficirtwerden entbehren könne? Wird die Willkühr nur dann erst durch Der- AZO Bemerkungen über die Kank. Begriffe nunft bestimmt, wenn sie nicht mehr durch sinnliche Antriebe afficirt wird? Was sind das für Handlungen, welche die Willkühr in der Zwischenzeit ihrer Unreinheit und bis zur erworbenen Fertigkeit der Vernunft vornimmt? sind diese Handlungen durch Antriebe bestimmt, so gehören sie nicht der menschlichen Willkühr an — sind sie durch praktische Vernunft bestimmt, so gehören sie dem reinen Willen und der reinen Willkühr an? Kann die praktische Vernunft eine Fertigkeit erwerben? Ist sie nicht absolutes Vermögen? Kann eine Fertigkeit, welche moralisch (Lugend) seyn soll, durch eine Uebung, die nicht schon moralisch ist, angenommen werten? — Ich gestehe, daß ich alle diese Fragen durch die kan tischen Begriffe von Willen und Willkühr eben so wenig abzuweisen als zu beantworten vermag. Aber freylich kann ich mir auch keine eigentliche Willkühr denken, die durch etwas anderes als durch ihre eigene Freyheit bestimmt — keine die afficirt werden könnte. Das Subjekt von der Freyheit des Willens. ZZt ^e k t der Willkühr muß afficirt werden können und sogar wirklich afficirt seyn — aber es muß auf das Subjekt ankommen: ob es sich durch das 'Afficirtscyn, oder durch die prak tische Vernunft bestimmen lasse/ oder eigenklu cher/selbst bestimme; und nur in softrne hat es Willkühr, und kann durch dieselbe das Gesetz beobachten und übertreten. Nicht die Lurch sinnlichen Antrieb überhaupt — sondern die lediglich durch sinnlichen Antrieb bestimmbare, und eben dadurch auf ein Lim zig möglich es beschränkte, eben darum nur uneigentliche, nur tropisch, sogenannte Willkühr — die v ernunftlose, ist die thierische. Die menschliche ist zwar durch sinnlichen Antrieb, aber nicht einzig dadurch; sie ist auch durch praktische Vernunft bestimmbar; sie ist nie vernunftlos, und kann nie vernunftlos, aber sie kann vcrnunftmäßig und vernunftwidrig handeln, weil sie sich sowohl durch Antrieb als durch Vernunft bestimmen kann. Sie kann beydes; weil sie Eines von bey- ZZ2 Bemerkungen über die Kant. Begriffe den nur durch sich selbst kann. Das mvraltschgut Handelnde in ihr ist nicht die Vernunft, sondern sie selbst durch Verminst— das mvralischböse Handelnde in ihr ist nicht der sinnliche Antrieb, sondern sie srlbst durch denselben. Die Vernunft ist Lurch sich selbst praktisch, in wicfcrne sie unabhängig von, sinnlichen Antrieb ein Gesetz vorschreibt, das nur durch die von ihr und vvm sinnlichen Antrieb unabhängige Will- kühr befolgt werden kann; sie ist praktisch, nicht in wieferne sie selbst thut, was sie gebietet, sondern in wicfcrne ihr Gebot der einzige Grund des Thuns und Lassens der Freyheit seyn soll; sie ist praktisch in wieferne sie lediglich durch sich selbst dem W-Ilcn vorschreibt die Vernünftigkcit zum Dcstimmnngsgrund anzunehmen. Dieses ist ihre ganze Praxis — welche sie auch beydyr moralischböscnHandlung ausübt, die ohne jene Praxis nur eine nichtmoralischc Handlung wäre. Die Vorschriften der Vernunft gelten auch für das bloße Begehren (es giebt durch Vernunft modi- von der Freyheit des Willens. ZZZ modificirte Begierden), aber sie sind fürs Begehren nur dadurch Gesetze, daß Lust und Unlust auf die Seite der Vorschriften tritt, und ihnen die Sanktion der Gesetze giebt. Daher sind jene Vorschriften an sich bloß theoretisch. Ist die Willkühr nichts als Begier« d e und das ist sie, wenn sie nicht unabhängig von der Vernunft frey ist, so giebt es auch keine praktische Vernunft beym Wollen. „Die Freyheit der Willkühr," heißt es S. xvii. „kann nicht durch das Vermögen der Wahl für oder wider das Gesetz zu handeln (Illllertas iiicllkbererlliae) definikt Werden, wie es wohl Einige versucht haben; ob zwar die Willkühr als Phänomen davon in der Erfahrung häufige Beyspiele giebt." Ob dadurch, daß ich die Freyheit, die zu den mora, kischgutcn und moralischbösen Handlungen vorausgesetzt wird, von der praktischen Vernunft sowohl als vom Begehren unterscheide, und sie daher das Vermögen des Willens seinem Gesetze gemäß und zuwider zu handeln, das VmnöLcn entweder Lust und Unlust oder das Z84 Bemerkungen über die Kant. Begriffe das Gesetz zum Bestiimnungsgrund des Entschlusses zu wählen, nenne, die Freyheit de- finirt, oder nur exponirt, oder expli» cirt sey oder nicht? ob sich die Freyheit des Willens dcfiniren lasse, oder wie sie zu besinn rcn sey, und ob die Phänomene oder nur das Selbstbewußtseyn eine solche Freyheit bezeuge» könne», mag immer bey dieser Untersuchung dahin gestellt bleiben. Die Frage ist: Ob uns durch das mvralisch c Gcse tz, so wie wir dasselbe durch ein unmittelbares Bewußtseyn, als Faktum des Gewissens, kennen, die Freyheit als ein bloßes Vermögen der Vernunft angekündiget werde oder nicht? Ob durch das moralische Gesetz lediglich demselben angemessene Moralischgute oder auch demselben widersprechende, Moral, sch böse Handlungen denkbar sind, und denkbar seyn müssen oder nicht? Ob eine bloße Funktion der Vernunft eine moralischgute Handlung seyn, und der lediglich durch sich selbst Praktischen Vernunft etwas zum Verdienst zugerechnet wetde» könne? Ob die von der Freyheit des Willens. Z85 die Begierde, welche das Gesetz nie befolgen kann, dasselbe überboten? ob dieselbe mora- lischböse handeln; ob ihr irgend etwas zur Sch uld zugerechnet werden könne? Ob die Freyheit, welche das Wesen unsrer Person« lichten ausmacht, nichts weiter als eine bloße Elasticität des I ch s sey, durch welche bey gewissen (den sogenannten moralischguten) Handlungen daS Nicht ich zurückgedrängt wird, wenn und in lviefcrne dasselbe nicht stark genug ist, den Gegendruck des Ichs niederzuhalten; die aber bey den nich tmora lisch en Handlungen (die mit den sogenannten nioralischbösen völlig einerley wäre» nicht aus schnellen kann, weil die Fertigkeit dazu nicht erworben ist, oder vielmehr, weil der Eindruck des Nichtichs überwältigend ist?— Ob uns das Gewissen rausche, indem es den Werth und den Unwerth unsrer Willenshandlungcn nicht rn der Vernunft sondern in dem Gebrauch und dem Mißbrauch aufsucht, den nicht die Vernunft für sich und von sich, sondern wir Leibst von der Vernunft AuSwahlvmn.Schrift.TH.lt. B b machen ? Zz6 Bemerkungen über die Kant. Begriffe mache»? Ob nns das Gewissen entweder in dem Bewußtseyn der absoluten Noth« wcndigkeit des moralischen Gesetzes, oder in dem Bewußtseyn der Möglichkeit dasselbe zu übertreten, tausche? Ob jene Nothwendigkeit, und die ihr ent» gegengcsetzte Möglichkeit sich nicht gerade widersprechen, wenn nicht nur das Gesetz an sich selbst durch Vernunft nothwendig, sondern auch die Befolgung desselben durch Vernunft einzig möglich ist ? Ob uns das Gewissen durch das Bewußtseyn täusche, daß wir weder Vernunft, noch Sinnlichkeit, noch eine Zusammen- setzung dieser (ohne Dazwischenkunft eines Dritten unverträglicher) Vermögen sind, sondern daß wir Vernunft und Sinnlichkeit haben, negativ frey sind in wieferno diese beyden Elemente unter sich selbst im ewigen Widerstreit sind, — positiv frey in wicftrne wir bey diesem Widerstreit den Ausschlag geben können? Ob uns das Gewissen lausche, da es nns durch daS moralische Gesetz nichts anderes ankündigt, als daß wir diesen Ausschlag ledig- von der Freyheit des Willens. 387 lediglich zum Vortheil der bloßen Vernunft geben sollen, und daß wir denselben daher sowohl zum Vortheil als zuM Nach, theil der Vernunft geben können? Diese Fragen kann ich mir aus der kantischen Theorie der Freyheit entweder gar nicht, oder nur nach den Principien des intelligiblen Fata, lismus beantworte». „Die Freyheit, so wie sie uns durch daS moralische Gesetz allererst kündbar wird, ken, ncn wir nur als negative Eigenschaft in uns, nämlich durch keine sinnlichen Bcstim, mungsgründe zum Handeln genöthiget zu werden. Als Noumen aber, d. i. nach dem Vermögen des Menschen bloß als Zntclli, gen; betrachtet, wie sie in Ansehung der sinn, liehen Willkühr nöthigend ist, können wir sie theoretisch gar nicht darstellen." Das hier als negative Eigenschaft behauptete Vermögen durch keine sinnlichen Vestimmungs, gründe genöthiget zu werden, könnte wohl an sich einen doppelten Sinn zulassen. Es Bb r könnte Z88 Bemerkungen über die Kant. Begriffe könnte dadurch Erstens das von der Vcr- nunft verschiedene Vermögen des Ent- schlusses weder durch Sinnlichkeit noch auch durch Vernunft genöthigt zu werden — Zwey- tens das Vermögen der Vernunft selbst in seiner Unabhängigkeit von der Sinnlichkeit angedeutet sey». Daß hier nur die Zweyte Bedeutung gebraucht werde, ist aus der schon angeführten Behauptung klar: „Die Freyheit der Willkühr ist die Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnliche Antriebe, dieß ist der negative Begriff derselben; der Positive ist das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu seyn." Daß hier nicht von der bloßen Gesetzgebung (bey welcher freylich die Vernunft vom sinnlichen Antrieb unabhängig und für sich selbst praktisch ist) sondern von dem Befolgen des Gesetzes die Rede sey, ist dadurch einleuchtend, daß die Gesetzgebung der Vernunft nur als dem Willen von dem das Gesetz ausgeht, und der auf nichts als aufs Gesetz geht, zugeschrieben ist, der von der Freyheit des Willens. Z89 der weder frey noch unfrey seyn soll; daß nur der Willkühr Freyheit eingeräumt, diese Freyheit aber selbst wieder nach dem positiven Begriffe nur als das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu seyn, gedacht wird. Es wäre alfio j« der That nur eine Funktion der reinen Vernunft, die den Akt der freyen Willkühr ausmachte; die Willkühr wäre nur frey in wie» ferne sie vom sinnlichen Antrieb unabhängig ist, und sie wäre nur in softrne von diesem Antrieb unabhängig als sie Akt der bloßen Vernunft ist. — Die durch Vernunft bestimmte Nothwendigkeit hieße das Gesetz, die durch Vernunft bestimmte Nöthigung der sogenannten sinnlichen Willkühr die (freye) Erfüllung des Gesetzes; das Eine nichts als Vernunft, die da Willen, das Andere nichts als Vernunft, die da Willkühr genanntwird — dieselbe Vernunft, die thut, was sie nicht lassen kann, aber eben darum auch lassen muß, was sie nicht thun kann, und doch absolutes Vermögen ist! Und was wäre Vb z dies Zyo Bemerkungen über die Kant. Begriffe Liese Theorie anderes als eine theoretische Darstellung der bloßen Selbsithätigkeit der bloßen Vernunft? was an der sogenannten Freyheit unbegreifliches. Die unbegreifliche Freyheit ist nicht diejenige Selbsithätigkeit, die im Begriffe des praktischen Gesetzes als bloßen Gesetzes, wobey vom Willen abfira- Hirt wird, enthalten ist und durch Ferglie- Lerung desselben herausgebracht wird—son» Lern diejenige, die uns durch das Gesetz angekündigt und die durch den Begriff des Gesetzes als des Moralischen vorausgesetzt wird, die sich nur zum Behuf des Gesetzes annehmen, sich aus dem Gesetz nicht begreifen läßt, aber gedacht werden muß, weil fönst, daß durch sich selbst nothwendige Gesetz als Moralisches nicht denkbar wäre. — Sie ist die Freyheit, die durch das Gesetz postu- lirt wird, die man nur dem Gesetze glauben kann. Daß die Selbstthätige Vernunft Nicht durch sinnliche Antriebe genöthiget, wirke, und daß wenn sie den Entschluß bestimmt, derselbe nicht durch jene Antriebe bestimmt werde — von der Freyheit des Willens. Zyr -c — ist sehr begreiflich, und wenn freyseyn nichts anders als dieses heißt, so ist nichts begreiflicheres und nichts so sehr thco- retisch darstellbar als die Freyheit. Die thco- retisch unerklärbare, aber in praktischer Rücksicht nothwendig denkbare Freyheit wird uns im Sollen durch ein Müssen das kein Müssen, im Dürfen durch ein bloßes Können das kein bloßes Können ist, im Nicht- dürfen durch ein Nichtkönnen das ein Können ist, angekündiget, welches entweder nicht statt finden, oder die Vernunft mit sich selbst in Widerspruch setzen würde, wenn die Nothwendigkeit und die Freyheit, die hier zugleich unterschieden und vereinigt werden müssen, nicht in zwey verschiedene Vermögen Eines und desselben Subjektes gesetzt würden. „Nur das können wir einsehen, daß obgleich der Mensch als Sinnen Wesen der Erfahrung nach ein Vermögen zeigt, dem Gesetze nicht aüein gemäß, sondern auch zuwir V b 4 der zy2 Bemerkungen über die Kant. Begriffe der zu wählen, dadurch doch nicht seine Freyheit als in telligiblen Wesens besinnt werden könne, weil Erscheinungen kein übersinnliches Objekt, dergleichen doch die Freyheit der Wülkühr ist, verständlich machen können, und das die Freyheit nimmermehr darin gesetzt werden kann, daß das vernünftige Subjekt auch eine wider sein: gesetzgebende Vernunft streuende Wahl treffen kann; obgleich die Erfahrung oft genug beweiset, daß es gcschiecht, wovon wir doch die Möglichkeit nicht begreifen können." Mein Begriff von der Freyheit als einem Vermögen, nicht was immer für einem Gesetze der Vernunft sondern dem Moralischen — gemäß und zuwider, folglich nicht Legal und Illegal, sondern Moralischgut und Moralisch böse zu handeln, ist durchaus nicht aus der Erfahrung geschöpft, von Erscheinungen hergeleitet, aus den Illegalen Handlungen gezogen. Er ist wie der Begriff von der moralisch bösen Handlung, den die Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft, von der Freyheit des Willens. ZYZ nunft, (wie sie sich ausdrückt) nach dem bloßen Gesetze der Freyheit aufstellt, lediglich aus dem Bewußtseyn des Moralischen Gesetzes selbst, aus dem kategorischen Imperativ allein geschöpft. Auch fallt mirs nicht ein die Freyheit des Menschens als in« telligiblen Wesens besinnen zu wollen. Ich habe es nur mit der Freyheit des menschlichen Willens zu thun; der Mensch ist mir weder iutelligiblcs Wesen noch Sin» ncn wesen, sondern beydes zugleich; und ich halte ihn auch nur für frey, weil und in wieferne er beydes zugleich ist, während Kant ihn nur in wieferne er intclligibles Wesen ist, für frey zu halten scheint. Das Subjekt der transcendentalen Vermögen ist zugleich das Subjekt der Empirischen; wenn jene Vermögen nicht transcendent, sondern transcendental — d. h. sich aufs Empirische s prlcni beziehend seyn sollen. Daher kann unter jenem Subjekte keineswegs die bloße reine Vernunft verstanden werden, die als solche, freylich weder Freyheit des Bb 5 Wil- ZY4 Bemerkungen über die Kant. Begriffe Willens hat noch praktische Vernunft i st. Die reine Vernunft liegt der theoretischen und praktischen Vernunft gemeinschaftlich zum Grunde, aber sie ist an sich weder das Eine noch das Andere. Sie ist beydes nur in verschiedener Beziehung auf etwas das nicht Vernunft ist. Die Vernunft ist im moralischen Gesetze Praktisch, in wieferne sie von dem Subjekte, das sich durch Lust und Unlust bestimmen kann, fordert, sich selbst in wieferne es nicht Vernunft ist, lediglich durch Dernünftigkcik zu bestimmen. Die praktische Vernunft erhält in sofcrne nur vermittelst der von ihr verschiedenen Freyheit des Subjektes ihre Anwendbarkeit auf das Wollen, ihren Karaktcr als moralisch gesetzgebend, und das was Kant ihren Constitutiven Gebrauch nennt. Freylich kann die Freyheit nicht darin gesetzt werden, daß das vernünftige Subjekt wider die Vernunft handeln könne? Aber ist denn jenes Subjekt nichts als vernünftig? oder vielmehr kann es auch nur Vernunft haben, von der Freyheit des Willens. ZY5 ben, ohne nicht eben darum noch andere Vermögen zuhaben, ohne welche sich die Vernunft nicht denken laßt. Endlich, was soll hier das Geständniß: „die Erfahrung beweise oft genug, daß das vernünftige Subjekt eine wider seine gesetzgebende Vernunft streitende Wahl treffe, wovon wir doch die Möglichkeit nicht begreifen könnten?" Die Erfahrung bewiese das? Erscheinungen könnten also ein übersinnliches Objekt, dergleichen doch die Wahl des vernünftigen Subjektes ist, verständlich machen? Oder sollen lediglich die illegalen Handlungen, welche auch allein durch bloße Erfahrung bezeugt werden können, eingestanden seyn? Was soll denn aber an einer bloß illegalen Handlung unbegreifliches seyn? Die Möglichkeit einer illegalen Handlung in wicfcrne sie keine Moralität hat, keiner Zurechnung fähig, mit einem Worte: nicht frey ist, springt in die Augen. Wird also von der Erfahrung, die uns über die Moralität der illegalen Handlung nichts sagen kann, weggesehen; und hält man sich Zy6 Bemerkungen über die Kant. Begriffe sich an das intelligible Wesen und an diejenige Freyheit in welcher Kant allein die Moralität aufgesucht wissen will, an das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu seyn, so begreifen wir nicht etwa nur nicht wie das Subjekt unmoralisch handeln könne: sondern wir begreifen wirklich, daß es nicht unmoralisch Handel» könne; die moralisch böse Handlung wird nicht unbegreiflich, sondern schlechterdings unmöglich. „Ein Anderes ist einen Satz der Erfahrung einräumen, ein Anderes ihn zum Erklärungsprincip (des Begriffs der freyen Millkühr) und allgemeinen Unterscheidungsmerkmal f vom ar- ditrio drntv t. tervo) machen, weil das Erste nicht behauptet, daß das Merkmal nothwendig zum Begriff gehört, welches doch zum Zweyten erforderlich ist." Es braucht hier nicht mehr wiederholt zu werden, daß mein Begriff von der Freyheit jenen Erfahrungssatz ganz auf sich selbst beruhen läßt, und von demselben schlecht von der Freyheit des Willens. Z97 schlechterdings keinen Gebrauch macht. Mein Erklarungsprincip der Freyheit ist das in0rar lische Gesetz, dessen bestimmter Der griff eine von der praktischen Vernunft vcrschie, dcne Freyheit posiulirt. Aber sollte der Begriff, den die Kritik der praktischen Vernunft, den Kant überhaupt vorn morar li sehen Gesetze aufstellt, schon bestimmt genug seyn? Er hat unübertrefiich gezeigt, daß das moralische Gesetz in der unabr hängig von sinnlichen Antrieben, und durch sich selbst gesetzgebenden Vernunft gegründet sey. Aber sollte die Vernunft nur im moralischen Gesetze praktisch seyn und heissen können? Sollte Sie nicht in Rücksicht anfalle diejenigen Funktionen praktisch seyn, in welchen das was nicht Vernunft ist, von Ihr abhängt? wie sie in Rücksicht auf diejcni» gen Funktionen theoretisch ist, in welchen sie selbst von etwas das nicht Vernunft ist, abhängt? Sollte es keine praktischen Gesetze geben, die nicht das moralische sind? Ist die praktische Vernunft nur beym Wollen thä- zyZ Bemerkungen über die Kant. Begriffe thätig? oder ist nicht vielmehr ihre Thätige keit beym Wollen nur die einleuchtendste, und diejenige, an welcher dieser Charakter der Vernunft zuerst entdeckt wurde? SolltcKant, dem diese große Entdeckung aufgehalten war, nicht den Begriff des moralischen Gesetzes zu weit gefaßt haben, da er demselben mit dem Gesetze der praktischen Vernunft einerley Umfang gab? Sollte er nicht dadurch genöthiget gewesen seyn, den Willen für die praktische Vernunft selbst zu erklären, und das Wollen auf die Thätigkeit durch praktische Vernunft zugleich cinzuschräukcn und auszudehnen? Ist das moralische Gesetz nur das praktische Gesetz für den Willen, so läßt sich sein unterscheidender Charakter, ohne daß es dadurch den höheren eines praktischen, und in soferne von bloßer Vernunft abhängigen Gesetzes einbüßte, nur aus dem Begriffe dcs Willens ableiten. Es ist dann dasselbe die bestimmte Forderung der praktischen Vernunft an den Willen: nicht Lust und Unlust, sondern reine Vernünfiigkeit zum von der Freyheit des Willens. Zy9 zum Destimmungsgrund seines Entschlusses zu machen. Diese Forderung setzt schlechterdings voraus, daß das Subjekt beym Wollen sich sowohl durch Dernünftigkeit als durch Lust und Unlust selbst bestimmen könne — Ware dem Subjekte nicht beydes gleich möglich; könnte es nicht sich freywillig durch das Gesetz beherrschen, und frcywillig der Begierde dienen — so würde das Gesetz, das jenes gebietet und dieses verbietet, ganz überflüssig, ja sogar unmöglich seyn. Wir dienten der Lust und Unlust, oder der Vernunft; wenn und weil wir müßten — ohne das ein Nicht- dürfen oder ein Sollen statt fände— wenn anders unter dieser Voraussetzung von einem Wir und Ich die Rede seyn könnte. Kündige: das moralische Gesetz keine andere Freyheit an als die in der Selbstthätigkeit der Vernunft besteht: so ist freylich das Vermögen unmoralisch zu handeln, nicht nur ein Unvermögen sondern — unmöglich. Ist aber jene Freyheit das Vermögen der Person sich ihre Handlungsweise beym Wol- 1 4OO Bemerkungen über die Kant. Begriffe len, durch Wahl, zu bestimmen, so ist daL Vermögen unmoralisch zu handeln kein Unvermögen, sondern dasselbe Vermögen, ohne welches sich auch kein moralisch» handeln denken läßt. m. III. Aphorismen über das äussere Recht überhaupt und insbesondere das Staatsrecht. §. i. Die äussere Freyheit des Willens ist das in der inneren Freyheit desselben gegrün, dete Vermögen äusserlich thätig zu seyn. Sie ist mit der äusseren Freyheit der Person, die im Ungehindcrtseyn von aus- seither besteht, durch die Abwesenheit des Hindernisses gesetzt, und durch die Anwesenheit desselben aufgehoben wird, nicht zu verwechseln. Sie wird von dieser vorausgesetzt, und wird, in wieferne sie in der in- Auswahl v«m. Schrift. Th. U. ss e neren 4O2 Ueber das äussere Recht überhaupt neren Freyheit gegründet ist, durch kein äusseres Hinderniß aufgehoben. Sie ist äusseres Vermögen der inneren Freyheit des Willens — und folglich nicht der Selbstthätigkeit der praktischen Vernunft, sondern desjenigen Vermögens, das sich nicht nur zur Handlung, sondern auch zur Weise des Handelns — (der Vernunft gemäß oder zuwider^ selbst bestimmt. Sie ist also weder "bloße Zwangslosig- keit des Willens, noch Selbstthätigkeit -er Vernunft. Sie besieht im Begriffe des äusseren Rechtes auch dann noch, wenn ihre Ausübung durch Zwang vereitelt, und im Begriffe des äussern Unrechts, wenn sie auf eine der praktischen Vernunft widersprechende Weise geschäftig ist. §. 2. Die durch Vernunft schlechthin nothwendige Einschränkung der äussern Freyheit -es Willens einer Person auf das was sich mit der und insbesondere das Staaksrechk. 40Z der aussern Freyheit jeder anderen Person verträgt, ist das äussere Recht; und die in dem Verhältnisse der Vernunft zur äusser» Freyheit des Willens gegründete Nothwendigkeit jener Beschränkung, heißt das Rechts- Zcsetz. Sowohl das Rechtsgesetz, als das Sittcngesetz, ist in der praktischen, dem Willen gesetzgebenden Vernunft gegründet; aber darum sind beyde nicht weniger verschieden. In dem letzter« fordert die Ver, nunft von der Freyheit des Willens, daß sie die Vernünftigkeit zum Grund ihres Thuns und LasscnS annehme, oder was dasselbe heißt, das Gesetz zu ihrer Maxime mache. Sie setzt die Bedingung fest, unter welcher, in wieferne die Freyheit sich derselben unterwirft, ihr Entschluß der Vernünftigkeit nicht widersprechen kann, welches die innere Beschaffenheit der sittlichguten Handlung ist. Daher laßt sich das Sirtengcsetz nur durch die innere Freyheit als solche — und nur durch die Absicht des Entschlusses befolgen. Das Rechts- Cc 2 gesetz 404 Ueber daö äussere Recht überhaupt gesetz hingegen ist die Forderung, welche die Vernunft an den Willen, in Rücksicht auf sein äusseres freyes Vermögen als solches, thut, und wodurch sie die Bedingung fest- fetzt, unter welcher die äussere Thätigkeit der Freyheit als solche der Vernünstiglcit nicht widerspricht, und mit der Forderung an die Innere Freyheit einstimmen kann, ohne darum wirklich mit derselben einzustimmen. Das Rechtsgcsetz gilt also unabhängig vom Sittengesctze, und kann durch Handlungen befolgt werden, durch welche jenes übertreten wird. Die äussere Freyheit einer Person als Freyheit kann sich mit der Freyheit der übrigen Personen vertragen und nicht vertra» gen. Also nicht, was immer für eine, föne Lern nur die durch Vernunft bestimmte Verträglichkeit der äusseren Freyheit ist äusseres Recht. Der äussere Charakter der Rechtlichkeit ist die Verträglichkeit des ausser» freyen Thun und Lassens einer Person mit und insbesondere das Staatsrecht. 425 mit der Freyheit jeder Person — oder der Freyheit aller. §« 3 « Mit dem äusserlich rechtmäßigen Thun und Lassen ist nothwendig die Befugniß verbunden, jeder Person, die dasselbe zu hindern strebt, Zwang entgegen zu setzen; alles äussere Recht ist daher ei» Zwangsrecht. Nur dasjenige freye Thun und Lassen ist mit der Freyheit eines jeden unverträglich welches ein Thun und Lassen zu hindern strebt, das mit der Freyheit eines Jeden verträglich ist. Hingegen hebt der Widerstand gegen ein mit der Freyheit eines Jeden unverträgliches Thun und Lassen nur diese Unverträglichkeit auf; stellt die Verträglichkeit wieder her; und ist mit der Freyheit eines Jeden verträglich. Durch dasselbe Rechtsgcsetz, durch welches der angreifende Zwang unrechtmäßig ist, ist der vertheidigende rechtmäßig. Cc - Die 406 Ueber das äussere Recht überhaupt Die Vernunft würde die Ausübung des äusseren Rechtes unmöglich machen; sie würde das Recht der Macht und dem Unrecht preis geben, wenn sie nicht der Freyheit den vertheidigenden Zwang einräumte. Die Recht m ä« ßigkeit dieses Zwanges ist also Bedingung der Ausübung alles äusseren Rechtes, und dieses läßt sich daher auch als die durch Den nunft bestimmte Möglichkeit eines Zwanges denken, durch den die Freyheit eines Jeden auf die Verträglichkeit mit der Freyheit eines jeden Andern beschränkt wird. (. 4 « Derjenige Zustand der Personen, welcher je Der Person die Ausübung ihres äusseren Rechtes äusserlich möglich, und die Aus, Übung des äusser» Unrechtes äusserlich unmöglich macht, heißt der rechtliche Zustand, und läßt sich nur durch Vereinigung der Personen zu einer rechtlich zwingenden Ueber in acht de-sten, welche der Staat in weiterer Bedeutung heißt. lind insbesondere das Staatsrecht. 407 Der rechtliche Zwang ist nur in so ferne äusserlich möglich, als physische Ueber- macht über den unrechtmäßigen Zwang vorhanden ist. Diese ist keineswegs in jedem Einzelnen gegen Jeden Einzelnen, vielwc- nigcr gegen Mehrere, sondern nur in Allen vorhanden. Vereinigung der physischen Kräfte eines Jeden zu einer Macht Aller ist daher nothwendige Bedingung der ausser» Möglichkeit der Ausübung des Rechtes für Jeden. Die Vernunft, welche die äussc- r e Möglichkeit des rechtlichen Zwanges nicht selbst aufstellen kann, aber nothwendig voraussetzt (postulirt), fordert daher durch das Rech legesetz jene Vereinigung, und kons stituirt in soferne -> priori den Staat als äussere Bedingung alles äusseren Rechtes. Der Zustand der Personen, in welchem jede ihr Recht von ihrem physischen Vermögen abhängen lassen muß; folglich der rechtliche Zwang als Recht eines Jeden äusserlich unmöglich ist, der sogenannte Naturstand, ist daher ein widerrechtlicher Zustand. 4c>Z Ueber das äussere Recht überhaupt tz. 5. Die Begründung des Staates durch das Rechtsgesetz läßt sich nur unter der Idee eines allgemeinen Willens, der die Möglich- keit eines rechtlichen Zwanges zur Vertheidigung der Rechte eines Jeden zum Gegenstand hat, — und unter der Idee des ursprünglichen Vertrages denken, der Einerseits aus dem Entschlüsse Aller, die Freyheit eines Jeden durch die Macht Aller auf die Verträglichkeit mit der Freyheit eines Jeden einzuschränken, Andererseits aus dem Entschlüsse eines jeden, alles zu thun und zu lassen, was zur Wirklichkeit und Wirksamkeit dieser Anstalt nothwendig ist, besteht. Das physische Vermögen jeder Person sieht unter der Freyheit ihres Willens, und die Vernunft kann den Gebrauch desselben nur durch ihre Forderung an den Willen bestimmen. Sie kann daher auch das physische Vermögen in jeder Person nur vermittelst des Willens jeder Person zu einem G a m und insbesondere das Staatsrecht. 42) Ganzen vereinigen, die Macht aller nur durch einen allgemeinen Willen möglich machen, und diesen Willen nur durch das Rechtsgcsetz bewirken, das heißt ihn nur in einer bloßen, aber durch ihr Gesetz, nothwendigen Idee aufstellen. Die Wirklichkeit des allgemeinen Willens wird keineswegs zur rechtlichen De- gründung des Staats vorausgesetzt. Der Wille eines Jeden kaun sich auch durch sinnliche Antriebe (durch Selbstliebe) best.mmen. Bestimmt er sich wirklich durch dieselbe: so wird jeder nur sein eigenes äusseres Recht, als das Scinigc, nicht das Recht eines Jeden gesichert wissen wollen; und dieser Wille eines jeden wird als allgemeiner Wille sich selbst widersprechen. Bestimmte sich aber der Wille eines Jeden nach dem Rechtsgcsetze, folglich für das Recht eines Jeden, wäre folglich der allgemeine Wille wirklich vorhanden: so würde er jeden rechtlichen Zwang überflüssig machen, und die Nothwendigkeit eines Staates, den er doch be- Cc Z grün- 4lO Ueber das äussere Recht überhaupt gründen sollte, aufheben. Die Rechtlichkeit des Staates setzt daher bey der Nothwendigkeit des Rechts die Möglichkeit des Unrechts, folglich einen allgemeinen Willen, der da vorhanden seyn soll, aber nicht vorhanden ist, voraus. Dasselbe gilt von dem ursprünglichen Vertrag. Ohne ausscrlichc, bestimmte Möglichkeit eines rechtlichen Zwanges, labt sich keine äusserlich bestimmte Nechtskräf- tigkeit eines Vertrags denken. Ein für jeden wirklich, und äusserlich, geltender Vertrag ist nur durch den Sraat und im Staate möglich. Allein das Rechtsgc- setzt verpflichtet jeden Einzelnen zu dem Entschlüsse: den Gebrauch seines physischen Vermögens, so weit derselbe zur Möglichkeit eines für jeden geltenden rechtlichen Zwanges nothwendig ist, an Alle zu übertragen, und verpflichtet Alle, zu dem Entschlüsse: die vereinigte Macht aller für das Recht eines Jeden zu gebrauchen. Der ursprüngliche Vertrag ist daher durch Vernunft schlechthin noth- w c n- und insbesondere das Staaksrccht. 411 wendig, folglich zwar durch eine bloße, aber praktisch nothwendige Idee, aufgestellt. §. 6 . Der 'allgemeine Wille, daß ein rechtlicher Zustand vorhanden seyn soll, begreift drey Maximen in sich, welche den Inhalt des ursprünglichen Vertrages, und die Grundgesetze jedes rechtmäßigen Staates ausmachen. Der allgemeine Wille beschließt nämlich 1) Daß die Freyheit eines Jeden durch die Macht Aller beschützt werde. (Grundgesetz der bürgert i« chcn Freyheit.) 2) Daß die Freyheit eines Jeden durch die Macht Aller beschränkt werde. (Grundgesetz der bürgerlichen Unterwerfung.) 3) Daß die Freyheit eines Je« den durch die Macht Aller zugleich beschützt ^12 Ueber das äussere Recht überhaupt beschützt und beschrankt werde. (Grundgesetz der bürgerlichenGlcich- hcit.) In Kraft dieser Gesetze soll im Staate die Freyheit eines Jeden Alles was äusserlich Recht, und Nichts was äusserlich Unrecht ist, vermögen; das Recht soll von der zufälligen physischen Starke oder Schwäche jedes Einzelnen unabhängig für jeden glcichgclten; es soll weder Privilcgirte noch Unterdrückte geben können. §. 7 . Der Privatwille, der seine eigene äussere Freyheit gegen die Freyheit Anderer durchzusetzen strebt, stellt folgende den Grundgesetzen des Staates widersprechende Mapimeu auf. Er will, je nachdem er sich unter gewissen Umständen befindet: i) Daß die Freyheit eines Jeden durch die Macht eines Einzigen, oder Einiger, beschrankt werde. (Princip der bürgerlichen Unterdrückung.) s) Daß und insbesondere das SkaalSrecht. 41z 2) Daß die Freyheit eines Jeden durch die Macht eincsJeden beschranktwerde. (Princip der bürgerlichen Anarchi e.) 3) Daß die Freyheit Vieler durch die Macht Einiger — oder die Freyheit Einiger durch die Macht Vieler beschränkt werde. (Princip der bürgerlichen Ungleichheit, das sich entweder durch privilcgirte Stände, oder durch Volksherrschaft (kuriscnlotisin) äußert. §. 8 . Nur der allgemeine Wille hat ursprünglich das Recht, die Mittel zur Wirklichkeit und Wirksamkeit der rechtlich zwingenden Gewalt zu wählen und auszuüben, und er kann dieses Recht keineswegs auf einen Jeden, sondern nur auf Einige, übertragen, in welchen alle Uebrigen die Stellvertretung dcS allgemeinen Willens anzuerkennen verpflichtet sind. Die 144 Ueber das äussere Recht überhaupt Die Wirklichkeit und Wirksamkeit der rechtlich zwingenden Macht ist nur durch Zu- sammenwirkung der physischen Kräfte Aller, folglich nur dadurch möglich, daß jeder Einzelne durch sein Thun und Lassen zu jener Zusammen Wirkung beytragt. Die Bestimmung der Größe und Beschaft fenheit dieses Beytrages ist keineswegs durch den Privatwillcn eines Jeden, sondern nur durch den allgemeinen Willen möglich und rechtmäßig. Die Uebereinstimmung des Willens in jedem Einzelnen zu einem wirklich a l l- ge meinen Willen, der die Mittel zum Endzweck des Staates zu wählen, und auszuüben hatte, würde ein Einverftänduiß in den Denkarten und einte Einhelligkeit in den Gesinnungen voraussetzen, welche durch die Verschiedenheit der Einsichten, Talente, Neigungen und Privatinteresscn äusserlich unmöglich sind. Allein und insbesondere das SkaakSrechk. 41; Allein dieses Einversiändniß und diese Einhelligkeit ist wenigstens bis auf einen gewissen Grad unter Einigen nicht un» möglich. Die ausschließende Wirksamkeit dieser Einigen ist daher Bedingung der äusseren Möglichkeit eines Staates, und Gegenstand des allgemeinen Willens. In dem Verhältnisse als die Zahl Aller, die in einen Bürgerverein zusammentreten größer ist, wird die Wahl und die Ausübung der Mittel zum Endzweck des Staates schwerer, und setzt eine Vereinigung mehre, rer und größerer Einsichten und Geschicklich, keitcn voraus. Daher muß die Zahl der Stellvertreter des allgemeinen Willens in die, scr Rücksicht eben so wenig zu klein seyn: als sie in Rücksicht auf den Grad ihres Eiuvcrr staudniffcs und ihrer Einhelligkeit nicht zu groß seyn darf. §. 9 » Das Recht und die Macht der Stellver, tretung des allgemeinen Willens heißt die höchste 4 ! 6 Ueber das äussere Recht überhaupt höchste Gewalt, und dieser Gewalt kömmt, in wicferne sie weder im Staat noch ausser demselben eine höhere über sich hat, das Prädikat der Souverainitat, in wiescrne sie das Recht hat Gesetze zu geben und keine anzunehmen — zu zwingen und nicht gezwungen zu werden — das Prädikat der Majestät zu. Den einzelnen Verwaltern der Stellvertretung kommen jene Prädikate nur im Verhältniß ihres Antheils an der Stellvertretung — keineswegs aber dem Volke als dem Inbegriff derjenigen zu, die eben darum weil sie keinen allgemeinen Willen haben, sich der Stellvertretung desselben unterwerfen müssen. §. io. Der in dem allgemeinen Willen enthaltene, und durch das Nechtsgesctz nothwendige Entschluß eines Jeden: sich Einigen als den Stellvertretern des allgemeinen Willens zu unter- und insbesondere das Skaatsrecht. 417 unterwerfen, und der Entschluß Einiger: diese Stellvertretung zu verwalten, macht einen wesentlichen Grundartikel des ur, sprünglichen Vertrages aus; und die Vereinigung der Macht aller zu einer rechtlich zwingenden Gewalt erhält dadurch erst diese, nige Bestimmtheit und Festigkeit, durch welche sie Staat in engerer Bedeutung zu heissen verdient. §. ir. In Rücksicht auf den ursprünglichen Der, trag zwischen Allen und Jeden, ist jeder Einzelne, ohne Ausnahme, Theilnchmer an dem allgemeinen Willen, Mitglied des Staates, und in soferne jedem andern gleich — Bürger. In Rücksicht auf den ursprünglichen Vertrag zwischen Einigen und den klebrigen, sind die Bürger untereinander ungleich; die Verwalter der höchsten Gewalt heissen Oberhäupter, Magistrate, die übrit gen Bürger — Unterthanen und Pri- Äuiwshl »rrm. Schrift. Th. II. Ad h § ^ 4 i 8 Ueber das äussere Recht überhaupt vatleute; alle zusammengenommen ohne die Magistrate — das Volk; mit den Magistraten — die Nation. §. 12 . Der Privatwille der Verwalter der höchsten Gewalt ist durch den allgemeinen Willen und folglich durch sein Gewisse«/ auf den Endzweck des Staates eingeschränkt; und er hat in soferne nur das Recht, die Mittel zur Wirklichkeit und Wirksamkeit der rechtlich zwingenden Macht zu wählen und auszuüben. Nichts destoweniger würde es der allgemeine Wille seinen Stellvertretern äusserlich möglich machen/ die Macht Aller gegen das Recht eines Jeden zu mißbrauchen; wenn er den PrivatwilleN derselben nicht auch äusserlich auf den Endzweck des Staates einschränkte. Der Inbegriff der rechtlichen ausser» Einschränkungen des Privatwillens der Verwalter der höchsten Gewalt, auf den Endzweck und insbesondere das Staatsrecht. 419 zweck des Staates macht die Staatsver» fassnng aus, welche in wiefcrne sie in ausdrücklichen Gesetzen aufgestellt ist, die Lonstillt tion heißt. §. iZ. Süll sich der allgemeine Wille, in der Uebertraguug seines Rechtes und seiner Macht an seine Stellvertreter nicht selbst wicersprer chen: so muß er zwar sein ganzes Recht und seine ganze Macht den gesammten Stell» Vertretern übertragen (weil ausser dem keine höchste Gewalt möglich wäre); allein er Muß dieselbe keinen Einzelnen ganz, er muß sie nur theilweise übertragen; so daß der Privatwille der Verwalter der höchsten Gewalt durch nichts von aussenher —- nicht durch den Willen des Volkes — sondern lediglich, aber desto gewisser, innerlich durch sich selber, durch den besondern Willen der Verwalter der einzelnen Zweig e jener Gewalt beschrankt werde» Dd 2 §. 14. 42O Ueber das äussere Recht überhaupt §. i4. Die Gesetzgebende Gewalt besteht theils aus dem Rechte/ die positive Staatsverfassung nach den Bedingungen der rechtlich natürlichen durch Grundgesetze zu bestimmen/ d. h. aus der konstitutivcn Gewalt — theils aus dem Rechte/ das Thun und Lassen der Bürger jenen Grundgesetzen und dem Endzweck des Staates gemäß durch allgemeingeltende Vorschriften (Gesetze) zu bestimmen/ d. h. aus der legislativen Gewalt. Die ausübende Gewalt besteht theils aus dem Rechte/ die Erfüllung der Gesetze durch Maaßregeln der Klugheit und Macht geltend zu machen/ d. h» aus der regierenden Gewalt; theils aus dem Rechte^ die Ueberkretung der Gesetze zu beurtheilen und die gesetzlichen Strafen und insbesondere das Staatsrecht. 421 Strafen auf dieselben anzuwenden — d. h. aus der richterlichen Gewalt. Durch die Vertheil» ng dieser vier rechtlichen Gewalten unter verschiedene Dermal» ter derselben, sind diese letzter», der gesammten höchsten Gewalt — wie Theile dem Ganzen untergeordnet — vereiniget sind sie mit der unwiderstehlichen Macht Aller ausgerüstet, vereinzelt das Unvermögen eines Jeden zum widerrechtlichen Zwang theilhaftig. Die Verwaltung der konstitutiven Gewalt hört durch die Wirklichkeit und Wirksamkeit der schon bestehenden Verfassung auf, und tritt nur in dem Falle einer unvermeidlichen Veränderung derselben wieder ein. Würdig der sorgfältigsten Prüfung sind die Einwendungen, die Fichte in seiner Grundlage des Naturrechtes gegen die Trennung der drey Gewalten aufstellt, und nicht Dd Z weniger 422 Ueber das äussere Recht überhaupt weniger merkwürdig als neu ist seine Idee von einem Eph orale, durch welches der Miß» brauch der drey vereinigten Gewalten zu bc» schränken wäre. Für mich indessen ist es bis itzt noch nicht entschieden, ob die Schwierigkeiten denen die Ausführung jenes Ephorats ausgesetzt seyn würde, übcrwindlichcr wären, als die Schwierigkeiten der Trennung der drey Gewalten. Die ganze natürliche rechtmäßige Verfassung ist eine praktisch« othw endige Idee, welche in der Erfahrung nur durch Annäherung erreichbar ist, und es kann keiner Con» stitution zum Vorwurf gereichen, wenn sie die Eingriffe der verschiedenen Gewalten nur beschränken, nicht aufheben kann. §. iZ. Die Verfassung, in welcher der Privat» Wille der Verwalter der höchsten Gewalt durch nichts als die natürlichen Gränzen seines physischen Vermögens und durch seine Willfahr bey dem Gebrauch von der Macht Aller beschränkt ist, heißt die Despotische; Diejenige, und insbesondere das Staatsrecht. 423 jenigc, in welcher derselbe durch rechtlichbe- stimmte Gränzen bey diesem Gebrauch beschränkt ist, heißt die Republikanische. Nur in dieser letzter» Verfassung ist der Staat, rechtlich zwingende Gewalt, und Gemein es Wesen, res pudlica. In jener aber ist er Etwas womit nach Willkühr geschaltet und gewaltet werden kann, ein rechtloser Besitz der Stärker», rcs privat. tz. rü. Die durch die positive Verfassung bestimmte Art und Weise der Verwaltung der regiere irden Gewalt heißt die Regierung sr form, und ist entweder Monarchisch, wenn diese Gewalt nur durch eine Einzige Person — erblich oder gewählt — Aristokratisch, wenn sie durch mehrere Personen erblich, Demokratisch, wenn sie durch mehrere nur für gewisse Zeit durch daS V 0 lk gewählte Personen verwaltet tpird. Dd 4 Jede 424 Ueber das äussere Recht überhaupt Jede dieser drey Regierungsformcn kann sowohl in einem despotischen als republikanischen Staate vorhanden seyn. Welche unter diesen drey Formen die zweckmäßigste sey, läßt sich nicht aus den bloßen Grundsätzen des Staatsrechts entscheiden. §. i?. In der Staatswisscnschaft muß das Staatsrecht von der Staatskunst ge- nau unterschieden werden. Jenes ist die Wissenschaft der Rechtmaßigkeit der Mittel zum Endzweck des Staats; diese die Wissenschaft der Zweckmäßigkeit dieser Mittel unter gegebenen Umstanden. Da der Endzweck des Staats kein anderer seyn kann, als das äussere Recht; so kann die Staatskunst nur in der Anwendung der Grundsätze des Staatsrechts auf die besondern Thatsachen der Ersah, rung bestehen; oder sie ist die eben so verächtliche und insbesondere das StaatSrecht. 425 liche als verderbliche Kunst Despotismus zu begründen und zu erhalten. §. i8. Das allgemeinste in der Erfahr rung gegebene Mittel das äussere Unrecht zu verhindern, besteht in derjenigen Derknür pfung des Eigennutzes mit dem Rechte, durch welche jeder Einzelne durch seinen Schaden vvm Unrecht abgehalten wird. Daher und in so ferne ist der Eü gennutz die allgemeinste Triebfeder der Staatskunst (Politik), welche durch die Klugheit und Macht der Verwalter des Staates in Wirksamkeit gesetzt werden muß» §. 19. Das rechtliche Fundament des Staates ist von dem Politischen — und beydes ist von dem Historischen zu unterscheiden. Dd 5 Das 426 Ueber das äussere Recht überhaupt Das Rechtliche ist der durch das Rechtsgesetz nothwendige allgemeine Wille, und ursprüngliche Vertrag. Das Politische sind der Eigennutz, die Klugheit und die Macht. Das Historische sind theils die Ueberzeugung von der Unentbchrlichkeit und Recht» Mäßigkeit einer höchsten Gewalt, theils die Herrschsucht der Stärker« und das Unvcrmr» gen der Schwächeren, theils die Thatsachen, Begebenheiten und Zufälle, welche die Ee» schichte aufstellt. §. ro. Eine Verfassung, in welcher das Recht eines Jeden einem bloß willkührlichen Gebrauch, der von der Macht Aller gemacht werden kann, überlassen ist, kann weder rechtlich entstehen, noch auch politischmöglich bestehen. Allein in wieferne der zufällige Despotismus der Verfassung, es sey nun der monarchische, aristokratische und insbesondere das Staatsrechk. 427 tische oder demokratische durch äussere Umstände, Gewohnheiten und Sitten wenigstens so weit eingeschränkt ist, daß er auch nur das Leben und Eigenthum des größeren Theils von einem Volke schützt; in wiefernc er die äussere Bedingung des allmähligcn Ucbergangs aus der Wildheit durch Barbarcy zur politischen und moralischen Cultur ist; in wicfcrne durch seine Zerstörung alle Sicherheit des äusseren Rechtes, die durch ihn wenigstens in einem gewissen Grade statt findet, aufgehoben würde: in sofcrnc steht er selbst unter der Sanktion des allgemeinen Willens, der nur eine Rechtliche durch keine gewaltsame Revolution mögliche Reformation der despotischen Verfassung wollen kann. Auch muß die Tyranney und Liberalität der Verwaltung, die beym Despotismus sowohl als Republikanismus der Verfassung bestehen kann, von beyden unterschieden werden. §. -r. 428 Ueber das äussere Recht überhaupt §. -i. Die Staatsverfassung ist nur in sofcrne völlig zweckmäßig, durchgängig rechtmäßig, und vollkommen, inwiefern«: sie den Privatwillen der Verwalter der höchsten Gewalt alles, aber auch nur das, zuthun und zn lassen in den Stand setzt, was Gegenstand des allgemeinen Willens seyn soll, folglich in wiefcrne durch eine solche Verfassung die Macht nichts als das Gesetz über sich hat, und gleichwohl nichts als das Gesetzliche vermag. Diese Vollkommenheit ist nur in der Idee möglich. Aber die Idee derselben ist Lurch das Rcchtsgesetz schlechthin nothwendig, und das Streben jede Verfassung derselben unauHörlich näher zu bringen, ist nicht nur Gewissenspflicht, sondern dasselbe wird auch schon durch bloße Nas turanlage herbeygcführt und eingeleitet. Denn die Selbstliebe der Unterthanen strebt unaufhörlich ihrer äusseren Be- schränr und insbesondere daö Staatsrecht. 429 schrankung durch die obrigkeitliche Macht — die Selbstliebe der Regenten strebt unaufhörlich der äussern Beschränkung ihrer willkührlichen Gewalt durch das Interesse der Unterthanen entgegen; und beyde sind in so- ferne in jeder Verfassung unvertilgbare Keime, die Eine der Anarchie, die Andere des Despotismus. Allein in wicfcrne sich diese beyden Triebe durch ihre Entgegensetzung gegenseitig äusserlich einschränken, sind sie die politisch noth wendige Bedingung einer unaufhörlichen gleichweiten Entfernung der Verfassung und Verwaltung sowohl von Anarchie als von Despotismus, und einer unaufhörlichen Annäherung zur Form eines völlig rechtlichen gemeinen Wesens. §. 22. Für den Staat und die politisch- rechtmäßige Wirksamkeit seiner Verwalter ist das äussere Recht, und folglich die äussere Freyheit eines Jeden Endzweck, und 4ZO Ueber das äussere Recht überhaupt rc. und der Regent hat in sofcrne das Wohlbefinden, und das (sittliche) Wohlvcrhalten dev Unterthanen selbst nur als ein Mittel zu jenem Zweck anzusehen und zu bewirken. Für den Lehr stand aber, und für die moralischrechtmäßige Wirksamkeit der Gelehrten und Schriftsteller, ist die äussere Freyheit nur als Mittel der Innern, und als bloße Bedingung der moralischen Kultur, Zweck. Die Aufklärung, die keine andere als die äussere Freyheit kennt, einschärft und beabsichtiget, ist also eben so widersinnig und verderblich als die Politik, welche die innere Freyheit durch Zerstörung der äusseren zu bewirken strebt. Ende des zweyten Bandes. ».»'ch s L,, c> 11 e, 8 s > »z > . 242SS ^ . ! 4- ^MWMHKWD K^MKMGMr ^ >r ix ^^^^,'^>>'^ ^'^,'7.' " v l ^WKMiSWKM »/,'<- LKWWAAW . 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