ETHIC6 ETH-BIB 00100002164172 -4 ui>i «sc#*! 7'igu gSSiii' '■WM ■ Hl JWIIIliiJI Lii H!i Iäü^T : i m\ Hii 'iLlll i lOi iü üir %Jmw cy ( x^ W 7£v • 7 '* I‘ :r '*..! :NAA«L;')!i k^^nZi ‘>IW£ V irT*. HW; M 2 mm ; ,ÄA ®m Kr.,^ i*&ä !h '«i .„a: Par 40i&f Handel und Industrie des Geschichtlich dargestellt von ADOLF JENNY-TRÜMPY. Separatabdruek aus Heft XXXIII des Historischen Jahrbuchs. hlarns Aktienbuchdruckerei Glarus 1898 IVolX. Vorbemerkung. Um das zur Verfügung stehende, weitschichtige Material übersichtlich gestalten zu können, empfahl es sich, die vorliegende Aufgabe in einem allgemeinen und einem speziellen Teil zu lösen. Der allgemeine Teil soll enthalten: I. Geschichte des glarnerischen Handels von seinen Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. II. Ein Kapitel aus der ungedruckten Chronik von Camerarius Joh. Jakob Tschudi, verfasst von ca. 1764—1774 und handelnd von der Erwerbsthätigkeit der Glarner. III. Geschichte der Textil-Industrieen des Kantons Glarus und in Parallele dazu: Skizze der Entwicklung derselben in Europa, bezw. in der Schweiz: 1. Das Wollengewerbe bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. 2. Das Leinen- und Hanfgewerbe. 3. Die Baumwoll-Handspinnerei und -Handweberei. 4. Die Bleicherei der Gespinstfasern. 5. Das Seidengewerbe. 6. Wirkerei und Spitzen. 7. Buntweberei und Garnfärberei. 8. Die Stickerei. 9. Die Zeugdruckerei von ihren Anfängen bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts. 10. Die industriellen Umwälzungen und Krisen von 1790 bis 1820. 11. Die Baumwollspinnerei und -Weberei von 1820 bis zur Gegenwart. 12. Die Zeugdruckerei von 1820 bis zur Gegenwart. 4 Im diesjährigen historischen Jahrbuch kommen die Abteilungen I, II und IIIi— III4 zum Abdruck. Im speziellen Teil soll die kommerzielle und industrielle Entwicklung der einzelnen Ortschaften oder Landesteile verfolgt,, eine Charakteristik der wichtigsten Geschäftsfirmen in älterer und neuerer Zeit gegeben und dabei das Andenken all’ der Männer aufgefrischt werden, die durch Intelligenz und Ausdauer, oft auch begünstigt durch die Umstände, das Glarnerland auf diejenige wirtschaftliche Stufe gebracht haben, welche zu behaupten es sich in der Gegenwart abmüht. Indem der Verfasser allen denjenigen, die ihn bereitwillig mit Beiträgen und Aufschlüssen unterstützt haben, seinen wärmsten Dank ausspricht, möchte er an dieser Stelle noch besonders der wertvollen Mitwirkung Erwähnung thun, die ihm Herr J. J. Kubli- Cham bei der Benutzung der Civilstandsakten des Mittellandes gewährte. Allfällig eingehende Nachträge sind stetsfort willkommen,, da dieselben im speziellen Teil berücksichtigt werden können. I. Geschichte des glarnerischen Handels von seinen Anfängen bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts. m ie Glarus als Klosterland Säckingens verhältnismässig spät in bestimmten Umrisssen aus dem Dunkel des Mittelalters auftaucht, so reicht auch die Geschichte seines Handels und seiner Industrie nicht so weit zurück wie diejenige einiger anderer Glieder der alten Eidgenossenschaft. Dagegen lässt sich feststellen, dass, sobald die alten Glarner ihre politische Selbständigkeit errungen hatten, sie nichts versäumten, die natürlichen Hilfsquellen ihresLändchens auszubeuten; als dieselben dann der wachsenden Be- Jr völkerung nicht mehr genügten, suchten sie ihr Heil nicht nur im Reislaufen, sondern waren eifrig bestrebt, das Fehlende auch durch Anhandnahme von Textil- und andern Gewerben und durch Handelsthätigkeit im In- und Auslande zu ergänzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gewerbe und Handel noch über das Mittelalter hinaus ihren Sitz vorzugsweise in den zünftigen Städten hatten und dass Glarus abseits von einem solchen Brennpunkt des Verkehrs lag. Anfänglich beschränkte sich der glarnerische Ausfuhrhandel auf die Produkte, der Land- und Forstwirtschaft und des Bergbaus, also auf Vieh, Schabzieger, Käse, Butter, Holz und Schiefer. Da in einem Landsgemeindebeschluss vom Jahr 1419 zu Gunsten eines Landeswochenmarkts im Hauptort Glarus verboten wird, auf die Wochenmärkte von Schännis und Weesen 6 „aufzutreiben“ und „aufzuführen“, dürfen wir annehmen, dass auf diesen Märkten schon in säckingischer Zeit ein bescheidener Vieh- und Produktenaustausch von Seite der Glarner mit den Bewohnern der benachbarten Gegenden statthatte. Nach der Befreiung von der säckingischen und österreichischen Herrschaft und den bezüglichen bedeutenden Abgaben wurde der verfügbare Überschuss an Landeserzeugnissen ohne Zweifel erheblich grösser und dadurch dem Handel mit denselben Vorschub geleistet. Das Rindvieh fand, wohl in Anlehnung an den schon im 14. Jahrhundert entwickelten Weischlandhandel der Urkantone, von Anfang an seinen Hauptabsatz in Oberitalien, das wie heute so auch damals fortwährend des Zuchtviehs aus den Schweizeralpen bedurfte, zur Auffrischung der im wärmern Klima degenerierenden Rasse. Diese Welschlandfahrten über die glarnerischen, bündtne- rischen und urnerischen Gebirgspässe fanden stets im Oktober zum Besuch der grossen Viehmärkte in „Lauis“ und „Bellenz“ statt. In einer gewissen Beziehung zum Viehhandel stand auch der Fellhandel und die Gerberei; die ungedruckte Chronik von Camerarius Tschudi meldet, dass die Glarner starken Fellhandel treiben, indem sie die Felle in Italien und der Schweiz zusammenkaufen und auf den Messplätzen Deutschlands wieder absetzen. Während wir keine Anhaltspunkte dafür besitzen, wann dieser Fellhandel in nennenswerter Weise in Aufnahme kam, sind wir über die Gerberei etwas genauer informiert. Es ist nämlich erwiesen, dass dieselbe in Glarus am Ende des 16. Jahrhunderts durch eine Familie „Käser“ vertreten war 1 ) und in Schwanden mindestens bis 1638 zurückgeht. Nach einer Schrift im dortigen Gemeindsarchiv wird in diesem Jahre einem Mathias Stüssi bewilligt, einen Rindenstampf (zum Zerkleinern der Tannenrinde für die Rotgerberei) dahin bauen zu dürfen, wo vor Zeiten die Eisenschmelze „in der Herren“ stand. In Niederurnen, wo noch heute einige solcher Betriebe bestehen, lassen sie sich bei einer Familie Schüttler bis an den Anfang des 17. Jahrhunderts zurückverfolgen.. Die Bereitung des Schabziegers (Kräuterkäse) hatten die Glarner ohne Zweifel schon in säckingischer Zeit sich an- J ) Der Geschlechtsname G-erwer oder Gerber kommt schon in der Spitalkollekte von 1555/58 bei 4 Individuen in Glarus vor. 7 geeignet; die Anleitung, zum Würzen des weissen Ziegers ausser dem Salz auch. den aromatischen Ziegerklee (Melilotus coerulea) zu benutzen, dürfte (nach Heer und Blumer) direkt aus dem „Doktorgarten“ des St. Fridolins-Klosters am Rhein stammen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts war der Schabzieger schon ein Handelsartikel, da eine Verordnung der Landsgemeinde vom Jahr 1464 bestimmt, dass jeder seinen Zieger gut und sauber mache, wohl umschlage, salze und stampfe, und jeder sein Zeichen in die Rinde anbringe u. s. w., was nur auf den Schabzieger bezogen werden kann. Im 16. Jahrhundert erwähnen Konrad Gessner und Stumpf des Schabziegers oder Glarnerziegers schon als einer „allbekannten Ware, welche weit in andere Lande verführet werdet In einer spätem Zeit wurde das Vermahlen des halbgetrockneten Ziegers, das Vermischen mit dem Ziegerkraut und das Umformen in kleine „Stöcke“ in den Ziegerreiben oder Ziegermühlen vorgenommen. Die erste solche wird urkundlich in Schwanden erwähnt; im Jahr 1638 wird dort dem Besitzer des Orts „Herren“, wahrscheinlich dem schon erwähnten Mathias Stüssi Platz zu kaufen gegeben, um eine Mühle, Säge und Reibe mit Andingen, bauen zu können, um den Preis von 100 fl., „nach Tod zu bezahlen, auch jährlich ein Trämmel (gratis) zu sagen“ Aus dem Wortlaut einer stadtglarnerischen Urkunde geht hervor, dass im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts auch im Hauptort eine „Ziegerreibe“ entstanden war. Im übrigen werden wir an dieser Stelle auf die Verhältnisse der glarnerischen Landwirtschaft in älterer und neuerer Zeit nicht mehr weiter eintreten, sondern verweisen diesbezüglich auf die auch in vielen andern Beziehungen noch heute unerschöpfliche Fundgrube glarnerischer Kulturgeschichte, auf das 1846 erschienene „Gemälde des Kantons Glarus“ von Prof. Dr. Oswald Heer und Dr. J. J. Blumer. Mehrere Jahrhunderte hindurch fanden die Landesprodukte, mit Ausnahme des Viehs, ihren Verschleiss vorzugsweise dem natürlichen Wasserweg entlang nach Norden und Nordwesten; da 8 derselbe somit für die Entwicklung des glarnerischen Handels von ausserordentlicher Bedeutung war, dürfte hier der Ort sein, die bezüglichen Verhältnisse, wie sie in früheren Zeiten bestanden, in deutlichen Umrissen vorzuführen. Während uns aus der Römerzeit direkte urkundliche Zeugnisse über die Schiffahrt auf Walensee, Linth und Zürichsee mangeln, ist es dagegen gut beglaubigt, dass schon im frühen Mittelalter ein reger Transitverkehr von Oberitalien über graubündnerische Gebirgspässe nach Chur, von da nach Walenstadt (in karolingischer Zeit Riva genannt), über Walensee, Maag, Linth und Zürichsee nach Zürich und von da nach Basel sich entwickelte. Kaiser Lothars I. Privileg für die bischöfliche Kirche in Chur, wonach im Jahr 843 neben vier königlichen ein bischöfliches Schiff auf dem Walensee fahren durfte, ist (nach Prof. Dr. G. Meyer v. Knonau) genügender Beweis für einen fortgesetzten, lebhaften Verkehr auf dieser von der Natur vorgezeichneten Linie. Nach Dr. Traugott Geering *) brachte der Bischof das Schiffahrtsrecht später ganz an sich; nach dem ersten noch erhaltenen Einkünfterodel befuhren den See zehn Schiffe, von freien Leuten gehalten, die dem Bischof dafür steuerten; nach dem zweiten durften diese freien Leute alle drei Jahre ein neues Schiff bauen. Von Weesen bis zum Zürichsee (Stationen Kloster Schennines und Burg Windeck) führte eine Strasse oder ein Saumweg längs der nach dem Säckinger Ur- barium von ca. 1302 ebenfalls befahrenen Linth; denn am Anfang des 14. Jahrhunderts wird zum Zoll von Windeck bemerkt, dass die Einkünfte viel höher wären, wenn die Fracht per Maultier geschähe (als per Schiff). Der im frühen Mittelalter für den Warenverkehr der Schweiz von und nach Italien fast ausschliesslich in Betracht fallende Gebirgspass war der ebenfalls unter der Oberhoheit des Bischofs von Chur stehende Septimer, der nach dem Veltlm, Chiavenna und den Comersee führte und schon 1387 für Wagen passierbar gemacht wurde. Um’s Jahr 1200 kam der Gotthardpass als neue Verbindung mit Italien auf; anfänglich, wegen verschiedener schwieriger Stellen, mehr dem Personen- ') Handel und Industrie der Stadt Basel bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Basel 1886. 9 verkehr von der Urschweiz und den nordwestlichen Kantonen her dienend, konnte er seiner Kürze wegen gegen Ende des 13. Jahrhunderts auch den Warenverkehr Luzerns und Basels und im 14. Jahrhundert teilweise auch denjenigen Zürichs an sich ziehen. 1 ) Für die Ostschweiz behielt der Septimer nach wie vor seine Bedeutung, bis er infolge von Zwangsmassregeln Österreichs im 18. Jahrhundert der westlicher gelegenen Splügenstrasse wich. Aus der grossen Zahl der unbedeutendem Saumpfade über die Alpen hebt Dr. Traugott Geering (nach Bavier) noch den Panixer hervor, der mit der Walenbrücke (zwischen Wichlen- und Jätzalp) zuerst 1471 urkundlich erwähnt werde. Zwischen dem Walensee und Zürichsee, oder genauer gesagt zwischen dem obern und untern Buchberg lag 2 ) der Tuggensee. Der durch verschiedene Urkunden über Fischereirechte für das frühe Mittelalter erwiesene Fischreichtum dieses seichten (Seebeckens lässt der Vermutung Raum, dass in dieser Epoche ein Teil der öfters trüben Fluten der Linth sich nach dem Walensee ergoss und sich so einem Reinigungsprozess unterzog. Auch die Beschaffenheit der bei dem Aushub des Linthkanals unterhalb Mollis untersuchten Erdschichten berechtigt zu der Annahme, dass in alter Zeit, und noch ins Mittelalter hinein, ein bedeutender Arm der Linth längs des Kerenzerberges in den Walensee floss. 3 ) Aus einer „Öffnung“ von Benken geht' 2 ) dagegen hervor, dass im Jahr 1322 der Fischreichtum des Tuggensees schon stark reduziert war, was darauf hindeutet, dass in der vorangegangenen Periode (also im 13. oder 12. Jahrhundert?) nun die volle Linth direkt der Maag und dem Tuggensee zugeflossen war und dessen Verschlammung eingeleitet hatte. 1 ) Erst von 1707 an, da man die sog. stiebende Brücke (ein hölzerner Steig an Felswänden in der Klemme des Kilchbergs längs der Reuss) durch die Erstellung des Urnerlochs umging, wurde der Gotthardpass dwrchgehends für Saumpferde passierbar; vorher mussten die WarenbaUen vor dem genannten Brückenpfad abgeladen und von Menschen hinübergetragen werden. Der Bau der schönen Poststrasse erfolgte erst von 1820—1832. 2 ) Nach Dr. Theodor v. Liebenau, Fischereizeitung 1893 Nr. 8. 3 ) Nach Jakob J. Weyrauch, historisch-technische Studie über den Escher- Linthkanal. 10 An dem oben erwähnten sich entwickelnden Transitverkehr Chur-Zürich-Basel konnte unser Ländchen in den ersten Jahrhunderten nicht direkt teilnehmen, da sein Gebiet vor 1415 weder bis zum Walensee noch an die Maag sich erstreckte. Dagegen sorgte der Verkehr mit dem Kloster Säckingen dafür, dass die Glarner mit der Route nach Basel vertraut wurden; sie mussten ja alle Jahre einmal die schuldigen Schafe und Rinder auf dem Landweg dorthin treiben, während sie die vielen Käse und Käslein den Fischern in Weesen, für den Wassertransport nach Zürich, zu übergeben hatten, welche hier von Angehörigen anderer säckingischer Höfe in Empfang genommen und zu Wagen nach ihrem Bestimmungsort gebracht wurden. Für das 15. Jahrhundert liegen dann positive Zeugnisse dafür vor, dass die Erzeugnisse der glarnerischen Land- und Forstwirtschaft ihren Weg zu Wasser nach auswärts nahmen; namentlich ist es wahrscheinlich, dass die Glarner an. den Geländen des mittlern und untern Zürichsee (die nach Dr. K.Dändlikers Schweizergeschichte vom 10. Jahrhundert an nach und nach entwaldet und zu Weinbergen, Wiesen und Obstgärten umgewandelt wurden) im 14. und 15. Jahrhundert ein gutes Absatzfeld für Bau- und Brennholz fanden, das auf einfache und billige Weise durch Flötzen in der Linth und auf dem See dorthin gebracht werden konnte. Ein Verbot des freien Verkaufs von Holz zur Zeit des alten Zürichkrieges deutet (nach Heer und Blumer) daraufhin. Bemerkenswert ist auch die Urkunde vom Jahr 1417 im Gemeindsarchiv von Ennenda (Nr. 156 der Urkundensammlung, VII. histor. Jahrbuch), nach welcher ein Hans Müller dem Tagwen Ennenda ein Vorkaufsrecht einräumt, auf seine wohl im gleichen Jahre erbaute „müli vnd die hofstat vnd die acher, die zuo der müli vnd der hofstat gehörent, vnd die sagen vnd dieblöuw 1 ), womit fast unzweifelhaft das dortige älteste Gewirbe, die obere Säge am Dorfbach, gemeint ist. Da nun die erste Sägemühle 2 ) in Deutsch- *) blöuw = Flachsstampfe, vergl. den Abschnitt Leinen- und Hanfgewerbe. *) Schon in römischer Zeit standen neben Hand- und Tretmühlen auch durch Wasser getriebene Kornmühlen da und dort in Gebrauch; nach der Völkerwanderung waren jedoch solche in Europa kaum mehr vorhanden. 11 land (nach Brockhaus C. L.) erst für das Jahr 1337 (in der Nähe von Augsburg), die erste in Zürich (nach Prof. Dr. G. M. v. K.) für das Jahr 1389 in Verbindung mit der „Werdmühle“ urkundlich bezeugt ist, so deutet der Umstand, dass so kurze Zeit später schon eine solche in unserm Thale auftaucht, darauf hin, dass Verarbeitung und Handel mit Holz damals schon eine gewisse Ausdehnung und Bedeutung erlangt hatten. In Glarus entstand die erste Säge, die aber später wieder einging, um 1530, bald darauf eine zweite, 1546 eine dritte, in Schwanden die erste, soweit bezügliche Nachforschungen Aufschluss geben konnten, im Jahr 1638, gleichzeitig mit der schon erwähnten ersten Ziegerreibe-, in Elm 1696. Im Jahr 1451 wurde von Landammann und Rat die erste Schiffordnung erlassen, wonach nur beeidigte Schiffleute und zu bestimmten Taxen den Verkehr zwischen der wohl um diese Zeit errichteten „Sust“ bei der Ziegelbrücke und der Stadt Zürich vermitteln durften. Wie aus derselben und andern zeitgenössischen Schriften hervorgeht, konnten die Glarner nicht nur weissen (gesalzenen und geräucherten?) und grünen Zieger, Butter, Käse und Holz nach Zürich und der Enden liefern, sondern mussten dagegen viel Korn und Salz beziehen. Der besser entwickelte Warenaustausch machte den schlecht rentierenden Getreidebau nach und nach entbehrlich. Daneben wurden sie auch für den Züricli- seewein bald gute Abnehmer und etwas später für den Oberländeroder Herrschaftswein. Im Jahr 1532 wurde zwischen Zürich, Schwyz und Glarus ein Schiffahrtsvertrag abgeschlossen für einen geregelten Transit- und Lokalverkehr von Zürich nach Grynau, Ziegelbrücke, Weesen und Walenstadt. Bei der'Sust zu Weesen 1 ) wurde, wie Im 12. Jahrhundert erfanden oder verbesserten die Holländer (nach Brockhaus C. L. ä. A.) die Windmühlen; dies scheint den Anstoss dazu gegeben zu haben, dass nun auch wieder Wasserradmühlen gebaut wurden. Deren Einführung fand aber in Deutschland kaum vor dem 14. Jahrhundert statt, sondern fast überall gleichzeitig und in Verbindung mit den Sägen oder Sagemühlen. *) Dieselbe ist ohne Zweifel viel älter als die oben erwähnte Sust an der Ziegelbrücke; es müsste denn früher eine solche auf der andern Seite 12 noch bei vielen Orten an Limmat, Reuss, Aare und Rhein ein Durchgangszoil für die Waren erhoben, dessen Ertrag zu je 1 / 3 an ■Schwyz, Glarus und die Bürgerschaft von Weesen fiel. Jeder der 3 oben genannten Stände erwählte einen Schiffmeister, alle 3 sollten die Spedition „teil und gemein“ haben, die Schiffer und Recker bezahlen und für Verwahrlosung der Güter haftbar sein, dagegen die gesetzlichen Frachttaxen für sich beziehen. 1573 folgte noch eine genauere Vereinbarung über die Rechte und Pflichten der Schiffmeister; der glarnerische, der bei der Ziegelbrücke seinen Amtssitz hatte, musste dem Landsäckel einen Pachtschilling von jährlich 150 fl. bezahlen. 1 ) Wohl ungefähr ebenso alt als die Schiffmeisterei ist die Errichtung einer Art Land-Zollstätte an der Ziegelbrücke, die sich genau bei der Vereinigungsstelle von Linth und Maag befand und wo auf auszuführendem Weh ein Brücken- und Weggeld erhoben wurde. Ob hiefür die Bezeichnung Hausmeister ei“ schon damals bestand oder ob sie erst bei Einführung des Ohmgeldes (Wein- und Branntweinzoll) im Jahr 1728 aufkam, scheint ungewiss. Im 16. Jahrhundert schon gingen öfters in Ziegelbrücke und in Walenstadt gebaute grosse Lädischiffe direkt mit ihrer Ladung bis Laufen bürg am Pthein. Erstere waren ca. 30 Meter lang und 2—2 1 ; 2 Meter tief, hatten eine Tragkraft von 500 Kilozentnern und erforderten 5-6 Mann Bedienung; letztere waren etwa 2 / 3 oder s / 4 so gross und hatten ungefähr die Hälfte Tragkraft; sie werden in Laufenburger und Basler Urkunden als „Glarner“ und „Walenstädter“ bezeichnet. 2 ) Bei der Stromschnelle in Laufenburg mussten nämlich sämtliche Schiffe ausgeladen werden; entleert konnten sie alsdann bei günstigem Wasserstand an Seilen, jedoch öfters unter Lebensgefahr für die Schiffer, durch den engen reissenden Fluss hinunter gelassen werden. Bei zu der Linth zur Erhebung des Zolles bei Schloss Unter-Windeck gestanden haben (vergl. oben S 8). Auf glarnerischem Boden entstand Weesen gegenüber eine Sust erst 1729 und zwar nur als Privatunternehmen mit beschränkten Rechten. ') Nach Dr. J. J. Blumers Staats- und Rechtsgeschichte der schweizer. Demokratieen. 2 ) Nach .J. Vetter, Schiffahrt, Flötzerei und Fischerei auf dem Oberrhein. 13 hohem Wasserstand mussten auch sie auf sog. Karren bis um die Stromschnelle herum zu Land transportiert werden. Für diese eigenartige Zwischenspedition bestand in Laufenburg seit ältesten Zeiten die Zunftgenossenschaft der „Laufenknechte“, Flösser und Schiffer, welche öfters nicht nur das Aus- und Wiedereinladen der Waren und den Transport der Schiffe besorgten, sondern auch mit den Schiffen selbst Handel trieben. Sie kauften nämlich die Schiffe, welche durch Rhein, bezw. Aare, Reuss und Limmat mit den für Basler Kaufleute bestimmten Waren Laufenburg zuströmten und verkauften sie den Letzteren, welche zu jener Zeit den Zwischenhandel in ihren Händen hatten und vom Rhein aus die Messen Deutschlands, Frankreichs und Hollands besuchten. 1 ) Was die Schiffahrt auf der Linth und der Maag anbelangt, so liegen aus dieser Zeit keine Zeugnisse vor, welche von einer Versumpfung der Gegend zwischen Mederurnen und Schännis berichten. Gegenteils erfolgte ums Jahr 1509 die fast vollständige Austrocknung des durch die Ablagerungen der Linth und durch Pflanzenwuchs nach und nach sumpfig gewordenen Tuggensees. Aus dem 17. Jahrhundert sodann sind uns Bestimmungen erhalten geblieben, wonach Zürich, Schwyz und Glarus sich verpflichteten, die Linth und die Maag im Interesse der Schiffahrt periodisch zu reinigen. In den 1720er und 1780er Jahren schlug dann obiger Prozess eine entschieden rückläufige Bewegung ein, infolge welcher nach und nach ein viel grösserer Flächenraum als der frühere Tuggensee der Versumpfung anheim fiel und die Schiffahrt zeitweise stark beeinträchtigt wurde. Es ist kaum zu bezweifeln, dass die in den vorangehenden Dezennien allzu unvorsichtigen Abholzungen im Glarnerland, die dadurch erzeugten Hochwasser und Ausbrüche der Linth und die natürliche Verflachung ihres Bettes durch das Geschiebe nicht die einzigen Ursachen dieser eingetretenen Übelstände waren, sondern dass dabei auch die inzwischen erfolgte Erhöhung des Mveaus des Zürichsees, welche durch eine Stauung der Limmat bei der Einmündung der geschiebereichen Sihl und durch das Einsetzen mehrerer Mühlengewirbe ') In gegenwärtiger Zeit ist die Schiffahrt bei Laufenburg vollständig durch die Eisenbahnverbindung ersetzt worden, während Fischerei und etwas. Flötzerei immer noch eine gewisse Bedeutung bewahrt haben. 14 am Ausfluss des Sees hervorgerufen worden war, ebenfalls eine verhängnisvolle Rolle spielte. Thatsächlich war denn auch die während der Ausführuug des Linthwerks unternommene Fällung und Regulierung des Zürichsee-Niveaus von den günstigsten Folgen für das Gelingen desselben begleitet. Das erste gewerbliche Produkt, das die Glarner für den Export in alle Weltgegenden erzeugten, das sie dann auch in der Folgezeit überallhin selbst verfrachteten und begleiteten und das auf-diese Weise den glarnerischen Handel in neue Bahnen lenkte, ging von der Gemeinde Ennenda aus. Es betrifft dies die in Hartholz eingefassten Schiefertische. Der Sernfthalschiefer, wahrscheinlich schon zur Zeit der Römer bekannt und benutzt, war nachweisbar im 16. Jahrhundert ein Ausfuhrartikel unseres Landes und wurde zu uneingefassten Tischen, sowie zu Ofenplatten und Bodenbelegen verwendet. Im Jahr 1616 oder 1617 kam nun ein fremder Schreiner, Jost Bellersheim von Giessen (Hessen), auf die Idee, die Schiefertische in Hartholz einzufassen und so ein Zimmermöbel zu schaffen, das rasch teils in einfacher, teils in reicherer Ausstattung weit und breit zu grösster Beliebtheit gelangte. Die durch die Chroniken von Joh. Heinrich Tschudi (1714) und von Christoph Trümpy (1774) und andere schriftliche Zeugnisse erhärtete Thatsache, dass diese Tischmacherei und der Schiefertischhandel zuerst in Ennenda aufkamen und zu einer merkwürdigen Ausdehnung und Blüte gelangten, klärte sich durch die Entdeckung auf, dass genannter Erfinder da seinön Wohnsitz hatte. Im sog. Tschuclibuch (Sammelwerk der Civilstandsakten der evangelischen gemeinen Kirche Glarus, also Glarus mit Ennenda, Netstal und Mitlödi, seit 1598 durch Camerarius J. J. Tschudi, nun bis zur Gegenwart vervollständigt durch Herrn Civilrichter und Polizeivorsteher J. J. Kubli-Cham), welches den Autoren des Gemäldes des Kantons Glarus, weil damals verschollen, nicht zur Verfügung stand, findet sich nämlich die Eintragung, dass Tischmacher Bellersheim in Ennenda wohnte, sich 1616 mit Kath. Becker von Ennet- bühls und nach deren Tod 1620 mit Anna Aebli verehelichte und 15 1671 starb. Sein Sohn Christoph, geh. 1632, cop. 1654 mit einer Anna Maria Muchlin von Elm, wanderte später wieder aus. /Wenn einerseits die schönen und praktischen Schiefertische, die noch heute jeder Wohnstube wohl anstehen, damals reissenden Absatz fanden, so ist auch hervorzuheben, dass der Erfinder in Ennenda zahlreiche und rührige Schüler fand. Wenn man das Tschudibuch durchgeht, ist man geradezu verblüfft von der Menge der Tischmacher, Tischfergger und Tischhändler, welche hier im 17. und 18. Jahrhundert aus den Geschlechtern der Jenny und Oertli, der Aebli, Trümpy, Becker und Altmann hervorgegangen sind; es ist kein Zweifel, dass es zu gewissen Zeiten fast kein Haus im Dorfe gab, in dem man sich nicht mit der Erstellung oder dem Vertrieb der eingefassten Schiefertische abgab; seine Einwohnerzahl nahm im 17. Jahrhundert rasch zu und erreichte im Jahre 1701 ungefähr 950 Seelen. Die Tischmacherei wurde die Quelle des Wohlstandes der dabei beteiligten Familien und ein bedeutsamer Schritt, aus den Älplern, Bauern und Holzern des Landes Glarus in vorwiegendem Masse ein Handels- und Industrievolk zu machen. Die schon genannte Chronik von 1714 von Pfarrer Tschudi in Schwanden meldet: „1617 fasste ein fremder Schreiner aus Schlesien (?) die Tafeln in saubere Rahmen von Holz ein und unterwies auch einige Leute von Ennenda. Lange Zeit wurden sie von „Welschen“ gekauft und weggetragen; erst vor 45 Jahren (also zirka 1670) haben verschiedene Landleute, allermeistens Ennendaner den Weg selbst unter die Füsse genommen und die in Kisten eingemachten Tische an viel auswärtige Orte zu Wasser und zu Land abzuführen angefangen; nicht nur nach Deutschland, sondern auch Frankreich, Holland, Engelland, Dänemark, Schweden, Polen, Ungarn, Moskau, Spanien und Portugal, auch in Italien und auf Rom. Womit dann zwar ein Mancher seinen Mutzen wohl schaffet, aber auch nun mehr ein mancher sein Leben hierüber auf dem Meer eingebüsset hat.“ Aus einer andern Quelle wissen wir genau, dass das Verdienst, den Export solcher Schiefertische nach den entferntesten Ländern selbst an die Hand genommen zu haben, einem Melchior Jenny von Ennenda (1644—1682) gebührt, einem Sohn von Tischhandelsmann und Ratsherr Balth. Jenny (1613 — 1697). Das 16 Totenregister von 1682 meldet nämlich hierüber: „Melchior Jenny ist der erste Anfänger gewesen, der unsere eingefassten Blattentisch den Rhvn hinab in Schiiten in namhaften Städten und Länder zufertigte, daher es kommen, dass sie nit allein in die auf vielen Syten des Rhyns benachbarte Städte, sondern in vereinigte und spanische Niederland, in Frankreich, auch durch den Kanal hinaus nach Nantes, Bordeaux, in Engelland und Schottland, nach Stockholm in Schweden, gen Hamburg, Danzig, in Preussen, Pommern, Littauen und die Donau hinab nach Oesterreich, Ungarn etc. in grosser Anzahl sind gebracht worden. Gleiches thaten auch seine 8 Brüder; einer ist vor etlich Jahren gestorben, die 7 noch lebenden sind mit Steintischen in unterschiedliche Länder, die Gott gesund nach Haus geleite.“ Die Totenregister (und überhaupt das Tschudibuch) enthalten noch eine grosse Anzahl kürzerer Notizen, welche uns ein anschauliches Bild von der Handelsthätigkeit der Tischmacher in Ennenda geben; indem wir einen Teil derselben dem Texte des speziellen Teils oder den dem letztem beizulegenden Stammtafeln reservieren, führen wir an dieser Stelle folgende bemerkenswertere an: Hilarius Jenny, Tischfergger und Tischhändler, Bruder des oben genannten Melchior, wurde geboren 1658 und starb 1685 f auf dem Meer mit Kaspar Aebli, Schiffmeister Balthasars, und Kaspar Aebli, Kaspars, als sie aus Portugal nach Niederland schiffen wollten, durch Ungestüm der Winden in den Schiffen, darin sie gewesen, in’s Meer kommen und ertrunken sind. Tischhändler Rudolf Jenny, ein anderer Bruder desselben, geb. 1665, fuhr 1683 nach Portugal und kam glücklich heim, ging 1691 wieder mit Tischen fort, nahm dann französische Dienste und starb 1699 zu Tournay in Flandern. Tischhändler Hans Jenny, 1645 — 1687, im August 1686 von Amsterdam gen Bilbao, berühmter Handelsplatz in Hispanien, mit Tischen abgefahren, allda er sie glücklich und mit gutem Profit verhandelt; aber als er unerwartet eines guten Kaufmannsschiffes in ein kestenes Schiff, welches nach Dünkirchen in Flandern gewollt, ist es dieses Jahr 1687 geblieben mit 17 allen Menschen und Gütern. Jenny ist mit Tischen gar weit ummen kommen, benamtlich auch in St. Michael, Aid, Archangel, Moscau, da er den Ocean Septemtrionatem über Cap de Hort glücklich durchschiffet hat. Hans Balth. Jenny 1650—1680. Er ist verwichenes Jahr (1680) mit seinem Bruder, Schwager und andern abgereist, um Tische zu fertigen; nachdem er am Fieber erkrankt, ist er l'/ 2 Stunden von Calais in Cagni (Normandie) gestorben, laut Bericht seines Schwagers Matheus Aebli und laut Zeugnis des Comte de Cagni. Hilarius Jenny 1685 — 1726; starb als Tischhandelsmann in Heidesheim (Pfalz) auf seiner Heimreise aus Holland. War ein frommer, ehrlicher Mann, in seinem besten Alter, in seiner Profession fleissig und wohlerfahren, von vielen grossen Reisen und schöner Hausvater. (Sein Bruder Wolfgang starb 1715 auf einer Tischhandelsreise in Zell-Lüneburg, Hannover). Tischhandelsmann Hans Balth. Jenny 1688 — 1770; sein Sohn Jacob starb 1746 auf seiner Handelschaft in Petersburg. Jacob Aebli, Sohn eines Tischmacher Niclaus, im April 1681 mit Tischen den Rhein hinab nach Holland gefahren, dann, nach Nantes, Rochelle und Bordeaux, wo er starb. Tischmacher Andreas Trümpy 1655 — 1727; stirbt als ein durch seine Reisen in vielen entlegenen Ländern sehr erfahrener Mann. Tischhandelsmann Joh. Trümpy 1668—1728; sein Sohn Jacob 1705—1733 stirbt als Tischhandelsmann zu Arras in Flandern; sein älterer Sohn Balthasar 1698 1726 war Schiffszimmer- mann in Guinea (Afrika) im Dienst der holländisch-westindischen Compagnie. Hans Thomas Trümpy 1682 — 1730; auf der Donau ertrunken. Der Floss, darauf er und andere 4 Tischfergger waren, stiess an der Bruck zu Günsburg an; er wollte an einen Pfeiler springen, verfehlte denselben und ertrank; die Übrigen wurden samt den Waaren alle gerettet. Johannes Trümpy 1716—1780; stirbt als vermöglicher Herr zu Mittelburg in Holland (Zeeland), wo er haushäblich gewesen. 18 Salomon Oertli, Handelsmann und Tischfergger, 1688—1782; machte 48 Jahre lang Handelsreisen nach Deutschland, Böhmen, Polen, Ungarn, Holland und England. Jakob Oertli 1622 — 1718; starb auf der Reise nach Preussen. Tischhandelsmann Johannes Becker 1695—1767; seine 3 Söhne trieben Handel nach und in Russland (Export von russischem Korn etc.). Tischhandelsmann Kaspar Altmann 1678-1729; bereistein seiner Handelschaft fast alle Länder Europas, auch in das türkische Gebiet gewesen; starb nach 16wöchentlicher Krankheit in Wien. In seiner Krankheit hat ihn Herr Samuel Grinaus von Basel, Prediger bei der holländischen Gesandtschaft, assistirt und seinen Tod gemeldet. Sein erster Sohn Tischhändler Samuel starb 1746 im Spital zu Basel auf seiner Abreise; sein zweiter Sohn Hans Heinrich starb 1744 auf seiner Handelschaft in Wien; sein dritter Sohn Handelsmann Kaspar starb 1757 ebenfalls zu Wien mit Hinterlassung eines Sohnes Heinrich, der 1798 in französischen Diensten zu Fort Louis den Tod fand. Tischmachermeister Melch. Altmann 1651 — 1726, verheirathet mit der Tochter von Zunftmeister Jörg Killisin von Chur. Sein Grossneffe Gabriel Altmann geb. 1727; „ist im August 1762 ertrunken durch Schiffbruch und Sturmwind im baltischen Meer, gemeinsam mit Rathsherr Joh. Heinrich Yögeli und Daniel Trümpy von Ennenda, zu allgemeiner Nachreu aller Handelsleute.“ Daniel Freuler, geb. 1699 als Sohn des Färbermeister Johannes in Ennetbühis, stirbt ledig 1730 als Tischhandelsmann zu Brez im Holsteinischen an einer hitzigen Krankheit. Ungefähr von der Mitte des 17. Jahrhunderts an fanden auch eingefasste und uneingefasste Schreibtafeln und Griffel nach allen Richtungen, selbst nach Ostindien und Amerika, guten Absatz, der sich bis ans Ende des 18. Jahrhunderts auf einer bemerkenswerten Höhe erhalten konnte, während der Tischexport schon vor 19 -der Mitte desselben ziemlich nachgelassen hatte. ’) Die Trümpy Chronik meldet nämlich: „Jährlich wird eine ansehnliche Zahl Kisten, 160 — 200 und auch mehr, mit Schreibtafeln angefüllt, dann zu Schiff nach Holland und Engelland gebracht. Die Holländer und Engelländer bringen selbe nach Ost- und Westindien. Der Verdienst deren, die selbe im Berge aushauen und dann schneiden, und deren, die sie dann in hölzerne Rahmen einfassen, beträgt sammt Fracht bis Weesen jährlich nahe 8—10,000 fl., auch mehr. Die Handelsleute gewinnen auch ihr Brod dabei, obgleich bis Amsterdam und London noch * 2 / 5 Kosten, auf 100 fl. Waare noch 40 fl., für Tafeln-Fracht mit Einschluss der Zölle •darauf kommen.“ (Die Zahl 70 anstatt 40 ist ein Druckfehler und im Anhang der Chronik korrigiert.) Und im Anhang: „1773 scheint der Tafelnhandel einen starken Stoss bekommen zu haben. Anno 1774 werden kaum 3 beladene Schiff nach Holland abgehen. Diese werden kaum 70 Tafelen-Kisten mitnehmen, das Loos der Handlung ist abwechselnd.“ Nach und nach zogen die Tischhändler auch andere Gegenstände in den Bereich ihrer Verkehrsthätigkeit und zwar wurden sie aus naheliegenden Gründen zuerst zu der Erkenntnis geführt, dass Harthölzer zur Herstellung anderer schöner Zimmermöbel etc. bei den gleichen Abnehmern ein gesuchter Artikel werden könnte. Infolgedessen entwickelte sich gegen das Ende des 17. Jahrhundertsein schwunghafter Export von Nussbaum-, Kirschbaum- und Ahornbrettern 2 ) und auch von bestem Tannenholz für Zimmergeräte und Wandschränke Ö Als Bedachungsmaterial kam der Serufthalschiefer im Grossen erst seit dem Jahr 1826, d.h. seit dem Bau einer fahrbaren Strasse von Engi nach Schwanden in Aufnahme, da deren Transport zu Wagen anstatt auf dem Rücken von Männern auf schmalem Saumpfad nun viel billiger zu stehen kam. Chronist Trümpy schreibt 1774: Man könnte auch kleingehauene und fast in Form der Zieglen gebrachte Schiefern statt Zieglen zu Tächern gebrauchen : Ein Haus in Zürich, die Secretairie zu Mörspurg sind damit bedeckt. 2 ) Um diese Zeit waren die Ahornbestände an den sog. Bergen (Voralpen) viel bedeutender als heutzutage; der schöne Alpahorn war namentlich als Lieferant von Laubstreue geschätzt, und zwar umsomehr, als damals noch weniger „Berge“ dem Raubsystem des Heuens ohne Viehauftrieb preisgegeben waren. 20 mit fournierter und eingelegter Arbeit, Kutschen, Flintenschäfte,. Mödel für Handdruckereien, und Musikinstrumente; für letztem Zweck wurden sie besonders fein geschnitten und dann „Geigenspelten“ genannt. — Wir dürfen damit wohl die Meldung einer stadtglarnerischen Urkunde von 1674 in Beziehung setzen, nach welcher Meister Peter Staub, Besitzer der äussern Säge, eine- Vernier-(Fournier-) Säge eingerichtet und dafür zum Leidwesen seiner Mitbürger seine alte Ziegerreibe hinweggethan habe.- Als sich die zugänglichen Vorräte in unserm Ländchen, den- Urkantonen und Graubünden lichteten, begaben sich solche Hollandfahrer etwa von 1715 an nach Süditalien, Südfrankreich, Corsika,. Sardinien und Spanien, um Wallnuss-Maserholz, Oliven- und andere feine Holzsorten aufzutreiben, die sie an Ort und Stelle verarbeiten liessen und dann nach den reichen Städten der Vereinigten Niederlande, Englands etc. verfrachteten. Welche der Tischmacher an dem Holzhandel vorwiegend beteiligt waren, lässt sich nicht mehrgenau ermitteln, da sie in den Kirchenbüchern nur als Tischmacher und ihre Enkel und Urenkel, welche die Tischmacherei auf- gaben, einfach als Handelsleute bezeichnet sind. Folgende zwei Angaben lassen nach dem Orte ihrer Handelsthätigkeit vermuten, dass die betreffenden Tischfergger sich zugleich mit Holzhandel beschäftigten : Tischhandelsmann Balth. Aebli (1667—1716) und sein Bruder Wolfgang hatten das Unglück, dass ihr Schiff bei Pont d’esprit an die Brücke anfuhr und ihre Waaren unnütz wurden. Balthasar war halb krank von Hause weggereist und starb dann in Nizza. Matheus Aebli, ein Sohn Balthasars, starb im Jahr 1715 als fünfzehnjähriger Knabe, wenige Tage nach der Rückkehr von einer Reise, die er mit seinem Vater nach Ungarn und Polen gemacht. Hans Jacob Aebli, Schiffmacher und Handelsmann, geb. 1673, gest. 1738 in seiner Handlung auf der genuesischen Insel Corsika. Handelsmann Joh. Jakob Oertli, geb. 1732 als Sohn von Tischmacher Salomon, starb 1765 zu Neapel in seiner Handlung. 21 Der benachbarte Hauptort Glarus blieb sonderbarer Weise von der Tischniacherei fast ganz unberührt; es findet sich dort -einzig aus der ersten Periode derselben, nämlich um 1621, ein Tischmacher Kaspar Stadler angeführt und später dessen Sohn Hans Kaspar, .gest. 1659. Dagegen wurden dieses Gewerbe und der Holzhandel nach Holland etc. gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Schwanden aufgenommen. Hier wie noch in einigen andern Gemeinden hatte man um 1660—1670 angefangen, die bisher nur für den Verbrauch im Glarnerlande selbst erzeugten halbwollenen Mätzen und Leinwandgewebe auch in andere Gegenden der Eidgenossenschaft und selbst über die Grenzen derselben hinaus :zu exportieren und damit auch einen Handel mit von Hand gestrickten wollenen Strümpfen und Kappen zu verbinden. In den 1690er Jahren ging indessen dieses Geschäft wieder stark zurück, so dass die Einwohner Schwandens unter andern auch obige neue Erwerbsquelle ergriffen. Aus dieser ersten Zeit sind uns die Kamen folgender Tischmacher überliefert: Rudolf Wichser (1650—1787), Hans Balth. Feurer (1668—1737), Thomas Kläsi (1675—1737), Jakob Knecht (1676—1741), Hans Jakob Eimer im Plattenau, geb. 1689, gest. 1737 in Breslau. Als die Nachfrage nach den Schiefertischen nachliess, warf man sich in Schwanden hauptsächlich auf die Erstellung von Schreibtafeln; in den Kirchenbüchern lassen sich ausser den oben erwähnten für das 2. und 3. Viertel des 18. Jahrhunderts noch 10 Tischmacher und 9 Tafelimacher feststellen. Indessen ging das Geschäft nach und nach in einen Kleinbetrieb über, so dass sich davon keine der spätem grossem Handelsfirmen ableiten; die meisten sind übrigens nur als Tisch- und Tafelimacher und nicht als Händler bezeichnet; den Verschleiss scheinen Andere an sich gezogen zu haben. Einzelne der Tischmacher und Schreiner gingen auch auf etwas höhere Berufsarten über; der bekannteste derselben ist der Klaviermacher Burkhardt Tschudi 1702 — 1773, welcher, in London niedergelassen, unter seinen Abnehmern auch den englischen und den preussischen Hof zählte; näheres über ihn enthalten die Trümpy Chronik und J. Melch. Schülers Glarner-Geschichte. Ein anderer „Clavi-Cordi- macher“ war Hans Balth. Zopfi, 1713-1750; starb ebenfalls in London und ebenso 1739 der Portraitrahmenmacher Samuel Stähelin. 22 Als älteste Holzhändler in Schwanden Hessen sich feststellen r 1. Hauptmann Jesaias Blumer 1668—1718, Besitzer der Mühle- und der Säge, die früher auf dem Areal der Fabrik der Firma. P. Blumer & Cie. standen und auf welchem seine Nachkommen Blumer und verwandte Zopfi später noch eine, Säge und zwei Mühlen bauten. Von einigen Enkeln und Urenkeln Blumers wurde der Holz- und Ziegerhandel nach Holland bis in unser Jahrhundert hinein getrieben, während andere sich als Kaufleute in England bleibend niederliessen. 2. Kirchenvogt und Steuervogt Kaspar Wild 1685 — 1750; starb in Amsterdam auf seiner Holzhandlung. Nach und nach beteiligten sich auch die Einwohner anderer Gemeinden an dem Holzhandel und an den Hollandfahrten, so namentlich von Nidfurn, Hätzingen, Netstal, Mühlehorn und Glarus. Schon im 2. Dezennium des 18. Jahrhunderts nun hattern die Abholzungen einen solchen Umfang angenommen, dass die Landsgemeinde von 1721 beschloss: „Es ist auch erkennt worden, dass in Zeit 10 Jahren keine Gemeinde noch Tagwen, weniger ein Privat keiner Gattung Wälder noch Holz aussert Lands verkaufen noch ferken sollen, bei 100 Thaler Buß, hierbei aber ohn- angerührt das Flözen, so dermalen in hangenden Rechten.“ Dieser Beschluss wurde später wiederholt erneuert, das Gebot aber auch sehr oft übertreten oder auf Anhalten an der Landsgemeinde sistirt. Immerhin dokumentiert er wenigstens den guten Willen der Landsgemeinde, der drohenden Entwaldung und dem Überhandnehmen von Runsen, Flinsenzügen und Linthausbrüchen Einhalt zu gebieten. Von da an waren die Holzhändler genötigt, ihren Bedarf grossenteils in andern Gegenden zu decken; übrigens, waren die Hollandfahrer schon vorher nicht dabei stehen geblieben, ihre direkt von der Ziegelbrücke bis Amsterdam oder Rotterdam gehenden Ruderschiffe mit Tischen, Schreibtafeln und Bretterholz zu befrachten oder grosse Flötze mit schönem Schiffsbauholz dahin abzufichten, sondern sie liessen auch andere Landesprodukte, so namentlich Schabzieger, gedörrtes Obst und Glarner- thee mitgehen. Wann sich die Kultur der Stein- und Kernobstbäume derart gehoben, dass deren Früchte in getrocknetem Zu- Stande exportfähig wurden, lässt sich kaum mehr feststellen; dagegen dürfte der vielgepriesene Glarnerthee im Anfang des 18. Jahrhunderts erfunden oder komponiert und in den Handel gebracht worden sein. Während aus einer kürzlich wieder ans Licht gezogenen, im Jahr 1670 von Heinrich Pf'endler, Pfarrer in Schwanden, verfassten Schrift 1 ) hervorgeht, dass schon zu jener Zeit auf den Alpen für Ärzte, Apotheker und Leibscherer kostbare Kräuter für eigenen Gebrauch und zum Verkauf gesammelt wurden, wird eine bestimmte, als Glarnerthee betitelte Komposition noch nicht erwähnt. Wohl aber meldet ein im Jahr 1716 gedruckter Traktat, dass derselbe zuerst von Leib- und Wundarzt Fridolin Zioicky in Mollis zubereitet und in halb- und ganzpfündigen Päcklein mit aufgedruckter Schutzmarke eingemacht, in den Handel gebracht worden sei. Der Erfinder wahre noch das Geheimnis der Bereitung dieses als Heilmittel dem „Indianischen“ überlegenen Thees 2 ) und habe zum Schutz vor Nachahmungen schon 1712 einen ersten gedruckten Traktat herausgegeben. Es ist demnach richtig, dass wie schon „Heer und Blumer“ vermuteten, dem Landvogt und Chirurgus Alex. Tschudi (1687-1745) nur eine Verbesserung der Zusammensetzung des Glarner Thees zu verdanken ist (im Gegensatz zu der Meldung der Trümpy Chronik). Auf einen Artikel eigener Art warfen sich einige Händler in Schwanden. Während die Chroniken hierüber schweigen, fanden sich in den Kirchenbüchern Schwandens folgende Angaben: Samuel Zopf! 1696 — 1743; starb in Amsterdam, allda er auf seiner Mäßerhcmdlung begriffen war. Hans Zopfi, Mäßer- und Holzhändler, wird erwähnt um 1737. Mäßerhändler Gabriel Zopfi in Thon, erwähnt um 1766. Rudolf Tschudi, Mäßerhändler, Müller, Beck und Kornhändler, geb. 1713. Marx Knecht 1694—1742, Mäßerhändler von Schwanden. Joh. Braun jgr., Mäßer - und Viehhändler, erwähnt um 1740. b Ein glarnerisches Wanderbild von 1670. Vortrag von G-ottfr. Heer 1898. J ) Der „indianische“ oder chinesische Thee wurde 1610 zum ersten Mal durch holländische Kaufleute nach Europa gebracht. 24 Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass es sich dabei um die Erstellung und den Engros-Verschleiss von Hohlmaßen (Kornvierteln, Käpf etc.) handelte 1 ), die in frühem Zeiten, da grössere Waagen noch viel weniger in Gebrauch standen, fast ausschliesslich zum Messen von Getreide- und andern Feld- oder Baumfrüchten benutzt wurden und wovon namentlich Hafen- und Transithandelsstädte wie die holländischen grosse Mengen benötigten. Sie hatten die Form eines flachen Cylinders und wurden aus dünn geschnittenem Hartholz gemacht, indem man auf einen kreisrunden Boden Wände von der verlangten Höhe aufsetzte; diese „Mäßer“ mussten dann da, wo sie in Gebrauch kamen, noch amtlich geeicht werden. Von Handelsleuten ohne Angabe der Waren, mit denen sie sich befassten, mögen nach den Schwander Kirchenbüchern noch folgende erwähnt werden: Handelsmann Hans Jakob Wild, 1674—1741, lebte viele Jahre in London und verstarb dort im Hause seines Schwiegersohnes, Klaviermacher Burkhard Tschudi. Kirchenvogt Joh. Wild, 1694—1756, hielt sich viele Jahre in London auf, trieb da gute Profession und kam zu schönem Vermögen. Handelsmann Frid. Hösly, Peters, 1727—1757, starb in Stockholm, wo er sich lange in Geschäften aufgehalten. Handelsmann Hilarius Wild, starb 1737 zu Jamaica auf den antillischen-englischen Inseln. Frid. Knecht, Jakobs, geb. 1704, starb 1749 in Mannheim, nachdem er zum zweiten Male nach Batavia und der Halbinsel Malacca gefahren. Hans Joachim Strebi, starb 1750, 25 Jahre alt, in der kurfürstlichen Residenzstadt Mainz. Er fiel daselbst vom Schiff ins Wasser. Er war im Begriff, mit seinem Bruder Jakob und etlichen Andern aus dem Zürichbiet in Pensilvanien in Handelschaft zu schiffen entschlossen. ') Diese Ansicht wird dadurch unterstützt, dass nach Herrn Dekan G-. Heer „Maß“ in alten Schriften den Plural „Mäßer hat. Tagwenvogt Blumer änderte in seinen Stammbäumen obige Bezeichnungen des Kirchenbuches willkürlich in „Messerhändler“ ab. 25 .Hauptmann Hans Jakob Strub, 1674—1747, der-in jüngern Jahren in englischen Kriegsdiensten stand, später Landweibel und Ehrengesandter wurde, machte sich dadurch über die Gränzen unseres Ländchens hinaus bekannt, dass er 1697 die ersten Kartoffeln von Irland nach Hause brachte und zum ersten Mal in der Schweiz deren Anbau veranlasste. Bevor wir nun die Entwicklung von Handel und Industrie in unserm Lande weiter verfolgen, müssen wir noch eines Faktors gedenken, welcher zur Entfaltung derselben unstreitig mächtig beigetragen hat; es sind dies die fremden Kriegsdienste unserer Vorfahren. Bei den sonst bekannten Schattenseiten des Sold- und Pensionenwesens liegt ein Trost darin, dass die schweizerischen Reisläufer ihr Blut nicht nur für fremde Fürsten verspritzt haben, sondern zugleich die spätere wirtschaftliche Selbständigkeit und Prosperität der Schweiz anbahnen halfen. Die seit Ende des 15. Jahrhunderts fortschreitende Bildung nationaler Grossstaaten mit ceptralisierter oder doch verstärkter Regierungsgewalt hatte nämlich fast überall das Aufkommen des sog. Merkantilsystems (Schutzzollpolitik) zur Folge. Es gelang nun den alten Eidgenossen, bei Abschluss von Militärkapitulationen dieses System teilweise zu durchbrechen, indem sie sich Zollbefreiungen oder -Ermässi- gungen und das für jene Zeit so wichtige Recht der freien Niederlassung ausbedangen. Zufolge der Bündnisse mit der französischen Krone von 1452, 1516 etc. und den darauf bezüglichen königlichen Erlassen (Lettres patentes) wurde den Eidgenossen zugestanden, dass sie mit Leib, Gut und Kaufmannswaren von Zöllen, Abgaben und Beschwerden frei sein sollten. Damit war ihnen ungehinderte Niederlassung, Handels- und Steuerfreiheit und Abschaffung aller Zölle zugesichert, sogar derjenigen zwischen den einzelnen Provinzen (an den internen Zolllinien), welchen die Franzosen selbst ') Über die Einführung dieser „grössten Gabe der neuen Welt“ vergleiche Heer und Blumer S. 373. 26 nach wie vor unterworfen blieben. Und wenn auch später (namentlich Ende des 17. Jahrhunderts) die Einfuhr gedruckter Baum- wollwaren verboten und die Zölle auf Seidenstoffe wieder hergestellt wurden, so bildete doch die Zollfreiheit für Leinwandgewebe (bis 1781) und für weisse Baumwollwaren inklusive Stickereien (wahrscheinlich bis 1764) einen gewichtigen Faktor für die industrielle Entwicklung der Schweiz. 1 ) Nach einer Übereinkunft von 1480 verzichtete Mailand 2 ) auf die Erhebung irgendwelcher Gebühren auf Leinwand und andere schweizerische Erzeugnisse und im gleichen Jahrhundert gewährte auch Spanien gewisse Vergünstigungen. Übrigens beschränkte sich der schweizerische Manufakturwarenhandel nicht auf diese Gebiete, sondern erstreckte sich über alle Länder Europas und auch auf verschiedene überseeische, namentlich französische und spanische Kolonien. Eine mehr indirekte Begünstigung der Entwicklung des schweizerischen Handels durch die fremden Kriegsdienste lag darin, dass die Reisläufer fremde. Länder und ihre Produkte, die Bedürfnisse und gewerblichen Erzeugnisse ihrer Bewohner kennen lernten; sie hatten Gelegenheit, sich mit fremden Sprachen vertraut zu machen und persönliche Beziehungen anzuknüpfen, auch konnten sie die Kenntnis der wichtigsten Verkehrswege und Handelsplätze durch eigene Anschauung erwerben. Ohne sie wäre ein so rasches Sichzurechtfinden, namentlich in fremdsprachigen Ländern und bei dem damaligen Stande der Schulbildung fast nicht denkbar gewesen. Zum Beweis, in wie weite Fernen manche Glarner durch die fremden Dienste geführt wurden, möge eine Eintragung im Schwander Kirchenbuch angeführt sein; dort heisst es im Jahr 1666: „Um diese Zeit kam Botschaft aus Amsterdam, dass zu Japan in Ostindien Mr. Hans Heinrich Stäger selig verschieden; war zu 17 Jahr auf einer Wanderschaft alias Chirurgus, etliche Jahr in Indien auf der holländischen Flotte.“ ‘} Siehe hierüber: Der Kanton Zürich von G. Meyer von Knonau 1844; Dr. H. Wartmanns „Industrie und Handel des Kantons St. Gallen“ 1875; Dollfüs-Ausset’s Materiaux pour la coloration des etoffes, Paris 1865; Gottfried Heer’s Geschichte des Landes Glarus 1898. *) Nach Dr. Gabriel Eüsch „Der Kanton Appenzell“ 1859. 27 Auch bei einigen Angehörigen der zuerst erwähnten wichtigen Tischhändlerfamilie Jenny lässt sich beim Durchgehen der Stammtabellen ein Zusammenhang der Handelsthätigkeit mit der Vorliebe zum Söldnerwesen nachweisen. Es entwickelten sich demnach aus dem Übel selbst die Keime für dessen schliessliche Beseitigung. Dass die Zürcher, Glarner und die andern Reformierten früher und allgemeiner dazu gelangten, das Schwert mit dem Stabe Merkurs zu vertauschen, lag einenteils in der Stellungnahme Zwinglis und seiner Nachfolger gegen die fremden Kriegsdienste, andernteils in Verhältnissen undZuständen, auf welche wir später zurückkommen werden. Nach dieser Abschweifung zu den glarnerischen Handelfund Gewerhsleuten zurückkehrend, gehen wir nun über zu den Gesellschaften der Wattenmacher. Wie die Schabziegerbereitung und der Schiefertisch- und Schreibtafelnhandel, so kann auch die Wattenmacherei als eine glarnerische Spezialität bezeichnetwerden. Die Watte wurde im vorigen Jahrhundert als Futter oder Zwischenlage bei Kleidern und Bettdecken, sowie bei Herstellung von Verbandmaterial für Kranke und Verwundete sehr stark gebraucht. Wenn auch die rohe Wolle wohl von jeher in ähnlicher Weise- verwendet worden ist, so scheint die Wattenmacherei als Gewerbe doch erst mit Einführung der Baumwollspinnerei mehr in Aufnahme gekommen zu sein, wie man ja auch später vorzugsweise die der Zerstörung durch Motten nicht ausgesetzte Baumwolle und Baumwollabfälle, seltener Wollen- und Seidenabfälle darauf verarbeitete. Das Verfahren bestand darin, dass der Rohstoff mit einfachen Handkarden, später auf von Hand getriebenen Kardenmaschinen gekrempelt, die Vliesse zusammengelegt, beidseitig geleimt und auf Rahmen an der Luft getrocknet wurden. Die Trümpy-Chronik erwähnt die Wattenmacherei zuerst um 1720 und in der That dürfte dieselbe kaum früher von den Glarnern aufgenommen worden sein. Ob und seit wann in andern Kantonen der Schweiz dieses Gewerbe betrieben worden ist, liegen dem Verfasser zur Zeit keine Anhaltspunkte vor. Das Studium ■der Kirchenbücher hat ergeben, dass die ersten Wattenmacher von Ortschaften der Kirchgemeinde Schwanden stammen und dass es wahrscheinlich Tischfergger, Holzhändier oder andere Handelsleute waren, die sich auf ihren weiten Reisen irgendwo die Kenntnis dieses Artikels und seiner Herstellung aneigneten. Während die Copulatians- und Totenregister Schwandens (mit Schwändi, Nidfurn etc.) von 1735—1745 schon mehr als 20 Wattenmacher aus den Geschlechtern der Ott, Hefti, Schiesser, Luchsinger, Tschudi, Eimer, Hämmerli, Strebi, Zopfi, Schmid, Schindler, Strub, Bühler, Wild, Kundert und Locher aufweisen, hatten diejenigen, welche Pfarrer Samuel Heer (in einer Anmerkung des Gemäldes des Kantons Glarus) als die ersten in Mitlödi bezeichnete, damals ihre Thätigkeit kaum begonnen. Laut Aussage eines noch lebenden Repräsentanten dieses Gewerbes sollen Glarner dasselbe aus Russland gebracht haben. Diese Ansicht, die sich als Tradition in der Familie erhalten, wird durch folgende Eintragungen im Schwandet Kirchenbuch unterstützt: Balthasar Ott, geboren 1686 als Sohn des Tagwenvogt und Neuner-Richter Balthasar in Nidfurn, starb 1752 in Petersburg; seine Söhne Hans Balthasar, geb. 1718, und Fridolin, geb. 1727, sind als Wattenmacher verzeichnet; von letzterem heisst es noch, dass er 1747 auf seiner Wattenhandlung in Moskau starb und es ist anzunehmen, dass schon sein Vater in Russland die Wattenmacherei aufgegriffen hatte, nachdem er daneben zu Hause Bekanntschaft mit der Baumwollspinnerei gemacht. Ein eigentümliches Verhältnis lag überhaupt darin, dass die Wattenmacher ihrem Gewerbe nicht (oder sehr selten) zu Hause, sondern in der Fremde oblagen. Im Frühling zogen diese „Fortgänger“, wie sie mancherorts genannt wurden, aus nach den verschiedensten Städten Europas und fabrizierten für den Winterbedarf der Schneider und Bettmacher etc. ihre Watten; im Herbst schlossen sie ihre bescheidenen Werkstätten, verkauften das Fabrikat und kehrten nach Hause zurück, selbstverständlich in der Regel alles zu Fuss. Als sie später da und dort auch andere Artikel in den Bereich ihrer Handelsthätigkeit zogen, nahmen sie natürlich auch bleibende Niederlassung, jedoch wenn immer möglich so, dass mit Ablösung unter den Gesellschaftern, der Einzelne einige Monate des Jahres 29 in der Heima,t zubringen konnte. In den weiter noch folgenden Generationen war es dann freilich bei diesen und andern auswärtigen Handelsleuten keine Seltenheit, dass sie die Bande, die sie noch an das schweizerische Vaterland knüpften, ganz lösten. Andere ältere Wattenmacher aus der Kirchgemeinde Schwanden sind: Hilarius Tschudi 1711—1758; als Familienvater erscheint 1737 ein Kaspar Eimer, 1744 ein Fridolin Schiesser, 1745 ein Balthasar Luchsinger, 1738 ein Melchior Hämmerli, letzterer zugleich auch Hutmacher, u.s.w. Von einem Melchior Strebi.Wattenmacher wird gemeldet: „Er starb 1740 an auszehrender Krankheit, indem er krank, halb erfroren und siech aus Berlin zurückgekommen“. Von einem Heinrich Luchsinger heisst es: „Er war ein Wattenknecht und starb 1740 an einer sonderbaren Krankheit in Hanover,. allhier er allbereits kränklich zu Pferd gebracht worden“. Noch etwas mehr Interesse bietet folgende Eintragung: „Hans Hefti, Wattenmacher und Handelsmann starb 1741 im 34. Jahr in der dänischen See- und Handelsstadt Flensburg, allda er Watten verkaufte. Er hatte vom König in Dänemark ein besonderes Privilegium, Kraft dessen er samt seinem bei sich habenden Knecht Frid. Jenny von hier (eben-)sowohi als die Einheimischen durfte Watten machen und verkaufen, welches sonsten allen Fremden abgestrickt war“. Sollte er vielleicht die Wattenmacherei dort eingeführt haben und sie ihm deswegen erhalten geblieben sein, während man die Erlaubnis dazu den Nachfolgenden zu gunsten Einheimischer entzog? — Von einer grossem Anzahl Schwander Wattenmacher ist nicht ersichtlich, wo sie ihr Gewerbe betrieben; nach Frankreich scheinen wenige den Weg gefunden zu haben; die Erinnerung an sie durch mündliche Tradition erlosch fast ganz, da später keine bedeutenden Handelshäuser aus ihnen hervorgingen. Über die Pioniere Mitlödis, Jakob Hässi, Hilarius Schneider und Nikolaus Ruch gaben die Kirchenbücher folgenden Aufschluss: Jakob Hässi, 1715—1783, Sohn eines Zimmermann Hans Heinrich, war verheiratet mit einer Christina Stählin von Schwanden. Seine Tochter heiratete den Hilarius Schneider (geb. 1730), dessen Vater früher von Elm nach Mitlödi oder Schwändi übergesiedelt war.. -30 Schneidermeister Jakob Ruch, Landsäss aus dem Sarganser. iand, wurde Bürger zu Mitlödi und starb 1651; sein Sohn Hans Ulrich, 1614 — 1709, verheiratete sich mit Katharina Hösly von Sturmingen und dessen Sohn Jakob, 1646—1704, wurde offenbar durch dortige Verwandte mit dem Tischhandel vertraut und starb als Tischfergger „in gesegneten Verhältnissen“ 1 ). Er und sein Sohn Nikolaus Ruch, 1693 — 1757, sind die einzigen Tischhändler Mit- lödis (Tischmacher finden sich dort überhaupt keine). In spätem Jahren ging Nikolaus in Nürnberg und Erfurt zur Wattenmacherei über; nachdem sein Sohn gleichen Namens 1754 in Erfurt ledig gestorben, nahm er seinen Vetter Fridolin Ruch, 1725-1801, ins Geschäft, der sich dann auch noch in Leipzig und Braunschweig etablierte und nebst seinen Söhnen Fridolin und Georg auch einige Wattenmacher Trümpy von Ennenda und Schiesser von Schwändi in seine Gesellschaft aufnahm. Dem gegebenen Beispiel folgten rasch zahlreiche Angehörige fast aller andern Geschlechter in Mitlödi; so namentlich die Wild, Durst, Schönenberger und Kundert, welche sich nach Lyon, Paris, Bordeaux und Nantes, einzelne auch nach den Niederlanden, nach Hamburg, Lübeck, Philadelphia und New-York begaben. Während die meisten Ruch später wenig Erfolg mehr hatten, machten zahlreiche Wild, Schönenberger und Dürst ihr Glück, besonders als sie in Frankreich zum Handel und zur Fabrikation von Strohhüten übergingen; einzelne derselben haben sich auch im Musikalienverlag in Paris ausgezeichnet. Die ältesten Wattenmacher in Ennenda waren: 1. Die Söhne ■eines Tischmachers Hans Rudolf Vogel (1677—1730), nämlich Hans Rudolf. 1714-1751, Wattenhandelsmanu in Kopenhagen, und Albrecht, 1718—1745, der als Tisch- und Wattenhändler bezeichnet wird; 2. „Carder“ Fridli Trümpy (1687—1762), verheiratet *) Tischfergger Jakob Ruch hinterliess nach einem Erbschaftssteuerrodel von 1691 — 1725 in den Diakonatsschriften der gemeinen Kirche in Glarus fl. 10,000. Damit dürfte er wohl das grösste bewegliche Vermögen in Mitlödi repräsentiert haben, da die Bürger dieser Gemeinde in jener Zeit weder in Handel und Gewerbe, noch in hohen Staatsbeamtungen eine irgendwie hervorragende Stelle einnahmen. Einige in jener Zeit in Ennenda verstorbene Tischhändler hatten es auf 6,000—21,000 fl. gebracht, während einzelne hohe ■Staatsbeamte in Glarus Vermögen von 15,000—45,000 fl. aufwiesen; ein Land- vogt hinterliess sogar fl. 60,000. mit einer Barbara Schiesser von Schwändi, wurde wahrscheinlich durch dortige Verwandte zur Wattenmacherei geführt. Unabhängig von den Genannten ergriffen dieses Gewerbe um die Mitte des Jahrhunderts auch die Gebrüder Fridolin und Heinrich Jenny „auf der Platte“ und in den 1780er-Jahren Jakob Aebli (1756 — 1840), erstere in Bordeaux, letzterer in Rouen. Auch Netstal weist in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts eine ziemliche Anzahl Wattenmacher auf aus den Geschlechtern der Papst, Sigrist, Kubli und Weber, welche sich in verschiedenen Städten, so in Frankfurt a./M., Nantes, Rouen, Marseille und Florenz etablierten; andere betrieben neben der Wattenmacherei auch die Hollandfahrten mit den verschiedenen Landesprodukten. In den übrigen Ortschaften treten sie nur ganz vereinzelt auf. Viele der Wattenmacher waren Jahrzehnte lang sehr kleine Gewerbsleute, die meisten wurden erst von Bedeutung, als sie auf andere lukrativere Artikel übergingen, was mit wenigen Ausnahmen erst im laufenden Jahrhundert geschah. Aus diesem Grunde und weil von ihnen wenig Anregung für die heimische Industrie ausgegangen ist, wollen wir die Skizzierung der wichtigsten bezüglichen Handelsfirmen auf den speziellen Teil zurücklegen. Von ungleich grösserer Wichtigkeit für unser Land war die Einführung der Baumwoll-Handspinnerei, die sich von 1714—1720 bis in die hintersten Gemeinden des Landes verbreitete und der sesshaften Bevölkerung zwei Menschenalter hindurch reichlich Arbeit und Verdienst gewährte. Die Garnferker oder Spinnerherren sassen in Glarus, Ennenda, Schwanden und Sool, einzelne auch in Mollis und im Grossthal. Nicht lange darauf lebte auch die Wirkerei für einige Jahrzehnte wieder auf, indem „Strumpfwarenfabrikanten“ in Glarus und Schwanden an Stelle der Handarbeit Wirkstühle in Gang brachten, auf denen man Strümpfe, Zipfelmützen und ähnliches wob. 1740 öffnete sich die erste Zeugdruckerei in Glarus, 1760 eine zweite in Mollis. Gegen Ende des Jahrhundderts waren diese neuen Industriezweige in beiden 32 Ortschaften zu ansehnlicher Bedeutung gelangt. Im gleichen Jahr 1760 erhielt Mollis eine kleine Seidenbandfabrik. Bisher hatten sich Glarus und Mollis sehr wenig am Grosshandel beteiligt; in beiden Gemeinden, sowie in Näfels widmeten sich die Begüterten oder Gebildeteren fast ausschliesslich den hohen Staatsämtern und strebten nach Landvogteien oder Offiziersstellen in fremden Diensten. Die Grosszahl der Bevölkerung hingegen gehörte in Mollis und Näfels zur Bauersame, während daneben in Glarus die Handwerker sehr stark vertreten waren und in vielen bezüglichen Artikeln den Bedarf aller übrigen Gemeinden deckten. Mit dem Ausland kamen seit dem Zurückgehen der Mätzenweberei von diesen Handwerkern bloss noch die Gerber in Berührung, indem sie (wie z.B. im 18. Jahrhundert einige aus dem Geschlecht der Eimer und Marty) für den Verschleiss des Leders und der Felle weite Reisen unternahmen. Durch die Einführung der Baumwollspinnerei und der andern oben genannten Industriezweige entwickelte sich nun ein reger Verkehr mit Zürich und St. Gallen, welcher immer mehr auch Einwohner von Glarus und Mollis dazu führte, sich am Aussenhandel zu beteiligen. Im zweiten Viertel des vorigen Jahrhunderts war nun gerade ein erneuter Aufschwung desselben erfolgt, indem die Mehrzahl der Handelsleute in Ennenda ihre bisherigen Artikel allmählig ver- liessen und zu dem lukrativeren und weniger beschwerlichen Manufakturenhandel übergingen, den diejenigen von Schwanden und den benachbarten Ortschaften überhaupt nie ganz aufgegeben hatten. Es bildeten sich eine Reihe neuer Gesellschaften, die oft eine grössere Anzahl Mitglieder zählten und von denen sich manche schriftliche und mündliche Kunde bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Ihre Geschäftspraxis gestaltete sich gewöhnlich wie folgt: Sie kauften Leinwandgewebe und gestickte Weisswaren in St. Gallen und Herisau, weisse, buntgewobene und gedruckte Baumwollstücke in Zürich und später auch an den soeben genannten Orten, Seidenwaren in Zürich, in Italien und Frankreich, besuchten die grossen Messen der Schweiz (Zurzach etc.) und des Auslandes, namentlich diejenigen Deutschlands, Oesterreichs und Russlands und errichteten in gewissen Städten auch ständige Niederlagen, von wo aus sie den Verkauf ihrer Artikel immer 33 mehr ausdehnten. Gewöhnlich wechselten diese Gesellschafter in der Weise in ihren Funktionen mit einander ab, dass während einiger Monate die Einen und dann wieder die Andern sich in die Fremde begaben. Bald schlossen sich, wie schon erwähnt, auch Bürger von Glarus und Mollis an, die sich angelegen sein Hessen, ausser denfremden auch die Produkte der eigenen Druckerei, Wirkerei und Seidenweberei in Deutschland und Italien an Mann zu bringen. Andere Hessen sich in Venedig, Triest etc. nieder, um sich mit dem Import der rohen Baumwolle, die man in den ersten Dezennien von Zürcher Händlern bezogen hatte, zu befassen. Die glarne- rische Baumwollweberei können wir dagegen an dieser Stelle übergehen, da sie erst in den 1790er Jahren sich in nennenswerter Weise einbürgerte. In Zahl und Bedeutung der Handelsgesellschaften behielt Ennencla fortgesetzt seinen Vorsprung und wies auch die grössten aus dieser Quelle fliessenden Vermögensansammlungen auf. Am Ende des Jahrhunderts versteuerten die Teilhaber der „Wienerhandlung“ zusammen 720,000 fl., mehrere Private je 50 — 120,000 fl. Das Steuerkapital per Kopf der Bevölkerung betrug zu dieser Zeit in Ennenda 1200 fl., in Glarus und Mollis nur 8-900 fl. Was die relative Bedeutung der verschiedenen Absatzgebiete anbelangt, so sei in Kürze folgendes bemerkt: Mit Frankreich war der persönliche Verkehr (durch die Wattenmacher) ein reger, der Warenexport dagegen gering; trotzdem waren dieEinfuhrbegünstigungen Frankreichs gegenüber der Schweiz auch für unser Ländchen wichtig, da der flotte Absatz der schweizerischen Baumwollwaren nach dort auch die Nachfrage nach den Glarner Baumwollgarnen für die st. gallisch-appenzellische Weberei lebhaft erhielt. Mit Italien war der Warenaustausch neben dem Vieh- und Fellhandel anfänglich gering, steigerte sich aber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beträchtlich; die Zollverhältnisse waren in mehreren Einzelstaaten dieses Landes günstig. Die Textilgewerbe Oesterreich-Ungarns hatten im 30jährigen Kriege und in den Kämpfen mit den Türken und mit Ludwig XIV. furchtbar gelitten; als dann die Verhältnisse sich besserten, vermochten sie der Nachfrage nicht zu genügen, weshalb dieses Land im 34 vorigen Jahrhundert zu den besten Abnehmern zählte. Während desselben war dort, von vorübergehenden Aenderungen und Ausnahmen abgesehen, ein gemässigtes Schutzzollsystem in Geltung, wobei jedoch die verschiedenen Kronländer wie die Provinzen Frankreichs kein einheitliches Zollgebiet bildeten. Joseph II. vereinigte die böhmischen und österreichischen Kronländer mit Ausnahme Tyrols und der „Vorlande“ in ein Zollgebiet und er- liess 1784 ein Waren-Einfuhr-Verbot, welches nur Privaten den Bezug fremder Fabriks- und Manufaktur-Waren zu ihrem eigenen Gebrauch und zwar gegen einen Zoll von 60 °/ 0 gestattete, dessen Ertrag einem Commercialfond zur Unterstützung inländischer Fabriken und Manufakturen zufloss 1 ). Infolge dieser Prohibitiv- gesetzgebung hörte die schweizerische Ausfuhr nach diesem Lande fast ganz auf, während mehrere der dort niedergelassenen glarne- rischen Import-Handelsleute nun selbst zur Fabrikation übergingen. Mit Deutschland (ausserhalb Oesterreichs) fand der Hauptverkehr von Alters her auf den grossen Messen in Frankfurt a./M., Leipzig, Frankfurt a./O., Danzig und Königsberg etc. statt, welche in diesem Lande den Engros-Waren- und Geld-Verkehr vermittelten und erhöhte Bedeutung dadurch erlangt hatten, dass die Waren zur Messzeit gemäss alter Privilegien zollfrei oder doch unter wesentlichen Begünstigungen aufgeführt werden durften, wobei oft auch noch die lästigen Transitgebühren (Rheinzölle etc.) ausser Kraft gesetzt wurden. Um dem Handel weitere Erleichterungen von den verschiedenen mittelalterlichen Plackereien (Stapelrecht, Beschränkungen durch die Zunftgesetzgebung, Umgelder) zu verschaffen, schlossen manche Städte unter einander Zollverträge ab, durch welche bezügliche Abgaben gegenseitig aufgehoben und Handelsfreiheit zugesichert wurde; Nürnberg soll mit mehr als 60 Städten solche Abkommen getroffen haben 2 ). Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm ging Preussen zu einem einheitlichen gemässigten Schutzzollsystem über und hob die Einfuhrprivilegien der Messstädte auf, wodurch dieselben ihre Bedeutung für unser Land .fast ganz verloren; Friedrich der Grosse verbot die Einfuhr fast b Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs von Dr. W. F. Exner. Wien 1873. 2 ) Dr. Joh. Falke, „Geschichte des deutschen Handels.“ Leipzig 1859. 35 aller gewerblichen Erzeugnisse, oder erhöhte die Zölle hiefür aufs höchste. Im übrigen Deutschland machte sich der Übergang zur Centralisation viel allmäliger, indem die kleinern Fürsten zwar die politische Selbständigkeit verschiedener freier Reichsstädte aufhoben, dagegen das ganze 18. Jahrhundert hindurch die einzelnen Messe-Privilegien zum guten Teil fortbestehen Hessen und sich mit der Erhebung massiger Zölle an den Grenzen begnügten. Dadurch gewannen die Messen von Frankfurt a./M. und Leipzig als Stapelplätze des internationalen Warenaustausches zwischen West- und Osteuropa eine ausserordentliche Bedeutung und wurden auch von den Glarnern vorzugsweise besucht. Daneben blieb auch der Messeverkehr mit Nürnberg ein reger, während Augsburg als Bankplatz (Wechsel- und Metallgeld-Bezugsquelle) die erste Stelle einnahm. Mit Russland war der Personen- und Warenverkehr im Vergleich zur Gegenwart ein sehr lebhafter. In den Provinzen dieses Reiches bestanden 1 ) vor ihrer engern Vereinigung und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts niedrige Einfuhrzölle. Peter der Grosse erhöhte dieselben; die Einfuhr industrieller Produkte in diesen riesigen Ackerbaustaat blieb aber trotzdem bestehen. Unter seinen Nachfolgern war es namentlich Katharina II., welche die Entwicklung des Handels mit dem Ausland begünstigte. Auch in England, Spanien und Portugal bestanden vereinzelte Niederlassungen glarnerischer Kaufleüte; in Lissabon war ein Glarner er Loth des fertigen Produktes bezahlte; die Bezeichnung Briefgarn findet sich weiter unten erklärt. Zum Unterschied des Handspindelgarns vom Rädli- garn wurde letzteres deswegen trockene und ersteres nasse Gespunst genannt, weil das feine Schussgarn vor dem Aufwinden auf die Schiffchenspühlchen mit dünnem Leimwasser genässt und in diesem Zustande verwoben wurde, vielleicht auch aus dem zweiten Grunde, weil man während des Handspindelspinnens den sich bildenden Faden feucht erhalten muss. Der Spinnerlohn für die (im Glarnerland nie gesponnenen) Löthligarne stellte sieh 1717 wie folgt: a) von einem Loth aus kurzer Baumwolle 1 Batzen (2 i / 2 ß). b) von einem Loth aus langer Baumwolle, grob gesponnen für Mouchoirs 3 ß. Mit diesen beiden Sorten waren offenbar nur mittlere Garne gemeint, die jedoch aus besondern Gründen mit der Handspindel und nicht mit dem Rad gesponnen waren und daher teurer bezahlt werden mussten. Für Mouchoirs wurde darum langhaarige Baumwolle vorgeschrieben, weil kurzhaarige bei den damals langwierigen Operationen des Bleichens, Drückens und Färbens eine flaumige Oberfläche der Stücke ergab und an Solidität zu wünschen übrig liess. Die Indiennes- drucker rügten oft diese Uebelstände bei Anwendung von zu geringer Baumwolle für ihre Druckstücke, c) bei den feineren Gattungen 4—12 ß per Loth, wobei ein Loth 3—4 Schneller Garn, also einen Faden von 3—4000 Metern ergab. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts war der Spinnerlohn für diese feinen Garne auf das 27 2 - bis 3fache gestiegen, indem man für einen Schneller 9 -12 Kreuzer bezahlte, bei einer Produktion von 2—2 i / 2 Schneller per Tag. Ueber die vorkommenden Münzen und Gewichte vergl. S. 53 und 54. Wie s. Zt. hei der Leinwandspinnerei, so brachten es auch bei der Baumwoll-Feinspinnerei die Appenzeller und Appenzellerinnen zu den höchsten Leistungen, indem sie Garne bis zu Nr. 170, also einen Faden von ca. 170 Kilometern Länge aus 1 / 2 Kilo Baumwolle herstellten. J. C. Fäsi sagt (1766): „Solche Spinner aber sind zu aller harten Arbeit untauglich, indem dieselbe ihnen das subtile Gefühl der Nerven in den Händen schwächt“ (bezw. schwächen würde). Die hochfeinen und leichten schweizerischen Battist- und Gazegewebe erlangten europäischen Ruf; lesen wir in einem zürcherischen amtlichen Aktenstück von 1786, dass Feingarnspinnen und Mousselinweben bis zur Vollendung gebracht sei, so beweist Dr. H. Wartmann nicht minder überzeugend, dass die Produkte der Stadt St. Gallen, von Toggenburg und Appenzell im Allgemeinen den zürcherischen in Feinheit noch überlegen waren. In der That schrieb der schon erwähnte Druckfabrikant Ryhiner in Basel im Jahr 1766: Les toiles (de coton) du Toggenbourg sont les plus estimees pour le fin, celles de Zürich pour le mi-fin, et celles de Berne (Aargau-Bern) pour l’ordinaire. Der Grund lag u. A. darin, dass die Toggenburger und Appenzeller vorzugsweise in Kellern woben, deren feuchte Luft für den AVebeprozess, d. h. für die Geschmeidigkeit des Garnes günstig 90 war, während die Bewohner anderer Gegenden sich selten hiezu verstanden, sondern ihrer Beschäftigung lieber in den gesündern und behaglicheren Weber st üben oblagen. Neben den schweizerischen verarbeiteten die Druckereien und die Stickerei auch bedeutende Mengen ostindischer Gewebe, teils weil die schweizerische Produktion zeitweise nicht genügte, teils aber auch weil die Qualität der ostindischen über diejenige der schweizerischen gestellt wurde. Gewisse Mängel konnten jedoch mit der Zeit fast ganz gehoben werden, sodass- der Konsum dieser fremdländischen Tücher in Abnahme begriffen war, noch ehe das Maschinengarn ernstlich auf den Plan trat und den Import derselben dadurch gänzlich abschnitt, dass es als- ausserordentlich billiges Halbfabrikat der europäischen AVeberei die unbedingte Ueberlegenheit über diejenige Indiens verschaffte. Für die Vermutung, dass auch ostindische Garne in die Schweiz eingeführt worden wären, scheinen durchaus keine Anhaltspunkte vorzuliegen. — Das schon angeführte, im Jahr 1829 gedruckte BuchBernoulli’s macht über die schweizerische Spinnerei während der 1780er Jahre folgende Mitteilungen, welche, obwohl einige Irrtümer enthaltend, in verschiedenen anderen Beziehungen wünschbare Ergänzungen bieten: „Ostschweizerische Kaufleute, die sich ausschliesslich mit der Handspinnerei beschäftigten, hatten in Appenzell, im Rheinthal, in Feldkirch, im Montafun und in Bünden ihre Auswäger, denen sie die rohe Baumwolle übergaben und von ihnen das gesponnene Garn wieder erhielten mit 2 bis höchstens 3 Loth Abgang auf dem Pfund von 36 Loth. Mit diesem Auswäger verstand man sich wegen dem Spinnerlohn; je nach den Zeiten (?) zahlte man 8-5 Kreuzer für jeden Schneller, wovon er 1—1 */ 2 Pfennig für seine Mühe und das Kartätschen, das er besorgte, für sich behielt, den Rest aber der Spinnerin zahlte, die 3-4 Schneller, zu 3200—8500 rheinischen Fuss, je nach der Redlichkeit des Haspels, täglich spann. Meistens spann man auslevant. Baumwolle, die 9—li N.-Ld’or (ä ca. 23 1 / s heutigen Franken) der Zurzacher Centner (ä 52,8 Kilo wie der zürcherische) oder aus Brasilischer Baumwolle, die 12 —18 N.-Ld’or galt. Aus ersterer spann man vom Pfund 16 — 18 Schneller, aus letzterer 91 30-36 gewöhnlich. Der Schneller von ersterem Garn galt 6‘/ 2 bis 7 1 ; 2 Kr., von letzterem 5 — 6 Kr. Das Löcklein tourde sogleich fein gesponnen, während man in England ebenfalls auf dem Spinnrad fast allgemein zuerst eine etwa 2 dicke Voispunst erstellte und diese dann erst rein spann. Dieser Gebrauch des zweimaligen Spinnens soll die Erfindung der Maschinenspinnerei nicht wenig erleichtert haben.“ Zu Vorstehendem ist nun folgendes erläuternd zu bemerken: 1. Kartätschen war ein damals gebräuchlicher corrumpierter Ausdruck für Kardieren; dass der Auswäger (Garnferker) diese Operation besorgte, war durchaus nicht allgemein der Fall, z. B. gerade im Glarnerland nicht. Der bewilligte „Abgang“ erscheint oben ausserordentlich klein bemessen. 2. Im Original findet sich ein störender Druckfehler, indem als Spinnerlohn 3-5 Bp. anstatt Kr. angegeben ist; auch sind die dort in Paranthese hinter den altschweizerischen beigefügten englischen Nummern nach unrichtiger Basis umgerechnet, weshalb wir sie oben wegliessen. Ebenso wurde eine Stelle unterdrückt, die angibt, dass man für gröberes und feineres Garn gleichviel Spinnerlohn per Schneller bedang, was natürlich nicht den Thatsachen entspricht, da die höhern Nummern mehr Sorgfalt und Geschicklichkeit und auch etwas mehr Zeit zum Spinnen erforderten. Die häufig wiederkehrende Angabe von 3—5 Kr. per Schneller bezieht sich nicht, oder zum geringen Teil, auf verschiedene Zeiten, sondern markiert ungefähr die Lohndifferenzen zwischen den gebräuchlichsten Rädligarn-Nummern; dagegen waren jene Differenzen bei der Ablöhnung per Schneller allerdings viel geringer als bei der früheren per Pfund. 3. Vergleicht man obige Baumwollpreise unter Zuschlag von 8 —10°/ 0 für den Abgang mit den Spinnerlöhnen, so findet man, 'dass die zuletzt angegebenen Garnpreise damit nicht im Einklang stehen; die gröbern Garne sind um 1 / 2 —1 Kr., die feinem um 1 , / 2 —2 1 / 2 Kr. per Schneller zu niedrig angesetzt; es scheint, dass die angegebenen Rohstoffpreise nicht den 1780er, sondern eher den 1790er Jahren, in denen zeit- 92 weise ein bedeutender Aufschlag eintrat, entnommen sind; andernteils ist oben der Preisunterschied der groben und mittlern Garne per Schneller von vornherein zu gross angenommen, da der Ausfall herrührend vom geringem Gewicht an Baumwolle durch die Mehrarbeit beim Spinnen (welche als Handarbeit damals viel stärker ins Gewicht fiel als bei der heutigen Maschinenarbeit) zum grossen Teil wieder ausgeglichen wurde und da die für die hohem Nummern verwendete Baumwolle erheblich teurer einstand. Wenn wir uns schliesslich ein Bild von dem Leben und Treiben in denjenigen schweizerischen Gegenden machen wollen, in denen die Baumwollspinnerei und -Weberei heimisch geworden war, so sind wir nicht nur auf amtliche Aktenstücke und mehr oder weniger trockene gelegentliche Berichte angewiesen; denn kein Geringerer als Altmeister Wolfgang v. Göthe hat sie der Ehre wert erachtet, sie mit seinem Griffel zu verewigen. Göthe hatte in Italien die Bekanntschaft eines Zürcher Künstlers Heinrich Meyer gemacht, sich mit demselben enge befreundet und ihn als Lehrer an die Kunstschule in Weimar gezogen; im Herbst 1797 verlebte er nun einige Wochen in Stäfa mit seinem Freunde bei Bekannten desselben und nahm in dortiger Umgegend und auf einer Fusstour von Richtersweil nach Hütten, Schindellegi, Brunnen und bis auf den Gotthard solches Interesse an dieser Hausindustrie, dass er eine ausführliche Beschreibung derselben in „Wilhelm Meister’s Wanderjahren“ (3. Buch, Kap. V und XIII) niederlegte. Dabei wundern wir uns nicht über den verklärenden Hauch, den der Dichter der Schilderung zu verleihen versteht, sondern über die Genauigkeit und offenbare Zuverlässigkeit in den technischen Einzelheiten. 1 ) Göthe lässt den Wanderer „Lenardo“ ein Gebirge überschreiten und ihn mit einer Karavane Saumrosse zusammen, treffen; bald macht er Bekanntschaft mit dem Führer des Zuges. „Im Gespräch erfuhr ich von ihm, dass die Ladung der Tiere *) Dass diese Schilderung die schweizerische, beZw. zürcherische Baum- wollindustrie betrifft, ist schon früher, besonders eingehend aber von Fabrikant Friedrich Bertheau in der Broschüre „Göthe und seine Beziehungen zur schweizerischen Baumwollindustrie“, Wetzikon 1888, nachgewiesen worden. 98 aus Baumwolle bestehe, welche aus Macedonien und Cypern über Triest komme und vom Fusse des Berges auf Maultieren und Saumrossen zu diesen Höhen und weiter bis jenseits des Gebirges gebracht werde, wo Spinner und Weber in Unzahl durch Thäler und Schluchten einen grossen Vertrieb gesuchter Waren ins Aus- » land vorbereiteten. Die Ballen waren bequemen Ladens wegen teils anderthalb, teils drei Zentner schwer, welches letztere die volle Ladung eines Saumtieres ausmacht. Der Mann lobte die Qualität der auf diesem Wege ankommenden Baumwolle, verglich sie mit der von Ost- und Westindien 1 ), besonders mit der von Cayenne, als der bekanntesten.“ Die Gesellschaft traf auch mit einem Garnferker zusammen, dessen Geschäftsweise wie folgt charakterisiert wird: „Für die entfernteren Gegenden im Gebirge, woher zu Markte zu gehen für jeden einzelnen Arbeiter zu weit wäre, gibt es eine Art von untergeordnetem Handelsmann oder Sammler, welcher Garnträger genannt wird. Dieser steigt nämlich durch alle Thäler und Winkel^ betritt Haus für Haus, bringt den Spinnern Baumwolle in kleinen Partien, tauscht dagegen Garn ein oder kauft es, von welcher Qualität es auch sein möge und überlässt es dann wieder mit einigem Profit im Grossem an die unterhalb ansässigen Fabrikanten. — Der Bote schien erwartet; auch hatte man ihm aus dem kleinen Schiebefenster entgegengesehen, denn er war gewohnt, womöglich an demselben Wochentage zu kommen. Kaum erblickt man uns, so laufen die Bewohner begrüssend zusammen, Kinder drängen sich hinzu und werden mit einem Eierbrod, auch einer Semmel hoch erfreut. Die Alten dagegen hielten gar mancherlei Fragen bereit; vom Krieg wollte jedermann wissen, der glücklicherweise sehr entfernt geführt wurde und auch näher solchen Gegenden kaum gefährlich gewesen wäre. Sie freuten sich jedoch des Friedens, obgleich in Sorge wegen einer andern grossen Gefahr; denn es war nicht zu leugnen, das Maschinenwesen vermehre sich immer im Lande und bedrohe die arbeitsamen Hände nach und nach mit Unthätigkeit. Doch Hessen sich allerlei Trost- und *) Aus dieser Stelle darf man .wohl den Schluss ziehen, dass damals auch ostindische Baumwolle in der Schweiz am Markte, wenn auch nur wenig im Gebrauche war (vergl. S. 85). 94 » X? Hoffnungsgründe beibringen. Unser Mann handelte das Gespinnst ein, teilte frische Baumwolle aus und wurde dazwischen wegen manches Lebensfalles um Rat gefragt, ja sogar musste er sich nicht allein als Hausfreund, sondern auch als Hausarzt zeigen; Wundertropfen, Salze, Balsame führte er jederzeit bei sich.“ Es folgt nun die Schilderung der Spinnerarbeit: „In die verschiedenen Häuser eintretend, fand ich Gelegenheit, meiner alten Liebhaberei nachzu’nängen und mich von der Spinntechnik zu unterrichten. Ich ward aufmerksam auf Kinder, welche sich sorgfältig und emsig beschäftigten, die Flocken der Baumwolle auseinander zu zupfen und die Samenkörner, Splitter von den Schalen der Küsse, nebst andern Unreinigkeiten wegzunehmen; sie nennen es erlesen. Ich fragte, ob das nur das Geschäft der Kinder sei, erfuhr aber, dass es an Winterabende^ auch von Männern und Brüdern unternommen werde. Rüstige Spinnerinnen zogen dann, wie billig, meine Aufmerksamkeit auf sich; die Vorbereitung geschieht folgendermassen: Es wird die erlesene oder gereinigte Baumwolle auf die Karden, welche in Deutschland Krämpel heissen, gleich ausgeteilt, gekardet, wodurch der Staub davon geht und die Haare der Baumwolle einerlei Richtung erhalten, dann abgenommen, zu Locken festgewickelt und so zum Spinnen am Rad zubereitet. Man zeigte mir dabei den Unterschied zwischen links und rechts gedrehtem Garn; jenes ist gewöhnlich feiner und wird dadurch bewirkt, dass man die Saite, welche die Spindel dreht um den Wirtel verschränkt.“ „Die Spinnende sitzt vor dem Rade, nicht zu hoch; mehrere halten dasselbe mit übereinander gelegten Füssen in festem Stande, andere nur mit dem rechten Fuss, den linken zurücksetzend. Mit der rechten Hand dreht sie die Scheibe und langt aus so weit und so hoch sie nur reichen kann, wodurch schöne Bewegungen entstehen und eine schlanke Gestalt sich durch zierliche W 7 endung des Körpers und runde Fülle der Arme gar vorteilhaft auszeichnet; die Richtung besonders der letzten Spinnweise gewährt einen sehr malerischen Kontrast, so dass unsere schönsten Damen an wahrem Reiz und Anmut zu verlieren nicht fürchten dürften, wenn sie einmal anstatt der Guitarre das Spinnrad handhaben wollten. Die schnurrenden Räder haben eine ge- f 95 wisse Beredtsamkeit, die Mädchen singen Psalmen, auch, obwohl seltener, andere Lieder. Zeisige und Stieglitze, in Käfigen aufgehangen, zwitschern dazwischen und nicht leicht möchte ein Bild regern Lebens gefunden werden als in einer Stube, wo mehrere Spinnerinnen arbeiten.“ „Dem beschriebenen Rädli-Garn ist jedoch das Brief-Garn vorzuziehen; hiezu wird die beste Baumwolle genommen, welche längere Haare hat, als die andere. Ist sie rein gelesen, so-bringt man sie, anstatt zu krämpeln, auf Kämme , welche aus einfachen Reihen langer stählener Nadeln bestehen, und kämmt sie; alsdann wird das längere und feinere Teil derselben mit einem stumpfen Messer bänderweise — das Kunstwort heisst ein Schnitz — abgenommen, zusammengewickelt und in eine Papierdüte gethan und diese nachher an der Kunkel befestigt. Aus einer solchen Düte nun wird mit der Spindel von der Hand gesponnen; daher heisst es aus dem Brief spinnen und das gewonnene Garn Briefgarn. Dieses Geschäft, welches nur von ruhigen bedächtigen Personen getrieben wird, gibt der Spinnerin ein sanfteres Ansehen als das am Rade; kleidet diess letzte eine grosse, schlanke Figur zum besten, so wird durch jenes eine ruhige zarte Gestalt gar sehr begünstigt. Dergleichen verschiedene Charaktere, verschiedenen Arbeiten zugethan, erblickte ich mehrere in Einer Stube und wusste zuletzt nicht recht, ob ich meine Aufmeiksamkeit der Arbeit oder den Arbeiterinnen zu widmen hätte.“ „Der Haspel, auf welchen das gesponnene Garn aufgewunden wird, hat Rad und Zeiger, so dass sich bei jedesmaligem Um- drehen eine Feder hebt, welche niederschlägt, so oft hundert Umgänge auf den Haspel gekommen sind. Man nennt nun die Zahl von tausend Umgängen einen Schneller, nach deren Gewicht die verschiedene Feine des Garns gerechnet wird. Rechts gedrehtes Garn gehen 25 - 30 Schneller auf ein Pfund, links gedreht 60—80, vielleicht auch 90 1 ). DerUmgang des Haspels wird ungefähr sieben Viertelellen betragen und die schlanke fleissige Spinnerin behauptet, ') Auch M. Hungerbühler bestätigt in dem Aufsatz „Industriegeschichtliches über die Landschaft Toggenburg“ (in den Verhandlungen der st. gallisch- appenzellischen gemeinnützigen Gesellschaft vom 23. Oktober 1851) die That- sache, dass man es verstand, auf dem Rädlein bis auf Nr. 80 zu spinnen. 96 4, auch 5 Schneller, das wären 5000 Umgänge, also 8 bis 9000 Ellen Garn täglich am Rad zu spinnen. Darauf konnte denn doch die stille und bescheidene Briefspinnerin es nicht ganz lassen und versicherte, dass sie aus dem Pfund 120 Schneller spinne in verhältnismässiger Zeit — Briefspinnen geht nämlich langsamer als das Spinnen am Rade, wird auch besser bezahlt; vielleicht spinnt man am Rade wohl das doppelte. Sie hatte eben die Zahl der Umgänge auf dem Haspel voll und zeigte mir, wie nun das Ende des Fadens ein paarmal umgeschlagen und geknüpft werde; sie nahm den Schneller ab, drehte ihn so, dass er in sich zusammenlief, zog das eine Ende durch das andere durch und konnte das Geschäft der geübten Spinnerin als -abgeschlossen mit unschuldiger Selbsgefälligkeit vorzeigen.“ Über die immer bedrohlicher werdende Konkurrenz des Maschinengarns lässt Göthe in Kap. XIII die in Stäfa gedachte Fabrikantenfrau „Susanna“ sich wie folgt ausdrücken: „Was mich aber drückt, ist doch eine Handelssorge, leider nicht für den Augenblick, nein! für alle Zukunft. Das überhandnehmende Maschinenwesen quält und ängstigt mich; es wälzt sich heran wie ein Gewitter, langsam, langsam; aber es hat seine Richtung genommen, es wird kommen und treffen. Schon mein Gatte war von diesem traurigen Gefühl durchdrungen. Man denkt daran, man spricht davon und weder Denken noch Reden kann Hülfe bringen. Und wer möchte sich solche Schrecknisse gern vergegenwärtigen! Denken Sie, dass viele Thäler sich durchs Ge- birg schlingen, wie das, wodurch Sie herabkamen; noch schwebt Ihnen das hübsche frohe Leben vor, das Sie diese Tage her dort gesehen, wovon Ihnen die geputzte Menge allseits andringend gestern (hier) das erfreulichste Zeugnis gab; denken Sie, wie das nach und nach zusammensinken, absterben, die Oede, durch Jahrhunderte belebt und bevölkert, wieder in ihre uralte Einsamkeit zurückfällen werde.“ Die ebenso ausführliche als anschauliche Beschreibung der schweizerischen Handweberei legen wir für diesmal bei Seite, können uns aber zur Vervollständigung des Stimmungsbildes nicht enthalten, noch beizufügen, was Göthe in denselben Tagen, d.h. 97 r am 25. September 1797 über die politischen Zustände der Schweiz von Stäfa aus nach Weimar schrieb 1 ): „Die öffentlichen Angelegenheiten sehen in diesem Lande wunderlich aus. Da ein Teil der ganzen Masse schon völlig demokratisch regiert wird, so haben die Unterthanen der mehr oder weniger aristokratischen Kantone an ihren Nachbarn schon ein Beispiel dessen, was jetzt der allgemeine Wunsch des Volks ist; an vielen Orten herrscht Unzufriedenheit, die sich hie und da in kleinen Unruhen zeigt. Ueber alles dies kommt in dem gegenwärtigen Augenblick noch eine Sorge und Furcht vor den Franzosen. Man will behaupten, dass mehrere Schweizer bei der letzten Unternehmung gegen die „Republik“ Partei gemacht und sich mit in der sogenannten Verschwörung befunden haben, und man erwartet nunmehr, dass die Franzosen sich deshalb an die Einzelnen, vielleicht gar an’s Ganze halten möchten. Die Lage ist äusserst gefährlich, und es übersieht Niemand, was daraus entstehen kann.“ Indem wir noch einen Blick auf die andern europäischen Staaten werfen, erwähnen wir an dieser Stelle von Frankreich nur, dass da im 17. Jahrhundert unter den Ministern Mazarin und Colbert Baumwoll-Weiss- und Buntweberei sowie -Druckerei, wenn auch nicht zu grosser Verbreitung, so doch zu einer hervorragenden Stufe in der technischen Entwicklung gelangt waren.. In der letzten Periode seiner langen Regierung zerstörte dann Ludwig XIV. sein eigenes Werk zum grossen Teil wieder, indem er und seine geistlichen Ratgeber dem Lande durch die grausamen Hugenottenverfolgungen einen enormen Aderlass an intellektuellen Kräften zumuteten. Bei dem daraus erfolgenden Niedergang der Gewerbe wurde die junge Baumwollindustrie weitaus am meisten betroffen, und war, ausser der Buntweberei in Rouen, während der nächsten 50 Jahre von keiner Bedeutung mehr. In Holland siedelte sich die Baumwollindustrie (nach Brockhaus G-L.), wahrscheinlich im 15. Jahrhundert, also etwas 2 ) „Aus einer Reise in die Schweiz im Jahre 1797“ in Göthes Werken. 98 später als in Deutschland an, von wo um diese Zeit beträchtliche Mengen Barchente nach dem erstgenannten Lande ausgeführt wurden. Niederländische flüchtige Protestanten verpflanzten sodann, wahrscheinlich im Anfang des 16. Jahrhunderts, die neue Industrie nach England, wo ihr nach Eduard Baines’ Geschichte der britischen Baumwollindustrie*) merkwürdige Wandlungen des Schicksals Vorbehalten waren. Als hier nämlich zu Ende des 17. Jahrhunderts Baumwollwaren in steigendem Masse in Konsum kamen, erhob sich eine heftige Opposition sowohl gegen die Erstellung derselben im Inlande als auch gegenüber der Einfuhr fremder Fabrikate. Die „Agrarier“ behaupteten, dass die Landwirtschaft vielerorts dem Ruin entgegengehe, wenn ihr der Absatz von Schafwolle und Flachs untergraben werde und gleichzeitig beklagten sich die zahlreich vertretenen Woll- und Seidenstoff-Fabrikanten bitter über die Konkurrenz, die namentlich die gedruckten Baumwoll-Artikel ihren Produkten bereiteten. Die Regierung gab diesen Mahnungen umso eher Gehör, als sie Bedenken trug, das Land im Bezug des industriellen Rohstoffes mehr und mehr von entfernten Gegenden abhängig zu machen. So verbot sie denn durch eine Parlamentsakte vom Jahr 1700 vorerst die Einfuhr aller gedruckten Zeuge aus Ostindien, Persien und China; als aber dadurch die Druckerei im eigenen Lande, wegen der Beliebtheit der farbigen Zitze nur um so stärker in Aufschwung kam, belegte man 1712 die im Lande selbst gefärbten und gedruckten Kattune mit einer Verbrauchssteuer von 3 und später von 6 Pence per Quadrat-Yard, und als auch das nichts half, wurde der Verkauf aller gedruckten Waren, die Baumwolle enthielten, verboten und nur derjenige der weissen Barchente, Mousselines und Halstücher und der uni-blau gefärbten Calicots freigegeben. Es konnten somit nur noch leinene und eventuell seidene Gewebe bedruckt werden (ein geeignetes Verfahren, Druckfarben auf Wolle zu fixieren war überhaupt noch nicht b Obiges Werk wurde 1836 durch den schon erwähnten Professor und Nationalökonomien Ch. Bernoulli ins Deutsche übersetzt und durch wichtige Zusätze ergänzt. Vielleicht ist ein freundlicher Leser im Falle, dem Verfasser diese deutsche Ausgabe, die ihm bis jetzt nicht zugänglich war, zur Einsicht zu überlassen. bekannt), bis zum Jahr 1736, in welchem man wenigstens die Erstellung halbleinener Druckstoffe, der sog. Blacksburn-Tücher erlaubte. Erst 1774 gelangte man dazu, auch den Druck ganz baumwollener Gewebe wieder freizugeben, immerhin mit einer •Steuer von 3 Pence per Yard belastet. 1 ) Es lässt sich nicht leugnen, dass den soeben erläuterten, um diese Zeit auch von preussischen und französischen Staatsmännern geteilten Ansichten der leitenden Kreise Englands ein an sich richtiger Kern innewohnte, insoweit sie das Ideal des Wirtschaftslebens eines grossem Volkes in dem Ineinandergreifen •von Landwirtschaft und Industrie sahen und die Möglichkeit plötzlicher Erwerbsstockungen für ganze. Volkskreise ins Auge fassten für den Fall, dass in Kriegszeiten oder durch andere Verkehrsstörungen die Rohstofflieferungen aus dem Auslande dauernd oder vorübergehend ausblieben. Die Dinge entwickelten sich aber doch ganz anders, als man damals ahnen mochte. Die Vorzüge der Baumwolle gegenüber der Schafwolle: ihre Billigkeit, leichte Waschbarkeit und unbegrenzte Haltbarkeit aufLager — und ebenso gegenüber der Leinwand: die Eigenschaft, wärmer zu halten, sich leicht bleichen und in mannigfaltigster Weise bedrucken zu lassen, bewirkten, dass der Verbrauch in allen Ländern fortwährend zunahm. Wo ihr künstliche Schranken entgegengestellt wurden, stellte sich der Schleichhandel in den verschiedensten Formen ein, sodass aus dem Verbot der Fabrikation im eigenen Lande die Fabriken anderer Staaten bedeutenden Nutzen zogen. Haben wir in Vorstehendem Anlass gehabt, die Intelligenz und Emsigkeit der schweizerischen Kaufleute, Fabrikanten und Arbeiter zu rühmen und waren die Zollverhältnisse im vorigen Jahrhundert in verschiedenen Beziehungen günstig, so ist anderseits auch in den staatlichen Beschränkungen, mit welchen die Baumwolldruckerei und mittelbar auch die -Weberei in England ') Die in einigen Werken enthaltene Notiz, die Engländer hätten bis 1770 darum nur halbleinene Gewebe erstellt, weil sie es nicht verstanden, Baumwollgarn fürdieKettestarkgenuganzufertigen — istnachObigem zum mindesten ungenau, wenn auch thatsächlich verschiedene Arten und Zweige der Baum- woli-Handspinnerei- und -Handweberei in der Schweiz eine bedeutend höhere Stufe der Ausbildung erfahren hatten als in England. 100 kämpfte, eine der Ursachen dafür zu suchen, dass die verschiedenem Baumwollbranchen und speziell auch die Druckerei in der Schweiz eine dominierende Stellung auf dem Weltmärkte erlangen konnten. Thatsache ist, dass, als diese Hindernisse fielen und zugleich die Maschinenspinnerei und bald auch die Maschinendruckerei aus dem Boden Grossbritanniens emporwuchsen, sich nun die Baumwollindustrie in diesem Lande mit elementarer Gewalt entwickelte,, ihm unermessliche Reichtümer zuführte und eine Zeit lang jegliche Konkurrenz zu ersticken drohte. Die Baumwoll-Handspinnerei und -Handweberei in Glarus. Wie aus verschiedenen Erlassen hervorgeht, war die zürcherische Regierung zu allen Zeiten darauf bedacht, die Verpflanzung der heimischen Wollen-, Seiden- und Baumwollindustrie nach andern Gegenden möglichst zu verhindern. Um so mehr Anerkennung gebührt von Seite unseres Ländchens dem 1714 als Pfarrhelfer nach Glarus gewählten Andreas Heidegger von Zürich, welcher bei seinem Amtsantritt der Verdienstlosigkeit und Armut,, unter welcher ein grosser Teil der glarnerischen Bevölkerung litt, gewahr wurde und nicht zögerte, die Baumwollspinnerei im Hauptort einzuführen, von wo sie sich von 1715—1720 über alle andern Ortschaften verbreitete'). 1717 forderte zwar die Zürcher Regierung ihre „lieben Angehörigen zu Stadt und Land“ auf, kein Glarner noch anderes fremdes Garn zu kaufen (und verbot zugleich bei hoher Strafe den Geschirrfassern, Webstuhlgeschirre ausser Lands zu verkaufen); indessen wurde dem obrigkeitlichen Wunsche nur teilweise nachgelebt; denn nach den Berichten der Chronisten übernahmen die Zürcher Händler, die anfänglich die rohe Baumwolle ins Glarnerland lieferten, zugleich auch wieder das Gespinnst. Da übrigens in diesem Zeitpunkt der Absatz der Baumwolltücher nach dem Ausland und damit auch die Nachfrage nach Garn in raschem Steigen begriffen waren, grollten die Zürcher ihrem Mitbürger später nicht mehr, sondern beriefen ihn ') Die Jahrzahl 1712 in „Heer und Blumer“ als Datum der Einführung der Baumwollspinnerei dürfte auf einen Druckfehler oder ein Versehen zurückzuführen sein. 101 1727 als Diakon an die „Predigerkirche“ in der Stadt Zürich; 1732 rückte er dort zum Pfarrer vor und starb 1746. 1 ) Für das Gedeihen der glarnerischen Spinnerei war es immerhin ein sehr günstiger Zufall, dass die Baumwollweberei im •Jahr 1721 in St. Gallen Eingang und in den folgenden Dezennien -dort, sowie im Toggenburg und Appenzellerland, starke Verbreitung fand; dadurch öffnete sich Glarus ein grosses Absatzfeld, mit dem es bis in unser Jahrhundert hinein enge verflochten blieb. Wie rasch die Glarner sich des neuen Industriezweiges bemächtigten und wie derselbe schon nach wenigen Jahren in die entlegensten Dörfer gedrungen war, so dass er zeitweise sogar der Landwirtschaft die nötigen Arbeitskräfte streitig machte, ■erhellt aus den in der Eimer Gemeindechronik niedergelegten Aufzeichnungen eines Tagwenvogt Bläst/ Zentner (1667—1742). Derselbe schrieb: „1723. Zu arbeiten und zu gewünnen ist mit der Baumwollen so viel als man begeren thut, und ein braver Arbeiterlohn, vom Pfund Baumwollengarn der Spinnerlohn 20 ß bis 25 bis gar 30 ß 2 ). Es kämen alle Wochen von Zürich nur Spinnerlohn 700 fl. und mag doch das gmeine Baurenwesen nicht mehr zu grünen kommen, sondern verdorrend alle Jahr. Ja, wann ich die Wahrheit sagen soll, alle Tag je länger je mehr, bei einer so gsunden und wohlfeilen Zeit, da alles zu arbeiten und gwünnen gnug findt. Der Wasen oder Güöter sind so unwerd und im Abgang, dass niemand nicht kaufen will noch vermag (d. h. geneigt ist) zu kaufen.“ *) Heidegger verheiratete sich in Glarus 1713 mit Sibilla Wild, einer Tochter Pfarrer Abrahams, und nach deren Tode 1722 mit Maria Elisabeth Feldmann, Witwe des Schatzvogt Frid. Heer und Tochter des Mätzenhändler Hans Jakob Feldmann sei. — Aus der Amtszeit von Abraham Wild von Schwanden (1628—1689), Pfarrer in Glarus, stammen in den Kirchenbüchern •die ausführlichen Notizen über die ersten Tischhändler von Ennenda. 2 ) Da es sich damals wahrscheinlich um 10—15 schnelieriges Barchet- garn handelte, betrug der Spinnerlohn also ca. 2 ß per Schneller, oder ca. 8 ß per Tag; auch bei Annahme von Nr. 20er Garn für den höchsten der obigen . Lohnansätze trifft es noch l'A ß per Schneller (vergl. auch S. 87,106 und l!4f 102 „1725 eine gsünte, wohlfeile Zeit. Die Aecher sind iit solchem Abgang und unwerd, dass wer zu zahlen hat, der kaufte kein Stück Guot. denn um den halben Theil.“ „1733 eine wohlfeile Zeit, und zu arbeiten so viel man begeren will; mit der Baumwolle ein rechter Spinnerlohn.“ Chronist Trümpy meldet, dass um 1720/21 schon ca. 24 Zentner Baumwollengarn vom Glarnerland wöchentlich nach Zürich geliefert worden seien, was zu bloss 20 ß vom U einem Wochenverdienst von ca. 1000 fl. entspricht. Aus obigen und andern Ueberlieferungen geht hervor, dass sich an der Handspinnerei nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch viele Männer beteiligten' 1 ); dies war jedoch nicht überall in gleicherweise der Fall, da nicht allen Männern das Sitzen am Spinnrad behagte; es ist daher nicht zu verwundern, dass daneben, wie wir im Abschnitt „Handel“ gesehen, fortwährend viele Glarner auswärts ihr Brot als Handelsleute und Wattenmacher zu verdienen suchten, manche auch noeh den fremden Kriegsdiensten nachliefen. Koch seßhafter wurde die männliche Bevölkerung erst durch die Zeugdruckereien, welche jedoch im vorigen Jahrhundert noch nicht ihre volle Bedeutung erlangten. i Der in industriellen Verhältnissen bestens bewanderte Chronist Joh. Jakob Tschudi bezeichnet 2 ) mit Namen diejenigen Männer,, weiche zuerst den Garnhandel und z. T. auch den Einkauf des Rohstoffs selbst an die Hand genommen und dadurch erst den vollen Nutzen dem Lande zugewendet haben. Aus den Kirchenbüchern konnten drei derselben unzweifelhaft als Bürger von Glarus eruirt werden; es sind dies 1 .Handelsmann Fri d.V og e 1 (1686—1732), 2. Kauf- und Handelsherr und Ratsherr Joh. Tschudi (1693—1755),: Vater des Chronisten und Camerarius Joh. Jakob. 3. Schiffmeister,. Kauf-und Handelsherr Fridolin Heiz (1698—1750), verheiratet ') Rach der „Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs“ von Prof. Dr. Exner, Wien 1873, wurden vom Ende des 16. Jahrhunderts ’äri in Deutschland-Oesterreich auch Männer in grösserer Anzahl zum Spinnen' von Wolle, Baumwolle und Leinen am Spinnrad herangezogen; einzelne deutsche Fürsten verwendeten ihre während der Friedenszeit unbeschäftigten» Soldaten dazu. / >) Vergl. S. 47. 103 mit der Tochter des Joh. Rud. Trümpy, welcher 51 Jahre lang das Amt eines Zürcherboten versah. Die andern drei wohnten in Ennenda, indem sie mit grosser Wahrscheinlichkeit mit folgenden Persönlichkeiten identisch waren: .Handelsmann Jacob Vogel (1682 — 1749); Handelsmann Frid. Oer tli-Wild (1685—1758), durch seine Frau verwandt mit Diakon Heidegger; Hilarius Jenny (1666—1744),Vater des nachmaligen Kirchenbauherrn FridolinJenny. In den andern Landesteilen thaten sich als grössere Garnhändler hervor die schon S. 36 und 37 erwähnten Kaufleute Adam Schiesser von Dornhaus und Peter Blumer und seine Nachkommen in Nidfurn und Schwanden, ferner Chirurgus, Baumwoll- händler und Ratsherr Josua Tschudi (1673—1755) auf der „Färb“ in Schwanden (Vater des Clavi-Cordimach er Burkhardt in London); Schatzvogt, Baumwollen- und Schnellerhändler Joh. Heinrjch Tschudi (geboren 1706, ebenfalls wohnhaft im „Farbhaus“ zu Schwanden) und seine Nachkommen; Kaufmann, Gesandter und Ratsherr Fridolin Jenny auf Sool (1713—1782) und gegen, das Ende des Jahrhunderts die Brüder Felix, Johannes, Mathias und Fridolin Jenny auf Sool, Söhne eines Schützenmeister Peter; danninMollis Chorherr SamuelSchindler(l 762—1830), vielleichtauch die schon S. 37 erwähnte Handelsfirma Abr. und J. H. Schindler. Ein Peter Jenny ab Sool „starb 37 Jahre alt anno 1754 in Handlungsgeschäften ganz schwermüthig in Cadix, nachdem er 1 '/ 2 Jahre daselbst zugebracht“; es ist nicht unwahrscheinlich, dass westindische Baumwolle sein Handelsobjekt in dieser damals wichtigen Seestadt war. Im Abschnitt „Handel“ haben wir schon einige Geschäftshäuser genannt, die Niederlassungen in italienischen Seestädten zum Import der Baumwolle gründeten. Denselben ist noch Ratsherr Joh. Paravieini-Zwicky (1758 — 1833) von Glarus beizufügen, welcher im vorigen Jahrhundert und bis 1810 viele Jahre in Triest unter der Firma J. Paravicini & Co. etabliert war.. Manche dieser Firmen, so namentlich Jenny & Schiesser, begnügten sich nicht damit, das aus der selbstimportierten Baumwolle im Glarnerland versponnene Garn in St. Gallen (Toggenburg) und Herisau abzusetzen, sondern Hessen es dort verweben und die Gewebe alsdann in Glarus oder im Aargau ä faqon bedrucken, um sie schliesslich im Ausland zu verkaufen. 104 Mehr als zwei Menschenalter hindurch blieb die Baumwollspinnerei eine regelmässige, sehr wertvolle Verdienstquelle; ihr verdankte das Land im vorigen Jahrhundert neben dem Handel den materiellen Aufschwung, welcher sich u. a. in der starken Bevölkerungszunahme, in der Errichtung zahlreicher neuer Wohnstätten und der Verbesserung vieler älterer Häuser kund gab. Es wurde von Anfang an nur „Rädli-garn“, ca. alte Nr. 10 bis 40 gesponnen. Zur Ergänzung der S. 86 und 87 gegebenen Erläuterungen möge hier noch beigefügt werden, dass das Spinnrad, dessen man sich zum Verspinnen von Baumwolle und Wolle in grobe und mittelfeine Garne bediente, nach Karmarsch’s „Handbuch der mechanischen Technologie“ (und in Ueberein- stimmung mit der S. 94 reproduzierten Schilderung Göthes) bis in unser Jahrhundert hinein ein sogen, einfaches Handrad, war. Die Arbeitsweise mit demselben unterschied sich von dem Handspindelspinnen bloss dadurch, dass die Bewegung der Spindel (anstatt direkt durch die Fingerspitzen) durch eine Uebersetzung von einem Rade aus geschah, welch’ letzteres als Mittel zur Umdrehung einen Kurbelgriff für die rechte Hand hatte. Es fehlte also der Flügel des S. 64 erwähnten Flachsspinnrades. Demzufolge vollzog sich das Verspinnen (Ausziehen und Zusammendrehen der Fasern) nicht gleichzeitig mit dem Aufwinden des gesponnenen Fadens, sondern abwechslungsweise, je nachdem die linke Hand der Spinnerin den Faden unter einem stumpfen Winkel oder senkrecht der Spindel zuführte. Nach dem „Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrieen“, Band VIII, Leipzig 1898 1 ) war dieses einfache Spinnrad schon den Römern bekannt, in Ostasien heute und wohl seit unbestimmbarer Zeit verbreitet und im Mittelalter in Deutschland und andern europäischen Ländern gebräuchlich. Die Idee, die Spindel mitSpule und Flügel zu verbinden und so dasSpinnen continuierlich zu gestalten, wurde nach der gleichen Quelle wahrscheinlich schon zu Ende des 15. Jahrhunderts in ihrer einfachsten Form (inDeutschland?) verwirklicht. Wegen derdabei stattfindenden starken Spannung des in der Bildung begriffenen Fadens eignete *) Der Abschnitt „Leinen- und Hanfgewerbe“ (S. 64 u. ff.) befand sich, schon unter der Presse als diese neueste Auflage erschien. 105 •sich dieses Flügelspinnrad jedoch nur für die langen und starken Flachs- undHanffasern, weshalb es in der Regel als „Flachsspinnrad“ bezeichnet wird. Das Verdienst des Johannes Jürgens soll bloss •darin bestanden haben, dass er die Leistungsfähigkeit desselben erhöhte, indem er den Handantrieb durch die Tretvorrichtung ersetzte. Die Anwendung dieses „Tret-Schemels“ blieb, wie es scheint, auf das Flachsspinnrad beschränkt. Im Spinnerlohn war auch das „Kardiren“ inbegriffen; an einzelnen Orten verfertigte man die Handkarden oder „Streichen“ nicht nur für eigenen Bedarf', sondern nach den Chroniken von Trümpy und Tschudi auch zum Verkauf in benachbarte Gegenden; •das Kirchenbuch Schwandens erwähnt um 1736 einen Dietrich Luchsinger, Tisch-, Knopf- und Streichenmacher, um 1741 einen Kardenmacher David Tschudi zum Höschetlihaus, sowie einen •Spindlenmacher Thomas Knobel (1688—1742). Die Bevölkerung der glarnerischen bezw. glarnerisch-schwyze- rischen Landvogteien Werdenberg, Wartau, Uznach und Gaster beschäftigte sich, namentlich im Winter, ebenfalls stark mit Baumwollspinnerei für st. gallische Geschäftshäuser; obrigkeitliche Beschränkungen oder Besteuerungen bestanden diesbezüglich durchaus keine. Die Trümpy-Chronik von 1774 meldet S. 99: „Es hat sich seit den Jahren 1714'15 bekannt gemacht die Spinnerey von Baumwollen, welche dann der allgemeine und blühendste Verdienst des Landes geworden. Dieser ist eine ungemeine Quell der Nahrung desVolks bis hieher gewesen. Von 1757—1765 war dieser Verdienst auf dem höchsten Punkt und soll etwann wöchentlich einige 1000 fl. im Land abgeworfen haben. Die Glarner haben zuerst •die Baumwollen von Zürich, Chur, Kempten, hernach von Venedig, auch Marseille oder Genua her, selbst angeschafft und das gesponnene Garn selbst in die Cattunfabriken (Webereien) nach Zürich, St. Gallen, Herisau verkauft. Obschon dieser Verdienst (1771) auf einen niedrigem Fuss herabgestiegen, scheint er sich doch nicht zu verlieren. Andere erreichen unsere Leute in der guten Spinnerey, •die schon über 50 Jahr bei uns im Gang, und darzu Kinder von 5, 6, 7 Jahren schon gewöhnet werden, nicht so leicht. Kleine Kinder können durch diese Arbeit schon ihr Brod verdienen, sie 106 ist den schwächsten Persohnen noch angemässen, wird am Schatten und in der Stube getrieben. Ob die Weberey des gesponnenen Garns für unser Volk wäre, und dasselbe sich an Weber-Keller,, wie die Appenzeller, gewöhnen könnte und an deren Einführung zu denken, lasse ich andere untersuchen. Es sollte einmal durch Abstrafung alles Betrugs der Gespönstarbeit und genaue Redlichkeit diesem unserm Gewerb der beste Credit erhalten werden.“ An anderer Stelle (S. 627) heisst es vom Jahr 1760: „Ohne bey dem Handel in ferne Länder mich aufzuhalten, der glücklich, und unglücklich, vernünftig und leichtsinnig geführt worden, war in den Grenzen des Landes die Baumwollen-Spinnerey von ungemein reichem Verdienst. Feines Pfundgarn ward an 1 fl. und auch höher bezahlt 1 ). Ein Schneller von 20 Schneller haltendem an 4 bis 5 Kr., auch vast mehr. Eine gute Spinnerin konnte in einer Woche 2 bis 3 fl. und ein . kleines Kind nabe 1 fl. verdienen. Oft fände man starke Mannen, mit Hindansetzung männlicher Arbeiten bey dieser leichten Arbeit das Brodt suchen. Im besten Flor warf der einige Verdienst der Baumwollen-Spinnerey für jede Woche viel 1000 fl. ab; darbey dann von 1760—63 die Wohlfeile der Lebensmittlen die Zeiten golden gemacht.“ Es scheint, dass der familiär-gesellige Charakter dieser Beschäftigung unserm Volke ungemein zusagte; ebenso augenfällig ist aber auch, dass dabei eine bedenkliche Ausbeutung bezw. Uebertreibung der Kinderarbeit, eingerissen war. Dass mit dem reichlichen Verdienst da und dort auch Kleiderluxus und Unmässig^ keit einzogen und allzu frühzeitiges Heiraten fast zur Regel wurde, glauben wir dem Chronisten aufs Wort. Von noch schwerem Nachteilen tönt es aber aus den 1770er. und 1780er Jahren. Von 1776—1786 bereiste nämlich der Historiker William Coxe von Cambridge als Begleiter englischer Vornehmer in vier Malen die Schweiz und gelangte dabei zwar nicht auf viele Berggipfel, wohl aber in eine grosse Anzahl der Alpen- thäler, die noch heute die Sehnsucht des Sommerfrischlers aus- b Pfundgarne hiessen um diese Zeit in Glarus die 5—15 schnellerigen Gespinnste für Barchente; feines Pfundgarn mochte also vielleicht 15 schnelleriges bedeuten, sodass ein Spinnerlohn von 1 fl. für das Pfund einem solchen von 4 kr. per Schneller entsprach. Vergl. S. 87. 107 machen. Auf der ersten (und einer spätem Reise) besuchte er auch das Glarnerland bis zu der „von Stein erbauten“ Panten- brücke;. derselbe war. von der Erhabenheit seiner Gebirgstour nicht wenig entzückt und rühmte auch die Reinlichkeit und Behaglichkeit, die in den Wohnhäusern herrschte. 1781 erschien bei Orell, G-essner, Füsslin & Cie. eine deutsche Uebersetzung seiner Reiseerinnerungen in Briefform. Während nun im Original und in der deutschen Uebersetzung nur kurz erwähnt ist, dass die Einwohner des Giarnerlandes „eine beträchtliche Menge Garn machten“ veröffentlichte ein Herr Ramond, der Coxe’ Werk ins Französische übersetzte, verschiedene Anmerkungen über zu Tage getretene, ungünstige Einflüsse der Industrie auf den schweizerischen Volkscharakter und bemerkt, dass eine Magistratsperson von Glarus sich ihm gegenüber geäussert habe, „sie sehe die kleinen Manufakturen ihres Landes mit Verdrusse, denn siezeugen eine Race ohne Stärke, ohne Muth im physischen sowohl als im sittlichen; sie vermehren die Anzahl der Menschen, nicht aber der Glücklichen, und der scheinbare Reichtum, welchen sie für einen Augenblick herfürbringen, in einem Lande, dessen Boden die Gegenstände nicht produziert, an denen die Industrie sich übt, wird nach den Umständen verändert; zerstiebt, wenn die Mode es haben will, und wird oft zum wirklichen Elende umge- schaffen: denn indem er sich zerstreut, lässt er ein Geschlecht, das er erzeugt, ohne alle Hilfsmittel“ (siehe „Schweitzersches Museum“ 1783, S. 232). Herr Ramond war ein Franzose, jedoch des Deutschen und des Schweizerdeutschen mächtig, hatte ebenfalls Schweizerreisen gemacht und auf einer solchen im Jahr 1777 auch das Glarnerland von Linthal abwärts durchwandert, nachdem er es vom Klausen her betreten. Ein Joh. Michael Afsprung von Ulm, der 1782 die Ostschweiz besuchte und bezügliche Reisebriefe herausgab, knüpft an die Anklagen Ramonds an und nimmt die Industrie in Schutz, indem er die Leistungen und Schicksale verschiedener Völker, die Handel und Industrie hochhielten, (wie der Athener, Karthager, Niederländer) anführt. Dann bemerkt er, wie die Magistraten verschiedener deutscher Reichsstädte das Eindringen der Manufakturen scheel angesehen oder sogar verhindert hätten; so seien auch diejenigen 108 der Glarner Demokratie auf die ihnen in Reichtum und Ansehen über den Kopf wachsenden Handelsherren nicht gut zu sprechen. Er fügt noch hinzu: „Die Einwohner sind übrigens gesunde, muntere und sehr freundliche Leute; eine gewisse Verschlagenheit wird ihnen selbst in der Eidgenossenschaft nachgesagt, die ich aber weder bestätigen noch verwerfen kann.“ Wir denken, dass die Wahrheit ungefähr in der Mitte lag. Einerseits erscheint das zuerst erwähnte vernichtende Urteil in verschiedenen Beziehungen als ein tendenziös übertriebenes, anderseits hatte sich die Industrie hier und in einigen andern Bergkantonen sehr einseitig fast nur in der Richtung der Spinnerei entwickelt und zeitigte in der zweiten und dritten Generation, wie spätere Quellen bestätigen, bei Kindern und Frauen allerdings gewisse körperliche Uebelstände. In denjenigen Gegenden, wo mit der Hausindustrie keine oder zu wenig Landwirtschaft verbunden war, und wo man, wie in Appenzell und Toggenburg, das Weben in dumpfen Kellern betrieb, wurde auch der letztem Beschäftigung nachgesagt, dass sie bei Männern und Frauen nicht selten Schwächlichkeit und Kränklichkeit erzeugte. Mit den 1780er Jahren begann eine für die schweizerische Baumwollindustrie kritische Periode. Bedeuteten die im Abschnitt „Handel“ erwähnten Prohibitiv-Zollerlasse Josephs II. eine schwere Beeinträchtigung des Absatzes der weissen, gestickten oder bedruckten Baumwollwaren, so schien dies mit dem französischen Edikt vom 10. Juli 1785, welches die Einfuhr aller fremden Baum- woIl-Gewebe verbot, in verstärktem Masse der Fall zu sein. Indessen entwickelte sich an den Grenzen Frankreichs ein lebhafter Schleichhandel, da die dortigen Kaufleute die beliebten bestickten und unbestickten Mousselines St. Gallens und Zürichs und gleicherweise die Druckfabrikanten die schweizerischen Rohgewebe nicht entbehren konnten. Als dann Frankreich im folgenden Jahre mit England einen Handelsvertrag unter Festsetzung massiger Eingangszölle abschloss, war es den schweizerischen Handelsleuten ein Leichtes, den französischen Markt auf Umwegen ebenfalls 109 wieder zu erreichen; auch scheint es, dass obiges Edikt von da an, mit oder ohne Wissen der Regierung, sehr lax gehandhabt wurde. 1794 führte der Konvent einen allgemeinen, ziemlich gemässigten Zolltarif ein, unter welchem nach J. G. Ebel der schweizerische Export besonders im Jahr 1797 von Neuem auflebte, nachdem er inzwischen durch die Assignatenwirtschaft schwer geschädigt worden war. In wesentlich anderer Weise wurde die schweizerische Spinnerei von aussen beeinflusst. Obwohl die Bemühungen verschiedener englischer Techniker, die Arbeit des Spinnens der menschlichen Hand zu entziehen und geeigneten Maschinen zu übertragen, in den 1760er und 1770er Jahren von Erfolg begleitet waren, machte sich diese bis jetzt ungeahnte Konkurrenz in der Schweiz vorerst noch nicht geltend. Gegenteils war der Absatz der Handgarne in der zweiten Hälfte der 1780er Jahre ein guter, da Frankreich 1785/86 (nach Adolf Bürkli) gleichzeitig mit dem Verbot der Einfuhr der Gewebe die Zölle auf Garn herabsetzte, um die Einführung bezw. das Erstarken der inländischen Weberei zu beschleunigen; auch in andern benachbarten Ländern erzeugte um diese Zeit die Vermehrung der Weberei grössere Nachfrage nach Gespinnsten. Von 1789 an trat dann das Maschinengarn Englands als Konkurrenz des Handgarns auch in der Schweiz auf und da die dortige Produktion rasch und gewaltig gesteigert wurde und das neue Produkt sich in den mittlern Nummern in Preis und Qualität als den bisherigen überlegen erwies, gestaltete sich der Niedergang der Handspinnerei in den 1790er Jahren zu einem schnellen und unaufhaltsamen. Aus verschiedenen Gründen war derselbe für das Glarnerland besonders verderblich: einmal traf die neue Konkurrenz in erster Linie die „Räcftigarne“, während die feinen (in Glarus nicht verfertigten) „Löthligarne“ vorerst auf den Spinnmaschinen nicht reüssierten; dann waren andere Industriezweige, die in den Riss hätten treten sollen, ausser dem Mittellande noch wenig vertreten und schliesslich hatten sich (nach J. R. Steinmüller) infolge des Aufblühens der Industrie in der ganzen Schweiz und der sehr starken Zunahme der Ehen und daraufhin der Bevölkerung, speziell auch im Glarnerland, die Preise von Grund und Boden, für Wohnungen und Lebensmittel. 110 gegenüber 1760—1780 1 ) um mindestens die Hälfte gesteigert, während gleichzeitig wegen der geringem Nachfrage nach dem Hand- gespinnst die Spinnerlöhne ins Wanken gerieten. So zogen denn in verschiedenen Gemeinden bei derjenigen Yolksklasse, welche von der Hand zum Mund lebt, Armut und Mangel ein. Trotzdem klammerte sich das Volk, namentlich in den entlegenen Dörfern, bis in das 19. Jahrhundert an das Altgewohnte an. Indessen hatte doch die Baumwoll-JKe&era, die nach den Chroniken von Trümpy und Tschudi (siehe o. S. 49 u. 106) in den 1770er Jahren noch fast ganz unbekannt war, nach dem helvetischen Kalender von 1783 ungefähr von 1780 an einige Verbreitung im Glarnerfand- gewonnen. In den 1790er Jahren machten sich die Garnferker nun eifriger daran, die Leute darin zu unterrichten, was an sich keine grossen Schwierigkeiten bot, da erstere bei ihrem regen Geschäftsverkehr mit den st. gallischen und appenzellischen Webern schon längst genügende Kenntnis dieses Gewerbes erlangt hatten. So wurden denn im Mittellande (besonders in Ennet- bühls und Riedern), in Schwanden und Umgebung, in Linthal und auf dem Kerenzerberg, Weberkeller und Weberstuben in den Häusern eingerichtet und von je 2-6 fleissigen Arbeitern oder Arbeiterinnen bevölkert. In Obstalden und Mühlehorn geschah die Einführung der Weberei wahrscheinlich ziemlich frühzeitig durch Toggenburger Stückfergger. Da um dieselbe Zeit mehrere neue Druckfabriken in Glarus und Mollis sich öffneten und der Absatz der weissen und der farbigen Gewebe, trotz Erschwerung der Ausfuhr nach einigen Ländern, ein ziemlich guter blieb, so hätte unser Ländchen die schwere Krisis wohl nach und nach überwunden, wenn nicht die Kriegsjahre 1798/99 eine vollständige Geschäftsstockung herbeigeführt hätten. Während derselben gingen eine Reihe kleinerer Weberei- und Druckfabrikbetriebe wieder ein; gerade aus dem Umstande, dass die wenigsten der spätem Webereifirmen bis ins vorige Jahrhundert zurückreichen, darf man schliessen, dass es zum grossen Teil andere Persönlichkeiten waren, welche während der Mediationszeit die Handweberei wieder aufnahmen und zur Blüte brachten. Eines der wenigen Geschäftshäuser, die unzweifelhaft schon im vorigen Jahrhundert *) Die Theuerungsjahre 1770/71 ausgenommen. 111 Handweberei betrieben, ist dasjenige von Ratsherr Peter Blumer Im Thon 1 ) und seinen Schwägern Felix und Johannes Jenny auf Sool; möglich, aber nicht sicher erwiesen ist, dass auch die Familien Becker und König in Ennetbühls, und Chorherr Samuel Schindler in Mollis schon in den 1790er Jahren damit begonnen haben. Ein Stimmungsbild aus der letzten Periode der Handspinnerei hat uns der in der Nationalökonomie bewanderte und daneben warmfühlende und patriotische Joh. Rudolf Steinmüller von Glarus, Pfarrer in Obstalden und später in Gaiss, Kt. Appenzell, hinterlassen. Derselbe verfasste 1796 die Schilderung einer Fuss- wanderung von Glarus bis auf die obere Sandalp und fügte dieselbe dem 1802 gedruckten Buche „Beschreibung der schweizerischen Alpen- und Landwirthschaft“ Bd. I bei. Sie enthält u. a. folgende Stellen: „Die eigentliche Nahrungsquelle der Bewohner des kleinen und grossen Thals ist bei den reichern Bauersleuten die Viehzucht, bei der ärmern und grossem Anzahl aber die Baumwollen- spinnerey, und auch die Weberey grober Baumwollentücher; — Tuch-, Cottun-, Indienen-, Seiden- und Bandfabriken, welche in den grossem Flecken und Dörfern, z. E. in Glarus, 'Mollis u. a. m. viele hundert Hände beschäftigen, hat es im grossen und kleinen Thal keine. Die Baumwollenspinnerey wird besonders in diesen Dörfern unglaublich stark betrieben, wozu die theuren Lebensmittel Alte und Junge nöthigen; denn — dies ist ein Nationalzug im Charakter des Glarners — er verdoppelt lieber seine Arbeit, als dass er sich etwas am Gewohnten abbricht. Ueberall trifft man daher ganze Reihen von 15, 20 bis 30 Baumwollspinnern, Knaben und Mädchen und Frauen, an der Strasse sitzend, an, die mit Eifer die schwirrenden Spinnräder treiben und sich um die Wette bestreben, den Verdienst der Woche zu erhöhen; viele kaum 4 bis 5jährige Kinder müssen schon Tag für Tag 2—3 Schneller spinnen und sich ihr Essen abverdienen, wo sie von jedem Schneller 3—4 Kreutzer zu Lohn bekommen. Das Traurigste bei dieser wichtigen Erwerbsquelle ist dies, dass sie von so vielen zum Betrug missbraucht wird. Der Spinner bekommt nämlich vom Garn- *) Schon S. 37. als Enkel des altern Ratsherrn Peter erwähnt. 112 händler (Ferker) den Spinnerlohn vom Schneller, so wie das Garn auch schnellerweise verkauft wird; jeder Schneller soll daher ordentlich 1000 7 / 4 -ellenlange Fäden enthalten, allein der gewissenlose Spinner hat entweder einen zu kurzen Haspel oder thut anstatt 1000 nur 800 (!'?) Fäden an den Schneller uud betriegt auf diese Weise schändlich. — Die Landesobrigkeit suchte diesem Uebel von Zeit zu Zeit Einhalt zu thun; die beste Verordnung aber, die auch in den neuesten Zeiten mit dem kräftigsten Erfolge angewendet wird, ist diejenige vom 23. Herbstmonat 1796. Derzufolge musste in jeder Gemeinde ein beeidigter und besoldeter Garnzähler gewählt sein. Der Ga^nhändler müsste an das Garn eines jeden Spinners ein Papierchen mit dem Hamen desselben hängen, so- dass man von jedem Bündel Garn wusste, wer ihn gesponnen habe. Der Garnzähler musste sich darauf von Zeit zu Zeit zu dem Garnhändler begeben und aus einem jeden Bündel einzelner Schneller die Fäden zählen und messen. AVer auf 1 Schneller 30 Fäden zu wenig that, musste 6 Batzen » i> 1 n „ „ „ „ » ^ » ;; » 1 n >! )> )) )i » » u. s. f. bezahlen, je auf 10 Fäden weniger 6 Batzen Busse. Wenn aber ein Schneller einen halben Zoll zu kurz wäre, so soll eine Busse bezahlt werden von einer halben „Krone“; mangelt aber ein ganzer Zoll, so ist darauf eine ganze „Krone“ Busse gesetzt; mit dem bestimmten Anhänge: dass bei jeder Wiederholung des Fehlers eine gedoppelte Strafe stattfinden solle.“') „Die Männer dieses Thals haben einen vorzüglich festen und kraftvollen Körperbau, hingegen sehr viele Weibsleute sehen blass im Angesichte aus, und ein grosser Teil von diesen *) Natürlich kam es nicht nur bei den Glarnern vor, dass Treu und Glauben im Geschäftsverkehr durch obrigkeitliche Verordnungen gestützt werden mussten; schon im Mittelalter wurden in den zünftigen Städten in Verbindung mit der Leinwand- und Tuchschau oft drakonische Bussen für Vergehen gegen die Vorschriften betreffend Mass und Qualität angedroht und aus den folgenden Jahrhunderten finden sich beispielsweise in der mehrerwähnten Urkundensammlung von Adolf Bürkli zahlreiche Erlasse der zürcherischen Regierung zur Steuerung der Unterschleife und kleinen Betrügereien, zu denen die häuslichen detaillierten Betriebe noch mehr Anlass und Versuchung boten als die heutige Fabrikindustrie. 113 hat einen zwergartigen, unvollkommenen Wuchs; letzteren ihrer beinahe lebenslänglich dauernden sitzenden und vorwärts eingebogenen Spinnerlebensart und ersteres sowohl dieser, als aber auch ihren gewöhnlichen Nahrungsmitteln zuzuschreiben, die an vielen Orten täglich darin bestehen, dass die ganze Haushaltung 3 bis 4 mal Kaffee trinkt, d. h. nebst einem Stück Brod eine elende Brühe von Cichorien, Bohnen, Eicheln, Erdäpfeln u. dergl., worunter einige Kaffeeböhnchen vermischt werden, geniesst, und zwar noch sehr oft aus Mangel an Milch diese dabei entbehrt und diese ihre Eicheln- oder Erbsenbrühe unvermischt verschlingt.“ „Von den vorzüglich auch in diesen Gegenden vorhin auf eine so himmelschreiende Weise verwahrlosten und beinahe ganz vernachlässigten Schul- und Bildungsanstalten der Jugend schweige ich, und freue mich lieber über die so nötige und nützliche Anordnung der Kantonserziehungsräthe, die auch hier ihren wohlthätigen Einfluss überall zeigen. — Es ist nicht schwer, die traurige Quelle zu entdecken, aus der das so befremdende, höchst unsittliche Betragen entsprang, dessen sich so viele ausgewanderte Kinder dieser Gegend in Bern, Basel und anderen Orten schuldig machten. 1 )“ „Den häufigen Wasserbeschädigungen sowohl, als aber auch den allzufrühzeitigen Verheurathungen solcher jungen Leute, die sich unverheurathet ihren Unterhalt kaum verschaffen konnten, ist ■ die schrecklich grosse Armuth zuzuschreiben, die man am allerdrückendsten in diesen zwei Thälern, und vorzüglich im grossen Thaie antrifft. Stockt der Verkauf des Baumwollengarns und wird der Spinnerlohn klein, so erreicht hier die Armuth einen unbeschreiblichen Grad.“ ') Dieser und der folgende Absatz stammen aus dem Jahr 1802, d. b. aus . der Zeit der Helvetik. Der Verfasser spielt auf die Spinnstuben als die Quellen der Unsittlichkeit an; in verschiedenen ostschweizerischen Schriften aus den letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts begegnet man ernstlichen Klagen über den üblen Einfluss der Spinn- und andern Stuben, wo man den verschiedenen hausindustriellenBeschäftigungen in gemischterGesellschaft oblag, auf das Kindesgemüt. Um die namentlich für Männer einförmigen Arbeite n zu würzen, wurden oft anstössige oder abgeschmackte Gespräche geführt, oder Schauererzählungen zum besten gegeben, die gewissen, noch immer vorhandenen abergläubischen Vorstellungen neue Nahrung boten. 114 Der deutsche Medizindoktor Johann Gottfried Ebei 1 ) der 1797 die Kantone St. Gallen, Appenzell und Glarus bereiste und seine Beobachtungen in dem zweibändigen Werke „Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz“, Leipzig 1802, niederlegte, sagt über die glarnerische Spinnerei: „Mehr als 4 Schneller kann eine Person täglich nicht spinnen und der Schneller wird mit 3—5 Kreutzer bezahlt; gewöhnlich kann eine Frau neben ihren Hausgeschäften wöchentlich mit Spinnen einen Gulden gewinnen. Das Gespinnst ist hier bei weitem nicht so fein wie in Appenzell; denn aus einem Pfunde Baumwolle verfertigen die Glarner nur 18—30 Schneller. In Linthal sah ich einen Knaben von 14 Jahren, der durch Musselinweben wöchentlich 2 Gulden gewann.“ Dazu ist Folgendes zu bemerken: Nach den heimischen Ueberlieferungen wurden nur mittelfeine und grobe Baumwolltücher gewoben, sodass es sich dabei um einen Ausnahmefall handelte, wenn die Bezeichnung „Musselin“ überhaupt wörtlich zu nehmen ist. Berücksichtigen wir im Fernern die Notiz des mit den ländlichen Verhältnissen wohlvertrauten Steinmüller, dass kleine Kinder schon 2 — 3 Schneller spännen, so sind die 4 Schneller nicht sowohl als Maximum, denn als eine gewöhnliche volle Tagesleistung einer erwachsenen Person anzusehen, wenigstens soweit es sich um grobe, sich leicht spinnende Garne handelte. Nur so könnten damit auch die Mitteilungen der Trümpychronik (S. 106) über Spinnerlohn per Schneller und den dabei erzielten Wochen- verdienst in Einklang gebracht werden, und ebenso diejenige Göthe’s (S. 96), dass es eine fleissige Spinnerin täglich bis auf 5 Schneller bringen könne. Inwieweit zur Erzielung dieses Maximums „Ueberzeit“, d. h. mehr als elfstündige Arbeit erforderlich war, entzieht sich allerdings unserer Beurteilung. Jedenfalls hatte man im Glarnerland im Rädlispinnen eine ausserordentliche Fertigkeit erlangt und verdiente dabei eher mehr als im Appenzellerland; dagegen brachten es in letzterem nach Ebel gewandte Feinspinnerinnen bis auf 24 Kreutzer per Tag (vergl. S. 89). a ) Dieser um die Schweiz sehr verdiente Schriftsteller erhielt später als Anerkennungszeichen das Bürgerrecht der helvetischen Republik und 1820 dasjenige der Stadt Zürich, wo er sich bleibend niedergelassen hatte. 115 Dass im Glarnerland früher auch viel grobe Garne unter Nr. 18 gesponnen wurden, haben wir schon oben erwähnt; inzwischen war eben die Barchentweberei gegenüber derjenigen von Druckkattunen ganz in den Hintergrund getreten. Am 16. Mai 1803 wurde eine neue Verordnung über das Garnwesen aufgestellt und dabei, neben Bestätigung der frühem, folgende neue Bestimmungen aufgenommen: Für jede Gemeinde wurde ein Garnzähler und zudem noch je ein Garn-Inspektor für das Mittelland, einer für das Unterland und einer für Schwanden samt Gross- und Kleinthal ernannt. Die Garnzähler sollten alle Monat einmal unangemeldet bei den Garnferkern Stichproben nehmen und die Fäden zählen etc. Den Garnferkern wurde zur Pflicht gemacht, den Spinnern trockene Baumwolle zu liefern und ihnen auf jedes Pfund einen halben Vierling Verschweinung Ueber die Zeitperiode, die dieser Abschnitt umfasst, hinausgebend, fügen wir hier noch bei, dass in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts die Tapeten- und überhaupt die gesamte Papierindustrie einen bedeutenden Aufschwung nahm als Folge einiger schon in den 1790er Jahren angebahnten Fabrikations- Neuerungen, welche ermöglichten, das Papier billiger und in einer für den Farbendruck und verschiedene andere Zwecke geeignetem Form herzustellen. Es waren dies 1) die von Louis Robert, Werkführer in einer Papierfabrik bei Paris, konstruierte Papiermaschine, welche endlose Bollen von Papier liefert, während dasselbe bisher als sog. Handpapier nur lagenweise den „Formen“ (flachen Drahtsieben) hatte enthoben werden können; 2) die in Frankreich durch Chaptal, in England durch C. & G. Taylor eingeführte Chlorbleiche der Hadern; 3) die durch den Papierfabrikanten Illig in Erbach erfundene Harzleimung, darin bestehend, dass der Papierbrei anstatt mit tierischem Leim, Gummi oder dergl. mit Harzseife und daraufhin mit Alaun versetzt wird. Die dabei durch doppelte Umsetzung entstehende Paste oder Emulsion besitzt eine eigenartige Klebkraft und sichert ihrer Undurchsichtigkeit bezw. ihrer „Körperbeschaffenheit“ wegen den Farben eine gute Reflexwirkung, weshalb sie sich dann auch als vorzügliches Verdickungsmittel für die Tapetenfarben erwies und unter dem Namen „Pflanzenleim“ mit der Zeit die oben genannten gewöhnlichen Klebstoffe zum grossen Teil verdrängte. 1 ) Um die Mitte des XIX. Jahrhunderts begannen neue Umwälzungen, die wegen der Einführung neuer ungeahnt billiger Rohstoffe, wegen der erhöhten Produktion der Papiermaschinen und der sprungweisen Entwertung des Hadernpapiers mehrere Male ernste Krisen in der Papier-Industrie hervorriefen. Ein einfacher Webersohn, Friedr. Gottl. Keller zu Hainichen in Sachsen war nämlich auf den Gedanken gekommen, Holz (namentlich Stammholz von Coniferen) durch Abschleifen oder Zerreiben (Anpressen ') In die gleiche Periode fallen auch die ersten Versuche mit Tapeten- Druckmaschinen; da dieselben jedoch aus den für Zeugdruck konstruierten Rouleaux-Maschinen hervorgegangen sind, sollen sie später bei Gelegenheit Erwähnung finden. 32 an einen schnellrotierenden Schleifstein) in einen für Papier- hereitung tauglichen Brei zu verwandeln und schon 1845 wurde dann von ihm geschliffenes Holz gemischt mit Hadernzeug in einer Papiermühle zu Alt-Chemnitz zu Zeitungspapier verarbeitet. Als es sich dann mit der Zeit herausstellte, dass das allerdings spottbillige, aber kurzfaserige Holzschliffpapier seine ohnehin geringe Bruchfestigkeit am Lager noch mehr verliert und dass es am Lichte vergilbt und somit nur geringen Ansprüchen genügen kann, versuchte man durch chemische Prozesse (Kochen unter Druck mit Natronlauge oder schwefligsauren Salzen) längere Fasern (von in Stücke gespaltenem Holz) blosszulegen und zu reinigen. In den Jahren 1872—74 wurde speziell das Sulfitverfähren durch Daniel Ekmann und gleichzeitig durch Dr. Alex. Mitscherlich derart verbessert, dass seither solches sog. Zellstoff- oder Cellulosepapier in sehr guter und doch billiger Qualität auf den Markt gebracht werden konnte. Der in der gleichen Periode ins Ungemessene sich steigernde Verbrauch von Papier und Cartons aller Art und die schliesslich wieder besser gewürdigten, in einigen Beziehungen noch nicht erreichten Eigenschaften des Leinen- und Baumwoll-Hadernpapiers gaben dem Papiermarkt ab und zu wieder einen kräftigen Rückhalt und erleichterten der Papier-Industrie die tiefgehenden Veränderungen zu verdauen. In der Schweiz, wo dieselbe seit Jahrhunderten gut vertreten war, nimmt sie stetsfort eine achtenswerte Stellung ein und arbeitet, soweit es eben die Zollverhältnisse erlauben, nicht unbedeutend für Export. Nach A. Furrers volkswirtschaftlichem Lexikon bestanden im Jahr 1888 in der Schweiz 43 Etablissemente für die Herstellung von Papier und Cartons (mit Inbegriff der Glanzcartons oder sog. „Preßspähne“), sowie von Holzschliff- und Zellstoff als Halbfabrikate. In diesen 43 Fabriken finden ungefähr 2000 Arbeiter Beschäftigung und werden Papier und Cartons im Werte von zirka 10 Millionen Franken erzeugt. Auch im Kanton Glarus ist die Papier-Industrie schon längst eingebürgert, indem ums Jahr 1750 ein Albrecht W eber die Papiermühle in Netstal errichtete, welche 1770 an Leuzinger & Zweifel überging und noch heute unter der Firma Gebr. L. & J. Zweifel, mit modernen Maschinen ausgerüstet, in flottem Betriebe Steht 33 (Arbeiterzahl 110). Daneben finden wir auch noch die kleine Cartonfabrik der Firma Johs. Tschudi in Luchsingen (mit 8 Arbeitern). Die Papiertapeten wurden, soweit die hierüber spärlich fliessenden Nachrichten ein Urteil gestatten, schon in frühem Zeiten grösstenteils vom Ausland bezogen; jedoch befassten sich auch einzelne schweizerische Lithographen, Buchdrucker und Malermeister mit der Anfertigung von solchen. Im XIX. Jahrhundert hatten sich die Konkurrenz- und Absatzverhältnisse nicht günstiger gestaltet, so dass auch der fabrikmässige Betrieb nie von Bedeutung wurde. Der offizielle Katalog der Schweiz. Landesausstellung in Zürich (1883) nennt als einzige Repräsentanten: „E. Sidler-Studer, erste schweizerische mechanische Tapetenfabrik in St. Gallen, gegründet 1853" und als Absatzgebiete : Die Schweiz, Oesterreich, Italien und Teile von Deutschland; und ferner „Cedraschi &Funk, Kattun- und Tapetenfabrik in Gossau.“ Ersteres Geschäft kam vor einigen Jahren zum Stillstand, und das letztgenannte stellte kürzlich, wenn auch wie es scheint nur vorübergehend, den Betrieb ein. 6. Die erste Periode des modernen europäischen Zeugdrucks und dessen Beziehungen zu altindischen Erzeugnissen. a. Allgemeines. Wie aus den im vorstehenden Abschnitte enthaltenen Mitteilungen (S.lSu.ff.) erhellt, war der mittelalterliche Leinendruck mittelst Leinölfarben und Holzmodeln im XV. Jahrhundert, besonders in Deutschland, zu einer bemerkenswerten Entwicklung gelangt, wenn auch dessen volkswirtschaftliche Bedeutung in den ebenfalls erwähnten Schriften Dr. R. Forrers vielleicht etwas zu hoch angeschlagen ist. Im XVI. Jahrhundert nun stellte sich ein Stillstand oder Rückschritt ein, dessen Ursache anfänglich darin lag, dass zu dieser Zeit die gemusterte Wollen- und Seidenweberei in Europa einen ausserordentlichen Aufschwung nahm und ihre schönen Produkte die immerhin minderwertigen Leinendrucke zurückdrängten; in noch weit stärkerem Masse war dies mit der später beginnenden Einfuhr gedruckter, oder genauer gesagt „örtlich gefärbter“ Baumwolltücher aus Ostindien der Fall, 3 34 wenn gleich der Leinendruck mittelst Oelfarben für Vorhänge und Tischdecken in kleinen Werkstätten auf dem Lande sich namentlich in Osteuropa noch bis tief ins XVIII. Jahrhundert hinein in geringem Umfänge erhielt. Das Auftauchen der farbigen ostindischen Kattune („Indiennes“) bildet einen Markstein in der Geschichte der Druckerei, da die Entstehung des modernen europäischen Zeugdrucks aufs Engste damit verbunden ist. Das Verspinnen und Verweben der Baumwolle war den Indiern schon im grauen Altertum geläufig, indem solches in den ältesten sanscritischen Schriften erwähnt wird. Auch die Technik des Zeugdrucks d. h. die Kunst, solche Baumwollstoffe stellenweise mit farbigen Ornamenten und Figuren zu bedecken, reicht dort in eine unbestimmbare Zeit zurück; bemerkenswert ist dabei, dass diese satten blauen, roten, braunen und gelben Farben fast ohne Ausnahme sehr acht und sämtlich chemisch fixiert d. h. mit dem Zellgewebe in fast unfühlbarer Weise innig verbunden waren, sodass die Faser überall ihre ursprüngliche Geschmeidigkeit und Durchlässigkeit bewahrte (was nach S. 17 T. II bei dem mittelalterlichen europäischen Zeugdruck nur bei dem vorgefärbten Grunde, nicht aber in Bezug auf die eigentlichen Druckfarben zutraf). Dieselben Eigenschaften zeichneten übrigens auch den nahe verwandten, S. 10 und 11 Teil II erwähnten altägyptischen Zeugdruck aus, soweit es sich um den Krapp- und den Indigoartikel handelte. Ob und inwieweit der altindische und der altägyptische Zeugdruck Fühlung miteinander hatten, darüber liegen höchstens Hypothesen vor. Soweit der Verfasser sich ein Urteil zu bilden im Falle war, kann man als charakteristisches Merkmal der altindischen Technik den Umstand bezeichnen, dass sie ohne verdickte Farben arbeitete, wobei wir das bei dem sogen. Reservagedruck verwendete Wachs nicht als eine solche taxieren, weil dasselbe nur diejenigen Stellen des Gewebes (vorübergehend) bedeckt, welche schliesslich weiss erscheinen sollen. Es lassen sich dabei in Hauptsache drei Verfahren unterscheiden, die sich sämtlich weniger als Zeugdruck im wörtlichen Sinne denn als „örtliche Farbengebung“ qualificieren; es sind dies 1. Der Bandanadruck, 2. Das direkte Aufträgen unverdickter Beizen oder Farblösungen auf das präparierte Gewebe und 3. Der Wachsdruck. 35 1. Das Bandana-V erfahren (vom in dischen ban dana=verbinden, verknüpfen) besteht darin, gewisse Stellen im Gewebe mittelst harten Zwirnfäden oder Schnüren zu unterbinden, einzuschnüren und dadurch zu bewirken, dass jene beim Eingehen in ein Beizoder Färbebad von den Wirkungen desselben verschont bleiben, somit schliesslich in Form kleiner Ringe oder Tupfen weiss erscheinen. Eine Unzahl solcher aneinander gereiht oder sonstwie gruppiert, bildet dann das Muster und zwar, nach heutiger Ausdrucksweise, im Charakter der „Aetzmanier“ (d. h. feine isolierte weisse Partieen im gefärbten Grunde), jedoch in seinen Effekten immerhin ziemlich beschränkt. Werden das Färben bezw. Verknüpfen oder beide Operationen nach dem Auflösen eines Teils oder aller erstmaligen Knoten wiederholt, so können mehrere Farben, namentlich Mischtöne und ineinander übergehende Schattierungen erzeugt werden. Das Verfahren eignet sich sowohl für Baum- woll- als auch für wollene und für glatte und gekreppte Seidengewebe und wurde für letztere hauptsächlich in China und Japan weiter ausgebildet; hier blieb es bis in die neuere Zeit in Anwendung, dürfte aber in der Gegenwart nun im Aussterben begriffen sein. Es ist an sich ausserordentlich zeitraubend und erfordert eine unendliche Geduld, weshalb es nur in den genannten asiatischen Ländern, wo die Handarbeit sich unglaublich billig stellt, von Bedeutung werden konnte. Immerhin enthält C. F. Kreisigs „Zeugdruck“ (Berlin, bei Rücker & Püchler, 1837) auf S. 527 u. ff. in Bd. III ein ausführliches Citat aus einem altern Coloriebuch des Engländers Mc. Kernan, wonach in England (im XVIII. Jahrhundert) mittelst solcher „gebundener“ oder „Knotenarbeit“ die sog. Barcellona-Tücher, rote, braune und indigoblaue Seidenfoulards mit sonderbar geformten weissen Effekten, hergestellt wurden. Auch die Erzeugung geflammter Seidengarne wurde den Chinesen schon ziemlich früh zur Herstellung sog. CTn'we'-Stoffe abgelauscht; obwohl später hiefür der sog. Zetteldruck aufkam, erhielt sich (nach Adolf Bürklis „Geschichte der Zürcher. Seidenindustrie“) das ursprünglicheKnüpfverfahren beispielsweise inZürich bis tief ins XIX. Jahrhundert hinein (speziell bei der Fabrikation der sog. „geflammten Halstücher“), indem sich dasselbe, weil keine bestimmte Zeichnung einzuhalten war, etwas einfacher gestaltete. 36 In Baumwolle spielten die in Indien und später in Persien nach dem Bandana-Verfahren hergestellten Indigoblau- und Türkischrotböden mit weissen Ringen und Tupfen lange Zeit eine nicht unbedeutende Rolle. Der Export nach Europa hörte im Blaudruckartikel schon im XVIII. Jahrhundert allmählig auf, während es der europäischen Technik erst zu Anfang des XIX. Jahrhunderts gelang, mit der Erfindung des Aetzens von Türkischrot den roten Bandana- Tücheln des Orients den Garaus zu machen. In Anlehnung an die ursprünglichen Artikel bezeichnete man in den ersten Dezennien des XIX. Jahrhunderts in den glarnerischen Druckereien und im Handel mit Italien die Indigoblau mit Weiss und später auch die Indigoblau mit Chromgelb als „Bandanos“, während man in Deutschland den in einfachen Tupfen und Linien weiss geätzten türkischroten Mouchoirs denselben Namen beilegte, der sich dann im Alizarin- Färbeartikel da und dort bis auf unsere Tage erhielt. Die beiden andern altindischen Druckmethoden sind offenbar spätem Datums, da sie bedeutend mehr, durch Erfahrungen gesammelte Kenntnisse voraussetzen. Sie dürften im ausgehenden Mittelalter in Ostindien und in etwas veränderter Weise im malaiischen Archipel schon ihre volle Ausbildung erreicht haben, wenn auch genauere Nachrichten erst aus erheblich späterer Zeit zu Gebote stehen; der Verf. schöpfte solche aus Ihm zur Verfügung gestellten Beschreibungen holländischer Kolonialbeamter aus dem XVII. Jahrhundert und aus den um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts in französischer Sprache verfassten Aufzeichnungen des Druckfabrikanten Jean Ryhiner in Basel (abgedruckt in Dollfus- Ausset’s „Materiaux pour la coloration des etoffes“, Paris 1865), welche u. a. Auszüge aus tomeXXVl des lettres edifiantes des peres de la mission (Paris 1743) und aus einem Rapport de M. de Beaulieu, ca - pitaine, et de M. Bufay de Pondichery*) (Amsterdam 1760) enthalten. Vergleicht man die bezüglichen Darstellungen altindischer Druckverfahren mit der noch heute bei einem Teile der Bewohner Nieder- ländisch-Indiens üblichen Ra(h'cÄ-Fabrikation, so findet man grosse Uebereinstimmung, sodass auch das Studium der letztem manche auf klär ende Rückschlüsse ermöglichte, wenn gleich die frühem *) Pondichery (in Vorderindien) kam 1674 in den Besitz Frankreichs und blieb es mit Unterbrechungen bis heute. 37 Erzeugnisse Vorderindiens in Mannigfaltigkeit der Farben (und wohl auch der Dessins) den heutigen malaiischen überlegen waren. Das oben mit Nr. 2 bezeichnete Verfahren bestand vorerst darin, das mehr oder weniger gebleichte Baumwollgewebe mit Büffelmilch, in welcher man Myrobalanen oder das Fruchtfleisch der Cadouga-Nüsse (d. h. viel Schleim, Gerbstoff und vielleicht noch andere wirksame Stoffe enthaltende Früchte) eingeweicht oder gekocht hatte, zu tränken, nach dem Auswinden an der Sonne zu trocknen, leicht zu spühlen, wieder zu trocknen und auf einem ebenen Block mit Keulen zu glätten; es folgte das Durchpausen der auf Papier mit Bleistift entworfenen und dann durchstochenen Zeichnung auf den gleichsam appretierten und präparierten Stoff, indem man mit einem Kohlenstift denNadelstichen in der Papierzeichnung nachfuhr; nun trug man mittelst Kielfeder und Pinsel unver- dickte Metalllösungen auf, indem man gewöhnlich zuerst die Konturen und dann die massigen Partien erzeugte, wobei die dem Gewebe mit der Grundierung einverleibten Substanzen teils das Ausfliessen des Aufgepinselten fast ganz verhinderten, teils die Metalloxyde direkt auf der Faser fixierten. 1 ) Es handelte sich im wesentlichen um Eisensalze (bereitet durch Auflösen von Eisenabfällen in Palmweinessig) und um den natürlich vorkommenden Thonerde-Alaun, dessen Lösung mit etwas Rotholzabsud versetzt -wurde, um sie für den Malenden auf dem Gewebe besser sichtbar zu machen; der durch die Büffelmilch dem Gewebe zugeführte Fettstoff erhöhte den Glanz der Farbentöne nach dem Ausfärben. Zu letzterer Operation verwendete man die sog. Chay-Wurzel (auch raye de chaie oder chaiavert genannt, der Oldenlandia umbellata entstammend), welche mit der Thonerde ein ziemlich feuriges und solides Rot liefert, mit dem Eisenoxyd auf Gerbstoff-haltigem Grunde schwarz, mit reinem Eisenoxyd dagegen ein Braun (womit sie sich vom Krapp unterscheidet, welcher in letzterm Falle ein Graulila erzeugt). Um die weissen Partieen rein zu erhalten und die Farben zu beleben, unterwarf man schon damals die Baumwolltücher vor *) Oft wirkte man dem Ausfliessen der unverdickten Farben auch dadurch noch entgegen, dass man nach dem Aufträgen derselben rasch Sand darüber streute, ein Verfahren, das später eine Zeit lang auch noch in Europa Nachahmung fand. 38 bezw. nach dem Färben einer Behandlung in Schaf- oder Kuhkot-, bezw. Seifenbädern und legte sie auf den Wiesen aus; auch gab man zur Erhöhung des Effektes der dunkeln Farben häufig am Schluss einen uni-hellgelben oder fahlen Ton, wozu in den Tropen eine grössere Anzahl pflanzlicher Farbstoffe, mit oder ohne Anwendung von Alaun, zur Verfügung standen. Zur Ausrüstung brachte man die Tücher in dünnen Reisstärkekleister und klopfte sie nach dem Trocknen oder rieb sie auf einem Tische mit glatten Muscheln, sofern ein Glanzappret verlangt wurde. 3. Bei dem Wachsdruck, den wir in seiner einfachsten Form schon S. 11 skizzierten, entwarf man die Zeichnung auf dem gebleichten Baumwolltuch, gleich wie wir es bei Methode Nr. 2 ausgeführt haben; dann wurde flüssiges Wachs als haarfeine Striche mittelst eisernen Griffeln und Pinseln oder mittelst des Tjantings, eines kleinen Gefässes mit feinem Ausguss (das aber in den ältesten Schriften noch nicht erwähnt wird) aufgetragen und ferner ebensolches für die massigen Partieen innerhalb der Konturen mittelst eines gestopften Lederballens oder dgl. aufgestrichen. Je nachdem man nun an den unbedeckten Stellen blau oder rot erzeugen wollte, brachte man alsdann den Stoff entweder in eine lauwarme Indigoküpe oder man beizte in einem Gerbsäure-haltigen Pflanzenabsud, dann in einem kalten Alaunbade und färbte bis zur Siedehitze steigend in einer Chaywurzel-Flotte aus. Das Wachs, das die von ihm bedeckten Stellen vor dem Eindringen der Färbemittel bewahrte, wurde im ersten Falle nach dem Blaufärben, im zweitn schon nach dem Alaunbeizen durch Aussieden entfernt und konnte von Neuem wieder benutzt werden. Durch Wiederholung des Verfahrens erhielt man Doppeltöne (Dunkel- und Hell-Indigoblau, Dunkelrot und Rosa mit oder ohne Weiss) und gemischte Töne (dunkle Braun und kräftige Lilas durch Uebereinanderfallen von Blau und Rot, bezw. Blassblau und Rosa). Ueberhaupt nahm unter den drei altindischen Druckmethoden der Wachsdruck die erste Stelle ein; er erforderte zwar neben einer bemerkenswerten Geschicklichkeit der Hand ebenfalls einen ungeheuren Aufwand an Zeit und Geduld, war aber in der getreuen Wiedergabe der entworfenen Muster den andern Verfahren bei weitem überlegen, wobei er betreffend Formen und Raumverhält- 39 nissen dem Zeichner einen sehr grossen Spielraum erlaubte, wie ja noch heute die von den Javanern hergestellten Batticks i ), soweit es sich um die hochfeinen Spezialitäten handelt, durch die Feinheit der Ornamentformen, Sauberkeit der Ausführung und die Frische und Tiefe der Farben unsere Bewunderung erregen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir jedoch gleich bemerken, dass die kriegerischen und weniger kultivierten Völkerstämme Hinterindiens und des malaiischen Archipels von jeher kaum ihren eigenen Bedarf an weissen und farbigen Baumwolltüchern erzeugten, während die dichter wohnenden, gebildeteren und namentlich in Textilarbeiten sehr geschickten Bewohner Vorderindiens schon seit Alexander des Grossen Zeiten weisse und später gedruckte gewöhnlich nicht abgepasste Kattune, in verschiedenen Qualitäten und von einem höher stehenden Geschmacke zeugend, an andere Länder abzugeben im Falle waren. Für besonders farbenreiche Artikel wurden in Alt-Indien die Druckmethoden 2 und 3 auch öfters kombiniert; man erzeugte z. B. nach Kr. 2 auf dem Baumwolltuch eine schwarz-rote Zeichnung, bedeckte alsdann Rot und Weiss stellenweise mit Wachs als Schutzpapp, färbte in der Indigoküpe Hellblau und entfernte das Wachs 2 ); oft pinselte man dann noch eines der verschiedenen zur Verfügung stehenden Pflanzengelb ein (die sich, mit >) Ueber das javanische Battickverfahren erschien kürzlich in Haarlem (Holland) bei der Verlagsanstalt H. Kleinmann & Cie. die erste Lieferung einer ausführlichen Arbeit in holländischer Sprache mit begleitender deutscher Uebersetzung unter dem (deutschen) Titel „Die Batik-Kunst in Niederländisch-Indien und ihre Geschichte“ von der Hand der Herren G. P. Rouffaer und Dr. Juynboll. In diesem reich mit Farben- und Lichtdrucktafeln ausgestatteten Buche — veröffentlicht von Seiten des niederländischen Reichsmuseums für Völkerkunde zu Leyden — sollen auch namentlich bei den kommenden Lieferungen (fünf im Total) die Beziehungen der javanischen Battick-Procedes zum analogen vorderindischen Wachsreserven- Verfahren geschichtlich erörtert werden, mit besonderer Berücksichtigung der ehemaligen Handelsverhältnisse. Vieles was ausserhalb Holland fast unbekannt blieb oder sogar noch handschriftlich im kolonialen Staatsarchiv im Haag schlummerte, wird damit Gemeingut werden. 2 ) In Europa nach dieser Manier angefertigte Nachahmungen hiessuii im XVIII. Jahrhundert Finchitz oder Cuppchitz, Bezeichnungen, welche wohl direkt den indischen Originalen entnommen wurden. I> 40 Alaun versetzt, durch blosses Verhängen von selbst auf dem Gewebe fixieren) und liess zur Erzielung von Grün das Gelb stellenweise auf hellblau fallen; so war man zu derselben Farbenkombination gelangt, wie sie (in andern Dessins) einige Jahrhunderte später der in Europa erfundene und als Triumph der Technik gefeierte Artikel ,, Lapis“ bot. Oder man erzeugte auf dem Stoff Dunkel- und He 11-Indigoblau mit Weiss und daraufhin das gefärbte Rot und das Pflanzengelb (und erhielt so das Farbenspiel der spätem europäischen Lapis Gros bleu und Lapis Gros vert). Dieses letztere Verfahren dehnte sich nach und nach (jedoch kaum vor dem XVII. Jahrhundert) auch auf Persien und die Türkei aus und konnte sich dort, wie wir bei Behandlung der Jasmas-Fabrikation sehen werden, in einigen Spezialitäten bis in die neuere Zeit erhalten. Das Wachsdruckverfahren eignet sich auch für glatte und gekreppte Seidenzeuge und wurde für solche besonders in Japan auf eine staunenswerte Stufe gebracht; diese Fabrikation blühte dort noch im dritten Viertel des XIX. Jahrhunderts, dürfte aber jetzt am Verschwinden sein, weshalb es für einen Fachgelehrten von Interesse wäre, die Details des Verfahrens und die Natur der angewendeten einheimischen Farbstoffe an Orte und Stelle aufzuzeichnen und so der Wissenschaft zu erhalten. Proben solcher Stoffe, welche in den 1860er Jahren (zur Imitation in Wolle) nach Mülhausen gesandt wurden, zeigen, wie der Verf. aus eigener Anschauung sich überzeugte, eine überaus reizvolle Ausführung: Die originellen Dessins sind in ihren Formen fein und leicht gehalten, im Kolorit herrschen dunkelblaue, dunkelgraue und andere satte Modetöne vor, in vielen „Fondus“ d. h. sanft ineinander über- fliessenden Schattierungen vertreten; daraus heben sich dann kleine Partieen in grellen Farben vorteilhaft ab, während die Blattadern und die Umrisse der Blumenblätter, durch die Wachsreserve geschützt, als haarfeine Striche weiss erscheinen. — Im Laufe der Zeit wurden auch noch andere Verfahren mit dem Wachsdruck kombiniert, indem z. B. bei manchen Blumen die hellsten zartesten „Lichter“ zuletzt mittelst feiner Handmalerei, wahrscheinlich in Eiweissfarben, aufgesetzt sind; bei andern japanischen Mustern ist es überhaupt schwierig, sich über die Art der Hersteliung genau 41 Rechenschaft zu geben. VOrderindien erzeugte in früheren Zeiten nach Verfahren Nr. 2 und Nr. 3 ebenfalls beträchtliche Mengen von Seidenstoffen; solche indische Seidenfoulards mit ächtgefärbten roten und schwarzen Figuren und gelbem oder chamois Grund erfreuten sich nach Dr. v. Kurrer auch in Europa lange Zeit grosser Beliebtheit. 1 ) Einen streitigen Punkt in der alten vorderindischen Druckerei ist noch die Frage, ob bei derselben neben Pinseln und Tampons auch gestochene Holzblöcke zum Aufträgen der Farben in Verwendung standen; während einzelne Gelehrte es annehmen, ohne es strikte beweisen zu können, spricht der Umstand, dass sie bei der javanischen Battick-Fabrikation bis ins erste Viertel des XIX. Jahrhunderts fast nicht bekannt waren, eher dafür, dass solche früher auch in Vorderindien nicht oder nur in einzelnen Gegenden benutzt wurden; speziell die niederländischen Geschichtsquellen des XVII. Jahrhunderts geben für die Annahme ihres Gebrauchs in Vorderindien ebenfalls durchaus keine Anhaltspunkte. — Dagegen geht in China der Blockbuchdruck nachweisbar bis ins X. Jahrhundert n. Chr. zurück, sodass in der Folge in China und Japan gestochene Holzblöcke unzweifelhaft auch für Papier-Tapetendruck und wahrscheinlich ebenso für Zeugdruck in beschränktem Masse zur Anwendung gelangten. *) Sie wurden, jedoch kaum vor der Mitte des 18. Jahrhunderts, in England und mehrere Jahrzehnte später auch in der Schweiz, in Lyon, Elberfeld, Barmen etc. nachgeahmt, selbstverständlich unter Ersatz des Aufmalens durch Modeldruck. Da bei der Seide, wenn auch in schwächerem Masse als bei der Wolle (vergl. S. 14), auch die nicht bedruckten Stellen im Färbebad etwas Krappfarbstoff anziehen und festhalten, erscheinen dieselben wie bei den indischen Foulards in einem schwach salmroten Ton, der häufig noch mit Creme oder Unigelb überfärbt wurde. Diese Fabrikation ist z. B. unter den aus dem Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts stammenden, in der Seidenwebschule Wipkingen-Zürich aufbewahrten Seidenfoulards-Mustern der Firmen Martin Usteri & Söhne im Keuenhof und Salomon Escher im Wollenhof in Zürich vertreten und zwar sind die Dessins mit fagon d’India bezeichnet (also indischen Vorlagen nachgeahmt), meistens einhändige, rote Böden, mit gelbleuchtendem Blätterwerk oder dicht gestellten Pälmchen durchsetzt. (Dieselben Dessins finden sich auch in Hellcarmoisinrot mit Cochenille gefärbt). Daneben blieben die acht-indischen Wachsdruck-Seidenfoulards bis in die 1840er Jahre in Europa stetsfort im Verkauf. 42 Als ferner, wie schon oben bemerkt, die indischen Druckverfahren allmählig den Persern und Türken zur Kenntnis kamen, brachten die dortigen Farbkünstler auch die ihnen in primitiver Form (nach S. 15) längst bekannte Holzmodelstecherei damit in Verbindung und erzeugten so einen von den,, Indiennes“ erheblich abweichenden (grossblumigen, bunten) Genre, welcher im XVII. und XVIII. Jahrhundert unter der Bezeichnung „Persiennes“ auch in Europa einigen Absatz bezw. Nachahmung fand. — Im Manuscript Ryhiner lesen wir hierüber: „La Perse a ete, pour ce qui regarde les toiles peintes, la premiere imitatrice des Indiens; eile a meme fait des toiles peintes plus heiles que les indiennes, comme cela est connu par l’ancienne denomination de ces toiles, suivant laquelle les persiennes etaient regardees comme plus fines que les indiennes, mais peu connues en Europe.“ Ueber den Beginn des Exportes der „Toiles peintes des Indes“ oder „Indiennes“, d. h. der „örtlich gefärbten“ vorderindischen Baumwolltücher und über die später erfolgende Verpflanzung dieser indischen „Druckmethoden“ ebendahin und speziell auch nach der Schweiz finden sich in der allgemeinen und in der Fach- litteratur nur sehr dürftige und meistens unklare Angaben, was den Verf. bewog, einige ihm sich bietende Verbindungen mit Gelehrten und Geschichtsfreunden der Schweiz und des Auslandes zu benutzen, mehr Licht über diese volkswirtschaftlich bedeutsamen Vorgänge zu verbreiten, bezw. einiges bisher nicht veröffentlichtes Material zum Abdruck zu bringen. Es betrifft dies in erster Linie Mitteilungen von Seite niederländischer Historiker, nämlich derHH. Pr. C. Te Lintum in Rotterdam, Pr. Colenbrander und G. P. Eouffaer im Haag, deren Adressen der Verf. der Gefälligkeit des Herrn Fel. Driessen, Direktor von De Leidsche Katoen-Maatschappij voorheen Pe Heyder & Co. in Leyden verdankt. Es scheint, dass im Mittelalter keine ostindischen Baumwollstoffe nach Europa gelangt sind oder wenigstens zu den grössten Seltenheiten gehörten; dagegen wird ihrer im XVI. Jahrhundert als Handelsartikel der Portugiesen Erwähnung gelhan, denn aus einem holländischen, im Jahr 1603 verfassten Manuscript Informatie, teilweise abgedruckt in Pe Jonge’s „De Opkomst van het Nederlandsch Gezag in Ost-Indiä“ (1865, III p. 149) erhellt, 43 dass die Niederländer zu dieser Zeit Kenntnis hatten vom Bestehen eines damals wahrscheinlich noch bescheidenen indisch-portugiesischen Handels in Baumwollwaren. Einen ungeahnten Aufschwung sollte derselbe in der Folge unter ihren eigenen Händen nehmen. Nach den soeben genannten niederländischen Autoritäten kamen die Holländer 1596 zum ersten Male nach Indien d. h. nach Java und bald darauf nach den Molukken, auf welchen Inseln sie alsdann festen Fuss fassten und Handelsniederlassungen (Faktoreien) gründeten, während sie von da aus auch den Weg nach Vorderindien, China und Japan fanden. Sie fingen sogleich, sicher beglaubigt schon 1602, den Handel in Baumwollwaren an, trieben ihn aber die ersten Jahre hindurch nur im Osten d. h. sie kauften solche in Vorderindien und brachten sie nach den genannten Inseln zum Verkaufe an die dortigen Eingebornen. Im Jahr 1608 aber kamen mit dem Schiffe Bantam 160 Stück schwarze Ar- moisinen, 30 Stück Damast (ä 9 .Realen per Stück) und 72 Stücke andern Damastes (ä 6 Realen per Stück) nach Holland (Faktur des Schiffes Bantam im Staatsarchiv von Haag). Im Fernern steht fest, dass im Jahre 1626 bunte (d. h. farbig gewobene und gedruckte) baumwollene Decken aus Indien ankamen und dass um 1640 der Export weisser und farbiger vorderindischer Baumwolltücher nach Europa schon eine ziemlich grosse Bedeutung erlangt hatte. Aus dem Jahre 1650 liegen beispielsweise folgende interessante Daten vor: I. Liste der Baumwollwaren, welche die Centralverwaltung der Holländisch- Ostindischen Compagnie pro 1650 bei ihren indischen Comptoirs bestellte: 5,000 Stück Betilles. 1,000 11 Betilles tarnataens. 5,000 11 Mouris. 4,000 11 Percalen. 5,000 11 Salampouris. 800 11 Casse bengale. 200 11 Mamoedys. 400 11 Hamans. 400 11 Sanen. 200 11 Malemoles. 2,000 11 Chiaulteris deriabady. 1,000 11 Adatheys. 2,000 11 Gingans 44 1,000 Stück Chalan gingans oder Serviettenstoff. 1,500 „ weisse breite Baftas. 1,000 „ schwarze breite Baftas. 500 „ blaue breite Baftas. 1,000 „ weisse schmale Baftas. 1,000 „ Surate und Negrokleider. 8,000 „ chinesische Kattune. 500 „ Catel gingans oder Schlaftücher. 80,000 Pfund Baumwollgarne von Surate-Baumwolle. II. Iriste der Waren, die auf vorstehende Bestellung hin a. 1650 wirklich zur Verschiffung nach den Niederlanden gelangten und mit ganz wenigen Ausnahmen aus Baumwolle erstellt waren, nebst Angabe der Einkaufswerte franko indischer Seehafen. für fl. 32,864. 85 J ) „ „ 47,997.95 „ „ 39,399. 60 „ „ 12,286.31 „ „ 44,352.70 „ „ 10,317.15 „ „ 7,683.90 „ „ 45,506.85 „ „ 31,001.05 „ „ 8,852.25 „ „ 3,063.97 „ „ 7,017.75 „ „ 3,330. „ „ 2,090. 19 80,385 Pfund Baumwollgarn von Surate. . 10,040 Stück Moerys. 6,820 „ chinesische Kattune, gebleicht 1,800 „ „ „ ungebleicht 5,880 „ gebleichte Salampouris . 2.180 „ gebleichte Gingans. 2,240 „ Percalen. 5,915 „ Betilles. 6.180 „ Baftas. 4,850 „ Segeltuch. 900 „ Adatheis. 1,501 „ Chialon gingans. 700 „ Hamans. 1,119 „ Chialon d’Ornael. 895 „ Casse bengale ..... 1,200 „ Negrokleider. 6,847. 45 821. 69 39 „ weisse gestickte Decken 960 „ Capedies, rot und blau 2,000 „ Sianters deriabady . 200 „ Mamoedys .... „ „ 2,794.05 „ „ 4,519.75 „ „ 1,857.75 Es ergibt sich demnach für obige Artikel im Total ein Einkaufswert von zirka h. fl. 300,000. Welche dieser Stoffe weiss und welche farbig waren, lässt sich bei mehreren derselben sicher und bei andern annähernd feststellen; fast unzweifelhaft ist, dass unter den Suraten und Negrokleidern gedruckte, unter den farbigen Baftas und Capedies buntgewobene oder gedruckte Artikel zu ver- *) 1 alter holländ. Silbergulden (= 2 heutige Franken) au Stüber zu 16 Pfennigen. 1 Reale = 2—2 * 1 / g alte holländische Silbergulden. 1 altes holländ. Pfund = ca. 500 Gramm. 45 stehen sind, während es sieh bei fast allen übrigen indischen Textilerzeugnissen und bei den chinesischen Kattunen um weisse Baumwolltücher handelte; speziell die Hamans, Percales, Casse Bengale und Salampouris sind Sorten, welche unter genau dem selben Bezeichnungen im XVIII. Jahrhundert von der Mehrzahl der europäischen Druckereien durch die ostindischen Compagnieen bezogen wurden. Des bessern Vergleiches wegen wollen wir hier gleich einige bestimmte Angaben über die indischen Tücher aus späterer Zeit einschalten. Ein officielles Aktenstück der Mülhauser Indiennedrucker vom Jahr 1788 (abgedruckt in Dollfus-Ausset’s Materiaux etc. S. 349 Bd. II) meldet folgendes: Die Gasse bengale kosteten per Stück ä 14 — 16 Pariser-aunes Länge (1 aune = ca. 120 cm) franko europ. Seehafen 32 Livres de France 1 ); 25 solcher Stücke wogen 1 quintal oder 100 französ. Gewichtspfund (ä 490 heutige Gramm). Die Baftas kosteten per Stück ä 9 1 / 2 —10 aunes Länge 20 L. d. F. und 32 solcher Stücke machten im Gewicht 1 q. aus. Die Guinees kosteten per Stück ä 27—28 aunes Länge 48 L. d. F. und 11 solcher Stücke machten im Gewicht 1 q. aus. Sie wurden oft auch in halber oder Drittelslänge bedruckt, bezw. verkauft. Nach dem Manuskript Ryhiner war die wichtigste Breite dieser für Kleider- und Möbelstoffe bestimmten Tücher 3 / 4 aunes, bei den feinem Qualitäten unter ihnen gab es auch 7 /s aunes. Von den Neuenburger Fabriken meldet A. Petitpierre’s „Histoire eeonomique de Neuchätel“, die oft verwendeten Salemporis (oder Salampouris) hätten eine Länge von 12V 2 —IM aunes und eine Breite von 3 / 4 aune gehabt; die gleiche Breite sei auch für die Guinees bezeugt, während man die Baltas in der Breite von 5 / s aunes verwendet habe. Die Breite von 3 / 4 aune angenommen ergibt sich in Verbindung mit obigen Angaben für 100 Quadratmeter Casse bengale ein Gewicht von 11 *4 Kilogramm, bei den Baftas cirka W/ 2 Kg. und bei den Guinees ca. 15 Kg.; letztere beiden repräsentierten also sehr schwere Qualitäten. Bei jenem Mülhauser *) 81 Livres de France (französ. Münzpfund) waren im Siibergehalt gleich 80 heutige Franken. 46 Aktenstück lagen gewisse zollpolitische Gründe vor, hauptsächlich mit solchen zu exemplieren; bei den Percalen, Kattunen und verschiedenen andern Sorten bewegte sich das Gewicht per 100 Quadratmeter zweifelsohne zwischen 9 und 11 Kilos, während es bei den feinen und leichten Mousselines, welche anfänglich als weiss verkauft und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts namentlich von St. Gallen zum Besticken bezogen wurden, jedenfalls weniger als 7 Kilos betrug. Die indischen Tücher kamen nach Europa fast stets als gebleicht, mit einem schwachen Reisstärkeappret ausgerüstet, der sich leichter entfernen liess als die damalige leimhaltige Schlichte des Schweizertuches; ein „Eingehen“ d. h. eine Verkürzung in der Breite der indischen Tücher bei jenem Auswaschen fand nicht statt. Gleiche Stücklängen vorausgesetzt, sind die Preise von 1788 ungefähr doppelt so hoch als von 1650, was mit dem Fallen des Wertes des Geldes in ungefährem Verhältnis stehen dürfte. Während man (nach S. 75 u. ff. T. I) in Europa bis ins XVII. Jahrhundert hinein an Baumwolltüchern nur schwere grobfädige Barchente erstellt hatte, so erfreuten sich nun, wie sich aus der holländischen Statistik des obigen und anderer Jahre ergibt, die feinen, dichten (vielfädigen) Qualitäten Ostindiens einer steigenden Beliebtheit, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass gleichzeitig die 1600 gegründete Englisch-Ostindische Compagnie und später die 1664 von Colbert ins Leben gerufene Französisch-Ostindische Compagnie sich ebenfalls auf diesen Import warfen. Die gedruckten, bezw. gemalten-gefärbten Baumwollstoffe, in der Folge in Frankreich und von da aus in den meisten andern Ländern als „Indiennes “, in England als chints oder chintz, in Deutschland und der deutschen Schweiz als Zitze 1 ) bezeichnet, spielten anfänglich offenbar noch eine geringe Rolle und zwar vermutlich ihres hohen ’) Die letztem Ausdrücke leiten sich direkt ab von dem Worte Chits, welches die Indier ihren gemalten-gefärbten Tüchern oder gewissen Kategorien derselben beilegten (vergl. das unten folgende holländische Aktenstück) ; es soll nach Brockhaus C.-L. so viel wie „chinesisch“ bedeuten, was auf eine ebenfalls sehr weit zurückreichende Fabrikation solcher Tücher in China hinweisen würde; nach Andern, und wahrscheinlich wohl richtiger, wäre es ein ursprünglich indischer Name, dessen primäre Form jedoch noch nicht ganz sicher ist. 47 Preises und ihres fremdartigen Charakters wegen; bald aber er regten die Mannigfaltigkeit, Lebhaftigkeit und Tiefe ihrer Farben und die übrigen S. 34 T. II namhaft gemachten Vorzüge die Bewunderung der Europäer. Als dann die Holländer in der Zeit von 1656—1672 sich Ceylons und eines Teils der Küste von Malabar und Koromandel (d.h. des Westens und Ostens der vorderindischen Halbinsel) bemächtigt hatten, gründeten sie hier nicht nur Handelsniederlassungen, sondern — unter Zuhilfenahme indischer Handwerker und Arbeiter — eigentliche Fabriken zur Herstellung gemalter - gefärbter Tücher, wobei sie dieselben, wie es scheint, in denDessins dem europäischen Geschmacke und ihrer Verwendungsweise einigermassen anpassten. — Ein 1693 in Amsterdam gedrucktes Buch schildert in anschaulicher Weise den Aufenthalt, den ein med. Dr. Daniel Havart in den 1680er Jahren an der Küste von Koromandel machte; es enthält u. a. einen genauen Plan des „Logis“ (Komplex von Wohnungen, Lager- und Färbereiräumlichkeiten) von Palicol und meldet (von Hrn. Fel. Driessen ins Deutsche übersetzt) u. a. folgendes: „Die Waaren, welche man in diesem Comptoir (Palicol) sammelt, sind die folgenden: Guinees-Leinwand 1 ), Parkallen (= Percalen), Sallempoeris (= Salampouris), Betilles, Chitsen, die hier gemalt werden nach einigen Mustern, welche man den Malern gibt, welche sie dann vollkommen und sehr gut nachaffen; denn die Leute sind so dumm, dass dieselben nichts aus sich selbst bedenken können, jedoch wohl etwas nachahmen, und zwar so, dass die Nachahmung dem Original vollständig gleicht, und doch ist eine „Chits“ nicht so gut als eine andere, welche von derselben Hand gemalt ist. Man braucht zum Malen von „ Chitsen“ Parkallen von 12 Cubiten Länge, das ist ein wenig mehr als 8 Ellen. Man hat hier vier verschiedene Arten von Malern, welche je nach deren Haushalt einen andern Namen haben; unter diesen wird die Arbeit verteilt und dieselben geben sie wieder aus an niedrige Arbeiter, welche sie dann verrichten. Alle sind meistens unvermögende Leute, welche, um ihre Schulden bezahlen zu können, stets an der Arbeit bleiben müssen, denn sonst würden dieselben ganz verkümmern und deshalb werden auch hier mehr „Chitsen“ angefertigt als im Süden, wie ich schon bei Sadran- *) Der Ausdruck Leinwand ist hier und an andern Stellen nicht sowohl in seinem eigentlichen Sinne, sondern als eine allgemeine Bezeichnung für gewöhnliche weisse gl atte Gewebe aus Pflanzenfasern und zwar vorzugsweise aus Baumwolle zu verstehen; so werden auch weiter unten die Guinees-Baumwolltücher bald einfach „Guinees“, bald Guineeleinwand genannt; die andern oben folgenden Ausdrücke bezeichnen ebenfalls verschiedene Sorten weisser Baumwolltücher, mit Ausnahme der zuletzt aufgeführten Chitsen (Mehrzahl des in Anmerkung 1 S. 46 erklärten Ausdrucks Chits). 48 gapatan im ersten Teile erwähnt habe. Dies Bemalen der „Chitsen“ geschieht stets mit der grössten denkbaren Langsamkeit, ebenso wie die Schnecken, welche man nicht voran kommen sieht und derjenige, welcher die „Geduld“ figürlich abmalen wollte, braucht als Vorbild nur solch’ einen Chitsenmaler von Palicol abzubilden. Die Einwohner dieser beiden Dörfer werden im Monat Mai aufgenommen und gezählt, Männer, Frauen, Kinder, Thiere, Webstühle u. s. w. und jedem wird dann eine solche Summe zu zahlen vorgeschrieben, als er im Stande ist nach Recht und Billigkeit zu zahlen, und wenn er dies nicht kann, wird es ihm von seiner Arbeit abgezogen. Von dieser Schätzung sind jedoch Vorkämpfer, Bajaderen und Brami. nesen frei.“ Dieser Absatz dürfte so auszulegen sein, dass die Einge- bornen für die von ihnen abzuliefernden Gewebe und für ihre Arbeiten (Weben und Malen) bezahlt wurden, dass sie aber daneben eine Art Vermögens- und Einkommensteuer zu entrichten hatten, welche nötigenfalls an den ihnen zukommenden Löhnen etc. einbehalten wurde. Es heisst dann weiter: „Die Bleicherei ist der 2. Punkt, den wir besprechen wollen. Die Stelle, wo solches geschieht, ist ausserhalb des Dorfes in Narsapore, etwa 3 Meilen von hier. Um ein Stück feine Guinee zu bleichen, bezahlt die Compagnie ungefähr 12 Stüber, gewöhnliche Guinees und Berthilles 3 Stüber, Saliern- poris 2 Stüber und 2 Parkallen ebensoviel. Die gebleichten Leinwände werden von Palicol auf nicht tiefgehenden Schiffen nach einem Dorf „Gondy“ gesandt und von dort per Fluss nach Vintera, B Meilen vom (Meerhafen) Masuli- patam. Jedes Schiff kann 1000 Stück Guineeleinwand fassen und dafür zahlt man 18 Gulden. Von Vintera werden die Leinwände auf Ochsen nach Masuli- patam getragen, wofür man pro 12 Stück Guinees 1B Stüber Traglohn zahlt und in Masulipatam werden die Guinees von dem Comptoirchef besichtigt, verpackt und dann versandt nach den Bestimmungsorten.“ Es folgt nun 3. die nicht sehr deutliche Beschreibung eines Fabrikationsverfahrens, ähnlich Methode 2 auf S. 37, nämlich: „Erst bekommen sie die rohe Leinwand (will sagen das Baumwolltuch), dann waschen sie dieselbe, so dass sie weiss wird, darauf stampfen sie etwas „Karkyal“, welches in Milch eingetragen wird und darin wird die Leinwand gelegt und hernach getrocknet. Hernach wird die Leinwand geklopft, damit dieselbe glatter und voller wird, dann wird darauf mit einem Schwamm herumgearbeitet und es wird Farbe gemacht von einer gewissen Art Rotholz, womit dann die erste Bemalung mit dem Schwamm geschieht und wenn man nun verschiedene Conturen haben will, so z. B. rot, lila, grün, dann werden alle jene Stellen mit Alaunwasser bestrichen, welches jeder 49 nach seinem eigenen Verfahren sich bereitet, und hernach weiter gemalt nach dem Beispiele, welches sie vor sich liegen haben.“ (Folgt die Rotfärberei). Als. 4. Stück wird die Indigoblaufärberei umständlich erörtert und u. a. gesagt: „Man färbt hier (in Palicol) immer mit Süd-Indigo (aus an den Südküsten Vorderindiens gewachsenen Pflanzen); jährlich werden, wenn Schiffsgelegenheit da ist, 20,000 Pfund davon hieher gesandt, damit man nicht in Verlegenheit geraten kann. Man hat in diesem Comptoir immer 22 Färber in Dienst, welche pro Monat bezahlt werden; man kann monatlich färben 30 Pack (Ballen) Guineeleinwand, Sallemporis und Bethilles. Die Kleinigkeiten, welche zum Färben gehören, sind „Tantepitloe“, eine Art kleiner Samen (als Gährungserreger), Kalk und Lauge aus salziger Erde gemacht. Um ein Pack Sallemporis zu färben hat man nötig 69'/, Pfund Nordindigo oder 120 Pfund Südindigo, 60 Pfd. Tantepitloe, 96 Pfd. Kalk und 1536 Pfd. salzige Erde.“ Später wird erwähnt, dass man anstatt Tantepitloe auch gekochten Taggrewiry - Samen gebrauchen könne und dass die Stücke je nach der gewünschten Intensität 5 bis 9 Mal in der Küpe gefärbt und dazwischen stets getrocknet und schliesslich in klarem Wasser gewaschen würden. Bei der Beschreibung der Comptoirs in dem weiter nördlich gelegenen „Nagelwanze“ wird mitgeteilt, dass um dieselbe Zeit für 100,000 Gulden Baumwolltücher in diesem Dorfe von der Compagnie gekauft worden sind unter der Leitung des dortigen Chefs Faber; in einem andern Jahre für 130,000 Gulden. Auch wurde in diesem Dorfe eine Bleiche errichtet sowie eine Blaufärberei, welche jedoch später zu Grunde ging und zwar 1689 durch Hungersnot und Pestilenz. Der Umstand, dass um die Wende des Jahrhunderts England und Frankreich die Einfuhr der gedruckten indischen Tücher verboten (vergl. S. 98 T. I), verschaffte den Holländern längere Zeit eine Art Monopol und reichen Gewinn bei diesem Handel. Von der Zeit an, da sie eigene Malerwerkstätten und Färbereien in Indien errichteten, war es dann nur ein kleiner Schritt, diese Fabrikationen mit entsprechenden Modifikationen auch in das Mutterland überzutragen. Die „erste Kattundruckerei mit ächten Farben nach indischer Art“ gründete (nach Hrn. Dr. C. Te Lintum) der Kaufmann Jacob ter Gouw in Amsterdam im 4 50 Jahre 1678. *) Andere folgten sogleich nach, so dass es gegen das Jahr 1700 in und besonders um Amsterdam schon viele Baurn- wolldruckereien gab, die meisten am Overtom und den Stadtgräben entlang. Diese Übertragung der indischen Fabrikationsmethoden fand in der Weise statt, dass zugleich die bei der bisherigen europäischen Oelfarbendruckerei (vergl. S. 16 u. ff. T. II) erprobten Hülfsmittel herangezogen wurden; aus dieser Verschmelzung ging alsdann der moderne europäische Zeugdruck hervor. Vor allem benutzte man zum Aufträgen des Wachses oder anderer „Schutzpappen“ (Reservagen) sowie von verdickten Beizenfarben gestochene Holzformen, mit denen es sich für handwerksmässige Zwecke gleichmässiger und unendlich schneller arbeiten liess als mit der Pinselmalerei; dieselbe kam, wie später zu erwähnen, nur noch bei gewissen Farben zur Anwendung. Man blieb aber nicht dabei stehen, sondern zog auch die Kupferstecherei (vergl. S. 25 T. II) in diesen Bereich, und zwar war es der berühmte Kupferstecher und Schriftsteller Romeyn de Hooghe in Amsterdam, welcher derselben um 1685 als Erster im Grossen in der Zeugdruckerei Eingang verschaffte, indem er vermutlich nicht nur Kupferplatten in geeigneter Weise gravierte, sondern auch eine passende Maschine für die Manipulation des „Druckeris“ konstruierte. In einem gewissen Libell „Der Heid und die Streitsucht nach dem Leben gezeichnet“ (1690 bei Schoutes in Utrecht erschienen) ist über das Wirken dieses Mannes S. 21 in deutscher Uebersetzung zu lesen: „Er ist so erfinderisch, dass er überall, wo er sich niederlässt, durch seine zahlreichen guten Erfindungen seinem Wohnorte Segen und Vorteil bringt; als er zu Amsterdam wohnte, hat er u, a. die Kupferplatten (-druckerei) erfunden, wodurch die Stadt mehr als 2 Millionen Gulden Profit genossen hat.“ Damit ist der ausserordentlich grosse Gewinn, den die Holländer aus dieser Erfindung (und aus der modernen Druckerei überhaupt schon wenige Jahre nach ihrer Entstehung) zogen, deut- l ) Die Vermutung Dr. R. Eorrers (S. 64 in seiner „Kunst des Zeugdrucks“), der Maler Peter Klock (gest. 1550), der den Orient bereist und bei seiner Rückkehr nach den Niederlanden verschiedene Neuerungen in derWollfärberei eingeführt hatte, könnte auch den Anstoss zur Einführung des modernen Zeugdrucks gegeben haben, muss als durchaus hinfällig bezeichnet werden. lieh bekundet, wenn man auch die angeführte Summe auf die ganze Zeit von 1685-1690 beziehen will. Savary’s Dictionnaire Universel de Commerce“ (1697 I, 2, p. 410) nennt unter den verschiedenen industriellen Erzeugnissen Amsterdams „des rubans d’or et d’ar- gent, de soye, de fil et de coton (buntgewobene Bänder), et des imprimeries de toile de coton (gedruckte Baumwolltücher), dont les imprimeurs se vantent d’avoir trouve le secret de faire des couleurs, aussi belles et aussi süres que celles dont on se sert aux Indes et en Perse.“ Nach Allem, was wir über die indische Fabrikation gesagt haben, ist es einleuchtend, dass es sich bei dem modernen holländischen Zeugdruck in erster Linie um den Krapp- und den Indigo-Artikel handeln musste. In der That nennt der schon oft .zitierte Jean Ryhiner (S. 73, 74 u. 122 in Dollfus-Ausset’s Mate- riaux etc.), dessen Vater sich zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts längere Zeit in Amsterdam als Angestellter in einem Druckwaren- Handelsgeschäft aufgehalten hatte, dass die Holländer anfänglich folgende Artikel erstellten: 1) Surates, meistens einhändige Dessins, rot oder -lila, und Patnas, zweihändig, rot und schwarz; alles Thonerde- und Eisensalzhaltige Beizendrucke mit darauf folgender Krappfärberei, die er auch mit „ Indiennes ordinaires du nom des villes indiennes dont on les a tirees“ (Surat in der Präsidentschaft Bombay und Patna in Bengalen) bezeichnet. 1 * ) 2) Küpen blaue und zwar sowohl sog. „ Porcelaine“ oder Porzellandrucke z ), d. h. Einfaches Dunkel- oder Hell-Indigoblau mit reserviertem Weiss, als auch sog. „Finchitz“ oder „Cuppchitz“ 3 ), l ) In gleicher Weise leitet sich der englische Ausdruck Kaliko oder Calicot für gewöhnliche glatte Baumwollgewebe von der indobritischen Hafenstadt Calicut ab, während der gleichbedeutende deutsche Name Kattun auf das arabische Koton (-Baumwolle) zurückgeht. Die Bezeichnung Musselin, französisch Mousseline, für sehr feinfädige Baumwollgewebe wurde der am Tigris gelegenen türkischen Stadt Mosul oder Mossul entlehnt. s ) Diese Bezeichnung hatte man von dem mit blauen Ornamenten geschmückten Porzellangeschirr entlehnt, welches lange Zeit ebenfalls ein ostasiatischer Einfuhrartikel war, indem dessen Herstellung in C h i n a ungleich früher als in Europa in Blüte stand. 3 ) Die Ausdrücke bedeuten wahrscheinlich feiner bezw. Küpen-Chits, vergl. S. 46 und 47. 52 bei welchen zuerst Krapprot und Krapplila auf dem Gewebe erzeugt und alsdann diese fertigen Farben, sowie ein Teil des Weiss vor der nun folgenden Indigo-Hellblaufärberei mit einem geeigneten Schutzpapp bedeckt wurden (vergl. auch S. 39). Auf Seite 73 der gleichen Quelle lesen wir noch: „Ces toiles imprimöes en Europe, et par consequent, vendues beau- coup meilleur marchb que celles qui venaient des Indes, etaient demanddes en si grandes quantites que les fabriques d ’Amsterdam se sont multipliöes ä l’inflni- et ont fait des affaires immenses en ce genre; etil est singulier que dans toute 1’AlIemagne on n’ait pas cherche ä enger de ces fabriques 1 ), tandisque l’on voyait qu’ä Amsterdam elles se multipliaient journellement. Mais comme le Hollandais est cachb dans ses operations, on a cru pendant trds-longtemps que cet art etait plus difficile et que d’autres que ceux qui dtaient inities dans ces mysteres ne reuissiraient pas. Les toiles imprimees en Hollande et les toiles peintes des Indes se vendaient dans les memes magasins. On allait annuellement en Hollande; on achetait lä les toiles Manches, ä la vente de la Compagnie des Indes, on les remettait aux imprimeurs hollandais avee l’indication des dessins que l’on voulait avoir, et qu’ils exbcutaient; on leur payait l’impression ä raison de tant par piece suivant Ie nombre des couleurs." Die Vereinfachungen und Vervollkommnungen, welche die Holländer den indischen Fabrikationsmethoden angedeihen Hessen, erstreckten sich nicht nur auf die Art des Drückens, sondern ebensowohl auf die chemischen Vorgänge. Hatten die Indier zur Erzeugung des Krapprot lediglich natürlichen Alaun ohne irgendwelche Umwandlung und ohne Verdickung dem Gewebe zugeführt und die Fixation der Thonerde auf dem Gewebe hauptsächlich durch das vorangehende Gerbsäurebad befördert, so war die Behandlung der für den Model- oder Kupferplattendruck mit Am- lung oder Gummi verdickten neuen Beizenfarben schon schwieriger. Wie aus S. 110, 112 und 136 des Manuscripts Ryhiner deutlich hervorgeht, präparierte man anfänglich ebenfalls die Gewebe vor dem Druck mit gerbsäurehaltigen Absuden von Krapp und Galläpfeln oder benutzte solche Bäder zur Fixation nach dem Druck; bald aber kam man dazu, den Alaun in den Druckfarben, wenigstens teilweise, in arsenigsaure Thonerde und ähnliche Verbindungen, welche das Metalloxyd als basisches Salz der Gewebe- i) Diese Behauptung ist, wie wir sehen werden, nicht ganz richtig; dagegen machten die wenigen Fabriken, welche in Deutschland vor 1730 entstanden, nicht viel von sich reden und waren daher im Ausland kaum dem Namen nach bekannt. 53 faser leicht abgeben, überzuführen; zu diesem Zweck versetzte man ihn mit etwas Soda oder Potasche und gleichzeitig mit weissem Arsenik, Realgar oder Auripigment. Der weitere Fortschritt, den Alaun durch doppelte Umsetzung mittelst Bleizucker in essigsaure Thonerde umzuwandeln, ist dagegen (S. 112) erst für das Jahr 1754 konstatiert und dürfte etwas früher in England zuerst in Aufnahme gekommen sein; die Verwendung von Arsenikverbindungen und verschiedenen z. T. indifferenten Droguen zu den roten Beizendruckfarben erhielt sich daneben bis ins XIX. Jahrhundert hinein. War es gelungen, das „Gallieren“ vor dem Beizendruck zu ersparen, so setzte man dafür dem Krappbad etwas Gali- äpfelabsud hinzu, da man dabei eine günstige Wirkung sowohl für die Sattheit des Rot als auch für das Weissbleiben der unbedruckten Stellen beobachtete. Es scheint, dass man erst im Anfang des XIX. Jahrhunderts dazu überging, in diesem Falle die teuren chinesischen Galläpfel teilweise und später ganz durch den einheimischen Sumach zu ersetzen. Ueber die Fortschritte in der Blaufärberei ist noch folgendes zu bemerken: Die Thatsache, dass man in Europa im Mittelalter nie darauf gekommen ist, auf baumwollene oder leinene Gewebe Schutzpappen zu drucken und durch darauffolgende Küpenfärberei gemusterte blau-weisse Tücher zu erstellen, muss darauf zurückgeführt werden, dass man damals für Uni-Woll- und Leinenfärberei nur die Gährungs-Waidküpe kannte, welche den reduzierten blauen Farbstoff in verhältnismässig geringer Konzentration enthielt und auf zirka 60 0 R. erhalten werden musste, bei welcher Temperatur kein Schutzpapp Widerstand leisten könnte; die indische Indigo-Gährungsküpe brauchte dagegen nur eine Arbeitstemperatur von 35—40° R. Wahrscheinlich der Umstand, dass die Holländer später die grössten Indigo-Importeure waren und dass sie zuerst die reine Indigo-Gährungsküpe, bei Anlass der Einführung des modernen Zeugdrucks, in Aufnahme brachten, hat zu der in verschiedenen ältern Lexiken wiedergegebenen Meldung geführt, die Holländer hätten überhaupt den ersten Indigo, und zwar um die Mitte des XVI. Jahrhunderts, nach Europa gebracht. Herr Dr. C. te Lintüm schreibt dagegen, dass letztere Angabe bestimmt unrichtig sei, da damals weder die Niederländer der nörd- 54 liehen Provinzen (die heutigen Holländer) noch die Flamänder nach Indien segelten und somit allfällige Zufuhren an Indigo durch die- Portugiesen vermittelt worden wären. In der That haben 1 ) die Historiker Heydt, Fischer und Knothe nachgewiesen, dass der Color indicus oder der Indigo (und seine Benützung zur Küpen- färberei) schon mit den Kreuzzügen aus dem Orient nach Italien und im XV. Jahrhundert nach Deutschland gelangte (und beispielsweise in Basel von 1463—1489 als Handelsartikel geführt wurde),, dass ferner die direkten Zufuhren desselben aus Indien im XYI. Jahrhundert durch die Portugiesen eingeleitet und zu erheblichem Umfang gebracht wurden, obwohl er teils aus Unkenntnis, teils wegen der Konkurrenz, die er der landwirtschaftlich hochbedeutsamen europäischen Waidkultur machte, als „Teufelsfarbe“ verdächtigt und seine Verwendung in verschiedenen Ländern bis ins- XVIII. Jahrhundert hinein verboten oder beschränkt wurde. 2 ) Im XVII. Jahrhundert nahmen die Holländer mit dem indischen Handel im allgemeinen auch den Indigo-Import energisch auf; als Beweis dafür möge gelten, dass die S. 43 u. 44 erwähnten Schiffslisten von 1650 eine Anfuhr von 155,152 Pfund mit einem Einstandswert von fl. 153,396. 82% ausweisen 3 ). Stetsfort hatte man jedoch den Indigo nur in Verbindung mit Waid benutzt, so dass die gemischte Gährungsküpe aus den oben angeführten Gründen *) Nach S. 308 in Dr. T. Geerings „Handel und Industrie der Stadt Basel.“ J ) Siehe hierüber auch Dollfus-Ausset’s Materiaux etc. Bd. II, S. 230- 3 ) Bei dieser Gelegenheit möge gleich eine Ungenauigkeit in Anmerkung 2 v. S. 23 T. I betreffend Beginn des Thee-Imports seine Korrektur finden. Das älteste Zeugnis für denselben im holl. Staatsarchiv geht,, nach Hrn. Rouffaer, auf den 2. Januar 1637 zurück und stellt fest, dass damals Thee aus China und Japan in Holland „anfing“ in Gebrauch zu kommen (Bydragen Kon. Instituut, 4. Serie, II, 1878, p. 377). Nach Brockhaus C. L. wären 1636 die ersten kleinen Sendungen nach Europa und zwar nach Paris gekommen.. Auf obiger Warenliste von 1650 findet sich eine Anfuhr von Thee und zwar japanischem im Betrag von bloss fl. 89.47 erwähnt. Der holländische Import aus China erlangte (nach de Jonge’s Op- komst etc. VI pag. 107) erst 1667 grössere Wichtigkeit; bedeutend war derselbe bereits 1685, in welchem Jahre nach Hrn. Dr. Colenbrander die holländisch-ostindische Compagnie eine Anfuhr von 20,000 Pfd. befahl und zugleich diese Waare als Monopolartikel erklärte, d. h. ihren Beamten untersagte, Privathandel damit zu treiben. für die Färberei von mit Schutzpapp bedruckten Stücken ebenso untauglich war wie die reine Waidküpe. Die reine Indigo-Gährungs- küpe hielt ihren Einzug erst mit der oben beschriebenen Einführung der Baumwolldruckerei nach indischer Art in Holland. Von da an ging die Waidkultur rasch zurück; doch bewahrte sie ihre Existenz in gewissen Gegenden bis nach der Mitte des XIX. Jahrhunderts, nachdem sie während der „Kontinentalsperre“ sogar ein kurzes Wiederaufblühen erlebt hatte. Inzwischen erhielt auch die Färberei mit reinem Indigo zwischen 1700 und 1740 durch die Entdeckung, dass dieser Farbstoff nicht nur durch Gährung, sondern auch durch ein Gemisch von Eisenvitriol und Kalk sich reduzieren und auflösen lässt, eine für die Druckerei höchst wichtige Neuerung, da in dieser Vitriolküpe kalt gefärbt wurde, infolge dessen die Schutzpappen besser widerstanden und anstatt der für den Druck unhandlichen Wachs- und Harzreserven nun wässrige, mit Gummi, Pfeifenerde und Fettstoffe verdickte Kupfer- und andere Metall-Lösungen als Schutzpappen angewendet werden konnten. Für die Schafwoll-Färberei, bei welcher sich die Vitriolküpe als untauglich, weil dem Stoffe schädlich, erwies, blieb die Gährungs-Küpe (mittelst Indigo, mit oder ohne Waidzusatz) nach wie vor in Geltung und zwar bis über 1872 hinaus, in welchem Jahr es Schützenberger und de Lalande gelang, sie durch die sog. Hydrosulfitküpe zu ersetzen. Die holländische Druckerei, deren Entstehung wir oben verfolgt haben, blieb bis gegen das Jahr 1780 in Blüte, um welche Zeit sie durch die englische Konkurrenz einen argen Stoss erlitt; in den Wirren der Revolution und der Napoleonischen Kriege ging sie sodann (vorübergehend) fast gänzlich zu Grunde. Als Rohstoff hatte sie von Anfang an fast ausschliesslich ostindische Baumwolltücher d. h. mitteldichte „Kattune“ und auch etwas mittelfeine „Mousseline“ verarbeitet, da die heimische Baumwollweberei wenig entwickelt war. Nach Herrn Dr. C. te Lintum ist der Passus unserer Abhandlung auf S. 97, T. I, Zeile 2 von unten, dahin zu berichtigen, dass die ersten Anfänge von Weberei schwerer Baum- wollbarchente nur in den südlichen niederländischen Provinzen, dem heutigen Belgien, bis ins XV. Jahrhundert zurückreichen, dass hingegen im Bereich des heutigen Holland vor Ende des XVI. 56 Jahrhunderts ganz sicher keine Baumwolle verwoben wurde. Die erste grosse Weberei von Bombasin (croisiertem Doppelbarchent) entstand sogar erst ums Jahr 1632 in Gouda (Provinz Südholland) durch einen gewissen Fabrikant Romeyn, der diese Industrie 1636 mit etwa 100 Arbeitern auch nach Rotterdam verpflanzte. Mit der Weberei von Kattunen und Mousselinen begann man, und zwar wahrscheinlich auf Anregung von französischen Flüchtlingen hin, nicht vor den 1680er Jahren; auch gelangte diese Industrie nicht zu bedeutender Entwicklung. Ehe wir nun die Ausbreitung des modernen Zeugdrucks, wie er sich in Holland im letzten Viertel des XVII. Jahrhunderts entwickelt hatte, weiter verfolgen, haben wir noch einer andern Fabrikationsmethode Erwähnung zu thun, welche um dieselbe Zeit oder sogar noch etwas früher in Europa, und zwar wie es scheint in der Schweiz, ihren Anfang nahm. Es ist dies der für Baumwolle sehr geeignete, jedoch auch für Seide und Leinwand anwendbare Tafel- oder Applicationsfarbendruck. Während bei dem Indigo- und dem Krappartikel die Fabrikation in zwei durchaus getrennten Operationen (nämlich aus dem Druck der Reservage und dem Ausfärben in der Blauküpe, bezw. aus dem Druck der verdickten Beize und dem Ausfärben im Krappbad) besteht, enthält hei dem soeben genannten dritten Verfahren die Druckfarbe schon edle nötigen Droguen (sowohl die färbenden als die fixierenden, soweit letztere bei diesen Farben überhaupt nötig sind). Dieselben werden somit auf einmal und zwar lediglich auf dem Drucktisch oder der Tafel dem Gewebe zugeführt oder appliziert; die Entwicklung der Farbe erfolgt alsdann durch mehrtägiges Verhängen der bedruckten Zeuge in warmer oder feuchtwarmer Luft, worauf der Stoff möglichst wenig lange in fliessendes Wasser gehängt oder manchmal auch gar nicht gewaschen wird. Die soeben angegebene höchst einfache Fixation und die Möglichkeit, die verschiedensten Nuancen gleichzeitig und nebeneinander mit Leichtigkeit auf dem Gewebe erzeugen zu können, sind die Vorzüge dieser Druckmanier, welchen als Nachteil die meistens ziemlich geringe Aechtheit gegen Sonnenlicht und Seife gegenübersteht. 57 Die im „Sammler“ der „Augsburger Abendzeitung“ (1875) und in der „Deutschen Färberzeitung“ (1895) veröffentlichten Originalaufzeichnungen über die Gründung der ersten modernen Zeugdruckerei Deutschlands durch Jeremias Neuhofer in Augsburg enthalten die auffallende Mitteilung, dass letzterer sich Ende der 1680er Jahre vorerst vergeblich bemüht habe, in den Besitz der neuen holländischen Druckverfahren zu gelangen, dass er es aber wenigstens zustande brachte, mit Wasserfarben auf Schweizer Art zu drucken. Dr. R. Forrer, der auf Seite 32 und 58 seiner „Kunst des Zeugdrucks“ (Strassburg 1898) mit Recht auf die Bedeutung dieser Notiz aufmerksam macht, spricht sich über die mutmassliche Natur dieser Farben nicht näher aus. Während der Name „ Wasserfarben“ von vornherein einen Gegensatz zu den bisher üblichen und auch von J. Neuhofer und seinen Vorfahren für den Leinwanddruck benutzten Oelfarben ausdrücken soll, ist es anderseits nahezu ausgeschlossen, dass es sich dabei um gänzlich unwaschbare Präparate, nach Art der in der Aquarellmalerei gebräuchlichen, gehandelt habe, da für die Herstellung solcher keine besondern Geheimnisse auszuforschen und die damaligen Gewebepreise für solche falschfärbige, minderwertige Drucke viel zu teuer gewesen wären. Der Umstand aber, dass einige Jahrzehnte später der Tafel- oder Applikationsdruck auf Halbseidenstoffe nach- gewiesenermassen in Zürich als eine wohlcharakterisierte Spezialität auftritt, spricht sehr dafür, dass es sich im XVII. Jahrhundert bei den „Wasserfarben auf Schweizerart“ schon lediglich um denselben gehandelt hat. Die dazu nötigen Droguen waren den Zürcher Wollen- und Seidenfärbern ohne Ausnahme wohl bekannt; sie mussten für den Druck einfach in der richtigen Konzentration, mit möglichst wenig abschwächenden Verdickungsmitteln (Am- lung, Trangantgummi oder Salep) versehen, angewandt werden. Hatten schon die Indier, wenn auch ohne Verdickung, eine Art „Tafelgelb“ (gelbe Pflanzenfärbstoffe, meistens mit Alaun versetzt, vergl. S. 39 u. 40) zur Erzeugung gelber und grüner Töne in die zuvor rot oder blau gefärbten Tücher gepinselt oder sie in solcher Weise ganz überfärbt, so scheint nach den in Dr. R. Forrers Werken angeführten, dem XVII. Jahrhundert zugewiesenen Fundstücken, in der Schweiz das Tafelschwarz (Gallus- und Blauholzabsud mit 58 Eisen- und etwas Kupfersalzen) die erste derartige, in Gebrauch gekommene Farbe gewesen zu sein 1 ) als Ersatz der Druckerschwärze in Zeug bilddrucken. Ueber die letztem, schon S. 19- erwähnten leinölhaltigen Schwarzdrucke ist übrigens soweit es die Schweiz betrifft sozusagen nichts bekannt, als die Thatsache- der Entdeckung einiger Exemplare durch Dr. R. Forrer; ebenso- sind aber auch die Nachrichten über die erste Periode der Druckerei mittelst „Wasserfarben auf Schweizerart“ sehr dürftig. Sie würde- offenbar nur handwerksmässig von Färbermeistern oder Tuchscherern betrieben; möglicherweise könnten Nachforschungen in Zunftarchiven mehr Licht hierüber verbreiten. Die etwas spätere fabrikmässige Anwendung der, wie wir annehmen, mit den Schweizer „Wasserfarben“ identischen Applicationsfarben ist. sehr wahrscheinlich auf das Bestreben einiger Seidenindustriellen zurückzuführen, gewisse Lyoner Fagonnes (ganz- und halbseidene weissbödige Stoffe mit farbigen eingewobenen Streifen, Blumen und Ornamenten) teilweise durch den Druck nachzuahmen; Adolf Bürkli-Meyer meldet nämlich in seiner „Geschichte der zürcherischen Seidenindustrie“ (Zürich 1884) in den 1740er Jahren sei es dem Zürcher Seidenfabrikanten Hartmann Rahn in cler hohen Färb nach vielen Versuchen gelungen, die frühere Malerei auf Seide durch einen fast ebenbürtigen Druck zu ersetzen; derselbe bestand nun gerade ausschliesslich in der Anwendung der S. 56 charakterisierten Tafelfarben. Der Artikel hiess Mousseline mi-soie rayee imprimee oder Gallones stampati und wurde hauptsächlich über Genua nach Spanien und dessen Kolonieen geliefert. Merkwürdigerweise waren Buntdruckerei und Buntweberei dabei vereinigt; das der modernen Barege ähnelnde (aber keine Wolle enthaltende) Gewebe hatte nämlich einen sehr leichten Zettel aus weisser Rohseide (Grege), aus welchem ziemlich zahlreiche Streifen bunt gefärbter Seide in Atlas-Bindung grell hervortraten; der Einschlag bestand aus weissen, hart gedrehten, dicken Baumwollfäden oder aus Baumwolle mit etwas Seide zusammengezwirnt. Die zwischen den farbigen Seidenstreifen *) Dieses „Tafelschwarz“ enthält also ungefähr dieselben Bestandteile wie die ältern Schreibtinten; speziell „Gallustinte“ taucht übrigens nach Brockhaus C. L. schon vom 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. an auf. 59 liegenden, mehrere Centimeter breiten Partieen wurden nun mittelst zierlich gestochenen Handdruckmodeln mit kleinen 1—Ofärbigen Bouquets und Guirlanden in der Tafelfarbenmanier bedruckt. Letztere hatte inzwischen aber auch in den eigentlichen Baumwolldruckereien Eingang gefunden; denn das Manuscript Ryhiner beweist uns, dass in jener Basler Fabrik um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts folgende Tafelfarben bekannt bezw. im Gebrauch waren: Tafelschwarz (siehe oben), verschiedene Tafelgelb (mit Graines d’Avignons 1 ) oder Gelbholz und Alaun, auch alkalische Curcumalösung), Tafelrot (Rotholz oder Cochenilleabsud mit Alaun, Zinnnitrat und Arsenik; auch Safflorrot und eine Art Cochenille-Carmin), Aurore oder helles Rotorange mittelst alkalischer Orlean- oder Rocou-Auflösung, Lila- und Graublau (mittelst Blauholzabsud und Alaun bezw. Kupfervitriol), Grün oder Oliv (als Mischungen von Lila und Gelb), Sächsischblau (schwefelsaure Indigoauflösung, 1740 durch den Bergrat Barth in Grossenhain, Sachsen, erfunden), endlich noch Rostgelb (Eisenoxyd in verschiedenen Abstufungen, aus den aufgedruckten Eisenlösungen durch einfaches Verlegen oder Verhängen der Stücke abgeschieden) und das später ausführlicher zu besprechende „Englischblau“. Letztere zwei, durch ihre Solidität von den andern sich auszeichnende Farben, verwendete man nicht in den eigentlichen Tafeldruckartikeln, wohl aber bediente man sich ihrer im Verein mit Tafelgelb, die in Krappfarben vorgefärbten Baumwollgewebe zu „illuminieren“ d. h. die schon vorhandene ein- oder mehrfarbige Zeichnung durch neue Töne zu bereichern und zu beleben. Auch indigoblau-weisse Tücher wurden durch Tafelrot und andere solcher Farben „illuminiert“. Von diesen gemischten Drucken haben sich noch ziemlich zahlreiche Stoffmuster und Papierzeichnungen (auch glarnerische) aus dem XVIII. Jahrhundert erhalten, während aus Baumwollfabriken stammende reine Tafeldruckgenres, so weit dem Verfasser bekannt, nirgends mehr vorhanden sind. Um so mehr Interesse verdienen einige alte als Schenkungen in den Besitz der Seidenwebschule in ] ) Grames d’Avignon = französische Kreuzdorn- oder Gelbbeeren, die später durch die viel farbstoffreichern kleinasiatischen Kreuzbeeren (Grainea de Perse) verdrängt wurden. 60 Wipkingen-Zürich übergegangene Musterbücher 1 ) zürcherischer Seidenfabrikanten, welche folgende Tafeldruckartikel aufweisen: Ein Yersandtbuch von Martin TJsteri & Söhne im Neuenhof aus den Jahren 1785 und 1786 enthält eine Menge recht hübscher Müsterchen jener „Gallones stampati“; die Seidenstreifen sind hellblau, hellgrün, orange oder rosa; in den Tafeldruckfarben finden wir die Nüancen rot, rosa, grün, lila, schwarz, braun, hellblau, gelb und orange vertreten. Manchmal wechselten im Eintrag auch Goldfäden mit der Baumwolle ab, in welchem Fall der Artikel den Zunamen lames oder d lame d’or bekam. Bei einer Minderzahl von Mustern (mit der Bezeichnung Calancas ä rayes de soie 3 / 8 imprimes) waren die Seidenstreifen weiss; bei andern beschränkte sich der Druck nicht auf die breiten zwischen denselben liegenden Banden, sondern dehnte sich gleichmässig in feinen Objets oder Ramages über die ganze Fläche des Stückes aus. Nach letzterer Manier bedruckte man auch uni-farbige Gewebe, bei welchen der farbige, seidene Eintrag in Atlasbindung den möglichst gleich wie die Seide gefärbten Baumwollzettel fast ganz bedeckte; in diesem Falle bestand der Druck sehr häufig aus enggestellten, tafelschwarzen und mineralweissen (ungewaschenen) Düpfchen. Musterbücher derselben Firma von 1800—1810 zeigen einfachere Genres in erheblich weniger geschmackvoller Ausführung (sei es, dass andere Absatzgebiete oder die schwierigen Zeiten Vereinfachungen nahelegten); man findet darin z. B. sog. Corin- thiennes, im Zettel wie die Gallones, der Eintrag jedoch aus dünnen dichtgestellten Baumwollfäden bestehend, dann über Alles kleine plumpe, 1—8-farbige Blümchen gedruckt; Cottonines, ohne oder mit sehr schmalen Längsstreifen und so wenig Seide, dass dieselbe gar nicht mehr zur Geltung kommt; Lecquins Travare 3 l 8 , dunkelfarbige, streifige Halbseidengewebe mit tafelschwarzen Strichen und Zacken überdruckt, welche sich mit den gewobenen Streifen unter einem spitzen Winkel schneiden und damit den Schein eines komplizierten Serge-Gewebes erwecken sollten. ’) Herr H. Meyer, Direktor der Seidenwebschule in "Wipkingen-Zürich, hatte die Gefälligkeit, den Yerf. auf dieselben aufmerksam zu machen und ihm deren Durchsicht zu gestatten. 61 Ein Musterbuch von Salomon Escher im Wollenhof aus dem Ende des XVIII. Jahrhunderts und aus den Jahren 1816/17 enthält (neben den S. 41 erwähnten Foulards ä couleurs solides fagon d’India) Ecossais■ Halstücher aus gefärbter Seide, glatt ohne Weiss gewoben, der „Boden“ d. h. der innere Teil mit ziemlich massigen Mustern (eng aneinandergereihten Pälmchen oder styli- sierten Blättchen) in Tafelschwarz gedruckt, der Rand eine in Atlasbindung gewobene, mehrfarbige „schottische“ Bordüre aufweisend. Diese meistens grünen oder gelben, seltener carmoisin- oder orangefarbigen, abgepassteu Tücher aus reiner Seide finden sich auch ohne Ecossais-Bordure, die Randzeichnung also ebenfalls nur in Tafelschwarzdruck anstatt durch Webereieffekte ausgeführt. Später, und zwar namentlich von den 1820er Jahren an, verloren die Tafelfarben ihre Bedeutung für Seide und Halbseide, da der vollkommenere Dampffarbendruck an ihre Stelle trat. Inzwischen hatten sich im letzten Decennium des XVIII. Jahrhunderts auch die Mülhauser Baumwolldruckereien neben den altbewährten, soliden und gemischten Artikeln auf die reinen Tafelfarbengenres geworfen und dieselben durch Erfindung einiger neuer und Verbesserungen an den schon früher bekannten Farben nicht unwesentlich bereichert; auch brachten sie dann in der Folge in Chäles, Meubles und Indiennes sehr zugkräftige Dessins in orientalischem Geschmack auf den Markt; da deren Solidität jedoch für die zwei letztgenannten Verwendungen entschieden ungenügend war, begrüsste man auch im Baumwolldruck mit Freuden die inzwischen erfundenen Dampffarben; in gewissen halbsoliden Spezialitäten der glarnerischen Tüchel- und Chälesdruckerei blieben die billigen und leicht zu handhabenden Tafelfarben noch viele Jahrzehnte neben den Dampffarben sehr stark in Anwendung» Indem wir nun fortfahren, den Beginn und die ersten Entwicklungsstadien des modernen Zeugdrucks in den damals hauptsächlich in Betracht fallenden Staaten zu skizzieren, wenden wir unsere Blicke vorerst nach Grossbrittanien. So weit die industrie- geschichtliche Forschung Aufschluss gibt, wurde hier der mittel- 82 alterliche Oelfarben-Modeldruck nicht ausgeübt oder spielte neben der ziemlich frühzeitig entwickelten farbigen Woll- und Seidenweberei und der Stickerei eine höchst untergeordnete Rolle. Dagegen ist es wahrscheinlich, dass man, schon ehe die Kenntnis der neuen holländischen Kattundruckmanier dorthin gelangt war, Seidendrucke mit chemisch fixierten Farben erstellte. Der „Zeugdruck“ von C. F. Kreisig (Berlin, bei Rücker und Püchler, 1837) enthält nämlich auf S. 462 u. ff. in Bd. III ein Citat aus einem alten englischen Coloriebuch (verfasst von Mc. Kernan) des Inhalts, dass in England schon seit mehr als 200 Jahren, also bereits im Anfang des XVII. Jahrhunderts auf Seidenzeug eine Art „Wachsdruck“ in folgender Weise in Verwendung gestanden habe 1 ): Es wurden Mischungen von Harz, tierischen Fetten, Zinkoxyd u. dergl., die man in einer Pfanne auf einer gewissen Konsistenz erhielt, als Schutzpapp aufgedruckt; die mit eisernen Handgriffen versehenen Druckformen waren aus Blei gegossen, wobei die plumpen Figuren einen Zoll hoch hervorragten; jene konnten vor bezw. während des Drückens auf eisernen Platten vorgewärmt werden. 2 ) Nach dem Druck kamen die Seidenzeuge in ein kaltes Alaunbad und wurden dann, um ein Ablösen bezw. Ausschmelzen des „Wachskitts“ zu verhüten, bei bloss 25° C. in Absuden von Rotholz, Blauholz 3 ) und andern leicht löslichen Pflanzen- *) Der nicht zur Zunft der Chemiker oder Fabrikanten gehörende Teil der geneigten Leser möge entschuldigen, dass es nicht zu umgehen war, in diesem und einigen andern Abschnitten technischen Mitteilungen und Erörterungen einen ziemlich breiten Raum zu gestatten. 2 ) Auch die Manier Druckformen herzustellen, indem man gewisse sich wiederholende Partieen einer Zeichnung nach einer Matrize aus Holz oder Gyps in Metallkomposition in der nötigen Anzahl von Exemplaren abgiesst und solche auf Modelbretter aufschraubt, ist eine englische Erfindung; sie wurde jedoch (nach v. Kurrer) 1836/37 durch J. H. Clerc in Beifort wesentlich verbessert und erlangte von da an besonders für den Perrotinedruck grosse Bedeutung; sie ist auch in glarnerischen Jasmas- und Türkischrot- -druckereien für Hand- und Perrotinestecherei noch heute im Gebrauch. 3 ) Das unter der Königin Elisabeth erlassene Verbot der Verwendung von Blauholz in den Färbereien und Druckereien (wegen ungenügender Solidität der damit erzielten Farben) war inzwischen 1661 durch Karl II. aufgehoben worden. 63 farbstoffen, in verschiedenen Tönen ausgefärbt, dieselben auch wohl durch schwache Eisenvitriollösung nachgedunkelt. Schliesslich entfernte man den Wachskitt in einem höchstens 50 0 C. warmen Seifen- und Kleienbade. Ob Mc. Kernan für die Richtigkeit des oben angegebenen Zeitpunkts der Entstehung dieser Druckmanier thatsächliche Beweise anführt, lässt sich aus dem Citat Kreisigs nicht ersehen, sicher ist hingegen, dass sie im englischen Seidendruck bis an den Anfang des XIX. Jahrhunderts d. h. bis zur Erscheinung des Dampffarbendrucks in Verwendung blieb. Da sie im Wesentlichen mit der in Indien und Japan speziell auch für Seidenstoffe im Gebrauch stehenden Methode für örtliche Färbungen nahe übereinstimmt, steht zu vermuten, dass es sich auch hier ursprünglich um die Imitation ostasiatischer Vorlagen handelte, unter Zuhülfenahme der von Seefahrern heimgebrachten praktischen Informationen. Uebrigens hatten in England (nach v. Kurrer) namentlich die Gelehrten schon in den 1660er Jahren angefangen, den Zeugdruckproblemen ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Mc. Kernan behauptet auch, die soeben erwähnte Wachsreservedruckerei habe man früher in gleicher Weise auch für Leinwand angewendet, wobei wir uns jedoch nicht verhehlen können, dass die geringe Affinität dieser Faser zu den Farbstoffen bei den dabei bedingten niedrigen Temperaturen kaum ein günstiges Resultat erreichbar erscheinen lässt; möglicherweise liegt hier eine Verwechslung mit dem ähnlichen Wachsdruck in Verbindung mit Indigoküpenfärberei, (S. 38 u. 55) vor, welche Fabrikation gleichzeitig wie der Beizendruck mitKrappfärberei (S. 50 u. 51) noch vor Ende des XVII. Jahrhunderts von Holland her in Grossbrittanien Eingang fand; letztere zwei Verfahren wurden nämlich hier in der Folge sehr stark auch auf Leinwand sowie auf Seidenstoffen angewandt (vergl. oben S. 41), während man sich in Holland fast ganz auf Baumwolltücher beschränkt hatte. Im Fernern erfand man in England nach „Kreisig“ und „v. Kurrer“ im XVIII. Jahrhundert noch ein anderes für Baumwolle und Leinwand sehr wohl geeignetes Reservage-Verfahren, das in ähnlicher Form noch heute besteht und zugleich als Vorläufer der sog. ,, Aetzdrucke“ betrachtet werden kann, nämlich: Aufdruck chemischer (anstatt fettiger, mechanischer) Reservagen 64 (Citronensaft und verwandte organische Säuren enthaltend), Ueber- drucken derselben mit schwach verdickten Thonerde- und Eisenbeizen mittelst flachen, mit Kattun überzogenen Holzmodeln (später mittelst der Klotzmaschine und Trocknen auf der „Hotflue“), dann Waschen der Gewebe in geeigneten Bädern, wobei die chemische Reserve weggeht und der Grund nun in den verschiedensten Farbstoffen und unter Anwendung beliebiger Temperaturen ausgefärbt werden kann. Nach dem gelehrten Fabrikanten James Thomson soll die erste englische „Kattundruckerei in soliden Farben“ 1690 zu Bichmond errichtet worden sein, während nach dem Historiker Anderson die ersten Anfänge sogar bis ungefähr 1676 zurückreichen 1 ), in welchem Falle die Uebertragung direkt aus holländisch- oder englisch-indischen Kolonien stattgefunden hätte. Zu einem bemerkenswerten Aufschwung brachte es die englische Druckerei indessen erst im Anfang des XVIII. Jahrhunderts, um alsdann schon von 1720 an von den S. 98 T. I näher beleuchteten obrigkeitlichen Einschränkungen betroffen zu werden. Der Umstand, dass in der Folge und zwar bis 1774, wenigstens erlaubterweise, nur ganzleinene und halbbaumwollene Gewebe bedruckt werden durften, verursachte den Fabrikanten wegen der umständlichem Bleiche und der geringen Affinität der Flachsfasern zu den Farbstoffen ausserordentliche Schwierigkeiten. Dieselben scheinen jedoch zu um so grossem Anstrengungen angespornt zu haben; denn thatsächlich erfreuten sich die englischen Produkte jener Zeit eines sehr guten Rufes und wurden als in Sattheit der Farben den indischen nahestehend, in Schönheit und Manigfaltigkeit der Dessins sie übertreffend, geschildert. Nach dem Manuscript Ryhiner erstellten die Engländer besonders schöne Kupferplattendrucke; von derZeit an, da dann die Walzendruckerei auf kam, nannte man die ältern Kupferdruck- maschinen (im Gegensatz zur neuen Manier) Machines ä planches plates oder Plancheplattenmaschinen. Frühzeitig erkannte man auch in England den bedeutenden Einfluss von Feuchtigkeit und Temperatur der atmosphärischen Luft auf die Fixation der Krapp- und anderer Farben, und früher als anderswo lernte man die widrigen Zu- ‘) Siehe Edward Baines d. jgrn. „Geschichte der brittischen Baum- wollenmanufactur“, aus dem Englischen frei bearbeitet von Dr. Christoph Bernoulli (Stuttgart und Tübingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, 1836). 65 fälle in der kalten Jahreszeit, welche auf unserm Kontinent bis tief in unser Jahrhundert hinein alljährlich viele Störungen verursachten, zu verhüten, was allerdings auch durch das mildere Winterklima der britischen Inseln erleichtert wurde. — Im Fernern verdankt man ihnen die Erfindung des im XVIII. Jahrhundert eine sehr wichtige Rolle spielenden sog. Englischblau oder bleu d’application ä l’indigo, auch Schilder-, Pinsel- oder Malerblau genannt. Dasselbe stellte eine mit Senegalgummi verdickte Lösung von Indigo in alkalischer Lauge und Schwefelarsen dar und konnte, da es sich bei Berührung mit der Luft sofort oxydierte, nicht ohne weiteres auf einem Chassis ausgebreitet und mittelst Modeldruck appliciert werden, weshalb man es in der Regel mit dem Pinsel auftrug. Es diente teils zur Erstellung von Weissboüen mit Hellsolidblau, vornehmlich aber dazu, Krappfarben und Indigo in demselben Artikel zu vereinigen, und zwar eben mit Umgehung der Blauküpenfärberei, indem man es einfach in die weissen Partieen der in den Krappfarben verschiedenartig ausgefärbten Kattune mit dem Pinsel „einschilderte“. Da das betreffende Recept im Manuscript Ryhiner die Jahrzahl 1746 trägt, muss die Erfindung wohl schon mehrere Jahre früher in England erfolgt sein. Etwas spätem Datums (nach Dollfus-Ausset immerhin vor 1780) ist die gleicherweise englische Erfindung des Faience-blau (im Eisass früher manchmal ebenfalls „ bleu anglais“ genannt), welches sich zwar mit den Krappfarben nicht kombinieren liess, dafür aber sowohl für Model- als auch Rouleaudruck sehr geeignet war. Diese Methode, deren Namen von der italienischen Stadt Faenza bezw. von dem altberühmten blauen Thongeschirr derselben abgeleitet wurde, blieb in der Indiennesdruckerei für weissbödige Dessins bis mindestens 1877 d. h. bis zur Erfindung des künstlichen Alizarinblaus im Gebrauch; sie bestand im Aufdruck eines Gemisches von gemahlenem Indigo und Eisenvitriol und Fixation in verschiedenen alkalischen und sauren Passagen. Im Jahr 1750 rechnete man die Produktion der Druckerei Grossbrittaniens an leinenen und halbbaumwollenen Geweben (nach Baines) auf 50,000 Stück, eine auch dann noch höchst bescheidene Ziffer, wenn man die nicht genannte Stücklänge grösser 5 66 annimmt, als wie sie damals für reinbaumwollene Gewebe üblich war. Welchen ungeheuren Aufschwung der englische Kattundruck im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts nahm, werden wir in einem spätem Abschnitt zur Erörterung bringen. Wie schon S. 57 angedeutet, wurde die erste moderne Zeugdruckerei Deutschlands in Augsburg (Bayern) errichtet. Jeremias Neuhofer , der Sohn eines Tuchscherers, der sich auch mit Buntdruck in Oelfarben befasst hatte, sah letzteres Gewerbe durch die holländischen Drucke dem Untergang geweiht und setzte darum alles daran, eingehende Kenntnis von dem neuen wichtigen Druckverfahren zu erlangen. Eine erste Reise seines Jüngern Bruders Georg nach Amsterdam hatte nicht den gewünschten Erfolg, wohl aber brachte Jeremias inzwischen in Erfahrung, wie man mit „Wasserfarben nach Schweizer Art“ drucke. Von einer zweiten Reise nach Holland und England a. 1689 oder 1690 brachte Georg Neuhofer alsdann die richtigen Informationen über den Krapp- und den Indigoartikel nach Hause, sodass die beiden Brüder sogleich mit der Fabrikation beginnen konnten und schon in den ersten zwei Jahren trotz verschiedener zünftiger Hindernisse einen ansehnlichen Umsatz erzielten. Bald fanden sich Nachahmer, welche einige weitere „Cottonfabriken“ kleinern Umfangs einrichteten. Weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt wurden sodann die „Augsburger Zitze“ von 1759 an, da Johann Heinrich Schule V, anfänglich Inhaber eines Handelsgeschäftes in Augsburger Leinwand- und Baumwollwaren und Hamburger „Zitzen“, selbst eine Indiennedruckerei eröffnete und sich bald sowohl durch grosse Produktion als auch feines Colorit seiner Fabrikate auszeichnete. Zu einer besonders schönen Ausführung brachte er es namentlich in den umständlichen illuminierten Krappartikeln (vergl. 59), in die er neben den Tafelfarben auch luftbeständige edelmetallhaltige Broncen, in Gummi verdickt, einpinseln liess (1765 erstellten auch schweizerische Fabriken, wohl in Nachahmung Schüle’s, solche >) Siehe dessen 1805 erschienene Lebensbeschreibung, auszugsweise abgedruckt in Bd. II von Dollfus-Ausset’s „Materiaux pour la coloration des etoffes“. 67 ■Gold- und Silberdrucke, die gewöhnlich sattiniert wurden, um ihren Glanz zu erhöhen). Später lieferte er auch schöne Kupferdrucke, indem er die dazu nötige Einrichtung samt zwei geschickten Druckern unter grossen Kosten von London -kommen liess. Um auch im Geschmack seiner Muster Andere zu übertreffen, engagierte er von 1783 bis 1793 eine der ersten hamburgischen Fabrikzeichnerinnen, namens Friedrich , ausschliesslich für sein Geschäft. In diesem Herbeiziehen fremder, den einheimischen überlegenen Kräften liegt aber zugleich der Beweis, dass es als eine Uebertreibung erscheint, wenn manche Schilderungen Schüle zum berühmtesten Fabrikanten Europas in damaliger Zeit stempeln wollen. — Schüle, der anfänglich nur Augsburger Baumwolltücher drucken durfte, gab sich grosse Mühe, die dortigen Weber zu veranlassen, ihm auch feinere Gewebe zu liefern, als wie sie es bisher zu erstellen gewohnt waren. Als die verknöcherten Zunftmeister nicht darauf eingehen wollten, fing er an, solche in den Comptoiren der holländisch- und englisch-indischen Compagnieen zu kaufen. Ein dadurch von der Weberzunft angehobener und mit Erbitterung geführter Prozess veranlasste ihn 1766 vorübergehend nach AV ürttemberg auszuwandern und in Heidenheim unter der Firma Meböld-Schule eine neue Druckerei zu gründen, die sich noch heute -als Württembergische Kattunmanufaktur eines gedeihlichen Betriebes erfreut. Er selbst kehrte schon 1768 wieder nach Augsburg zurück. Zum Vergleich mit den damaligen schweizerischen Verhältnissen haben r.och einige statistische Angaben Interesse. .Schüle bedruckte beispielsweise im Jahr 1763 im Jahr 1764 Ostindische Salempours (vergl. S. 45) . . „ Drittelstücke (wahrscheinlich 1978 Stück 6330 Stück Guinees, vergl. S. 45) . . Augsburger gewöhnliche Kattune ( 7 /* Ellen breit, 28 Ellen oder 14 aunes lang, 4258 „ 15785 „ Ankaufspreis roh fl. 12). Augburger feinere Kattune (sog. Drittelstücke, ’/»Ellen breit, ca. 9 aunes lang, 14015 „ 11285 „ Ankaufspreis roh fl. 8) .... 1665 „ 1985 „ Der Wert der Produktion belief sich von 1761/65 jährlich auf zirka fl. 400,000, was auf einen Betrieb mit 90—100 Druck- iischen schliessen lässt; in den 1770er Jahren dagegen hob sich 68 der Umsatz auf das 3—3V 2 -fache jener ersten Angabe und machte- um diese Zeit einen starken Drittel der gesamten Produktion aller Augsburger Druckfabriken aus, so dass wir die Zahl der Drucktische in dieser Stadt um diese Zeit auf zirka 1000 veranschlagen können. — Die Fabrik „Schöppler & Hartmann“, bei welcher der als Schriftsteller und Chemiker so oft von uns zitierte v. Kurrer als Kolorist amtete, ist die einzige der Augsburger Druckereien,, welche sich unter der Firma „Neue Augsburger Kattunfabrik“ bis in die Gegenwart hinüberrettete. Der Verfasser des Manuscripts Ryhiner, welchem die frühesten Augsburger Gründungen nicht bekannt geworden waren, nennt als die ersten deutschen Städte, nach welchen der moderne Zeugdruck von Holland aus verpflanzt wurde, Bremen und Hamburg. In ersterer Stadt gelangte derselbe zu keiner bedeutenden Entwicklung, weshalb seine Spuren schon längst verwischt sind - r dass aber obige Meldung nicht unbegründet ist, wird auch durch ein kurzes Citat von Dr. R. Forrer bezeugt aus der 1780 in Berlin erschienenen „Vollständigen Abhandlung von den Manufakturen und Fabriken“ von Justi. Auch über die Geschichte der bedeutsamen Druckerei Hamburgs liegen keine neuern Studien vor; dagegen enthält ein durch von Hess verfasstes, 1796 in erster und 1811 inzweiter Auflage erschienenes Lexikon einen Artikel hierüber, welchem wir (nach den Mitteil. desVer. f. Hamb. Gesch., Jahrgang 1883) folgendes entnehmen: Die erste Zeugdruckerei Hamburgs errichtete im Jahre 1730 ein Reubrock; 1737 ging dieselbe in den Besitz eines L. König und 1748 (nach v. Kurrer) in denjenigen eines Burmester über, von dessen Nachkommen sie noch um die Mitte des XIX. Jahrhunderts betrieben wurde. Von 1730-1758 entstanden 17 weitere Etablisse- mente. 1784 zählte man in der Stadt selbst 18 „Kattunf'abriken“,. im übrigen Hamburgischen Gebiete, besonders in Wandsbeck, 8 und in der holsteinschen Nachbarschaft 6, die ebenfalls Hamburgern gehörten 1 ); daneben gab es noch 24 „Gelbdruckereien", kleine Werkstätten mit nur je 8 Tischen, in denen, wie wir vermuten, die in den eigentlichen Kattunfabriken gedruckten und in Krapp oder Indigo gefärbten Tücher illuminiert wurden (vergl. S.59), indem fl Um diese Zeit gab es auch kleinere Indiennesfabriken in Kopenhagen- 69 man mittelst Pinsel Tafelgelb „einschilderte“, später auch mit Druckmodellen einpasste. Dass diese Annahme richtig ist, erhellt auch aus dem Umstand, dass die erste Auflage die Gelbdruckereien nicht als solche erwähnt, sondern als „Schilderwinkel“, in denen Frauen und Mädchen die Farben auftragen. 1790 bis 1797 war die Glanzzeit der Zeugdruckerei Hamburgs; in letzterem Jahre betrug die Gesamtzahl der in Tliätigkeit befindlichen Drucktische zirka 1400, nämlieh zirka 1200 in 29 Kattunfabriken und der Rest in den Gelbdruckereien. Dabei hatte sich eine weitere Teilung der Arbeit herausgebildet, indem noch extra die Formschneider, die Kattunbleichereien und ferner die Kattun glatt er eien, letztere mit zirka 300 beschäftigten Personen, aufgeführt wurden. Ein anderer Autor bemerkt 1797 in Schedels „Warenlexikon“: „Kein Ort in unserm Vaterlande hat dieser Anstalten so viele als Hamburg; die ansehnlichsten sind etc. etc.“ Zur Zeit der Napoleonischen Kriege erhielt diese Industrie einen Schlag, von dem sie sich nie mehr erholte; in den 1840er Jahren bestanden noch einige wenige Etablissemente, von denen die letzten vor 1870 eingingen. In Sachsen entstanden Indiennesdruckereien (nach v.Kurrer) von 1740 an; sie prosperierten, im Gegensatz zu dem exponierten Hamburg, am meisten zur Zeit der Continentalsperre, gingen aber später wieder zurück, so dass man im Jahr 1830 nur 489 Drucktische, in 37 meist kleinern Betrieben zerstreut, zählte. Ueber die grosse Druckfabrik in Lörrach, welche als die erste derartige Gründung im Grossherzogtum Baden betrachtet werden muss, ist der Yerf. im Falle, aus bester Quelle folgende Mitteilungen zu machen: Sie wurde 1753 von einem' Schweizer, J. F. Kupfer aus Bern, errichtet und blieb mit Staatssubvention bis 1802 in Betrieb. Geschäftszweig: Indiennes-Fabrikation von Hand und mittelst Maschinendruck (Kupferplatten- oder eine Art Modeldruck-Maschinen). Yon 1802—1808 war sie geschlossen. Im letztgenannten Zeitpunkt verkaufte sie der Staat an Nikolaus Köchlin db Gebrüder in Mülhausen und Gebrüder Merian und deren Yettern in Basel, welche sie als Firma Merian & Köchlin nun bedeutend vergrösserten und ihr durch die Herstellung ausgezeichnet schöner türkischroter Tücher und brillanter Bunt-Aetzdrucke 70 auf solchen einen Weltruf verschafften. Daneben war auch der Rouleaudruck aufgenommen worden. — 1820 gelangten Nikolaus- Köchlin & Gebrüder in deren alleinigen Besitz und 1831 änderte sich die Firma in Peter Köchlin & Söhne, 1856 in Köchlin, Baumgartner & Cie., infolge des schon 1849 erfolgten Eintritts eines Herrn Leon Baumgartner aus Mülhausen ins Geschäft. Während zu Ende der 1840er Jahre der Handdruck wegen Aufgabe des Türkischrot-Artikels stark in Abnahme gekommen war, öffnete sich demselben zu Anfang der 1850er Jahre durch die Einführung der Fabrikation wollener Chäles und Kopftücher von Neuem ein grosses Feld, da die Fabrik nun Jahrzehnte lang auch in diesem Zweige (neben den Rouleau-gedruckten Indiennes und Möbelstoffen ä la Mulhouse) exzellierte. Am 1. Juli 1897 traten die dannzu- maligen Besitzer, die Herren Gebrüder Eugen & Paul Favre, das Geschäft einer sich bildenden Aktiengesellschaft ab, welche den Betrieb unter der Firma „Manufactur Köchlin, Baumgartner & Cie., Aktiengesellschaft“ fortsetzen. Verschiedene kleinere deutsche Druckereien auf dem Lande stellten im XVIII. Jahrhundert nach den neuen Verfahren vorzugsweise indigoblau-weisse Leinwandtücher (bei welchen wie bei den frühem Oelfarbendrucken biblische Darstellungen besonders beliebt waren) her, während die Centralpunkte Augsburg und Hamburg hauptsächlich Baumwollstoffe bedruckten und zwar letzteres fast ausschliesslich solche indischen Ursprungs, ersteres dagegen, wie wir schon S. 67 gesehen, ebensoviel oder mehr im Inland gewobene. _ Von den Provinzen Oesterreich-Ungarns ! ) waren es Böhmen und Schlesien, wo die Baumwollspinnerei und Weberei schon im XVII. Jahrhundert neben dem stark entwickelten Leinen- und Wollengewerbe einige Verbreitung gewonnen hatte, obwohl die Regierung jenen neuen Zweigen nicht günstig gesinnt war. Auch Hörnigk, der Verfasser des 1684 erschienenen, vielberühmten Buches „Oesterreich über alles, wenn es nur will“ sah „die Baumwoll, die b Wir folgen im Nachstehenden der höchst bemerkenswerten „Denkschrift über die Firma Franz Leitenberger“ von Hermann Hall wich, Prag 1893, Verlag des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 71 nun so viel Wesens in Europa“ macht, mit scheelen Augen an und plädierte dafür, dass „das Bombasin' 1 ), dieses saubere Kleinod der holländischen Ostindischen Compagnie, welches nicht nur den österreichischen und deutschen, sondern insgemein allen europäischen Leinwandhandel zu Grund richtet“, von Oesterreich unbedingt ferngehalten werden sollte. Unter der Regierung Carl VI trat in handelspolitischer Beziehung ein Umschwung ein, der darin seinen Ausdruck fand, dass die Städte Triest und Fiume als Freihäfen erklärt wurden und man der 1719 errichteten „kaiserlich privilegierten Orientalischen Compagnie in Wien“ das Recht verlieh, zu Lande und auf der Donau mit der Türkei in den verschiedensten Kaufmannsgütern besonders auch in Baumwolle Handel zu treiben und in den kaiserlichen Ländern neue Manufakturen einzuführen. Infolge dessen erhob sich Wien rasch zu einem ansehnlichen Baumwollmarkt. Für Ober-, Meder- und Inner-Oesterreich erhielt die Orientalische Compagnie für eine Reihe von Jahren überhaupt allein die Befugnis, Baumwollfabriken zu errichten; auch wurde die Einfuhr von Baumwollwaren nach diesen Provinzen zeitweise verboten, bezw. in das Ermessen der Compagnie gelegt. So konnte denn wirklich schon 1726 in Schwechat bei Wien eine „Zitz- und Cottonfabrik“, Weberei, Färberei und Druckerei umfassend, eröffnet werden (unter Zuzug fremder technischer Kräfte, wahrscheinlich von Augsburg und später von Hamburg), während einer 1736 von Franz von Lothringen, dem Gemahl der zukünftigen Kaiserin Maria Theresia, in Sassin an der Miave gegründeten Druckfabrik das Privilegium für Ungarn verliehen wurde; ein drittes, vorläufig nur für Barchentweberei, erhielt eine Frau v. Textor für Böhmen, unbeschadet jedoch der wenigen Innungen, die sich schon vorher mit Baumwollspinnerei und -Wirkerei, sowie mit der Erstellung halb- und ganzbaumwollener Tücher beschäftigt hatten. Nachdem jene Vorrechte 1763 sämtlich ihr Ende erreicht hatten, entstanden in Mederösterreich, und zwar besonders in der Umgebung von Wien, 5 weitere Druckfabriken, denen sich 1782 eine solche in Graz (Steiermark) und 1794 eine in Vöcklabruck (Oberösterreich) anschlossen. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass die Mehrzahl dieser Schöpfungen, auf An- ’) Bombasin in diesem Fall ganz allgemein im Sinn von Baumwolltucli. 72 regung der Regierung hin, von Adelsherren ausging; dasselbe war auch in Böhmen der Fall, wo der um den Fortschritt hoch verdiente Graf Kinsky 1763 auf seiner Herrschaft Bürgstein neben verschiedenen andern Manufacturen eine Baumwolldruckerei anlegte und gleichzeitig Graf Bolza in den zusammenhängenden Ortschaften Cosmanos-Josefsthal (bei Prag) mit grossem finanziellem Einsatz eine Baumwollweberei und -Druckerei ins Leben rief, während der benachbarte Gutsherr Graf Waldstein von München- grätz ihm das Produkt von 3000 Handspinnern zur Verfügung zu stellen versprach. Diese Pioniere fanden Nachahmer, sodass man 1786 in Böhmen über 1000 Baumwollwebstühle und 1790 zwischen 20 und 30 Druckereien in Baumwolle und Leinwand, die Mehrzahl in der Umgebung von Prag, zählte. Die meisten der ältern Gründungen in der österreichischen Monarchie brachten es übrigens nicht zu grösserm Umfang oder arbeiteten mit wenig Nutzen, ja selbst mit Verlust, teils weil die adeligen Besitzer sich allzusehr auf ihre Angestellten verliessen oder verlassen mussten, teils weil die zu Gunsten der Baumwollindustrie neuerdings eingeführten Schutzzölle zeitweise durch einen beträchtlichen Schleichhandel illusorisch gemacht wurden, teils auch weil von Gesetzgebung und Büreaukratie ausgehende Schwierigkeiten und verheerende Kriege sich ihnen entgegentürmten. Der Schöpfung eines Bürgerlichen hingegen war es Vorbehalten, alle Andern zu überflügeln und zu überdauern; es ist dies Johann Josef Leitenberger (1730 bis 1802) „das Urbild eines aus eigenster Kraft herausgewachsenen Charakters, von welchem Generationen arbeitsfreudiger, rüstig schaffender Männer, der Stolz und die Freude der Mit- und Nachwelt, ausgingen.“ Geboren als eines der zwölf Kinder eines kleinen Färbermeisters in Lewin, einem Marktflecken im deutschen Norden von Böhmen, begab sich der Genannte als 20jähriger Jüngling für 4 Jahre auf die Wanderschaft, arbeitete in mehreren Fabriken Oesterreichs und Deutschlands und kam auch in die Schweiz; hier fand er Beschäftigung in Aarau, St. Gallen, Zürich, Basel und Bern, in welch’ letzterer Stadt er zum ersten Mal Bekanntschaft mit der Färberei aus kalter Indigoküpe (vergl. S. 55) machte. — Der günstigste Anlass, seine Kenntnisse und Fertigkeiten zu erweitern und sich von der wachsenden Prosperität 73 der jungen Druckerei-Industrie zu überzeugen, hatte sich ihm in Augsburg geboten. Den längst gefassten Entschluss, in der Heimat nun ebenfalls eine Baumwolldruckerei zu errichten, konnte er, von kleinen handwerksmässigen Versuchen abgesehen, erst 1770 ausführen, als er Gelegenheit hatte, in dem seinem Heimatort benachbarten Wernstadtl die Färberei seines Schwiegervaters zu übernehmen. Da zeigte er nun seine unermüdliche Arbeitsund Schaffenskraft, die allen Rückschlägen und Unglücksfällen, die ihm auch nicht erspart blieben, Trotz bot. Sein erster Drucker war ein Schweizer und ebenso wurden die Modelstecher aus dem Auslande verschrieben — auch „unkatholische Individuen“, die in jener freien „Josefinischen“ Zeit keinen Belästigungen mehr ausgesetzt waren. Um die Sache gleich von Anfang an auf einen rationellen Boden zu stellen, organisierte er zur Lieferung der Rohgewebe in der Umgegend eine Handweberei, sowie in mehreren entfernteren Ortschaften Handspinnereien, welche, in Fabrikgebäuden betrieben, aus macedonischer Baumwolle Ge- spinnste von Nr. 17 bis 50 erzeugten; schon in den 1780er Jahren führte er den „Schnellschützen“ ein, besass eine Werkstatt zur Erstellung neuartiger Webstühle eigener Erfindung und errichtete 1799, wenige Jahre vor seinem Tode, noch eine mechanische Spinnerei englischen Systems. — Inzwischen war von ihm 1788 eine zweite Druckerei in Reichstadt unweit Böhmisch-Leipa gegründet worden, die auf seinen Sohn Ignaz, geb. 1764, einem ausgezeichneten Koloristen, überging 1 ); 1793 hatte er sodann das grosse, jedoch bisher unrentable Fabrikwesen des Grafen Bolza in Cosmanos-Josefsthal erworben und es seinem Sohne Franz (1761 —1825) anvertraut. Indem derselbe 1796 davon Besitz nahm, gründete er die seither weltberühmt gewordene Firma Franz Leitenberger. Die erste Periode derselben gestaltete sich zu einer ausserordentlich schwierigen, da sie mit den für Oesterreich so überaus verhängnisvollen Napoleonischen Kriegen zusammenfiel. ’) Ignaz Leitenberger brachte es namentlich im Rouleauxdruck frühzeitig, d. h. schon in den 1820er Jahren, auf eine sehr hohe Stufe; zu Anfang der 1850er Jahre trat die Fabrik in Reichstadt in Liquidation, indem sein Sohn Edward wohl ein Erfindergenie, jedoch kein klug rechnender Fabrikant war. 74 Das Stammgeschäft in Wernstadtl wurde in dieser Zeit von der Familie veräussert, dagegen erholte sich die Fabrik in Cosmanos rasch von den Krisen, teils durch die Tüchtigkeit ihres Chefs und dessen Schwiegersohnes v. Orlanclo, teils durch Zuzug erster ausländischer Kräfte, so des Koloristen Carl Köchlin aus Mühlhausen und des Dessinateurs Jeremias Singer, ebenfalls aus dem Eisass stammend. (Schon 1819 nahmen indessen die beiden letzteren ihren Abschied und errichteten ein Konkurrenzgeschäft in Jung- bunzlau). Im Vergleich zur damaligen schweizerischen Druckindustrie ist es nicht ohne Interesse zu konstatieren, dass diejenige Oesterreichs bis ins 2. Dezennium des XIX. Jahrhunderts hinein noch immer mit nicht bedeutenden Produktionsziffern rechnete; so zählte man ums Jahr 1810, also zu einer Zeit, da die Kontinentalsperre ihren stimulierenden Einfluss schon geltend gemacht hatte, in den 13 Kattundruckereien Niederösterreichs nicht mehr als 669 Drucktische und 7 Druckmaschinen verschiedenen Systems. Noch bescheidener erscheint die Druckerei in den Leitenberger’schen Betrieben, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass sie in denselben längere Zeit den am wenigsten umfänglichen Zweig darstellte. 1792 arbeitete das Geschäft in Wernstadtl mit 16 Drucktischen und beschäftigte im eigentlichen Fabrikbetrieb (Bleicherei, Uni-Färberei, Apprettur und Druckerei) 200 Arbeiter und daneben hausindustriell (in Handspinnerei und - Weberei) über 4000 Menschen;. Reichstadt hatte um dieselbe Zeit 40 Drucktische, 400 Fabrikarbeiter und in der nähern und weitern Umgebung 5000 Handspinner und -Weber in Engagement. Cosmanos-Josefthal zählte im Jahr 1810 50 Drucktische, 10 englische Spinnmaschinen (deren Betrieb jedoch 1814 eingestellt wurde) und 234 Arbeiter, daneben eine beträchtliche Anzahl Kattunweber in ihren Häusern; 1829 erstellte dieselbe Fabrik mit 100 Drucktischen, 1 Walzendruckmaschine und 400 Fabrikarbeitern 20,000 Stück ä 40 Wiener Ellen im Verkaufswert von ungefähr 300,000 Konventionsgulden. Franzens Sohn Friedrich Leitenberger (1801 — 1854) unternahm die Umgestaltung des Geschäftes in maschineller Beziehung nach modernen Prinzipien; jedoch erst unter dessen Neffen 75 Friedrich, geb. 1837, der wegen seiner Verdienste um die Entwicklung der Industrie in Oesterreich in den Freiherrenstand erhoben wurde, erreichte es die Höhe einer Weltfirma von hervorragendem Rufe. Diese Stellung gründet sich nicht nur auf dem sehr bedeutenden Umfang des Fabrikwesens (das, mit 21 Walzendruckmaschinen zu 1-12 Farben ausgerüstet, heute ungefähr 16 Millionen Meter langer und abgepasster Waren erstellt und mit einer seit 1868 bestehenden mechanischen Spinnerei und Weberei von 50,000 Spindeln und 1152 Webstühlen verbunden ist), sondern ebensosehr auf der Vorzüglichkeit der daraus hervorgehenden Produkte. Friedrich Freiherr von Leitenberger starb am 26. Oktober 1899, seither ist sein Sohn, Freiherr Dr. Friedrich, geb. 1862, der Chef der unverändert gebliebenen Firma Franz Leitenberger. Rach den Anfängen der modernen Zeugdruckerei in Frankreich forschend, stiess der Verf. auf die verblüffende Thatsache,. dass bis jetzt noch in keiner geschichtlichen Publikation der strenge Beweis für die Existenz derselben im XVII. Jahrhundert geleistet worden ist. Während Adolf Bürkli in seinen die zürcherische Industriegeschichte behandelnden Schriften gar nicht daran zweifelt — und zwar lediglich wegen der bedeutenden Rolle, welche flüchtige Hugenotten an der Einführung dieses Industriezweiges in der Schweiz gespielt haben — wollen gerade die französischen Schriftsteller nichts oder wenigstens nichts Bestimmtes davon wissen. Die Einen, wie der 1850 verstorbene A. Monteil (in seiner 1872 in neuer Auflage gedruckten „Histoire de FIndustrie frangaise“, Paris, Bibliotheque nouvelle) und J. Girardin (in seinen, einen geschichtlichen Abriss über Chemie und Kolorie enthaltenden, 1839 erschienenen „Leqons de Chimie"), erwähnen keine Silbe davon; J. Persoz (in seinem 1846 veröffentlichten „Traite historique et pratique de l’impression des tissus“) nennt zwar Jacques Deluze aus der Saintonge als den Begründer der Druckindustrie im Kanton Heuenburg, weiss aber nichts beizufügen, ob derselbe sie vorher in seinem Heimatlande schon gekannt und ausgeübt habe oder nicht; gegenteils finden sich er und verschiedene andere französische Autoren mit dem oben erwähnten Anteile der „Refugies“ an den Fabrikgründungen in der 76 Schweiz (und in England) damit ab, dass sie berichten, dieselben hätten sich anfänglich nach Holland geflüchtet, dort mit den neuen holländischen Druckmethoden Bekanntschaft gemacht und sie dann in andere Länder übergetragen. Dieser Ansicht huldigte auch der elsässische Fabrikant Daniel Dollfus-Ausset (1797 —1871), der 1865 eine Menge technischer und geschichtlicher auf die Druckerei bezüglicher Dokumente sammelte und auszugsweise in dem von uns schon oft zitierten Werke „Materiaux pour la coloration des etoffes“ niederlegte; dort heisst es in einer persönlichen Anmerkung auf S. 240, Bd. II: „Un grand nombre des refugies se fixerent en Hollande, oü ils trouverent de l’occupation dans les fabriques d’im- pression, et apprirent la coloration des etoffes. Ce n’est pas dans leur pays natal qu’ils ont fait leurs etudes. La France, dans ce temps, ne possedait pcis de fabrique d’Impression.“ Ein einiger- massen brauchbarer Anhaltspunkt fand sich bloss in der „Histoire •des Refugies protestants de France“ von M. Ch. Weiss (Charpentier, Paris 1853). Dieses sonst sehr gründlich angelegte Werk, in welchem die industrielle Ueberlegenheit der französischen Protestanten und die Neuerungen und Verbesserungen, welche ihnen das Ausland in der Goldschmiedekunst, in Seiden-, Wollen- und Leinen- Manufakturen und verschiedenen andern Gewerben in der Folge verdankte, gebührend hervorgehoben und bewiesen werden, behandelt zwar zufälligerweise gerade die Geschichte derjenigen Flüchtlinge, die sich nach Neuenburg wandten, sehr kurz; dagegen fand sich in dem Kapitel über die Refugianten, welche von dem <1688 verstorbenen) „Grossen Kurfürsten“ in Brandenburg aufgenommen wurden, folgende Stelle (auf S. 166 Bd. I): „Les premieres manufactures de toiles peintes furent fondees dans le Brande- bourg par des ouvriers d’une grande fabrique etablie dans les bäti- ments de l’Arsenal ä Paris, oü l’on imprimait des etoffes de fil et de coton“. Wie der Autor angibt, stammt diese Meldung aus den „Memoires d’Erman et Reclam“, welchen in ihrer ursprünglichen Abfassung vielleicht noch etwas genauere Angaben über jene anscheinend vom Staate betriebene „grosse“ Fabrik zu entnehmen wären; bis dahin könnte jene vereinzelte Notiz kaum als vollgültigen Beweis für das Dasein einer wohlentwickelten Druckindustrie auf baumwollenen und halbleinenen Rohstoffen betrachtet 77 werden. Ch. Weiss reproduziert im fernem noch (auf S. 331 Bd.I} in französischer Uebersetzung eine Stelle aus Bums „History of the foreign Protestant refugees settled in England“ von folgendem Wortlaut: „Les toiles peintes furent fabriquees pour la premiere fois en Angleterre, en 1690, par un refugie qui crea une manu- facture sur le bord de la Tamise, non loin de Richmond. Une seconde manufacture bien plus considerable fut etablie ä Bromley- Hall, dans le comte d’Essex, et transportee en 1768 dans le Lan- cashire. D’autres fabriques de toiles peintes furent fondees au. commencement du XVIII. siede dans le voisinage de Londres. Elles constituerent une nouvelle perte pour la France, une nou- velle source de richesse pour 1’Angleterre.“ Wie oben schon bemerkt, wäre auch damit noch nicht unzweifelhaft erwiesen, ob jene Refugies die neue Kunst direkt aus ihrem Vaterlande oder indirekt von Holland über den Kanal gebracht haben. Wenn es sich auch bei dem Verfasser nicht darum handeln konnte, die oben aufgeworfenen Fragen und Widersprüche in eingehender Weise zu lösen, so vermutete derselbe doch von Anfang an, aus dem Wortlaut der in einigen Publikationen flüchtig erwähnten, nach der Aufhebung des Edikts von Nantes erlassenen Verboten der Einfuhr von Baumwolldruckwaren sichere Anhaltspunte und Rückschlüsse gewinnen zu können, wobei er sich auch nicht täuschte. Nachdem mehrere Versuche, jene bis jetzt nirgends in extenso abgedruckten Aktenstücke (von denen auch das Datum ihrer Veröffentlichung nicht mehr bekannt war) zur Einsicht zu erhalten, fehlgeschlagen hatten, gelang dies schliesslich durch die höchst verdankenswerte Gefälligkeit von Herrn Dr.jur. C. Lardy, schweizerischer Gesandter in Paris. Einige andere selten gewordene Druckschriften, auf welche der Verf. durch die gleiche Vermittlung aufmerksam gemacht wurde, brachten verschiedene Anhaltspunkte für den Stand der übrigen Zweige der französischen Baumwollindustrie im XVII. Jahrhundert, so dass sich davon ein ziemlich zusammenhängliches Bild (in Ergänzung und Berichtigung des S. 97 T. I Gesagten) entwerfen liess, das wir hier auf die Gefahr hin folgen lassen, diesem Gegenstand einen vielleicht etwas, zu breiten Raum gestattet zu haben: 78 In dem 1664 aufgestellten Ausfuhr- und Einfuhrtarif 1 ) finden sich aufgeführt: „Baumwolle in Flocken oder in Kapseln und gesponnen“ (Coton en laine ou en grain et coton file). 1671 kam «in Privatier bei Colbert um das Privilegium ein, den Anbau von Baumwolle in der Provence einführen und 20 Jahre allein betreiben zu dürfen. 2 ) Das Baumwollgarn dürfte damals hauptsächlich Verwendung in der Wirkerei gefunden haben; denn die „sechs Körperschaften der Kaufleute in Paris“ bezeichneten 3 ) 1654 als einen wichtigen Ausfuhrartikel Frankreichs unter vielen andern auch baumwollene Strümpfe (les bas de soie et de laine, les bas d'estame, de fil, de coton et poil de chevre). In gleicher Eigenschaft sind jedoch auch Barchente (futaines de Troyes et de Lyon) namhaft gemacht 4 ), während solche oder andere ausdrücklich als baumwollen bezeichnet« oder erkennbare Gewebe sonderbarer Weise in dem von Clement wiedergegebenen Auszug des Tarifs von 1664 gänzlich fehlen. 5 ) Möglicherweise waren dieselben unter den Kubriken „Linge“ und „Toiles“ inbegriffen, da dieselben in erster Linie allerdings nur für Leinen- und Hanfgewebe Geltung hatten, später aber auch auf halb und ganz baumwollene Tücher ausgedehnt wurden {im Gegensatz zu den „clraps de laine“ und „etoffes ou draps de *) S. 258 und 259 in Pierre Clement’s „Histoire du Systeme protecteur en France“, Librairie de G-uillaumin & Cie., Paris 1851. 2 ) Siehe S. 615, Bd. II der „Lettres, instructions et memoires de Colbert“ par Pierre Clement, chez Muzard et Ebin, libraires ä Paris et depöt des lois et actes du gouvernement. 3 ) Nach S. 4 des in Anmerkung 1 erwähnten Werkes. 4 ) Futaine = gewöhnlicher Barchent, d. h. glatter schwerer, halb- oder .ganzbaumwollener Stoff, vergl. diese Abhdl. T, I, S. 74 und 75. Basin = croisierter oder geköperter Barchent. Bombasin = Doppelbarchent. 5 ) Die damals aus Zürich nach Frankreich gelieferten halb- und ganz- baumwollenen Barchente und Schleier gingen zollfrei ein, weshalb sie im ■offiziellen Tarif auch nicht figurierten. Wie sehr man die den Schweizern gewährten Privilegien (S. 257 T. I) als eine vorwiegend politische und als ausserhalb der gewöhnlichen Handelsverträge stehende Angelegenheit betrachtete, erhellt daraus, dass die meisten französischen Schriften national-ökonomischen Inhalts sie übergehen; Bd. II des in Anmerkung 2 erwähnten Werkes enthält ein einziges bezügliches Aktenstück (S. 581 einen Brief Colberts vom 14.November 1670), wonach dem Kanton Freiburg vorübergehend die Privilegien entzogen wurden. 79 soie“). Anderseits verdient erwähnt zu werden, dass x ) 1671 einem Pierre Guichard für St. Quentin und 10 Meilen im Umkreis dieser Stadt das Privilegium verliehen wurde, „toutes sortes de Basins et autres ouvrages de coton et lin“ (alle Arten geköperter Barchente und andere halbbaumwollene-halbleinene Arbeiten) allein hersteilen zu dürfen; zudem erhielt er 6000 livres sofort und den Anspruch auf weitere 6000 livres, wenn er bis Ende 1672 im ganzen 40 Webstühle in diesen Artikeln in Gang gesetzt habe. Der Petent hatte geltend gemacht, „que, cette fabrique n’ayant jamais este establie en nostre royaume, il a este oblige de faire de grands frais pour attirer des ouvriers des pays estrangers, tant pour faire construire des metiers que pour y faire travailler les- clits basins.“ Um dieselbe Zeit oder wenig später fand Baumwollgarn in Frankreich auchVerwendung zu halbseidenen Stoffen; denn Ch. Weiss meldet S. 323 Bd. I seiner „Hist. d. Ref.“, dass französische Arbeiter die Engländer lehrten, aus Seide und Baumwolle gemischte Zeuge herzustellen; ebenso ergibt sich aus Adolf Bürklis „Gesch. d. zürch. Seidenindustrie“ (Zürich 1884), dass die Fabrikation halbseidener Stoffe in Zürich zur Zeit der Refugianten aufkam bezw. bald darauf von Bedeutung wurde. Guillaumin’s „Dictionnaire de Commerce“ (Paris, Victor Lecou, 1852) enthält ferner auf S. 1956 in Band II folgende Notiz: Gegen das Jahr 1700 fing man in Rouen an, sog. Siamoises mit seidener Kette und baumwollenem Eintrag (offenbar nach hinterindischen Vorlagen) zu weben; kurze Zeit darauf erstellte man ähnliche Stoffe aus Leinen- und Baum- wollfäden und indem man einen Teil der letzteren vor dem Verweben färbte, war man zu dem ersten der wichtigen buntgewobenen Genres gelangt, welche man in der Folge unter dem Namen Bouenneries zusammenfasste. Mittelfeine und feine baumwollene Tücher (Kattune und Mousselines) kamen in Frankreich jedenfalls von der Zeit an in etwas stärkern Verbrauch, als 1664 die französisch - ostindische Kompagnie gegründet und ihr ohne Zweifel zollfreie oder begünstigte Einfuhr ostindischer Gewebe zugesichert wurde. Es dauerte nicht lange, so gelang es den Franzosen, auch diese Fabrikation b S. 830, Bd. II der „Lettres etc. de Colbert" von Clement. an die Hand zu nehmen und zu einem bemerkenswerten Grade der Vollkommenheit zu bringen. Auch hierüber schweigen die direkten französischen Quellen fast gänzlich, da eben fast alle diese Neuheiten in den Händen der protestantischen Industriellen lagen und deren Herstellung nach ihrer Auswanderung wieder einging. Weiss meldet an verschiedenen Stellen von Toiles fines, auf welche sich die französischen Protestanten verstanden hätten, und ferner heisst es S. 166 Bd. I betr. Brandenburg: „L’industrie de la gaze fut apportee par des ouvriers originaires de la Picardie, de la Normandie, de la Champagne et particulierement de St. Quentin, de Troyes et de Rouen“ — wobei wir allerdings wieder im Zweifel gelassen werden, ob es sich nur um leichte und feine Zeuge aus Leinen und Seide oder auch um solche aus Baumwolle gehandelt hat. Ganz zuverlässig sind aber hier die schweizerichen Quellen, indem es Adolf Bürkli gelang, genau nachzuweisen, dass und wann die Refugianten die Mousselineweberei nach Zürich brachten und zwar ohne irgendwelche Umwege *); auch Ratsherr Schinz meldet in seinem „Versuch einer Geschichte der Handelschaft der Stadt und Landschaft Zürich“ (Zürich 1763): „Ich gedenke hier sonderlich der Rey & Bourguet von Nismes; diese von Kitten (d. h. von der Zürcher Familie Kitt) unterstützet, errichteten die Strumpf- weberstühl, die Mousseline-Manufactur, die seither zu grossen Aesten der Commercii erwachsen sind. Eben diese vervollkomm- neten die Seidengewerbe mit Hilfe der Steiner, andere gaben der Wullenarbeit neues Leben.“ Die Baumwolldruckerei nun, die in den Fabrikregiementen Colberts nirgends erwähnt wird, für deren Dasein wir jedoch im Folgenden den Beweis erbringen, fand offenbar erst in den letzten Lebensjahren dieses (1683 verstorbenen) Ministers da und dort Aufnahme in Frankreich und zwar wahrscheinlich nachdem die ersten Fabriken Amsterdams (S. 49) schon in Betrieb waren, indem bei einem längern Dasein doch mehr Spuren davon zurückgeblieben wären. Wie aus den hugenottischen Gründungen in der Schweiz geschlossen werden darf, befassten sich dabei die meisten vorwiegend mit den Indigo- und nur eine Minderzahl mit den *) Siehe diese Abhandl. S. 77 und 78, T. I; vergl. auch S. 56 T. II. 81 Krappartikeln. Da hauptsächlich die allen technischen Neuerungen zugethanen protestantischen Industriellen diesen neuen Erwerbszweig ins Leben zu rufen im Begriff standen, war er in gewissen Kreisen von vornherein verhasst; dazu kam, dass die Seiden- und Wollen-Manufakturen sich durch die neue Konkurrenz bedroht fühlten und die ganze Baumwoll-Industrie so wieso von vielen Seiten als eine dem Staate schädliche betrachtet wurde (vergl. T. I S. 98 u. 99). So müssen wir uns denn nicht wundern, dass während der um diese Zeit in Frankreich auf den verschiedensten Gebieten hereinbrechenden Reaktion der jungen Zeugdruck-Industrie völlig der Garaus gemacht wurde. Aus einem „Arret du conseil d’Etat du 30 avril 1686“ und einem ebensolchem vom 11. Mai erfahren wir, dass bis jetzt die äussern Provinzen die Baumwollstoffe aller Art zu niedrigen Gebühren eingelassen hätten und sie dann in grossen Mengen auch nach den „Fermes unies“ hineingeschmuggelt worden wären *); von nun an werde nun aber an der äussersten Grenze Frankreichs ein einheitlicher erhöhter Eingangszoll eingeführt (unbeschadet weiterer bisher bestandener Gebühren an den innern Zolllinien) und zwar von 6 livres 2 ) oder 2 ecus für je 10 aunes ’) In jener Zeit unterschied man (nach S. 15 u. ff. in Clement’s „Hist, du syst, protect. en France“) in Frankreich in Hauptsache 3 Zollgebiete, nämlich 1. Die Fermes unies ou cinq grosses fermes , die „vereinigten Markgenossenschaften“ oder „5 grossen Zollpachtgebiete“, welche 1664 den einheitlichen Zolltarif Colbert’s unbeschadet gewisser interner Gebühren, Octrois etc. längs ihrer äussern Umgrenzung angenommen hatten; 2. Die Provinces etrangeres, wie z. B. la Bretagne, la Flandre, la Franche-Comte, le Languedoc, la Provence, le Dauphine etc., ältere und neuere französische Provinzen, die nichts von ihren Sonderrechten und provinzialen Zolllinien hatten preisgeben wollen und die sich daher in Zollsachen gegenüber dem Innern Frankreichs der Stellung eines ausländischen Staates näherten und 3. die „Provinces traitees comme pays etrangers“, die jüngsten eroberten Provinzen, die mit ausdrücklicher Bewahrung gewisser Privilegien in den französischen Staatsverband angenommen worden waren (so namentlich Eisass, Lothringen, Pays de Gex, Metz, Toul und Verdun), sowie einige Freihafenstädte: sie waren w irtschaftlich noch loser angegliedert, indem diesbezüghon die Trennung vollständig war und einzelne von ihnen geradezu als Teile fremder Zollgebiete erscheinen. 2 ) 81 livres de France oder livres tournois (Münzpfunde) waren im Silberwert = 80 heutige Franken; nach Pierre Clement ist aber der damalige Verkehrswert des Geldes, besonders in Bezug auf den Brotpreis, auf das dreifache des heutigen (1854) anzusetzen. 6 82 Baumwolltuch, sowie 4 livres per Gewichtspfund für verarbeitete Baumwollwaren, Gouvertures, Chemisettes, Cravattes et d’autresouv- rages cle coton. Am 26. Oktober erfolgte ein 3. Erlass, welcher die Einfuhr indischer gemalter Baumwollstoffe und indischer oder chinesischer Seidenzeuge verbot und zugleich verordnete, dass die in Frankreich errichteten Fabriken, weiche den indischen nachgeahmte, gemalte oder gedruckte Baumwolltücher erzeugen, ihren Betrieb sogleich einzustellen hätten und die Druckmödel zerbrochen werden müssten etc. etc. Am 27. Januar 1687 ermächtigte sodann der König die Direktoren der Compagnie des Indes Orientales (die wegen dieses plötzlichen Unterbruchs ihres Handels Reklamationen erhoben hatten), während des Jahres 1687 noch gemalte indische Tücher, sowie weisse zum Bedrucken bezw. Bemalen in Frankreich einzuführen, wobei die Erlaubnis für letzteres d.h. für die Verarbeitung im Inlande bis zum 31. Dezember 1688 ausgedehnt wurde. Ein neuer Erlass vom 8. Februar 1687 befahl sodann bei 1000 livres Busse für jede Uebertretung, dass alle diese 1687 durch die französisch-ostindische Compagnie, einzuführenden Tücher mit einem besonderen Stempel zu versehen seien, damit nicht solche anderer Provenienz der eingeräumten Begünstigungen ebenfalls teilhaftig werden könnten. Auch mussten die Namen der französischen „Marchands, Peintres und Impri- meurs“, mit denen die Compagnie verkehrte, der Regierung angegeben werden, welches Verzeichnis, wenn vorhanden, einen interessanten Einblick in den damaligen Stand der französischen Zeugdruckerei gewähren würde. Der Wortlaut der letztgenannten drei Erlasse genügt übrigens vollkommen für den unumstösslichen \ Beweis, dass die Baumwolldruckerei in jenen Jahren in Frankreich erheblich Fuss gefasst hatte und in einem nicht unbedeutenden Aufschwünge begriffen war. Da derjenige vom 26. Oktober 1686 am meisten allgemeines Interesse beanspruchen darf, lassen wir ihn hier wörtlich folgen (indem wir einige Stellen in Kursivschrift setzen): 83 ARREST DU CONSEIL D’ESTAT: CONCERNANT LES TOILES DE COTON peintes aux Indes ou eontrefaites dans le Royaume, & autres Etoffes de Soye ä fleurs d’Or & d’Argent de la Chine & desdites Indes. Du 26. Oetobre 1686. A PARIS Par Sebastien Mabbe-Cbamoisy, Imprimeur du Roy. M. D C. LXXXVI. De Pexpres commandement de Sa Mojeste. Extrait des Begistres du Conseil d’Estat. Le Roy estant informe que la grande quantite de Toiles de Coton peintes aux Indes, ou eontrefaites dans le Royaume, & autres Etoffes de Soye ä fleurs d’Or & d’Argent de la Chine & desdites Indes, ont donne lieu non seulement au transport de plusieurs millions hors du Royaume, mais enoore cause la diminution des Manufactures etablies de long-temps en France pour les Etoffes de Soye, Laines, Lins, Chanvres, & en mesme temps la ruine & desertion des Ouvriers, lesquels, par la cessation de leur travail, ne trouvant plus d’occupa- tion, ni de subsistance pour leur familles, sont sortis du Royaume.*) A quoy estant necessaire de pourvoir, & pour cet effet empescher le cours & le debit dans le Royaume desdites Toiles peintes & Etoffes de Soye des Indes & de la Chine, en accordant neanmoins un temps raisonnable ä ceux qui en sont chargez pour les vendre, & s’en defaire. Ou'i le rapport du sieur le Peletier Conseiller ordinaire au Conseil Royal, Contx’ölleur göneral des Finances: Sa Majeste en son Conseil a ordonne <& ordonne, qu’ä commencer du jour de la publication du present Arrest toutes les fabriques etablies dans le Royaume pour pcindre les Toiles de Coton Manches cesseront, & les moules servant ä Vimpression d’icelles seront rompus & brisez. lait Sa Majeste tres-expresses defenses de les reiablir, & ä lous ses Sujets de peindre lesdites Toiles, & aux Graveurs de faire aucuns moules, servant ä ladite Impression, ä peine de confication des Toiles, moules, & autres ustanciles, & de trois mille livres d’amende payable par ■corps & sans deport, applicable un tiers au Denonciateur, le second aux Hos- pitaux des lieux, & le troisieme au Fermier du Domaine. Eta l’egard des Toiles peintes & autres Etoffes de Soye ä fleurs d’Or & d’Argent des Indes & de la Chine, Sa Majeste a accorde jusqu’au dernier Ddcembre de l’annde prochaine 1687. aux Marcbands & autres qui en sont chargez pour les vendre & s’en defaire, ainsi qu’ils aviseront bon estre; apres lequel temps, fait Sa Majeste defenses ä toutes personnes, de quelque qualite & condition qu’elles soient, de les exposer, ni vendre, & aux particuliers d’en acheter. Ordonne que celles qui seront trouvees dans les Magazins et Boutiques seront bruslees, & les Proprietaires condamnez en pareille amende de trois mille livres applicable comme dessus. Permet neanmoins Sa Majeste Tentröe, vent.e & debit dans le Royaume des Toiles de Coton Manches en payant les droits portez par l’Arrest dudit Conseil du 30. Avril dernier. qui sera dxecute, ensemble celuy du 16. du present mois, jusques au dernier Decembre de l’annde prochaine 1687. seulement. Enjoint Sa Majeste au sieur Lieutenant de Police de la ville de Paris, & aux sieurs Intendans & Commissaires departis dans les Provinces & Oendralitez du Royaume, de tenir la main ä l’execution du present Arrest, qui sera publiö & affichö par tout oü besoin sera, ä ce qu’aucun n’en ignore. Fait au Conseil d’Estat du Roy, tenu ä Fontainebleau le vingt- sixifeme jour d’Octobre mil six eens quatre-vingts-six. Signe, Coquille. *) Diese Gründe für die Verödung der französischen Werkstätten ein Jahr nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes anzuführen, hiess allerdings der Wahrheit ins Gesicht schlagen. 84 Es folgt nun der Befehl an die vollziehenden Organe, diesem Beschlüsse des Staatsrates Nachachtung zu verschaffen. Mit Ende 1688 wurde die Zeugdruckerei in Frankreich so gründlich ausgetilgt, dass sich im Lande selbst nicht einmal die Erinnerung daran erhielt; umso mehr blieb diese neue und schöne Industrie in Holland in Schwung und blühte in der Schweiz mächtig auf. Die Aufhebung des Verbots der inländischen Fabrikation erfolgte erst 1759; indessen waren schon einige Zeit vorher einige kleinere Werkstätten im Geheimen oder unter stillschweigender Duldung der Behörden in Thätigkeit getreten und zwar J ) ca. 1756 durch einen gewissen Cabannes im Clos-de-l’Arsenal in Paris (also vielleicht in denselben Räumlichkeiten, die schon einmal als In- diennesfabrik gedient hatten? Vergl. S. 73), sowie 1755 oder 1753. durch Abraham Frey aus Genf in Notre-Dame-de-Bondemile bei Rouen und einen gewissen Pouchet in Bolbec, welch’ letztere Beiden somit den Grundstein zu der heute noch höchst bedeutenden Zeugdruckerei der Normandie legten. Der wichtigste Repräsentant jener Zeit war indessen Wilhelm Philipp Oberkampf; geboren 1738 als Sohn eines aus Deutschland stammenden, jedoch in Aarau naturalisierten Indiennesdruckers kam er mit 18 Jahren über Mülhausen und Neuenburg zu dem soeben erwähnten Cabannes in Paris (der ihn möglicherweise dahiu berufen hatte) und gründete dann 1758 in dem Thale von Jouy bei Versailles mit anfänglich höchst bescheidenen Mitteln eine eigene Indiennesfabrik in Hand- und Kupferplattendruck. Nachdem er dieselbe noch unter Ludwig XVI. auf ca. 1500 Arbeiter gebracht hatte, erlangte sie unter der Regierung Napoleon I. europäischen Ruf; an seinem Neffen Samuel Widmer (aus dem Aargau stammend) hatte sich Oberkampf inzwischen einen ausgezeichneten technischen Direktor herangezogen. In der Zeit von 1800 — 1806 waren der wichtigste Artikel die sogen. Mignonettes, einhändig auf dem Rouleau gedruckte Weissböden mit Krapplila, bezw. Krapprot, Fayence- ') Nach J. Girardin und J. Persoz auf S. 233 und 243 Bd. II von Dollfuas- Ausset’s „Matdriaux etc.“, sowie nach dem „Bulletin de la Socidtd Industrielle de Rouen“ (nov. et ddc. 1898) und Dr. R. Forrers „Kunst des Zeugdrucks“. 85 blau oder Nankin; davon wurden jährlich bis zu 64,000 Stück Guinees, (in Qualität den heutigen Cretonnes oder Domestiques entsprechend), Salempours (mittelschwere glatte Baumwollge- webe) und andere meistens indische Tücher gedruckt, wobei ihm die Importeure die ausserordentlich hohe Druckfaqon von Fr. 1. 60 per aune bezahlten. 1815 bei der Einnahme der Stadt Paris durch die Verbündeten fiel die ganze Anlage in Schutt und Asche, worauf Oberkampf in den Ruf ausbrach: „Ce spectacle me tue“. Er starb wirklich nur wenige Monate später. Seine Fabrik wurde zwar wieder aufgebaut und bestand noch bis 1843; dagegen war die führende Rolle in der französischen Zeugdruckindustrie inzwischen in die Hände der elsässischen Fabrikanten übergegangen. Nachdem wir schon S. 56 u. ff. die Entstehung eines beson- dern Zweiges der modernen Zeugdruckerei in der Schweiz besprochen haben, gehen wir dazu über, die Einführung der ungleich wichtigem klassischen Indigo- und Krappdruckverfahren darzulegen. Vollzog sich dieselbe zu einem gewissen Teil durch altbürgerliche Schweizer direkt von Holland aus, so sind doch die grosse Mehrzahl der Zeugdruckfabrikanten jener ersten Zeit hugenottischer Abstammung. Die Eigenart dieser Flüchtlinge umschreibt Eugene Secretan (in seinen „Biographies nationales“, Lausanne 1876) kurz und treffend wie folgt: „Les protestants en France, exclus de toute autre carriere, avaient porte dans l’industrie et le commerce l’esprit d’initiative individuelle qu’on retrouve chez leurs corre- ligionnaires de tous pays.“ ’) Wie sehr dieselben befruchtend und ’) In der That übte auch in der Schweiz die Befreiung der Geister von der päpstlichen Bevormundung einen sehr anregenden Einfluss auf den verschiedensten, der Religion z. T. fern liegenden Gebieten aus und schienen beispielsweise Handels- und industrieller Unternehmungsgeist lange Zeit gleichsam ein Monopol der protestantischen Bevölkerung zu sein. Im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts kam die Industrie zwar auch in den katholischen Kantonen in ziemlich starke Aufnahme (vergl. S. 83 T. I), jedoch zum Teil in Abhängigkeit von protestantischen Unternehmern; auch verschwand sie dort in den Kriegswirren um die Wende des Jahrhunderts wieder für mehrere Jahrzehnte fast gänzlich. Erst der durch die Bundesverfassung von 1848 eingeführte obligatorische Volksschulunterricht hat darin nach und nach einen 86 veredelnd auf die Industrie, zum Teil auch auf Gemüse-, Obstund Weinkultur in den Ländern, welche ihnen Asyl gewährten, eingewirkt haben, ist allbekannt. Mit Namen kennen wir hingegen sehr Wenige von denjenigen, von welchen wir als gewiss annehmen können, dass sie die Indiennes-Fabrikation schon in ihrem Vaterland betrieben haben, alsdann durch die Aufhebung des Ediktes von Nantes und den S. 82 erwähnten Erlassen in ihrem Glauben verfolgt und in ihrem Beruf geschädigt, die Heimat für immer verliessen. Sicher ist nur, dass eine ziemliche Anzahl Hugenotten — zum Teil erst mehrere Jahrzehnte nach ihrer Auswanderung — in der Schweiz jenen neuen Erwerbszweig fortbetrieben bezw. ergriffen und dass sie dies namentlich deswegen konnten, weil derselbe den hier bestehenden Industrieen keine direkte Konkurrenz machte, ja eher fördernd auf die in der Entwicklung begriffene, grösstenteils für den Export arbeitende Baumwollweberei einwirkte und weil er wegen seiner Neuheit mancherorts den den Fremden ungünstigen Zunftgesetzen nicht unterstellt war oder sich ihnen leicht entziehen konnte. Da bei der Zusammenstellung der Litteratur über die schweizerischen Zeugdruckereien des XVIII. Jahrhunderts mannigfache Lücken und Unklarheiten zum Vorschein kamen, liess es sich der Verf. angelegen sein, das Material durch Erkundigungen bei wie ihm schien kompetenten Persönlichkeiten zu vervollständigen; denselben sei für ihre wertvollen Beiträge hiemit nochmals Dank und Anerkennung gezollt. Von der Zeugdruckerei Genfs hatte Herr Dr. jur. Me. George Fazy, Advokat, die Gefälligkeit, aus genferischen Geschichtsquellen und familiären Ueberlieferungen folgendes Bild zu entwerfen: „In Folge der Aufhebung des Edikts von Nantes kam ein Daniel Vasserot, gebürtig von Gueyras bei Brianqon (Westalpen) nach Genf und gründete 1698 hier d. h. in Eaux-vives eine Indiennes- bemerkenswerten Umschwung hervorgerufen, sodass sich die bezüglichen konfessionellen Unterschiede mehr und mehr verwischen. Wird noch heute da und dort dem protestantischen Arbeiter etwas mehr Initiative und Intelligenz nachgerühmt, so gilt sein katholischer Mitbürger als nicht minder fleissig und dabei als etwas bescheidener in seinen Ansprüchen- 87 druckerei; am 15. Oktober 1701 nahm er seinen ebenfalls aus dem Briangonnais flüchtig gewordenen Neffen Antoine Fazy *), der inzwischen in Holland die neue Fabrikation erlernt oder sich darin weiter ausgebildet hatte, als Associe auf. 1706 gründete der letztere mit seinen Vettern Ancire-Michel und Pierre Vasserot unter der Firma „Antoine Fazy & Cie.“ in Eaux-vives eine zweite Fabrik, welche 1719 nach Päquis verlegt wurde. (Hier ereignete sich zu Anfang der 1720er Jahre folgender von J. J. Rousseau in den „Reveries du Promeneur solitaire“ beschriebener Vorfall: Rousseau durfte als Knabe den Sonntag häufig im Hause Antoine Fazy’s zubringen, da dessen Frau seine Tante war. Einst trieb er sich nun mit einem der jungen Fazy in der Fabrik herum und machte sich an einer Calander zu schaffen, als sein Kamerad in jugendlicher Neckerei dieselbe etwas in Bewegung setzte, in Folge dessen die Metallwalze Rousseau zwei Fingerspitzen zerquetschte und die Nägel ausriss. Der junge Fazy beschwor ihn, die Sache den Eltern zu verschweigen, weshalb Rousseau vorgab, dass der Unfall beim Heben eines schweren Steines geschehen sei; erst 20 Jahre später erzählte er denselben der Wirklichkeit gemäss, womit zugleich der Nachwelt überliefert wurde, dass bei den damaligen Calander- maschinen eine Metallwalze — Rouleau de fonte — zwischen zwei polierten Hartholzwalzen sich bewegte). Ein Sohn Antoine Fazy’s begab sich zur Vervollkommnung in der Indiennes-Fabri- kation ebenfalls wieder nach Holland und gründete darauf am 8. September 1728 in Genf die Fabrik des Bergues; nach seinem *) Derselbe stammte also nicht aus Nantes, wie in Dr. Mörikofers „Geschichte der evang. Flüchtlinge in der Schweiz“ (1876) irrtümlich zu lesen steht. Ueber die Identität der Familiennamen Fazy und Fatio, welch’ letztere Schreibweise deutsch-schweizerische Autoren früher häufig auch auf die aus Frankreich stammenden, in Genf niedergelassenen Repräsentanten des erstem Namens anwandten, bemerkt Herr Dr. George Fazy wörtlich noch folgendes: „La famille Fazy etait tres anciennement etablie sur les deux ver- sants des Alpes et il y a lieu de prdsumer que la famille Fatio originaire de Domo d’Ossola, puis de Chiavenna, etablie plus tard ä Zürich, ä Bäle et ä Genbve, est une branche de la famille Fazy. Jean Fatio, pere de Fatio de Duillier, mort ä Bäle en 1659, s’appelait Fazy (son tombeau est dans le cloitre de la Cathedrale de Bäle) et les armoiries des deux familles sont presque identiques. II s’est donc produit l’inverse de ce que dit le Fiction- naire Leu, c’est la famille Fatio qui anciennement s’appelait Fazy.“ 88 Tode vereinigte sein Bruder dieselbe zu gemeinsamem Betriebe mit dem Etablissement in Päquis, das noch bis 1880 bestand, in welchen Jahren das Hotel und das Quartier des Bergues erbaut wurden. Die, wie oben bemerkt, von Antoine Fazy & Cie. verlassenen Fabrikräumlichkeiten in Eaux-vives gingen später in den Besitz eines Petit (Vorfahren des Dichters Petit-Senn) und eines Mazy über, welche sie wieder in Gang setzten. Im XVIII. Jahrhundert erfreute sich die Genfer Indiennesfabrikation, besonders in verschiedenen Indigo-Artikeln, eines vorzüglichen Rufes; die später so berühmt gewordenen Köchlin und Dollfus in Mülhausen, Oberkampf in Paris, Gros in Wesserlingen und a. m. haben direkt und indirekt ihre Kenntnisse in erheblichem Masse aus der Fabrik des Bergues geschöpft. Verschiedene Glieder der Familie Fazy gründeten später ähnliche Anlagen in Lyon, Annecy und Vigille, an welch’ letzterem Orte einer (der Vater von James Fazy) sich mit Claude Perier (dem Vater des Ministers Casimir Perier) ver- associerte und dort 1788 das Bürgerrecht erhielt.“ Hören wir was noch einige andere Quellen über die Genfer Indienne-Manufaktur zu berichten wissen: Dass ein 1740 nach Glarus berufener Kolorist Fazy hier den Blaudruckartikel einführte, darauf werden wir später zurückkommen. 1741 errichtete (nach v. Kurrer) ein Genfer Namens Duplantie'r, der vorher in Offenbach a. M. eine kleine Druckerei besessen hatte, auf Veranlassung Friedrich des Grossen eine ebensolche in Berlin 1 ). Ein anderer Genfer, Jacques Louis Macaire de L’or errichtete (nach Dr. R. Forrer) die erste Indiennesdruckerei in Konstanz in den Räumlichkeiten des dortigen Inselklosters, die er 1785 von Kaiser Joseph II. v. Oesterreieh zu diesem Zwecke erhalten hatte; sie ’) Nach S. 7ß war dies jedoch nicht die erste Druckfabrik Preussens ob jene hugenottische Gründung von selbst wieder eingegangen war oder erst 1721 in Folge der von König Friedrich Wilhelm I. erlassenen drakonischen Verfügungen gegen den Verkauf und das Tragen von „Indiennes“ ist nicht festgestellt. Obwohl in der Folge in Berlin noch einige Druckereien entstanden, brachte es dieser Industriezweig in Preussen im XVIII. Jahrhundert doch zu keiner bedeutenden Entwicklung mehr; das noch heute in Eilenburg (ProvinzSachsen) als „EilenburgerKattunmanufaktur“ bestehendeEtablissment wurde erst 1806 errichtet, die grossen Fabriken am Rhein, in Köln, Düsseldorf und Elberfeld gehen sogar erst auf die Zeit der Entstehung des „deutschen Zollvereins“ zurück. 89 bestand bis 1873 und kultivierte anfänglich ebenfalls vorzugsweise ■das Indigoblau, das sie auf den Tüchern bis zu 4 Abstufungen neben einander zur Anwendung brachte. Nach dem letztgenannten Autor existierte 1780 in Genf eine Druckfirma Senn, Biedermann & Cie. (wohl Nachfolger jener Petit & Mazy), welche 1783 ■eine kleine schon bestehende Zeugdruckerei in Wesserling (Eisass) erwarb; auch die Kattundruckerei Jean Jacques Zürcher & Cie. in ■Sennheim (Cernay) soll unter Mithülfe von Genfer und Basler Häusern ins Leben gerufen worden sein. (Nach Dollfus-Ausset, bezw. nach den elsässischen offiziellen Akten geschah dies im Jahr 1790). Professor Norrman schreibt 1798 in seiner geogr.-statist. Darstellung des Schweizerlandes: „Die Indienne- oder Kattun- und Zitzdruckereien Genfs wurden mit dem Anfänge des jetzigen Jahrhunderts wichtig, nach und nach durch den Schleichhandel mit ihren Waren nach Frankreich ungemein erträglich, dabei aber auch sehr vervollkommnet, so dass sie in den neuesten Zeiten zu den besten europäischen Fabriken dieser Art gehören. Die meisten rohen Kattune erhalten sie aus der benachbarten Schweiz, manche von der holländisch-ostindischen Kompagnie und zuweilen auch von andern. Zu den Zeiten ihres grössten Flors beschäftigten sie an 3000 Menschen in der Stadt, im Gebiet und den benachbarten Gegenden, doch war der Absatz und mit diesem die Zahl der Arbeiter von Zeit zu Zeit sehr ungleich.“ Diese Schätzung der Arbeiterzahl (bei einer damaligen Bevölkerung von .26,300 Seelen in der Stadt, 4100 in den Vororten und 4600 im übrigen Teil des Kantons) erscheint jedoch als sehr hoch gegriffen und dürfte nicht nur die Erwerbenden, sondern überhaupt denjenigen Bevölkerungsteii, welcher durch die Indiennedruckerei ihren Unterhalt fand, umfassen und da es sich immerhin nur um wenige Etablissemente handelte, gehen wir kaum fehl, wenn wir die Zahl der Drucktische für das letzte Viertel des XVIII. Jahrhunderts auf 500-600 veranschlagen. Ungefähr von 1815 an ging diese Industrie unter den veränderten Zollverhältnissen und der Konkurrenz des Elsasses und Englands rasch ihrem Untergang entgegen. Doch wurde dies ziemlich leicht verschmerzt, da dafür die Uhrmacherei und die hier schon seit dem Mittelalter gepflegte edle Goldschmiedekunst in fortwährendem Aufschwung begriffen waren. 90 Ueber den Ursprung der Kattundruckerei im Kanton Neuenburg schrieb J. Persoz im Jahr 1846: „II est incontestable que ce fut aussi un refugie franqais qui introduisit cette industrie en Suisse ä la fln du XVII. siede. Cet emigre, qui portait le nom de Jacques Deluze, etait natif de la Saintonge; il se rendit dans le canton de Neuchätel en 1689, et gräce ä une perseverance soutenue et une activite rare, triomphant des difficultes qui l’entouraient, il se vit en quelques annees oblige, par les developpements suc- cessifs de son industrie, de changer trois fois de localite.“ — Diese Meldung reproduzierte Adolf Bürkli in „Zürichs Indienne- Manufactur und Türkischroth-Färberei in früherer Zeit“ (Zürcher Taschenbuch vom Jahr 1881) in dem Sinne, dass Deluze seine erste Fabrik schon 1689 gegründet habe, während diese Jahrzahl nur den Zeitpunkt seiner Flucht nach Neuenburg bezeichnen sollte. D So haben wir es uns zu erklären, dass beispielsweise in dem sonst trefflichen „Volkswirtschaftlichen Lexikon“ von A. Furrer (Bern 1891) die Artikel „Neuenburg“ und „Zeugdruckerei“ bezügliche, einander widersprechende Angaben enthalten. Neuenburgische lokalgeschichtliche Nachforschungen entwerfen von dem gleichen Gegenstände folgendes Bild, welches in dem Buche „Un Demi-siecle de l’Histoire economique de Neuchätel, 1791 — 1848“, par Alphonse Petitpierre (Neuchätel 1871, librairie generale Jules Sandoz) niedergelegt ist 2 ): Eine der oberhalb der Stadt Neuenburg im Val-de-Ruz altangesessenen (nicht zugewanderten) Familien Labran besass dort *) Die ausschliesslich auf offiziellen Akten fussende Abhandlung „Naturalisation des Refugies fran§ais ä Neuchätel, de la Revocation de l’Edit de Nantes ä la Revolution framjaise“ par Mme A. de Chambrier (Musee neuchätelois 1900) enthält folgende Angabe: „Du 13 Janvier 1691. Deluze Jacques, flls de ddfunt Jacques Deluze et de Marguerite Tartarin, de Chalais en Saintonge, etabli depuis quelques annöes dans la souverainete obtient lettre de naturalisation pour 25 livres faibles, et droit de bourgeoisie ä Neuchätel pour 150 livres faibles.“ 2 ) Einige Ergänzungen fanden sich noch in E. Secretan’s „Biogr. nat.“, in E. Combe’s „Röfugies de la Rövocation en 1 Suisse“ (Lausanne 1885> und in der kurzen Abhandlung „Jacques de Luze et l’industrie des toiles- peintes dans le pays de Neuchätel“ par Edouard de Luze (Musee neuchätelois 1882). 91 eine Bleicherei, für deren Betrieb sie 1715 am Flüsschen Seyon eine grössere Wiese in Pacht erhielt. Um diese Zeit ermunterte sie der in Neuenburg lebende, früher um seines Glaubens willen aus seinem Geburtsorte Ghalais (in der Provinz Saintonge an der Gironde) geflüchtete und seither in seiner neuen Heimat zum „maitre- bourgeois“ emporgestiegene Jean Jacques de Luze oder Deluse, auch Baumwollfärberei und -Druckerei aufzunehmen. Zu diesem Zwecke begab sich Josue Labran, Sohn der veuve Josue Labran, nach Deutschland und arbeitete einige Zeit in dortigen Fabriken (Augsburg?); nach seiner Rückkehr machte er sich mit Unterstützung Deluze’s daran, indigoblaue Mouchoirs und dann auch lange Druckwaren zu erstellen, die er anfänglich im Kleinen am manche du Jeucli in Neuen bürg verkaufte, wobei jedoch einige Jahre verstrichen, bis eine ordentliche Reussite in der schwierigen Kunst erreicht war. 1726 errichtete Deluze eine eigene Indiennesdruckerei in la Poissine (bei Cortaillod), 1734 eine zweite in le Bied (bei Colombier), wohin nun auch Josue Labran als Beteiligter zog und ums Jahr 1739 eine dritte auport de Cressier, die der Leitung eines. Bruders des soeben genannten Josue Labran unterstellt wurde. Nach Eintritt eines L. Meuron hiess die Firma de Luze, Meuron & Cie. und es nahm ungefähr seit derselben Zeit Deluze’s Schwiegersohn, Jere'mie Pourtales, ein aus le Vigan in der Languedoc stammender hugenottischer Kaufmann, der sich in Neuenburg niedergelassen hatte, ebenfalls an dem aufblühenden Geschäfte Teil;, der Letztgenannte wurde 1750 von Friedrich dem Grossen in den Adelsstand erhoben. Die augenscheinlichen Erfolge dieser ersten Indiennes - Manufakturen bewirkten, dass von 1748—1782 neue Fabriken in Couvet (im Yal de Travers), St-Blaise und Marin (diese beiden am Nordende des Sees), la Borcarderie (im Val-de-Ruz), Cortaillod, Boudry, les Isles und Grandchamp (die letzten vier in einem Umkreis von wenigen Stunden gelegen) entstanden. — Schon 1765 konnte Joh. Konrad Fäsi in seiner „Staats- und Erdbeschreibung der helvet.Eidgenossenschaft“ schreiben: „Auch in Neuenburg sind Cattundruckereien von grosser Wichtigkeit; man muss ihnen den Ruhm lassen, dass sie es in der Schönheit am weitesten gebracht und hierin alle andern in der Eidgenossenschaft übertreffen.“ ■92 Während die meisten der soeben genannten Fabriken immerhin nur einen bescheidenen Umfang erreichten, gelangte die sog. „Fabrique neuve“ am See, etwas nördlich von Petit-Cortaillod, zu -sehr grosser Bedeutung, dank des Zusammenwirkens zweier Persönlichkeiten, Claude-Abram DuPasquier (1717 — 1788) und Jacques- Louis Pourtales, die jeder in seinem Fache, der erstere als Fabrikant, -der zweite als Kaufmann, Aussergewöhnliches leisteten. Ersterer, ein Altbürgerlicher von Fleurier im Val Travers, genoss, als Sohn •eines Notars, eine gute Erziehung und holte sich in Deutschland neue Kenntnisse in der Baumwolldruckerei, um sie in seinem Vaterlande zu verwerten. Er erhielt 1742 die Direktion in der Deiuze’- schen Fabrik in le Bied, ging aber 1750 dazu über, mit anfangs bescheidenen Mitteln am Vivier , einem Arm des, Flüsschens La Reuse, ein eigenes Etablissement, eben jene fabrique neuve in der Gemeinde Cortaillod zu gründen. Dabei sicherte er sich die Mitwirkung einer Handelsgesellschaft, welche mit Hilfe mehrerer seiner Verwandten und Freunde unter der Firma Bovet, DuPasquier ■& Cie. mit einem Grundkapital von 80,000 Livres de Neuchätel ins Leben gerufen wurde und für welche nun die Fabrik ä faqon arbeitete (unter Vergütung von L. 3—10 per Stück, je nach der •Stücklänge, Farbenzahl etc.). 1758 änderte sich die Firma in Pourtales & Cie., indem Jacques-Louis Pourtales (geb. 1722 als eines •der 10 Kinder des obgenannten Jeremie P.) das grossväterliche Deluze’sche Geschäft verliess und mit einer gleich grossen Einlage wie alle übrigen Associes zusammen jener Societe de commerce beitrat. Ein seltenes kaufmännisches Genie, brachte derselbe das Handelsgeschäft in kurzer Zeit zu ausserordentlicher Ausdehnung und Blüte, während DuPasquier und seine Nachkommen der Fabrikationsabteilung mehrere Generationen hindurch mit Auszeichnung vorstanden. 1754 wurden 5000 Stücke ä 10 bis 16 aunes bedruckt, 1765 schon 25,000 und zwar meistens ■ostindischer Provenienz, indem Pourtales dieselben, sowie viele der fremdländischen Droguen direkt in Ostende und andern Seehäfen einkaufte; in der Folge fanden noch mehrmals Vergrösse- rungen statt, so dass das Etablissement DuPasquier schliesslich das Ansehen eines kleinen Dorfes gewann. 1785 wurde die In- ■diennefabrik in Boudry , welche Jean-Jacques Bovet (von Fleurier) 93 : 3 Jahre vorher an Stelle einer schon bestehenden Färberei errichtet hatte, mit dem Geschäft Pourtales & Cie. vermischt. Die Handelsverbindungen, die sich anfänglich auf die Messen von Beaucaire, Frankfurt a./M., Leipzig und Sinigaglia beschränkt hatten, dehnten, sich immer mehr aus, indem in mehreren Hauptstädten Europas ständige Filialen errichtet wurden, denen einzelne der Associes. und Söhne von solchen vorstanden und in welchen, wie der Yerf. vermutet, nicht nur die Produkte der einheimischen Druckfabriken, sondern auch eine Menge fremder Manufakturen und wohl auch die Erzeugnisse der Neuenburger Uhrenindustrie umgesetzt wurden. Hur so lassen sich die ganz ausserordentlichen finanzielleu Erfolge- erklären, von welchen nachstehende Angaben einen ungefähren, Begriff geben: Schon nach den ersten 14 Jahren war das ursprünglich von Pourtales eingelegte, mit Mühe aufgebrachte Kapital auf das löfache, d. h. auf 1,2 Millionen L. d. N. angewachsen; von 1776 bis 1795, in welcher Periode Fabrikation und Handel unter derselben Firma Pourtales & Cie. vollständig vereinigt waren, gelangten im Durchschnitt alljährlich als Gewinn 450,000 L. zur Verteilung; bei seinem Tode 1814 hinterliess Pourtales (in Lyon „roi des negociants“ genannt), trotz vielen in den Kriegsjahren erlittenen Einbussen, ein Vermögen von ungefähr 30 Millionen Franken (heutiger Währung). Seine einfache Lebensweise und seine in verschiedenen Anektoten gekennzeichnete, oft bis zur Pedanterie gesteigerte Sparsamkeit hatten ihn nicht verhindert, auch edle Freigebigkeit zu üben; die bedeutendste Leistung dieser Art war die Errichtung eines Krankenhauses für Unheilbare im Jahr 1808 in Neuenburg. — Die alte Firma Pourtales & Cie. löste sich 1796 auf, wobei ein Teil der bisherigen Associes unter der Firma Vaucher, DuPasquier & Oie. die Fabrik in der Gemeinde Cortaillod übernahm, während diejenige in Boudry an die Familie Bovet zurückfiel. 1 ) ') In den 1850er Jahren wanderten, soweit dem Verf. bekannt, die letzten Glieder der aristokratisch (royalistisch) gesinnten Familie Pourtales, nach Preussen aus; Graf Albert de Pourtales, ein Enkel des obigen berühmten Jacques-Louis, starb 1861 in der ehrenvollen Stellung eines königlich-preussi- schen Gesandten in Paris. 94 Als Artikel, welche die Neuenburger Fabriken im XVIII. Jahrhundert in Hand- und auch Kupferplattendruck erstellten und die ihren Verschleiss (nach Norrmann) vorzugsweise in Süddeutschland, Frankreich und Italien fanden, werden in verschiedenen Nachrichten genau dieselben genannt, welche wir weiter unten als Erzeugnisse der Basler Druckereien ausführlicher beschreiben werden. Die sich fortwährend ausdehnenden Fabriken und der bedeutende Handelsverkehr brachten der ganzen Bevölkerung der dabei interessierten Ortschaften einen noch nie dagewesenen Wohlstand. Nach der unten folgenden offiziellen Berufsstatistik erscheint das Jahr 1788 als ein Culminationspunkt in der industriellen Entwicklung Neuenbürgs; die Zahl der damals in Thätigkeit sich befindlichen Drucktische darf auf 6—700 veranschlagt werden, gleich dem Dritteil der Gesamtzahl der in diesen Etablissementen beschäftigten Personen. Um die Wende des Jahrhunderts traten wie überall zahlreiche Hemmnisse auf; die 1803 und 1806 für Frankreich und nachher auch für Italien zur Geltung kommenden Zollerhöhungen bezw. Verbote der Einfuhr und sogar des Transites von gedruckten Baumwollwaren wurden am schwersten empfunden. Eine unterm 25. Januar 1808 an den Landesfürsten Marschall Berthier gerichtete, die schwierige Lage schildernde Eingabe macht uns mit den Namen der damals noch in Betrieb stehenden Indiennesfabriken bekannt; indem wir solche wiedergeben, fügen wir noch einige über diese Geschäfte durch die schon oben angeführten Quellen und durch v. Kurrer überlieferten Nachrichten bei. D 1) Vaucher, DuPasquier & Cie. nahmen, was Umfang und Leistungen anbetrifft, nach wie vor die erste Stelle ein; 1815 beschäftigten sie beispielsweise 538 Arbeiter und bezahlten um diese Zeit jährlich zirka 100,000 L. de N. (ä Fr. 1. 41 Cts. heutiger Währung) an Löhnen an die Arbeiter ihrer Fabrik und die Handwerker der umliegenden Dörfer aus. Wahr- 0 Bei der spätem ausführlichen Darstellung der Druckerei des XIX. Jahrhunderts werden wir uns fast ausschliesslich auf den Kanton Glarus beschränken; dagegen war es des Zusammenhangs wegen geboten, bei obigen kurzgefassten Bildern aus den andern Kantonen schon in jene spätere Periode überzugreifen. 95 scheinlich zu Anfang der 1820er Jahre errichteten sie eine Filiale in Neunkirchen , welche v. Kurrer 1840 als die ausgezeichnetste Kattunfabrik in Oesterreich (exclusive Böhmen) bezeichnet; 1832 machte sich dieselbe unter der Firma DuBois, DuPasquier & Cie. selbständig und gehört noch heute, als Aktiengesellschaft betrieben, zu den grössten und bestrentierenden Druckereien Oesterreichs. Wahrscheinlich schon im ersten Dezennium des XIX. Jahrhunderts hatte das Stammhaus in Cortaillod auch den in England inzwischen erfundenen einhändigen Rouleaudruck eingeführt und zeichnete sich in den damals hergestellten Kleiderstoffen durch sehr schönes aviviertes Krapprosa aus; zum Gravieren der Metallwalzen bediente man sich in der Folge der 1808 in Manchester erfundenen „Moletten“, brachte jedoch an den betreffenden Maschinen (nach v. Kurrer) wesentliche Verbesserungen an, die der Fabrik in Neunkirchen 1826 durch die österreichische Regierung als Privilegium für 5 Jahre reserviert wurden. 1 ) Das Stammhaus existierte bis 1854, in welchem Jahre es von den damaligen Besitzern unter derselben Firma in eine Uhrenfabrik umgewandelt wurde. 2) Bovet & Cie. in Boudry, die zweitgrösste Fabrik, erstellten ungefähr dieselben Indiennes und Meubles-Stoffe wie die erstgenannte Firma und excellierten in feinem Krapplila, welche Farbe in Rouleauxdrucken anfangs des XIX. Jahrhunderts besonders in Frankreich en vogue war. 1855 änderte sich die Firma in Breguet , Curchod <& Cie. 3) Jean-Jacques De Luze, ein Enkel des ersten Deluze war noch im Besitz der Fabrik in le Bied (S. 91), während die andern von seinen Vorgängern gegründeten bezw. erworbenen kleinern Etablissemente in den unruhigen Zeiten um die Wende des Jahrhunderts eingegangen oder verkauft worden waren. 1814 gab er auch den Betrieb in le Bied auf und. nachdem die Räumlichkeiten vorübergehend als Militärspital ’) Eine andere ebenfalls in England erfundene Graviermaschine, der Guillochir-Apparat, erhielt nach v. Kurrer 1839 durch einen Olimpe Smnbert Droz in La Chaux-de-Fonds bemerkenswerte Verbesserungen. 96 für etwa 2000 verwundete Oesterreicher und Preussen gedient, hatten, wanderten ihre Installationen grösstenteils in ein von den Neuenburgern Robert, Bovet & Cie. errichtetes Etablissement In Thann (Eisass). 4. H. DuPasquier et freres und 5. DuPasquier & Gie. waren in enger Verbindung und besassen die Fabriken in Marin und St. Blaise. In letzterer Ortschaft wurde der Betrieb schon vor 1820 eingestellt, während die erstgenannte Fabrik von der Firma Auguste Verdan ainee noch in den 1830er Jahren in kleinem Maßstabe im Gang erhalten war. 6. Daniel Verdan & Gie. in Grandchamp. Die Gründung dieser Fabrik erfolgte um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts durch Chaillet d’Arnex; in der Folge eine Zeit lang von Deluze,. Meuron & Cie. betrieben, ging sie 1775 in den Besitz von Louis Verdan über, -welcher sie später seinem Sohn oder Bruder Daniel Verdan & Interessierten abtrat. Dadurch entstand die eingangs genannte Firma Daniel Verdan & Gie. Um 1815, als Firma Daniel Verdan, fils et Poulet (später Verdan freres ), brachte es diese Fabrik nach vielen Versuchen dazu, eine eigene Giesserei der zum Rouleaudruck nötigen Walzen aus „Composition“, Messing oder Kupfer, sowie ein vollständiges Gravier-Atelier einzurichten. Solche Druckwalzen wurden graviert oder ungraviert auch andern Fabriken im In- und Auslande geliefert. 1 ) In noch späterer Zeit (um 1850?) ging dieses Etablissement an Bovet & Cie. über. 7. Louis Verdan, pere et fils in Les Isles. Die in dieser Ortschaft bestehende Fabrik war ebenfalls der Initiative von Jacques Deluze, und zwar in dessen letzten Lebensjahren, entsprungen. Im Anfang des XIX. Jahrhunderts erwarb sie Louis Verdan *) Einige neuenburgische Messerschmiedwerkstätten warfen sich auch auf die Erstellung der zum Rouleaudruck nötigen Stahlraclen. Roch 1840 meldet v. Kurrer, dass die besten Stahlraclen auf dem Kontinent aus dem Neuenburgischen bezogen würden; der Verschleiss war umso bedeutender, als damals die Ausfuhr von solchen aus England (Sheffield) noch strengstens, verboten war, um der Ausdehnung des Rouleauxdrucks auf dem Festland», keinen Vorschub zu leisten. 97 (wahrscheinlich bei seinem Austritt aus der Fabrik in Grand- champ); von da an wurde sie als Firma Louis Verdanpere et fils bis in die 1840er Jahre betrieben. 8. A. Verdan betrieb eine von einem de Montmollin in La Bor- carderie eingerichtete und später längere Zeit ebenfalls von den Deluze besessene Druckfabrik; dieselbe wurde 1815 in eine Wolltuch-Manufaktur umgewandelt, weiche aber schon 1820 einging. Die Bedeutung der Neuenburger Zeugdruckereien beschränkte sich nicht allein auf das Heimatland; ihre vorzüglichen Einrichtungen dienten schon früh mancher ausländischen Fabrik als Vorbild und in der Folgezeit treffen wir Neuenburger als Druck- industrielle im Aargau, in Biel, im Eisass, in Oesterreich; einige der in Hafenstädten Frankreichs, Englands und Amerikas gegründeten neuenburgischen Geschäftsfirmen, die anfänglich als Filialen oder Vertreter der heimatlichen Industrie funktionierten, nehmen im Grosshandel und besonders in der Baumwollbranche noch heute eine geachtete Stellung ein. Nach der Beendigung der Napoleonischen Kriege nahmen die fünf noch bestehenden neuenburgischen’Baumwolldruckereien anfänglich einen neuen Aufschwung. Sie fanden erstlich einen Stützpunkt in den ihnen von der preussischen Krone gewährten Einfuhrbegünstigungen in Preussen, bezw. ganz Deutschland; da die Geschichte dieser nicht unwichtigen „Neuenburger Privilegien“, welche Petitpierre in seiner Hist. econ. gänzlich übergangen hat, enge mit der Entwicklung des „Deutschen Zollvereins“ zusammenhängt, werden wir bei der Behandlung des Letztem ausführlicher darauf zurückkommen. Sodann suchten die Neuenburger Fabrikanten den Verlust des grossen Absatzes in Frankreich, Oesterreich und andern europäischen Schutzzoll-Ländern durch Anknüpfen zahlreicher Verbindungen mit der Türkei, Indien, sowie Süd-, Mittel- und Nordamerika zu decken. . Auf letzteren Gebieten mussten sie jedoch Schritt für Schritt vor der englischen Konkurrenz zurückweichen. Das Erlöschen der preussischen Privilegien im Jahr 1848 überlebte daher für eine längere Periode nur eine einzige Fabrik, diejenige in 7 98 Boudry, welche 1863 an eine Aktiengesellschaft überging und als Fabrique d’Indiennes de Boudry noch bis um 1870 betrieben wurde. Schriftliche und mündliche Zeugen sprechen noch heute mit einer gewissen Wehmut von den schönen Zeiten, da die Druckereien im Neuenburgischen florierten, da es in den Ortschaften am See von Arbeitern wimmelte und das Geld auf eine erstaunliche Weise zirkulierte. Dieses Ländchen war jedoch so glücklich, in intensiverem Weinbau, besonders aber in der Entwicklung der Uhrmacherei (deren Anfänge bis 1681 zurückreichen), der Gold- sehmiedekunst und der Erstellung von Präzisionswerkzeugen und -Apparaten einen lohnenden Ersatz zu finden. Letztere hochstehenden Industrieen, welche fast keiner motorischen Kräfte und keiner Steinkohlen vom Ausland bedürfen, blieben zwar wie jeder Zweig menschlicher Gewerbsthätigkeit nicht von Krisen verschont; dieselben wurden jedoch bis jetzt stets in rühmlichster Weise überwunden, dank des Umstandes, dass jene vor allem auf der Intelligenz und Handgeschicklichkeit des einzelnen Arbeiters und auf der Ausbildung des gewöhnlich schon angebornen guten Geschmackes gegründet sind und daher nicht so leicht an irgend einem beliebigen Orte aufgenommen und nachgeahmt werden können.*) Der Kanton Neuenburg ist wohl das einzige Land, welches mit einer ununterbrochenen, von 1752 bis 1846 reichenden, also einen Zeitraum von fast 100 Jahren umfassenden Berufsstatistik seiner Bevölkerung aufrücken kann. Wie nicht anders zu erwarten, entrollt sich in derselben auf kleinstem Raume ein interessantes Bild der industriellen Entwicklung. Nach den von Professor Norrmann und A. Petitpierre gegebenen Auszügen, welchen wir einige Daten aus den neuern Volkszählungen beifügen, möge hier folgende Zusammenstellung ein Plätzchen finden: ') Ein ebenso wohlwollender als geistreicher Beurteiler charakterisierte die Neuenburger Arbeiterbevölkerung in Petitpierre’s Hist. econ. wie folgt: „Elle est, il est vrai, un peu legere; eile est imprevoyante, audacieuse, peu disciplinable, le joug lui i'ait horreur; eile est d’humeur folätre, eile aime les plaisirs, eile tient beaucoup de la cigale et trop peu de la fourmi; mais eile a le sentiment profond de l’honneur et la passion du devoument; avec cela eile peut accomplir des merveilles.“ 99 In der L’hrmacherei Jahrzahl Einwohnerzahl In der Indiennes- druckerei Geschäft. Mit Spitzenklöppelei beschäftigt und der ihrenwerk- zeugfabrikation beschäftigt 1752 32,335 399 2793 464 1762 32,459 1252 3288 686 1772 35,197 1155 3075 1386 1782 40,408 1632 3746 2289 1788 43,628 2028 3607 3634 1792 43,856 1845 3832 3458 1796 44,099 1579 3648 3357 1802 47,026 1270 4532 3939 1812 50,122 771 5766 3220 1817 51,586 1110 6603 4670 1822 50,874 816 6454 4055 1832 54,844 719 4187 5125 1842 64,237 542 3481 8093 1846 68,247 500 2019 10134 1860 87,369 *) ? 14229 * 2 ) 1870 97,284 — 110 14772 3 ) 1880 103,732 — 9 16352 Während die Druckfabriken Basels in neuern industriegeschichtlichen Abhandlungen schweizerischer Autoren nur flüchtig erwähnt werden, hatte sich der elsässische Druckindustrielle Dollfus-Ausset schon 1865 das Verdienst erworben, ') Die Volkszählung von 1860, welche nur wenige Brwerbskategorien kennt, führt als in den „Chemischen Gewerben“ beschäftigt 69 Personen, darunter 24 im Bezirk Boudry auf, es scheint daher, dass die einzige im Kanton Neuenburg noch existierende Druckfabrik — Breguot, Curchod & Cie. in Boudry — nur noch einen sehr beschränkten Betrieb unterhielt. 2 ) In dieser Zahl sind auch die ausserhalb der Uhrenindustrie beschäftigten Mechaniker, Giesser, Messerschmiede etc. enthalten, welche zusammen auf zirka 700 Personen zu schätzen sind. 3 ) Eine 1866 vorgenommene genaue Zählung ergab nach Petitpierre 13,701 in der gesamten Uhrmacherei beschäftigte Personen; nach A. BacheJin „(l’Horlogerie neuchäteloise“, Attinger föres ä Neuchätel) schätzte man in demselben Jahre die Menge der im Kanton Neuenburg erzeugten Uhren auf 800,000, im Jahr 1878 auf nahezu eine Million im Wert von zirka 50 Millionen Pranken. 100 im 2. Bande seiner Materiaux pour la coloration des etoffes (Paris, F. Savy) ein der Bibliothek der Mülhauser Industriellen Gesellschaft seiner Zeit schenkweise überlassenes, ausserordentlich interessantes Manuscript dem Druck übergeben zu haben. Dasselbe trägt den Titel: Trante sur la fabrication et le commerce des toiles peintes, par Jean Byhiner, de Bäle (Suisse ) und ist in der Hauptsache im Jahr 1766 verfasst, wenn auch einzelne Partien noch etwas später hinzugefügt wurden, während hinwieder manche Farbenrezepte schon Datumangaben von 1738 an aufweisen. Da es sowohl genaue Aufschlüsse über den Gang der Fabrikation als auch einen kurzen Ueberblick über den damaligen Stand der Schweiz., bezw. europäischen Druckerei im Allgemeinen enthält, darf es als eine wahre Fundgrube für die Geschichte dieses Zweiges um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts bezeichnet werden,, weshalb wir aus demselben, neben den schon an andern Stellen aufgenommenen Citaten, noch folgendes mitteilen: Gründung der Fabrik: Das Handelshaus Witwe Emanuel Ryhiner & Cie. (Mutter und Söhne) hatte einen nicht unbedeutenden Verschleiss in indischen Waren, weshalb die Einkäufe persönlich in Holland gemacht wurden. Dies gab Veranlassung, den Sohn, bezw. Bruder Samuel Byhiner (den Vater des Schreibenden) nach Holland in die kaufmännische Lehre zu senden und zwar in das Haus Fäsch (ursprünglich ebenfalls von Basel stammend). Dadurch bot sich diesem jungen Manne die Gelegenheit, häufig in dortige Baumwolldruckereien zu kommen und sich genügende Kenntnisse in der neuen Kunst zu erwerben, sodass er, 1716 nach Hause zurückgekehrt, in der Vorstadt St. Jacob ebenfalls eine kleine Druckerei einrichten konnte, wobei sich auch sein Bruder und ein Rudolf Fäsch als Associes beteiligten. Diese in unanfechtbarer Weise mitgeteilten Thatsachen sind darum von besonderem Interesse, weil damit für eine der ältesten Druckereien der Schweiz die direkte Ableitung von der holländischen Druckindustrie unzweifelhaft erwiesen ist. 1728—1732 wurde die Fabrik nach Klein-Basel verlegt und bedeutend vergrössert, 1739 trat eine Trennung ein, infolge welcher Samuel Ryhiner wieder die Fabrikation in St. Jacob aufnahm, während die andern beiden die Druckerei in Klein-Basel fortsetzten. Jede dieser Fabriken 101 erzielte in den 1740er Jahren einen Umsatz von zirka 40,000 {alten) Franken per Jahr. Bei dieser Gelegenheit wollen wir gleich einschieben, dass Johann Conrad Fäsi in seiner Staats- und Erdbeschreibung der helvetischen Eidgenossenschaft (4 Bde. 1765/8) sagt: „Die Indiäne- fabriken Basels verarbeiten und versenden eine ungemein be-, trächtliche Anzahl Waaren“ und dass Professor Norrmann’s geographisch-statistische Darstellung des Schweizerlandes 1706 folgendes über die Baumwollindustrie Basels zu melden weiss: „Baumwollene Strümpfe und Mützen, auch einige andere Waaren, werden zum Theil in Basel, noch mehr in den kleinen Städten und in einigen Ortschaften des Gebiets ziemlich viel gemacht. Weit wichtiger sind die Indiennedruckereyen, von welchen 6 bey Basel eine grosse Menge von Arbeitern beschäftigen und mancherley gedruckte und ge- mahlte Oattune, Zitze, Hals- und Schnupftücher, gedruckte Leinwand u. s. f. liefern, einen starken Absatz nach Deutschland, vorzüglich nach Frankreich und Italien haben, jetzt aber durch die ungemein starke Einfuhr nach Frankreich sehr erweitert sind.“ Darnach müssen im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts noch einige weitere Druckfabriken in und bei Basel entstanden sein, die aber samt den Ryhiner’schen Gründungen in den darauf folgenden Kriegszeiten untergingen. An Rohtüchern für die Druckereien lieferte die Schweiz und besonders der bernische Aargau längere Zeit fast nur die ordinären Kattune, während Indien alle möglichen Qualitäten, von den feinsten und leichtesten bis zu den dichtesten oder schwersten zur Verfügung stellte; ausser den schon S. 45 ausführlicher besprochenen wichtigsten Sorten nennt Ryhiner noch die taffetas, socretons, mouis und garras. Die europäisch-indischen Handelscompagnien erliessen von Zeit zu Zeit gedruckte Zirkulare, aus welchen genau ersichtlich war, welche Mengen und Arten Rohtücher zu einer bestimmten Zeit in dieser oder jener Hafenstadt zur Versteigerung gegen Barzahlung gelangten, worauf dann die Druckfabrikanten ihren dort ansässigen Kommissionären die nötigen Weisungen gaben. Wie schon früher erwähnt, war die Schweiz nach und nach auch in den feinen Tüchern konkurrenzfähig, konnte aber öfter dem Bedarf nicht genügen, da besonders für die Mousselines, weiss oder bestickt, fast immer grosse Nachfrage bestand. 102 Stecherei: Als Material dienten 2 Zoll dicke Bretter aus feinstem Birnbaumholz; um letzteres zu sparen leimte man auch wohl ein solches einzölliges Brett auf ein gleiches von Nussbaumholz. Die Verwendung des sehr harten persischen Buchsholzes und die Manier, die „Mödel“ zu „doppeln“ oder zu „füttern“, indem man auf das entsprechend dünnere harthölzerne Modelbrett mittelst dem wasserbeständigen „Käsleim“ abwechslungsweise 2 bis 4 Tannen- oder Ahornbrettchen aufleimt, um so einem Verziehen oder „Werfen“ des Holzes entgegen zu wirken, ist wie es scheint erst einige Dezennien später in Aufnahme gekommen; dagegen erwähnt das Ryhiner’sche Manuscript schon die Verwendung von Messingstiften („Picots“ oder „Stippein“), um Punkte in der Zeichnung wiederzugeben, und ferner das Filzen der Mödel, indem bei massigen Partien Stückchen alter feiner Filzhüte eingelegt wurden. — Die schon sehr mannigfaltigen Stechereiwerkzeuge bezog man aus Locle und Genf. Die Zeichnung war in der Regel so entworfen, dass ein „Rapport“ bei ein und derselben Farbe nur einen Model erforderte; es waren jedoch von englischen Fabrikanten auch reiche Möbeldessins am Markte, bei denen es 4—5 verschiedene Druckformen brauchte, bis dieselbe Partie oder derselbe „Rapport“ wiederkehrte. Druckerei- und Fabrikations-Einrichtungen: Als Drucktischblätter diente, wie noch heute, mehrere Zoll dickes Ahornholz, auf welches man 1 — 2 grobe Wolltücher als elastische Unterlage für den Druck legte. Die Einrichtung der Chassis war ebenfalls ungefähr gleich wie in der Gegenwart und wie sie im Prinzip schon auf Seite 20 beschrieben wurde. Das Waschen der Stücke geschah durch „Pritschen“ oder „Panschen“ von Hand; der Verfasser erwähnt aber, dass man an andern Orten auch Walken mit Stampfhämmern benutze, welche man durch Pferde oder Wasserräder im Betrieb halte. Dasselbe war mit den „Rollcalandern“ der Fall; doch gab es auch solche, welche man dadurch in Bewegung setzte, dass man Männer in einem grossen Rade marschieren liess! Die Kufen für die Krappfärberei waren gemauert, mit Feuerkanälen umzogen und mit Kupferblech ausgeschlagen; sie fassten 6—7 Saum, und waren für 28—30 Stück ä zirka 15 aunes bestimmt, während man in Glarus bis zur Ein- 103 führung des Dampfes nur runde oder längliche massive Kupferkessel kannte, in denen man auf einmal höchstens 12 Stück ä 20 Aunes, in 3—4 Strängen angeordnet, färben konnte. Bei gedeckten Mustern wurde, um die „Böden“ recht satt und gleich- massig zu erhalten, die Färbeoperation gewöhnlich in ein An- und Ausfärben zerlegt; dies geschah in manchen Fabriken noch bis in die 1840er Jahre hinein d. h. bis zur Erfindung der farbstoffreichern Garancine. In Holland färbte man sogar die Weissböden lange Zeit in 2 Malen. Für Satin-Ausrüstung d. h. für stärkern Glanz als wie die Rollcalander ihn zu erzeugen vermochte, benutzte man ein Stück polierten Glases, mit welchem man in einem Gelenkband (ähnlich den spätem Achat-Glättemaschinen) über das Zeug fuhr. Vor dem Versandt wurde die Ware, wie noch heute, tüchtig gepresst. Ueber den Schlag der Dessins in der Basler Fabrik geben uns leider keine Original-Stoffmuster Auskunft, wie solche aus der Mitte des XVIII. Jahrhunderts überhaupt selten geworden sind; nach den schriftlichen Angaben, sowie nach einer im Nachlass eines glarnerischen Handelshauses aufgefundenen (zwar vermutlich erst aus dem Ende des XVIII. Jahrhunderts stammenden) reichhaltigen Kollektion von gemalten Papiermustern für „Meubles“ und „Indiennes“ liess sich im wesentlichen folgendes feststellen: Der Holzmodeldruck hatte (gegenüber der indischen Pinselmalerei) die Anwendung und regelmässige Wiederkehr einfacher geometerischer Formen sehr begünstigt, weshalb sich Striche (Streifen und Carreaux) und Tupfen (Punkte und Bollen) in unendlicher Variation als klassische Motive einbürgerten. Die Dessins mit Pflanzenornamenten suchte man, soweit es sich um feinere Produkte handelte, dem europäischen Geschmack mehr und mehr anzupassen, indem man die Zweige, Blätter, Blüten und Früchte (auch wohl mit Schmetterlingen und Vögeln in Verbindung gebracht) dem Auge anstatt in phantastischen Verwandlungen, in ihrer natürlichen Anmut und Geschmeidigkeit darbot; eine Zeit lang waren, wie bei den Tapeten, auch Dessins in chinesischem Geschmacke begehrt. Ferner erfreuten sich hin und wieder figürliche Darstellungen sowohl bei „Meubles“ als bei den Mouchoirs einer grossen Beliebtheit, ohne jedoch im Konsum eine so her- 104 vortretende Rolle zu spielen, wie die verhältnismässig starke Reproduktion von solchen in Dr. R. Forrer’s „Kunst des Zeugdrucks“ glauben machen könnte; in den aufgeregten Zeiten um die Wende des Jahrhunderts standen in diesem Genre an Stelle der „Schälerspiele“ die politischen Sujets im Vordergrund. Die Produkte der Ryhiner’schen Fabrik bestanden hauptsächlich aus Indiennes (für Kleider und dergl.) und aus Möbelstoffen („Meubles“ und „Couvertures de lit“) und umfassten folgende Genres und Fabrikationsmethoden: 1. Einfache Krappwaren, besonders die schon S. 51 erwähnten Surates und Patnas. Diese und ähnliche wenigfarbige Artikel wurden später weiter ausgebildet, indem man z. B. nur eine einzige Farbe, jedoch in 2 — 4 Abstufungen, in Anwendung brachte; solche monochrom-abgetönte Ausführungen nannte man Genres camaieux. 2. Helle und dunkle küpperiblaue Böden mit reserviertem Weiss. 3. Schwarzboden mit Weiss oder „Toiles pour deuil“, und zwar hiess das Verfahren, den Eisenbeizendruck in Krapp auszufärben, wobei das Schwarz sehr acht aber mit braunrötlichem Stich ausfällt, die holländische Manier, während das Ausfärben in Blauholz (bois d’Inde) welches eine vollere und glänzendere, aber weniger solide Farbe liefert, die schweizerische genannt wurde. (Oftmals und zwar bis ins XIX. Jahrhundert, färbte man im gleichen Bade oder nacheinander mit beiden Farbstoffen). 4. Carmoisinböden , erzielt durch Thonerde-Beizendruck und Ausfärben in der sehr teuren Cochenille. Dieses und die andern vorgenannten einfachen Fabrikationsverfahren fanden auch Anwendung für Mouchoirsdruck, der im Uebrigen in Basel nur einen kleinen Teil der Produktion ausmachte. 5. Einige tafelfärbige Artikel, von welchen wohl die bezüglichen Farbenrezepte, aber keine weitern Angaben überliefert sind. 6. Die schon S. 51 erwähnten Finchitz, wobei nach Erzeugung der Krappfarben und Bedecken derselben mit dem Schutzpapp der übrigbleibende weisse Grund kalt nicht nur in Hellindigoblau, sondern auch in andern hellen Nüancen 105 mittelst den schon bei den Tafelfarben S. 59 erwähnten Farbstoffen gefärbt wurde. 7. Die Galancas fins, mit den Persiennes nahe verwandt, waren Weissböden mit verschiedenen Krappfarben und nach- heriger Illumination mittelst Englischblau und Tafelgelb. Dieser komplizierte Genre, dessen Dessins meistens in weit auseinander stehenden, .reich ausschattierten „Bouquets“ und „Ramages“, sowie „Colonnen“ mit „Guirlanden“ kombiniert bestanden, wies folgende sehr ausgebildete Fabrikation auf: Auf den schwarzen Vordruck folgte Rot in drei und Lila in zwei Abstufungen; nun wurden diese sechs Beizenfarben in Krapp gefärbt und alsdann die Farben und das Weiss in Kleien- oder Kuhkot-, seltener in Seifenbädern, sowie durch Auslegen auf der Wiese geschönt; auch geschieht schon Erwähnung eines „Sauerwassers“ (d. h. einer sauren Passage) welches später in Form eines zinnhaltigen sauren Bades unter den Händen elsässischer Chemiker in den feinem Krappartikeln eine grosse Bedeutung erlangte. Es folgte nun das Einpassen des Englisch- oder Pinselblau in zwei Abstufungen, ein Abspühlen der Stücke im Flusswasser und schliesslich der Aufdruck des Tafelgelb mit darauffolgendem Waschen und Ausrüsten. Indem der Zeichner die Farben so verteilte, dass das Gelb stellenweise auf Blau, Lila oder Rosa und das helle Blau stellenweise auf Rosa oder Lila fiel, erzielte man ausser den Abstufungen innerhalb ein- und derselben Farbe auch schöne Zwischentöne (Grün, Oliv, Holzfarbe, Orange, Carmoisinrot etc.), so- dass man schliesslich 21 Nuancen anstatt der angewandten 9 Farben zählte. Dieselben Dessins erstellte man auch als Rotboden oder Braunboden. Wenn man sich bei der roten „Rentrure“ auf 1—2 Abstufungen, bei Lila und Blau auf einen Ton beschränkte oder Lila ganz wegliess (dagegen das Tafelgelb zur Erzielung gelber, grüner und oliver Nuancen beibehielt) nannte man den also vereinfachten Artikel Demi- oder My-Galancas. In manchen Gegenden deutscher Zunge verstand man unter „ Zitzen“ speziell nur diese Calancas und My-calancas, während man die einfachen Artikel als 106 „gedruckte Kattune“ bezeichnete. Für letztere dienten meistens mittelscbwere Baum Wolltücher, während man für erstere dichtere und feinere, die um 30—50 °/ 0 teurer einstanden, verwendete. > Wie schon S. 57 angedeutet, geht die Verwendung des Tafelgelb zur Ausschmückung krappfärbiger Tücher unzweifelhaft auf indische Vorbilder zurück und wurde jedenfalls unabhängig von einander an verschiedenen Fabrikorten Europas versucht; die gleichzeitige Erzeugung eines hellen soliden Blaus mit Umgehung der Küpenfärberei gelang (nach S. 65) zuerst den Engländern, welche sich überhaupt in den Ca- lancas einen Namen machten. — Im 3. Viertel des XVIII. Jahrhunderts zeichneten sich in diesem reichen Genre besonders auch die neuenburgischen Fabriken, diejenige von Joh. Heinrich Schüle in Augsburg und etwas später auch die elsässischen Fabriken aus. Dabei ist als interessante Thatsache hervorzuheben, dass die zum „Illuminieren“ verwendeten Tafelfarben anfänglich überall mit dem Borsten- > pinsel oder mit „Fischpinseln“ (aus Fischbein?) aufgetragen wurden, da man es nicht für möglich hielt, in die von der Krappfärberei her verzogenen Tücher von neuem regelrechte, der schon vorhandenen Zeichnung sich anschmiegende Modeldrucke einpassen zu können. Die Frauen und Mädchen, welche dieses viele Geduld erfordernde Ausmalen besorgten, wurden „Schilderinnen“ genannt. Noch zu Anfang des XIX. Jahrhunderts fand Dr. v. Kurrer, als er nach Augsburg berufen wurde, die Schilder ei für alle Illuminationsfarben in vollem Flor und in Hamburg waren gemäss S. 69 noch im Jahr 1796 die „Schilderwinkel“ für den Gelbdruck in Thätigkeit. In der Schweiz hingegen, wo man von jeher zum vorwiegenden Teil auf den Export und damit auf die grösstmögliche Oekonomie angewiesen war, lernte man früh- zeitig, wahrscheinlich schon vor der Mitte des XVIII. Jahrhunderts, auch diese Illuminierfarben in die in Krapp oder Indigo vorgefärbten Dessins mittelst dem schnell arbeitenden Modeldruck einzupassen, indem man auf nur ungefähr halb so grosse Druckformen überging. Die Pinselmalerei i 107 > e beschränkte sich von da an auf das „Englischblau“, für welches sie beispielsweise im Neuenburgischen noch am Anfang des XIX. Jahrhunderts üblich war; in der Ryhiner’- schen Fabrik gab es schon ums Jahr 1766 keine Schildermädchen mehr, indem man sogar für das „Englischblau“ eine sinnreiche Yorrichtung erfunden hatte, die S. 65 erwähnten Schwierigkeiten zu überwinden. 8) Ein den Calancas nahestehender, in England als Neuheit gebrachter Artikel hiess Peruviennes und enthielt 6—7 Farben; über den Genre der in demselben vorkommenden Dessins ist nichts genaueres mehr bekannt. Arbeiter- und Lohnverhältnisse. — Das Manuscript Ryhiner enthält diesbezüglich für das Jahr 1766 folgende statistische Angaben: Arbeiterzahl für die 48 in Betrieb stehenden Druektisehe Verdienst per Arbeitswoche in Basler Gulden u. Kreuzer 1 ) Tagesverdienst in heutigen Franken und Rappen ä fl. 10 Vordrucker. 3. — bis 3. 48 1.10 bis 1.40 14 andere gelernte Drucker . . 2. — „ 2. 36 —.73 „ —.95 24 „Rentrierer“ und angehende Drucker. 1.— „ 1.36 —.37 „—.59 42 Streicherkinder. —.36 „ —. 22 1 Handlangermeister. . . . 3.- „ 1.10 2 Farbköche. 3.18 „ 1.21 3 Farbkücheknaben .... 1.36 „ —. 59 20 Handlanger in der Färberei und Wascherei .... 2.- „ —. 73 14 Handlanger in der Zu- und Ausrüsterei. 2.- „ —. 73 2 Schreiner ....... ? ? *) Wie Dollfus-Ausset berechnen wir den Basler- und den Berner- Gulden nach ihrem Silbergehalt zu rund Fr. 2.20 heutiger Währung, während sie 1850 (wie fast alle übrigen Münzen) etwas unter ihrem ursprünglichen Wert, der erstere zu 214V 2 , der letztere zu 215 neuen Rappen, eingelöst wurden. 1 fl. = 15 Batzen = 60 Kreuzer; 1 Batzen also = 4 Kreuzer. i 108 Auf 48 Drucker traf es demnach 42 Streicherkinder und 42 iri der Fabrikation thätige Hilfsarbeiter (Handlanger), während die Schreiber, Stecher und Fuhrknechte wohl erwähnt werden, aber eine genaue Angabe der Zahl derselben fehlt. Daraus er- hellt, in Uebereinstimmung mit einigen spärlichen Angaben aus andern Quellen, dass im vorigen Jahrhundert eine Fabrik von 100 Drucktischen im ganzen zirka 300 Personen beschäftigte. Gewisse Schwankungen in diesem Verhältnis fanden natürlich auch damals von Ort zu Ort statt, je nach der Natur der Fabrikate und je nach dem die Fabrik „Schilderinnen“ beschäftigte. — Die Arbeitszeit wurde in der Ryhiner’schen Fabrik wie folgt eingehalten: Im Sommer arbeitete man ll l / 2 Stunden, nämlich von 6 Uhr morgens bis 8 Uhr abends mit einer Mittagspause von IIV 2 —1 Uhr und einer Vesperpause von 3—4 Uhr, im Frühling und Herbst so lange es das Tageslicht erlaubte, wobei dann die Vesperpause wegüel; im Winter dagegen war der Betrieb eingestellt, weil man zu dieser Jahreszeit nicht bleichen d. h. weder weisse noch gefärbte Tücher auf die Wiesen auslegen konnte. Es 1 blieben darum durchschnittlich nur 36 Arbeitswochen per Jahr. Die Herstellungskosten der 2 Hauptartikel stellten sich wie folgt: a) für ein Stück l—3farbiger „Indienne ordinaire“ aus gewöhnlichem (inländischem) Tuch: Ankauf des rohen Tuches, 15 aunes (de Paris) lang und 3 / 4 aune breit.fl. 7. 14 Kr. Bleicherei.„ —. 13 „ Fabrikationskosten (Drucklöhne ca. 10 Kr.; Handlangerlöhne ca. 6 Kr.; Droguen, Brennmaterial, Stecherei und andere Unkosten, inklusive 5 °/ 0 Zins vom engagierten Ka- pital fl. 1.17). * * 3 ? 1.33 „ Netto Herstellungskosten . . . fl. 9. — Kr. Brutto-Gewinn (ca. 11 %) . ' * 33 !•- » Brutto-Ver kaufspreis . . fl. 10. — oder 40 Kr. p. aune (= Fr. 1.23 heutiger Währung p. Meter.) 1 109 ► * 0 b) für ein 6—8händiges Stück Indienne fine (My-calancas) x / 4 Weissboden und 3 / 4 Braun- und Rotboden angenommen: Ankauf des rohen Tuches, 15 auneslang und 7 / 8 aunes breit, (feine Qualität Nr. 50, meistens indischen Ursprungs) inkl. Bleicherei fl. 11. 50 Kr.. Fabrikationskosten (Drucklöhne ca. 44 Kr.; Handlangerlöhne ca. 13 Kr., alle übrigen Unkosten inkl. 5 °/ 0 Kapitalzins fl. 3. 43) . „ 4.40 „ Netto Herstellungskosten .... fl. 16. 30 Kr. Brutto-Gewinn (ca. 15 °/ 0 ) - . . . „ 9.45 „ Brutto-Verkaufspreis per Stück . . fl. 19. 15 Kr. oder fl. 1.17 per aune (Fr. 2.35 heutiger Währung p. Meter.) Von dem angegebenen Brutto-Verkaufspreis kamen gewöhnlich einige Prozente für Sconti oder für Zinsverlust wegen verspäteter Zahlung in Abzug. Um die durch den Druck bewirkte Werterhöhung der Tücher besser zu übersehen, schlagen wir den Geschäftsgewinn ebenfalls zu den Fabrikationskosten und erhalten dann folgendes Bild: 1 . 2 . 3. Kosten des Rohtuches inkl. Bleiche bei 1 Stück Indienne ordinaire.fl. 7. 27 Kr., Fabrikationskosten incl. Kapitalzins und Geschäftsgewinn .„ 2.33 „ Kosten des Rohtuches incl. Bleiche bei 1 Stück Indienne fine.„ 11.50 „ Fabrikationskosten incl. Kapitalzins und Geschäftsgewinn .„ 7.25 „ Durchschnitt der gesamten Fabrikationskosten, Indiennes ordinaires und Indiennes fines ineinander gerechnet, per Stück. „ 5. — „ Beiläufig bemerkt Ryhiner, dass diejenigen Fabrikanten,, welche nur ä fa^on arbeiten und daher ein viel kleineres Betriebskapital benötigen, den Händlern für den Fa )) 8 7. ’> 9 fond double violet. » 7» » u » Vs 8 9 pour la traitte des Negres. 9 7» » » • 7s 8 » Lemenias bleu.*) 9 V. » » » V* » * Chintz, faijon d’Hollande fond bleu et vert.') Ö 6 / 4 &’/ 4 » » »V.&7. 8 » Surat rouge et noir. *) » V/.&*/. » 9 » 7 3 >7 4 & 7s i * Surat double violet. 9 id. )> » » id. » fond noir. Pattnas') 2, 3, 4 & 5 Couleurs sur diverses toiles. Nanquins imprimes et diverses autres impressions sur toiles fines. Mouchoirs Pattnas 2 couleurs sur diverses toiles ,des numeros du Canton de Berne 1, 2, 3, 4, 5 et 6. Mouchoirs bleu double face sur les memes toiles et diverses qualites plus fines. > Cambresin *) sur diverses toiles. » fapon Paillacats ’) idem. » » » illummes en bleu solide. » fond mordore, lila, rouge et noir, rose, double rouge etc. sur diverses toiles V 4 et ’/ v Mouchoirs divers fonds sables avec un rouge. » fond blanc illumine en diverses couleurs. » j* » bordures Calancas. 1 ) Toiles de coton de Suisse apprette.' Articles de notre maison de Franc fort s/M. que tiendrons ici en vente: Mouchoirs de Silesie ’/ 4 de Suisse soit a ; 4 de France en toile blanche avec bord rouge fagon bearn. J ) » » » 7 S » » » 3 / 4 ” » fond de Couleur ä l’imita- tion de ceux des Indes. Toiles rouges et divers autres articles en Toilerie. Bazins royaux (od. noyaux?). Bazins de coton mille rayes. Coton Piquös. !) Unter Lemenias oder Liminias verstand man doppelblaue d. h. dunkel- und' hellindigoblaue Tücher. Ueber Chintz, Surat, Pattnas und Calancas siehe Seite 40, 51 und 105- — Die Pattnas wurden um diese Zeit manchmal mit Englisehblau und Tafelgelb illuminiert. Der Ausdruck Cambresins oder Cainbrasines diente nachüuillaume’s Dictionnaire du Commerce zur allgemeinen Bezeichnung der verschiedenen Arten dichter, mittelfeiner, meistens 3 U oder 7 / g aunes breiter Kattune, die man im XVII. und XVIII. Jahrhundert aus Indien, in speziellen Qualitäten auch aus Kleinasien, Persien und Aegypten bezog und die das Aussehen der Leinwand von Cambray (Nordfrankreich) hatten d. h. von einfacher, glatter Bindung waren. Als man später die gleichen Sorten aus England erhielt oder in Frankreich selbst herstellte, wurde derselbe Name auch auf sie übergetragen. — Paillacats waren zweiseitig gedruckte Taschentücher, nach indischen Vorlagen in Paillaca-Farbe (was für eine Nüance damit gemeint ist, blieb dem Verfasser unbekannt; der Ausdruck findet sich auch auf S. 103 in lieft VII Jahrg. 1829 des Bullet, de la Soc. Ind. de Mulhouse). -) Bei denselben dürfte es sich umLeinenmouchoirs mit roter ge wob ener Bordüregehandelt haben. 119 Gegen das Ende des Jahrhunderts brachte es die Fabrik in Wildegg auf ungefähr 120 Drucktische und nahm damit weitaus die erste Stelle unter den aargauischen Zeugdruckereien ein. 1798 ging sie in den alleinigen Besitz der Familie Laue über (wahrscheinlich war dieselbe schon seit 1782 Miteigentümerin gewesen); bald darauf änderte sich die Firma in Laue, Beluze & Cie., um nach einer gewissen Anzahl von Jahren wieder zur ursprünglichen Bezeichnung Laue & Cie. zurückzukehren. 1826 führte Joh. Friedrich Laue, Sohn, den Rouleaux-Druck ein, wobei eine Verminderung der Drucktische eintrat und ebenso 1842, als „Holzdruckmaschinen“ (eine Art Perrotinen) Eingangfanden. v.Kurrer berichtetüberdiesesEtablissementl840: „Die Cottonfabrik von Laue & Cie. zu Wildegg ist in Beziehung auf Einrichtung als eine der elegantesten und ausgezeichnetsten der ganzen Schweiz zu betrachten. Sie steht in dieser Hinsicht keiner des Continents nach. Alle Räume derselben, vom Färbe- und Bleichhause bis zu den Trockenkammern, sind mit Ventilatoren in Verbindung, wodurch die Temperatur und der Luftwechsel überall reguliert werden kann.“ In Folge der inzwischen verschlimmerten handelspolitischen Verhältnisse stellte auch diese Firma schon um 1845 den Betrieb ein. 3. Aus noch vorhandenen Geschäftscircularen geht hervor, dass ein wohl aus dem Kanton Neuenburg stammender Herr Josef Vaucher geraume Zeit vor 1784, wahrscheinlich aber schon seit der Mitte des Jahrhunderts, eine Indiennedruckerei in Niederlenz besass, welche am 1. Oktober 1800 an Peter Fels & Cie. überging. 4. Jacob Philipp Oberkampf von Weissenbach, Churfürstentum Ansbach, der Vater des S. 84 erwähnten Pariser Zeugdruckers, hatte sich (nach Dr. R. Forrer) anfänglich in seiner deutschen Heimat mit Zeugdruck und Färberei befasst, liess sich dann in Aarau nieder, wurde Bürger daselbst und gründete 1755 mit seinem Schwiegersohn Widmer eine Indiennedruckerei, die später nach Othmarsingen bei Lenzburg verlegt wurde. 120 Ein Sohn Widmer’s war später, wie S. 84 ebenfalls berührt, die rechte Hand Wilhelm Philipp Oberkampfs in Paris. Die Fabrik in Othmarsingen ging in der Folge als Firma Tschanz & Cie. an einen Joh. Georg Tschanz und einen Mähly über; am 1. Januar 1784 machte jedoch letzterer einem Josef Vaucher, Sohn des oben erwähnten J. Vaucher in Niederlenz, Platz und es änderte sich die Firma in Tschanz & Vaucher. 5. Wie aus einem Geschäftsbrief vom 19. November 1784 zu schliessen ist, existierte damals in Aarau ein kleineres, wahrscheinlich schon bedeutend früher gegründetes Handelsund Fabrikationsgeschäft unter der Firma Saxer, Beuther & Bothpletz; der letztgenannte Associe war der zur Zeit der Helvetik als Finanzminister bekannt gewordene Joh. Heinrich Rothpletz. Nach Dr. R. Forrer brachte es die Fabrik, die in der „Igelweid“ gestanden haben soll, nur auf 20 Drucktische; sie ging um 1840 ein. 6. Vermutlich um 1790 baute ein Gabriel Herosee *), der als kleiner Handelsmann einige Mittel erworben hatte, eine Druckfabrik und Färberei am untern Stadtbach in Aarau; seine Söhne gingen als Firma „Gebrüder Herosee“ noch vor Laue & Cie. zum Rouleau-Druck über. Aus diesem Geschäfte schied 1812 Gabriel Herosee Sohn, um (nach Dr. R. Forrer) in Konstanz eine schon 1790 von einem Joh. Georg Schlumberger von Mülhausen gegründete Fabrik zu übernehmen; dieselbe steht gegenwärtig im Besitze seines Enkels, Hrn. Victor Herosee. Das Stammhaus in Aarau stellte den Betrieb in der 2. Hälfte der 1840er Jahre ein. 7. Die Kopie einer anscheinend um 1788, vielleicht aber auch schon früher an die Berner Regierung gerichteten „Supplique“, deren Original im Berner Staatsarchiv wohl noch zu Anden wäre, gibt uns von Folgendem Kunde: •) Die Herose (auch Herosde geschrieben) wanderten von Speyer herein, waren aber wahrscheinlich französischer Abkunft, indem bekanntlich in der Pfalz eine ganze Reihe hugenottischer Familien bleibend oder vorübergehend Unterkunft gefunden hatten. 121 „Euer Hohen Gnaden treugehorsamste Angehörige und IJnterthanen Saxer Beuther db Rothvletz in Aarau, Gebrüder Hünerwadel in Lenzburg und Laue db Compagnie in Wildegg, -sämtliche Inhabern von Indienen Fabriquen“ wurden zur Vernehmlassung über ein Gesuch betreffend Errichtung einer neuen Indiennefabrik in Rupperswyl eingeladen. Dasselbe war von den „Herren Eyen 1 ) Burgers in Bern, Hrn. Tschans von Niederwichtrach & Compagnie“ ausgegangen. Obige drei .Druckereiürmen erlauben sich nun „folgende Opositions- Beweggründe zu gnädigster Prüfung untertänigst zu überreichen“ : „In einer Entfernung von höchstens 2 Stunden sind würklich 6 Indienen Fabriquen ohne die zur Zeit zwar still- stehende in Schafisheim und wieder in etwas wenigem -sich erneuernde in Suhr darzu zu zehlen.“ Diese 6 Etablisse- mente bedürften zusammen mit 7 Bleichen jährlich zur Feuerung wenigstens 1600 Klafter Holz und da es daneben abgesehen vom „Schinznachter Baad“ noch eine nicht geringe Anzahl anderer Gewerbe und Handwerke gebe, so sei man jetzt oft genöthigt gewesen, sich mit vielen Kosten aus andern Kantonen und Gegenden zu beholzen. Eine Verschlimmerung dieses Zustandes wäre umso bedenklicher, als -der Bezug an verschiedenen Orten durch Ausfuhrverbote verunmöglicht werde. In zweiter Linie machen die Einsprecher geltend, dass dem Landbau in ihrer Gegend nicht noch mehr Arbeitskräfte entzogen werden sollten und drittens „fällt es jedermann ohnbegreiflich, warum Herr Vaucher, •der eine wohleingerichtete und starke Fabrique in Niederlenz besitzt und noch in der zu Othmarsingen interessiert ist, seinen Grund und Boden in Rupperswyl darbiete, um darauf eine neue Fabriquen anlegen lassen zu können.“ Damit erfahren wir, dass Josef Vaucher Vater (siehe Firma Nr. 3 auf S. 119) ebenfalls bei dem Projekt beteiligt war und begreifen nun, warum seine Firma und Tschanz & Vaucher in Othmarsingen (Nr. 4) bei der Petition nicht mitmachten. Die sechste der angezogenen Fabriken dürfte diejenige von Gabriel Herose ') Nach Leu’s „Helvet. Lexikon“ waren die Eyen ein regimentsfähiges Geschlecht in der Stadt Bern. i 122 in Aarau gewesen sein, indem man ihn als Anfänger noch aus dem Spiele liess. Wem die „in Suhr sich erneuernde“ Fabrik gehörte, ist ungewiss; es wäre möglich, dass die bedeutende Spinn- und Weberei-Firma Herzog & Cie. in Aarau ? die später eine Filial-Webfabrik in Suhr besass, hier vorübergehend sieb auch in der Druckerei versucht hat. Es scheint, dass die beabsichtigte Gründung in Rupperswyl unterblieb; wenigstens wird ihrer nirgendswo mehr Erwähnung gethan. Ueber den Umfang der Indiennes-Druckerei im Aargau im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts berichtet Prof. Norrmann (1795) aufS. 749 Bd. I seines von uns schon mehrmals citierten Werkes, dass es in und bei der Stadt Aarau 5 ansehnliche Zitzoder Indienne-Druckereien gebe; ferner ist auf S. 482 Bd. I zu lesen: „Die Zitz- und Cottundruckereyen oder sogenannten Indiennefabriken sind schon seit langer Zeit im Gange, aber in den letzten Jahren noch, mehr in Aufnahme gekommen und haben sich im untern Aargau in der Gegend von Lenzburg, Zoffingen, Aarau und Langenthal sehr ausgebreitet. Einige derselben sind in diesen Städten, die meisten aber in d^r Nähe derselben. Die Dörfer längs der Aar, in und bey welchen sie nach und nach mit mehreren Nebengebäuden und Fabrikantenwohnungen errichtet sind, haben dadurch zum Theil ein sehr städtisches Ansehen erhalten; manche dieser Manufacturanlagen bilden mit den Reihen von Häusern, die neben ihnen entstanden sind, ansehnliche Flecken, manche aber schöne Vorstädte der angrenzenden Städte. So reichen unter andern einige derselben bis an die kleine Stadt Brugg oder Bruck, ohne dass deswegen die Einwohner der letztem einen bedeutenden Anteil an diesem Gewerbe nehmen ’), so wie überhaupt deren unthätige Genügsamkeit mit der Industrie des benachbarten Lenzburg, Aarau, Zoffingen u. s. w. sehr absticht. In dem Halbzirkel einer Schweizermeile finden sich von Brugg an wenigstens 6 Indiennesfabriken, deren einige mehrere hundert Arbeiter und eben so viele tausend Spinner durch das Aargau beschäftigen und eine beträchtliche Menge geschmackvoller und feiner Waaren in grosser Mannigfaltigkeit liefern. Eben so beträchtlich sind die übrigen in und neben den, andern Städten, die, ausser vielen gedruckten Cottunenund gemalten Zitzen ) Neben der Benutzung der grossen Corporationsgüter suchten die Mehrzahl der Brugger ihl Auskommen in der Vermittlung des bedeutenden Transitverkehrs, der sich zwischen Zürich, St. Gallen und Schaff hausen einerseits und Bern und Basel anderseits, bewegte; die gebildeten Elemente widmeten sich mit Vorliebe der Theologie und andern gelehrten Berufsarten, wesshalb Brugg früher scherzweise „Prophetenstädtchen“ genannt wurde- eine grosse Menge von Hals- Schnupf- und andern gedruckten und gemalten Tüchern verfertigen. Der Absatz aller dieser Manufacturen ist vornehmlich nach Deutschland, bis in die nördlichsten Gegenden, auch nach einigen benachbarten Ländern, sowie nach Frankreich und Italien, un- gemein ansehnlich.“ Aus der Abfassung der beiden von Prof. Normann reproduzierten Mitteilungen über Aarau und Brugg geht hervor, dass, dieselben ihm von zwei verschiedenen Gewährsmännern geliefert wurden; nach den in Brugg eingeholten Erkundigungen ist gar nicht daran zu zweifeln, dass unter den „wenigstens 6 im Halbzirkel einer Schweizermeile von Brugg entfernten Fabriken“ gerade die S. 117 u. ff. aufgeführten von Lenzburg, Niederlenz, Othmarsingen,. Wildegg, Aarau und Suhr zu verstehen sind und ebenso sicher ist, dass die Namen der „5 ansehnlichen Zitzdruckereien in und bei der Stadt Aarau“ ebenfalls unter den erwähnten 8—9 Etab- lissementen zu suchen sind. Da nun die Drucktischzahl der beiden bedeutendsten Firmen (Nr. 1 u. 2) für das Ende des XVIII. Jahrhunderts im „Gemälde des Kantons Aargau“ von diesen selbst auf höchstens 70 bezw. 120 angegeben wird, während sie sich, bei den übrigen 6 oder 7 zwischen 20 und 40 bewegte, können wir die Gesamtzahl der Drucktische in jener Periode auf 300 bis höchstens 400 veranschlagen; dieselben verarbeiteten, wie schon oben bemerkt, von jeher grösstenteils einheimische baumwollene und daneben etwas leinene Rohtücher. Die Wirren der Revolutionszeit überstand die aargauische Druckindustrie ziemlich gut, so dass wir im „Gemälde des Kantons Aargau“ vom Jahr 1844 die wichtigem der für das XVIII. Jahrhundert eruierten Fabriken noch als in Thätigkeit bezeichnet vorfinden, nämlich: Gebrüder Rünemoadel in Lenzburg, Laue & Cie. in Wildegg und Gebrüder Hero-see in Aarau; Bothpletz in Aarau wird als seit kurzem „eingegangen“ angemerkt; dagegen findet man nun folgende neuen Firmen: Bourquin & Cie. in Niederlenz: (unbedeutendes Geschäft vom Anfang der 1820er bis Ende der 1840er Jahre in Betrieb); Mühlbergs Indiennefabrik „auf der Telli“ bei Aarau (1835 gegründet, führte Rouleaux-Indiennedruck ein, um 1860 in Liquidation getreten); Rudolf Maurers Indiennefabrik im Rüderthal, Bezirk Kulm (damals als abgebrannt bezeichnet);. 124 Briner & Cie. in Möriken unweit Lenzburg und Jakob Meier in Holderbank, welche zwei Gründungen von ehemaligen Angestellten won Laue & Cie. ausgingen und in kleinen Verhältnissen von 1825 bis 1840 arbeiteten. Inzwischen war die huuptsächlich für Süddeutschland beschäftigte aargauische Druckindustrie durch die Bildung des „deutschen Zollvereins“ in ihrem innersten Lebensmark getroffen worden; wie aus den gemachten Angaben ersichtlich, existierte 1850 noch eine einzige der obigen Druckfabriken und auch dieser ~war keine lange Zukunft mehr beschieden. Indem wir uns nun nach Zürich wenden, verweisen wir nochmals auf den schon S. 56 erwähnten Tafelfarbendruck, mit welchem einige zürcherische Seidenhäuser neben den Hauptzweigen, dem Seidenhandel und der Weberei, sich befassten; an dieser Stelle beschäftigen wir uns bloss mit den eigentlichen Baumwollduckereien, welche ungefähr dieselben Artikel erstellten, wie wir sie schon S. 104 u. ff. ausführlich besprochen haben; nur machten in Zürich die Mouchoirs gegenüber den Kleiderund Möbelstoffen einen bedeutend grossem Prozentsatz der Produktionsmenge aus. Ueber die Etablissemente in der Stadt selbst und in deren nächster Umgebung finden sich ziemlich eingehende Angaben in der Abhandlung: „Zürichs Indienne-Manufaetur und Türkischrothfärberei in früherer Zeit“ von Adolf Bürkli (Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1881). Als erste Druckerei-Firma Zürichs werden im Jahr 1701 Römer & Kitt genannt. Der soeben genannte Autor vermutet, dass die Anregung zu ihrer Konstituierung direkt ■oder indirekt von hugenottischen Flüchtlingen ausgegangen sei, indem (nach Dr. J. C. Mörikofer) Raymond Boschier aus Nimes schon vorher sich anerboten hatte, Baumwollenzeug nach türkischer oder indischer Art mit den besten Farben, deren man sich im Orient bedient, zu färben, jedoch keine Erlaubnis für die Erstellung einer solchen Fabrik erhalten hatte. Noch sicherer beglaubigt sind die Beziehungen jener ersten Gründung zur holländischen Druckindustrie; am 3. Dezember 1701 ward nämlich „den Herren Börner & Kitt * 125 bewilligt, den von ihnen angestellten Färber aus Holland für die Fabrikation von Persienne und In dien ne bis zum Ablaufe ihres - Traktates mit demselben zu behalten. Wenn sich aber bis dahin die Herren Meister und Färber in der betreffenden Kunst befähigt haben werden, so sollen sich die Herren Römer & Kitt dannzumal alles weitern Färbens enthalten und sich der hiesigen. Meister Färber bedienen“ (s. „Zürcherische Fabrikgesetzgebung; von 1300—1798“ von A. Bürkli-Meyer, Zürich 1884). Weitere Kattundrucker, welche jenen ersten Pionieren folgten, sind Rudolf Zimmermann 1714, Caspar Holzhalb 1720, David Esslinger 1720,.. Heinrich Rordorf 1726 und David Stadler 1726. Sie kamen aber nicht recht vorwärts, da sich die Färberei nicht wohl von der Druckerei trennen liess, während die Färber-Innung ihnen das Recht zu ersterer absprach und auf diese und noch auf andere Weise der jungen Industrie alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg legte. Ungefähr von der Mitte des XVIII. Jahrhunderts an, als diese Hemmnisse überwunden waren, machte die Entwicklung raschere Fortschritte. Als Druckerei-Firmen dieser zweiten Periode werden genannt: 1. David & Melchior Esslinger am obern Mühlesteg an der Limmat, deren beidseitig bedruckte (indigoblaue?) Mouchoirs in. Frankreich mit Genre Zuricois 1 ) bezeichnet wurden. Um 1780 errichteten sie eine neue Druckerei „imHaard“ bei Aussersihl; „dieselbe galt“, sagt A. Bürkli, „als ein Muster-Etablissement; elsässi- sche Fabrikanten meinten: nirgends in der Welt finde sich so- schön Alles beisammen, dessen es zur Indienne-Fabrikation bedürfe, der klare Limmatstrom zum Waschen der Tücher, die ausreichende, konstante Wasserkraft, die prächtigen Wiesen zum Ausbreiten der bedruckten Tücher und dazu der leichte Verkehr mit der nahen Stadt, wo es zweimal in der Woche Gelegenheit zur Auswahl und zum Einkauf vorzüglichen Rohstoffes gebe! Die Enkel des bescheidenen Krämers David Esslinger, der sich 1720 zuerst als Indienne-Fabrikant versucht hatte, zählten infolge des Aufschwunges ihres Geschäftes zu den angesehensten und reichsten Kaufleuten Zürichs.“ b Siehe auch S. 2169 in G-uillaumin’s „Dictionnaire du commerce“ (Victor Lecou, Paris 1852). * 126 2. Die Nachkommen des schon oben genannten Heinrich Bordorf; 3. Paulus Meyer „im Bleicherweg“, seit ungefähr 1750 bestehend, und 4. Quartierhauptmann Hans Jakob Hofmeister „im Letten“ (am rechten Ufer der Limmat, gegenüber den Esslinger im Haard), dessen Gründung ins 6. Jahrzehnt zurückreicht; ein umfassender Plan des Gutes „zum Letten“ aus dem Jahre 1809 trägt als Aufschrift den Wunsch: „Dieser herrliche Sitz verdienstvollster Industrie floriere auf die spätesten Zeiten.“ Auf der Landschaft draussen Fabriken zu errichten, war damals noch nicht erlaubt; dagegen hatte sich Winterthur einige bezügliche Freiheiten zu wahren gewusst, so dass wir von zwei dort enstan- denen kleinen Indiennesdruckereien berichten können; die eine, 1774 von einem Hans Steiner errichtet, erwähnt Troll in seiner „Geschichte der StadtWinterthur“ (Steiner’sche Buchhandlung 1848), eine andere „Färberei und Druckerei“ geht (nach S. 138 in „Winterthur in Wort und Bild“, von Alex. Isler, Winterthur 1895) auf einen 1776 verstorbenen Hans Heinrich Sulzer zum Adler zurück. Da Troll angibt, die Steiner’sche Fabrik habe ein halbes Jahrhundert existiert, nach andern Angaben aber in den 1820er Jahren eine Druckereifirma in Winterthur Sulzer & Steiner hiess, ist es nicht ganz klar, ob inzwischen eine Fusion stattgefunden hatte oder ob es sich bei obigen zwei Meldungen vielleicht um ein und dieselbe Gründung gehandelt hat. Als Periode höchster Blüte der zürcherischen Druckindustie, welche ausschliesslich einheimische Kattune und Mousseline verarbeitete, erscheinen die Jahre 1780-1795, wobei jedoch die Produktionsmengen von Jahr zu Jahr starken Schwankungen unterworfen waren. Aus dem Betrag des dem Seckeiamte zu entrichtenden Fabrikzolles berechnet, betrug der Umsatz der Fabrik „im Haard“ im Jahr 1785 fast eine Million heutiger Franken, 1791 nur noch zirka 3 / 4 Millionen, während sich inzwischen derjenige der jüngern Fabrik „im Letten“ auf ebendiese Summe gehoben hatte. Beide Etablissemente zusammen sollen in Zeiten stärksten Betriebes gegen 1600 Arbeiter beschäftigt haben. Ziehen wir noch die übrigen vier allerdings nur kleinen Druckereien in Betracht, so dürfen wir die im Kanton Zürich in jener Zeit thätigen Drucktische auf 6-700 veranschlagen (vergl. S. 108), deren Produkte ihren Weg nach Frankreich, Deutschland, 127 Italien, Polen und Nordeuropa fanden. Durch die Kriegswirren und den Verlust des französischen Absatzgebietes erlitt diese Industrie im Anfang des XIX. Jahrhunderts einen bedeutenden Rückschlag; namentlich die zwei grössten Geschäfte kamen nie mehr auf die frühem Produktionssummen, wenn auch die Hof- meister’sche Fabrik „im Letten“ später zum Rouleaudruck überging und bis 1867 fortgeführt wurde und die Fabrik „im Haard“, 1837 von der Familie Esslinger verkauft, noch bis ungefähr 1875 zuletzt im Besitz eines Gabriel Schiesser (aus dem Kanton Glarus gebürtig) in Betrieb stand. Inzwischen thaten sich auf dem Lande, dank der nun erlangten Handels- und Fabrikationsfreiheit eine ganze Reihe neuer kleiner Druckereien auf; da dieselben sich fast ausschliesslich mit dem Weiss- und Buntätzen türkischrot gefärbter Tücher befassten und wir diesen jüngsten Zweig der Baurn- wolldruckerei erst am Schlüsse dieses Hauptabschnittes behandeln, kommen wir später nochmals auf die zürcherische Zeugdruckerei -des XIX. Jahrhunderts zurück. Ueber den Gründer der ersten Druckfabrik im Thurgau finden sich im „Thurg. Neujahrsblatt“ vom Jahr 1833 ausführliche Mitteilungen, während sich der Verf. über die spätere Entwicklung dieses Geschäfts privatim erkundigte. Bernhard Greuter, geb. 1745 in dem hart an der thurgauisch- zürcherischen Grenze gelegenen Dorf Kefikon, war der Sohn eines kleinen, aber unternehmenden Handelsmanns und wurde, nachdem derselbe auf einer Tour nach Asien plötzlich den Tod gefunden hatte, zum Lehrerberuf bestimmt. Da er sich aber mehr zur Industrie hingetrieben fühlte, verliess er eine ihm nur einen kümmerlichen Verdienst gewährende Hauslehrerstelle am Zürichsee und trat als Arbeiter in die damals ziemlich weit herum bekannte Kattundruckerei von Landmajor Joh. Heinrich Streiff in Glarus. Indem ihn offenbar von Anfang an der Gedanke beherrschte, selbst einmal Fabrikant zu werden, bemühte er sich in seiner ■Stellung, das Ansetzen der Blauküpen und andere Fabrikgeheimnisse zu erspähen. Er wurde aber beobachtet und, als er einstmals durch die Ritzen des Dachbodens dem Koloristen Fazy zu- 128 schaute, ertappt. Infolgedessen ergriff er die Flucht und kam zu den Druckerherren Schiess & Merz in Herisau, wo er seine bereits- erworbenen bescheidenen Kenntnisse zu einigen praktischen Versuchen verwerten konnte. Um die Mitte der 1760er Jahre, also- im Alter von zirka 20 Jahren, begab er sich in seinen Heimatort Kefikon und richtete eine kleine Werkstätte ein, in welcher er den Landleuten der Umgegend ihre Baumwoll- und Leinentücher im Lohn indigoblau färbte. Als er aber 1767 hörte, dass auf das folgende Jahr zufälligerweise sein früherer glarnerischer Dienstherr als Landvogt über die den VII alten Orten gehörende Landschaft Thurgau erwählt worden sei, fürchtete er neue Verfolgungen von Seite desselben und bewog seinen Bruder, Lehrer Konrad Greuter, ihn aushilfsweise zu vertreten, während er über die kritische Zeit sich nach Amsterdam begab. Auf dieser Reise wurde er zweimal von frechen preussischen und holländischen Werbern abgefangen, aus deren Klauen er sich nur mit grosser Mühe wieder befreien konnte. Bei seiner Rückkehr (1770) fand er sein Geschäftchen sehr zurückgegangen; da er aber inzwischen als Arbeiter in holländischen Fabriken seine Kenntnisse bedeutend erweitert hatte, gewährte ihm ein als Gerichtsherr in Kefikon amtender Hans Kaspar Escher von Zürich finanzielle Unterstützung,, so dass er nun auch Waren auf eigene Rechnung drucken und färben und in Winterthur und Zürich zum Verkauf bringen konnte. 1773 verheirate er sich mit einer Wettstein von Islikon und verlegte nun sein Gewerbe in diese benachbarte Ortschaft. Um diese Zeit trat ein Handelsherr Steiner , „zur Harfe“ in Winterthur, mit ihm in Verbindung; indem derselbe ihm bedeutende Mengen Baumwolltücher zur Verarbeitung im Lohn übergab, gewährte er ihm zugleich Vorschüsse darauf, was eine Vergrösserung des Geschäftes ermöglichte. Obwohl dieser Verkehr nach einigen Jahren aufhörte, indem Steiner in Winterthur indessen selbst zu fabrizieren begonnen hatte (vergl. S. 126), so nahm sein Umsatz nun stetig zu. Während er einerseits noch einige Jahrzehnte die Land- kundsame weit und breit absuchte und für dieselbe in indigoblauen Druck- und Färbe-Artikeln als sog. Restendruckerei im Lohn arbeitete, besuchte er auch die Zurzacher Messen und knüpfte neue Verbindungen mit Handelsleuten, die mit dem Ausland ver- 129 kehrten, an. So war es ihm, sagt das Thurg. Neujahrsblatt von 1833, gelungen, den Bewohnern seiner Umgegend neue Erwerbsquellen zu eröffnen, „wie Vater Meyer (im Aargau, vgl. die S. 114 erwähnte Abhandlung Zschokkes) und Doktor Ziegler in Winterthur“. Als 1797 eine Winterthurer Firma (Steiner?) ihre Fabrikation nach Kefikon zu verlegen im Begriff war, brachte er die betreffenden Einrichtungen bald darauf in seinen Besitz, betrieb das Geschäft nun in beiden Ortschaften und, da in denselben oft Wassermangel herrschte, bemühte er sich auch um ein Wasserrecht „bei der Schlossmühle“ an der Murg in Frauenfeld, das er bezw. seine Nachfolger jedoch erst 1805 erhielten. Von der freiheitlichen Bewegung seinerzeit ergriffen, liess er sich 1798 zum Mitglied des Grossen Rates der einen und unteilbaren helvetischen Republik wählen und siedelte an den Sitz jener Behörde über, nachdem er das Geschäft seinen Söhnen Ludwig und Konrad übergeben und zugleich eine Verbindung derselben mit den Handelsleuten Bernhard & Jacob Bieter in Winterthur vermittelt hatte. Infolgedessen hiess die Firma nun Gebrüder Greuter & Bieter; der kommerzielle Sitz derselben wurde nach Winterthur verlegt und zwar in das den Rietern gehörende sog. „rothe Haus“. — Bernhard Rieter starb indessen schon nach wenigen Jahren am Lazaretfleber und Jacob Rieter erlag im Frühjahr 1811 den Verletzungen, die er, von der Frankfurter Messe heimkehrend, bei einem Mordanfall an der Bergstrasse bei Heidelberg erlitten hatte. Dafür traten die Söhne des letztgenannten ins Geschäft, nämlich Heinrich Bieter z. rothen Haus (Vater von Hrn. Adolf Bieter- Bothpletz) und Bernhard Bieter, welcher jahrelange Reisen besonders auch nach Ostasien machte, dann bis in sein hohes Alter als Junggeselle in Winterthur lebte. (Später verlegten auch die beiden Greuter ihren Wohnsitz nach Winterthur und zwar Ludwig ins „Lindengut“ und Konrad in das Haus „z. Steinadler“). Indem so die Handelsverbindung sich in der Folge nicht nur auf Deutschland und Italien, sondern auch auf die Türkei, Indien, Nord- und Südamerika sich erstreckte, erwuchs dem heimischen Geschäftsbetrieb eine hervorragende Kraft durch den Eintritt des Gemeindspräsidenten und Oberstlieutenant Ulrich Egg (Schwiegersohn von Konrad Greuter „z. Steinadler“), gebürtig von Ellikon 9 a. d. Thur; von ungefähr 1830—1870 leitete derselbe mit starker Hand den Gang der Fabrikation im allgemeinen, während in der Farbküche tüchtige schweizerische und elsässische Koloristen amteten (für die Rotfärberei: Hanhart und Ehrensperger, für die Handdruckerei: Witz älter, Hünerwadel und Sulzer, für die Rou- leauxdruckerei: Witz-Mörikofer und Ochs-Köchlin). 1838 zählte die Fabrik zirka 300 Arbeiter, für welche der wöchentliche Zahltag über fl. 1000.— betrug; um diese Zeit war in Kefikon schon eine einhändige Walzendruckmaschine für Reserveblaudruck- und Aetzwaren im Betrieb und hatte soeben die Errichtung einer grossen Türkischrot-Färberei in Frauenfeld stattgefunden. Neben einfachen und komplizierten Indigo-Artikeln (darunter Batticks für Holländisch-Indien und verwandte Genres für Vorderindien und China sowie viele Anpis-Indiennes) nahm nun das Weiss- und Buntätzen jener türkischroten Tücher einen stets breitem Raum ein, indem die Fabrik darin Jahrzehnte lang für europäischen und überseeischen Konsum Vorzügliches leistete, in langer und abgepasster Ware bis 140 cm Breite, in Handdruck (Islikon) und mittelst Perrotine-Maschinen (letztere schon in den 1850er Jahren in Kefikon montiert). Daneben hatte sie sich auch in tafel- und dampffärbigen Genres für die Türkei versucht, war aber darin den Glarner Druckern nicht gewachsen. Ums Jahr 1850 wurden in Frauenfeld 2 vierhändige Walzendruckmaschinen in Betrieb gesetzt und mit denselben im Anschluss an die Elsässer Fabriken hauptsächlich weissbödige, buntblumige Jaconas (mit Albuminfarben), die besonders in Nordamerika für Ball- und Sommerkleider lange einen grossartigen Verschleiss hatten, erstellt; später druckte man auf l-6händigen Maschinen alle möglichen krapp- und dampffärbigen Indiennes und auch etwas Foulards (weisse, chromorange und krappbraune Böden, z. T. mit Illuminationsfarben). In den 1860er Jahren wies die Fabrik mit 5 Rouleaux-Maschinen, 4 Perrotinen (z. T. bis zu 6 Farben) und zirka 350 Drucktischen die grösste Produktion aller schweizerischen Druckereifirmen auf. Zu dieser Zeit (Mai 1864) traten die beiden Herren Rieter aus und gelangte das Geschäft in den alleinigen Besitz der Herren Oberstlieut. U. Egg-Greuter und Heinrich Ziegler-Greuter von Winterthur (wie der erstgenannte ein Schwiegersohn des inzwischen verstorbenen Konrad Greuter) sowie von dessen Sohn Emil Ziegler-Egg (f 1900), so dass die Firma umgeändert wurde in Egg, Ziegler-G-reuter & Oie. In der zweiten Hälfte der 1870er Jahre kam die so lange erhalten gebliebene Prosperität dieses Geschäfts ins Wanken; die allgemeine Krisis in der schweizerischen Baumwoll-Industrie, die erdrückend gewordene Konkurrenz englischer und deutscher Drucker und die durch das künstliche Alizarin bedingten Umwälzungen in der Türkischrotfabrikation schufen eine derart veränderte Lage, dass der dazumalige Besitzer ums Jahr 1881 beschloss, die Firma in Liquidation treten zu lassen. Seither wurden die Gebäulichkeiten in Frauenfeld von der bedeutenden Schuhfabrikationsfirma Brauchlin, Steinhäuser & Cie. (in Wigoltingen und Frauenfeld) erworben, während ein Teil derjenigen von Islikon in den Besitz eines Seidenfabrikanten Huber überging. Wie bei der soeben behandelten ersten thurgauischen Firma industrielle Kräfte des benachbarten Winterthur von jeher eine grosse Rolle spielten, so ging die Gründung einer andern Druckfabrik und Färberei ganz von solchen aus. Nach dem „Helvetischen Almanach“ vom Jahr 1814 hatte sich nämlich in Winterthur die S. 126 erwähnte kleine Druckerei der Familie Sulzer z. Adler noch immer in Thätigkeit erhalten; später wurde sie in die Gebäulichkeiten „zur Schleife“ verlegt und darin nun, als Firma Sulzer <& Steiner, Türkischrot-Färberei und -Druckerei eingeführt. Nach den dem Yerf. gemachten Mitteilungen geschah dies in den 1820er Jahren. Die Oertlichkeit oder vielmehr die Qualität und zeitweise ungenügende Menge des Eulachwassers waren jedoch für jene neue Fabrikation offenbar nicht günstig; der Betrieb wurde in Winterthur zu Anfang oder spätestens um die Mitte der 1830er aufgehoben 1 ) und dafür von Heinrich Sulzer und seinem Sohne •) In der „Heimatkunde von Winterthur und Umgebung“, 1887 herausgegeben vom Lehrerverein Winterthur, lesen wir in dem von Stadtrat H. Ernst bearbeiteten Abschnitt über „Industrie“ weiter folgendes: „Die ziemlich weitläufigen Fabrikgebäude „zur Schleife“ gingen nun zunächst an verschiedene Besitzer über. Erst 1845 kam das Hauptgebäude an die Firma Weber & Bosshart, welche eine kleine G-arnfärberei betrieb und eine Apprettur einrichtete. Der erstere der beiden Geschäftsinhaber war während 10 Jahren im Ausland als Färber, Bosshart längere Zeit in der Rotfärberei Neftenbach als Werkführer 132 J. J. Sulzer eine Türkischrotfärberei in Aadorf an der Aa oder Lützelmurg, Bezirk Frauenfeld, errichtet. Das 1837 erschienene „Gemälde des Kantons Thurgau“ von J. A. Pupikofer erwähnt dieselbe bereits mit 30—40 Arbeitern. Später wurde auch Druckerei damit verbunden; das Geschäft gelangte zu hoher Blüte und wird noch heute von den Enkeln jenes Herrn Heinrich Sulzer als Firma. Sulzer & Cie. betrieben. Die soeben genannte Quelle bezeugt (1837) die Existenz folgender thurgauischer Zeugdruckereien: Die „Grüter’schen“ Etab- lissemente in Islikon und Frauenfeld mit gegen 400 beschäftigten Personen (und 150—-180 Drucktischen); di e Friedr. Hermann’sche Kattundruckerei in Diessenhofen, gegründet 1818 durch R. Han- hart, mit 45 Drucktischen und 100—110Menschen arbeitend; die J. J. Kölliker ’sehe in Arbon mit 60 Drucktischen und 120 Arbeitern; die J. J. Strauss ’ische Indiennefabrik und Rotfärberei, ebenfalls in Arbon; die Metzger ’sehe Blaudruckerei in Hauptwyl mit 14 und die Bolder ’sehe ebendaselbst mit 12 Drucktischen. Alle diese Betriebe sind seither verschwunden; die Mehrzahl derselben schon vor 1870. In den Kantonen St. Gallen und Appenzell nahm die Druckerei wegen der Konkurrenz anderer Textilzweige nie einen breiten Raum ein, wohl aber zeichnete sie sich von jeher dadurch aus,, dass sie meistens Spezialartikel erstellte durch Verarbeitung besonders feiner Gewebe (Mousselines oder vielmehr „My-doubles“,. dann Leinen- und Seidenzeuge) oder sehr breiter Tücher (bis über 2 Meter) und im XIX. Jahrhundert durch den Uebergang zum Wolldruck. In Dr. G. Rüsch’s „Kanton Appenzell“ (St. Gallen 1859> thätig gewesen. Das Unternehmen hatte im Anfang mit Schwierigkeiten zu kämpfen, und Bosshart zog sich nach 2 Jahren entmutigt zurück. Nachdem im Beginne des folgenden Jahrzehnts die Stückfärberei und in den 60er Jahren die Bleicherei eingeführt waren, gelangte das G-eschäft zu normaler Entwicklung.“ Unter dem gegenwärtigen Besitzer,[Hrn. Carl Weber, Sohn des am 13. Januar 1901 verstorbenen Stifters J.J. Weber, wuchs dasselbe zu einer der bedeutendsten der schweizerischen Anstalten für Bleicherei, Färberei und Apprettur heran und geniesst, mit neuen Maschinen aufs Vollkommensta ausgerüstet, im In- und Ausland eines vorzüglichen Rufes. 133 lesen wir: „Ums Jahr 1756 entstanden zu Herisau Färbereien, Druckereien, Appreturen und neue Bleichen; Daniel und Joseph Merz, Marx Scheuss und Laupacher verfertigten die feinste In- dienne, Zeuge zu Schürzen, Manchetten und Nastüchern, Bat- tiste und Seidenwaaren für die Messen.“ J ) Ungefähr zur selben Zeit thaten sich, nach Dr. H. Wartmann’s „Industrie und Handel des Kantons St. Gallen“, auch in St. Gallen einige kleine Druckereien auf, die hauptsächlich Mousselines zu Hals-, Umschlag- und feinen Nastüchern verarbeiteten. In den 1770er Jahren verpflanzte ein Tobler den Kupferplattendruck nach dieser Stadt, indem er als Bauer verkleidet sich Zutritt in die Schüle’sche Fabrik in Augsburg verschaffte(s. S. 190 Bd. II von Dollfuss-Ausset’s „Materiaux“ etc.); ein anderer Drucker hiess Laurenz Vonwitter und 1788 bestanden 5—6 solcher Betriebe, jedoch alle von kleinem Umfang. Für die Zeit um 1800 erwähnt Dr. R. Forrer als st. gallische Druckfabrikanten Pankratius Dobler & Gehrig. Ueber die wenigen st. gallischen Etablissemente der spätem Zeit werden wir an anderer Stelle einiges berichten. — Im Appenzellerland existierten nach Dr. G. Rüsch in den 1850er Jahren je eine Zeugdruckerei in Herisau und eine in Bühler; bei ersterer handelte es sich zweifelsohne um die Firma Laurenz Meyer, welche hauptsächlich baumwollene Mouchoirs und Indiennes erstellte und später sich durch schöne Wolldrucke, Mousselines-laine als Chäles und als lange Waare, auszeichnete, in den 1880er Jahren jedoch die Fabrikation aller Druckwaren aufgab. Vereinzelte Druckereibetriebe werden im XVIII. Jahrhundert auch in einigen andern, noch nicht genannten Kantonen erwähnt; so sagt Joh. Conrad Fäsi 1765 in Bd. I seiner „Staats- und Erdbeschreibung der helvet. Eidgenossenschaft“: „Solothurn hat seit Kurzem Neigung zu den Fabriken bekommen; es ist allda eine gute Manufactur von wollenen Strümpfen und eine andere von Indiennen. — Schaffhausen macht nicht vieles Aufsehen; eine Cattunfabrik ist in gutem Anfang und es wird auch etwas in seidenen Zeugen und in Strümpfen verarbeitet. •— Die III Bünde in Rhätien haben erst neulich Versuche in Baumwollspinnerey *) Vergl. S. 128 die Erwähnung der Druckerherren „Schiess & Merz.“ 134 ¥>' ® vi- Ws,?? gemacht. In Chur hat man Indianen zu drucken und seidene Zeuge zu weben angefangen.“ Und in einem später erschienenen Bande heisst es, sogar zu Sils im Oberengadin befinde sich eine Fabrik baumwollener Schnupftücher, wobei wir allerdings etwas im Zweifel sind, ob es sich dabei um Druckerei oder Buntweberei handelte. Zieht man alle uns überlieferten Nachrichten zu Rate, so kommt man zu dem Schlüsse, dass im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts in der Schweiz mindestens 3000 Drucktische aufgestellt waren; wenn man um das Bild anschaulicher zu machen die S. 107-110 angegebenen Verhältniszahlen, denen eine gewisse Zuverlässigkeit nicht abzusprechen ist, zu Grunde legt, so ergibt sich, dass jener Drucktischzahl 9000 Arbeiter sowie eine jährliche Produktionsmenge von 1 Million Baumwoll- tüchern ä zirka 15 aunes Länge, wenig- und vielfarbige durcheinander gerechnet, im Wert von zirka 1 2 Millionen Gulden entsprechen. Damit stand die Schweiz, im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung, an der Spitze der europäischen Staaten und nahm in der Zeugdruck-Industrie auch absolut eine der ersten Stellen ein. Im Anschluss an vorstehende geschichtliche Darstellung der Zeugdruckerei in der schweizer. Eidgenossenschaft erübrigt uns noch, der Stadt Mülhausen im Eisass ausführlicher zu gedenken, da dieselbe bis gegen den Schluss des XVIII. Jahrhunderts ebenfalls ein Glied derselben bildete 1 ) und zugleich berufen war, gerade ’) Die freie deutsche Reichsstadt Mülhausen „imSundgau“, urkundlich als Stadt erstmals 1231 erwähnt, schloss schon 1323 ein Bündnis mit Basel und 1466 ein solches mit Bern, Freiburg und Solothurn, wodurch sie sich die Unabhängigkeit von dem umliegenden Adel und den Herzogen von Burgund sicherte. Nachdem sie auch an den italienischen Feldzügen teilgenommen, wurde sie 1516 von allen Gliedern der Eidgenossenschaft als „zugewandter Ort erster Klasse“ mit ungefähr gleichen Rechten wie St. Gallen und Biel aufgenommen. Als sie 1522 — 1529 die Reformation nach Zwinglis Lehre einführte, geriet sie in Zerwürfnis mit den katholischen Ständen und leistete in den Religionskriegen den Zürchern und Bernern Heeresfolge, weshalb jene den „Finninger“ Streit als Anlass benutzten, den Mülhausern 1586 den Bundesvertrag mit abgeschnittenen Siegeln zurückzuschicken und ihnen 135 in der europäischen Druckindustrie eine hervorragende Rolle zu spielen. Nachdem ihre Bewohner etwa 2 1 / i Jahrhunderte unter dem Dache des Schweizerhauses eine wenn auch glückliche, so doch bescheiden-spiessbürgerliche Existenz geführt und sich neben dem Land-, Garten- und Weinbau hauptsächlich mit Gerberei nebst etwas Weberei grober Wolltücher und Strumpfwirkerei beschäftigt hatten, machten sie Bekanntschaft mit der Zeugdruckerei und leisteten von da an den glänzendsten Beweis für die That- sache, dass eine solche in ihrem innern Wesen und ihren Absatzgebieten vielgestaltige Industrie im Stande ist, in einer Bevölkerung eine Menge verborgener intellektueller Kräfte und Anlagen zu wecken und in merkwürdiger Weise zur Entfaltung zu bringen. Aus den Baumwoll-Handdruckereien, welche die Grundlage bildeten, entwickelten sich in der Stadt selbst und im ganzen damit Sitz und Stimme in der Tagsatzung zu entziehen. Der „Finninger“ Handel, ursprünglich rein privatrechtlicher Natur, drohte mehrmals der kleinen » Republik den Untergang zu bringen (siehe hierüber die „Tablettes de l’histoire de la Republique de Mulhouse“ in Jahrg. 1877 und 1878 des Bull. Soc. Ind.); da jedoch der „ewige Bund“ mit Zürich, Bern, evangel. Glarus, Basel und Schaff hausen unverändert fortdauerte, wurde sie im westphälischen Frieden als offiziell nicht mehr zur Landvogtei Hagenau gehörend und damit als Teil der Schweiz. Eidgenossenschaft anerkannt, nahm (nach Norrmann) an allen Verträgen der letztem mit auswärtigen Mächten Teil und kam so auch in den Genuss der darin den Eidgenossen eingeräumten Vergünstigungen in Handel und Niederlassung; ihre Bürger wurden überall als Schweizer angesehen und behandelt und die Neutralität ihres Gebietes besonders auch in den Kriegen und Gebietserweiterungen Ludwig XIV. respektiert. Letzterer schloss 1680 mit ihr ein besonderes Abkommen, das später verschiedene Male erneuert wurde und nach welchem die Stadt zollpolitisch fast vollständig dem Eisass assimiliert wurde, weshalb sie sich zwar gewöhnlich als Republique alliee des Suisses, hingegen später in verschiedenen Bittschriften an die französische Regierung, besonders von 1789 an, als Republique alliee de la France et de la Suisse bezeichnete. (Bull. Soc. Ind. S. 337 Jahrg. 1875 4 und S. 49 Jahrg. 1892.) 1777 gewährten ihr die Eidgenossen wiederum einen Sitz in der Tagsatzung, jedoch nur mit beratender Stimme und unter Protest des Standes Uri. — Die Einwohnerzahl Mülhausens mit Umgebung wurde im Jahr 1745 auf 5000 geschätzt; 1789 hingegen betrug sie in der Stadt selbst über 7000, in der Umgebung mit Inbegriff der ihr unterthänigen Dörfer Ulzach und Modenheim ungefähr 2000; sie hatte also Dank der Entwicklung der Industrie bedeutend zugenommen. 136 obern Eisass bald Handwebereien, später mustergültige Rouleau-Druckereien, Fabriken chemischer Produkte, grossartige mechanische Baumwollspinn-und Webereien, Maschinen Werkstätten, Metallgiessereien und endlich Spinnereien, Webereien und Druckereien in Wolle. Die Aufzeichnungen, welche der mehrgenannte Jean Ryhiner als Zeitgenosse und Nachbar machte (S. 76 u. ff., Bd. II von Dollfus- Aussets „Materiaux“) und Dr. A. Penots Beschreibung des Lebenslaufes von Daniel Köchlin-Schouch („im Bulletin de la Societe Industrielle de Mulhouse, Juni-Juliheft des Jahres 1871) geben über die erste Gründung genauen Aufschluss. Indem die Mülhauser im Verkehr mit ihren Verbündeten Gelegenheit hatten, den Anfschwung derlndiennedruckereiin der Schweiz und besonders in Basel zu beobachten, reifte 1746 in dreien ihrer Bürger der Entschluss, diese Industrie auch in ihrer Vaterstadt einzuführen. Es waren dies Jean-Jacques Schmalzen, welcher sich als Angestellter in Bar-le-Duc (Burgund) von dem trotz Einfuhrverbot sehr bedeutenden Absatz der Schweizer und Holländer Druckwaren in Frankreich überzeugt hatte, der Malermeister Jean-Henri Dollfus, der sich auf die bevorstehende Gründung hin mit der Modelstecherei vertraut machte, und Samuel Köchlin, ein erfahrener Handelsmann, welcher der neuen Firma Köchlin, Schmalzen & Cie. einige finanzielle Mittel zuführte. E. de Luze schreibt im „Musee neuchätelois“ von 1882: „C’est des ötablissements de Jacques de Luze que l’industrie des indiennes ä Mulhouse tire son origine. En 1742—43, unjeune commis marchand de Bar-le-Duc, J. J. Schmalzer, eut l’occasion de voir des toiles peintes, fabri- qudes dans le pays de Neuchätel. Erappe de la vogue de ces produits, il vlnt au Bied et ötudia les differents procedes en usage dans cette manu- facture. Et, quand il fut de retour de son voyage, il fonda, en 1745, la premiöre fabrique d’indiennes qui eüt öte creee dans l’antique citö imperiale, sous la raison sociale, devenue celebre, de: Köchlin, Schmalzer Dollfus & Cie.“ Dazu ist zu bemerken, dass der erste Satz einer etwelchen 7 f Uebertreibung geziehen werden muss 1 ), da es schliesslich nicht *) Aehnlich verhält es sich mit dem berühmten Oberkampf in Paris, von welchem E. de Luze in der gleichen Abhandlung berichtet: „Oberkampf, le createur de la fabrique de toiles peintes de Jouy, reconnaissait lui-meme avoir 137 Fremde, sondern Mülhauser Bürger waren, welche die neue Industrie nach ihrer Vaterstadt verpflanzten und da dieselben, wie wir sehen werden, auch von dem blühenden Stand der Druckerei in Basel Kenntnis hatten. Auch meldet Dr. A. Penot, die Köchlin, Schmalzer & Cie. hätten zuerst mit der veralteten Methode des Drückens von Leinölfarben begonnen und im zweiten Jahre ihres Betriebes habe dann ein Drucker aus Hamburg sie in die Geheimnisse des Krappartikels eingeweiht. Dagegen steht allerdings fest, dass sie und die ihrem Beispiel Nacheifernden erst von der Zeit an bedeutendere Fortschritte machten als sie von Neuenburg, Genf und Basel Farbköche, Stecher, Drucker und Schilderinnen („Mahler-Maydlein“ oder „Pinceauteuses“) kommen liessen, was nicht nur durch Neuenburger und Genfer Quellen, sondern auch von J. Persoz, Professor in Strassburg, welcher mit den Nachkommen der ersten Mülhauser Drucker enge befreundet war, bezeugt wird. Bald genug waren diese fremden technischen Hilfskräfte nicht mehr nötig, da die Mülhauser sich mit Feuereifer und ausserordentlichem Geschick auf dieses neue Gebiet warfen und mit ihren Familiengliedern die Leitung der verschiedenen Stufen der Fabrikation übernahmen. Als ein Vorteil wurde auch stets gepriesen, dass das Wasser der die Stadt durchfliessen- den Doller sich wegen seiner Reinheit für den Betrieb als ausser- gewöhnlich geeignet erwies. Die Kapitalien, welche die nun rasch sich folgenden Neugründungen erforderten, flössen grösstenteils und längere Zeit ebenfalls aus der Schweiz und zwar besonders aus der reichen Nachbarstadt Basel. Noch im Jahr 1790 verwahren sich die Deputierten Mülhausens in einer Eingabe an die französische Nationalversammlung (S. 350 u. ff. Bd. II in Dollfus- Aussets „Materiaux“) dagegen, dass ihre Stadt bezw. die Fabri- appris ä Neuchätel tout ce qu’il savait de l’art d’imprimer sur dtoffes.“ Dieselbe Ehre nehmen nämlich Genfer und Mülhauser Schilderungen mit einiger Abschwächung für ihre Stadt in Anspruch, indem sie melden, Jener habe direkt und indirekt sein Bestes bei den Pazy bezw. bei Köchlin, Schmalzer & Cie. geholt. In That und Wahrheit hatte Oberkampf die Bestimmung und erste Grundlage zu seinem Berufe im Vaterhause empfangen (S. 119) und konnte deswegen, sowie dank der ihm angebornen Talente, von seinen kurzen Aufenthalten in fremden Fabriken den grösstmöglichen Nutzen ziehen, so dass seine Anstrengungen von aussergewöhnlichen Erfolgen gekrönt waren. 138 kanten das Arbeitermaterial der französischen Nachbarschaft ungebührlich ausgebeutet und damit grosse Reichtümer erlangt hätten; dem widerspräche vor allem die Thatsache, dass sie noch immer bedeutende Kapitalien nach Basel schulden. Vergegenwärtigen wir uns die vielen und wichtigen Anregungen und Förderungen, welche später von der Druckerei Mülhausens und der elsässischen Industrie überhaupt ausgingen und speziell auch der Schweiz zu gute kamen, so gewährt es auch einige Genugthuung, die Erinnerung an jene Zeiten aufzufrischen, in denen Mülhausen der empfangende Teil war. Die 2. Druckfabrik, welche (nach Archivauszügen, mitgeteilt in Dollfus-Aussets „Materiaux“ S. 441 u. ff. Bd. II) in Mülhausen entstand, war diejenige von Hartmann & Cie. vom Jahr 1752, die 3. von Anthes Feer & Cie. 1754, die 4. von Hofer, Risler & Cie. 1756, welch’ letztere schon zwei Jahre vorher ein Baumwoll- Handspinnerei- und Webereigeschäft errichtet hatten. 1758 entstand als neue Druckereifirma J. J. Feer & Huguenin, 1760 Nicolas Risler & Cie. (von welchen 1788 bezw. 1794 die Gründung der Firmen Pierre Dollfus & Cie. in Thann und Pierre Bollfus et fils in Gueb will er ausgingen), 1762 Eck, Schwarte & Cie., 1764 Heitmann, Blech <& Cie. (1793 in Blech, Schlumberger & Cie. umgewandelt) und im gleichen Jahre Thierry l’aine et Cie. — Feer et Cornete — Bollfus- et Hofer (letztere 1802 in die nachmals berühmte Fabrik Bollfus- Miey & Cie. umgewandelt, welche 1812 zu der Druckerei und Handweberei eine grosse mechanische Spinnerei ins Leben rief); dann 1765 Frank & Cie. sowie Schoen, Huguenin, Zuber & Cie., 1767 Hartmann et fils. und so ging es fort, bis man im Jahr 1785 bereits 22 solcher Gründungen zählte, zu welchen bis zum Schlüsse des Jahrhunderts 10 weitere hinzukamen, während einige der altern unterdessen eingingen oder sich vereinigten. Die von Dollfus- Ausset (wahrscheinlich nach der Fabrikations-Steuerliste) angefertigte Produktionsstatistik nötigt indessen zu dem Schlüsse, dass es sich bei der grossen Mehrzahl um kleine, zersplitterte Betriebe mit 10—30 Drucktischen handelte. Ein Teil derselben arbeitete nur im Lohn und zwar 1 ) bis 1815 in starkem Masse ') Bull. Soc. Ind. Jahrg. 1874 S. 219. 139 ' auch für einige schweizerische (genferische und neuenhurgische?) in Mülhausen etablierte Handelshäuser, welche in regem Verkehr mit Italien standen. So viele in der industriellen Welt früher oder später wohlbekanntgewordene Geschlechtsnamen die soeben genannten Firmen auch aufweisen, so gingen die berühmtesten Fabrikanten bezw. Koloristen doch aus der Nachkommenschaft des bei der allerersten Gründung beteiligten Samuel Köchlin hervor. Derselbe war 1765 alleiniger Inhaber des Geschäftes geworden, indem Jean- Jacques Schmalzen schon 1758 seinen Austritt genommen und 1776 eine Fabrik in Münster im Eisass gegründet hatte, welche 1780 unter Kommanditbeteiligung des Hauses Pourtales & Cie. in Neuchätel 1 ) an die Firma Andre Hartmann <& Henri Biege überging, während Dollfus, Köchlins zweiter Associe, 1765 die Firma Jean-Henri Dollfus & Vetter (1786 in Dollfus pere, Als et Cie. umgeändert) ins Leben rief. 1771 nun ging die Fabrik Samuel Köchlins an dessen Sohn Jean über und nahm 1777 durch Eintritt von zwei Brüdern desselben vorübergehend den Namen Freres Kcechlin. an. Später trat Jean Köchlin aus, wurde 1781 Direktor der neugegründeten Handelsakademie in Mülhausen und erhielt 1787 eine Anstellung als technischer Leiter des Etablissements von Senn,. Biedermann & Cie. in Wesserling. 1800 gründete sein Sohn Nicolas Köchlin (geb. 1781), einer der ausgezeichnetsten und verdientesten Männer, welche Mülhausen hervorgebracht hat, eine neue Fabrik in der Nähe seiner Vaterstadt und nahm 1806 Pierre (geb. 1782), Daniel (1785—1871) und noch einige andere seiner 11 Brüder als. Associes auf, indem er die Firma in Nicolas Koechlin et freres änderte. Diese errichtete neben der Druckerei auch eine Handweberei sowie 1807 in Verbindung mit einem M. Duport eine mechanische Spinnerei in Massevaux, die 1815 in ihren alleinigen Besitz überging. Wie schon S. 69 angeführt, erwarb sie im Fernern im Jahr 1808 unter finanzieller Mitwirkung der Gebrüder Merian in Basel, die Fabrik in Lörrach, wodurch sie sich in den *) Diese Firma hatte vorher versucht, eines ihrer Glieder in Mülhausen, einzübürgern, um sich bei dortigen Geschäften beteiligen zu können; sie war aber abgewiesen worden, da die Zünfte oder „Tribus“ ein zu schnelles Anwachsen der Indiennesdruckereien befürchteten. 140 Stand setzte, ihre Mülhauser Nouveautes auch auf den deutschen Markt zu bringen. Nachdem sodann von 1820 an alle diese Geschäfte mit über 5000 Arbeitern gemeinschaftlich betrieben worden waren, löste sich 1831 dasjenige in Lörrach ab, während diejenigen im Eisass sich erst 1836 trennten und die Druckerei in der Folge unter der noch heute renommierten Firma Koeclüin freres weiter geführt wurde. 1837—1841 machte sich Nicolas Köchlin noch als Erbauer der Eisenbahnen Mülhausen-Thann und Basel-Strassburg einen Namen. Inzwischen hatte sich der oben genannte Daniel Köchlin durch die Erfindung des Buntätzen s der türkischroten Tücher und die Ausgestaltung des Lapisartikels zu einem Stern allererster Grösse am koloristischen Himmel emporgeschwungen; in seine Fußstapfen trat sein Sohn Camille (welcher in jüngern Jahren die technische Leitung von Fabriken in Glasgow, Rouen und Moskau besorgte und neben vielen andern Neuerungen in den 1860er Jahren in Mülhausen das beste Verfahren für den Rouleaux-Buntätzdruck indigoblauer Tücher erfand) und dessen Sohn Horace 1839—1898 (welchem man u. A. die Einführung des künstlichen Alizarins in die Färberei und damit Schaffung des sog. Alizarin-Färbeartikels und der modernem Türkischrot-Schnellfärberei verdankt). Der gleichfalls ausgezeichnete Kolorist Carl Köchlin, geb. 1789 als jüngster Sohn des Jean und Bruder des mehrgenannten Nicolas, vermittelte, wie schon S. 74 erwähnt, die Einführung der Mülhauser Fabrikationsverfahren in Oesterreich, so dass der Name Köchlin unter den Zeugdruck-Industriellen von Frankreich, Deutschland, Oesterreich, England und Russland gleich hoch in Ehren steht. Die enge Begrenzung Mülhausens und gewisse Schwierigkeiten, welche die dortigen Zünfte den Fabriken längere Zeit in den Weg legten (z. B. eine Steuer von 1 / 2 oder 5 / 12 % vom Wert der fabrizierten Waren und das Verbot Fremde, und wenn es auch Schweizer wären, als wirkliche Anteilhaber in die Geschäfte aufzunehmen) veranlassten eine Anzahl Mülhauser Fabrikanten, von den 1770er Jahren an Etablissemente auch in dem umliegenden französischen Gebiet zu errichten. Dabei ist zu bemerken, dass das Innere Frankreichs noch immer d.h. bis 1790/91 einen geschlossenen Kolikreis bildete, welchem gegenüber das eidgenössische Mülhausen 141 und die französisch - elsässische Landschaft genau in gleichen Rechten standen.*) Bei diesen spätem Gründungen beteiligten, sich nun auch Angehörige der heutigen Schweiz, was wir inbetreff der Druckfabriken Schmalzen in Münster (S. 139), Senn, Biedermann & Cie. in Wesserling (S. 89) und Jean-Jacques Zürcher & Cie. in Cernay (S. 89) schon erwähnten; in letzterer Ortschaft entstanden 1791 noch Freres Witz & Cie. (später in Witz-Blech & Cie. umgewandelt) und 1801 Schwartz, Hofer & Cie., und über die Fabrik in Wesserling ist noch folgendes nachzutragen: Nach Dr. A. Penot 2 ) erfolgte die Gründung derselben schon um 1760 in dem alten Schloss der Aebte von Murbach durch Sandherr Courageol & Cie., welche darin Färberei und „impression ä la main, dite au pinceau“ betrieben und das Etablissement 1773 den Mülhausern Nicolas Bisler & Cie. abtraten. Letztere übertrugen die Leitung ihrem Associe Pierre Dollfus, verbanden sich jedoch 1783 mit den Genfern Senn, Biedermann & Cie., welche ein bedeutendes Geschäft in indischen und schweizerischen Tüchern mit Filiale in Brüssel inne hatten und nun einen Teil derselben in Wesserling drucken Hessen (die Firma soll in Genf seit 1760 und nicht erst seit 1780, wie S. 89 gemeldet, existiert haben). Von da an verschwindet in Wesserling der Name Bisler, während wir verschiedenen wohlbekannten Genfer Geschlechtern begegnen. Dollfus- Ausset stellte nämlich für die dortige Fabrik nach amtlichen Quellen folgende Besitzwechsel fest: 1783 Senn, Biedermann & Cie.; 1795 Bourcart & Cie.; 1880 Odier & Cie.; 1805 Gros, Davillier, Roman & Cie. (später Gros, Roman, Marozean & Cie., heute Gros,.. Roman & Cie.). 1803 errichtete die Firma eine mech. Baumwollspinnerei als erstes derartiges Etablissement im Eisass.. Neben den S. 138 für Thann und Guebwiller namhaft gemachten Druckfabriken entstand in ersterer Ortschaft 1806 eine weitere durch die Neuenburger Robert, Bovet & Cie. (vergl. S. 96) und in der zweiten 1805 eine ebensolche durch Ziegler, Greuter & Cie., welche etwas später auch Handweberei und eine mechanische Spinnerei mit ihrem Geschäft verbanden. Ob letztere Firma» *) Siehe hierüber die offiziellen Aktenstücke in Dollfus-Aussets „Mar- töriaux“, bes. S. 461. J ) Bull. Soc. Ind. April-Mai-Heft 1874. 142 mit den „Gebrüder Greuter und Rieter“ in Islikon und Winterthur (S. 129) in irgendwelcher Verbindung stand, ist dem Verfasser nicht bekannt; dagegen darf als sicher angenommen werden, dass Ziegler ein Winterthurer Bürger war, indem eine von hier stammende industrielle Familie dieses Namens seit längerer Zeit im Eisass ansässig war, was aus den folgenden Angaben hervorgeht : Nach einem Bericht über die im September 1828 veranstaltete elsässische Industrie-Ausstellung (in H. 7, Jahrg. 1829 des Bull, de la Soc. Ind. de Mulhouse) liess sich nämlich 1785/86 ein Herr Martin Ziegler (von Winterthur) in Mülhausen nieder und betrieb in Firma Ziegler & Weiss, von 1790 an auf seinen eigenen Namen, ein Handwebereigeschäft, das nach und nach zu bedeutendem Umfange gelangte 1 )- Wenn auch schon 1750 ein Daniel Huguenin von Mülhausen in Cernay ein Handwebereigeschäft errichtet hatte und 1754 Hofer, Eisler & Cie. in Mülhausen seinem Beispiel nachgefolgt waren, so geht doch aus elsässischen Aktenstücken (s. u. a. S. 240 Bd. I u. S. 359 Bd. II von Dollfus-Aussets „Materiaux“) hervor, dass die Druckereien von Mülhausen und dem Eisass um 1788 noch vorzugsweise auf schweizerische, deutsche und ostindische Gewebe angewiesen waren 2 ); in der That versichert jener 1828er Ausstellungsbericht, Martin Ziegler habe bei seiner Etablierung Handspinnerei und -Weberei im obern Eisass noch beinahe in den Kinderschuhen angetroffen und die Gelegenheit wahrgenommen, sich um die Entwicklung dieser Gewerbe verdient zu machen: 11 contribua ä exciter l’emulation des fabri- *) Die kaufmännischen Direktorien von St. Gallen und Zürich waren von dieser Gründung durchaus nicht erbaut und wollten (nach Bürkli-Meyers „Zürch. Fabrikgesetzgebung“) 1786 den Rat der Stadt Zürich bestimmen, die Garnausfuhr zu verbieten, um diesem von Winterthur ausgehenden und ähnlichen Unternehmungen keinen Vorschub zu leisten. Dabei erfahren wir zugleich, dass schon um 1750 bezw. 1762 im untern Eisass und in Lothringen versucht worden sei, die Mousselineweberei einzuführen, dass aber diese in Zweibrücken, Zabern und Metz eingerichteten Geschäfte wegen der Schwierigkeit, sich gutes Garn in genügender Menge zu verschaffen, wieder aufgegeben worden seien. *) Ueber die verschiedenen Sorten ostindischer Gewebe haben wir ausführlicher S. 45 berichtet. 143 cans de notre ville et fut souvent leur modele. Das Baumwoll- gespinnst liess er wie seine schon genannten Vorgänger in den Vogesenthälern erstellen, wo sich nach und nach Tausende von Frauen und Kindern mit diesem Hausverdienst abgaben; dieselben spannen aus levantinischer Baumwolle Garn von Nr. 8—18 metrisch und erhielten 18 Sous vom Pfund Spinnerlohn, wobei sie es auf einen täglichen Verdienst von 6—8 Sous oder 30—40 heutigen Rappen brachten. Die Webstühle Zieglers waren auf dem Lande in der nähern und weitern Umgebung Mülhausens aufgestellt. Einen besondern Aufschwung nahm sein Geschäft, als er 1805 als einer der ersten im Eisass den „Schnellschützen“ (la navette volante) einführte und als sich zugleich die mechanische Spinnerei in seiner Nähe einbürgerte. Um diese Zeit beschäftigte er bis zu 1500 Webstühlen und noch im Jahr 1828 waren es deren 1100, auf welchen er Calicos, Percales und Mousse- lines aus Garnen von Nr. 20—100 und darüber in geschätzten Qualitäten herstellte. Eine der wenigen elsässischen Druckereien, welche nicht auf die Initiative von Mülhausern oder Schweizern zurückzuführen sind, war diejenige, welche die Brüder Jean Haussmann, Kolorist, und Jean-Michel Haussmann, Apotheker, 1772 in Logelbach bei Colmar errichteten.*) Ersterer, einige Zeit Angestellter bei Schule (S. 66), hatte 1770 dessen einzige Tochter geheiratet und war im Falle, mehrere der speziellen Augsburger Artikel nach dem Eisass zu verpflanzen; beide Brüder, besonders aber Jean-Michel, erwarben sich auch selbst grosse Verdienste um die Kolorie und trugen neben ihren vielen Mühlhauser Kollegen wesentlich dazu bei, den elsässischen Produkten nach und nach einen vortrefflichen Ruf zu verschaffen. 1775 nahmen sie noch drei Associes (Dr. Haussmann, Emerieh d’Auguste und als Kapitalisten einen Jordan von Berlin) ins Geschäft auf, so, dass die Firma alsdann Haussmann, Emerieh, Jordan & Cie. (von 1823 an jedoch wieder Haussmann freres) lautete. Die Druckereien von Mülhausen und Französisch-Elsass erzeugten in den ersten Dezennien ihres Bestehens die S. 104 beschriebenen Artikel; nur machten die Mouchoirs einen viel grös- ') Vergl. S. 199 u. 429 in Dollfus-Aussets „Materiaux etc.“ 4 144 sern Prozentsatz der Produktion aus als in Basel, indem solche zeitweise, besonders um die Wende des Jahrhunderts, die Hälfte der Fabriken beschäftigten. 1 ) Während man sich im fernem dort auf den Handdruck beschränkte, führten Dollfus pere, fils & Cie. in Mülhausen 1786 (und infolgedessen die Mehrzahl ihrer Kollegen) auch Kupferplatten druck ein. Bei den betreffenden Maschinen fand damals nicht nur das Aufstreichen und Abstreifen der Farbe, sondern auch die Manipulation des eigentlichen Drückens mittelst einer Kurbel durch Menschenhand statt. (Verbesserte Systeme wurden später in England erfunden und zwar eine der heutigen ebenbürtige Konstruktion erst 1825). Dagegen hatte die Gravüre schon einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht. Der mit der Machine ä planche plate hervorgebrachte Druck bildete entweder nur den „Vordruck“, passend zur weitern Ausschmückung mit den verschiedenen Handdruckfarben, oder er blieb allein, in welchem Fall es sich meistens um Beizenrot oder andere Krappfarben handelte und wobei die optische Wirkung hauptsächlich in dem kunstvollen Gestech und in den damit erreichten Abtönungen lag. 2 ) Hatten sich die Mülhauser und die Elsässer insgesamt durch ihre Produkte schon von ungefähr 1775 an auf dem Weltmarkt bemerkbar gemacht, so rückten sie in die vordersten Reihen, als sie neben den in der Farbenausführung erzielten Verbesserungen ihre Musterentwürfe von Paris bezogen und, von 1784 an, Dessinateure von dort in ihre Fabriken kommen liessen. Dieselben brachten besonders den Artikel „Tenture“ (gedruckte baumwollene Tapeten und Draperien als Ersatz der kostbaren in Wolle und Seide farbig gewobenen) in Schwung, indem sie Gemälde ä la Watteau und Boucher (mythologische und idealisierte Landschaften, oft mit architektonischem Beiwerk verbunden, Fabelscenen, galante Feste, das Leben der Hofgesellschaft) auf das Gewebe übertrugen. 3 ) *) Bull. Soc. Ind. S. 445 Jahrg. 1834. *) Aus diesem Grunde hiess die Maschine (nach S. 2168 in Guillaumins Dict. du Commerce) oft geradezu machine de Camaieux, letzterer Ausdruck identisch mit „Kamee“, um anzudeuten, dass die Zeichnung wie bei einem geschnittenen Stein nicht sowohl durch verschiedene Farben als durch plastische Effekte wiedergegeben wird. (Vergl. auch S. 104, Z. 15 v. o). 3 ) Dollfus-Aussets „Matdriaux“ S. 207 T. I. 145 Die Schicksale der elsässischen Druckindustrie im XVIII. Jahrhundert sind aufs engste mit den Handelsbeziehungen der Schweiz zu Frankreich verknüpft. Wollen wir ein Bild der erstem entwerfen, so können wir gleichzeitig auch die Entwicklung der letztem während dieser Periode genauer verfolgen, wozu wir uns umsomehr bewogen fühlen, als hierüber keine zusammenhängende Darstellung existiert. Indem wir auf das schon T. I S. 25, 26 und 33 Mitgeteilte hinweisen, greifen wir einen Augenblick in frühere Zeiten zurück und stellen zunächst fest, dass *) im Mittelalter in Europa weder Schutzzoll noch Freihandel, nach heutigen Begriffen verstanden, die Herrschaft führten; die damalige Staatsweisheit war vornehmlich darauf bedacht, dem eigenen Lande alle für dasselbe nötigen oder wertvollen Stoffe möglichst zu erhalten und die Anhäufung von solchen zu begünstigen, weshalb Ausgangszölle bezw. zeitweilig Ausfuhrverbote auf Lebensmittel, Edelmetalle und gewerbliche Rohstoffe eine sehr grosse Rolle spielten, während die Einfuhr einerseits durch Transitzölle, Octrois, Weg- und Brückengelder gehemmt, anderseits durch Privilegierung gewisser Messplätze erleichtert und gefördert wurde. Vom XVI. Jahrhundert an brach sich bei den grossem Staaten das sog. Merkantilsystem Bahn, welches sich gegen die Einfuhr fast aller fremdländischen Produkte richtete und sich von der heutigen Schutzzollpolitik oder dem sog. „Schutz der nationalen Arbeit“ wesentlich dadurch unterschied, dass es auch noch viele Ausfuhrbeschränkungen beibehielt und so dem Grundsatz des freien Warenaustausches in denkbar schroffster Weise gegenüberstand, ja dass überhaupt der Ruin eines Nachbarlandes als ein Vorteil für den eigenen Staat angesehen wurde. Im Freiburger Friedensvertrag der Eidgenossen mit Franz I. wurden nun nicht nur die übrigens auch verschiedenen deutschen Reichsstädten und andern Fremden gegenüber gewährten Privilegien für den Besuch der Messen in Lyon aufgeführt, sondern auch die früher von Karl VII. und Ludwig XI. eingeräumten besondern Begünstigungen in vagen Ausdrücken bestätigt. Dieselben lauteten auf Gegenseitigkeit, *) Nach der anziehend geschriebenen Abhandlung „Ludwig XIV. und die Schweiz. Kaufleute“ von Dr. Paul Schweizer im VI. Bd. des „Jahrb. f. Schweiz. Geschichte“, Zürich 1881. io 146 waren jedoch vorwiegend im Interesse der Eidgenossen und bildeten ausser den direkten Zahlungen ein Aequivalent für die zu leistenden Söldnerdienste; beide Parteien versprachen, dass alle Kaufleute, Gesandte, Pilger und andere Leute mit ihren Gütern und Waren in beiden Ländern frei handeln und wandeln können, ohne Belästigung durch neue Zollauflagen ausser den bisher gebräuchlichen; dazu kam, 'z. T. erst später, die Abschaffung oder Erleichterung der Transitgebühren für den Verkehr nach Spanien und nach den ausgedehnten französischen und spanischen Kolonien, die Erlaubnis, den Erlös der Waren in Edelmetall zollfrei heimbefördern zu dürfen, Befreiung von Todesfalloder Erbschaftssteuern, Befreiung der Kantinen der schweizerischen Söldnerregimenter von den Octroigebühren auf Wein 1 ) etc. etc. Als sich jedoch die Schweiz industriell mehr und mehr entwickelte, mussten sich Streitigkeiten über die Tragweite der die Handelsund Zollfreiheit betreffenden Bestimmungen einstellen. Nach dem Verfasser der oben zitierten Studie verfocht die französische Krone die nicht unlogische Ansicht, dass sich jene im allgemeinen zugesagten Zollbegünstigungen nur auf die der Schweiz entstammenden Produkte beziehen könnten, also auf Vieh, Käse, Butter, Holz, Wolle, Hanf und Flachs, roh, versponnen oder verwoben; die Eidgenossen hingegen wollten auch alle in der Schweiz nur veredelten Stoffe, also insbesondere Seide und Baumwolle in den verschiedenen Stadien ihrer Verarbeitung, in jenen Begriff einbeziehen, was ihnen allerdings ungeheure Vorteile verschafft hätte. Wenn auch die Franzosen, namentlich unter Ludwig XIV., ihren Anschauungen nach und nach in den meisten Punkten Geltung verschafften, so wehrten sich die Schweizer doch hartnäckig um jedes einzelne ihrer verbrieften oder vermeintlichen Rechte und konnten sich so manchen Vorteil noch für längere Zeit sichern. Während unzweifelhaft festgestellt ist, dass die überaus wichtige Zollfreiheit der Leinen- und Hanfgewebe (und l ) Das Buch von Vogel: „Les Privileges des Suisses et ceux accordös aux villes imperiales et anseatiques et aux habitants de Genöve en France“, (Paris 1731) gibt über mehrere dieser Begünstigungen in Handel und Niederlassung ausführlichen Aufschluss, übergeht jedoch das Kapitel der Textilwaren gänzlich. 147 zwar auch für solche, die aus deutschem Flachs- und Hanfgespinnst verfertigt oder sogar in gewobenem Zustand aus Deutschland bezogen und in der Schweiz lediglich gebleicht und ausgerüstet wurden) bis zum Jahre 1781 unangetastet blieb und während anderseits das schrittweise Erlöschen der Einfuhrbegünstigungen für die Seidenartikel nach A.Bürkli-Meyers industriegeschichtlichen Schriften ziemlich genau verfolgt werden kann *), herrscht über die Verhältnisse bei den Baumwollwaren noch immer eine gewisse Unklarheit. Als sicher kann angenommen werden, dass die Einfuhr zürcherischer halb- und ganzbaumwollener Barchente und Schleier nach Frankreich um die Mitte des XVII. Jahrhunderts zollfrei erfolgte und einen ziemlich bedeutenden Umfang aufwies; denn noch am 10. August 1653 gab der französische Gesandte der Tagsatzung u. a. die Zusicherung * 2 ), dass „die eidgenössischen Kaufleute von der Douane von Lyon von der Bezahlung der Be- appretation und der 6 Pfennige für einen Franken, sowie von dem acquit frei sein und mit keinen Zöllen weder für auszuführende noch für einzuführende Waren belästigt werden dürften, dies auch für Baumwoll-Leinwand und Floret 3 ) und überhaupt für Waren gelte, die in der Schweiz aus fremden Stoffen gefertigt würden.“ Ebenso gewiss ist aber auch, dass nach allen Veränderungen, die sich seither in der Aera Colberts vollzogen hatten, die französische Regierung, als sie durch die Erlasse vom 30. April und 11. Mai 1686 (s. o. S. 81) die Eingangszölle für Baumwollwaren jeglicher Art neu ordnete bezw. bedeutend erhöhte, durchaus nicht mehr gesonnen war, den Eidgenossen in Bezug auf dieselben eine privilegierte Stellung einzuräumen. Das bald darauf erfolgende gänzliche Verbot der Einfuhr gedruckter Baumwollwaren traf die Schweiz vorläufig nur deswegen noch nicht, weil sie noch keine Zeugdruckereien besass; sobald dies der Fall war, erhielt es ’) Auch der Handel in Wolltüchern erfuhr später gewisse Einschränkungen; doch spielten dieselben keine Rolle, da die Schweiz in jenen überhaupt je länger je weniger leistungsfähig war (vergl. S. 59 u. 60 T. I). *) Siehe S. 207 Bd. I in Gottfried Heers „Geschichte des Landes Glarus“, Glarus 1898. 2 ) Floret = Schappe d. h. Garn, welches die Zürcher aus von Mailand und Spanien bezogenen Seidenabfallen verfertigten (S. 80 in Bürkli-Meyers Gesch. d. zürch. Seidenindustrie). 148 auch ihr gegenüber volle Rechtskraft, was durch ein unten folgendes Citat aus dem „Manuscript Ryhiner“ unzweifelhaft beglaubigt ist. Wie sehr es der Regierung auch später daran gelegen war, eine Umgehung des letztgenannten Verbots zu verhindern, beweisen folgende, im Wesentlichen einem „Memoire de l’Academie de Vaucluse“ entnommene Thatsachen, deren Mitteilung der Verf. einem Geschäftsfreund in Carpentras verdankt: ln einem nicht mehr näher festzustellenden Zeitpunkt waren Zeugdrucker eien auch in der Grafschaft Venaissin (Hauptstadt: Carpentras), entstanden, welch’ letztere samt dem von ihr umschlossenen Gebiet von Avignon bis 1791 dem Papst gehörte. Ebenso hatte man hier den Tabakbau aufgenommen, während in Frankreich das Recht zum Kauf und Verkauf von Tabak schon 1674 von dem Staat in Anspruch genommen und meistens verpachtet und der Anbau dieser Pflanze im Inland von 1719 an (bis zur Revolution) gänzlich verboten wurde. 1 ) Um nun eine Umgehung dieser Verfügungen von jenen eine Enclave bildenden Landschaften aus ein für alle Mal zu verunmöglichen, wurde die päpstliche Regierung 1734 zu einer Vereinbarung gezwungen, nach welcher sie in denselben sowohl den Zeugdruck als auch die Tabakkultur verbieten und die ihr dafür alljährlich zu entrichtende Entschädigungsumme von Fr. 180,000 an die davon betroffenen Gemeinden verteilen musste. Der Vertrag blieb offenbar bis 1791 in Kraft; dagegen entstand 1757 (also zu einer Zeit, da nach S. 84 das Zeugdruckverbot in Frankreich selbst am Erlöschen war) in der benachbarten französischen Stadt Orange 2 > eine Zeugdruckerei und zwar unter der Firma Jean Boclolphe Weiter & Cie. Dieselbe wird als „d’origine suisse“ bezeichnet; genauer gesagt, dürften deren Inhaber, nach ihrem Namen zu urteilen, von Mülhausen gekommen sein. Diese Gründung blieb nicht vereinzelt und die „Toiles peintes d’Orange“ genossen längere b Näheres hierüber s. in Guillaumin’s, Dictionnaire du Commerce.“ 2 ) Orange war die Hauptstadt des kleinen Fürstentums Oranien, das, einst im Besitz der Grafen von Nassau und daraufhin des Statthalters der Niederlande stehend, 1713 im Utrechter Frieden an Frankreich kam und gegenwärtig mit dem Comtat de Venaissin und Avignon das „Departement de> Vaucluse“ bildet. 149 Zeit eines guten Rufes. Nach Dr. A. Penot 1 ) hatte sich in Orange auch die Weberei baumwollener Tücher entwickelt und es bezogen die Mülhauser Drucker nicht selten solche von dort. Nach dieser Abschweifung an den Anfang des XVIII. Jahrhunderts zurückkehrend, haben wir zu konstatieren, dass in der Folge auch der Verkehr in weissen Baumwolltüchern eine Hemmung erfuhr, indem zwar deren Fabrikation im Inland stetsfort erlaubt blieb, dagegen deren gesetzmässige Einfuhr monopolisiert wurde. Um nämlich die französisch-ostindische Kompagnie gegenüber den englischen und niederländischen Kompagnien zu begünstigen, räumte man 1717 (durch ein S. 68 in Dr. R. Forrers „Kunst des Zeugdrucks“ auszugsweise wiedergegebenes Edikt) der erstem für das ganze Gebiet Frankreichs das ausschliessliche Recht ein, weisse Kattune und Mousselines unter Entrichtung einer gewissen Gebühr einzuführen. Die betreffenden Stücke erhielten einen Stempel, welcher ausser dem Datum des betreffenden Edikts die Bezeichnung Mousselines et toiles de cotton Manches aufwies. Der Zoll, welchen die Kompagnie d. h. ihre privilegierten Fahrzeuge (bätiments autorises) zu erlegen hatten, betrug nach Clement beispielsweise von 1733 an für die Mousselines den mässigen Satz von 40 livres per Zentner. Daneben lasteten auf ihnen wie auf vielen andern Waren „les droits de la mercerie et autres droits locaux“ (Bull. Soc. Ind. S. 62 Jahrg. 1892). Auf die Ueber- tretung des Einfuhrverbots durch Unbefugte war anfänglich Galeerenstrafe, von 1726 au sogar Todesstrafe gelegt. Nach dem Tenor dieser Erlasse ist es fast undenkbar, dass es den Eidgenossen hätte erlaubt sein können, die gezogene Schranke zu durchbrechen bezw. illusorisch zu machen; es wäre denn, dass die Einfuhr sich durch Vermittlung von Beamten der ostindischen Kompagnie und unter Entrichtung der für sie gültigen Zölle vollzogen hätte oder ■dass es den Schweizern gelungen wäre, sich wenigstens für die von jeher gelieferten halbleinenen - halbbaumwollenen Barchente ein Hinterthürchen offen zu halten, worüber wohl einzig eine *) Bull. Soc. Ind. S. 242 Jahrg. 1871. Wenn dagegen dieser Autor bemerkt, Orange habe zu den päpstlichen Staaten gehört, so war er damit falsch unterrichtet. 150 Durchsicht der Staatsarchive von Bern und Zürich (für die Periode von 1717—1764) endgültigen Aufschluss gehen könnte. Je mehr jedoch die gesetzmässige Einfuhr verunmöglicht wurde, desto mehr vollzog sich dieselbe auf verbotenen Wegen; man spedierte die betreffenden Waren gewöhnlich vorerst in eine Province traitee comme pays etranger, von weicher aus es dann nicht sehr grosse Schwierigkeiten verursachte, sie durch Bestechung des Zollpersonals in die andern Provinzen gelangen zu lassen. Besonders günstig lagen in dieser Beziehung die Verhältnisse in Oberlothringen; obwohl dasselbe thatsächlich schon 1670 Frankreich einverleibt worden war, stand es zeitweise noch unter der Regierung von Vasallen oder Scheinfürsten (zuletzt von 1737—1766 unter derjenigen Stanislaus’ von Polen), deren Beamte dem Schmuggel an den Grenzen in grossem Maßstahe Vorschub leisteten. Folgende um 1770 niedergeschriebene Stellen im Manuscript Ryhiner‘) mögen als Beleg für das Gesagte dienen, indem sie zugleich das Bild der ökonomischen und industriellen Entwicklung Basels und Mülhausens vervollständigen: «Les manufactures se multiplierent ä NeufcMtel, mais k Bäle, nous etions encore seuls. Lorsqu’en 1739, mon pere et son frere se separerent, mon pere fit construire sur le derriere de sa maison de Saint-Jean une maison de fabrique, oü il fit imprimer, et blancMr fiors de la porte de la ville. Mon oncle, au contraire, qui resta avec Ftescb, eut tous les bätiments ä la Campagne. Par cette Separation, il y avait deux fabi’iques k Bäle, dont chacune fit seule annuellement autant que l’on avait fait ensemble.» «L« France ne laissait pas entrer les toiles peintes, pour favoriser les fabriques de Ronen qui faisaient des toiles rayees * 2 ); mais, de porter des indiennes n’etant pas defendu, on les vendit clandestinement; l’entree s’ en faisait ä la suite des equipages des grands seigneurs, qui fournirent leurs hötels pour magasin, et eux ou leurs intendants etaient intiresses au commerce, lequel, comme tout ce qui ce fait clandestinement, fit prendre vogue aux toiles peintes, que l’on trouva outre cela bon marche, quoique l’on y gägnat gros.» «Les marchands de la Lorraine vinrent en foule demander des toiles imprimees en Suisse, qu’ils payerent comptant et en partie k six mois de terme; outre cela l’Italie en demanda beaucoup par l’entremise des *) S. 76—78 Bd. II in Dollfus-Ausset’s „Materiaux etc.“ 2 ) halbleinene und ganzbauinwollene Buntgewebe in Streifen- und Carreauxdessins, s. o. S. 79. 151 marchands de Turin, qui vinrent les acheter. Oela dura ainsi jusqu’en 1750 ann6e dans laquelle notre maison vendit pour quatre-vingt mille francs et avait ainsi depuis dix annees double son commerce, travaillant avec ses propres fonds. Si dans ces temps on avait pris quelques fonds & interets et augmente davantage les affaires, on aurait fait fortune et empeche la creation des fabriques k Mulhouse. — Ces messieurs voyant passer chez eux une foule d’acheteurs d’indiennes, qui leur disaient toujours que l’on ne trouvait pas assez de marchandises k Bäle, sachant d’ailleurs que sur notre place abondait l’argent, que l’on ne trouvait pas ä placer meine k 27» °/«i proflterent de ces circonstances. — Koechlin et Schmalzer, deux mulhousiens, saus fortune, monterent la premiere fabrique k Mulhouse, avec le credit qu’ils trouverent k Bäle, avec des fonds ä 5 et 6%, et qui opdrerent avec tant de succes que l’envie en vint k d’autres. Les Dollfus, Anthes, Hofer, Eisler et d’autres monterent des fabriques et aujourd’hui on compte dans cette petite ville seize fabriques et plus de cinq cent mille francs d’argent que les Bälois y ont place. Avec cela Neufchätel augmenta beaucoup le nombre de ses fabriques; Gen'eve, Zuric et Berne en monterent ainsi que Saint-Gall, Schafhouse et Appenzell, etc.; et tout le monde trouva assez de debit. Ce sont principalement les Franqais qui acheterent ces toiles.» «La France se voyant inondee de ces articles et considerant que Konen en souffrait pour ses manufactures, tächa d’y remedier. A cet effet, on permit l’entree de ces toiles (1764), mais on y mit de si gros droits qu’il etait impossible de les payer pour les indiennes communes. Les marchands tächerent d’eluder ces droits, et malgre une foule de gardes qui dtaient portes sur la frontiere, il s’etablit une grande contrebande. On faisait passer quelques impressions sur toiles fines par les bureaux, en payant les droits, mais on plomba clandestinement les impressions communes en Lorraine, et les contrebandiers, au moyen de six et plus tard de trois livres par piece, au lieu de quinze qui etaient les droits, les pas- serent en France, oü on les vendit librement. Les grandes maisons de Lorraine etablirent des bureaux et des magasins ä Paris et ä Versailles et peu k peu toutes les affaires se firent par les maisons francaises. Ce- pendant la mort du roi Stanislas (1766), — epoque qui fit rogner aux Lorrains les Privileges dont on les avait laisse jouir jusque lä — les Lorrains furent exclus du commerce des toiles peintes. — Cet evenement ne fut pas favorable aux Suisses; leurs acheteurs se trouverent plus eloignes d’eux, on ne les connaissait pas si bien; le negoce par contrebande de- vint scabreux: l’on perdit plus dans une annee avec les nouveaux chalands qu’avec les anciens en dix annees. On fut oblige de faire de frequents voyages en France, et peu k peu le commerce par contrebande fut si ’) Unter dieser Bezeichnung sind alte französische Silberfranken gleichwertig mit den Zehnbatzenstücken verschiedener Kantone und den spätem helvetischen Franken zu verstehen. 152 difficile qn’actuellement on introduit peu ou presque point d’impressions communes en France. Avec tont cela les manufactures suisses, accoutumees ä de grosses ventes, ne voulurent pas se restreindre et continuerent les meines affaires. Les nouvelles connaissances que l’on avait faites en Alle- magne ne süffisant pas pour dedommanger de la diminution d’acliat de la France, on chercha d’autres debouches.» < Mulhouse, abandonnant entierement ou peu s’en faut les indiennes ordinaires, fait aujourd’hui des Patnas h plmieurs couleurs sur toile mi- iine, fort bien executees et que l’on achete et envoie en France, par les bureaux, en payant les droits qu’ils peuvent supporter; mais comme il s’en fait des quantites prodigieuses, il est ä presumer que cet article tom- bera, parce qu’en France on monte aujourd’bui des fabriques qui ont l’avan- tage de ne pas payer les droits d’entree.» «Bäle continue ses toiles ordinaires et täche d’etendre le commerce dans toute l’Italie, mais on est oblige d’avoir toute l’annee un agent dans ce pays; on fait outre cela des mouchoirs et une quantite de toiles im- primees larges, que l’on envoie dans les ports de mer en France et que l’on vend aux armateurs pour l’Amerique et la cote de Guinee, ce qui, avec l’Allemagne, leur fournit assez d’affaires, du moins quant ä present, car pour la suite il est ä presumer, qu’il faudra cbercher encore d’autres debouchees pour cet article et que ce commerce deviendra beaucoup plus difficile pour la Suisse.» Als in den 1750er Jahren die französischen Fationalökonomen für freiere Grundsätze in Handel und Gewerbe eintraten, entschloss sich die Regierung 1759 1 ) das Verbot der Fabrikation gedruckter Waren endlich aufzuheben; der Bezug der Rohtücher wurde in der Weise neu geregelt, dass ein Staatsratsbeschluss vom 19. Juli 1760 für die Einfuhr aller weissen durch die Compagnie des Indes zu beziehenden Baumwolltücher eine Grundtaxe von 25 livres tournois per Zentner und eine Zuschlagstaxe von 50 °/ 0 (10 sols par livre tournois) festsetzte, also total 37^2 livres per Zentner. 2 ) Schon 1764 gelangte man alsdann dazu, die Einfuhr weisser und gedruckter Baumwolltücher jedermann von irgendwo her gegen Entrichtung von Zöllen freizugeben 3 ), wo- ') S. o. S. 84. 2 ) Bull. Soc. Ind. S. 62, Jahrg. 1892. 3 ) Merkwürdigerweise erwähnt Cl&nent’s „Histoiredu systömeprotec- teur en France“ auf S. 63 und 67 für das Jahr 1764 bloss das Edikt, welches die seit mehr als 100 Jahren verbotene Ausfuhr von Getreide vollständig frei gab (solange der Preis desselben im Inland 12 livres 10 sous per Zentner nicht übersteigen sollte) und auf S. 301 für das Jahr 1765 die Festsetzung 153 bei der Umstand ins Gewicht fiel, dass die französisch-ostindische Kompagnie, durch die französisch-englischen Kriege ruiniert, in vollster Auflösung begriffen war. Da jedoch die Gefahr nahe lag, dass die Baumwolldruckerei nun hauptsächlich im Eisass, von dem mitten in seinem Gebiet gelegenen Mülhausen aus, festen Fuss fassen würde, vollzog man die Neuordnung der Dinge in der Weise, dass man die Provinces traitees comme pays etranger 1 ), von den zwei andern Kategorien von Provinzen d. h. fast vom ganzen übrigen Frankreich absonderte und sie zollpolitisch vollständig als Ausland betrachtete. Damit war zwar den Elsässern erlaubt, Druckereien zu gründen, die Rohtücher sich zollfrei aus der Schweiz oder aus Indien zu beschaffen und sie bedruckt in alle Welt zu verkaufen; wollten sie dieselben jedoch nach den innern Zollgebieten Frankreichs liefern, so hatten sie genau dieselben Zölle wie die Mülhauser oder die Schweizer oder andere Ausländer zu bezahlen. 2 ) Diese Zollsätze waren wie folgt normiert: 1. Die weissen Baumwollgewebe hatten per Zentner 50 livres tournois und eine Zuschlagstaxe von 50% oder von „lOsols par livre“, wie der Ausdruck im Dekret lautete, zu entrichten, zusammen also 75 livres tournois per Zentner (oder ungefähr ebenso viele heutige Franken per 50 Kilos, vergl. S. 45 T. II). 2. Die gedruckten Baumwollgewebe bezahlten eine Grundtaxe von 90 livres und eine Zuschlagstaxe von ebenfalls 50 % oder „10 sols par livre“, zusammen also 135 livres tournois per Zentner. Warum der Zoll in eine Grund- und eine Zuschlagstaxe zerfiel, die stets zusammen erhoben wurden, ist aus den dem Yerf. zur Verfügung stehenden Auszügen nicht ersichtlich. Alle diese Verfügungen wurden in einem „Arret du Conseil d’Etat“ vom 13. August 1772 bestätigt; nur war inzwischen (1769) des Eingangszolls von Baumwollgarn auf 20 livres per Zentner; das so überaus wichtige Edikt von 1764, die Einfuhr weisser und gedruckter Baumwoll- waaren betreffend, findet sich dagegen in offiziellen Aktenstücken von Dollfus- Ausset’s „Materiaux“ Bd. IIS. 349—351, 366—368und 461 ausführlichbehandelt. *) siehe S. 81. 2 ) siehe Dollfus-Aussets „Materiaux“ Bd. II. besonders S. 461 und 350. 154 die französisch-ostindische Kompagnie eingegangen und es hatten damit die ihr noch von 1760 her zustehenden besondern Zollsätze ihr Ende gefunden. Zieht man die schon S. 45 gegebenen Gewichts- und Wertangaben zu Rate, so kommt man zum Schluss, dass der Zoll von 75 livres per Zentner für weisse Gewebe bei den schweren Qualitäten 12 —14 °/ 0 , bei den mittleren 8—10 °/ 0 , bei den Mousselines 7°/ 0 vom Wert ausmachte und dass er bei den gestickten Mousselines (sofern dieselben nicht in eine besondere Kategorie verwiesen waren) schon gar nicht mehr in Betracht fiel, da sie bei wenig vermehrtem Gewicht durch die Verarbeitung durchschnittlich eine Verdoppelung im Werte erfuhren. Jener Ansatz im Tarif von 1764 war demnach erschwinglich, bei den leichten und teuren Qualitäten sogar sehr niedrig und es ist anzunehmen, dass in der damit inaugurierten Periode (wenigstens bis 1781), in welcher die St. Galler Mousseline-Weberei und -Stickerei einen grossen Aufschwung nahm, die Schweizer Weisswaren insgesamt auf gesetzlichem Wege nach Frankreich gelangten. *) Etwas schlimmer stand J ) Das Dekret vom Jahr 1781, welches die zollfreie Einfuhr der Schweizer Leinwand aufhob und dieselbe der Hälfte der gegenüber andern Staaten praktizierten Gebühren unterwarf, enthält zugleich den Passus, dass für die Baumwollgewebe die gleichen Eingangszölle gälten, wie das übrige Ausland sie zu bezahlen habe. Dr. H. Wartmann (S. 125 in „Industrie und Handel des Kantons St. Gallen“) schliesst daraus, dass die weissen Baumwolltücher bis dahin ebenfalls zollfrei aus der Schweiz eingeführt worden seien. Dass solches der Fall gewesen sei, hält der Verf., wie schon weiter oben ausgeführt, für sehr unwahrscheinlich. Jener Passus mochte wohl zur Vermeidung von Zweideutigkeiten die seit 1764 für die Baumwollwaren gesetzlich bestehenden Verhältnisse resümieren. Die seit 1781 gemäss Vorschrift mit Ursprungszeugnis und besondern Bleizeichen versehene Leinwand erhielt in Lyon ein anderes Bleizeichen samt Pergamentblättchen, welches ihr in Frankreich freien Umlauf urd ungehinderte Ausfuhr (nach den überseeischen Kolonien und nach Spanien) gewährte; dies veranlasste die St. Galler, die letztgenannten Markierungen im Einverständnis mit ihren französischen Abnehmern nachzuahmen, dieselben nicht nur der Leinwand, sondern nun auch der Mousseline schon in St. Gallen anzuhängen und die betreffenden Waaren sodann in Frankreich einzuschmuggeln. Wie hoch der Leinwandzoll damals in Frankreich stand, ist aus den dem Verf. zur Ver. fügung stehenden Quellen nicht ersichtlich. 155 . es mit den Druckwaren, da für sie der Zollbetrag dem Gewichte nach fast doppelt so hoch als wie beim Rohtuch war, während die durch den Druck bewerkstelligte Wertvermehrung in der Regel nur 30—60% betrug; so gestaltete sich denn die Belastung, wie auch der Originalbericht auf S. 151/2 bestätigt, für die groben und einfachen Genres als drückend und noch immer zum Schmuggel stimulierend, für diejenigen auf feinem Tuche oder von komplizierter teurer Fabrikation hingegen als wohl zu überwinden. Unter der schwankenden Regierung Ludwig XVI. fiel man wiederholt von einem Extrem ins andere, wodurch die französisch-elsässische und die Mülhauser Industrie mehrere Male in eine kritische Lage gerieten. Durch Dekret vom 10. Juli 1785 wurde nämlich die seit 1764 gestattete Einfuhr gedruckter Baum- wollwaren (Mouchoirs und Indiennes indischen und europäischen Ursprungs) nach dem Innern Frankreichs plötzlich des Gänzlichen verboten und für diejenige der rohen Baumwolltücher die soeben rekonstruierte französisch-ostindische Kompagnie privilegiert, dabei für dieselbe die Zollsätze von 1760, welche bloss zirka 5 °/o vom Werte ausmachten, wieder in Kraft gesetzt. 1 ) Dadurch war nicht nur der Druckindustrie Mülhausens, sondern auch den im. französischen Eisass gelegenen, meistens von Mülhausern oder Schweizern geführten Fabriken, der wichtige Absatz nach dem Innern Frankreichs entzogen. — Zwar folgte das Dekret vom 17. November 1785, worin den „Provinces d’Etranger effectif“ freier Eintritt ihrer gedruckten Waren ins ganze Königreich in Aussicht gestellt wurde, sofern sie sich derjenigen Rohtücher bedienten, welche entweder bei ihnen selbst oder im Innern Frankreichs gewoben oder durch die französisch-ostindische Kompagnie bezogen würden, und ein weiteres Dekret vom 26. Januar 1786 2 ) brachte sogar, mit Gültigkeit auf kommenden 1. April, ein ausführliches Reglement über die dabei notwendige Stempelung und Plombierung der Waren an den Stückenden; die Beteiligten, wurden jedoch damit thatsächlich „in den April geschickt“,, da die Fabriken des innern Frankreichs durch ihre Klagen und ’) S. 351 Bd. II in Dollfus-Ausset’s „Matdriaux“ und S. 62/63 Jahrg. 1892 der Bull. Soc. Ind. 2 ) Bull. Soc. Ind. Jahrg. 1892, S. 51, 60 und 61. 156 Intriguen einen neuen Staatsratsbeschluss, datiert vom 17. Februar 1786 1 ), vorläufig mit Gültigkeit bis 1. Januar 1787, zu Stande brachten, nach welchem für diese Provinzen alsUebergangsstadium einfach der seit 1764 bestehende Zustand verlängert d. h. der Zollsatz von 135 livres par quintal wieder in Kraft erklärt wurde. Damit erhielten sie eine Zwischenstellung, indem ja dem eigentlichen Ausland die gesetzmässige Einfuhr von Druckwaren seit dem Dekret vom Juli 1785 gänzlich abgeschnitten war. Die elsäs- sischen Fabrikanten bemühten sich in dieser Zeit, die fremden Absatzgebiete wieder mehr zu kultivieren, was sie umso leichter konnten, als ihnen mit der Sistierung der Aufnahme in den innern Zollverband wieder die volle Freiheit im Bezug der Rohtücher zu- stand; dagegen erfuhren diese äussern Provinzen, als welche l’Alsace, la Lorraine et les „Trois-Eveches“ (Metz, Toul u. Verdun) ausdrücklich genannt werden, eine weitere Erschwerung in ihrer Industrie durch den Staatsratsbeschluss vom 2. Dezember 1786 1 ), nach welchem die in französischen Häfen gelandete Baumwolle in Flocken einem auch für sie gültigen Ausfuhrzoll von 12 °/ 0 , unter Annahme eines Wertes derselben von 275 livres tournois per Zentner, unterworfen wurde, so dass sie sich für den unentbehrlichen Rohstoff an andere Bezugsquellen wenden mussten. Noch mehr war ein anderes inzwischen eingetretenes Ereignis dazu angethan, den Wert der wenigen, soeben skizzierten Begünstigungen auf ein Minimum herabzudrücken. Am 26. September 1786 kam nämlich 2 ) zwischen Frankreich und Grossbrittannien ein Friedens- und Handelsvertrag zu Stande, nachdem diese Länder seit 1701 fast beständig im Zollkrieg mit einander gelegen und sich ihre Produkte gegenseitig fast gänzlich ausgesperrt hatten. In diesem neuen Vertrage sicherten sie sich gegenseitig (bei Frankreich jedoch nur für die innern Zollgebiete gültig) für eine ganze Menge von Artikeln Einfuhrzölle von bloss 10—15 °/ 0 vom Werte zu; indem für Frankreich der sehr erleichterte Absatz von Wein und Spirituosen nach England in Anschlag gebracht wurde, hatte •es speziell für die Einfuhr von weissen und gedruckten Baum- q Bull. Soc. Ind. Jahrg. 1892, 51, 60 und 61. 2 Nach Clement’s „Systeme protecteur en France“ S. 77 u. ff. 157 wollwaren aller Art in schroffem Gegensatz zu der ein Jahr zuvor befolgten Politik einen Wertzoll von bloss 12 °/ 0 gewähren müssen. Da nun für die elsässischen Baumwollwaren die alten Zollsätze von S. 153 durch Dekret vom 21. Dezember 1786 neuerdings auf unbestimmte Zeit hin als in Kraft bleibend erklärt wurden, sahen sich die dortigen Fabrikanten, soweit es schwerere Qualitäten betraf, bedeutend im Nachteil gegenüber den englischen Konkurrenten versetzt und wehrten sich nach verschiedenen fruchtlosen Unterhandlungen besonders energisch in einem 1788 an die Regierung gerichteten Mem oire x ) en reponse aux deux memoires qu’on publie contre eux les fabricants, faisant le commerce de toiles imprimees ä Jouy, Nantes, Rouen, Beauvais,. Saint-Denis, Gorbeil, Melun, Troyes , Orleans, Bordeaux, Lyon,Bolbec et Bourges. * 2 ) In dieser Eingabe wurden nochmals alle Akten der stiefmütterlichen Behandlung, welche das Eisass in Bezug auf die Zollverhältnisse über sich hatte ergehen lassen müssen,, aufgezählt und flehentlich um Abhülfe gebeten; da die Gewährung einer vollständigen Assimilation aussichtslos schien, wollten sich die Elsässer mit einer bedeutenden Herabsetzung der Zölle auf ihre weissen und gedruckten Baumwollgewebe zufrieden geben,, hatten aber auch damit keinen Erfolg, trotzdem sie in Paris die Befürwortung eines gewissen Rozier, „avocat au Conseil du Roi“ gefunden hatten. Was nun die Republik Mülhausen anbelangt,, so hatte man ihr 1785 die Ausfuhr von 40,000 Stück ihrer In- diennes nach Frankreich zu den alten Zollgebühren erlaubt und 1786 Gleichstellung ihrer Produkte mit denjenigen des Elsasses gewährt. 3 * * * * 8 ) 1789 aber wehte ein widriger Wind, indem im März dieses Jahres auf Druckstoffe von Französisch-Elsass ein Wertzoll von 53 % und auf diejenigen Mülhausens ein solcher von. ‘) S. 349 Bd. II in Dollfus-Ausset’s „Materiaux“. 2 ) Damit sind uns zugleich die Namen derjenigen französischen Städte überliefert, in denen die Druckindustrie seit 1759 festen Fuss gefasst hatte. Dass Orange (S. 148) dabei fehlt, mag seinen Grund darin haben, dass die dortigen Fabriken Mühlhausern oder Elsässern gehörten, oder dass jenes, kleine, zwischen der Rhone und den päpstlichen Besitzungen eingeklemmte Fürstentum nicht in die innern Zollgebiete einbezogen war. 8 ) Bull. Soc. Ind. Jahrg. 1878, S. 841 und Jahrg. 1874 S. 161. 158 95 % gelegt x ) und die Einfuhr weisser Mülhauser Kattune gänzlich verboten wurde, indem man letztere auf dem gleichen Fusse wie ausländische, die englischen ausgenommen, behandelte. Besser wussten sich die schweizerischen Fabrikanten zu helfen, indem gar nicht daran zu zweifeln ist, dass sie ihre weissen und ■gedruckten Waren auf Umwegen als solche englischen Ursprungs zu den niedrigen englisch-französischen Zöllen nach Frankreich gelangen liessen und so das gegen sie seit 1785 bestehende Einfuhrverbot parierten, ohne zu eigentlichem Schmuggel gezwungen zu sein. Thatsache ist, dass 1787—1790 die glänzendsten Jahre für die neuenburgische, genferische und aargauische Druckindustrie waren und dass auch das Mousselines- und Stickerei-Geschäft St. Gallens um dieselbe Zeit sich in den höchsten Zahlen bewegte. Daneben gestaltete sich auch die (gesetzlich erlaubte) Einfuhr von schweizerischem Baumwollgarn zu einer sehr lebhaften, da die französische Weberei weisser, für den Druck bestimmter Baumwolltücher, welche noch 1787 bloss .den vierten Teil des Bedarfes deckte * 2 ), nun in raschem Aufschwung begriffen war und Mangel an Garn hatte. Die Revolution brachte in ihrem Gefolge neue wichtige Aenderungen in der Zollgesetzgebung. Am 5. November 1790 hob die Nationalversammlung die internen Zolllinien auf und verwandelte damit ganz Frankreich in ein Zollgebiet; mit diesem im folgenden Jahre zur Ausführung gelangenden Beschluss war endlich der französisch-elsässischen Textilindustrie gründlich aufgeholfen. Da die dortigen Fabriken inzwischen ihren Hauptabsatz im Ausland gefunden hatten und dafür in bedeutendem Masse noch immer auf fremde Rohtücher angewiesen waren, wurde zur Erleichterung des Uebergangs während einiger Jahre sogar eine „Admission temporaire“ in modernem Sinne eingeführt, indem *) Diese Meldung fand sich bei Dr. R. Forrer (wahrscheinlich nach E. Schneider’s „Geschichte der Stadt Mülhausen“) auf S. 47 seiner „Kunst des Zeugdrucks“. A. Penot spricht (S. 161 Bull. Soc. Ind. Jahrg. 1874) in einer zu kurz gehaltenen Darstellung von einem Zoll von 95 „livres“ par quintai, welcher 1789 auf die Mülbauser Indiennes gelegt worden sei, während es ■offenbar 95 heissen soll, 2 ) Nach S. 360 in Bd. II von Dollfus-Ausset’s „Materiaux“. 159 man von 1791 an unter Beobachtung gewisser Formalitäten bei der Wiederausfuhr ins Ausland zollfreie Benutzung fremder Rohtücher erlaubte und bei den für die französisch-afrikanische Küste bestimmten Waren die Hälfte des Einfuhrzolles zurückerstattete. *) Umso schlimmer stand es mit derjenigen der Republik Mülhausen, weshalb dieselbe als Enclave um die Bewilligung einkam, unbeschadet seiner politischen Freiheiten und Bündnisse in den französischen Zollverband aufgenommen zu werden. Ludwig XVI. wollte in der That diesem Gesuche, wohl mit Rücksicht auf die mit ihm noch immer verbündeten Schweizerkantone, willfahren und schloss mit Mülhausen eine bezügliche Konvention, datiert vom 22. September 1791. * 2 ) Die Ratifikation derselben durch die Nationalversammlung wurde jedoch immer wieder hinausgeschoben, so dass sie niemals in Kraft trat. Unterdessen war in Frankreich am 15. März desselben Jahres ein neuer allgemeiner Zolltarif erlassen worden, welcher (nach Clement und Dr. H. Wartmann) u. a. folgende Schutzzölle einführte 3 * 5 ): par quintal Baumwolltücher, weisse, gewöhnliche . . 751ivrestournois „ gefärbte und gedruckte . 135 „ „ Glatte, gestreifte, carrierte und brochierte Mousselines. 800 „ „ Gestickte Mousselines und Fichus aller Art 400 „ „ Baumwollgarn, roh oder gefärbt .... 225 „ „ Rohe, bezw. gebleichte Leinwand 36, bezw. 45 „ „ Verarbeitete u. gemusterte oder Tafelleinwand 75 „ „ 0 Siehe hierüber die interessanten Dokumente im Bull. Soc. Ind. Jahrg. 1892 S. 63 u. ff. 2 ) Siehe S. 359—470 in Bd. II von Dollfus-Ausset’s „Matöriaux“ und die „Tablettes historiques“ par X. Mossmann im Bull. Soc. Ind. 1878. Der Generalrat des Departement du Haut-Ehin hatte sich aus verschiedenen Gründen gegen, die Mehrzahl der mit Mühlhausen in engen Beziehungen stehenden Fabrikanten des französischen Elsasses für diese Vergünstigung ausgesprochen. 5 ) Nach Dz - . H. Wartmann fiel zu gleicher Zeit die seit 1781 in beschränktem Masse (s. o. Anm. 1, S. 154) noch immer bestehende Vergünstigung für die Einfuhr von Schweiz. Leinwand dahin. 160 Obwohl dieser Tarif durch die Aufhebung des Einfuhrverbots der Baumwollwaren vom Jahr 1785 für die Schweiz eigentlich eine Verbesserung bedeutete, ist anzunehmen, dass die schweizerischen Handelsleute nach wie vor sich die noch niedrigem englisch- französischen Zollsätze zu Nutze machten. Die Möglichkeit dafür dauerte noch bis zum 1. März 1793, an welchem Tage der Nationalkonvent gegenüber denjenigen Mächten, welche an der Koalition gegen die französische Republick teilnahmen, alle bis dahin bestehenden Handelsabkommen als sofort erloschen erklärte und an Stelle desselben die Prohibition proklamierte 1 ), womit auch der englisch-französische Vertrag, welcher wegen seines unvermittelten Ueberganges zum Freihandel von Anfang an heftig angegriffen worden war, ausser Kraft trat. Um dieselbe Zeit hatten die mit der Revolution eingetretenen Erschütterungen, besonders die Entwertung des französischen Papiergeldes, für die schweizerischen Kaufleute grosse finanzielle Einbussen im Gefolge. Als jedoch die politischen Verwicklungen mit England längere Zeit andauerten, stellte sich von Neuem grosse Nachfrage nach den schweizerischen Erzeugnissen ein, so dass sich 1797 das Geschäft mit Frankreich (nach Ebel und Dr. H. Wartmann) zu einem sehr lebhaften gestaltete. 2 ) Inzwischen war Mülhausen fortgesetzt in einer sehr misslichen Lage, infolge welcher sich (nach Mossmann) 1793 in der Stadt ein der vollständigen Vereinigung mitFrankreich günstiger Club konstituierte. Indem Frankreich zu diesem Schritte hintrieb, wollte es vorläufig einen offenen Bruch mit den Schweizer Kantonen doch noch vermeiden, weshalb der Wohlfahrtsausschuss nach verschiedenen Verhandlungen in seinen Erlassen vom 27 . März ') s. S. 304 in Clement’s „Systeme protecteur en France.“ ’) Ein von Dr. H. Wartmann (Anm. 1 S. 195 in „Handel und Industrie des Kantons St. Gallen) erwähntes Gesetz vom 31. Oktober 1796 bestimmte zwar, dass alle baumwollenen Gewebe und Gespinnste, welchen Ursprungs sie auch wären, als englische zu behandeln und daher zur Einfuhr nicht zuzulassen seien; es erscheint aber als gewiss, dass dasselbe gegenüber der Schweiz nicht zur Anwendung kam; denn derselbe Autor berichtet S. 232/3, dass Frankreich durch Dekret vom 29. Oktober 1803 eine plötzliche bedeutende Zollerhöhung auf Baumwollwaren jeder Art durchgeführt habe, während bis dahin die Zollansätze gegenüber der Schxveie nicht übermässig gexcesen seien. — 161 und 11. Juni 1794 *) der Stadt für 15 Monate die Bewilligung erteilte, gewisse Mengen von Rohstoffen etc. frei über französisches Gebiet ein- und die entsprechenden fertigen Waren gleicherweise wieder auszuführen oder unter Verzollung an Frankreich abzugeben; auch wurde ein gewisser Veredlungsverkehr mit den Grenzbezirken, hauptsächlich die Handweberei ermöglichend, zugestanden. Von jenen Rohstoffen führen wir die folgenden an, da sie uns einerseits über die Ausdehnung der Mülhauser Druckindustrie orientieren und anderseits beweisen, dass neben derselben auch die Wolltuch Weberei und die Gerberei noch immer eine ziemliche Bedeutung bewahrt hatten: 120,000 Stück (ä 20 aunes) weisse Baumwolltücher. 2,500 Zentner Baumwolle in Flocken oder gesponnen. 5,000 „ Alaun, Krapp, Farbhölzer und verschiedene Droguen. 2,500 „ Wolle in Flocken. 16,000 Stück grosse und kleine Häute, frisch oder getrocknet. 12,000 „ Ziegenhäute für die „maroquinerie.“ * 2 ) Ferner durften die Mülhauser aus dem umliegenden fran- zösichen Gebiet u. A. beziehen: 10,000 milliers Steinkohlen 3 ); 3,000 Klafter Brennholz; 300,000 Reiswellen; 700 Wagen Zimmer- und Schreinerholz; 3,000 Zentner Wau (zum Gelb- oder Olivfarben); 10,000 „ Gerberlohe. Mach Ablauf jenes Termins ging das Markten von Neuem an und als das Direktorium 1795 die Mülhauser Druckwaren mit ’) S. 471—477 Bd. II in Dollfus-Ausset’s „Materiaux“. 2 ) Nach Brockhaus C.-L. wurde die erste europäische Saffian- oder Marokkoleder-Fabrik 1749 im Eisass (in Mühlhausen?) errichtet. s ) Nach dem Bürgermeisterbuch von Mühlhausen bestellte man schon 1766 eine Kommission, um die Steinkohlenfeuerung, wie sie bereits in Basel angewendet werde, auch dort einzuführen; grössere Ausdehnung nahm dieselbe jedoch erst 1787 an, als der Preis eines Klafters Holz (8X4X3') von ursprünglich 10—14 auf 20 livres tournois gestiegen war. Die Steinkohlen wurden damals in Ronchamps und Champagney unweit Beifort gebrochen (Dollfus-Ausset’s „Materiaux" Bd. I S. 136 und Bd. II S. 353). li 162 dem fast unerschwinglichen Zoll von 200 livres per Zentner*) belegte, brach eine neue Krisis über die Stadt herein, so dass wir uns nicht wundern, wenn drei Jahre später „les voeux des magi- strats, conseils , citoyens et habitants de la Be'publique de Mulhausen se declaraient pour la reunion ä la Be'publique frangaise et l’in- corporation ä la grande nation.“ 2 ) Ein vorläufiger Vertrag vom 28. Januar 1798 wurde am darauffolgenden l.März, also in denselben Tagen, in welchen die alte Eidgenossenschaft unter dem Angriffe der französischen Heere zusammenbrach, in Paris ratifiziert. In Wirklichkeit hatte es den Mülhausern sehr Mühe gemacht, sich von ihren alten Bundesgenossen zu trennen und es scheint, dass der erzwungene Uebergang, neben dem schon vorher eingetretenen industriellen Notstand, der Mülhauser Bevölkerung, die ihrer Heimat sonst sehr anhänglich gewesen war, einen cosmo- politischen Zug verlieh; denn ungefähr von dieser Zeit an wandelten zahlreiche Mülhauser Koloristen, Farbköche, Zeichner, Stecher und Drucker nach allen Ländern Europas dauernd oder vorübergehend aus, ihre heimischen Fabrikationsverfahren überallhin verbreitend. Indessen ging es doch nicht lange, so wurde die Bevölkerung dem neuen Vaterlande aufrichtig zugethan; denn in materieller Beziehung hatten die Mülhauser die Einverleibung mit Frankreich nicht zu bereuen, indem alle S. 136 genannten Industriezweige im Laufe der nächsten Dezennien in der Stadt selbst und in der nähern und weitern Umgebung derselben Dimensionen an- nahmen, wie es nur in einem Grossstaat möglich ist. Speziell über die Entwicklung der Baumwolldruckereien mögen zum Schlüsse noch folgende statistische Angaben von Interesse sein: Nach Dollfus-Ausset (Bd. II S. 431) betrug deren Produktion in der Stadt selbst jährlich im Durchschnitt von 1746—1756 30,000 Stück ä 16 aunes oder ä 20 Meter 11 1756—1766 50,000 n ä 16 ii 11 ä 20 „ n 1766—1776 80,000 ii ä 16 ii 11 ä 20 „ 11 1776—1786 100,000 ii ä 16 ii 11 ä 20 „ 11 1786—1796 120.000 ii ä 20 ii 11 ä 25 „ n 1796-1806 130,000 ii ä 20 ii 11 ä 25 „ *) Dollfus-Ausset Bd. II S. 487 und 488. 2 ) Dollfus-Ausset Bd. II S. 479. 163 Letztgenannte Jahresproduktion entsprach nach Analogie der Berechnung von S. 110 einerThätigkeit von bloss 450 Drucktischen und zirka 1850 Arbeitern. Es scheint indessen, dass obige offizielle Statistik etwas unter der Wirklichkeit blieb; denn, da die Stadt beispielsweise 1794/95 (S. 161) ausser 120,000 fertig gewobenen Stücken noch 2500 Zentner Baumwolle in Flocken oder gesponnen einführen durfte, und letztere zirka 50,000 Stück a 20aunes entsprachen, so belief sich das damals während 15 Monaten zur Einfuhr und Wiederausfuhr d. h. zum Druck berechtigte Quantum auf 170,000 Stück gleich 186,000 Stück in einem Jahr gegenüber 120,000 in obiger Statistik. Nach v. Kurrer schätzte man ums Jahr 1800 die Produktion der elsässischen Druckereien in Mülhausen, Thann, Wesserling, Sennheim und Kolmar auf 200,000 Stück ä 16 aunes. Nach derselben Quelle zählte man 1825 in Mülhausen 14 und in der weitern Umgebung ebensoviel, im ganzen Departement du Haut- Rhin also 28 Druckereien mit einem Gesamtprodukt von 13—14 Millionen Stäben. 1827 erzeugte man nach den Erhebungen der Societe industrielle in 27 Druckereien nachstehende Baumwoll- waren: Mouchoirs (und Chäles) 141,708 Stück Indiennes. 368,777 „ Mousselines . . . 27,450 „ Zus. 527,935 Stück ä 25-27 aunes Länge. Bei den „Indiennes“ unterschied man schon längst 2 Hauptgruppen, nämlich 1) Indiennes im engern Sinne auf leichten und mittlern, meistens glatten Baumwolltüchern in kleinen und mittelgrossen Dessins für Frauenkleider, Schürzen, Anzüge von Bettzeug u. dgl., auch für lange Männerwesten (Gilets äbasque), Blousen und Männerhemden; 2) „Meubles“, „Tenture“ und „Tapis“ auf schweren, glatten oder gekörperten Stoffen, vorwiegend in grossen, ornamentalen Dessins, für Ueberzüge von Möbeln, zur Zimmerausstattung (als „Portieres“, Vorhänge und Stofftapeten) und für Tischdecken. 164 Alle diese Genres wurden entweder als billige „Indiennes- communes“ oder dann als „Indiennes flnes“ erstellt; letztere, in welchen Mülhausen schon am Ende des XVIII. Jahrhunderts eine hervorragende Stellung einnahm, unterschieden sich von den erstem neben einer höchst sorgfältigen Fabrikation durch die Anwendung von mehr Farben oder durch das feinfädigere, schönere Tuch. Die „Mousselines“ (Jaconats) dienten hauptsächlich für Sommerund Ballkleider, jedoch befand sich darunter auch etwas abgepasste Ware. Ehe wir die allgemeine Uebersicht über die Entwicklung des modernen Zeugdrucks im XVII. und XVIII. Jahrhundert schliessen, erübrigt uns, neben dem Reservedruck mit Indigofärberei, dem gewöhnlichen Krappverfahren (welches auch auf Blauholz und verwandte Farbstoffe ausgedehnt wurde) und neben dem Applicationsfarbendruck noch die Anfänge eines vierten- Zweiges zu erwähnen, welcher dann im XIX. Jahrhundert zu glänzender Entfaltung kam; es ist dies die Türkischrot-Färberei und -Druckerei. Wie bereits S. 37/38 angedeutet, hatten die Indier schon in einer sehr weit zurückliegenden Zeit erkannt, dass das Krapprot, die einfache Verbindung der Thonerde mit dem Farbstoff der Chay- oder der Krappwurzel auf der Baumwolle, an Lebhaftigkeit und Aechtheit- gewinnt, wenn auch Fettstoffe (in Form von Oxydationsprodukten der Fettsäuren) mit demselben in Berührung gebracht, bezw. demselben einverleibt werden, sei es durch eine dem „Gallieren“ und „Aiaunbeizen“ vorgängige Präparation des Baumwollgewebes in Milch, emulsionierten Oelen oder Fetten u. dgl., sei es durch eine entsprechende Behandlung nach dem- Krappfärben (mittelst Seifenbädern). Dieses Verfahren wurde im Laufe der Zeit für die Färberei von baumwollenen Garnen und ganzroten Stücken weiter ausgebildet, indem man die Baumwoll- faser nicht nur einmal, sondern mehrere Male und abwechslungsweise solchen Operationen unterwarf, wobei man, wenn auch auf sehr umständlichem Wege, ein Rot von hervorragender Aechtheit gegen Sonnenlicht und Seife und in Schönheit mit dem auf Wolle und Seide mittelst Cochenille erzeugten „Ponceau“ und „Carmoisin“ rivalisierend, erreichte. Die Kenntnis von dessen Her- 165 Stellung gelangte nach und nach von Indien nach Persien, der Bucharei und der Türkei inklusive Griechenland, wobei dieselbe weitere Verbesserungen erfuhr. Die Perser, Bucharen und Armenier färbten fast ausschliesslich für den Konsum im eigenen Lande und zwar sowohl Gewebe (uni-rot), als auch Garne, während sich die Griechen fast ganz auf letztere beschränkten, dafür aber die Sache im Grossen betrieben und einen gewinnbringenden Export-Artikel daraus machten. x ) Für die Oelemulsion bedienten sie sich ihres einheimischen Olivenöls. Dieses prächtig gefärbte, als „türkischrot“ (französisch rouge turc, rouge d’Andrinople, rouge des Indes) bezeichnete Baumwollgarn fand im XVII. und XVIII. Jahrhundert steigenden Absatz in Europa und wurde trotz seines hohen Preises, alsbald für die Stickerei und verschiedene Näharbeiten, besonders aber für die aufstrebende Baumwoll- und Leinen-Buntweberei unentbehrlich. Einer ausserordentlichen Blüte erfreute sich die Türkischrot-Garnfärberei in Thessalien und benachbarten Gebieten (Adrianopel), da thessalische Kaufleute auf mehrern europäischen Handelsplätzen Comptoire für den Verschleiss •des Produktes errichtet hatten. Endlich gelang es * 2 ) 1747 drei französischen Industriellen namens Fesquet, Houclard und d’Haristoy, griechische Färber nach Frankreich zu ziehen und in Barnetal bei Rouen, sowie in Aubenas in der Languedoc, zwei Türkischrot- Garnfärbereien in Betrieb zu setzen, welchen sich in der Folge in Nimes, Marseille und andern Städten Südfrankreichs, sowie in der Normandie, noch mehrere anreihten, besonders auch, nachdem •die französische Regierung die bezüglichen verwickelten Färbeverfahren erworben und 1765 zur Veröffentlichung gebracht hatte. Weitern Vorschub erhielt die Türkischrot-Färberei durch Einführung des Krappbaus in Südfrankreich. Während derselbe in den Niederlanden und in Schlesien schon seit Jahrhunderten blühte und im Eisass schon seit 1729 bekannt war, blieb es einem persischen Flüchtling namens Jean Althen Vorbehalten, auf das dafür weitaus am besten geeignete Terrain aufmerksam zu machen. 3 ) *) s. v. Kurrer’s „Druck- und Färbekunst“, Wien 1849, Bd. II S. 189 2 ) nach J. Girardins „Le$ons de Chimie“. 3 ) s. Dollfus-Ausset’s „Matöriaux“ Bd. I S. 122 und 173. 166 1756 nach dem damals päpstlichen Avignon verschlagen, machte er hier Anpflanzungsversuche, die günstig ausfielen; es dauerte jedoch noch viele Jahre bis die Sache in rechten Fluss kam, so dass er die Früchte seiner Bemühungen nicht mehr gemessen konnte und als armer Mann starb.D Inzwischen war es den französischen Färbern und Chemikern gelungen, an dem ungeheuer weitläufigen orientalischen Türkischrot-Färbeverfahren einige Vereinfachungen und Vervollkommnungen anzubringen; die wichtigsten derselben waren: 1. Die Einführung eines vierten Elementes, des Zinnoxyds, in den „Krapplack“, mittelst Beifügen von Zinnverbindungen zur Avivage-Seife, was nach Dollfus-Ausset, Bd. II S. 231 schon vor 1785 geschah; und 2. die Anwendung geschlossener Metallkessel für das Seifenkochen (sog. Avivierkessel), so dass während dieser Operation die Flüssigkeit unter einem gewissen Dampfdruck auf den im Färben vorgebildeten Farblack einwirken konnte. Beide Neuerungen verliehen diesem neuen französischen Rot bedeutend mehr Feuer und Aechtheit, als bis jetzt zu erreichen möglich gewesen und verschaffte ihm die Ueberlegen- heit über die alte indisch-bucharische Nüance. Die Färberei der letztem war inzwischen (nach v. Kurrer) durch Perser und Bucharen nach dem asiatischen und dann, wahrscheinlich um 1780, auch nach dem europäischen Russland, besonders nach Astrachan, verpflanzt worden, während das französische Verfahren um dieselbe Zeit durch einen Borei nach Manchester übergetragen wurde und ein anderer Franzose, PapiUon, 1785 den Grund zu der nachmals weltberühmten Glasgower Türkischrot-Färberei legte. Dass auch die fortgeschrittenen Schweizer Fabrikanten sich lebhaft um die Neuheit interessierten, erscheint fast selbstverständlich; in der That machte 2 ) der einer angesehenen zürcherischen Färberfamilie angehörende Joh. Heinrich Zeller schon in *) Später dehnte sich der Krappbau auf das ganze Departement de Vaucluse und einige nördlich und südlich davon gelegene Landstriche aus und bildete mit der Türkischrotfärberei und der damit im Zusammenhang stehenden Olivenkultur fast 100 Jahre lang eine Quelle soliden Reichtums für den Süden Frankreichs. ’) Nach „Zürich’s Indienne-Manufactur und Türkischrotfärberei in früherer Zeit“ von Adolf Bürkli-Meyer im „Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1881“. 167 den 1760er Jahren, als er sich in Nimes in der Seidenfärberei ausbilden sollte, dort die erste Bekanntschaft mit der neuen Türkisch- rot-Garnfärberei und ebenso mehrere Jahre später sein jüngerer Bruder Rudolf. Die beiden kamen aber erst 1784 dazu, unter der Firma Heinrich & Rudolf Zeller im „Drathschmidli“ bei Zürich eine Türkischrot-Färberei zu errichten, welche dann bestens gedieh und der Entwicklung der toggenburgischen und aargauischen Buntweberei (oder Strichelzeug-Fabrikation, wie man sie damals meistens nannte) und der später entstehenden zürcherischen Türkischrot-Aetzdruckerei wesentlichen Yorschub leistete. Bald nach dem 1795 erfolgten Tode des altern der Gründer trat eine Trennung ein; Rudolf und seine Söhne behielten die Türkischrotfärberei und siedelten 1810 in die weitern Räumlichkeiten des sog. „Stampfenbach“ über (welcher Betrieb bis 1827 bestand), während die beiden Söhne Joh. Heinrichs in erster Linie das alte Stammgeschäft im sog. „Bierhaus“ (Färberei von Seiden- und Baumwollgarnen für die Zürcher Seiden- und Halbseidenweberei) weiter führten und dann 1801 eine alte Seidenfärberei „in der Walche“ (wo jetzt das städtische Schlachthaus steht) erwarben und in eine Türkischrot-Färberei umwandelten. Schon 1814 begann man in diesem (bis 1855 fortbestehenden) Geschäft, sich des Dampfes zu bedienen, wohl in erster Linie zum Betrieb eines „Avivierkessels.“ — Die Zweitälteste Türkischrot-Färberei der Schweiz dürfte in Lausanne zu suchen sein; denn schon im Jahr 1788 bewilligte die heimische Regierung ein Darlehen von 30,000 L. zur Errichtung einer „Türkengarnfärberei“ in dieser Stadt. 1 ) Im Aargau und in der Ostschweiz hingegen bürgerte sich der neue und vielbegehrte, jedoch schwierige Artikel erst im ersten Viertel des XIX. Jahrhunderts ein. In welchem Zeitpunkt man in Westeuropa angefangen hat, nicht nur baumwollene Garne, sondern auch Tücher uni-türkischrot zu färben, ist bis jetzt nicht genau festgestellt worden. Nach dem „Bull. Soc. Ind.“ (Jahrg. 1871 S. 246) hat Laurent Weber, Fabrikant von Buntgeweben in Mülhausen, gegen das Jahr 1800 durch Verweben türkischroter Garne ganzrote Tücher erstellt; ’) Bericht Nr. 1 der kantonalen bern. Handels- und Gewerbekammer, Bern 1899. 168 dagegen geschah es erst 1810 und zwar durch Daniel Köchiin (s. o. S. 140), dass im Eisass Baumwolltücher am Stück türkischrot gefärbt wurden. Nach Dr. A. Penot sollen dies überhaupt die ersten in Westeuropa gewesen sein; da jedoch die Färberei am Stück keine grossem Schwierigkeiten bot als diejenige des Garns, so ist von vornherein anzunehmen, dass jene Operation schon früher an andern Orten ebenfalls versucht und durchgeführt worden, jedoch noch nicht zu grosser Bedeutung gelangt war. In der That meldet dies Adolf Bürkli in sehr bestimmterWeise von den Gebrüder Zeller in Zürich und behauptet sogar, dieselben hätten schon in den 1790er Jahren türkischrote Tücher den Druckfabrikanten David und Melchior Esslinger abgeliefert, worauf solche dann als bedruckt unter der Bezeichnung Fazzoletti cl’Esslinger in Italien mit grossem Erfolg verkauft worden seien. (Dieses Zeugnis ist nur darum nicht ganz einwandfrei, weil Bürkli annimmt, dass es sich dabei um die bekannten Buntätzprodukte gehandelt habe, während es absolut feststeht, dass solche damals noch nicht existierten und es höchstens Tafelschwarzdrucke hätten sein können). Im fernem kann man aus dem Wortlaut einiger Stellen in Girardin’s „Leg. de Chimie“ mit einiger Wahrscheinlich keit schliessen, dass in Rouen mit der Stückfärberei vor 1800 begonnen wurde und endlich geht 1 ) aus den „Notes inedites“ von Daniel Köchiin selbst hervor, dass 1811, als er mit seinen Aetz- versuchen begann, ein Schottländer schon eine Art türkischrot gefärbter und in Tupfendessins weiss geätzter Mouchoirs auf den Markt gebracht hatte, wodurch zugleich der Beweis geleistet ist, dass in Schottland die Stückfärberei schon seit einer gewissen Zeit bestand. Trotzdem muss Daniel Köchiin als der eigentliche Schöpfer der so überaus wichtigen Türkischrot-Unifärberei und -Aetzdruckerei angesehen werden, da erstere es bis dahin zu keiner erheblichen Bedeutunggebracht hatte und jene schottische Aetzmethode nie auch nur annähernd der Entwicklung fähig gewesen wäre, welche die Köch- lin’sche in der Folge aufwies. Auch wusste dieser geniale Kolorist das schwierige Problem innert wenigen Jahren so vollkommen zu lösen, dass sein Verfahren fast keiner Veränderung mehr be- ‘) Nach Persoz’ „Traitd theor. et prat. de l’impress.“ T. III p. 232. durfte und nach Yerfluss von 90 Jahren noch immer in Anwendung steht. Wie schon oben erwähnt, begann Köchlin 1810 damit, eine vielen Andern zum Vorbild dienende Türkischrot-Stückfärberei einzurichten und deren Erzeugnisse zum Teil mit Tafelschwarz zu bedrucken. 1811 wurde er sodann auf den Umstand aufmerksam, dass das Türkischrot gegen alkalischen Chlorkalk eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit besitzt, während angesäuerter Chlorkalk dasselbe fast augenblicklich zerstört. Nachdem ein direktes Aufdrucken dieses Aetzmittels aus verschiedenen Gründen sich als undurchführbar erwies, schlug Köchlin den umgekehrten Weg ein, indem er die roten Stücke mit einer verdickten, nichtflüchtigen Säure (Weinsteinsäure) bedruckte und alsdann einige Minuten in alkalische Chlorkalklösung (la cuve decolorante) tauchte, wobei das an den betreffenden Stellen sich entwickelnde Chlor den Farbstoff zerstörte. Bald darauf entdeckte er, dass das Berlinerblau im Stande ist, freiem Chlor zu widerstehen, so dass, wenn dieser Farbstoff (gewöhnlich in Chlorzinn gelöst), der Aetzfarbe zugesetzt wird, die bedruckten Stellen schliesslich lebhaft blau, bei Weglassung der Weinsteinsäure (durch Addition zum Rot) hingegen schwarz erscheinen. Indem er nach Beendigung der Aetz-Operation noch Tafelgelb einpasste und dasselbe z. T. auf das Weiss, z. T. zur Bildung von Grün, auf das Blau fallen liess, war er zu einer ganzen Scala von Farben gelangt. Die Veranlassung zu den Aetzversuchen auf Türkischrot lag für Köchlin hauptsächlich darin, dass verschiedene Arten von Aetz- artikeln überhaupt damals als Neuheiten eine Rolle spielten und dass zu gleicher Zeit in der gemusterten Wollweberei Frankreichs die sog. Cachemires-dessins (meistens in rotem Grunde) en vogue waren und im Druck auf Baumwolle am besten nach der Reservage- oder nach der Aetzmanier nachgeahmt werden konnten. Während in den Kleider- und Möbelstoffen, wie S. 103 u. 144 bemerkt, die persisch-indischen Dessins nach und nach solchen in modern-europäischem Geschmack Platz gemacht hatten, fanden speziell für Chäles (Umschlagtücher) in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts die ächten, aus gefärbten Ziegenhaaren 170 gemustert gewobenen Produkte aus Kaschmir 1 ) einen bedeutenden Yerschleiss in Europa, worauf solche durch die französische Wollweberei in Merinosschaf-Wolle nachgeahmt wurden. Entsprechend ihrem Ursprungslande zeigten die Cachemires-Chäles fast ohne Ausnahme ein altindisches Ornament, die Palmette d. h. das halbaufgerollte, stengellose (und daher als solches nicht mehr sofort erkennbare) Palmblatt in allen möglichen Varianten, gross, mit reicher innerer Gliederung und wieder ganz klein und einfach, jedoch stets seinen streng markierten Charakter bewahrend. Köchlin war nun der erste, welcher dieses eigenartige Motiv in die Baumwolldruckerei einführte, wozu er 2 ) 1810 den intelligenten Dessinateur Malaine engagierte (derselbe war der Sohn eines „Peintre de fleurs aux Gobelins“, der sich zur Zeit der Schreckensherrschaft von Paris nach Mülhausen geflüchtet und in der Tapetenfabrik Jean Zuber in Rixheim Stellung gefunden hatte); den ungefähr zu gleicher Zeit geschaffenen Artikel Lapis riches gab Köchlin sogar ausschliesslich in den seither typisch gebliebenen Palmenmustern oder „dessins cachemiriens“ heraus, während er bei den Türkischrot-Aetzdrucken abwechslungsweise geschmackvolle Blumen und Palmetten verwendete. Letztere Erzeugnisse, die er als Nachahmung der farbig gewobenen wollenen Vorlagen mit Merinos bezeichnete, verfehlten nicht, auf dem Weltmarkt in Manufakturen ungeheures Aufsehen zu erregen, da sowohl das feurige, äusserst solide Rot des Grundes als auch die lebhaften, unter sich kontrastierenden Illuminationsfarben die Bewunderung der Käufer als etwas noch nie Dagewesenes erregten. Nach v. Kurrer konnten Nicolas Köchlin & Gebrüder in Mülhausen und Merian & Köchlin in Lörrach die „Merinos riches“ d.h. die vollilluminierten Türkisch- •) Nach Brockhaus C. L. beherbergte die Stadt Kaschmir im nordwestlichen Teil des Himalaja im vorigen Jahrhundert 16,000 Webstühle zur Erzeugung der nach ihr genannten Stoffe; über das in denselben fast ausschliesslich verwendete Palmblattmotiv berichten die früher zitierten Werke von Fischbach & 0. v. Schorn und Dr. Hampe’s „Katalog der Gewebe- sammlung des germanischen Museums“ nur sehr kurz, obwohl dasselbe im XIX. Jahrhundert sowohl in der farbigen Weberei von Wolle, Baumwolle und Leinen als auch in der Druckerei, besonders derjenigen der Chäles und Mouchoirs, ab und zu eine wichtige Rolle gespielt hat. ’) Dollfus-Ausset’s „Matöriaux“ Bd. I S. 207. 171 rot-Aetzdrucke während mehreren Jahren zu Fr. 9—10 per Stab, als- Indiennes gedruckt, und zu Fr. 60. — per 1 Dutzend Chäles in 6 / 4 Ellen Breite verkaufen. Nachdem dann das Geheimnis der Fabrikation sich gelüftet und fast alle Länder Europas, besonders aber England und die Schweiz sich derselben bemächtigt hatten, vermochte doch die Produktion wegen des starken Absatzes und der langwierigen Färbe- und Druckoperationen noch lange Zeit der Nachfrage nicht zu genügen. 1820 erfuhr der Artikel „Merinos“ eine neue Bereicherung*); nachdem nämlich der Chemiker Lassaigne ein Jahr zuvor durch Laboratoriumsversuche bewiesen hatte, dass sich Chromgelb (chromsaures Blei) direkt auf der Gewebefaser entwickeln lässt,, gelangte Daniel Köchlin als Erster dazu, diese den bisher bekannten Pflanzengelb in Feuer und Sattheit überlegene Farbe im Grossen in der Färberei und Druckerei und namentlich auch zum Gelbätzen türkischroter Tücher anzuwenden. Auch wusste er in der Folge seine Aetzmethode für verschiedene andere Grundfarben passend zu machen und dadurch neue und mannigfaltige Genres zu erzeugen; die Zugkraft derselben war jedoch im Vergleich zu dem klassischen Türkischrotgrund mehr vorübergehender Natur* weshalb wir diesbezüglich auf die Fachlitteratur, besonders auf Persoz und v. Kurrer, verweisen. Dagegen müssen wir noch mit einigen Worten auf jene erste schottische Aetzmanier zurückkommen. Während es nämlich nicht möglich ist, Türkischrot in ähnlicher Weise wie den gewöhnlichen Krappartikel zu erstellen* war es in Ostindien nach dem Knüpfverfahren (S. 35) gelungen* die sog. Bandana- Tüchel, türkischrote, weissgetupfte Mouchoirs zu erzeugen. Da dieselben auch in Europa guten Anklang fanden, bemühte man sich in Schottland dieselben nachzuahmen; indem man sich einerseits an das von den Indiern angewandte Prinzip anlehnte und anderseits ebenfalls angesäuerten Chlorkalk zur Zerstörung des roten Grundes anwandte, gelangte man zu folgendem Verfahren: Man brachte das türkischrote Baum Wolltuch auf eine Bleiplatte, welche in Form zahlreicher „Bollen“ („Mouches“) oder Vierecke (Carreaux) gelocht war; alsdann legte man darüber eine •) Dollfus-Ausset’s „Materiaux“ Bd. I S. 243. 172 zweite, der untern in der Lochung absolut gleiche Bleiplatte, die mit einem Rand versehen war, presste beide zusammen und schüttete das Aetzmittel oben auf, so dass dasselbe sich durch •die das Dessin bildenden Löcher und durch das in denselben blossliegende Tuch in ein untenstehendes Gefäss ergoss und nur noch eine Naehspühlung mit Wasser nötig war. Später konstruierte der Druckfabrikant Monteith in Glasgow zur Steigerung der Produktion besondere Maschinen (die „Brahama“- und dann die ,,Dis-charging“-Pressen), bei welchen man ein ganzes Stück, in Falten von der Grösse eines Mouchoir gelegt, zwischen die Platten einschraubte, hierauf den angesäuerten Chlorkalk bezw. das Spühlwasser unter hydraulischem Druck durchdrückte und so in einer einzigen Operation eine grössere Anzahl Tücher fertig brachte. In der Folge erzeugte man auch gelben Aetzdruck, indem man nach der Aetzung eine Bleiauflösung durchpresste und nachher in Kaliumbichronnat ausfärbte. Nachteile dieses Verfahrens waren, dass man stets nur ei nfarbigen, weissen oder gelben Aetzdruck erzielte und dass es sich nur für abgepasste Ware in einfachen, ziemlich plumpen Mustern, wie sie damals im Mouchoirs- artikel noch verkäuflich waren, eignete; ein Vorteil hingegen lag darin, dass der Chlorkalk nur die zu ätzenden Stellen berührte und der rote Grund daher stets seine volle Frische bewahrte, während die Ueberwachung der Köchlin’schen Chlorkalkküpe immerhin grosse Aufmerksamkeit erforderte. Die schottische Aetzmethode blieb auf ihr Ursprungsland beschränkt, war aber eine Zeit lang stark im Gange, indem dort noch im Jahr 1838, nach v. Kurrer, 124 solcher Discharging-Pressen arbeiteten. 173 7. Die glarnerische Zeugdruckerei im XVIII. Jahrhundert. Den Grundstein zu der in verschiedenen Perioden blühenden glarnerischen Zeugdruckerei legte der Hauptmann und spätere Landmajor Joh. Heinrich Streiff (als Sohn von Bataillonskommandant Frid. Streiff geboren 1709, Landvogt im Thurgau 1768/69,. gestorben 1780), indem er 1740 ein Etablissement in Glarus erbaute. Dasselbe, am Oberdorfbach unmittelbar unter dem jetzigen Heimwesen von Frau Witwe Blumer-Schindler gelegen, bestand aus einem nun seit mehreren Jahren abgetragenen Bureau- und Magazingebäude, der (nach abwärts) darauf folgenden kleinen „Walke“ und dem ansehnlichen Druckereigebäude (seither Gravieranstalt von Herrn Frid. Zwicki, vormals Firma Wespi & Zwicki und bis zu dem jüngst stattgehabten Brande auch Werkstätte vom Herrn Schreinermeister Gähler). Selbst nicht Kolorist, berief Landmajor Streiff, den die direkte familiäre Ueberlieferung als einen energischen und klarblickenden Mann schildert, einen Herrn Fazy,. der bekannten Indiennesdruckerfamilie dieses Hamens in Genf angehörend, zu sich, damit er ihm den Blaudruck-Artikel (Druck von „Reserveweiss“ mit darauffolgender Indigoküpenfärberei) einführe. Fazy, in zürcherischen Quellen Fatio genannt 1 ), brachte eine grössere Anzahl von Jahren in Glarus zu, wenn er auch (wahrscheinlich weil unverheiratet) in den glarnerischen Civil- Standsakten nirgends erwähnt wird. Er kehrte später nach Genf zurück; jedoch noch zu Anfang unseres Jahrhunderts zeigte man in der Fabrik sein ehemaliges Arbeitszimmer, das sog. Fazy-Stüb- chen. Fabrikant Streiff scheint aber auch mit Neuenburg, dem damals wichtigsten Sitz der schweizerischen Druckindustrie, Beziehungen unterhalfen zu haben, da seine zweite Frau von dort stammt und da er seinen einzigen Sohn an eine Schule in dieser Stadt schickte, wo er als 19jähriger Jüngling starb. Die Fabrik, die nach Camerarius Tschudi (s. T. I S. 49) „In-- diennen“, „Persiennen-facon“ und „Schnupftücher“ erzeugte, erfreute sich eines recht guten Rufes; eine Bestätigung hiefür liegt. *) Vergl. S. 87, T. II. 174 •auch in dem S. 127 erwähnten Vorkommnis mit dem jungen Greuter von Islikon. Im Jahr 1761 kam Streiff, nach dem Glarner Tagwenspro- tokoll, um die Bewilligung ein, ein Wasserrad in den Oberdorfbach einsetzen zu dürfen, was ihm gestattet wurde; es handelte sich dabei wohl um die Ingangsetzung einer Calander, da man von andern durch Wasserkraft getriebenen Einrichtungen in den damaligen glarnerischen Druckereien keine Kunde hat. Speziell das Waschen geschah durch Einhängen der Stücke in Giessendes Wasser, Pritschen mittelst Holzschlägeln und Walken von Hand, welch’ letztere Manipulationen in einzelnen primitiv arbeitenden Fabriken sogar noch in den 1840er Jahren ausgeübt wurden, während in den fortgeschrittenem vom Anfang des XIX. Jahrhunderts an „Pritschmaschinen“ (oder sog. Quatschehäspel) Eingang fanden. Die in England 1802 konstruierten Wasch- oder Flotschräder gelangten erst 1820 ins Eisass und jedenfalls erst daraufhin in unser Land. l ) Von dem schriftlichen Nachlass Streiffs ist zufälligerweise ein fast vollständiger Geschäftsabschluss aus dem Jahr 1769 erhalten geblieben, welchen sein Urenkel, der 1899 verstorbene Herr Ratsherr Heinrich Blumer-Tschudi in Glarus, die Gefälligkeit gehabt hatte, dem Verf. zur Verfügung zu stellen. Da dieses Inventarium, bei der Seltenheit ähnlicher Dokumente, allgemeines Interesse beanspruchen darf, lassen wir es in extenso folgen. Dabei schicken wir voraus, dass, um die Uebersicht nicht durch zu viele Anmerkungen zu stören, erläuternde Zusätze an verschiedenen Stellen in Klammern beigesetzt wurden, während alles Uebrige wörtlich mit dem Original übereinstimmt. Im Soll und Haben der Bilanz ist die Hauptrubrik in Glarnergulden (mit 101,3 fl. bezeichnet, da deren IO 1 /,, auf eine Golddublone oder einen Louisd’or äFr. 23.70 heutiger Währung gingen) geführt und zwar zerfielen diese Gulden in 60 „ideale“ oder Rechnungs-Kreuzer In einer vordem Kolonne fand alsdann die Rechnungsstellung bei gewissen Posten in derjenigen Sorte Gulden statt, nach welcher die bezüglichen Geschäftsfreunde rechneten und zwar in diesem konkreten Falle im Soll nach Reichsgulden (“ fl.), deren 11 auf eine Dublone (in früherer ') S. „Färberzeitung“ von Dr. Adolf Lehne (Heft I Jahrg. 1900) und Dallfus-Aussets „Materiaux“ (T. I S. 243). 175 *> Orthographie „duplone“ oder abgekürzt „dup.“) gingen, für Handelsleute in St. Gallen, Appenzell, Thurgau und auch Winterthur, im Haben einige nach Zürchergulden ( l0 fl.), ein einzelner Posten in Baslergulden ( 10S bfl.). Die Additionssumme der vordem Kolonne wurde alsdann in Glarnergulden verwandelt und in dieser Form in die Hauptrubrik übergetragen. 1 ) Waarenconto. An Cipro B’wolle (Baumwolle von Cypem) sind nocli 10 ganze Ballen .... Pfd. 2650 Die Wagmeisteri restiert . „ 151 Item Resten. „ 66 Pfd. 2867 k fl. 60. — °/„ An Garn liegen hier 3100 sehn. (Schneller) ä, 6 kr. . . Heinrich Grob hat Garn Pfd. 895 j . _ Ammann Jakob Beiz „ „ „ 560 ( a z. An Weiss und Rohen Tüchern St. 236 (ä 16 Stäbe) ä fl. 8 An Mouchoirs: St. 580 (ä 2 Dutz. Tfichel), Dozet 1170 sambt Resten ä fl. 6 V* per Dozet (= fl. 12 1 /» für ein ganzes Stück) An Indiäne St. 52, Stäb 830 Angeschnittene „ 70 j [macht ungefähr ebenfalls fl. 12 1 /« für ein ganzes Stück ä 16 Stäbe] Stäb 900 ä 12 Bz. l01 =fl. kr. 1720. 12 310. — 2321. 20 1888. - 7312. 30 720. — 14272. 2 Es sind noch 3 Ball. holl. B’wolle, die nicht auf dißerem Cto. begriffen nebst 1 Ballen Ciprische, welche man sich bisanhin noch nicht geeignet. *) Bei Abfassung der kurzen „Orientierung in den alten Glarner Münzen“ etc. auf S. 53 T. I war der Verf. der Beglaubigung, dass wenn die Buchführung glarnerischer Handelsleute in Gulden ä 50 Schillingen geschah, es sich um Glarnergulden, wenn aber in Gulden ä 60 Kreuzer, es sich um Reichsgulden gehandelt habe. Seither überzeugte er sich, dass die letztere Schlussfolgerung unrichtig war, indem die Einteilung des Guldens in 60 Kreuzer von Seite der Kaufleute in der ganzen Schweiz vorzugsweise gebräuchlich war und auf jegliche Art Gulden bezogen wurde; es gab somit ebenso vielerlei Arten Kreuzer als Gulden, wenn auch manchmal, wie gerade in Glarus, die einen und die andern gar nicht geprägt wurden, sondern als „ideale“ Münzen lediglich zur Rechnungsführung dienten. "Welche Art Gulden man für letztere wählte, das wurde, wie oben erwähnt, durch eine kleine entsprechende Ziffer vor dem Guldenzeichen angemerkt; es war dies umso nötiger, als in Glarus (und wie es scheint auch in Winterthur) manche Handelsherren ihre Bücher nach Reichsgulden führten und nur die Schlusssummen in die kantonalen Münzen umrechneten. Als Abkürzung für Gulden (florin) ist oben „fl.“ gewählt, während früher „f“ oder „fn.“ gebräuchlich war. 176 SOLLEN Bilanz ultimo dup. a tl. 11 (Reichsgulden) dup. äfl.lO 1 /* (Glarnergulflenf fl. kr. fl. kr. Waaren-Conto (Bohe, halbfertige und fertige Waaren) • » . 14272. 2 Imprimage-Conto (Droguen) . 9095.51 1 /* Cassa-Conto (Baarschaft) . 6057. 5 Mr. (Meister) Heinrich Glarner (Glarus) . 42.17 Mr. Jakob Biss (Glarus) . 132. 8 Ammann Jacob Beiz (Appenzell A. Bh.) . 567.11‘h Joh. Heinrich Grob „ . 87. 7 H. Landvogt Joh. Heinr. Schüler (Glarus) . 61.15 Matheus Hössli in Ennetbüels . 59.11 H. Budolf Jenny & Comp, (so hiess nach ihrem Stifter wahrsGhelnliEh damals die grosse Wienerhandlung in Ennenda, die später auf „Jenny, Aebli & Comp.“ lautete). . 22.40 H. Bathsh. Petter Blumer sei. Massa (Schwanden) . . . 260.45 „ Trümpi, Altmann & Comp. Ennenda. 1402.41 „ Jost & Georg Bauch (Buch) Mitlödi . , , 213.52 1 /2: „ Johann Heinrich Kundert & Comp . 1182-46 „ Baltassar Oertli & Comp. (Ennenda) . 657.290 „ Caspar & Hs. Conrad Schulthess (Zürich) . 4.30 „ Gebrüder Faller in Bischofzell . 69.40 „ Johann Heinrich de Ludwig Locher (Zürich) .... 121.30 „ Vonweiller & Studer (St. Gallen?) . 200.30 „ Friderich de Friderich Girtanner (St. Gallen?) . . . . 2946. 2 „ Benjamin Wegmann (St. Gallen?) . 28.24 „ Mathias Sulser & Comp . 25.12 „ Hs. Budolf Hirzel (Zürich) . 13.30 „ Gebrüder Steiner (Winterthur?) . 263.34 „ Heinrich Bitz & Sohn . 57.22M2 „ Joh. Jacob Tschudi & Comp. (Schwanden) . 809.30 „ Mathias & Melchior Börner (Zürich ?) . 344.24 „ Felix Nüscheller . 56.28 „ Jenny & Schiesser (Ennenda, Glarus und St. Gallen) • • • 825.120* „ Schobinger & Zollikofer (St. Gallen ?). 351.24 „ Appenzeller & Wetter „ . 512.50 „ Daniel & Ambrosio Messmer . 89.10 „ Marcell Hofmann & Comp . 793.52V! „ v. Mayr Jonathan Ufenheimr . 2816.54 „ Joh. Heinrich Iselin, Hr. Hauptm’s (Glarus) .... 115. 7 „ Fassnacht Sr Comp . 38.480* „ Salomon Hess (Zürich?) . 135. - „ Daniel Fehr zum Hirschen St. Gallen) . 121.37'L „ Joh. Jacob Gonzenbach (St. Gallen) . 54. „ Jacob Bordorf (Zürich?) . 73.18'ls „ Spörry Schweitzer & Comp . 70.18 „ Gebrüder Lürmann . 2793.28V2 „ Joh. Jacob Lutz . 1371.3 „ Johannes Heinsselmann . 378.270t „ Fehr & Beuchli . 8.34 „ Melchior Schiesser & Brüder . 197.15 „ Schulthess Fehr in Frauenfeld . 317.30 „ Daniel Fehr gen. Brunner . 48.10 „ Johann Friderich Müller. 738.32 „ Amb°- Boner in Venedig. 622.330* „ Johannes Altmann in Eneda. 236.470* „ Bernhardt Wegmann. 13.30 „ Vetter Fridolin Streiff. 443.20 „ Thomas & Davidt Höfti. 123. 12693.34= 12016.34 J51657.42 Xbre 1769. 177 HABEN dup. a fl. lOldup.äfl.lO 1 !» jVziircherguld.) | (ßiarnerguld,) Capital-Conto. (repräsentiert, das durchschnittlich im Geschäft arbeitende Kapital, jedoch mit Ausnahme der Anlagekosten der Immobilien und Utensilien d.h. des Etablissements- Conto, über welchen Angaben fehlen. Nach Analogie von zur Verfügung stehenden Zahlen aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts darf derselbe auf zirka fl. 10,000. — angeschlagen werden. Wagmeister Christ. Iselin.■ Hr. Niclaus de Beinhardt Hurscher. „ Johann Jacob Obermeyr. „ Franz Bernoulli & Sohn fl. 617.5510 ä fl. 10 5 /, p. dup. . „ Johannes Schlüpfer. „ Gebrüder Schlüpfer. „ Andreas de Benjamin Wehrlin. „ Hs. Jacob Schulthess Elter. „ Tauensten zum Steiner Erkel. „ Bathsh. Christof Tschudi. fl. kr, i fl. kr. . . 48691. 2 598.31 94.80 13.30 . . 608.15 . . 347.15 . . 540.10V 647.56 . . 30.24 7.52 , , 48 .56 688. 1 = 722.21 51657.42 178 Inventarium de ultimo Xbre 1769. Imprimage-Conto. IndigO (Glarnergulden) ein Fass beträgt laut Faktura fl. 2807. 34 j . , . daraus Pfd. 120 prob. ... fl. 336. — i les ler in einem Fass Resten Pfd. 314 k fl. 2. 54 . . . 910. 36 an Guatimalo (besten Indigo) 2 Kisten No. 1/2, fl. 1140.- dup. k fl. 11 . 1088. (d. b. Reichsgulden wie auch die 2 folgenden Posten) einKisten dittoNo. 355 Pfd. 114 3 A fl. 631.7 — dnp. ä fl. 11 602. 33 2 „ „ No.292/3 „ 1827, „ 984.30 „ „„ 11 939.45 Resten feinen Pfd. 19 & fl. 5. 10 kr. 98. 10 an geweicht und geribnen 6 (Portionen) Ind.° k. fl. 124.48 748. 48 Olium Vitr. (rauchende Schwefelsäure oder sächsisches Vitriolöl in Steinkrügen) zwey Kisten No. 239/240 Pfd. 233 k 38 kr. — fl. 147.34 drey „ „ 739 k 741. „ 221.40 abgelert Pfd. 20. „ 12.40 fl. 381.14 370. 22* ,. [dup. ä fl. HJ Vitr. di Cipro (Cyprischer Vitriol = Kupfervitriol) 2 Fässl. von Heinsselmann Pfd. 438 . fl. 191. 43 i „„„ ,, Item Resten netto Pfd. 86 ä 44 fl. % . „ 37. 50 j Wachs Gelbs netto Pfd. 927, ä 52 kr. . . . fl. 80. 10 ) . , „ Weisses „ 34 ä 16 Bz. . . . „ 36. 16 ( An Vitr. Liiker u. Engl. (= Eisenvitriol; der beste kam von Lucca oder Lucques in Italien, daher die Bezeichnung „Lüker“). 2 ganze Fass Nr. 132 u. 167 nebst Resten .... 350. — An Amlung (weisse Weizenstärke) Pfd. 320 ... . 40. — An Äschen 1000 Köpf. 40. — An Gommv (Senegal-oder arabischer Gummi) Pfd. 214 ä fl. 60. — °/ 0 . 128.24 An Verde (Grünspan) sind noch vorhanden 19 Br. ä Pfd. 20 = Pfd. 380 ä 12 Bz. 300. — An Erden (Pfeifenerde oder weisser Thon) ohngemahlene 10 Fass, gemahlene 6 Fass .... 600. — An Grapp Pfd. 102'A ä fl. 60.— %. 61. 30 fl. 9095. 51b, 179 Obiger „Waarenconto“ macht uns mit der interessanten That- sache bekannt, dass Fabrikant Streift nicht, wie mehrere seiner ihm nachfolgenden Konkurrenten, nur im Lohn („äfatjon“) für die Handelsleute druckte, sondern dass er, wenigstens für den grossem Teil seiner Produktion, von der rohen Baumwolle an bis zum fertigen Tuche alles in seinen Händen vereinigte. Die cyprische Baumwolle, die er über Venedig bezog, liess er im Lande Glarus verspinnen, sandte das Garn an appenzellische Stückfergger zum Verweben und übergab die erhaltenen Stücke „seinem Vetter Fridolin Streiff“ in Glarus zum Bleichen; alsdann bedruckte und färbte er sie und verkaufte die fertige Ware an Handelsleute, besonders an diejenigen von Ennenda, die in Oesterreich, Russland, Deutschland und Italien etabliert waren, an einige andere kantonale Firmen sowie an Kaufleute in St. Gallen, Winterthur und Zürich, die hauptsächlich nach Frankreich, Spanien und Deutschland Geschäfte machten. Wie die Angaben im Imprimage- und im Waren-Conto beweisen, handelte es sich damals hauptsächlich um weissgemusterte Indigoblauböden; die verwendeten Droguen lassen erkennen, dass man sich der kalten Eisenvitriolküpe und teils mechanischer Wachsreserven, teils vorwiegend chemisch wirkender (aus Kupfervitriol und Grünspan nebst Pfeifenerde und Gummi bereiteter) Schutzpappen bediente. 1 ) Die Produktion bestand zum kleinern Teil aus Indiennes und zum grossem Teil aus Mouchoirs in der Breite N° 7, später 7 / 4 genannt (76 Centimeter roh), wovon ein Stück von knapp L6 franz. Stäben 2 Dutzend Tüchel nebst den 2 Enden ergab. 2 * * * * ) Das Garn, das in Glarus liegt und ä 6 Kr. per Schneller gewertet wird, ist offenbar in Qualität identisch mit demjenigen, welches sich bei den appenzellischen Stückferggern Heinrich Grob und Jakob Beiz befindet; nur wurde es den Letztem, wegen des Vergleichs mit ’) Ein Rezept für eine solche chemische Reserve (neben Kupfervitriol noch Alaun enthaltend) trägt im „Manuscript Ryhiner“ die Jahr- zahl 1738. 2 ) Indem wir in Betreff der verschiedenen Breitebezeichnungen auf einen spätem Abschnitt verweisen, bemerken wir an dieser Stelle bloss, dass die auf dem Handwebstuhl schwach gespannten Stücke in der Bleiche sehr wenig eingingen und sich daher die fertige von der rohen Breite nur unbedeutend unterschied. 180 der Menge der daraus zu webenden und nach Glarus zurüclc- zuliefernden Stücke nicht unter Angabe der Schneller, sondern dem Gewichte nach übergeben, daher der Preis mit 24 Batzen per Pfd. ausgesetzt ist. Die Kenntnis des Preises per Pfd. und per Schneller ermöglicht einen Schluss auf die Kummer des Garnsund zwar ergibt sich ziemlich genau No. 16 altschweizerisch, also- gröbstes Indiennesgarn (vergl. T. I S. 87). In der That hat die Prüfung von noch erhaltenen, in der Streiffsehen. Druckerei im. XVIII. Jahrhundert hergestellten Musterabschnitten, indigoblauer Nastücher ergeben, dass sie in Zettel und Schuss der Mehrzahl nach aus ungefähr No. 17er Garn altschweizerisch (=No. 20 engl.) erzeugt waren und dass sie auf 1 j i franz. Zoll 13—14 Fäden im Zettel und 10—12 im Schuss hielten. (Eine kleine Minderzahl von. Mustern waren nur I3 / 9 fädig und hatten im Zettel No. 17er, im Schuss No. 15er Garn altschweiz.). Nehmen wir zusammen in Zettel und Schuss 26 Fäden von No. 16—17 altschweiz. als Norm an, so finden wir, dass ein Stück von 16 franz. Stäben in Breite- No. 7 (roh 76 cm) rund 3 Pfd. gereinigte Baumwolle oder 50 Schneller Garn erforderte. J ) Mit Hilfe dieser Daten und einiger weniger anderer verbürgter Angaben aus jener Zeit ist es möglich, sich ein zusammenhängendes Bild von den Herstellungskosten der glarnerischen Druckwaren im Jahr 1769 zu machen, wobei wir bemerken, dass die damaligen Preise ein ziemlich gutes Mittel für die zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts darstellen. 2 ) Die Rohbaumwolle kostete nach S. 175 fl. 60.— per Zurzacher Zentner (Z. Ztr.), also 36 Kr. per Pfd., oder bei Annahme- von 10 °/ 0 Abgang, rund 40 Kr. per Pfd. als gereinigt; 1 Stück von 16 Stäben in Breite No. 7 erforderte nun folgende Materialien, Arbeitslöhne etc.: *) Hach heutiger Ausdrucksweise wogen 100 Quadratmeter dieser Nastücher zirka 10 Kilos, sie waren also verhältnismässig schwer und sehr grob- fädig. 2 ) Infolge der grossen Nachfrage nach Baumwoll- nnd Leinenzeugen waren die Spinner- und Weberlöhne von 1757—1764 in die Höhe geschnellt, lenkten aber von 1765 an rasch wieder in normale Bahnen ein; die Depression -in den Hungerjahren 1770/71 war nur vorübergehender Natur (vergl. T. I S. 116). 181 3 Pfd, gereinigte Baumwolle ä 40 Kr. = 120 Kr. Spinnerlohn für 50 Schneller No. 16/17er Garn altschweiz. ä 8 Kr.= 150 „ Kapitalzins u. Gewinn des Spinnerherrn = 30 „ Total 50 Schneller ä 6 Kr. (S. 175) = 300 Kr. = fl. 5. — Die Verteuerung im Weben und Bleichen betrug fl. 3. — und zwar zerlegen sich diese 3 fl. ungefähr wie folgt: Der Weblohn für ein löstähiges Stück groben Kattuns gewöhnlicher Breite betrug nach einer allerdings nicht näher begründeten Notiz im Manuscript Ryhiner 1766 durchschnittlich . 40 Kr. Sieden, Spuhlen und Zetteln des Garns, sowie Leim und Untei'halt der Webstuhlgeschirre schlagen wir, nach Analogie genauer Angaben aus späterer Zeit, an zu 18 „ Der Bleicherlohn betrug nach mehrfachen übereinstimmenden Angaben .... 12 ,, Der Best setzt sich -zusammen aus Löhnung und Gewinn des Stiickferggers u. Kapitalzins und Handelsgewinn des Weberherrn 110 ,, wobei zu berücksichtigen ist, dass letzterer gewöhnlich ein grosses Lager halten und mit einer bezüglichenZinseinbusse rechnen musste. JEiü gebleichtes Stück kostete. fl. 8. — Die Druck- und Färbekosten für Dunkel-Indigoblauboden mit zweiseitig gedrucktem Reserve- Weiss samt Gewinn des Druckfabrikanten finden sich S. 182 eingestellt mit. fl. 4 1 / 2 Verkaufspreis für ein fertiges gedrucktes Stück fl. 12 1 / 2 I Ueber die dabei bezahlten Drucker- und Handlangerlöhne sind wir nicht direkt unterrichtet; dieselben dürften jedoch von «denjenigen Basels (S. 107) kaum stark abgewichen sein, da Glarus damals industriell schon relativ stark entwickelt war und die dort Tür die Druckerei angegebenen Durchschnittslöhne ganz wohl mit den S. 116 T. I mitgeteilten glarnerischen Spinnerlöhnen im Ein- Mang steh-en. 182 Ein Aktenstück von 1776 beweist uns, dass Streiff, wenn auch nicht schon in den 1760er Jahren, so doch kurze Zeit nachher, ausser dem genannten noch verschiedene andere Artikel in Breite No. 5, 6 und 7 fabrizierte. In einem Geschäftsbuch von Frid. de Peter Blumer in Schwanden (S. 37 T. I) fand sich nämlich die Kopie eines Briefes, welchen derselbe am 13./24. Mai 1776 an Joh. de Melchior Steiner in Winterthur schrieb und worin er eine Anfrage des Letztem dahin beantwortete, Joh. Heinrich Streiff „die berühmteste und älteste Fabrik unseres Landes“ habe ihm für Fagondruck folgende Preise per Stück aufgegeben: Imprimage von Mouchoirs double face No. 5, 6 und 7 fl. ± 7 * do. Rot und Blau No. 6. » 774 JJ Gelb und Blau No. 6. 57 , )? Doppelblau No. 6. i) 57 , 5) Rotboden . 5 Weissboden mit Rot-Bordüre u. Innenwerken 27 , Ueber die Bedeutung dieser verschiedenen Bezeichnungen sind wir nicht auf blosse Vermutungen angewiesen, da, wie schon angedeutet, eine ziemlich reichhaltige Kollektion von Mustern, die- von Joh. Heinr. Streiff, bezw. von seinem Nachfolger Joh. Heinrich. Blumer im XVIII. Jahrhundert fabriziert worden sind, erhalten blieben und von Ratsherr H. Blumer-Tschudi, einem Enkel des- Letztgenannten, dem Technischen Verein des Kantons Glarusseinerzeit zur Verfügung gestellt wurden. Die Mouchoirs „double- face“ waren die Dunkel-Indigoblau mit Weiss, bei welchen das Reserveweiss auf beiden Seiten aufgedruckt und damit bewirkt, wurde, dass die Küpenflüssigkeit sich vollständig von den bedruckten Stellen fernhielt und die Ware schliesslich beidseitig genau gleich aussah. Noch begehrter waren die „Doppelblauen“, in ähnlicher Weise hergestellt, indem man mit Wiederholung des Reservedruckens und Färbens Dunkel- und Hellblau oder „Doppel!- blau“ mit Weiss erzeugte. Die Mehrzahl in der Kollektion bilden? die „Rot und Blauen“ d. h. Dunkel-Indigoblaue Mouchoirs mit, viel Weiss, bei welchen man die weissreservierten Stellen nachträglich mit Rot allein oder mit Dunkelrot und Rosa „illuminierte“ 1 oder „rentrirte“. Rot und Rosa sind mit Rotholzabsud, Alaun,. Zinn- und eventuell Kupferlösungen als „Applikationsfarben“ er- 183 stellt, das Weiss ist rein und alle Farben sind ausserordentlich frisch und satt erhalten, sodass sie ein beredtes Zeugnis für die damalige Reüssite der Ware in der Streiff’schen Fabrik abgeben. Die Ausrüstung mit etwas Glanz weist auf eine leichte Cylindrie- rung hin; die Muster zeigen Strichrande und Carreaux, sowie- stilisierte Blätter und Blumen. Unter der in obiger Faconofferte vorkommenden Bezeichnung „Gelb und Blaue“ dürften nach Analogie noch vorhandener Indiennes-Stoffmuster Mouchoirs Hell-Indigoblau mit reserviertem Weiss und nachträglicher Illumination mittelst Eisen-Nankin (welche rostfarbige Nuance damals öfters mit Gelb bezeichnet wurde) verstanden sein, eine Kombination solider Farben, welche im XVIII. Jahrhundert erwiesenermassen behebt war. Bei den „Rotboden“ handelte es sich wohl um Krapprot, ebenso bei den „Weissboden mit Rotbordüre und Innenwerken“, sofern bei letztem billigem Artikel nicht etwa Applikationsrot zur Anwendung kam, was zu entscheiden nicht möglich ist, da sich von diesen beiden Artikeln keine Stoffmuster erhalten haben. Die Mehrzahl der erwähnten Far-onpreise erscheinen gegenüber denjenigen von S. 108/9 hoch, wenn wir auch berücksichtigen, dass dort eine Stücklänge von 15 und in Glarus eine solche von 16 aunes zu Grunde gelegt ist; die Differenz lag wohl in dem zweiseitigen (doppelten) Druck und in dem starken Erfordernis an teurem Indigo für diese blauen Sacktücher, sowie auch in dem Umstande, dass abgepasste Ware verhältnismässig überhaupt einen hohem Drucklohn bedingt als lange Ware. Aus dem Ende des XVIII. Jahrhunderts haben sich auch noch eine Anzahl Papierzeichnungen aus der Streiff’schen Fabrik vorgefunden und zwar in Indiennes: ein- und zweihändige Weissböden mit kleinen Objekten in Krappfarben und ähnliche Dessins nur mit Schwarz, für Nankingrund bestimmt; in Mouchoirs: Weisse und gedeckte Böden für Krappfarben (braun, rot und auch rosa) mit Illumination von Englischblau oder Tafelgelb; Weissböden mit Krappschwarz und Krapplila; schliesslich eine ziemliche Anzahl 6—8färbiger, in Applikationsfarben auszuführende Zeichnungen für grosse Kopf- oder Brusttücher mit reichem Blumen- 184 und Blätterwerk, bei einzelnen in Verbindung mit' Sinnbildern der französischen Revolution und mit bezüglichen Inschriften, wie „Constitution frangaise“ und „Vaincre ou mourir“. Eines dieser Papierdessins trägt die Anmerkung „anno 1797, d. 31. Aug.“ Nach dem Tode Fabrikant Streiffs führten seine Schwiegersöhne, die er schon früher ins Geschäft aufgenommen hatte, dasselbe weiter; es waren dies IX er Richter Joh. Tschudi (1746-1793), ein Enkel jenes T. IS. 37 erwähnten Baumwollen- und Garnhändlers Joh. T., und Kaufmann Joh. Heinrich Blumer (1753—1844). Schon ums Jahr 1783 trennten sie sich jedoch in der Weise, dass Blumer das Stammgeschäft behielt, während Tschudi, der sich 1776 in zweiter Ehe mit Barbara Marty, einer Tochter des Dr. und Chorherrn Bartholome M. vermählt hatte, unmittelbar unterhalb eine eigene kleine Druckfabrik erbaute. Es war derselben jedoch keine lange Existenz beschieden; denn Tschudi starb schon 1793 und im gleichen Jahre kam auch seine im Beruf ebenfalls lebhaft thätige Frau ums Leben, indem sie am Zipfel ihres Halstuches von einer Calander erfasst und auf diese Weise erwürgt wurde. Das Geschäft, durch ihren Vater, Dr. Marty, und ihren ältesten Sohn, Kaufmann und Richter Joh. Christof Tschudi, unter dem alten Firmanamen noch einige Zeit fortgesetzt, kam spätestens 1798/99 zu gänzlichem Stillstand. (In den 1850er Jahren nahm die Regierung die Fabrik als Einquartierungslokal in Pacht, weshalb man sie von da an als „Kaserne“ bezeichnete, bis sie in der Brandnacht des Jahres 1861 der Zerstörung anheim fiel). J. Chr. Tschudi besass übrigens oberhalb der Streiff’schen oder nunBlumer’schen Fabrik noch eine Getreidemühle samt Wasserrecht und Areal, auf welchem später die Druckfabrik Gabriel Trümpy entstand. Aus der Tschudi’schen Fabrik hat sich folgende nicht uninteressante Fagon-Rechnung erhalten: 185 Druckerlohn-Rechnung vom 5. März 1794. Von Johannes Tschudi im Oberdorf in Glarus an Heinrich Luchsinger & Cie. 2 Ballen zu ihrer Disposition pr. Frankfurt a/M auf die Post gethan: HL. Ko. 1 u. 2 20 Stück Houcli. blau und weiss No. 6 j 20 ,. ,. „ ,. ,. ,.7} 48 St, ä fl. 4“, = fl. 216. 8 „ 12 8 8 1 26 12 6 30 14 15 6 19 2 1 blau und rothe Indiennes ,. ,. „ Moucli. hellblau u. roth 73 St. ä fl. 6'A 474.30 weissbodenu. roth (Krapproth?) No. 6 „ ?) « J ,. ,. viol. (Krapplila ?) ,. 6 « >■ » ( r ?) . 7 weissbodenu.blau No. 6 = 195.— r- I in 21 St, ?• r v v * Indiennes Doppelblau ,. 8 . Bleicherlohn von 64 Stück k 12 Kr. ä fl. 3 73.30 5.30 12.48 208 Stück k 16 aunes fl. 977.18 Diese Tschudi’sche Druckfabrik war indessen nicht die zweitentstandene im Lande gewesen, denn schon früher hatte Mollis eine solche durch Fridolin Streift (1789 —1817) erhalten. Derselbe, ein Sohn Tagwenvogt und Landschreiber Joh. Balthasar’s in Glarus und ein Neffe Landmajor und Fabrikant Joh. Heinrich Streiff’s, begab sich, nach der direkten familiären Ueberlieferung, als junger Mann nach Basel, um sich in einer dortigen Fabrik (jedenfalls in einem der Etablissemente Ryhiner) zum Farbkoch und Koloristen auszubilden. Dort machte er die Bekanntschaft einer Auguste Sophie Beglinger, die in Mülhausen einige Bildung genossen hatte und nun bei seinen Prinzipalen im Dienst stand, deren Eltern aber früher von Mollis nach Lörrach ausgewandert waren. Er vermählte sich schon Ende der 1750er Jahre mit ihr und kehrte nach Hause zurück, wo sein Vater von der frühzeitigen 186 Heirat nicht gerade erbaut war und dem jungen Paare vorerst seine Abhängigkeit fühlen liess. Landmajor Streift, von der Ansicht ausgehend, dass im Glarnerland noch Raum für mehr als eine Fabrik wäre, munterte seinen Neffen indessen auf, seine erworbenen Kenntnisse zu verwerten und ebenfalls eine Kattundruckerei zu errichten. Als sich dann 1760 die Gelegenheit bot, in Mollis einen einem Schwander Bürger Zopfi zugehörenden Komplex Liegenschaften samt Wasserrecht am „Mühlebrunnen“ (jetzt „Bodenwaldbach“ genannt) zu erwerben, half er mit eigenen Mitteln nach und bestimmte auch einen Verwandten, den Ratsherrn Joh. Heinrich Streift, Doktor beider Rechte, dazu, sich bei der Gründung der neuen Firma Friedrich Streiff & Cie. finanziell zu beteiligen. Unter mancherlei Entbehrungen und desto mehr Fleiss und Ausdauer wurde nun in dem neuen Geschäfte von Frid. Streiff und seiner Frau gearbeitet; der Erfolg blieb nicht aus; denn am Ende des Jahrhunderts hatte die Fabrik einen ansehnlichen Umfang gewonnen und sich für die Erstellung verschiedenartiger Indigo-Mouschoirs und -Indiennes einen guten Ruf erworben. Friedrich Streiff blieb Zeit seines Lebens ein strebsamer Geist, der sich nicht nur mit den, seinem Berufe nahestehenden chemischen und physikalischen Wissenschaften, sondern auch mit Kartenkunde, Arzneiheilkunde, Garten- und Obstkultur beschäftigte. Er genoss hohes gesellschaftliches Ansehen und in seinem Hause und Garten verkehrten sozusagen sämtliche Notabilitäten des Landes. Nachdem seine Frau inzwischen gestorben, verehelichte er sich 1791 zum zweiten Mal; dies gab die Veranlassung dazu, dass seine erwachsenen Söhne Joh. Balthasar und Lieutnant Fridolin sich von ihm trennten und ebenfalls in Mollis eigene Fabriken gründeten, ohne jedoch dabei vom Glück begünstigt zu sein. Joh. Balth. Streiff (1762—1828) baute „im Rüteli“, wobei sich sein Schwiegervater, med. Dr. und Ratsherr Conrad Schindler finanziell und Schatzvogt Joh. Heinrich Schindler-Weiss x ) (1757 ') Derselbe, ein Sohn von Strassendirektor und Landvogt Jacob Schindler (1729-1791) war ein Sammler historischer Begebenheiten, alter Urkunden etc. und erstellte ein Familienregister für die Gemeinde Mollis von 1570—1820,. welches der dortige Gemeinderat später erwarb und dem Civilstandsamt einverleibte. 187 bis 1820) aktiv beteiligten. Schon 1799 kam das noch unbedeutende- Etablissement zum Stillstand, bis es 1810 von Friedr. Schindler- Streiff (1783—1852), einem Sohn des um die Gemeinde und das Linthwerk vielverdienten Präsident Conrad Schindler im „Haltii“ (1757—1841), angekauft und in eine Wolltuchfabrik umgewandelt wurde. Lieut. Frid. Streiff (1765—1836) errichtete eine kleine Druckerei „im Jordan“, veräusserte sie aber schon nach wenigen Jahren an die Gebrüder David und Kaspar Beglinger von Mollis, die ihrerseits den Betrieb 1798/99 einstellten. So stand sie leer bis ungefähr 1828, in welchem Zeitpunkt der in Glarus als Druckermeister sich aufhaltende Joh. Georg Karrer-Iselin von Aussersihl (1799-1843) sie erwarb und als Baumwolldruckerei wieder in Gang setzte. Die noch vorhandene Korrespondenz der Handelsfirma. Luchsinger & Streiff in Glarus erwähnt in den 1790er Jahren auch: einen Lieut. Jacob Lager als Fa^on-Drucker in Mollis; dort angehobene Nachforschungen blieben resultatlos, so dass man annehmen muss, derselbe sei vorübergehend und nur kurze Zeit Besitzer oder Mitbeteiligter von einer der soeben genannten zwei Molliser Druckereien gewesen. Als Nachtrag zu T. I S. 124 möge hier noch eingeschaltet, werden, dass die Kirchenbücher von Mollis in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts auch einen Frid. Schindler, Bleicher, erwähnen und darf man wohl vermuten, dass die Druckerei von ( Friedrich Streiff & Cie. die Veranlassung zur Errichtung eines. Bleichegeschäftes gegeben hatte. Am Ende des Jahrhunderts war dasselbe schon nicht mehr im Betrieb; möglicherweise befand es sich „im Rüteli“ oder „im Jordan“ und bildete später den Grundstock zu einer dieser kleinen Druckereien. Inzwischen waren auch in Glarus drei weitere Baumwoll- druckereien entstanden, von denen wenigstens eine — die Firma. Egidius Triimpy & Cie. — sich als ausserordentlich lebenskräftig erwies, indem sie gegenwärtig auf eine mehr als 100jährige Existenz., 188 .zurückblicken kann; sie verdient es daher, dass wir über ihre Gründung etwas einlässlicher berichten: In der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, da das von der Höhe einer grossen See- und Handelsmacht längst heruntergekommene Portugal durch den grossen Staatsmann und Minister Marquis v. Pombal vorübergehend zu neuem Leben erweckt wurde, standen dort auch die Druckfabriken im Flor. Als Besitzer einer solchen befand sich nun ums Jahr 1780 in Lissabon auch ein Glarner, Joh. Christoph Trümpy, geh. 1741 (dem ursprünglich von Ennetbühls stammenden Trümpy-Geschlecht angehörend). Durch welche Verbindungen derselbe dorthin gekommen ist, lässt sich nur noch mutmassen; seine Frau war eine geb. Abderhalden von Wattwyl (gest. 1792 in Lissabon) und da st. gallische Häuser dort Niederlagen unterhielten, könnten verwandtschaftliche Beziehungen zu Inhabern von solchen die Uebersiedlung veranlasst haben. Joh. Christoph Trümpy hatte einen einzigen Sohn Egidius (1768-1839), der als erwachsen anfänglich in der Indiennesdruckerei seines Vaters thätig war. 1792 sandte ihn sein Vater nach Glarus zurück, damit er sich einige Zeit in dem ihm befreundeten Handelsgeschäft Abraham & Joh. Heinrich Schindler (T. I S. 37) als Volontair be- thätige. 1 ) Hier machte er die Bekanntschaft der Susanna Schüler, Pannervortrager und Landvogt Heinrichs, und verheiratete sich 1793 mit ihr, worauf die beiden samt einer Anzahl glarnerischer Arbeiter wieder in die portugiesische Hauptstadt zurückkehrten. Pannerherr Schüler, der in den 1760er Jahren versucht hatte, die -Seidenweberei in Glarus einzuführen, war auch mit den Verhältnissen der glarnerischen Zeugdruckerei näher vertraut (der inzwischen verstorbene Joh. Heinrich Streiff war der Onkel seiner ersten Frau gewesen); er sah, dass dieselbe in stetem Aufschwung begriffen war und veranlasste daher 1796 seinen Schwiegersohn Egidius Trümpi, der inzwischen in Zerwürfnisse mit seinem Vater ’) In dem Lebensabriss über Egidius Trümpy in der „Allg. deutschen Biographie“, Leipzig, Verlag v. Duncker & Humblot, findet sich (neben einigen andern ungenauen Angaben) das Handelsgeschäft Abr. & J.H. Schindler irrtümlich als Indiennedruckerei bezeichnet. — Joh. Christof Trümpy blieb in Lissabon wahrscheinlich bis 1807 d. h. bis zur Invasion der Franzosen in Portugal; •er starb 1813 in Lyon. 189 - geraten war, in die Heimat zurückzukehren und in Glarus im folgenden Jahre unter der Firma Egidius Trümpy & Cie. ein Druckereigeschäft zu begründen. Er stellte ihm am Oberdorfbactq einige hundert Meter oberhalb der J. H. StreifFschen Fabfik, die nötigen Lokalitäten mit anfänglich 7 Drucktischen zur Verfügung und stand ihm auch sonst finanziell zur Seite; bald darauf wurde noch ein zweiter Schwiegersohn Schuler’s, Handelsmann Gabriel Trümpy (1772—1884), einer mit der Egidius’schen nicht verwandten stadtglarnerischen Trümpy-Familie entstammend, in die Societät aufgenommen. 1 ) Egidius war und blieb die Seele des Geschäftes, dessen Gedeihen er sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte; auch seine Frau half in den ersten Zeiten thatkräftig mit, die grossen Schwierigkeiten zu überwinden. Die Fabrik wurde zu einer hochgeschätzten Verdienstquelle nicht nur des Hauptortes,, sondern auch für die benachbarten Gemeinden Ennenda und Netstal;. 1829 zählte sie 2 ) 14 Firsten und war um diese Zeit die bedeutendste des Landes; im Mai dieses Jahres zog sich der Stifter derselben in den wohlverdienten Ruhestand zurück und übergab das Geschäft seinen vier ältesten Söhnen, Quartierhauptmann Heinrich. (1796—1876), Jägerhauptmann Jakob (1798—1860), Christoph (1800—1865) und Egidius (1803—1875). 1834 erfolgte der Bau der Färberei „in der Mettlen“ unterhalb Netstal. In den ersten Jahren ihres Bestehens gingen aus der Egidius. Trümpy’schen Fabrik hauptsächlich krappfärbige Waren, weisse- und gedeckte Böden, in der Aufdruckmanier erstellt, hervor. Bald, aber erweiterte sich der Kreis ihrer Produkte; ein leider nur papierne Referenzen enthaltendes Musterbuch aus dem Jahr 1817 zeigt uns eine ansehnliche Menge einfacher und komplizierter Mouchoirs- und Indiennes - Artikel, so z. B. Krappware in Aetzmanier,. krapprote Böden mit Uni-Gelb (Curcuma?) oder solche mit gelben, und grünen Tafelfarben als Illumination (darunter einige hübsche- Dessins mit „Chinoiserieen“ bemerkenswert), verschiedenartige- ’) Später, nachdem Gabriel Trümpy wieder ausgetreten und auch. Schüler inzwischen gestorben war, hiess die Firma lange Zeit nur nochj „Egydius Trümpy“. a ) Nach dem „Wegweiser durch den Hauptflecken Glarus“ von Schützen-- meister und Präsident Jakob Glarner, gedruckt 1831. 190 Olivböden, Indigoblau nur mit Weiss oder mit Tafelfarben illuminiert, auch ganz mit Gelb überfärbt (und auf diese Weise in „Grosvert“ verwandelt) und sogar schon die Erstlinge von Lapis- Indiennes. Besondere Erwähnung verdient jedoch die Thatsache, dass die Fabrik in demselben Jahre als erste im Lande die Türkischrot-Stückfärberei und den Druck auf Türkischrot aufnahm. Die ganz rot gefärbten Stücke wurden teils als solche verkauft, teils mit Tafelschwarz bedruckt und alsdann meistens mit „Adrianopel“ bezeichnet oder endlich nach dem von Daniel Köchlin (S. 169) erfundenen Verfahren geätzt. Die einfarbig weiss ■oder gelb geätzten und manchmal noch mit Tafelschwarz bedruckten hiessen „einfache Merinos“, die mit weissen, gelben, blauen, grünen und schwarzen Palmetten oder Blumen geschmückten Tücher nannte man „illuminierte Merinos“. Wenn auch nach und nach mehrere glarnerische (und viele auswärtige) Druckereien sich ebenfalls auf diesen in aller Welt so sehr begehrten Artikel warfen, so blieb Egidius Trümpy gegenüber den hiesigen Konkurrenten doch längere Zeit im Vorsprung, so dass die Handelsleute für „Egidi-Ware“ willig d / 2 fl- vom Stück zu 20 aunes mehr als den Andern bezahlten. Gefehlte Ware gab es bei dieser sehr schwierigen Fabrikation freilich viel, sowohl bei dem Uni-Färben als bei dem Aetzen, in manchen Fabriken oft die Hälfte der Produktion; doch war auch sie mit mehr oder weniger Rabatt in der Regel rasch verkäuflich; die Verständigung über die Höhe desselben bildete ein ständiges, unliebsames Thema in der damaligen Korrespondenz der Handelsleute mit den Fabrikanten. Ende der 1820er Jahre folgten andere Artikel; so wurde von England eine einhändige Rouleau-Druckmaschine eingeführt, welche bis 1853 mehr oder weniger in Betrieb stand und zum Druck von hell- bödigen Indiennes und Meubles in Krapp- und Dampffarben diente. Die zweite Druckerei, die in Glarus in den 1790er Jahren entstand, war diejenige der Firma Fridolin Staub & Cie. Wo die aktiven Inhaber derselben, „Meister“ dann „Fabrikant“ Fridolin Staub (1735 —1815) und sein Sohn Major Joh. Heinrich (1767—1841) ihre Wissenschaft gelernt, darüber fehlt jede Kunde; 191 dagegen erhellt aus dem Glarner Tagwensprotokoll, dass sie 1795 bereits fabrizierten und 1796 sich mit Chorrichter und Katsherr Frid. Iseli (1761—1821) verbanden und zu dieser Zeit von der Gemeinde ein Wasserrecht auf der Abläsch (auf dem nördlichsten Teil des Areals der heutigen Fabrik von Hrn. J. de H. Brunner) erwarben. Später wurde noch ein Verwandter, Fabrikant Matheus Staub (1760—1850), der sich längere Zeit im Eisass aufgehalten hatte, in die Societät aufgenommen. Frid. Iseli war hauptsächlich für den Verkauf der Produkte auf den Messen Deutschlands etc. besorgt. In der ersten Zeit fabrizierte diese Firma fast ausschliesslich Krapp wäre und zwar namentlich den Artikel „Schwarz mit Violet“ d. h. grosse weissbödige Kopftücher mit Krappschwarz und Krapplila; von den 1820er Jahren an beschäftigte sie sich mehr mit dem Färben und Aetzen türkischroter Tücher; ihr Etablissement hatte damals einen ziemlichen Umfang erreicht. Es folgte endlich die Fabrik der sog. „alten Glarner“. Wie schon T. I S. 61 gemeldet, befasste sich im XVII. und XVIII. Jahrhundert die zahlreiche Nachkommenschaft von Färber Ulrich Glarner (gest. 1661) in Glarus mit verschiedenen Zweigen der Wollindustrie. Da mit derselben jedoch nur ein sehr massiger Erfolg verbunden war, richteten im Jahr 1796 zwei Glieder derselben unter der Firma Gebrüder Frid. & Joh. Heinrich Glarner eine Baumwoll- druckerei „aufderPressi“ ein und fabrizierten namentlich Krappware, Chäles „Oliva“ (Beizenfarben in Wau oder Quercitron ausgefärbt) und Trauerkattune (d. h. in Blauholz oder Mischungen von Blauholz und Krapp ganz schwarz oder schwarz-weiss gefärbte Baumwolltücher). Die betreffenden waren FabrikantFrid.[Glarner (1762—1849) und sein Bruder Schützenmeister und Modelstecher Joh. Heinrich Glarner (1769—1855), zu denen sich bald auch ihr Vetter Tuchscherer Joh. Heinrich Glarner (1762—1832) gesellte (Glarner Tagwensprotokoll von 1796). 1816 erfolgte eine etwelche Vergrösserung der Fabrik, indem die Beteiligten [neuerdings um Platz für ein Druckereigebäude einkamen. Um diese Zeit erstellten sie die braun-weissen Tücher besonders schön; die allgemein verbreitete Sitte des Tabakschnupfens leistete damals und noch lange 192 Zeit dem Verschleiss der waschächten und dunkeln krappbraunen und indigoblauen Xastücher ausserordentlich Vorschub. Uebrigens fanden die Braunböden in grossem Breiten auch als Kopf- und Brusttücher guten Absatz; für dieselben fingen obige Fabrikanten Glarner an, nach dem Färben ins Weisse noch „Tafelgelb“ und „Apfelgrün“ (Tafelgelb mit Indigotinktur versetzt) einzupassen, welcher neue Artikel, nach ihnen benannt, sich lange Zeit gangbar erhielt. Wie schon früher angedeutet, fand die aufstrebende glarne- rische Druckindustrie von jeher kräftige Unterstützung durch die zahlreichen, mit dem Ausland verkehrenden glarnerischen Handelsleute. Von einigen wenigen derselben hat sich diesbezügliches schriftliches Material aus dem Ende des XVIII. und dem Anfang des XIX. Jahrhunderts bis auf unsere Tage erhalten; so besonders von Kaufmann Bartholome Streiff (1758—1828) und von der Firma Luchsinger & Streiff in Glarus. Herr Fabrikant Heinrich Streiff-Jenny, ein Urenkel des soeben genannten Bartholome Streiff, liess es sich angelegen sein, die diesbezügliche reichhaltige Geschäftskorrespondenz von den 1790er Jahren an bis auf die neuere Zeit zu siebten und dem Verf. in höchst ver- dankenswerter Weise zur Verfügung zu stellen. Die Ausbeute war derart, dass die vorliegende Abhandlung in mehrfacher Beziehung sehr lückenhaft geblieben wäre, wenn dieses handschriftliche Material nicht hätte gehoben und benutzt werden können. Zunächst ergab sich aus demselben Folgendes: Tagwenvogt Jakob Streift (1735—1796), ein Vetter des Gründers unserer Druckindustrie, widmete sich anfänglich fremden Kriegsdiensten und war „Cadet“ (Offiziersaspirant) im Piemont. Bald wandte er sich aber dem Handel zu; denn schon sein Reisepass von 1762 nennt ihn als Handelsmann, der Leipzig und andere Orte Deutschlands mit seinen Kaufmannswaren besuche. Sein Sohn, der oben erwähnte Kaufmann (und später Fabrikant) Barth. Streiff-Luchsinger, trat in seine Fußstapfen und machte Geschäfte teils für eigene Rechnung, teils für die Handelsfirma Heinrich Luchsinger & Cie. 193 als ihr Bevollmächtigter auf den Messen von Frankfurt a./M. 1 ) Seine Geschäftspapiere nennen als Artikel, welche die Handelsleute bei den verschiedenen glarnerischen Druckereien in den 1790er Jahren im Lohn erstellen liessen und dann an den bekannten schweizerischen und deutschen Messplätzen, besonders aber in Frankfurt a./M. und Leipzig verkauften, die folgenden: Indigoblau mit Weiss, Doppelblaue, Blau mit Rot, Weissboden mit Rot oder Violet oder Blau (also der Mehrzahl nach Produkte, mit welchen wir schon S. 182 u. 185 Bekanntschaft gemacht haben). Während aber bisher neben den Indiennes nur von „Mouchoirs“ die Rede war, wie man von jeher alle abgepasste Ware auf glattem Tuch nannte, kommen nun auch „ Ghäles“ vor, womit man dieselbe Ware, jedoch auf Croise- oder Köper- Gewebe gedruckt, be- zeichnete. Da die Baumwolltücher in dieser Webart leichten Wollstoffen mehr oder weniger ähnlich sahen und ihr Verschleiss dadurch in gewissen Gegenden wesentlich gefördert wurde, so ist die Aufnahme derselben als eine sehr wichtige Neuerung zu bezeichnen. Wahrscheinlich verdanken wir die Initiative dazu den Mülhausern; denn in einer „Notice chronologique sur les inventions“ (Bull. Soc. Ind. 1848, vol. XXI) steht zu lesen, 1786—1790 habe das Haus Eck, Schwarz & Cie. in Mülhausen unter Mitwirkung von Dessinateur Joh. Ulrich Niefenecker einen neuen Genre „Chäles fond puce“ auf den Markt gebracht und einen „succes de vogue“ errungen; auch blieben die Elsässer von da an lange Zeit tonangebend in verschiedenen Arten von gedruckten Baum- woll-Chäles. — Die Mouchoirs (ital. „ Fazzoletti“) verkauften sich sowohl als Taschentuch („Schnupftuch“) als auch als Haisund Kopftuch, die später vorkommenden grossem Breiten als ’) Auch die S. 185 angeführte Druckerlohnrechnung fand sich unter dem Briefwechsel Barth. StreifPs. Bei dieser Gelegenheit bemerken wir gleich, dass es in T. I S. 86 Zeile 21 v. o. anstatt Luchsinger & Streiff heissen soll: „Jakob und sein Sohn Bartholome Streiff (Glarus) und Heinrich Luchsinger & Cie . (Glarus).“ — Heinrich Luchsinger (1748—1832), der Stifter der letztgenannten, zu Anfang des XIX. Jahrhunderts -wieder eingegangenen Firma, war zuerst Schneidermeister, dann Handelsmann; seine Schwester Elisabeth hatte sich mit dem mehrgenannten Bartholome Streiff verheiratet. Die Firma Luchsinger & Streiff entstand erst 1803 (s. u.). 13 194 Schultern- und Brusttücher; die Ghäles (ital. „Scialli“) dienten nur für letztere vier Verwendungen. Die Druckstücke hatten eine Länge von 16 aunes (Pariserstäbe) = 18V 2 bis 19 Meter; die 6/4 hielten 27, die 7/4 24, die 8/4 22 Tüchel, wobei wir noch mindestens die Länge eines weiteren Tüchels für die beiden Enden hinzurechnen müssen; der Bleicherlohn betrug 12 Kr.; die Druckfacon fl. 3—7 per Stück. Die auf der vorigen Seite angegebenen Farbenstellungen galten sowohl für Mouchoirs als auch für Indiennes; letztere behielten bis ins 5. Dezennium unseres Jahrhunderts hinein eine gewisse, wenn auch stetig abnehmende Wichtigkeit in der glarnerischen Fabrikation. Einem Messrodel von der Frankfurter Ostermesse des Jahres 1799 ist folgendes zu entnehmen: Die Hinreise kostete für zwei Personen, nämlich für Kaufmann Bartholome Streiff und seinen nachmaligen Associe Joh. Rudolf Luchsinger, 60 1 / 2 Reichsgulden (= 5 1 j 2 Ld’or), wobei bis Stuttgart der Postwagen benutzt wurde; die Rückreise, wegen damaligen Kriegszeiten ganz per Wagen über Frankreich genommen, stellte sich auf 112 Reichsgulden, was der betreffende Schreiber als unerhört viel hezeichnete. Während der Messe hatten die beiden zusammen folgende Auslagen: Ladenzins (inkl. Schlafzimmer) an Christian de Bary . . “fl. 220. — 35 Tage in der Garküche für Essen bezahlt ä fl. 1.4 Kr. „ 37.20 do. Kaffee und Zucker.,, 7. —- do. Brot und Milch.„ 4. 20 do. Verschied. (Standgeld, Almosen an arme Leute etc.) „ 3. 20 do. Bier.„ 3.12 Laternengeld und Wacht.„ 1. 20 Trinkgelder (dem Markthelfer und der Magd) . . . . „ 4. 36 Ueber diese Messzeit verkauften sie rund 1000 Dutzend und lösten dafür zirka fl. 9200; davon erhielten sie fl. 6500 sofort in Baar und zwar fl. 3960 = 360 Ld’or in Gold, das Uebrige in Silber. Folgendes waren die Verkaufspreise per Dutzend, mit 4 % Sconto und 1 °/ 0 Agio: Mouchoirs: V» Roth und blaue .“fl. 8 1 /* 7* Weissboden.„ 67a 6 / t „ mit Roth . . . 7 195 V 4 Violette.“fl. ‘/ä V . . 7 4 Blaue.. 7 / ■'» „ . „ Türkengärni.. Schwarz und Gelb 9 8 J /i 9 11 11 Letztere waren wie die „Türkengärni“ (Türkischrotmit Weiss) Toggenhurger Buntgewebe und zwar Schwarz mit Eisennankin (Gelb) und Weiss. Chäles: 7..“fl. 77. 7.. „97. 7..„12 Bei dem Besuch der Messen beschäftigte sich Bartholome Streiffauch damit, sich zum Wiederverkauf an glarnerische Drucker mit verschiedenen Droguen zu versehen, namentlich mit Indigo, Earbhölzern, Krapp und Gummi. Ein noch vorhandener Preiscourant von der Herbstmesse 1799, aufgestellt von Philipp Nicolaus Schmidt in Frankfurt a./M. weist folgende Offerten auf (1 Reichs- thaler = 1 1 j 2 Reichsgulden = rund 3,a heutige Franken). Indigo per Pfd. 70—80 Batzen, Guatimalo 115 Batzen (h 147s heut. Rp.) Blauholz in Blöcken . . . 197. Reichsthaler pr. Zentner. „ gemahlen .... 20 11 11 Fernambock „ .... 48 11 11 5J Sapan „ .... 19 11 >? 11 Gelbholz „ .... 28 11 n 11 Fisetholz „ .... 14 11 n ii Sandelholz ,, .... 18 11 ?? Rothholz St. Martens, gemahlen 20 ir 11 11 ,, in gr. Stücken 19 ii ii Cochenille . 15 ii ,, Pfund. Orlean in Bast . 48 Batzen 11 11 Berlin erblau . 22 ) 5 11 Alaun . Reichsthaler pr. Zentner. Crapp holländ. feinst . . . 40 11 11 11 ., mittelf . 24 11 11 11 Gallus . . 60—68 11 11 11 Gummi barbarischer .... . 102 11 11 11 Leim . 28 J? 11 11 Stiirke Leipziger . 11 11 11 11 ,, Poudre (feinster) in 'k Pfd.-Paketen 12 „ „ Waid, Langensalzer, das Fass von 8 Scheffel 7 k Reichsthaler. 196 An den Zurzacher Messen machten Heinrich Luchsinger & Cie. auch Geschäfte mit italienischen Kaufleuten: so fand sich beispielsweise eine Rechnung über an der dortigen Pfingstmesse- 1798 einem Pietro Malliani von Bergamo verkaufte 185 Dutzend Chäles ä 1 Ld’or per Dutzend, abzüglich 3% Sconto. Später hatten sie demselben auch Waren direkt nach Bergamo zu senden,, machten aber damit keine guten Erfahrungen; denn am 5. Sept. 1798 schreibt ihnen Malliani (in deutscher Uebersetzung) folgende tragikomische Epistel: „Ich glaube, Sie spotten meiner mit Ihrer Sendung; die Tücher sind so dünn, dass man damit fischen könnte und die Dessins vom vorigen (!) Jahrhundert. Ich will meinen Kredit durch den Verkauf solcher Ware nicht zu Grunde richten, und sage Ihnen, dass sie mir zu keinem Preis anständig sein kann. Sie belieben also, gegen meine Auslagen darüber weitere Verfügung zu treffen.“ Wie diese Reklamation erledigt worden ist, darüber schweigen die Akten. — Auch von der bedeutenden Handelsfirma Jenny & Sch iesser (T. I S. 36) haben sich Briefe und andere Schriften, einige Baum- wolldruckmuster und eine grössere Menge Papierzeichnungen für In- diennes und Möbelstoffe (im Besitze der HH. Präsident B. H. Tschudi- Streiff in Glarus und F. Jenny-Zwicky in Ennenda) aus dem letzten Viertel des XVIII. und dem Anfang des XIX. Jahrhunderts vorgefunden. Wie aus der bezüglichen Korrespondenz hervorgeht, liessen diese Kaufleute die teils aus ihrem Garn gewobenen, teils in St. Gallen-Appenzell und im Aargau aufgekauften Tücher in Glarus, namentlich aber, was die Indiennes betrifft, im Aargau und wahrscheinlich auch in Basel und Mülhausen im Lohn bedrucken. Die vorliegenden Musterkartellen enthalten je die verschiedenen Farbenstellungen eines Dessins, jedoch meistens nur wenige als Stoffrestchen, die übrigen als Papierzeichnungen aufgeklebt. Bei den anscheinend altern Indiennes-Stoffmüsterchen ergaben sich 18X16 Fäden auf V 4 franz. Zoll, Zettel und Schuss aus ziemlich unregelmässigem Handgespinst, ungefähr No. 24 alt- schweiz. oder No. 28 engl.; die etwas jüngern Muster zeigten 19X21 bis 19X22 Fäden aus schönem, regelmässigem, wahrscheinlich englischem Maschinengarn (No. 38 oder No. 40 engl.). Die erstem wiesen einen hellbödigen Reservage-Artikel auf: Reserve- 197 weiss wurde in netzartigen oder „ramagierten“ mittelschweren Dessins einseitig vorgedruckt, der Stoff in der Indigoküpe hellblau gefärbt, gereinigt, dann noch Applikationsschwarz und Eisenchamois eingedruckt (bei manchen Mustern scheinen letztere Farben gleichzeitig mit der Weiss-Reserve, also schon vor dem Färben eingepasst). Die Zeichnungen waren aber so beschaffen, dass sie auch als hellbödiger Krappartikel (Schwarz mit Rot oder Lila und Eindruck des Eisen-Nankins nach dem Krappfärben) gedruckt werden konnten. Die andere Gruppe (jedenfalls erst aus dem Anfang des XIX. Jahrhunderts stammend) zeigt einen wohlausge- bildeten Aetzartikel: Der Stoff mit Thonerdemordant, rein oder gemischt mit Eisenbeize, grundiert, geätzt mit verdickter Citronen- oder Weinsäure, oft unter Begleitung von feinem Schwarzdruck, dann gefärbt in Krapp bezw. Quercitron oder Wau, wodurch der Boden in rot oder braun oder mehreren hübschen Modefarben, von gelboliven bis zu satten Cachou-Nüancen spielend, sich färbte. Bei einigen Mustern sind dann die weissen Stellen nachträglich mit Indigo-Pinselblau (S. 65) und mit Applikationsgelb (mit dem Blau stellenweise Grün bildend) illuminiert. Wieder andere Genres werden in einer grossem Anzahl von Briefen genannt, welche Jenny & Schiesser im Jahr 1804 an die Zeugdruckerei Laue, de Luze & Cie. in Wildegg (vgl. S. 119) richteten und nach welchen Letztere für Erstere vom März bis Dezember zirka 500 Stücke ä 16 aunes in folgenden Artikeln und zu nachstehenden Preisen ä fagon bedruckten: 7/4 (No. 7) Indiennes Pattnas ordinaires , einfachster Krappartikel, Schwarz Vordruck mit Rot, wovon noch Papierzeichnungen vorhanden, meistens steife Blumendessins, auch einige Figurensachen (z. B. Luftballon mit Gondel und Personen), als Rotboden oder als Hellboden, in letzterem Fall der weisse Grund mit schwarzen Punkten besät („sables“), zu 3.06L. d.S. (Livres de Suisse oder alte Schweizerfranken, siehe T. I S. 53). 6/4 (No. 6) 5/4 (No. 5) und 4/4 (No. 4) Indiennes Liminias, Doppel- Indigoblau mit Weiss, zu L. 5.80 bezw. L. 5.32, bezw. L. 5.06 de Suisse, meistens kleine engstehende Objets vorstellend. 198 5/4 (No. 5) Mouchoirs Indigoblau und Weiss zu L. 5. 85 de Suisse. 6/4 Ellen breite weissbödige Indiennes My-Calancas (vgl. S. 105) zu L. 7. 32 de Suisse. Die feinen Tücher dazu wurden den Druckfabrikanten gebleicht von St. Gallen zugesandt; bei den vorher erwähnten gewöhnlichen Genres hingegen war in der Druckerfacon auch der Bleicherlohn inbegriffen. Während die Indigo-Artikel, Hin- und Rücktransport inbegriffen, jeweilen bloss 6—8 Wochen zur Ablieferung brauchten, beanspruchte die Krappfärbeware (Pattnas und namentlich die vielfarbigen My-Calancas) 3—5 Monate, was oft zu Klagen Anlass gab; die Verzögerung wurde zum grossen Teil durch die mehrmalige, nach dem Färben notwendige Rasenbleiche verursacht. Im Anschluss an vorstehende Darstellung der Zeugdruckerei im XVIII. Jahrhundert haben wir uns noch mit den Massbezeich- nungen der Tücher, wie sie damals und in der Folge gebräuchlich waren, zu befassen. Die Zeugdrucker Basels, welche vornehmlich mit Frankreich verkehrten, rechneten, gemäss den genauen Angaben im Manuscript „Ryhiner“, nach „Aunes de Paris“ (Pariserstäben) ä rund 119 Centimeter 1 ) und zwar war bei den Indiennes ordinaires die gangbarste Breite 3/4 (d. h. 3 / 4 aunes), bei den Indiennes fines sowohl 3/4 als auch 7/8 (= 89 bezw. 104 cm), während man die Mouchoirs auf schmälere Stücke druckte. Auch bei den Wolltüchern herrschte Uebereinstimmung mit dem Parisermaß, indem man die Elle genau gleich 1 j 2 Pariserstab rechnete, während im übrigen die Basler Elle im internen Verkehr bloss rund 54 cm hielt. ■— In St. Gallen hatte man eine Leinwand-Elle ä zirka 73 V 2 cm und eine Wollen-Elle ä zirka 61 cm, welche auch für Baumwollwaren diente. Letztere hier einzig in Betracht fallende Elle maß also eine Kleinigkeit mehr als */ 2 Pariserstab; immerhin betrachtete man im Handel beispielsweise die st. gallische Bezeichnung 6/4 (d.h. 6 Viertel oder H/ 2 Ellen) als gleichbedeutend mit der französischen Bezeichnung 3/4 ( 3 / 4 aune). Ganz ähnlich *) Da es für unsere Arbeit nicht nötig ist, jeweilen die ganz genauen Bruchzahlen anzugehen, verzichten wir darauf und verweisen diesbezüglich, auf A. Furrer’s „Volkswirtschaft!. Lexikon“ (Bern 1889). 199 war es in Zürich, wo die Elle ä zirka 60^4 cm dem Pariserstab noch näher stand. — Etwas andere Verhältnisse treffen wir in Bern; hier maß nämlich die Elle bloss zirka 54 cm, somit war die Breite 4/4 = 54 cm „ „ 6/4 = 81 „ „ „ 7/4 = 94 „ „20er“ ( 2 %o fäd. ?) 4 42 11 7/4 n Mousselines 4 40 n Joh. Ulrich Glarner in Glarus. 7/4 gebleichte Baumwolltücher 4 40 Reichskreuzer. Von Math. Nüscheler Söhne in Zürich. 7/4 gebleichte Mousselines 4 50 Reichskreuzer ( 10 fl. 12 p. St. 4 16 aunes). Von Caspar Huber in Stäfa. 8/4 gebleichte Mousselines 4 66 Reichskreuzer ( 10 fl. 16 p. St. 4 16 aunes). 1809 . Von Dinner & Tschudi. 6/4 gebleichte Baumwolltücher 4 28 Glarnerkr. oder 29% Reichskr.. 7/4 „ „ 4 36 „ „ 38 !) Ueber die Bedeutung der ßreitebezelchnungen siehe S. 200/2 T. II. Ueber den Wert der alten Münzen haben wir S. 53 T. I berichtet; da aber dort einige kleine TJn- genauigkeiten unterlaufen sind, geben wir an dieser Stelle folgende Aufschlüsse; Seit der Mitte des XVIII. Jahrhunderts rechnete man in der Schweiz 1 Sehild- Louisd’or oder franz. goldene Schilddublone 4 franz. silberne Sechslivresthaler, auch Laubthaler genannt, = 24 franz. silberne Livres tournois = 11 Keiclisgulden = 10 * 1 | d Glarner- gulden = 10 Zürchergulden = 16 alte französische Franken oder bernische Zehnbatzenstücke, gleichbedeutend mit den spätem helvetischen Franken oder Livres de Suisse,. (= Fr. 23.70 Rp. heutiger Währung); somit war 1 Reichsgulden = 215,5 heutige Rappen 1 Glarnergulden = 225,7 « « 1 Reichskreuzer = 3,59 « < 1 Glarnerkreuzer = 3,76 « « 1 Glarnerschilling = 4,5 « « 1851)52 wurde jedoch bei der Einlösung etwas weniger als der ursprünglich wirkliche Wert vergütet; so z. B. für einen st. gallischen Reichsgulden nur Fr. 2.10 Rp.; die auf den Glarner Rechnungsgulden lautenden Guthaben, Titel etc. wurden im Verhältnis, von 2 2 | 9 Franken für 1 Gulden umgerechnet. 270 Von Jakob Bis in Glarus. 6/4 rohe Baumwolltücher k 23V, Glarnerschillinge oder 29'/ 2 Reichskr. 6V./4 „ „ 6. 26 „ „ 33 7/4 „ „ k 30 „ „ 38 Von Jakob Zweifel in Linthal (zahlbar Hälfte bar, Hälfte 3 Monat Ziel). 7/4 rohe Baumwolltücher ä 34 (flanierkr. oder 35‘/a Reichskr. 1810 . Von Dinner & Tschudi. 7/4 gebleichte Baumwolltücher k 39 Glarnerkr. oder 41 Reichskr. Von Heinrich Schneider & Sohn i ) in Riedern (zahlbar Hälfte bar, Hälfte in 3—6 Monat). 6‘ls/4 rohe Baumwolltücher ä 29 Glarnerschillinge oder 36'A Reichskr. 7/4 „ „ k 30 „ „ 38 Von Jakob Ries in Glarus. 7/4 rohe Baumwolltücher ä 32 Glarnerschillinge oder 40 Reichskr. 6/4 Cambrics k 1 Reichsgulden oder 60 Reichskreuzer. Von Samuel Speich in Luchsingen. 6‘k/4 rohe Baumwolltücher k 32 Glarnerkr. oder 33 l /a Reichskr. 7/4 „ „ k 40 „ „ 42 „ 6/4 Cambrics k 52 Reichskr. Von Landschreiber Speich in Luchsingen. 6‘'=/4 rohe Baumwolltücher k 32 Glarnerkr. oder 3372 Reichskr. Von Barth. Jenny & Cie. in Ennenda (zahlbar in 3 Monaten oder bar mit 17,7» Sconto). 6/4 Cambrics k 54 Reichskr. Von Gabriel Trümpy in Glarus. Calicos (hier ungefähr gleich bedeutend mit Cambrics) k 1 Reichsgld. Von Jakob Spälty in Netstal. 6/4 Cambrics ä 52 Reichskreuzer. Von Heinrich Bodmer in Zürich. 7/4 Baumwolltücher ä 39 Reichskr. ( 10 fl. 19 per Stück v. 32 aunes). 6/4 Calicos ä 50 „ ( l0 fl. 17 ,. „ v. 22V. „ Von Math. Nüscheler & Söhne in Zürich. 5/4 rohe glatte Mousselines k 37 Reichski - . ( 10 fl. 9 p. St. ä 16 aunes). 6 lf 2/4 weisse glatte „ ä 47 1 | a ,, ( 10 fl. 117*,, „ ä 16 „ Von Brunner & Cie. in Bremgarten. 6/4 Baumwolltücher k 31 Reichskr. (123 Batzen p. St. ä 16 aunes). 7‘L/4 „ ä 40 „ (171 „ „ „ ä 17 „ ). Von den Söhnen von G. Hünerwadel in Lenzburg. 6/4 Baumwolltücher ä 327 a Reichskr. (130 Batzen p. St. k 16 aunes). 772/4 „ k 42 „ (180 „ „ „ k 17 „ *) Diese Firma existierte nocli 1829. 271 Auszüge aus GescMflsbücliern der Handels- n. FabriMionslma „Barth. Jenny & Cie.“ inEnnenda. 1. Aus der Jahr-Rechnung von 1821/22. Das Zettelgarn ist angesetzt zu 2 Beichskr. per Schneller. Das Eintraggarn ist angesetzt teils zu 17s, teils zu IV, Reichskr. p. Schn. 1 ) Preise der rohen Baumwolltücher per aune: 5/4 (5'h / 4) 21‘/t Reichskr. (Doppelstücke ä 45 aunes). 6/4 217« do. do. 7/4 28V, (Stücke ä 32 aunes). 77t/4 307t do. do. 8/4 327» do. do. 9/4 35 do. do. 10/4 477. do. do. 2. Aus der Jahr-Rechnung von 1825. Ansätze für das Zettelgarn: No. 38 „Blumer“ {Gehr. Blumer in Glarus) ä 62 Reichskr. per Pf. engl. (= IV« Reichskr. per Schneller). No. 40 „Blumer“ ä 62 Reichskr. p. Pf. engl. (= 17 3 Reichskr. p. Schn.) No. 38, 40 u. 42 „Hard“ (Aktienspinnerei im Hard hei Winterthur) k 63 Reichskr. per Pf. engl. No. 44 „Rothbudel“ ä 70 do. do. No. 24 Wassergarn k 70 do. do. Ansätze für das Eintraggarn: = ca. 17t Reichskr. p. Schneller No. 38 53 Reichskr. per Pf. engl. No. 40 55 do. do. No. 44 63 do. do. No. 48 69 do. do. No. 50 72 do. do. No. 52 75 do. do. i der ro hen Baumw olltücher = ca. 1,43 = ca. 1,44 do. do. 5/4 137t 5/4 Calicos, geringe, v. Winterth., 117,Reichskr. j gtiicke , ^ ;umes 1 ? 1 , (Stücke ä 50 aunes) , (Stücke ä 52 aunes) eigene 5/4 (5*^/4) Gewöhnliche Tücher 15 1 /, 6/4 7/4 8/4 9/4 10/4 7/4 dicke i 7^/4 9/4 „Merinos" (Türkischr. f. Aetzdrnck) do. do. 16 197t „ 217t „ 257t „ 29 22 1; rReickskr. 24 30 Stücke ü 40 aunes Stücke k 40 aunes !) Bei allen aus dem XIX. Jahrhundert stammenden Angaben über die Länge und das Gewicht der Baumwollgarne sind englische Schneller und englische Pfund gemeint; über die Grösse derselben siehe S. 86 T. I. 272 Man beachte den sehr bedeutenden Rückgang in den Preisen der rohen Tücher, welcher in der Periode von 1810—1821 und hinwieder in derjenigen von 1821/22 bis 1825 sich vollzog, im Wesentlichen als eine Folge des fortgesetzt billigem Einstands des Maschinengarns, bei welchem besonders 1819 der Abschlag sturzweise erfolgte. In dem für den englischen Handel kritischen Jahre 1826 wichen die Tücherpreise, im Einklang mit der Baumwolle und den Garnen, gegenüber dem geschäftlich günstigen Vorjahr, neuerdings um zirka 20 °/ 0 . Daraufhin folgte eine 10jährige Periode der Stabilität und geschäftlicher Prosperität. 1837—1849 war wieder eine Zeit fast fortgesetzter Rückgänge in den Preisen der Baumwolltücher, wobei die Ursache sowohl in i der weichenden Tendenz der Garne als auch in dem raschen Auf. kommen des billiger produzierenden Maschinenwebstuhls lag. Um 1825 liess die Firma Barth. Jenny & Cie. ihre Tücher nicht nur bei Frieclr. Streiff & Cie. in Mollis, Egidius Trümpy, Gabriel Trümpy, Heinrich Brunner, Friedr. Staub & Cie., Frid. & Heinr. Glarner älter, Matheus Glarner <& Heinrich Blumer in Glarus bedrucken, bezw. färben, sondern gab hin und wieder einige Posten für Indiennesdruck auch an Louis Verdcm, pere et fils in Les lies und an Verdan freres in Grandchamp 1 ); in der Jahr- Rechnung von 1826/27 taucht als neue Druckfirma auf: Gebrüder Trümpy in Ennenda, in derjenigen von 1828: Georg Karrer in Mollis. 2 1826/27 stieg die Länge der gebräuchlichsten inländischen, nicht für Indiennes bestimmten Stücke von 40 auf 48 aunes (= 2 Druckstücke ä 24 aunes) und blieb so unverändert bis 1833/34, um welche Zeit man anfing, nicht nur Doppelstücke von 54, sondern auch solche von 81 aunes (= 3 Druckstücke ä 27) zu weben; 1835 hatten dieselben bereits 3 X 29 = 87 aunes und 1844 gab es nur noch solche zu 3 X 40 = 120 aunes. In den ersten zwei Dezennien des XIX. Jahrhunderts handelte es sich bei den Druckstücken grösstenteils um glatte Ware, wenn b s. S. 96 T II. 2 ) s. S. 187 T. II 273 auch (nach S. 193/95 T. II) der Artikel „Croise“ für Chäles schon seit den 1790er Jahren bekannt war. Von den 1820er Jahren an fanden diese gedruckten Köpergewebe in Italien und dem Orient verstärkten Absatz; soweit ersichtlich, waren Fridolin Jenny-Heer (S. 243) und Jakob Spälty (S. 251) die ersten, welche 1828 die Erstellung der dazu nötigen Rohtücher im Glarnerland selbst auf- nahmen. Da um diese Zeit die gesamte glarnerische Druckerei in starkem Aufschwung begriffen war, vermochte die Weberei im Lande selbst der Nachfrage kaum zu genügen, weshalb der Export der letztem nach St. Gallen etc. sich in entsprechender Weise verminderte. 3. Aus der Jahr-Rechnung von 1829. Ansätze für das Zettelgarn : per Pf. engl. No. 38 „Blumer“ & „Paravicini“., No. 40 „Paravicini“ {Gebr. J. & F. Paravicini in . ä 48 Reichskr. Glarus-Schwanden). ä 49 >5 No. 40 „Wieland“ ( Wieland, Schmid&Cie./Thadw.) ä 50 No. 24 Wassergarn. Ansätze für das Eintraggarn: k 48 No. 38 „Paravicini“. a 42 No. 40 „Brändli“ (Gebr. Brändli in Rapperswyl) ä 4.'5' = „ Ausser den bisher erwähnten werden in den Geschäftsbüchern der Firma Barth. Jenny & Cie. von 1828/29 noch folgende Garnlieferanten (Spinnereien und Händler) namhaft gemacht: Ott-Muralt und Adolph Carl Burkhardt in Zürich, Solivo dt Wild in Wald, Stachel & Cie. in Remismühle, Joh. Georg Blum, (in Winterthur?), Girtanner Sohn älter (in St. Gallen?), Böiger & Iselin in Niederschönthal (Kt. Basel), Neuhaus, Huber & Cie. in Biel. Rohtiicherpreise von 1829 per aune : 5/4 gewöhnl. 11V» Reichskr. 5/4 dicke, f. Merinos, 13V 3 Reichskr. 6/4 „ 12V, 6/4 „ y> „ 15 7/4 „ 14 V. „ 7/4 „ ?? „ 18 3 /3 >? 8/4 „ 16 V, „ 7V./4 „ » 20 n 9/4 „ 19V* „ 8/4 „ » „ 2 Da n 10/4 „ 217. „ 9/4 „ w „ 25 8 h r> 10/4 „ n „ 32 » 18 274 4. Kostenberechnungen der rohen Tücher zur Jahr-Rechnung vom 31. Januar 1836. 1 ) 1 Stück 5/4 glatt, für Indiennes, roh 24 franz. Zoll, 20 Faden im Zettel und 22 im Schuss auf V« franz. Zoll, in 4 Teilen de 22'/j aunes: 7”/ 38 Pf. engl. = 288 Schn. No. 38 Zettel k 63 Kr. p. Pf. “fl. 7.58Kr. 8 1 '/,. „ „ =320 Weberlohn Spuhlerlohn Zettlerlohn Für Leim . Für Geschirr Für Holz u. Arbeit 38 Eintr. k 53 17 ß 3V, „ 10 „ 12 „ 15 l ,„ ' Rüstlohn 10 ‘/ 3 fl. 1.8 ß =. 7.26 3.22 1.14, Zusammen für 90 aunes “fl. 20.—Kr. oder per aune „ —.13‘/s 1 Stück 6‘/,/4 glatt ordinaire, roh 267, franz. Zoll, 19 Faden im Zettel und 19 Faden im Eintrag auf 7* franz. Zoll, in 3 Teilen de 29 aunes: 7 22 /,o Pf- engl. = 302 Schn. No. 40 Zettel k 64 Kr.p. Pfd. “fl. 7 2«/ * < 40 n 11 Weberlohn = 300 40 Eintr. ä 54 Spuhlerlohn . . 18 ß Zettlerlohn 4 „ Leim .... 11 „ Geschirr . . 13 „ Holz und Arbeit . 14 „ Rüstlohn 1 0 1 / 3 fl.l.l2ß = 8. 4 Kr. 6.45 „ 3. 2 „ 1.19 1 Stück 7/4 glatt ord., roh 287, 8 10 /, 0 Pf. engl. No. 40 Zettel ä 64 Kr. 8 „ „ „ 40 Eintrag k 54 Weberlohn. Rüstlohn. Zusammen für 87 aunes “fl. 19.10Kr. oder per aune — 13 1 /, ", 19/19 F., in 3 Teilen de 29 aunes : . . . “fl. 8.48 Kr. 7.12 3. 9 1.27 Zusammen für 87 aunes “fl. 20.36 oder per aune „ —.14 1 Stück 8/4 glatt ord., roh 327 2 ", 19/19 F., in 3 T. de 29 aunes: 10 Pf. engl. No. 38 Zettel ä 63 Kr. 9 „ ,, „ 40 Eintrag k 54 Weberlohn. Rüstlohn. “fl. 10.30 Kr. 8 . 6 „ 3-47 „ 1.42 „ Zusammen für 87 aunes “fl. 24. 5 „ oder per aune „ —. 16 1 /» Diese Zusammenstellung gibt einen guten Einblick in dieBaumwoll-Handweberei und macht uns zugleich mit den in den Mouchoirsfabriken damals gangbarsten Tüchersorten genau bekannt, so dass wir uns später, bei Angabe der Erlöse für die gedruckten Waren, darauf beziehen können. 275 1 Stück 9/4 glatt ord., roh 36’/»", 19/19 F. in 3 Teilen de 29 aunes: 11 V.. Pf. engl. No. 38 Zettel ä 63 Kr. .... “fl. 11.42Kr. 11 „ „ „ 38 Eintrag ä 53 „ .... „ 9.43 „ Weberlohn Rüstlohn . 1.55 ” Zusammen für 87 aunes “fl. 28. 3 Kr. oder per anne „ —. 19 L / 3 1 Stück 10/4 glatt ord., roh 41", 19/19 F., in 3 Teilen den 29 aunes: 12*738 Pf. engl. No. 38 Zettel k 63 Kr.“fl. 12.55Kr. 12' i4 / 3 8 „ „ „ 38 Eintrag k 53.„ 11.10 „ Weherlohn Riistlohn . 5.30 ,. Zusammen für 87 aunes “fl. 31,43 Kr. oder per aune „ —.22 „ 1 Stück 7/4 glatte dicke für Merinos (Türkischrot), roh 287»", 21/24 F., in 3 Teilen de 29 aunes: 9'V.8 Pf. engl. No. 38 Zettel k 63 Kr.“fl. 9.50 Kr. 10*’/.. „ „ „ 38 Eintrag k 53 „ . . . . „ 9.17 „ Weherlohn.„ 4.43 „ Riistlohn.„ 1.35 „ Zusammen für 87 aunes “fl. 25.25 Kr. oder per aune „ — .17*12 1 Stück 7*^/4 glatte dicke für Merinos, roh 30", 23/27F.,in3 Teil, de 29aunes: ]0“/ 38 Pf. engl. No. 38 Zettel 63 Kr.“fl. 11.12 Kr. 12**/38 „ „ „ 38 Eintrag ä 53 „ . . . . „ 11.10 „ Weherlohn.„ 5.24 „ Rüstlohn.„ 1.48 „ Zusammen für 87 aunes “fl. 29.34Kr. oder per aune „ —.20 1 !. 1 Stück 9/4 glatte dicke für Merinos, roh 37", in 3 Teilen de 29 aunes: 1 1*738 Pf. engl. Nr. 38 Zettel k 63 Kr.“fl. 12.26Kr. 13.7.8 „ „ „ 38 Eintrag a 53 „ . . . . „ 11.37 „ Weberlohn.,, 7.§0 „ Rüstlohn. „ 2. 1 „ Zusammen für 87 aunes “fl. 33.24Kr. oder per aune „ —.23 „ 1 Stück 6*12/4 croisirte, roh 26‘ü", 19/22 F., in 3 Teilen de 29 aunes: 87.8 Pf. engl. No. 38 Zettel k 63 Kr.“fl. 8.28 Kr. 9 „ „ „ 38 Eintrag ä 53 „ .... „ 7.57 „ Weherlohn Rüstlohn . . 1.19 „ Zusammen für 87 aunes “fl. 2 1.47 Kr. oder per aune „ —.15 „ .VS? KEÖ?•'v£^4S->:U.?SiS^S*S 276 1 Stück 7/4 croisirte, roll 28‘h", 20/21 F., in 3 Teilen de 29 aunes: 8 3 7 38 Pf- engl. Nr. 38 Zettel 4 63 Kr. 11 fl. 9.20 Kr. 9’Vss „ „ „ 38 Eintrag 4 53 „ .... „ 8.29 „ Weberlohn.„ , 4.43 „ Rüstlohn . ..„o 1.28 „ Zusammen für 87 aunes “fl. 24.—-Kr. oder per aune „ —.I 6 V 2 1 Stück 8/4 croisirte, roh 32 1! =", 20/21 F., in 3 Teilen de 29 aunes: lO’/ss Pf. engl. No. 38 Zettel i 63 Kr. . . . lO'Va« „ „ „ 38 Eintrag 4 53 ,, . . . Weherlohn.. Rüstlohn. “fl. 10.42 Kr. „ 9.17 „ „ 5. 5 „ „ 1-46 „ Zusammen für 87 aunes oder per aune “fl. 26.50 Kr. „ —.1892 1 Stück 9/4 croisirte, roh 37", 20/20 F., in 3 Teilen de 29 aunes: 11 ‘Vas Pf- engl. No. 38 Zettel 11 12 / 38 „ „ „ 38 Eintrag Weberlohn. Rüstlohn. 4 63 Kr. 4 53 „ “fl. 11.57 Kr. „ 10 .— „ » 6 -— » „ 2. 3 „ Zusammen für 87 aunes oder per aune “fl. 30.—Kr. „ —.209s 1 Stück 10/4 croisirte, roh 41", 20/20 F., in 3 Teilen de 29 aunes: 12 2 ’/ 38 Pf. engl. No. 38 Zettel 4 63 Kr. 12 24 / 38 „ „ „ 38 Eintrag 4 53 Webeiiohn. Rüstlohn. “fl. 13.11 Kr. 11.10 „ 6.36 „ 2.13 „ Zusammen für 87 aunes oder per aune “fl. 33.10Kr. ,1 —-23 ,, Vergleichende Uebersicht von 1836, um wie viel 1 Kr. per Pf. Garn Auf- oder Abschlag 1 Stück de 29 aunes teurer oder wohlfeiler macht. 1 Kr. per Pf. Garn macht auf 1 Stück glatte 5/4 4 Kr 1 11 11 6^*/4 5 11 1 11 11 7/4 5‘/ 2 11 1 11 11 8/4 ö'/s 11 1 11 11 9/4 7 1 !» 11 1 V 10/4 8 1 !* 11 1 11 croisirte 6^/4 59s 11 1 71 11 7/4 6 1 '« 11 1 17 ' 11 8/4 7 11 1 11 11 9/4 ■ ■7*/» }) 1 J5 11 10/4 8‘h 1t 277 1 Kr. per Pf. Garn macht auf 1 Stück dicke Merinos 7/4 1 „ „ 8/4 7’U 1 „ „ 9/4 8 1 /» Kr. 5. Kostenberechnung der rohen Tücher im März 1S44, um welche Zeit die Pinna Barth. Jenny & Cie. ca. 400 Handweber beschäftigte. 1 Stück 6‘/,/4 .glatt, roh 26*/.", 19/18 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 11 Pf. No. 38 Zettel ä 33 Kr. n fl. 6. 3 Kr. Q 3 /, & II jj i Weberlohn ßüstlohn . 40 Eintrag ä 30 4.52 3. 9 1.30 Zusammen für 120 aunes 1 ‘fl. 15.34Kr. oder per aune „ —. 7‘k 1 Stück 7/4 glatt, roh 28'/.", 19/19 F., in 3 Teilen de 40 aunes: ll 2 7s» Pf. engl. No. 38 Zettel k 33 Kr. . . . . “fl. 6.25 Kr. 11 „ „ „ 40 Eintrag k 30 „ . „ 5.30 „ Weberlohn.„ 3. 8 „ Büstlohn.. 1.30 Zusammen für 120 aunes “fl. 16.33 Kr. oder per aune „ —. 8 1 :. 1 Stück 8/4 glatt, roh 32*/,", 19/18 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 1 3‘ s / 3* Pf. engl. No. 38 Zettel k 33 Kr. . . . . “fl. 7.20 Kr. 12 „ „ „ 40 Eintrag ä 30 „ . . . . „ 6.— „ Weberlohn.. „ 3,25 ,, Eiistlohn.. , „ 1.45 „ Zusammen für 120 aunes “fl. 18.30 Kr. oder per aune „ —. 9V, 1 Stück 9/4 glatt, roh 36 1 /»", 19/19 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 15‘/,8 Pf. engl. No. 38 Zettel ä 33 Kr. .... “fl. 8.20 Kr. 14’/, „ „ „ 40 Eintrag k 30 ..„ 7. 8 „ Weberlohn.. 4.32 „ Rüstlohn.. 2.— Zusammen für 120 aunes “fl. 22.— Kr oder per aunes „ —.11 „ 1 Stück 10/4 glatt, roh 41", 19/20 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 17 Pf. engl. No. 38 Zettel k 33 Kr. .... 16 1 / z „ ,, „ 40 Eintrag k 30 „ .... Weberlohn . ... Rüstlohn ... . Zusammen für 120 aunes oder per aune “fl. 9.20 Kr. „ 8.15 „ „ 5.01 „ „ 2 . 15 ^ “fl. 24/51 „ „ —-12*G 278 1 Stück 7/4 croisirt ordinaire, roh 287,", 19/21 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 11“/,. Pf engl. No. 38 Zettel 4 33 Kr. . . . . "fl. 6.25 Kr. 12 „ „ „ 40 Eintrag 4 30 „ ... . „ 6.— Weherlohn.,, 3.23 Rüstlohn.„ 1.30 Zusammen für 120 aunes “4.17.18 oder per aune ,, . 8 3 k Stück 8/4 croisirt ord., roh 327,", 19/20 F. in 3 Teilen de 40 aunes: 13'Vs, Pf. engl. No. 38 Zettel 4 33 Kr. 137, „ „ „ 40 Eintrag 4 30 Weberlohn Rüstlohn Zusammen für 120 aunes oder per aune “fl. 7.20 Ki 6.45 3.40 1.45 “fl. 19.30 —. 9 s 'i Stück 9/4 croisirt ord., roh 36 /,", 19/20 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 157,. Pf. engl. No. 38 Zettel 4 33 Kr. 15 „ „ „ 40 Eintrag 4 30 Weberlohn Rüstlohn 8.20 Kr. 7.30 4.24 2 . Zusammen für 120 aunes oder per aune “fl. 22.14Kr. —.11 1 Stück 10/4 croisirt ord., roh 41", 19/20 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 17 Pf. engl. No. 38 Zettel 4 33 Kr. 167, „ „ „ 40 Eintrag 4 30 Weberlohn Rüstlohn “fl. 9.20 Kr 8.15 5. 8 2.15 Zusammen für 120 aunes oder per aune 1 Stück 12/4 croisirt ord., roh 48", 19/20 F., in 3 Teilen de 40 aunes: 20 Pf. engl. No. 38 Zettel 4 33 Kr. 197, „ „ „ 40 Eintrag 4 30 Weberlohn Rüstlohn “fl. 24.58 Kr. . 12 ' ‘fl. 11. Zusammen für 120 aunes oder per aune “fl. 30.45 Kr Stück 7/4 croisirte dicke für Lapis, roh 287,", 19/24 F.: 11”/,, Pf. engl. No. 38 Zettel 4 33 Kr. 137, „ „ „ 40 Eintrag 4 30 Weberlohn Rüstlohn 6.2 5 Kr. 6.45 4. 1.30 Zusammen für 120 aunes oder per aune “fl. 18.40 Kr. 9'! 279 1 Stück 8/4 croisirte dicke für Lapis, roh 32’/»", 19/25 F.: 13 13 / 38 Pf. engl. No. 38 Zettel k 33 Kr. u fl. 7.20 Kr. 16 1 / 2 „ „ „ 40 Eintrag k 30 „ . . . . „ 8.15 „ Weherlohn.. „ 4. 5 „ Küstlohn.. 1.45 „ Zusammen für 120 aunes “fl. 21.25Rr. oder per aune „ 1 Stück 9/4 croisirte dicke für Lapis, roh 36’/»", 19/25 F.: 15 6 /as Pf. engl. No. 38 Zettel ä 33 Kr.“fl. 18’/» „ „ „ 40 Eintrag ft 30 „ ... . „ Weherlohn.. Rüstlohn.. Zusammen für 120 aunes n fl. oder per aune „ 1 Stück 10/4 croisirte dicke für Lapis, roh 41", 19/25 F.: 17 Pf. engl. No. 38 Zettel k 33 Kr. . . '. . “fl. 21 „ „ „ 40 Eintrag k 30 „ .... „ Weherlohn.„ Rüstlohn.. —-10*( t 8.20 Kr. 9.15 „ 5. 1 „ 2 .— „ 24.36 Kr. -■ 1 2\'3 9.20 Kr. 10.30 „ 5.40 „ 2.15 „ Zusammen für 120 aunes n fl. 27.45 Kr. oder per aune „ —.14 „ 1 Stück 11/4 croisirte dicke für Lapis, roh 44", 19/26 F.: 18 ,8 / 3 8 Pf. engl. No. 38 Zettel ä 33 Kr.“fl. 10.10Kr. 23V, „ „ „ 40 Eintrag ä 30 „ . . . . „11.52 „ Weberlohn.„ 7.14 „ Rüstlohn.„ 2.35 „ Zusammen für 120 aunes “fl. 31.51 Kr. oder per aune ,, —.16 „ 1 Stück 12/4 croisirte dicke für Lapis, roh 48", 19/27 F.: 20 Pf. engl. No. 38 Zettel k 33 Kr. . . . . “fl. 11.—Kr. 26'7»o „ „ „ 40 Eintrag k 30 ..„ 13.15 „ Weberlohn.„ 7.51 „ Rüstlohn.. 3.— „ Zusammen für 120 aunes n fl. 35. 6 Kr. oder per aune „ —.17*1» 1 Stück 14/4 croisirte dicke für Lapis, roh 57", 19/28 F.: 23'7s b Pf. engl. No. 38 Zettel k 33 Kr. . . ' . . “fl. 13.—Kr. 33 „ „ „ 40 Eintrag ft 30 „ . „ 16.30 „ Weberlohn ... 9.25 „ Rüstlohn.„ 3.35 „ Zusammen für 120 aunes “fl. 42.30 Kr. oder per aune „ —.21 1 !* 280 Die Erfindung des mechanischen Webstuhls, auch „Kraftstuhl“ (engl, power-loom) genannt, gelang (nach Baines-Bernoulli) 1785 dem englischen Chemiker Edmund GartwrigM *); es vergingen aber noch ungefähr zehn Jahre, bis man von einer wirklichen praktischen Thätigkeit desselben sprechen konnte. Sein Zweck war, alle regelmässig wiederkehrenden, eine gewisse Anstrengung erfordernden Bewegungen der Webstuhlbestandteile durch motorische Kräfte (Dampf, Wasser, später auch Gas und in neuester Zeit Elektrizität) vollziehen zu lassen, so dass der Weberin nur noch die Führung und Beaufsichtigung d. h. das Ingangsetzen und Abstellen der Maschine, das Ersetzen der leergewordenen Spuhlen im Weberschiffchen, das Wiederanknüpfen zerrissener Fäden u.s.w. übertragen blieb. 1803 nahm Horrocks in Stockport ein neues Patent auf einen Webstuhl, den er innert zehn Jahren noch erheblich verbesserte. Die Mängel, welche den ersten Konstruktionen anhafteten, bestanden hauptsächlich darin, dass die Festigkeit der Kettenfäden durch starke Spannung zu sehr auf die Probe gestellt wurde und dass die Weberschiffchen öfters aus ihrer Bahn herausflogen, dabei die Kette beschädigten und nicht selten die Arbeiter verletzten. Ein Hemmschuh lag auch in der zeitraubenden, intermittierenden Schlichterei, wie sie sich aut S. 259 T. II für den Handwebstuhl beschrieben findet; dieselbe erfuhr eine gründliche Beseitigung durch die Erfindung einer Scheroder Zettel- und Schlichtmaschine, wie sie 1803/4 dem Zusammenarbeiten von Radcliffet Boss zu Stockport und einem Thomas Johnson gelang und bei welcher die ganzen Ketten vor dem Weben geschlichtet wurden. * 2 ) Sie erwies sich in der Folge auch für den Handwebereibetrieb als sehr vorteilhaft. Im Jahr 1813 zählte man in der englischen Baumwollindustrie 100 solcher Schlichtmaschinen ') Nach dem „Buch der Erfindungen“ soll um dieselbe Zeit auch Br. Jeffray in Schottland einen solchen konstruiert haben. 2 ) Zur Bereitung der Schlichte verwendete man, wie schon einige Male erwähnt, in frühem Zeiten Weizenmehl, Leim und Weizenstärke, später namentlich Kartoffelstärke; mit den Schlichtmaschinen, hei welchen die geschlichteten Kettenfäden durch künstliche Hitze scharf getrocknet werden, wurden noch Beimischungen von Unschlitt und Seife oder anderer ge. schmeidig machender Substanzen notwendig. 281 und 2500 Maschinenwebstühle; 1820 war die Zahl der letztem in England und Schottland auf 14,150 angewachsen; sie konnten aber, neben den in England allein in Betrieb stehenden 240,000 Bandwebstühlen noch nicht als ein ausschlaggebender Faktor erscheinen. Von 1822 an erhielt dann der mechanische Stuhl durch Richard Roberts in Manchester solche Verbesserungen, dass seine theoretische Geschwindigkeit nach und nach auf 80 bis 100 bis 115 „Touren“ in der Minute stieg und infolgedessen das endgültige Schicksal der Handweberei nicht mehr zweifelhaft sein konnte. In •der That lesen wir in „Baines“, dass, während Druckerei und mechanische Spinnerei in grossem Aufschwung und die Löhne der betreffenden Arbeiter im Steigen begriffen waren, der tägliche Verdienst der Handweber fortwährend sank. Im Jahr 1829 zählte man 05,500 Maschinenstühle, 1886 bereits 120,000, und an den in ihrer Zahl stabil gebliebenen, aber nicht mehr voll beschäftigten Handstühlen, arbeiteten fast nur noch arme, in Lancashire eingewanderte Irländer. Auf dem Kontinent und speziell auch im Glarnerland machte sich dieser Uebergang viel langsamer; der niedrigere Preis der Lebensmittel und Wohnungen und der Umstand, dass die meisten Weber auch etwas Landwirtschaft treiben konnten, ermöglichten es denselben, billiger als die englischen Handweber zu arbeiten und selbst der mechanischen Weberei noch längere Zeit die Spitze zu bieten. Indem gleichzeitig der Absatz der Glarner Druck waren sich Stetsfort günstig gestaltete, konnte in der Periode von 1820 bis 1836 auch die Handweberei eines guten Gedeihens sich erfreuen. Umso rascher erfolgte dann ihr Niedergang während der geschäftlichen Depression der 1840er Jahre. Die Ueberlegenheit des mechanischen Webstuhls mögen folgende Angaben veranschaulichen: Ein geübter Handweber konnte mit der Schnellschütze 1 ) bei 1—1 1 j„ Ellen breiter Ware in der Minute 50—70 Fäden einschiessen, wovon jedoch die Unterbrechungen für das Einlegen der Spuhlen, das Anknüpfen zerrissener Fäden u. s. w. in Abzug zu bringen waren, so dass als wirkliche Leistung nur noch 30—40 Fadenschüsse blieben. Die mechanischen Stühle, welche um 1880 in England funktionierten, machten da- •) Nach S. 875 und 1003 in Karmarsch’s Technologie (3. AufL 1858). 282 gegen theoretisch 100—115 Fadenschüsse oder Touren per Minute und, mit Abzug der kleinen Unterbrechungen, immer noch 70-80 (gleich einem „Nutzeffekt“ oder einer wirklichen Leistung von zirka 70°/ 0 ). Ein Maschinen stuhl lieferte also täglich mindestens die doppelte Menge Ware als wie der Handstuhl, und da eine Person zwei der erstem bediente, so produzierte jede einzelne Maschinenweberin vier Mal mehr als ihre Kol- leginamHandstuhl. Diese Maschinenwebstühle waren nach dem „Unterschläger-System“ gebaut, bei welchem die die Schlagriemen bezw. die Schütze hin und her schleudernden Schlagarme sich, wie ein umgekehrtes Pendel, von unten herauf bewegen. Auf dem Kontinent und speziell in der Schweiz begnügte man sich bis ungefähr 1860 fast ausnahmslos mit denselben d. h. mit einer Geschwindigkeit von 100 bis höchstens 120 Touren. 1 ) In England hingegen kam schon in den 1840er Jahren für nicht allzubreite Baumwolltücher das System der Mittelschläger oder, wie es auch öfters genannt wird, derOberschlägerauf, bei welchem die Schlagarme horizontal gestellt sind, was eine viel raschere Bewegung d.h. 150-180und selbst noch mehr Fadenschüsse per Minute erlaubt. Seither hat sich dasselbe auch bei uns eingebürgert, und da gleichzeitig durch verschiedene kleine Verbesserungen die effektive Leistung sich auf 75—85 °/ 0 gehoben hat, so gehen wir mit der Behauptung nicht fehl, dass der heutige Webstuhl bei uns doppelt so viel leistet als derjenige der oben beschriebenen ersten Periode und dass auf die einzelne Weberin, wenn sie drei (anstatt früher nur zwei) Stühle bedient, eine 3 Mal grössere Produktion zu rechnen ist (oder die 12fache gegenüber der ehemaligen Handweberin)! Aber auch diese Leistung soll in solchen englischen Webereien noch erheblich übertroffen werden, welche Jahr aus Jahr ein die gleichen wenigen Massenartikel erzeugen, wobei die kleinen Unterbrechungen und Zeitversäumnisse auf ein Minimum sinken und die Schulung der Arbeiterin, die alsdann 4 Stühle bedienen muss, auf die Spitze getrieben ist. Indem wir aus der Gegenwart mit ihrer in fast unheimlicher Weise gesteigerten Macht und Leistungsfähigkeit der Maschinen ’) Vgl. das Citat auf S. 260 T. II. 283 '. in die 1840er Jahre zurückkehren, wollen wir die Folgen etwas näher betrachten, welche damals der Niedergang der Handweberei mit sich brachte. Im Mittellande fand man schon nach kurzer Zeitkeinen Webstuhl mehr, da die Leute sich den Druckfabriken zuwandten, wo sie Aussicht hatten als Handlanger das doppelte- und als Drucker das 3—4fache von dem zu verdienen, was ihnen der bisherige Beruf noch hätte bieten können; immerhin ist zu erwähnen, dass gerade in der Periode von 1839—1849 auch die Druckerei einige Male von Stockungen heimgesucht wurde. In einigen Ortschaften des Grossthaies und des Unterlandes sahen wir sodann mehrere mechanische Spinn- und Webereien entstehen; die Entwicklung derselben hielt bis in die 1860er Jahre in erfreulicher Weise an, so dass schon damals das kleine Glarus unter allen Schweizerkantonen in der Baumwollspinnerei die dritte und in der Weissweberei die zweite Stelle einnahm. War dies zum nicht geringen Teil auf die Eigenart des Glarners zurückzuführen, das einmal gegebene Beispiel rasch nachzuahmen und das einmal Ergriffene mit Zähigkeit festzuhalten und auszubauen 1 ), so mussten doch auch die Bedingungen in der Natur des Landes dafür gegeben sein. Dies war denn auch in reichem Masse der Fall; die Stosskraft derLinth und ihrer Zuflüsse, durch welche so oft das angrenzende Gelände verwüstet worden-, verwandelte sich nun in eine Quelle künftigen Wohlstandes, und indem die Kanalbauten für die industriellen Etablissemente überall eine solidere Eindämmung der Linth nötig machten, wurden zugleich jene Verheerungen sozusagen für immer verunmöglicht und dabei nicht unbedeutende Strecken Landes der Kultur gewonnen. >) Dass dem Glarner dieser Zug eigen ist oder wenigstens früher war, lässt sich, soweit das wirtschaftliche Gebiet in Betracht kommt, kaum bestreiten, wenn ihm auch oft, nicht mit Unrecht, vorgeworfen wird, dass, er von dem souveränen Recht, seine Gesetze zu ändern, an der Landsgemeinde einen allzu ausgiebigen Gebrauch macht. 284 Trotz all’ dem Gesagten ist es einleuchtend, dass diese Entwicklung der modernen Fabrik-Industrie eine gewisse Zeit beanspruchte und dass daher, wenigstens vorübergehend, in den 1840er Jahren eine grössere Anzahl von Familien brotlos wurden oder, soweit sie in der Handweberei noch Beschäftigung fanden, mit dem dabei zu erzielenden kärglichen Verdienst ihre Bedürfnisse nicht mehr bestreiten konnten. Die gleichen Verhältnisse hatten sich, eher noch früher, in andern industriellen Schweizerkantonen eingestellt 1 ); denn aus der „Glarner Zeitung“ vom 15. und 18. März 1843 erfahren wir, dass in den hintern Gegenden des Kantons Zürich, in denen bis dahin die Handweberei einen Haupterwerbszweig gebildet hatte, Not und Elend herrsche, auch aus dem Toggenburg laute Klagen über Mangel an Arbeit und Herabsetzung der Löhne ertönen und dass schon mehrere Hundert Fabrik- und Weberei-Arbeiter entlassen worden seien; über den Kanton Glarus wird sodann wörtlich beigefügt, „dass zwar von den arbeitenden Klassen über Herabsetzung der Arbeitslöhne und von den Fabrikanten über schlechte Zeiten bittere Klagen geführt werden, dass dagegen unsere Fabriken immer noch gehörig beschäftigt sind und kein eigentlicher Mangel an Arbeit vorherrscht.“ Die Lage der Handweberei wurde jedoch auch in unserm *) Wir benutzten im Folgenden die glarnerischen Tagesblätter jener Zeit sowie die offiziellen Berichte des „Auswanderungsvereins“ (Landesbibliothek) und das 1894 erschienene, von Herrn Schulverwalter Durst in Dies- bach verfasste Schriftchen über die „Kolonie Neu-Glarus“. Die „Glarner Zeitung“ nahm ihren Anfang mit dem 5. Januar 1832 im Verlag von Frid. Schmid älter in Glarus und unter der Redaktion des freisinnigen und schlagfertigen Advokat und Ratsherr Caspar Kubli (1805—1879.) Später im Besitz eines Aktienvereins, stand sie von 1844 an lange Jahre unter der trefflichen Leitung von Advokat und Verhörrichter Josrn Staub (1822—1870), unter Mitwirkung hervorragender Männer jener bewegten Zeit, 1851/54 besonders von Br. J. J. Blumer. 1857 trennte sich Staub von seinem damaligen Verleger Carl Schmid, (welcher die alte Zeitung noch bis zur Brandnacht von 1861 fortführte), und gründete im Verlag von Frid. Schmid jgr. die „Neue Glarner Zeitung“. Unter letzterm Titel war aber früher schon einmal, 1844/46 d. h. gerade in jenen Jahren, da die Auswanderung in Fluss kam, ein Nachrichtenblatt herausgegeben worden, im Verlag von Jakob Vogel <1816—1899), welcher, in der Jugend Fabrikarbeiter, sich dann zum Buchhändler, Buchdrucker und Dichter entwickelte. 285 Kanton zusehends schlimmer und da seine Bevölkerung seit anfangs des Jahrhunderts sehr bedeutend d. h. um ungefähr einen Drittel zugenommen und die Entwicklung der Industrie .ihren Höhepunkt anscheinend überschritten hatte, so konnte es nicht fehlen,, dass die in andern Kantonen seit einiger Zeit ausgegebene Losung Auswanderung auch in den in Mitleidenschaft gezogenen Kreisen unseres Landes zündend einschlug, umsomehr als die Geschichte dea XVII. und XVIII. Jahrhunderts glaubhaft macht, dass in dem Glarner neben der offenbaren Anhänglichkeit an die heimatliche Scholle- auch noch ein gutes Stück altgermanischer Reiselust schlummert. War, soweit dem Verf. bekannt, in der Krisis um die Wende des- Jahrhunderts von Nordamerika keine Rede gewesen — wohl schon wegen der beständigen Störungen im Schiffahrtsverkehr — r so richteten sich diesmal die Blicke fast selbstverständlich nach der grossen, dünn bevölkerten und im übrigen durchaus konsolidierten Schwesterrepublik über’m Ozean; daneben sprach man, eine Zeit lang ernstlich auch von Algerien, dessen Eroberung die französische Regierung 1830 eingeleitet hatte und wohin sie nun europäische Kolonisten lenken wollte. Wenn auch die „Glarner Zeitung“ das leicht erregbare Glarnervolk warnte, so schnell nach den für die Industrie „glorreichen“ 1830er Jahren den Mut zu verlieren, so vertrat sie daneben von Anfang an energisch den Standpunkt, dass die Behörden der Auswanderungsfrage alle Beachtung schenken und verhindern sollten, dass die Auswanderer Gefahr liefen, in der Fremde im Elend zu verkommen; schon damals empfahl sie die Bildung grösserer Auswanderer-Gesellschaften, vorgängig jedoch möglichst genaue Erkundigungen bei Schweizern in Nordamerika, wo sich deren in den vorangegangenen Dezennien, anscheinend schon eine ziemliche Zahl angesiedelt hatten. Gegen Ende des Jahres erschien nun in Aarau eine Flugschrift „Die Gründung von Neuhelvetia“, worin ein aus dem Eisass zugewanderter Bürstenbinder Andreas Dietsch die Bildung einer grossen Schweizerkolonie im Staate Missouri anregte und zwar auf religiöser Grundlage mit Gütergemeinschaft, nach Art der Brüdergemeinde der ersten Christen, wodurch den Uebeln der alten Welt, „wo bald Keiner mehr dem Andern die Sonne gönnen mag“, abgeholfen wäre. Durch Inserate in der „Neuen Glarner Zeitung“ 286 ■{erstmals unterm 24. Januar 1844) gelangte dieses Schriftchen, welches zugleich schon die Statuten für eine solche Unternehmung und eine Einladung zur Beitrittserklärung enthielt, auch in unserer Gegend zu starker Verbreitung und half dazu, das Auswanderungsfieber zu steigern. Den darin ausgesprochenen, teilweise utopisti- schen Ideen konnte die „Glarner Zeitung“ natürlich keinen Geschmack abgewinnen und riet, wenn doch ausgewandert sein müsse, ■so mache man es wie die Männer von Weisstannen, die vor kurzer Zeit ein Neu-Mels gegründet hätten, und unternehme die Gründung eines Neu-Glarus, unter Mitwirkung der heimatlichen Behörden und unter Vermeidung von phantastischem oder -abenteuerlichem Beiwerk. 1 ) Inzwischen lauteten die Berichte über die zunehmende Armut, besonders in Engi, Matt und Linthal, immer bedenklicher und ebenso Hessen sich aus Rüti und Dies- bach laute Klagen über die eingetretene Verdienstlosigkeit vernehmen. Bald griff die Bewegung auch in sonst besser situierte Gemeinden über und der erste Schritt, welcher den Stein ins Rollen brachte, ging von Ennenda aus, wobei der Sache ein komischer Beigeschmack nicht fehlte. Mit der Unterschrift „Mehrere Auswanderungslustige“ erging nämlich in einem Inserat der „Neuen Glarner Zeitung“ die Einladung, sich Sonntag Nachmittag den -24. März 1844 beim „Schwarzen Adler“ in Glarus einzufinden, um über die Gründung eines „Neu-Glarus im Staate Missouri“ zu beraten. Es fanden sich gegen 120 Personen ein; nur von den Einladenden war keine Spur zu sehen. Unwillig darüber holte man -den Verleger J. Vogel herbei, welcher alsdann einige Bürger von .Ennenda als Einsender bezeichnete, sich aber weigerte, deren *) Was aus der von Dietsch angeregten Gründung geworden ist, ist uns nicht bekannt; wir lesen nur in der „Glarner Zeitung“ vom 11- Mai 1844: „Gestern verliess abermals eine aus 8 Personen bestehende Familie aus der Gemeinde Engi unser Vaterland, um sich der nach Missouri auswandernden A.arauer-Gesellschaft anzuschliessen“. Andere folgten dem Rufe eines Lehrer Mathas Kundert in Glarus, welcher, als neubestallter Besitzer einer Waldung am Hudson oberhalb Albany, mit Inseraten vom 20. März und 24. April 1844 in der „Neuen Glarner Zeitung“, Associes und Kolonisten anzuwerben suchte. Die ersten Auswanderungsagenturen thaten sich, wie natürlich, in der Grenzstadt Basel auf. Nach Anzeigen in der „Neuen Glarner Zeitung“ ■dürfte dies erstmals im Juni 1845 erfolgt sein. Erster Unteragent in hiesigem -Kanton wurde Sensal Frid. Beglinger in Mollis. >< 287 Namen zu nennen. Nach langem Hin- und Herreden liess sich einer der Anwesenden (unzweifelhaft Tagwenvogt Heinrich Blumer von Schwanden) bestimmen, die Leitung der Versammlung zu übernehmen; es wurde eine Kommission gewählt und daneben einige Briefe von schon in Amerika niedergelassenen G-larnern verlesen, nach welchen die Sache nicht aussichtslos erschien. Die Wahl des Präsidenten erwies sich als eine sehr glückliche, da derselbe den Gemeinderat Schwanden0 für die Angelegenheit zu interessieren wusste. Letzterer brachte die Sache in das richtige Geleise und berief auf den 6. April und später noch mehrere Male die Gemeinderäte derjenigen Gemeinden, welche mitthun wollten, nach Schwanden zu Beratungen, aus welchen die Gründung eines „Glarnerischen Auswanderungsvereins“ hervorging, gebildet durch die Tagwen Mollis, Ennenda, Schwanden, Diesbach und Dornhaus, Nidfurn, Haslen, Schwändi und Sool, Luchsingen, Elm, Linthal, Rüti, Matt und Engi, sowie Hätzingen. Diese Tagwen verpflichteten sich, jedem nach der neuen Kolonie auswandernden Tagwenrechts- genössigen zur Bezahlung des Bodens und zur Bestreitung der ersten Bedürfnisse fl. 100, in 10 Jahresraten rückzahlbar, vor- zuschiessen. Daneben bewilligten die meisten Gemeinden einmalige, nicht rückzahlbare Unterstützungen, gleichsam als Gegenwert für den Verzicht auf das Tagwenrecht von Seite der Abreisenden. Speziell im Hauptort, wo die Druckfabriken fortwährend Beschäftigung gewährten, zeigte sich gar keine Lust zum Auswandern. Die Landesregierung, die anfänglich nur moralische Unterstützung in Aussicht gestellt hatte, bewilligte zur Entsendung einer Expertise fl. 1500, während die später wirklich erwachsenden, im übrigen von den genannten Tagwen getragenen Kosten für dieselbe fl. 3244 betrugen. Zu dem schweren Amt eines Experten liess sich Appellationsrichter Nikolaus Durst von Diesbach (t 1874) gewinnen; als Gehilfe gab man ihm Frid. Streift. von Schwanden mit, welcher in der Folge seinen bleibenden Wohnsitz in der Kolonie aufschlug. Mit den nötigen Vollmachten ausgerüstet, reisten die Beiden am 8. März 1845 ab, begaben sich vor- ') Gemeindepräsident von Schwanden war damals Oberstlieut. Melchior Blumer-Becker-, als Vorstand des „Auswanderungsverein“ wurden später Ratsherr Hilarius Jenny und Tagwenvogt Blumer in Schwanden bezeichnet. 288 erst zu dem aus der Kirchgemeinde Schwanden stammenden Wilhelm Heinrich Blimer in Allentown (Pennsylvanien), welcher ihnen alle nötigen Aufschlüsse und einen Sachkundigen, Josua Frei,. einen gebornen Zürcher, zum Weiterreisen mitgab. Nachdem sie sich mit demselben vergeblich in neun Staaten umgesehen, kauften sie endlich im Juli in Green-County, Staat Wisconsin, 1200 Acres „Congress-Land“ (Prairie) nebst 80 Acres Wald, wobei man gedachte, jeder Familie ein Los von 20 Acres, in 10 Jahresraten rückzahlbar, zuzuteilen. x ) Inzwischen drängten zu Hause die Auswanderungslustigen den „Verein“ derart, dass er die Abfahrt der Gesellschaft schon auf den 16. April, um welche Zeit die Experten noch nicht einmal auf amerikanischem Boden angelangt waren,, ansetzen musste. Hatten sich vorher nur 140 Personen angemeldet, so fanden sich nun, besonders aus dem Sernfthal, erheblich mehr ein, so dass die Gesamtzahl 193 Köpfe erreichte und das- „Komitee“ momentan wegen des Transportes an der „Byäsche“ sich in nicht geringer Verlegenheit befand. Ehe die Auswanderer vom Lande abstiessen und den Linthkanal hinunterfuhren, entbot ihnen Ratsherr Caspar Jenny von Ennenda im Namen des Komitees Abschiedsworte, die man noch heute nicht ohne Rührung wiederlesen kann; sie finden sich in einem resümierenden Bericht (Glarn. Ztg. vom 20. Dez. 1845), welcher auch die Namen aller Ausgewanderten enthält, und woraus ersichtlich ist, dass sich dieselben auf die verschiedenen Gemeinden wie folgt verteilten: Familienväter Insgesamt Familienväter Insgesamt Matt . . . 7 45 Schwändi i 5 Diesbach. . 8 42 Elm . . i 4 Ennenda . . 9 27 Leuggelbach 2 2 Kerenzen 4 22 Haslen . . 1 2 Rüti . . . . 5 13 Linthal 2 2 Schwanden . 3 10 Netstal 2 2 Nidfurn . . 1 8 Engi . 1 1 Riedern . . 2 7 Mollis . . 1 1 50 193 ’) Das ungeheuer ausgedehnte, im Besitz des Staates stehende und damals von der Regierung (Unions-Congress) zum Verkauf gestellte ürland war durch in einer Entfernung von 6 zu 6 englischen Meilen kreuz und quer gehende Linien in sog. „Townships“ (in wörtlicher Uebersetzung: „Stadtgebiete“) eingeteilt, welche demnach alle 36 Quadratmeilen oder 23 040 „Acres“ enthielten (1 Quadratmeile = 640 „Acres“, 1 Acre = 4840 Quadratyards oder 4047 Quadratmeter). Der Preis für solch’ gänzlich unbebautes Gongressland war damals durch Gesetz auf 1 */* Dollar per Acre festgesetzt. 289 Obwohl die Abreise etwas überstürzt erfolgt war, fand die Angelegenheit einen ziemlich günstigen Fortgang und Abschluss, Dank der Umsicht der vorausgesandten Experten und der Sachkenntnis und Uneigennützigkeit der von ihnen in Anspruch genommenen Landsleute. Yon den 193 Personen langten zwar nur noch 108 am 15. August 1845 am Ziele an, indem 8 derselben, darunter 6 Kinder, auf der Reise gestorben waren und die Uebrigen sich sonst vom Zuge abgetrennt hatten. Richter Dürst traf noch verschiedene Massregeln zur Verteilung des Landes, Einführung einer Gemeindeverfassung für die Kolonie New-Glarus, Wahl der Vorsteher etc. und trat dann seine Rückreise in die Heimat an, wo er, zur Berichterstattung sehnlichst erwartet, am 2. Dezember wieder anlangte. Auf Ansuchen der Behörden von Bitten kaufte der erste Vorsteher, Frid. Streiff, im Jahr 1847 in der Nähe der ersten Ansiedlung 17 Vierzigacres-Lots, welche den Namen „Biltnertäli“ oder „Bilten-Settlement“ erhielten, indem hier im Laufe der nächsten drei Jahre 12 Familien aus jener Gemeinde ansässig wurden. Begreiflicherweise hatten die Ansiedler längere Zeit mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen und Entbehrungen durchzumachen ; nach mehreren Jahren waren sie wenigstens so weit, sich eines reichlichen Unterhalts erfreuen zu können, während sie ausser dem Mehrwert des urbarisierten Bodens noch nicht im Stande waren, etwas Nennenswertes bei Seite zu legen. Den grössten Schritt vorwärts machten sie, wie einer der Ansiedler später dem Verf. einmal mündlich mitteilte, während des amerikanischen Secessionskrieges 1861/65, da Fleisch, Käse und andere landwirtschaftliche Produkte im Preise stark stiegen und die nördlichen, vom Kriege verschonten Landesteile von dieser Konjunktur reichlich Nutzen ziehen konnten. Während die ersten Ankäufe nur zirka 1 /j 8 des Township umfasst hatten, gelang es den ersten Ansiedlern und spätem Nachzüglern, im Laufe der Jahre das ganze bezügliche Gebiet zu erwerben, so dass New-Glarus eine der wenigen Kolonien ist, wo sich schweizerische Sprache und Sitten bis jetzt fast unversehrt erhalten haben; in der folgenden Generation wird allerdings eine Aenderung nicht ausbleiben, da, wie es scheint, bei der Jungmannschaft das Deutsche vernachlässigt wird. Das eigentliche „Städtchen“ New-Glarus, am kleinen Zucker- 19 290 fluss gelegen und Kopfstation einer Eisenbahn, zählt bloss 360 Einwohner, die ganze Kolonie mit ihren vielen zerstreuten Farmen hingegen etwa 1500, wovon noch heute die Mehrzal glarnerischer Abstammung, die Uebrigen Schweizer, mit Ausnahme von 3 norwegischen und 2 amerikanischen Familien. Sie beschäftigen sich, wie die Bauern in der Heimat, vorzugsweise mit Viehzucht, Käsefabrikation und andern Zweigen der Milchwirtschaft. Ueber den Umfang der Auswanderung aus dem Lande Glarus in jener ersten Zeit orientiert uns eine amtliche Tabelle, mitgeteilt in der „Glarner Zeitung“ vom 25. April 1846: Im Jahr 1843 wanderten aus 24 Personen „ „ 1844 „ „ 50 „ d ) „ „ 1845 „ „ 494 „ „ „ 1846 bis 20. April 108 „ Gesamtzahl 676 Personen = 1 / i5 der auf 30,400 Köpfe geschätzten Bevölkerung des Landes. Seither ist die Auswanderung nach Neu-Glarus und nach verschiedenen andern Städten und Staaten der nordamerikanischen Union nie erloschen und hat jeweilen, besonders wenn Pausen bei der inzwischen wieder mächtig aufgeblühten Fabrik-Industrie eintraten, eine Bolle gespielt. Eine nicht geringe Zahl der Auswanderer rekrutierte sich in der Folge auch aus Angehörigen des Bauernstandes, welche sich nicht zur Fabrikarbeit bequemen wollten und in der Heimat bei Ausübung ihrer Beschäftigung nicht vorwärts kamen, da die Preise für den im Thale spärlich vorhandenen Boden eben mancherorts im Verhältnis zum Ertrag zu hoch sind. Sehr oft lockten auch Ansiedler in der neuen Welt Verwandte oder Bekannte hinüber, welche so das Vaterland durchaus ohne Not verliessen; ihre Stelle nahmen sogleich aus Nachbar- ’) Nach der „Glarner Zeitung“ vom 11. Mai 1844 schlossen sich ein Teil derselben der nach dem Plane des Andreas Dietsch nach Missouri auswandernden Aarauer-Gesellschaft an; andere folgten dem Rufe eines Lehrer Mathias Kundert in Glarus, welcher als neubestallter Besitzer einer Waldung am Hudson oberhalb Albany, mit Inseraten vom 20. März und 24. April 1844 Mitanteilhaber und Kolonisten anzuwerben suchte. Es wäre nicht uninteressant, auch über das Schicksal dieser beiden Gesellschaften etwas in Erfahrung zu bringen. 291 kantonen einwandernde arme Familien ein, welche Privaten und Behörden oft genug zu schaffen machten, bis sie sich aus ihrer Dürftigkeit einigermassen herausgearbeitet hatten. Fragen wir nach der geistigen und volkswirtschaftlichen Rückwirkung der Auswanderer auf ihr Heimatland, so müssen wir dieselbe, trotz dem ziemlich regen persönlichen Verkehr, als gering bezeichnen, wie es übrigens der Beruf der Mehrzahl dieser Leute und ihre ökonomische Lage vor und nach der Auswanderung nicht, anders erwarten liessen. Es steht diese Thatsache in grellem Gegensatz zu dem Einfluss der in europäischen und asiatischen Ländern bleibend oder vorübergehend niedergelassenen Glarner. Eine Ausnahme von jener Regel macht indessen Herr Heinrich Rosenberger (1824—1893) von Bilten, welcher während ungefähr 30 Jahren das Amt eines schweizerischen Consuls in Galveston (Texas) bekleidete. Nach der dem Verf. gefälligst zur Verfügung gestellten Brochüre „Advance Sheets from Indian Wars and Pioneers of Texas 11 und ergänzenden schriftlichen Mitteilungen wanderte derselbe 1841 nach Amerika aus, erreichte 1843 Insel und Hafen- Galveston zusammen mit seinem Landsmann John Hessley (Hüter Johannes Hösly von Netstal), war anfänglich Angestellter, dann Associe in dem von jenem errichteten Hutgeschäft, das er nach und nach auf verschiedene andere Artikel ausdehnte und unter Ueberwindung zahlreicher Schwierigkeiten immer mehr empor brachte. Als sich die Stadt nach Beendigung des amerikanischen Krieges stärker zu entwickeln begann, kam sein kaufmännisches Talent erst recht zur Geltung; er gründete 1874 die Galveston Bank and Trust Go. auf Aktien, dann 1882 die Rosenberg Bank 1 ) als Privatunternehmen und beteiligte sich an der Finanzierung verschiedener Eisenbahnen in Texas; gleichzeitig erwarb er in Galveston und andern Städten Grundbesitz, der durch Ueberbau- ung bedeutenden Mehrwert erhielt, so dass sein Vermögen sich schliesslich auf mehr als eine Million Dollars belief. Hatte er schon 1888 der Stadt ein Schulhaus für 1000 Schüler (Rosenberg Free School Building) geschenkt, so vermachte er auf sein Ableben hin, im Einverständnis mit seiner gleichgesinnten Gattin, einer geb. Miss Mollie R. Macgill (welche er 1889 als kinderloser Witwer ge- ’) Er hatte schon längst seinen Namen Rosenberger in,,Rosenberg“ abgekürzt. 292 heiratet hatte), zwei Drittel seines ganzen Besitzes zu Gunsten von Kirchen, Waisenhäusern, Bibliotheken u. s. w., sowie für Errichtung eines Denkmals für die „Helden der Texas-Revolution“ 1 ); die Quote allein, mit welcher er die Vatergemeinde Eilten bedachte, ist eines der grössten von den vielenVermächtnissen, die vonGlarnern in der Heimat und in der Fremde schon gestiftet worden sind. Bei dieser Gelegenheit wollen wir gleich noch eines zweiten Auswanderers von Bilten Erwähnung thun, da demselben in anderer Richtung interessante Erlebnisse beschieden waren; es ist dies Herr Heinrich Lienhard, geb. 1822. Derselbe wanderte 2 ) 1844 nach der neuen Welt aus, durchquerte dann 1846 die Vereinigten Staaten mittelst Ochsengespann in sechsmonatlicher beschwerlicher Fahrt, um nach dem damals mexikanischen „Oberkalifornien“ zu „Capitan Sutter“, der in Zeitungen viel Reklame gemacht hatte, zu gelangen. J. A. Sutter, der Sohn eines in Liestal naturalisierten Badensers, hatte in jüngern Jahren bei den französischen Schweizertruppen gedient, sich dann in Basel verheiratet, jedoch seine Familie in den 1830er Jahren verlassen, um in Amerika ein abenteuerliches Leben zu führen. Im Jahr 1839 erhielt er von der mexikanischen Republik, welche sich in den 1820er Jahren von Spanien losgetrennt hatte, am Sacramento-Fluss, 1 oder 2 Tagreisen von San Franzisco entfernt, einen Landkomplex zur Organisierung der weissen Besiedlung. Dahin suchte er nun Auswanderer zu ziehen, wobei Sutter’s Fort, sein etwas befestigter Sitz, der Mittelpunkt sein sollte. Bei der Ankunft Lienhard’s lag jedoch Mexiko im Krieg mit den Vereinigten Staaten und war Oberkalifornien bereits in den Besitz der letzteren übergegangen. 3 ) Um ’) Losreissung Texas’ von der mexikanischen Republik im Jahr 1836, unter Gründung eines selbständigen republikanischen Staates, welcher sich dann 1845 den „Vereinigten Staaten von Nordamerika“ anschloss. 2 ) Siehe das nach ausführlichen Tagebuch-Notizen Lienhards recht anschaulich geschriebene, 1900 im Verlag von E. Speidel in Zürich erschienene Buch: „Californien unmittelbar vor und nach der Entdeckung des Goldes“. 3 ) Dieser Uebergang wurde durch den Frieden von Guadalupe Hidalgo ein definitiver. Lienhard nennt seine Feinde in den Tagebuch-Notizen beharrlich „Spanier“ anstatt „Mexikaner“; dies mag wohl der Grund dafür sein, dass der Herausgeber (im Vorwort) den Helden der Geschichte irrtümlich in der mexikanischen Armee (gegen die Spanier!) kämpfen lässt, während 293 die unterwegs gemachten Schulden abzubezahlen, Hess sich unser Landsmann für 3 Monate in ein Freiwilligen-Korps der Vereinigten Staaten einreihen, war dann bei Sutter Gemüse- und Obstgärtner und schliesslich Oberaufseher. Als solcher nahm er (1848) an einer Beratung teil, wo die Gründung und Namengebung von Sacramento- Gity, der heutigen Hauptstadt Kaliforniens beschlossen wurde. Am 19. Januar 1848 entdeckten ein Teilhaber und ein Angestellter Sutter’s beim Auswerfen eines Kanals für eine Sagemühle das erste der kalifornischen Goldfelder, infolge dessen die nähere und weitere Umgebung in kurzer Zeit zum Tummelplatz zweifelhafter Elemente wurde. 1 ) Lienhard, der den ersten geheimen Proben über die Aechtheit des Goldes beigewohnt hatte, beteiligte sich nur einige Monate an der eigentlichen Goldwäscherei, bei welcher man bei Tag und bei Nacht bis an die Zähne bewaffnet sein musste; er zog vor, eine Schafzucht zu übernehmen und weissen Goldgräbern und rothäutigen Hilfsarbeitern Schaffleisch zu guten Preisen zu verkaufen; dazwischen spekulierte er auch ein wenig in Baulosen. 1849 wurde ihm die damals mit bedeutenden Umständlichkeiten verbundene Aufgabe zu Teil, Frau, Söhne und Töchter Sutter’s in der Schweiz zu holen. Nachdem er diese Mission zu allseitiger Zufriedenheit erfüllt, brachte er sein ehrlich, aber unter viel Gefahren und Strapazen erworbenes Vermögen in Sicherheit und verliess schon am 1. Juli 1850 für immer Kalifornien, „wo er geträumt hatte, durch unermüdliches, redliches Streben und Schaffen sich ein friedliches, glückliches Heim zu gründen, was sich auch verwirklicht hätte, wenn nicht durch die Entdeckung des Goldes der Abgott Mammon aus dem paradiesischen Kalifornien für Jahrzehnte eine teuflische Lasterhöhle gemacht hätte“. Herr Lienhard kehrte in die Schweiz zurück, verheiratete sich und kaufte in Kilchberg das Gut, das später in den Besitz des Dichters doch Lienhard S. 118 und ff. deutlich schreibt, er habe sich von Onkel Sam, d. h. den Vereinigten Staaten anwerben lassen. Das Buch weist noch einige andere Lücken auf, so das Fehlen des Vornamens Sutter’s und der Zeitpunkt der Gründung von dessen Ansiedlung „Sutters-Fort“, worüber sich in Brockhaus C. L. (unter „Sacramento“) Aufschluss fand. ’) Nach Brockhaus 0. L. belief sich der Wert des im Jahreslaufe von 1853 in den kalifornischen Minen gewonnenen Goldes auf die grosse Summe von 65 Millionen Dollars. 294 Conrad Ferdinand Meyer überging. Er war aber schon zu sehr Amerikaner geworden, als dass es ihm in der alten Welt auf die Dauer behagt hätte. So zog er nochmals über den Ozean und siedelte sich in Nauvoo, im Staate Illinois, an, wo er noch heute als 77jähriger Greis im Kreise seiner Kinder und Enkel lebt. Schon als die Auswanderungsbewegung noch in den ersten Stadien begriffen war, erkannten die einsichtigem Staatsmänner dass sie zwar in kritischen Zeiten als Sicherheitsventil wertvolle Dienste zu leisten vermag, dass aber in der Entvölkerung eines- Landes keineswegs das Ideal eines Heilmittels für soziale Schäden erblickt werden kann. Sie bemühten sich denn auch, in den abgelegnem Weilern, wo die Fabrik-Industrie nicht so baldFuss fassen konnte, anderweitige Abhilfe zu treffen. Ein Mittel, die Handweberei teilweise zu erhalten, hätte darin bestanden, zur Buntweberei überzugehen, da auf diesem Gebiet der Handwebstuhl noch etwa 20 Jahre länger konkurrenzfähig blieb. Dieselbe war gerade um jene Zeit im St. Gallischen in lebhaftem Aufschwung begriffen und hat, nach Dr. H. Wartmann, wesentlich dazu beigetragen, in diesen Gegenden die Krisis in der Hand-Weissweberei besser als an vielen andern Orten zu überwinden. Es wurden damit in der That auch im Glarnerland einige Versuche gemacht- und zwar vorerst am Kerenzerberg, wo man in den 1840er Jahren für Rechnung toggenburgischer Kaufleute die Hausweberei von Moreas und andern Buntgeweben aufnahm. Später, um 1859,. errichtete die Firma Gross <& Fjgli aus dem Kanton Zürich im Mühlethal bei Mühlehorn eine kleine mechanische Buntweberei,, welche, zu wiederholten Malen ausser Betrieb gestellt, später an die Firma Weber & Cie. in Wetzikon, um 1880 an Herrn E. Dürsteier von Horgen und 1898 an Herrn H. Sameli-Gwalter (auch aus dem Kanton Zürich gebürtig) überging, welch’ letzterer sie in einemechanische Seidenweberei umwandelte, jedoch diesen Zweig schon- nach drei Jahren ebenfalls wieder aufgab und nun nur noch ein Elektrizitätswerk im Mühlethal unterhält. Inzwischen hatte sich die Hausweberei von Seidenstoffen, welche für Rechnung 295 zürcherischer Handelshäuser schon 1848 ihren Anfang genommen, als bedeutend lohnender als die Baumwoll-Buntweberei erwiesen, und noch heute bildet sie für die weibliche Bevölkerung von Mühlehorn, Obstalden und Filzbach einen geschätzten Nebenverdienst. Ein zweiter Versuch zur Einführung der Buntweberei geschah im Sernfthal. Dort hatte sich, wie wir oben schon berichtet, die Krisis ganz besonders stark geäussert, weshalb einige gemeinnützige Männer 1848/49 die Bildung einer Aktiengesellschaft zur Gründung einer Handweberei-Fabrik für Buntgewebe in Engi unternahmen. Die Initianten und Mitglieder des ersten Verwaltungsrates waren: Ratsherr Peter Jenny, älter, in Schwanden 1 ); Pfarrer J. Marty in Ennenda; Ratsherr Joh. Christoph Tschudy in Glarus; Pfarrer J. C. Zwicky in Mollis; Fabrikant Heinrich Studer in Glarus; Verwalter Adam Blumer in Engi; Fabrikant Heinrich Staub-Heer, „zur Linde“, in Glarus. Letzterer, geb. 1810, Bruder von Bleichereibesitzer M. Staub in Riedern, hatte früher ein gewöhnliches Handweberei-Geschäft (Zettlerei und Tragerei) betrieben % ) und war dann auch dazu übergegangen, Garne färben zu lassen und zu Buntgeweben zu verarbeiten, die er durch Vermittlung der Firma Joh s . Heer nach dem Orient verkaufte. Er übernahm nun den pachtweisen Betrieb des neuen Etablissements in Engi, starb aber schon 1851, und da die Aussichten für das Gedeihen dieses Geschäftes sich offenbar ungünstig gestaltet hatten, wurde es liquidiert, worauf die Realitäten von den Herren Ratsherr Hilarius Jenny von Schwanden, Handelsmann Caspar Jenny zum Soolerbogen in Glarus, und Rats- ') Demselben war es schon früher sehr daran gelegen gewesen, dem in verschiedenen Beziehungen zurückgebliebenen „Kleinthal“ aufzuhelfen. Als das Land das Schieferbergwerk in Engi auf Anregung von Pfarrer Heer in Matt, zur Abwehr verschiedener Uebelstände, auf den 1. Januar 1834 an sich zog, liess er sich für eine Anzahl von Jahren zum Direktor des Unternehmens wählen. 2 ) Aus dieser, dem Verf. nachträglich zugekommenen Mitteilung geht hervor, dass die S. 236 ausgesprochene Vermutung, in Glarus habe ausser den „Gebrüder Kundert“ keine Handwebereifirma bestanden, jedenfalls nur für die ersten 2 oder 3 Decennien des XIX. Jahrhunderts zutrifft. herr Peter Jenny von Sool (geb. 1808, noch heute in Sirnach, Kt. Thurgau, lebend) erworben und 1852/53 unter Benutzung einer Wasserkraft am Sernft in eine mechanische Baumwoll-Weissweberei— Firma „Weberei Engi“ — umgewandelt wurden. Das Geschäft, das nach und nach auf 250 Webstühle gebracht wurde, hatte längere Zeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen; an die Stelle des zweitgenannten austretenden Besitzers war nach einigen Jahren Herr Streiff - Jenny „auf Erlen“ (Glarus) getreten, und Ende der 1870er Jahre ging es an Herrn Felix Jenny-Becker in Schwanden und dessen Schwager, Herrn Joh, Becker-Freuler von Ennenda, 1887 sodann an des Erstem Brudersohn, Kenn Fritz Jenny, über. 4'Jahre später wurde es durch einen Brand zerstört. Die beiden missglückten Versuche zur Einführung der Buntweberei in einem hiefür günstigen Zeitpunkt beweisen, wie schwierig es oft ist, neue Industrien, völlig isoliert, in einer Gegend anzusiedeln. Daneben ist auch zu berücksichtigen, dass die finanziellen Kräfte der damaligen glarnerischen Industriellen durch den Bau mechanischer Spinn- und WeissWebereien aufs äusserste angespannt waren und sich daher bei ihnen wenig Geneigtheit zeigte, sich in die komplizierte Buntweberei einzulassen. Inzwischen ist unser Ländchen, wie aus Anmerk. 1 S. 261 ersichtlich, auch in diesem Textilzweige zu einem bedeutenden Repräsentanten gekommen. Im Jahr 1864 erhielt die Gemeinde Engi unter der Firma „Weberei Sernfthai“ ein zweites Etablissement, indem einer ihrer Bürger, Herr Ständerat Leonhard Blumer (geb. 1841), welcher sich frühzeitig für die kaufmännische Laufbahn entschlossen und ausgebildet hatte, in Verbindung mit der Baumwoll- und Tücher- Kommissionsfirma B. Fr euler 1 ) in Zürich, unter Benutzung der Wasserkraft des „Mühlebachs“, einen Bau für 180 Webstühle errichtete. Während fast alle glarnerischen Webereien bis dahin nur Drucktücher (Calicots und Mi-doubles) erzeugten, fasste man hier von Anfang an die Erstellung grober und feiner Hemdentücher, J Damalige Teilhaber derselben waren Herr Balthasar Freuler, Bruder der Herren „Gebrüder Freuler“ in Ennenda, und Herr Leuginger-Zehnder von Mollis. 297 vornehmlich für Schweizerkonsum, ins Auge; bei einer 1877/78 ausgeführten Vergrösserung wurden 100 Stühle für 150—200 cm breite Bett-, Tisch- und Faqonnes-Tücher angeschafft. Herr Balth. Freuler nahm schon 1866 und Herr Leuzinger 1870 den Austritt, worauf sie durch die seither verstorbenen Herren Trümpy- Zölper und Simmen-Oertli von Glarus ersetzt wurden. 1887 übernahm Herr Blumer das Geschäft für seine alleinige Rechnung, erwarb 1897 auch Wasserrecht und Liegenschaften der ehemaligen Firma „Weberei Engi“ und errichtete einen Neubau, in welchem ■60 Domestiques-Stühle und 90 Webstühle für Betttücher in der Breite von 150—300 cm Platz fanden. Da 1898 die Söhne des Besitzers, die Herren Jean-Fritz und Alfred Blumer-Schuler eintraten, änderte sich die Firma in „L. Blumer & Cie., Weberei Sernfthalin Engi“. Indem gegenwärtig feine und grobe Hemden- und Betttücher, Drills, Brillantes, Piques, Basins, Damaste, Tisch- und Handtücher, Bad- oder Frottiertücher, Futter- und Hosenstoffe fabriziert werden, bildet dieses Geschäft eine hochgeschätzte Verdienstquelle für die dortige Gegend und kann, was Qualität und Vielseitigkeit der Produkte anbelangt, als eines der ersten seiner Art in der Schweiz bezeichnet werden.*) Einen bedeutenden Teil ihrer Artikel lässt die Fabrik vor dem Verkaufe bleichen und aufs Feinste ausrüsten. — Ueber das dritte Fabrik-EtabMssement des Kleinthals haben wir schon S. 252 berichtet. Indem wir hiemit das Kapitel „Spinnerei und Weberei“ schliessen, lassen wir die amtliche Statistik aus den 1860er Jahren, in Verbindung mit der Darstellung der Druckerei, an anderer Stelle nachfolgen. ’) Ausser der Firma Legier & Cie. in Diesbach (S. 258) haben in den letzten Jahren noch einige andere Webereien, so namentlich die Herren Fritz & Caspar Jenny in Ziegelbrücke (S. 244/51, einen Teil ihrer Produktion auf obige und verwandte Artikel verlegt. 298 10. Die gl arnerische Zeugdruckerei im XIX. Jahrhundert. a) Die Periode von 1800 — 1820. Wie alle andern Erwerbszweige, so wurde auch die Druck- Industrie von dem schrecklichen revolutionären Intermezzo um die Wende des Jahrhunderts arg mitgenommen, während bis dahin die öffentlichen und privaten Zustände des Landes Jahrhunderte hindurch das Bild einer fast beispiellosen Stabilität gezeigt hatten. Nach den schon S. 184, 187 und 237 gemachten Mitteilungen kamen sowohl die älteste Fabrik als auch einige kleine Etablissemente jüngern Datums zum Stillstand. Diejenigen jedoch, welche ausharrten, sahen bald wieder bessere Zeiten, was unter Anderm auch aus einigen unten folgenden Aktenstücken aus den Jahren 1810—1816 hervorgeht. Folgendes sind die Neugründungen, welche in diesen Zeitabschnitt fallen: Daniel Freuler (1745—1816), ein Urenkel jenes S. 61 T. I erwähnten Blaufärber Jakob Freuler, betrieb zu Anfang unseres Jahrhunderts in Ennetbühls die kleine Färberei, die sich stets- fort vom Vater auf den Sohn vererbt hatte. 1806 fasste er zusammen mit seinem Sohn Joh. Jakob (1774—1809) den Entschluss, von der Uni-Färberei zur Druckerei überzugehen und kam (nach dem Tagwensprotokoll von Ennenda) bei der Gemeinde um Platz dafür ein, ein Druckereigebäude errichten zu können. Damit ist die Inbetriebsetzung der Druckfabrik in Ennetbühls markiert, wenn auch die Entwicklung derselben im 2. und 3. Dezennium gehemmt wurde, weil die Gründer starben, ehe ihr Enkel bezw. Sohn, der nachmalige Fabrikant Daniel Freuler (1806—1870) schon im Falle war die Nachfolge antreten zu können. Neben etwas Krappware waren es hauptsächlich die einfachem Indigo- Druckartikel, welche diese Fabrik in jener ersten Zeit kultivierte. — Wahrscheinlich infolge der über Portugal hereingebrochenen Krisis 1 ) kehrte ums Jahr 1809 ein in Lissabon niedergelassener (und vielleicht in der dortigen Trümpy’schen Fabrik beschäftigter) Glarner, Hans Peter Brunner (1777—1822), Meister Kaspar’s von Glarus, nachdem er noch einen Aufenthalt in Amsterdam gemacht, in seine Heimatgemeinde zurück und baute 1812 zu oberst, am Giessen auf dem Areal und unter finanzieller Mithilfe seines Schwiegervaters, Wachtmeister Jak. Trümpy , eine kleine Druckerei, in welcher er krapprote und krappbraune Tüchel erstellte und die bald einige Ausdehnung erlangte. Wie wir Aehnliches schoa bei einigen jungen Geschäften erwähnt haben, wurde dem Verfi von verschiedenen, seither verstorbenen Leuten, die noch unter Peter Brunner „gestrichen“ und „gedruckt“ hatten, bezeugt, dass, die Frau desselben, Elsbeth geb. Trümpy, sich der Fabrikation lebhaft annahm und speziell der „Farbküche“ Vorstand. Als Peter Brunner schon 1822 ohne Nachkommen starb, erwarb sein Bruder, Landschreiber Heinrich Brunner (1773—1857) das Geschäft. Derselbe hatte 2 ) keine andere Bildung genossen, als wie die Glarner Gemeindeschule sie im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts zu geben vermochte und war nachher ein geübter Handdrucker geworden. Sein Altersgenosse, der nachmalige Landammann Nikolaus Heer, hatte indessen seinen klaren Verstand und die Tüchtigkeit seines Charakters erkannt, gab dem strebsamen jungen Manne Gelegenheit zur Erweiterung seiner Ausbildung und verschaffte ihm 1798 die Oberschreiberstelle bei der „Verwaltungskammer des Kantons Linth“ und später eine Stelle auf seiner Kanzlei. 1808 wählte ihn die Landsgemeinde zum Landschreiber, was er bis 1825 blieb und weshalb seine Fabrik stets unter der Bezeichnung „in des Landschreibers“ bekannt war. In seinem neuen Wirkungskreise als Fabrikant widmete er sich hauptsächlich der kaufmännischen Leitung und war dafür besorgt, jeweilen einen tüchtigen Koloristen zur Seite zu haben. Bis in die 1830er Jahre hinein bekleidete diese Stelle b Siehe Anmerk. 1 auf S. 188. 2 ) Nach einem von Dr. J. J. Blumer verfassten Nekrolog in der Schweiz., gemeinnützigen Zeitschrift vom Jahr 1857. 300 Joh. Michael Görig oder Gerig von Mülhausen. Derselbe war ums Jahr 1798 als Modelstecher ins Land gekommen, arbeitete in mehreren Fabriken und schliesslich auch in derjenigen von Peter Brunner. Hier wurde er nun, vielleicht noch von Peter Brunner selbst, als Gehilfe in die Geheimnisse der Kolorie eingeweiht, so dass er dessen Nachfolge in der Farbküche antreten konnte. Als findiger Kopf arbeitete er sich rasch in das neue Fach ein, erhielt ab und zu jedenfalls auch Rezepte von Bekannten in Mülhausen und machte sich unter den hiesigen Koloristen einen gewissen Namen. 1828 gelang es ihm, die krappbraunen Tücher nicht nur durch Aufdruck der Beizenfarbe, sondern auch durch Aetzen des gebeizten Grundes herzustellen. (Das viel weniger schwierige Aetzen reiner Thonerdebeizgründe zur Erzeugung von Rotboden mit Aetzweiss wird bei Egid. Trümpy und bei F. & J. H. Glarner schon ums Jahr 1809 erwähnt). Als 1829/30 der Krapp auf ungefähr das Doppelte seines gewöhnlichen Preises stieg, ersetzte er denselben teilweise durch eine Mischung von Limaholz und Quercitronrinde. Da diese Zusätze indessen die „Rasenbleiche“ (das Schönen des Weiss nach dem Färben) nicht so gut aushielten, fanden sie erst in den 1840er Jahren in den hiesigen Fabriken allgemeine Verbreitung, als man gelernt hatte, die Chlorbleiche nicht nur für weisse, sondern auch für gefärbte Druckwaren anzuwenden 1 ) und als zugleich die „Garancine“ erfunden war, welches Krapp-Präparat sich zum Mischen mit den sog. Farbhölzern besser eignete. Gleichzeitig mit andern Fabriken erstellte Gerig Ende der 1820er Jahre auch Uni-Chromgelb und -Chromorange gefärbte und weiss geätzte Tücher (vgl. S. 212), sowie die wenig ächten, aber damals neuen Levantiner - Ghäles, ein Artikel mit Tafeldruckfarben. 1836 trat an Gerig’s Stelle der nachmalige erste zürcherische Kantonalbank-Präsident, dann Nordostbahn-Direktor, Heinrich Studer (1815—1890). Derselbe, ein Sohn des Baumwoll- ’) Wie S. 125 T. I mitgeteilt, war man in mehreren glarnerischen Bleichereien für die rohen Stücke schon in den 1820er Jahren zur Chlorbleiche übergegangen; es gab aber noch in den 1830er Jahren Druckfabriken, welche den Bleichern, speziell für die in Krapp zu färbende Ware, die alte Rasenbleiche vorschrieben, zur Vermeidung der sog. Kalkflecken. 301 and Seidendruckfabrikanten Heinrich Studer in Wipkingen, leistete- seinem Prinzipal, besonders bei der Einführung der verschiedenen- Zweige des Türkenkappen-Artikels, mit welchen sich die Fabrik später fast ausschliesslich befasste, treffliche Dienste, so dass jener ihm von 1842 an eine Beteiligung am Geschäfte einräumte.. In dieser Stellung blieb Herr Studer bis 1860, zu welcher Zeit das Geschäft schon an die Söhne, die Herren Ratsherr Jost Brunner (geb. 1814) und Fabrikant Heinrich Brunner (1830—1868) übergegangen war. 1 ) Eine weitere Gründung erfolgte 1817 in Glarus durch Gabriel Trümpy (S. 189 T. II), nachdem derselbe schon um 1810 aus der Firma Egidius Trümpy & Cie. ausgetreten war und Handel in- weissen und gedruckten Tüchern getrieben hatte. In jenem Jahreverkaufte ihm nämlich Richter Joh. Chr. Tschudy einen Teil des. S. 184 T.II erwähnten Areals zum Bau einer Druckfabrik; 1828/24 erwarb er den Rest desselben, wobei die darauf stehende Mühle- zum Abbruch kam. Auch so noch blieb dieses Etablissement seiner Lage nach in der Entwicklung gehemmt; vorübergehend nahm er noch die untere leer stehende Tschudy’sche Fabrik ins Lehen. Herr- Gabriel Trümpy und seine Söhne fabrizierten anfänglich dieselben. Artikel wie Egidius Trümpy, besonders befasste er sich auch mit- Färberei und Aetzerei von Türkischrot; im Jahr 1828 fing er indessen an, gewöhnliche Krapprote nach Art und mit den Druckmodellen der „einfachen Merinos“ (S. 190) zu erstellen (indem er nach dem S. 189 und 217 erwähnten, damals schon längere- Zeit bekannten einfachen Aetzverfahren die Baumwolltücher ohne Oelbeize mit Thonerdemordant tränkte, weisse Muster daraus, ätzte, und nach dem Krapprotfärben noch „Tafelschwarz“ einpasste). Dieser billige Abklatsch des ächten Merinos-Artikels, wurde in der Folge in den Fabriken von Ennenda und Netstal als „Uso Merinos“ (später unter Verwendung einer möglichst bil- ‘) Einige Zeit nach dem Tode des Letztgenannten ging das Geschäft in den alleinigen Besitz des Herrn Jost Brunner — späterer Firmenname:: „J. de H. Brunner“ — über, während in der Farbküche vorerst fremde Chemiker (die HH. Kunz, Haggenmacher, Dr. Kielmeyer und Kündig) amteten;, dann lag die Fabrikation lange Jahre in den Händen des ältesten Sohnes, des Besitzers, Herrn Oberstlieut. Jakob Brunner- Jenny und ist nun in diejenigen von Herrn Hauptmann Fritz Brunner-Trümpy übergegangen. T nt. 302 ligen Mischung von wenig Garancine und viel Farbhölzern) in ungeheuren Mengen fabriziert und war, abwechslungsweise nach den verschiedenen Absatzgebieten, mehr als ein halbes Jahrhundert verkäuflich. Mit Obigen haben wir die Zahl der damals in Glarus er- öffneten Baumwoll-Druckereien noch nicht ganz erschöpft. Ums Jahr 1820 verliess nämlich Schützenmeister Joh. Heinrich -Glarner (S. 91 T. II) seine Associes, und that, ganz in der Nähe, auf dem „alten Schützenplatz“ (hinter dem „Storchen“) eine eigene Druckerei auf; er blieb jedoch hinter andern, besser eingerichteten Geschäften zurück und gab den Betrieb 1836 auf. (Die zu Wohnungen umgewandelten Lokalitäten gingen 1861 in Flammen auf). Die alte Firma, welcher diese Zersplitterung der Kräfte auch nicht förderlich war, hatte unterdessen den Namen „Fridolin und Joh. Heinrich Glarner älter“ angenommen und fabrizierte ebenfalls nur noch bis um die Mitte der 30er Jahre; eine weitere ähnliche Firma „Matheus Glarner“ entstand bald nach 1820, indem 2 Neffen des Schützenmeisters, Matheus Glarner (1794-1874) ,,,auf der Färb“, und sein Bruder Heinrich (1790—1824), Söhne -eines Meister David Glarner, neben ihrer Färberei eine kleine Indiennes- und Chäles-Fabrik einrichteten. Auch dieses mit zu bescheidenen Mitteln ins Leben gerufene Geschäft fiel der ums Jahr 1840 ein tretenden Krisis zum Opfer; die Gebäulichkeiten •brannten 1861 ab. In den Absatzgebieten kamen in dieser bewegten Periode von 1800—1820 natürlich mancherlei Wandlungen vor; ohne auf alle vorübergehenden Einzelheiten einzutreten, ist vor Allem hervorzuheben, dass Italien, welches verhältnismässig schnell wieder zu geordneten Zuständen gelangt und von 1806 an nicht mehr Kriegsschauplatz war, von nun an grosse Bedeutung für den glarnerischen Handel gewann. Folgendes lässt sich über die wichtigsten der in Italien etablierten glarnerischen Handelshäuser melden, wobei bemerkenswert ist, dass bei der nun eintretenden Steigerung des Verkehrs die ältern, schon früher genannten Firmen nicht gerade die führende Rolle spielten. ...Ora <• i-r'CAS 3 4 ', “) •%• irft MU^MstmSiiak 303 Das alte Handelshaus Jenny & Schiesser (vgl.S. 36 T, I und 196 T. II) trat nämlich um 1817, nachdem drei der altern Anteilhaber, Kaspar Jenny, Adam Schiesser * 1 2 ) und Ratsherr J. J. Becker gestorben waren, in Liquidation: der noch überlebende Kirchenvogt Sal. Jenny-Schiess er (1757-1822) gründete in Triest mit seinen SöhDen Melchior und Adam unter der Firma Salomon Jenny & Söhne ein neues Import- und Exporthaus für Manufakturen und Kornhandel und für Geldgeschäfte; ein anderer Schwiegersohn Schiesser’s, der gelehrte Chorrichter Joh. Jakob Blumer (1756—1825) in Glarus und seine 3 Söhne, welche im Stammgeschäft thätig gewesen waren, besorgten bis ungefähr 1820 die Liquidation desselben; sie hatten mehr Neigung zu wissenschaftlichen Studien und zu Staatsämtern, wesshalb sie sich gern von dem zu jener Zeit ohne- *) Landseckelmeister Adam Schiesser (1727—1814) in Dornhaus übte, wenn auch sein Vater, Kirchmeier Johannes, anscheinend nicht ganz unbemittelt war, in jungen Jahren das Baumwollspinnen, begann aber, weiter strebend, schon früh ein Handelsgeschäft mit Baumwollgarnen, das er mit ebenso viel Eifer als Geschick entwickelte, indem er namentlich auch Verbindungen mit St. Gallen anknüpfte. In der Folge gründete er mit Kaufmann Kaspar Jenny „im Halten“ in Ennenda die Firma „Jenny & Schi esser“, welche wir schon in dem S. 176 T. II wiedergegebenen Aktenstück aus dem Jahr 1769 verzeichnet finden. Neben dem Handel in Gespinnsten und Tüchern betrieben die Beiden nun auch den gewinnbringenden Import von levanti- nischer Baumwolle und Korn und errichteten hiefür eine Filiale in der damaligen verkehrsreichen Stadt Bologna. Schiesser, welcher als ein sehr geschäftsgewandter, daneben aber auch zu Absonderlichkeiten geneigter Mann geschildert wird, war am Schlüsse des Jahrhunderts einer der reichsten Bürger des Landes; er hinterliess keine Söhne, wohl aber folgende 4 Töchter: 1. Agatha, cop. 1776 mit Kaufmann Joh. Tschwdi (Sohn des Camerarius, S. 41 T. I). Diese sind die Grosseltern der rühmlichst bekannten, nach St. Gallen übergesiedelten 3 Brüder v. Tschudi (Iwan, „der Tourist“, Joh. Jakob, Naturforscher und 1872/83 Schweiz. Gesandter in AVien, Friedrich, Pfarrer, dann Regierungsrat, Verfasser des „Tierlebens der Alpenwelt“). 2. Anna Katharina, cop. 1780 mit dem oben im Text erwähnten Kirchenvogt Salomon Jenny. 3. Rosina, cop. 1780 mit dem ebenfalls oben erwähnten Chorrichter Blumer in Glarus; diese sind die Grosseltern von Bundesgerichtspräsident Br. J. J. Blumer. 4. Anna, cop. 1783 mit Gemeindspräsident J. H. Streiff in Glarus; aus dieser Ehe entsprossen keine männlichen Nachkommen. 304 hin vielen Wechselfällen ausgesetzten Handel zurückzogen. Dagegen entschlossen sich um 1820 die nachgelassenen Söhne des Ratsherrn J. J. Becker, das Geschäft in Bologna unter der Firma Gebrüder G. & F. Becker in etwas veränderter Weise fortzuführen, indem sie eine Niederlage für St. Galler Stickereien und Buntgewebe und für Glarner Mouchoirs errichteten und daneben in grossem Massstabe den in den umliegenden Gegenden gezogenen rohen Hanf nach Deutschland u. s. w. ausführten. Es waren dies der nachmalige Appellationsrichter Caspar B. (1789—1869) und Friedrich B. (1790—1871). Anfangs der 1850er Jahre ver- Jiessen sie Italien und bauten, wie schon S. 254 T. II bemerkt, für ihre Söhne eine Spinn- und Weberei in Linthal. 1 ) Die Firma Peter Blum er in Schwanden (S. 37 T. I und S. 238 T. II) hielt ihren Verkehr mit Ancona aufrecht, warf sich aber in den ersten 2 Decennien des XIX. Jahrhunderts hauptsächlich auf die einträgliche Handweberei, um dann, finanziell ge- kräftigt, in den 1820er Jahren wieder grössere Thätigkeit im Exporthandel zu entwickeln. Als zweite glarnerische Firma finden wir in Ancona bis in die 1840er Jahre hinein Heinrich von Christoph Iselin, anfänglich als Filiale des' schon im vorigen Jahrhundert in Glarus existierenden Handelsgeschäftes Heinrich Iselin & Söhne. Die Firma Dinner & Tschudi (S. 37 T. I), welche während der Kontinentalsperre günstig in Baumwolle operiert hatte, ver- ’) Dieselbe stand in der Folge unter der Leitung von Herrn Friedrich Becker-Pwravicini (1823—1897, Sohn des Friedrich) und von 3 Söhnen des Caspar, den Herren Caspar Becker-Fenner (1816—1871), Friedrich Becker-Becker (1820—1882) und Julius Becker-Becker (1836—1900). Letzterer, von der Natur mit einer ausserordentlichen Auffassungsgabe für die Technik ausgerüstet, fühlte sich in dem engen Wirkungskreise seines Geschäftes nicht befriedigt und warf sich daher auf das Studium der Dampfmaschinen-, Dampfkessel- und Heizungssysteme aller Art, der Cementarbeiten und anderer gerade in der Entwicklung begriffener Konstruktionszweige und Probleme der modernen Technik; er war einer der Gründer des „Vereins Schweiz. Dampfkesselbesitzer“ und bildete überhaupt ein allseitig geschätztes Bindeglied zwischen den schweizerischen Maschinenfabriken und ihren Abnehmern. Daneben ist er auch als eifriger Förderer des „Schweizerischen Alpenklubs“ und als Unternehmer oder Leiter bei der Erbauung von Clubhütten in weitern Kreisen bekannt geworden. 305 legte, wegen Aenderucg der handelspolitischen Verhältnisse, ihren Sitz von Triest nun ebenfalls nach Ancona und machte dort längere Zeit ein ansehnliches Platzgeschäft in verschiedenen Manufakturen. Glieder dieser Societät waren damals die Brüder Seckeimeister Matheus Dinner (1772—1844), Ratsherr Frid. Dinner (1773—1837) und Gosmus Dinner (1785—1869), sowie ihr Vetter, Ratsherr Frid. Tschudi (1774 — 1822), alle von Glarus. Einige Jahre nach dem Tode des Letztgenannten änderte sich die Firma in Dinner & Cie., und 1854 ging dieses Anconitaner-Geschäft ausschliesslich an die Herren Friedrich & Joh. Melchior Dinner, Söhne des Cosmus, über 1 ), nachdem Richter Peter Dinner (geb. 1816, Sohn von Ratsherr Frid. und Vater von Herrn Obergerichtspräsident Dr. F. Dinner in Glarus), schon 1848 gestorben war und Kaufmann Frid. Dinner im „Halten“ in Ennenda (1800—1859, Sohn des Matheus), sich schon seit mehreren Jahren durch seine zwei ältesten Söhne, die Herren Matheus Dinner-Jenny (vgl. S. 256 T. II) und Jakob Dinner- Spcilty, hatte vertreten lassen. Einen bedeutenden Anteil an der Erweiterung des Absatzes an Druckwaren in Italien und dem Orient kommt der Firma Luchsinger & Streiff in Glarus zu. Dieselbe war am 1. Juli 1803 entstanden, indem sich der S. 192/93 T. II erwähnte Kaufmann Bartholome Streiff und sein ältester Sohn Lieutenant Jakob (1781 — 1857) mit ihrem Vetter Fähndrich Joh. Rudolf Luchsinger (1782—1843), einem Brudersohn jenes an gleicher Stelle besprochenen Heinrich Luchsinger, verbanden. Später kamen dazu noch die beiden jüngern Söhne des Erstgenannten, nämlich Joh. Rudolf Streiff (1788 — 1852) und Major Bartholome Streiff (1789 -1837). Anfänglich wurde das Hauptgeschäft von dieser Firma an den Messen von Frankfurt a./M. und Leipzig gemacht, zugleich aber auch Bozen besucht und so die erste Verbindung mit Italien angeknüpft. Die erste Reise nach Bozen hatte Jakob Streiff schon im März 1803 auf den dortigen „Mittfasten-Markt“ unternommen; ein Brief vom 10. jenes Monats schildert die Reise über St. Gallen *) Gegenwärtige Inhaber der Firma Dinner & Cie. sind die Herren Alfred und Wilhelm, Dinner, Söhne des Joh. Melchior; des letztem Bruder war schon 1860 gestorben, mit Hinterlassung eines Sohnes Karl. 20 806 und Rorschach nach Lindau, von da über verschiedene bairische und tirolische Gebirgspässe nach Innsbruck und über den Brenner nach Brixen und Bozen. Zweimal schwebte er in Lebensgefahr, indem er bei Sturm und Wetter auf Gebirgspässen im Schnee stecken blieb. In Bozen findet er „wie in Zurzach“ alles ausserordentlich teuer. Zwar betrug das „Marktrechtgeld“ bloss 48 Kr., umsomehr musste er Miete für ein kleines, immerhin gutgelegenes „Lädeli“ am Marktplatz bezahlen, sowie 1 fl. täglich einem Messhelfer und Dollmetscher, da er des Italienischen nicht genügend mächtig war. Verkauft wurde, des dortigen schlechten Geldkurses wegen, meistens nicht gegen bar, sondern auf Kredit. Er traf auch zwei andere Glarner dort, nämlich „Lieutenant Glarner“ und „Gabriel Brunner“. Von 1817 an bereiste sodann der noch jugendliche Joh. Rudolf Streiff Oberitalien (Mailand, Reggio, Modena, Parma, Bologna etc.) und erzielte einen stets wachsenden Umsatz. Zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs wurden in der Folge „Depositi“ in Glarner Druckwaren bei vertrauenswürdigen Kunden in Triest, Modena, Piacenza, Bologna und Livorno angelegt. Als Bezeichnungen, welche auf eine besondere Verwendung hinweisen, treffen wir in den ersten zwei Dezennien des XIX. Jahrhunderts neben Indiennes, Mouchoirs und Chäles die „Fichus“ oder „Knüpferli“ (Kinderhaistüchel), von welchen man auf 7 / 4 oder 8 /i Stücke zwei halbbreite Tüchel nebeneinander druckte, weshalb vier davon auf die Grösse eines gewöhnlichen Tuches gingen und sie auch „viertüchige“ genannt wurden; ferner die „Halsbinden“, welche man in Tupfen- und Carreauxdessins auf Zürcher- und St. Galler-Mousseline druckte und die damals namentlich in Deutschland guten Absatz fanden. Dieser hübsche Artikel dürfte wohl in appenzellischen und st. gallischen Druckereien zuerst erzeugt worden sein. Mit „Foulards“ bezeichnete man krapprote Tüchel, bei denen man nach dem Färben, wie bei den Lyoner Seidenfoulards, den weissen Stellen einen blassgelben oder lachsfarbenen Ton verlieh und sie mit weichem Glanzappret ausrüstete. Von den 1820er Jahren an wurden von vereinzelten Fabriken auch „Meubles“ (einfache Möbelstoffe) geliefert und von den 1880er Jahren an „Schoossen“ (Schürzendessins). 307 1823 erbaute Bartholome Streiff, Yater, auf seine eigene Rechnung die Fabrik „auf der Insel“ und druckte vom September jenes Jahres an ä fa/ ]a „ Blau u. Weisse 6 l / 2 /4l (Gewöhnliche glatte Indigo- * 402 „ „ „ „ 6/41 Artikel) n SO*'« >iol"u.GelbeV4,5/4iL6M^ " 750 7 | m „ „ „ „ 6 l |s/4u. 7/4J und Eisennankin) „ 581 u /i2„ Cambric 6/4 (obige Artikel auf dichtem glattem Gewebe) „ 526 „ Mousselines 6/4 j (Halsbinden, meist in Krapp- » 863 s ) 6 „ „ 6 1 ( 2 /4 [ farbendruck) ^ 1353.50 2956.22 5706.08 7196.52 5646.34 4328.07 10109.49 ff ff ff ff ff ff ff 4779 Dutz. 11 fl.45002.08 Fortsetzung Seite 310. I 308 SOLL Ostermess-Bilanz A° 1810 aufgestellt von Warenverkauf daselbst: Dutzend 3800*/ 4 Eingegangene Schulden: Herrn Wilhelm Ludwig Ebeling in Lippstadt “fl. 308.52 n Oltmann Gehreis in Amsterdam 488. - n Heinrich Köhne in Wesel. 213.— n P. Anton Melerio in Würzburg n 298.— » G. D. Cramer & Cie. in Frankfurth a./M. . ii 314. 35 n Joh. Valt Battiany in Offenburg ii 137. - n Yalt Bally & Cie. in Groningen . . . n 325.— n Matterno Malto in Orrasso. 91.30 n Joseph Broggio und Bozzy in Orrasso ii 268. 52 n Hirsch Schlesinger in Frankfurth a./M. . 661.— n Löb Laz Schloss in Fürth. 746. 37 „ Löb Jacob Schloss in Frankfurth a./M. . 2061. 34 n G. & Ign. ten Brinck in Ibbenbüren . . 100. 39 ii Löb Meyer in Mainz. 951.— n J. G. Schmöle in Amsterdam .... 1949.51 n M. S. Oppenheimer in Frankfurth a./M. . 358.— n Caspar Heinrich Schmöle in Amsterdam 4602. — n J. S. Halle in Frankfurth a./M. 519. 09 ii Hanau & Cie. in Amsterdam .... 2098. — ii D. J. Canter in Gock. 110. 30 n Ihne & Cie. in Iserlohn. 483.15 11 Martin Meyer aus Mainz. 152.10 ii Joh. P. Zapf aus Rüderoth. 29. - ii Stephan Overhoff & Söhne in Iserlohn 594.— n Colsmann Con. in Barmen. 67.30 n Oppenheimer & Schoss in Frankfurth a./M. ii 4474. 20 An Reisgeld bringe anhero. „ Caspar Beglinger ... Benefit. von S. J. Sinzheimer, Waare n fl. Kr. 37,323. 32 22,403. 24 182. 59 63. — 25. 37 in Frankfurt ajM. Jacob Streift. An Baar und in diversen Briefen brachten nach Haus, inclusive der fl. 6100.— so an Herren Abraham u. Stephan Tsehudy theils in Ap- points und theils baar ausbezahlten . . Agio aui Dukaten, Louisd’or u. Reichsthalern Zahlungen in Frankfurth a/M. (für eingekaufte Fabrik-Droguen): Herrn G. D. Cramer & Cie. ,, Phil. Nie. Schmidt. „ Joh. M. Koch sei. Wittwe .... „ Christ. Helferich. "fl. 30028. — 11 40. 36 “fl. 250.33 ., 2794. - „ 69. - „ 1020. 52 Sola-Wechsel eingelöst (für Rechnung befreund. Schweizerhäuser) Zahlung pr. Herrn Dr. Georg Hoffmann in Glarus an Hm. Heine in Würz bürg für eingekaufte Apothekerdroguen . . . Diverse Ausgaben: Reisekosten hin und her.”fl. 74. 07 Frachten, diverse Ausgaben und Zehrung „ 246. 29 Ladenzins an Hrn. de Bary. „ 160. — Lotterie-Loos. „ Eingekaufte Waaren (für fremde Rechnung): 60 Pfd. Bett-Pflaum.“fl. 2 Stück Harmoniaque (ein woll. Kleiderstoff ?) „ ’/j Dutz. Stiefelschäft. ,. l’/i Dutz. fädene (d.h. leinene) Strümpf . „ 7 Paar englische Strümpf. „ Pillen, Universal. „ Knöpf, 1 Gros. „ 2 Pfd. Thee.. , ± 35.— 67. 20 45. 36 16. 30 12 .— 12. 36 1. 24 2. 56 8 . — Eigene Rechnung (für Barth. & Jacob Streiff u. Joh. Rud. Luehsinger) Ausstehende Schulden (fast alles dieselben Namen wie im Soll) Disconto und Agio bei den Baarverkäufen 5% de fl. 19765.67, macht. ,, fl. 988. 15 Rabatt. ,, 70. 15 309 HABEN 11 fl. Kr. 30,068. 36 4,134. 24 6,196. 31 101. 41 515. 36 166. 22 198. 23 17,558. 26 1,058. J0 59,998. 29 Eingegangene Baarschaft und Wechsel (für an dieser und frühere Messen gemachte Verkäufe): An Gold: 329St. NLd’or ä fl. 11.15 fl. 3701.15 (also mit 15 Kr. Agio per Stück) Silbergeld.„ 2667.55 Ueberscbnss vom Reisegeld . . . „ 75.15 Diverse Wechsel.„ 15699.27 n fl.22143.52Kr. Wechselzahlungen leisteten sie für Rechnung verschied, befreundeter Schweizerhäuser für „ 5830.53,. Zahlungen für Droguen.. 3399.20 Austehend blieben Kunden-Guthaben im Betrage von . . -. „ 22666.04,,. Die Verkaufspreise verstunden sich loco Frankfurt, zahlbar baar oder innert zwei Monaten, in beiden Fällen mit 4 °/ 0 Sconto und 1 % Agio, oder dann zahlbar an der nächsten Messe ohne Sconto nur mit Abzug von 1 % für Agio. Die Waren-Fr acht inklusive andere kleine Spesen von Glarus bis Frankfurt betrug n fl. 7 — 8 per Zentner (bei sehr grossen Sendungen nur fl. 6V 2 ), was 1810 bei dem damals aussergewöhnlich hochstehenden Preis der glarnerischenDruckwaren zirka 0,8 °/ 0 , sonst meistens 1 % vom Wert derselben ausmachte; ferner brachte man in der Regel in Anschlag: ca. ' , / 2 °/'o für Packung und dergl.; „ 2 % für laufendenZins, während derZeit, da die Ware unterwegs war oder in Anbetracht des Umstandes, dass oft nicht Alles wegging und daher neuerdings Lager- und Transportspesen aufliefen; V 2 —3 %, je nach den Umsätzen, als Spesen während der Messe (Reisekosten, Ladenzins, Zehrung etc., zus. jeweilen für Frankfurt fl. 250—300). Den Einstandspreisen in Glarus waren demnach loco Frankfurt in erster Linie für alle Spesen und dem zu gewährenden Sconto 9 — 12 °/ 0 hinzuzufügen; zu der erhaltenen Summe erfolgte ein weiterer Zuschlag für Kapitalzins und Handelsgewinn in der Höhe von 5 — 10%, je nach den geschäftlichen Conjunkturen und den Artikeln, um so endlich auf den Brutto-Verkaufspreis zu kommen. Manufakturen, die an der Messe nicht weggingen, wurden befreundeten Häusern in Frankfurt und Amsterdam in Konsignation gegeben oder, ungern genug, zurückgenommen. 311 Yon obigem, allerdings bedeutendem Handelshause auf die Gesamtheit schliessend, war der Verkehr in Glarner Druckwaren damals schon recht ansehnlich; April bis Dezember 1809 druckte Egidius Trümpy für sie 1560 Stück und Januar bis Mai 1810 waren es 1044 Stück; in etwas bescheidenem Grenzen hielt sich der Verkehr mit den Druckfabriken Staub & Glarner in Glarus, Freuler in Ennetbühls und Streiff in Mollis. Brutto Erlöse in Frankfurt a.'M. im Jahr 1810, per Dutzend. Chäles (croise) 6/4 Weiss- u. Olivbboden j In Wau ’ Kra PP‘ oder . ( Blauholz gefärbt, mit ^ w » » i mehr oder weniger 7/4 Schwarz- U. Braunboden 1 Illuminations-Farben. »’fl. 8. —Kr. „ 11.15 „ „ 12.15 „ Mouchoirs (auf glattem, gewöhnlichem Baum Wolltuch, sog. „Cottonen“): 6/4 Weiss und Blaue | 7/4 ,, „ „ Einfachste Indigo-Artikel 7'4 Doppelblaue ’ 6/4 Violette, mit u. ohne Schwarz ( 7/4 „ „ „ „ „ j event. Krappsolnvarz 4'4 Gelbe (Eisennankin). 7. 15 9.45 11.30 7. 15 9.45 5.30 n n n n n 7 ? Halsbinden und Foulards von Mousselines, meistens Weissboden mit krapprothen, kleinen und gz’ossen Tupfen oder Würfeln, dann auch solche mit Krappbraun, Hellindigo, Grün, Schwarz, Gelb (= Eisennankin), sowie letztere Farbe mit einer der übrigen kombiniert. 6/4 . 1l fl. 8.30Kr. 6‘la/4 (7/4). „ 11.45 ,, 6/4 Mouchoirs-Cambrics (mittelschwere — vielfädige), in denselben Farbenstellungen wie obige Mousselines, fl. 9.45 bis fl. 10.— Fagonpreise, den Druckereien in den Jahren 1809 und 1810 bezahlt, Chäles 6/4 6/4 7;4 7/4 8/4 Mouchoirs 6, 4 7/4 6/4 7/4 per Stück ä 16 aunes. Weissboden.fl. 5. 30 bis il. 6. — Schwarz-, Braun- und Olivböden . „ 6.30 Weissboden. „7.— Schwarz-, Brann- und Olivböden . „7.30 (darunter auch „4tüch.“ od. „Fichus“) „ 9.— Weiss und Blaue.. „ 5. 15 Doppelblaue.„ 6.15 312 Mouchoirs 6/4 Violette (mit und ohne Schwarz) . fl. 3. 30 bis fl. 4. — 7/4 « D « » V 77 L 77 „ 4. 30 6,4 ßoth und Gelb (Krapproth mit nachher eingepassten Eisennankinböden) 77 4. 30 „ „ 5.- 7/4 Roth und Gelb, ebensolche . „ 5. 30 6,4 Rothboden mit Aetzweiss „ 5.— 7/4 » .... „ 6.— 7/4 „ in Aufdruckmanier „ 6. 50 Mousselines: Die Preise wie die entsprechenden Earbenstellungen der Mouchoirs. Cambrics: Ebenso mit entsprechendem Zuschlag für die Stücklänge von 22V» aunes (Vgl. S. 269 T. II). Bleicherlohn: per Stück ä 16 aunes.15 Kr. Unter was für schwierigen und gefährlichen Verhältnissen die Glarner Handelsleute manchmal ihrem Geschäft oblagen, zeigt ein Brief Jakob StreifFs vom 22. Oktober 1813 aus Leipzig, worin er höchst anschaulich beschreibt, wie das französische Heer sich vom 13.—15. Oktober um Leipzig herum zusammenzog, was für ein Schlachtgetümmel und Gemetzel sich vom 16.—18. in der Umgegend und den Vorstädten sich abspielte, wie sehr er fürchtete, dass sein bedeutendes Warenlager in Rauch und Flammen aufgehen werde, da die Leipziger selbst glaubten, ihre Stadt werde 'während der fürchterlichen Kanonade und der Erstürmung der Stadt durch die Alliirten untergehen. Er sah den Abzug Napoleons mit seiner Generalität und bald darauf den Einzug der verbündeten Monarchen und war Zeuge des Jubels der Bevölkerung, welche sie als die Befreier Deutschlands begrüssten. Er schliesst mit der Mitteilung, man hoffe, wenn auch verspätet, nun doch noch Messe halten zu können. In einem Notizbuch aus dem Jahr 1816 fand sich untenstehende, für die Bozener Messe ausgearbeitete Berechnungstabelle, aus welcher wir, die Erlöse mit denjenigen von 1810 in den gleichlautenden Artikeln vergleichend, erkennen, dass infolge Aufhebung der Kontinentalsperre, bei den Druckwaren auf „Cambric-“ Tuch, das roh meistens von England bezogen wurde, ein ungeheurer Abschlag eingetreten war. Bei denjenigen auf gewöhnlichem Baumwolltuch erscheint der Unterschied wahrscheinlich nur deswegen nicht so gross, weil (gemäss S. 268 T. II) gleichzeitig mit 313 dem Preis-Rückgang sich eine Yerbe sserung der Qualität vollzog. Bei den Mousselines ist ein Vergleich nicht möglich, da die Breitebezeichnung im Notizbuch fehlt; übrigens folgten dieselben den Preisbewegungen der anderen Tücher keineswegs proportional, da sie nur mit bestimmten Sorten südamerikanischer (später ägyptischer) Baumwolle hergestellt werden konnten und daher die Ernten in gewissen Landstrichen einen entscheidenden Einfluss ausübten. Die Fracht von Weesen bis Bozen via Feldkirch kostete damals fl. 6 ] / 2 per Zentner. Preisberechnung für die Bozener Messe von 1816. Einstandspreis. per Dutzend. in Glarus. Samt „Dmköstr bis Bozen, nebst Sconto. Für die Messe in Aussicht genommener Verkaufspreis fl. Kr. fl. Kr. fl. Mouclioirs, gewöhnliche: 6/4 Weiss u. Blaue j (Dunkel-Indigoblaue mit Ö'/eMsß.- 7/4 „ „ ,, Weiss und event. Hell- . , 8 6/4 Doppelblaue J Indigoblau) , Th 6/4 Rot u. Blaue, klein geblümt 1 Indigoblauboden 6.— 7.— 7 3 U 7/4 „ „ „ gross „ } mit Tafelrot, 6. 15 7.15 8 8/4 „ „ „ J S. 182 T. II) . , 10 s l 4 10/4 Lapis (vgl. S. 223 T. II). 15.40 18.— 19 8/4 „ do. . 15.40 16‘IsWs 17 8/4 Lapis C. (Imitation der ächten Lapis?) . 10. 30 12.— 13 10/4 Krapprothe Glattboden . 14.— 16.— 16 3 /ibts 17 8/4 Krapprothboden ä bouquets . 9.— 10. 20 10Vs „ 11 Foulards Nr. 77 . Mousselines-Halsbinden in allen Sorten . . . 8 „ &h Mouchoirs-Cambrics in verschiedenen Sorten . 5.— 5. 45 6 l h „ 6 1 /» „ „ Krapprothe Cachemiresdessins, auch mit Gelb .... 5. 20 6.10 Th „ „ Lapis . 6.10 7. 05 Th „ 8 Indiennes-Cambrics, 6/4 Lapis . Peraune —. 58 Peraune —. 67 Per aune 1.12&1.16 „ gewöhnliche, 6/4 Lapis. . ... -.56 äl.~ ,, „ 6/4 Doppelblau mit Weiss -.42 —. 48 -,50ä—56 „ „ 6/4 „ „ Gelb. 3—4Kr.höher „ „ 6/4 Weiss und Blaue . . -47ä-54 314 Der Briefwechsel der Firma Luchsinger & Streiff um das Jahr 1820/21 gibt uns ein anschauliches Bild von dem Aufschwung, in welchen damals die glarnerische Baumwoll-Industrie getreten war; zugleich erfahren wir, dass um diese Zeit die Handweberei- und Handelsfirma Barth. Jenny & Cie., mit welcher wir schon S. 242 T. II Bekanntschaft gemacht haben, im italienischen Geschäft in die vorderste Linie rückte. Wir lassen einige Auszüge folgen: Am 14. Oktober 1820 schreibt Herr Joh. Rudolf Streiff von Lugano nach Hause: „Die Bartholome Jenny & Cie. machen in Hier ungeheure Geschäfte, sie bieten die Rothboden mit Apfelgriin zu LM. 25. —'), die ■ Waterloo 7/4 und 8 4 nach Yerhältniss zu ordentlichen Preisen. Ich glaube, dass sie nur was ich (zufällig) verpacken gesehen, über 1000 Dutzend verkauft haben; hingegen Postmeister Kundert * 2 ) muss nichts- machen, den glaubte hier nicht anzutreffen.“ Am 25. Oktober antwortete ihm sein Bruder, Herr Jakob Streiff: „Die Barth. Jenny & Cie. stürmen neuerlingen in den Fabriquen und kaufen in allen Ecken alles zusammen; die Waare schlägt auf; ob dies haltet, wird sich zeigen. Wenn Du nach Mailand kommest, so trachte zu erfahren, wie die Waare hinein kommt; sie sollen meistens mit Mailändern Geschäfte machen; gebe Dir deswegen alle Mühe, es wird doch wohl auszukundschaften sein.“ Ein Jahr später, am 9. Oktober 1821, schreibt derselbe an den in Piacenza weilenden Joh. Rud. Streiff: „HeiT Gabriel Trümpy hat des Herrn Richter Tschudi’s Fabrique ins Lehen genommen wegen überhäufter Ai’beit, auch die „Tschemper“ (Glarner ?) machen wieder ihren Holzschopf für eine Druckstube von 10 Tisch zurecht, kurz es ist alles mit Arbeit, am meisten für die Barth. Jenny & Cie. überhäuft. Die rohe Waare wird in Hier nicht nur von den Stühlen weggekauft, sondern selbe hat wieder etwas aufgeschlagen. Der Indigo hat neuerlingen aufgeschlagen, sodass die Fabri- canten Miene machen, auch die Druckpreise zu erhöhen — wären Narren, wenn sie es nicht thun würden, da man jetzt wieder gänzlichen ihrer Gnade preisgegeben ist.“ In einem nach Modena gerichteten Brief desselben Schreibersheisst es unterm 25. Oktober 1821: ') d. h. 25 Mailänder Liren per X Dutzend Mouchoirs. 2 ) Vgl. S. 246 T. II. 315 - „In Hier geht es mit der Waare so, als wenn keine mehr zu erhalten wäre; die Italiener (d. h. die mit Italien verkehrenden Kaufleute) und besonders Barth. Jenny & Cie. laufen das Land aus und ein. und kaufen, was ihnen an die Hand kommt; ist wieder 15 Kr. im Preis gestiegen und allem Ansehen nach wird selbe noch mehr steigen. Herr Ilichter Glarner sagt mir oder fragte mich, ob wir noch nichts nach Turin machen; es wundere ihn, auf die verneinende Antwort, indem Caspar de Bartholome Jenny & Cie. ihm erst kürzlich sagte, dass sie ihm die gegebene Adresse zu verdanken haben, indem sie mit jenem Hause schon ungeheure Geschäfte verkehrt und wirklich immer zum Erstaunen verkehren. Wir sollten doch Jemand an die Hand zu bringen suchen und trachten, dort Geschäfte zu machen. Es hat uns zu dem Ende hin kürzlich ein Turiner geschrieben, der Dich wahrscheinlich kennen muss,, denn die Adresse war J. B. Streiff, wollte wahrscheinlich J. R. schreiben; das Haus schreibt sich Ch. A. Fernex und beruft sich auf Rordorf, Ess- linger & Paul Meyer in Zürich, Dollfus-Mieg & Cie. in Mülhausen etc.“ „Du meldest uns in Deinem letzten, dass wir auf bessere Waare,. besonders auf Cambrics trachten sollten; wir fühlen dies mit Dir und werden es auch thun; ja wenn wir nur von Speich *) kaufen könnten, dieser hat so wie die andern keine Waare, alles wird ihnen weggekauft,, sodass man froh sein muss, nur etwas zu erhalten; wollte Gott, es würde dies mit dem Absatz (der fertigen Waaren) so gehen. Wie es in der Weberei geht, ebenso sieht es dermalen in Hier * 2 ) aus; auch in den Fabriquen muss man gleichsam um Gottes Willen anhalten, alles ist im Ge- dräng von Arbeit, und mehr als die Hälfte allein für Barth, Jenny & Cie.“' „Dass Daniel Jenny 3 ) und Wagmeister Zweifels eine Spinnmaschine in Ennenda bauen werden und schon Platz erhalten, der sie an die fl. 2000 zu stehen kommt, wirst vernokmen haben, und wahrscheinlich werden Barth. Jenny & Cie. auch bald eine Druckfabrique bauen, dies soll im Plan sein. Egidius Triimpy kauft wieder sehr viel Waare, hat eine Menge Cambrics bei Caspar & Joh, Melchior Schindler bestellt, kurz alles kauft. “ In Uebereinstimmung mit obigen Mitteilungen über die von Barth. Jenny &Cie. erzielten Umsätze fand sich in einer noch erhaltenen Preiskonvention der glarnerischen Bleichermeister vom Jahr 1822 der Passus, dieselben gäben gegenwärtig von allen Handelsleuten am meisten Ware zum Bleichen. In der That be- *) Vgl. S. 253, T. II. 2 ) d.h. auch in den Druckfabriken der Stadt Glarus, wo wegen, des guten Verdienstes, welchen dieselben brachten, keine Handweberei mehr- getrieben -wurde. 2 ) Daniel Jenny, genannt ,,Maschinenherr“, S. 246 T. II. »m 316 liefen sich die Verkäufe dieses Hauses an gedruckten Waren über Lugano beispielsweise im Jahr 1823 auf die für die damalige Zeit stattliche Summe von fl. 180,000.— und steigerten sich 1825 auf fl. 207,000 (oder 13,000 bis 14,000 Stück ä 20 aunes in den verschiedenen Breiten, durchschnittlich zum Preise von fl. 15—16 per Stück angenommen), fast alles Produkte der eigenen Handweberei und der mit ihnen in Verbindung stehenden glarnerischen Weberherren sowie der für sie fagonnierenden Druckfabrikanten, zum kleinen Teil auch etwas Konsignationsware zürcherischer Türkischrotfabriken. In dieser Periode, da die meisten kontinentalen Staaten, welche die Baumwoll-Industrie zuvor mehr oder weniger vernachlässigt hatten, daran gingen, das Versäumte nachzuholen, haben sich Glarner in der Fremde namentlich bei der Einführung des Zeugdrucks in nicht unwichtigem Masse beteiligt. So war dies besonders in Russland der Fall, wo zwar (nach Dr. R. Forrer) Einheimische von 1780 an in mehreren Städten Kattundruckereien errichtet hatten; dieselben waren jedoch in sehr primitiver Weise betrieben worden und im französisch-russischen Feldzug von 1812 grösstenteils der Zerstörung anheim gefallen. Nach dem Friedensschluss von 1814 bemühte sich der russische Finanzminister Graf Cancrin sehr, die Baumwollindustrie im Lande neu zu beleben und zu fördern, wobei sich nun ein Friedrich Bietepage von Braunschweig und Michael Weber von Netstal namentlich auszeichneten (nach dem Zeugnis v. Kurrer’s, welcher jedoch Weber irrtümlich als „Deutschen“ bezeichnet, während seine übrigen Angaben mit den in Netstal direkt eingezogenen Erkundigungen vollständig übereinstimmten). Michael Weber, geb- 1777, der S. 36 T. I erwähnten grossen Handelsgesellschaft Weber, Aebli & Cie. angehörend, errichtete anfänglich in Wasili-Ostrow (St. Petersburg) eine kleine Kattundruckerei, (die später von einem Consul J. C. Plitt erworben und vergrössert wurde); 1814 baute er dann auf^Rechnung der russischen Krone zu Schlüsselburg, ebenfalls in der Nähe von St. Petersburg, die erste Walzendruckerei Russlands, löste jedoch dieses Pachtverhältnis nach einigen Jahren wieder auf und gründete 1817 in Zarewa bei Moskau eine eigene ♦ 317 grosse Woll- und Baurawolldruckerei und -Färberei und in Moskau selbst eine Papiermühle. Die Fabrik in Zarewa, zur grössten ihrer Art in .Russland angewachsen, ging 1839 an eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von Millionen Rubel Banco über und beschäftigte in jener Zeit 850 Personen an 350 Drucktischen, 3 Walzendruckmaschinen, 26 Indigoküpen etc. und in der eigenen Bleicherei und Ziegeibrennerei. In den genannten Geschäften (sowie auch auf grossen Bauernhöfen, in Käsereien und Branntweinbrennereien) fanden und finden noch heute eine hübsche Anzahl Netstaler Bürger ihr gutes Auskommen als Leiter und Aufseher. 1 ) Eine andere Stätte, wo glarnerischer Gewerbefleiss sich zu bethätigen suchte, war Genua. Dahin zog 2 ) um 1799 ein Johannes Speich von Luchsingen und errichtete in dem benachbarten Cornigliano eine kleine Baumwolldruckerei; während er selbst später nach Amerika auswanderte, ging die Fabrik an seine Neffen Michael (1774-1841), Joachim, (1778-1856) und Mathias (1781—1846), die Söhne des Steuervogt Joachim Speich-Speich von Luchsingen (1747-1834) über. Andreas , ein vierter Sohn desselben, war schon 1793 in Genua gestorben; Joachim kehrte später wieder in die ’) Von solchen erwähnen wir beispielsweise Joh. Jakob Spälty „Russ- länder“ (1830—1895) in Tambow, welcher seinen Lebensabend wieder in seiner Heimatgemeinde zubrachte und letztere mit einem schönen Vermächtnis bedachte. Zu den nach Russland auswandernden Netstalern gesellten sich später auch Bürger von Riedern, darunter ein Herr Consul Heer in Moskau Besitzer einer Liqueur-Destillation, sowie ein Herr Fritz Heer, Leiter einer grossen Käserei in W ologda im N Orden. Ein anderer, weithin bekannt gewordener Glarner, Herr Bernhard Simon (ursprünglich Simmen) von Niederurnen (1816-1900) verdiente sich die ersten Sporen seiner Wirksamkeit als Architekt ebenfalls in Russland, wobei ihm die Ernennung zum Mitglied der Akademie der schönen Künste zu Teil wurde. Zu Anfang der 1850er Jahre nach der Schweiz zurückgekehrt, bethätigte er sich durch grössere Bauten in St. Gallen und besonders in Glarus nach dem dort in der Nacht vom 10./11. Mai 1861 stattgehabten grossen Brande. (Von ihm stammen die Pläne zur Kirche und zum Regierungsgebäude in Glarus, zum Kurhaus St. Moritz, Kurhaus Tarasp u. s. w.) Seine ganze Energie und Originalität offenbarte er indessen von 1868 an, als er die Thermen von Pfäffers und den „Hof Ragaz“ vom Staate in Pacht nahm, den „Quellenhof" baute und Ragaz zu einem Weltkurort erhob.. *) Nach den von Herrn Pfarrer Schmidt in Luchsingen gefälligst an- gestellten Nachforschungen, 318 Heimat zurück, und|M a t h i a s, der sich 1805 mit einer Theresia Roncallo in Genua verheiratet hatte, errichtete in dieser Stadt in der Folge eine eigene Druckerei, während Michael (cop. 1802 mit Emanuella Galliano von Cornigliano) das Stammgeschäft weiter betrieb, das •dann unter der Firma Michael Speich & Söhne bis in die 1850er Jahre existierte. Seine Söhne hiessen Joachim (geh. 1804) und Sebastian (geh. 1805), welcher in der letzten Periode alleiniger Eigentümer war. Dr. v. Kurrer berichtet 1840 wie folgt über die genuesischen Baumwolldruckereien (ohne jedoch die Herkunft der Brüder Speich angeben zu können): „Im Genuesischen sind 4 Kattunfabriken, die in den Jahren 1805 und 1808 entstanden sind, nämlich die von Mathias Speich, Michael Speich & Söhne, Gebrüder Muratori und Fortunato Marchese. Sie arbeiten jede mit 40—50 Drucktischen, ohne Walzendruckmaschinen, meist ächtfärbige Meubles für die Levante.“ — Hiesige Quellen nennen als Produkte der Speich’schen Druckereien: Nastücher, grau gefärbte Futterstoffe, weissbödige, mit solidrotem Aufdruck versehene Vorhänge, später eine kurze Zeit auch „Türkenkappen“ (Yasmas), und ferner als Spezialartikel: Grosse, weissbödige Ueberwurftücher von dichtem, glattem Baumwollstoff, welche in der dortigen Gegend Jahrzehnte lang als Bestandteile der Landestracht guten Absatz fanden. Diese mehr als 2 Meter breiten genuesischen Mezzari, in Dr. R. Forrer’s .„Zeugdruck“ als Toiles de Genes bezeichnet, wurden nämlich von •den Frauen Liguriens zur Kirche und bei festlichen Anlässen als Ueberwurf getragen. Sie zeigen, wie der Verf. an noch vorhandenen, nun als Seltenheiten aufbewahrten Exemplaren sich überzeugen konnte, eine sehr sorgfältige und umständliche Fabrikation in geschmackvollen, grossangelegten Dessins im weissen Boden, -z. B. grosse Aeste mit Blättern, Blüten und Früchten, Schmetterlingen und Vögeln, von einer breiten Blumenbordüre umgeben, in ’9 und mehr schönen und durchaus ächten Farben ausgeführt. (In Krapp gefärbtes und aviviertes Schwarz, Braun, Rot, Rosa und Lila, zum Teil übereinander fallend und so schöne Abstufungen und Mischtöne erzeugend, dann illuminiert mit Aufdruck- Indigoblau, Dunkel- und Hell-Eisenchamois und in der spätem Zeit •auch mit Chromoxyd-Grün.) Dieser interessante, an die „Calancas 1 819 fins“ von S. 105 T. II erinnernde Artikel verkaufte sich unter dem Namen Pezzotti auch in Alessandria. Wegen der später wieder eingetretenen Zerstückelung des Landes erlangten obige Etablisse- mente allerdings keine grosse Ausdehnung; schliesslich rentierten sich auch die genannten teuren Spezialitäten nicht mehr, so dass in der Zeit zwischen 1840 und 1860 alle vier Geschäfte eingingen. Inzwischen wurden „Mezzari“ auch von st. gallischen und appen- zellischen Fabriken nachgeahmt und nach dem Genuesischen geliefert, bis die genannte Tracht von selbst in Abnahme kam. In Uebereinstimmung damit meldet Dr. H. Wartmann, in st. gallischen und thurgauischen, längs der mittlern Thur gelegenen Gemeinden, seien bis in die 1850er Jahre hinein ziemliche Mengen 2014 — 2614 breiter Tücher für den Druck auf Handwebstühlen für den Export nach Italien, besonders nach Genua, erstellt worden; es steht ausser Zweifel, dass es sich dabei gerade um diese Mezzari handelte und zwar umfasste der Export wahrscheinlich sowohl bedruckte als auch weisse Ware, letztere für die genuesischen Druckereien bestimmt. Die Speich , deren Nachkommen z. T. jetzt noch in Genua leben und der Mehrzahl nach Italiener geworden sind, wandten sich später dem Handel in Oel und andern Artikeln zu. In den 1830er Jahren errichtete Joh. Rudolf Glarner, ein Sohn des mehrgenannten Schützenmeister Joh. Heinrich (S. 191 u. 302 T. II) eine Zeugdruckerei in Sarno bei Neapel und Kaspar Brunner, ein Brudersohn des Landschreiber und Fabrikant Heinrich, eine ebensolche in Messina, jedoch ohne dass sie ihren Schöpfungen eine längere Existenz sichern konnten; zum Glück für Glarus waren in jener Zeit die äussern 'Verhältnisse in Italien, für die Entwicklung einer nationalen Druckindastrie nicht günstig. f ) Ausserordentliche Erfolge errang dagegen eine glarnerische Firma in Oesterreich, weshalb wir hierüber etwas ausführlicher berichten. *) Nach v. Kurrer existierten in den ersten Decennien des XIX. Jahrhunderts in Mailand und in Cremella bei Como zwei (wahrscheinlich von Zürchern) unter der Firma Kramer & Cie. gegründete Fabriken, welchen sich 1822 in Mailand eine weitere, von dem Elsässer H. Hirth gegründete, anreihte; soweit dem Yerf. bekannt, verkümmerten alle drei nach und nach wieder. 320 Nachdem die S. 303 erwähnte Firma „Salomon Jenny & Söhne“ in Triest durch die Nachwehen der Kriegs- und Teuerungsjahre, und zwar teils an, andern Handelshäusern gemachten Darlehen, teils im eigenen Geschäftsbetrieb (infolge sturzweiser Preisrückgänge der Getreidepreise von 1818 an), grosse Verluste erlitten hatte, löste sie sich mit dem Tode des Stifters auf. Der eine der Söhne, Melchior (1785—1863), fand finanzielle Hilfe bei seinem Schwiegervater, Chorherr Samuel Schindler und dessen Söhnen Friedrich und Dietrich (S. 239 T. II) und da Melchior Jenny in seiner bisherigen Thätigkeit mit den geschäftlichen Verhältnissen, wie sie ein Großstaat bietet, vertraut geworden war und wohl infolge dessen von der industriellen Zukunft seiner Heimat keine günstige Meinung hatte, kam die Firma Jenny & Schindler mit der Absicht zu Stande, in Oesterreich ein grösseres Fabrikationsgeschäft zu gründen. Vorerst wurde 1825 in Hard bei Bregenz eine kleine, 1815/16 durch David und Melchior Esslinger in Zürich (S. 125 T. II) als Filiale gebaute, aber inzwischen zum Stillstand gekommene Baumwolldruckerei erworben und bedeutend vergrössert; daran schloss sich 1836 der Ankauf einer Wolldruckerei in Mittelweierburg, welche 1795 von Samuel Vogel & Söhne aus Mülhausen errichtet worden war; 1837 erfolgte sodann die Gründung einer Baumwollspinnerei in dem ebenfalls benachbarten Kennelbach und 1853 diejenige einer mechanischen Weberei in Liebenstein. Allen diesen Geschäften stand Melchior Jenny, welcher das österreichische Staatsbürgerrecht erworben hatte, bis an sein Lebensende in rastloser Thätigkeit vor. 1 ) ') 1867/68 erfolgte eine teilweise Trennung der Geschäftszweige: Der kürzlich verstorbene Herr Samuel Jenny, einziger Sohn des Melchiors, übernahm die noch heute florierende Baumwoll-Druckerei in Hard und Herr Samuel Schindler, Sohn des Dietrich, die Wolldruckerei in Mittelweierburg (welche jedoch 1880 geschlossen wurde), während die Weberei in Liebenstein und die Spinnerei in Kennelbach vorläufig noch gemeinsam betrieben wurden; später gelangte dann erstere in den Besitz der Söhne von Landammann Dietrich Schindler und letztere 1872 unter der ursprünglichen Firma Jenny & Sihindler an die Herren Samuel Jenny, Wilhelm Schindler (Sohn von Hauptmann Friedrich) und Oberstlieut. Cosmus Jenny von Ennenda (Associö der Firma „Jenny & Cie.“, mütterlicherseits ein Neffe des mehrgenannten Melchior Jenny). Dieses Geschäft, aus welchem Herr Samuel Jenny 1882 321 b. Gründung neuer Druckfabriken in der Periode von 1820—1860; Charakteristik der verschiedenen Zweige der gl arnerischen Zeugdruckerei. Während wir bisher den Hauptort Glarus als wichtigsten Sitz der Zeugdruckerei kennen gelernt haben, tritt in der vorliegenden Periode mehr und mehr Ennenda in den Vordergrund, so dass am Schluss derselben beide Gemeinden in Umfang der Produktion u. s. w. ungefähr den gleichen Rang einnehmen. Als einer der Träger dieser neuen Entwicklung und als eine der markantesten Gestalten unter den glarnerischen Industriellen überhaupt erscheint Fabrikant Jakob Trümpy (1808—1889). Als Sohn eines wenig bemittelten Bauers in Ennenda geboren, war es ihm beschieden, das industrielle Leben seiner Heimatgemeinde in neue Bahnen zu lenken und durch sein Beispiel und seine Erfolge zugleich Andere zur Nacheiferung anzuspornen; bei seinem Ende zählte er zu den reichsten Bürgern des Landes. Schon im Alter von 9 Jahren als „Streicher“ mit seinen altern Brüdern und einigen andern Ennendaner Knaben in die kleine Fabrik von Peter Brunner in Glarus eingetreten, lernte er im 11. und 12. Jahr nebenbei lesen und schreiben, war als löjähriger, körperlich sehr kräftiger Bursche wohlbestallter Handdrucker und beschäftigte sich daneben auch mit Zeichnen und Modelstechen. Unstreitig hatte er schon zu dieser Zeit den festen Entschluss gefasst, auch einmal Fabrikant zu werden; denn ein Jahr darauf machte er zu Hause die ersten Druckereiversuche auf einer Koffer mit Farben, die er sich in der Küche kochte, worüber sein Vater klagte, der „Jaggli“ verderbe ihm alle Pfannen. Ein Nachbar, Schreiner von Beruf, der Freude an dem strebsamen Jungen hatte, schenkte ihm bald einen regelrechten Drucktisch. Im Frühling 1825 begab sich Jakob Trümpy auf die Wanderschaft, sprach in den Druckereien von Richterswil und Frauenfeld vor und blieb schliesslich, wie sein Reisepass noch ausweist, zwei Monate als „Imprimeur d’Indiennes“ in der Fabrik Witz, Blech &• Cie. in Cernay austrat, nahm in der Folge unter der hervorragend tüchtigen Leitung von Herrn Cosinus Jenny einen sehr bedeutenden Aufschwung, indem die Spinnerei in Kennelbach reorganisiert, durch eine Weberei ergänzt und später neue Etablissemente in Telfs und Imst (Tirol) errichtet wurden. 21 322 (Eisass). Ein Onkel mütterlicherseits, der dort als Colorist angestellt war und den er aufsuchte, gab ihm bereitwillig verschiedene Rezepte und Auskünfte, so dass er schon im August nach Hause zurückkehren und als lTjähriger Jüngling an die Ausführung seiner Pläne schreiten konnte. Er bewog seinen Bruder Joh. Balthasar (1802—1840), der ebenfalls einige Zeit als Drucker im Eisass zugebracht und wohl schon einige Ersparnisse gesammelt hatte, mitzumachen, und so begannen die Beiden in provisorischen Lokalitäten (Stall und Gemeindewaschhaus) den Baumwolltücheldruck einzurichten. Ihre Erstlingsprodukte setzten sie an Hausierer ab; gegen Ende des Jahres konnten sie jedoch schon als regelrechte Firma „Gebrüder Trümpy“ auftreten und Fagondrucke für Handelsleute anfertigen (in Krapp, bezw. Blauholz gefärbte braune, rote und schwarze Aufdruckböden, ohne und mit Illumination, und etwas später gefärbte Ferrocyanblaue). — Im Oktober 1827 erhielten sie von der Gemeinde Ennenda ein Wasserrecht, und unter unverdrossener Arbeit waren sie nach weitern drei Jahren schon dazu gelangt, in ihrem Inventar zwei Fabrikgebäude, Farb- waren und Geräte im Gesamtwert von zirka fl. 20,000 aufführen zu können, woran sie allerdings einen Drittel schuldig waren an verschiedene Private, welche Zutrauen zu ihnen gewonnen hatten (darunter auch fl. 2100 an Fabrikant Egidius Trümpy, gewiss ein schöner Zug von Weitherzigkeit, wie wir übrigens einen ähnlichen schon S. 186 T. II von Joh. Heinrich Streiff erwähnt haben). — Nun hatte sich das Handels- und Handwebereigeschäft Barth. Jenny & Cie. schon seit längerer Zeit 1 ) ebenfalls mit dem Gedanken getragen, eine eigene Druckfabrik einzurichten und sich 1827 provisorisch um ein Wasserrecht beworben. Im Geschäftsverkehr mit den Gebr. Trümpy erkannte jedoch der Chef der Firma die Kraftnatur und das Talent seines nachmaligen Schwiegersohnes Jakob Trümpy und machte ihm daher 1830 den Yorschlag zur Vereinigung beider Geschäfte, was mit Freuden angenommen wurde (Vertrag vom 6. Oktober dieses Jahres, wonach die Firma „Gebr. Trümpy“ erlosch; im Volksmund hiess allerdings die Fabrik auch fernerhin die „Trümpy’sche“ oder „in der Trümpy’ge“). Damit hatte Fabrikant Jakob Trümpy Mittel, und Spielraum gewonnen, ’) Vergl. S. 242 u. 315. 323 seinen Unternehmungsgeist voll zu entfalten; während seine As- socies Jenny die Handweberei besorgten und sich den Absatz der gedruckten Waren in Italien und anderwärts eitrigst angelegen sein Hessen, führte er in der Fabrik von früh bis spät das Scepter und reihte Gebäude an Gebäude. Indem er sich bemühte die Fabrikation verschiedener, von ihm bis letzt noch nicht erstellter Tafelfarben- und Aetz-Artikel ebenfalls schnellst möglich an die Hand zu nehmen, warf er sich mit besonderem Eifer auf die Indigogenres und hatte die Genugthuung, die damals neuen und stark begehrten, jedoch sehr schwierigen „Bandanos“ und „Ambra“ (dunkelindigoblaue Böden mit reserviertem Chromgelb, allein bezw. kombiniert mit Chromorange, gemäss S. 212 T. II) in mustergültiger Weise zu stunde zu bringen. 1838/39 folgten die „Lapis“ (S.223), zu deren Vervollkommnung man einen Koloristen, Joseph Weingärtner von Mülhausen, berief. Dieser ebenso schöne als solide Artikel errang sich den Beifall der italienischen Kundsame in ausserordentlichem Masse, so dass er während mehreren Decennien in grossen Mengen gekauft und auch gut bezahlt wurde. Die schon 1827 mit Exportfirmen in Hamburg angeknüpften Verbindungen führten in den 1840er und 1850er Jahren zu einem lebhaften Geschäft nach den nordischen und einigen überseeischen Ländern, während sich der Verkehr mit der europäischen und asiatischen Tür kei durch die Vermittlung schweizerischer Handelshäuser vollzog, wobei indessen zu bemerken ist, dass sich diese Fabrik mit den inzwischen zu grosser Bedeutung gelangten „Türkenkappen“ nicht befasste. Nach dem inzwischen erfolgten Hinschied von drei der S. 242 u. 322 genannten Associes (und dem schon früher erwähnten Austritt von Fridolin Jenny-Heer) stand das Geschäft von 1842 an im Besitz und unter der Leitung von Kirchenvogt Fridolin Jenny-Glarner 1 ), seinem altern Sohn Ratsherr Daniel Jenny „zur Sonnenuhr“, (1814—1895, zugleich Schwiegersohn des Stifters Barth. Jenny), Kaufmann Caspar Jenny, genannt „Lauiser“ (1810—1867, Sohn des Caspar J. von S. 242) und Fabrikant Jakob Trümpy. Daniel *) Nach seinem Tode wurde auch der jüngere Sohn, Lieutenant Jakob Jenny-Hösly „zur Sonnenuhr“, 1821—1S9S, schon seit 1842 als Kolorist thätig, in die Firma aufgenommen. 324 Jenny und Caspar Jenny wechselten viele Jahre mit einander halbjährlich in der Führung der Filiale in Lugano (Lauis) ab. Ratsherr und Schulvogt Caspar Jenny (1812—-1860), der einzige Sohn des Gründers der Firma, hatte sich ebenfalls mehrere Jahre in derselben, teils in der Farbküche, teils bei der Kontrolle der aus der Handweberei kommenden Rohware bethätigt; von der politischen Bewegung der 1830er Jahre mächtig ergriffen, fühlte er jedoch immer unwiderstehlicher den Drang in sich, seine ganze Lebenskraft dem Dienste des engern und weitern Vaterlandes zu widmen und so nahm er denn 1842 den Austritt, obwohl ihm das aufblühende Geschäft in materieller Hinsicht verlockende Aussichten geboten hätte. 1 ) Da man an dem baldigen Untergang der Handweberei je länger je weniger zweifeln konnte, errichtete die Firma 1846/47 eine mechanische Spinnerei und Weberei in Haslen. Die Spinnmaschinen (zirka 12,000 Spindeln) samt Vorwerken lieferten J. J. Bieter & Cie, in Winterthur, die 300 Webstühle Caspar *) Wie bekannt standen damals die Regierungen der rein-katholischen Kantone unter dem Einfluss der Jesuiten, welche das Erwachen des nationalen Empfindens im Volke darniederhalten und die in der Not der Revolutionszeit etwas gemilderten religiösen Gegensätze von Neuem verschärfen wollten. Caspar Jenny schlug sich mit Feuereifer auf die Seite derjenigen Männer, welche auf ihre Fahne geschrieben hatten, „jetzt oder nie“ der Schweiz mehr Einheit im Innern und eine geachtete und unabhängige Stellung nach Aussen zu verschaffen und die geistige und materielle Wohlfahrt des Volkes durch eine obligatorische Schulbildung zu fördern. An sich eine nichts weniger als gewaltthätige Natur, schreckte auch er selbst vor dem äussersten Mittel, dem Bürgerkriege, nicht zurück, um endlich den Bann, unter welchem ein Teil der katholischen Miteidgenossen stand, zu brechen. Es war ihm vergönnt, als Landammann und Tagsatzungsabgeordneter das Seinige an der Gründung des neuen Bundes beizutragen, wobei ihn sein von Vorurteilen freier Geist und seine enge Fühlung mit dem Volke, wie die spätem Ereignisse bewiesen, bei wichtigen politischen und administrativen Entscheiden meistens das Richtige treffen liessen. Seine hinreissende (hie und da etwas überschwängliche) Rede und sein glühender Patriotismus hatten ihn beim Volke ausserordentlich beliebt gemacht; er war indessen bescheiden genug, in den ruhigem Zeiten der 1850er Jahre die Leitung unseres engem Staatswesens nach und nach in die Hände der zwei klassisch gebildeten Männer Ständerat Dr. J. J. Blum er (1819—1875), nachmals Bundesgerichtspräsident, und Landammann Dr. Joachim Heer (1825—1879), nachmals Bundespräsident, neidlos übergehen zu sehen. 325 Honegger in Rüti; die zwei von Andre Köchlin <£• Cie. in Mülhausen stammenden Turbinen dürften zu den ersten derartigen Motoren gehören, die überhaupt in der Schweiz im Grossen zur Anwendung kamen. 1854/58 fand eine bedeutende Yergrösserung der Anlage statt; 1860 begann in der Spinnerei die Einführung der „Selfactors“ und 1864 in der Weberei diejenige von schnelllaufenden englischen Webstühlen, erstere aus der Maschinenwerkstätte von Parr Curtis & Madeley in Manchester, letztere von William Dickinson & Sons in Blackburn bezogen und zwar beides durch die Vermittlung der bekannten Konstruktions- und Kommissions-Firma Jean Felber & Cie. in Manchester, deren Begründer, ein Sohn des Spinnerei-Direktors in Haslen, aus dem Kanton Aargau stammte. Der ausserordentliche Aufschwung, den die „Türkenkappen-“ oder „Yasmas“-Druckerei im benachbarten Hauptorte in der ersten Hälfte der 1850er Jahre genommen hatte, bewog Fabrikant Trümpy, 1856/57 in Mitlödi den Bau einer neuen Druckfabrik, für die Erstellung jener Artikel bestimmt, ins Werk zu setzen. Dafür verband er sich mit den Herren Fritz Tr ümpy-Trümpy, 1826-1875, und Jakob Trümpy-Blumer, 1833—1896, (Söhne von Landmajor F. Trümpy in Ennenda) und nahm auch den Sohn seines verstorbenen Bruders Balthasar, Herrn Kolorist Fritz Trümpy, 1826—1877, in die Societät auf. Ratsherr Fritz Trümpy hatte im Hause P. Blumer & Jenny in Schwanden die Lehre gemacht, war dann im Hause Issaverdens & Cie. in Smyrna zu einer schönen Stellung gelangt und so mit den orientalischen Verhältnissen vertraut geworden. Noch ehe der Betrieb eröffnet wurde, sagten auch die Herren Daniel und Caspar Jenny von der Firma Barth. Jenny & Cie. ihre Beteiligung zu, wodurch die Fabrik dann als Firma Trümpy & Jenny in Mitlödi ins Leben trat. — Einen ähnlichen Entwicklungsgang wie bei der Firma Barth. Jenny & Cie. beobachten wir bei dem Handels- und Handweberei- Geschäft Jenny & Cie. (S. 245). Auch dieses Haus vollzog den Ueber- gang zur Druckerei, indem es 1834/35 einen kleinen schon bestehenden Betrieb, nämlich die Färberei und Druckerei von Daniel Freuler in Ennetbühls (S.298) in sich aufnahm; im Volksmund behielt auch diese Fabrik die ursprüngliche Bezeichnung „in des Färber’s“. 1846/47 wurde eine Filiale in Lugano gegründet; über- 326 haupt nahm das Druckerei- und Exporthandelsgeschäft bei dieser Firma vom Ende der 1840er Jahre an einen grossen Aufschwung, als jüngere, technisch und kaufmännisch trefflich geschulte Kräfte ihre Wirksamkeit entfalteten. Es waren dies die Herren Hauptmann Fritz Jenny-Kubli, geb. 1825 (Sohn des Fritz Jenny-Wild),. Fritz Jenny-Aebli im Hof, 1825—1900, und Ratsherr und Schulvogt Daniel Jenny-Trümpy, 1827—1889 (Söhne des Präsident Daniel), von welchen der Letztgenannte viele Jahre seine karge- Mussezeit in den Dienst der Gemeinde stellte; ferner die Herren Fritz Jenny-Z wicky, geb. 1829, und Oberstlieut. CosmusJenny r geb. 1838 (Söhne des Cosmus, S. 245), dann Kaufmann Joh. Jakob Freuler-Becker (1834—1866), Sohn des obengenannten Fabrikant Daniel, und endlich Hauptm. Conrad Jenny-Dinner (1826-1892), ein jüngerer Sohn zweiter Ehe von Ratsherr Frid. Jenny, dem Stifter der Firma. 1 ) Wie schon S. 246 bemerkt, wurde 1856/60 der Bau der bedeutenden mechanischen Spinn- und Weberei in Mollis durchgeführt. — Ueber die dritte Druckfabrik in Ennenda ist folgendes zu berichten: Im Juni 1828 wurde dem Gemeinderat Joh. Heinrich- Freuier-König (1791—1863) Platz und Wasserrecht bewilligt, um am Dorfbach in Ennetbühls eine „Schneilbleiche“ zu errichten; 1839 entschloss er sich zur Druckerei überzugehen, indem er die zum Stillstand gekommene kleine Druckfabrik von „F. & J. H. Glarner älter“ (S. 302) mietete, konnte jedoch gewisse Lokalitäten nur zwei Tage in der Woche benutzen, da sie für die übrige Zeit der Firma Johs. Heer in Pacht gegeben waren. 1848 bot sich eine Lösung dieser provisorischen Verhältnisse, indem Herr Freuler sein Bleichereianwesen seinen Nachbarn, den Herren. Jenny & Cie. abtrat und dafür ein von denselben schon 1835 erworbenes, aber nicht ausgebeutetes Wasserrecht im Mitteldorf in Ennenda eintauschte. Hier bauten nun seine Söhne 1850 unter der Firma Gebrüder Freuler ein grösseres Druckerei-Etablissement, Es waren dies die Herren Kaspar Freuler, 1816—1885, Ge- ’) Der ältere Sohn zweiter Ehe, Dr. Jakob Jenny (1812—1890), widmete sich dem Studium der Medizin und spielte daneben, namentlich in den 1840er Jahren, eine nicht unbedeutende Rolle als radikaler Politiker und schneidiger Landsgemeinde-Redner. 327 meinderat Johannes Freuler-Becker, 1818 — 1890, Richter Joh. Heinrich Freuler-Trümpy, 1819—1886, Balth. Freuler 1820—1876 (welcher schon 1859 austrat und den wir schon S. 296 erwähnt haben), Joh. Jakob Freuler, 1825 — 1867, Ratsherr Gabriel Freuler-Becker, geh. 1828, und Fritz Freuler-Jenny, 1834-1883 (schon vor seinem Tode ausgetreten.) Da die altern Fabriken den Markt in Oberitalien beherrschten, suchte dieses neue Geschäft seinen Absatz anfänglich hauptsächlich im Kirchenstaat und in Unteritaiien; später dehnte es seine Verbindungen successive aus uud erlangte namentlich vom Ende der 1860er Jahre an eine bedeutende Entwicklung, worauf wir später zurückkommen. — Dass im Jahr 1836 von Ennendaner Bürgern jenseits der Linth eine kleine Türkischrot-Färberei und -Druckerei unter der Firma König & Cie. errichtet worden ist, haben wir schon S. 248 berichtet. Wir haben nur noch nachzutragen, dass ausser Bernhard König und Wirt Bernh. Becker auch der S. 326 genannte Bleichereibesitzer Joh. Heinrich Freuler (Schwager von Bernhard König), sowie Stückfergger Hilarius Jenny (ein Sohn des S. 245 erwähnten Sebastian J.) an diesem Geschäft beteiligt waren; Kaufmann Jakob Becker-Becker, ein Sohn Bernhards, besorgte die Reisen, während der andere Sohn Bernhard das Fach des Koloristen versah. 1842 brannte indessen ein grosser Teil des Etablissements ab, worauf sich die Firma auflöste; die Liegenschaft wurde später von Major Joh. Jakob Stäger-Lütschg in Glarus (1823 — 1880) angekauft und eine kleine chemische Fabrik darauf errichtet. Der soeben genannte Kolorist Bernhard Becker (1819-1879) widmete sich in der Folge in Basel dem Studium der Theologie und wurde später als vielverdienter Pfarrer in Linthal und als Schriftsteller in weitern Kreisen bekannt. Einem andern kleinen DruckereigeschäftinEnnenda war ebenfalls kein sehr langer Bestand beschieden; „Maschinenherr“ Daniel Jenny (S. 246/47) entschloss sich nämlich 1843/44, seine kleine Spinnerei auszuräumen und zur Druckerei überzugehen, wofür seine Söhne, Hauptmann Kaspar und Lieutenant Daniel einige Ausbildung genossen hatten, während sein Bruder Joh. Jakob als Kaufmann in Alessandria (Piemont) etabliert war. Als letzterer jedoch schon 328 1847 starb und die Fabrik fast ganz auf den „Türkenkappen“- Artikel überging, scheint es ihr an den richtigen kommerziellen Verbindungen gefehlt zu haben; ein Ende der 1850er Jahre an einem treulosen Armenier erlittener sehr bedeutender Verlust und der bald darauf erfolgende Tod des Besitzers brachten das Etablissement zum Stillstand. Es wurde nun 1860 von Gemeindspräsident Joh. Oertli erworben und unter der Firma Joh. Oertli & Cie. neuerdings in eine Spinnerei von zirka 3000 Spindeln umgewandelt.*) Da ein so kleines Geschäft nicht lebensfähig sein konnte, gedachte er dasselbe 1868/69 durch eine grössere Neubaute im „Mühlefuhr“ bei Ennenda zu ergänzen; weder die Kenntnisse noch die verfügbaren Kapitalien des Besitzers reichten indessen zu einem solchen Unternehmen aus, weshalb dasselbe noch vor der Vollendung scheiterte. Der Rohbau im „Mühlefuhr“ beherbergte im Februar 1871 eine Abteilung internierter Franzosen und ging dann an die Herren Brunnschweiler, Fröhlich & Cie. (S. 261) über. Das kleine Stammgeschäft erwarben 1870 die Herren Jenny & Cie., welche es als Annex zur Spinn- und Weberei in Mollis betrieben; als die Maschinen ausgedient waren, wurde es im Dezember 1895 unter der Firma Rufle-Sulser & Cie. in eine Schuhfabrik umgewandelt; dieselbe beschäftigte einige Jahre zirka 70 Personen und versprach eine bleibende Verdienstquelle zu werden; das Resultat erfüllte indessen die Erwartungen nicht, weshalb der Betrieb wieder eingestellt wurde und dieser Versuch, eine neue Industrie in unserm Lande einzuführen, leider vorläufig als gescheitert zu betrachten ist. Noch ist nachzutragen, dass Lieutenant Daniel Jenny, der jüngere Sohn des Maschinenherrn, schon 1855 seinen Vater ver- iess und in Leuggelbach eine eigene kleine Druckfabrik gründete. Wenn auch die Wahl des Ortes wegen des stets reich- ‘) Seine stillen Teilhaber waren sein Schwiegervater, Handelsmann Jakob Aebli, und sein Vater, Pfister Caspar Oertli. Letzterer hatte 1838 das letzte (oberste) noch verfügbare Wasserrecht am Dorfbach erworben und eine Mühle errichtet, dieselbe jedoch 1851 in eine Bleicherei umgewandelt welche unter der Firma Oertli & Cie. von seinen Schwiegersöhnen Fridolin Jenny und Fritz Freuler betrieben wurde. Nach seinem Tode änderte sich die Firma in F. Freuler & Cie. (jetzt D. Jenny & Sohn). 329 lieh fliessenden und reinen Quellenbaches eine günstige war, so entsprachen dagegen die verfügbaren Mittel den Anforderungen nicht, weshalb das Geschäft schon nach wenigen Jahren und in der Folge noch einige Male den Besitzer wechselte. 1 ) 1864 wurde es von Herrn Conrad Jenny-Dinner (8.326), welcher einige Zeit vorher aus der Firma Jenny & Cie. in Ennenda ausgetreten war, in Pacht genommen; noch in demselben Jahre erwarb derselbe jedoch Platz und Wasserrecht an der Linth in Ennenda, um mit seinem Schwager, Herrn Hauptmann Joh. Friedrich Dinner „im Halten“ (geb. 1842), eine neue Druckfabrik unter der Firma Conrad Jenny & Cie. zu bauen, über deren Leistungen wir in einem spätem Abschnitt berichten werden. Herr Dinner, welcher die mechanisch-technische Abteilung des eidgen. Polytechnikums absolviert hatte, arbeitete sich rasch auch in das chemisch-koloristische Gebiet ein, so dass er nach wenigen Jahren demselben mit Auszeichnung vorstehen konnte. — Auf Ende 1864 ging auch das kleine Etablissement in Leuggelbach in feste Hände d. h. an die noch heute bestehende Firma „Gallatin & Cie.“ (von Mollis) über, worauf wir noch zurückkommen. Haben wir, um nicht nur lauter Lichtseiten und Erfolge wiederzuspiegeln, im Vorstehenden auch diejenigen Anläufe und Bestrebungen nicht übergehen wollen, welche scheiterten oder wenigstens lange Zeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, so müssen wir unter diesem Gesichtspunkt noch etwas ausführlicher eines Mannes gedenken, welcher mit äusserster Zähigkeit dem beruflichen Ideal so manchen Glarners. „Fabrikant“ zu werden, zusteuerte, dessen industrielle Gründung jedoch ebenfalls, wenigstens in unserm Kanton, keinen lange dauernden Bestand hatte, weil sie in eine Zeit fiel, wo es schon äusserst schwierig geworden war, mit wenig Mitteln und grosser Willenskraft die Konkurrenz der alten, bereits auf grossindustriellem Fuss arbeitenden Etablisse- mente auszuhalten. Es ist dies Herr Fabrikant Joh. Rudolf Becker von Ennenda, zur Zeit im „Kellerhofe“ in Luzern. Derselbe hatte die Gefälligkeit, dem Verf. über sein Streben und seine Schicksale einige Aufzeichnungen zu überlassen, welche um so mehr der *) Jenny wurde später Fabrikdirektor in Seebach (Kärnthen), wo er 1868 starb. 330 Veröffentlichung wert sind als sie verschiedene Streiflichter von allgemeinem Interesse enthalten und u. a. die Art und Weise aufs genaueste veranschaulichen, wie in Glarus manche „Fabrikler“ sich zu „Fabrikanten“ emporarbeiteten. Herr Becker schrieb, in etwas abgekürzter Form wiedergegeben, Folgendes: • „Als ich 1820 das Licht der Welt erblickte, herrschte in unserm Hause die grösste Armut; mein Grossvater Jakob Becker hatte am Ende des XVIII. Jahrhunderts in Rouen, gleichzeitig wie sein Schwager .Takob Aebli älter, Wattenmacherei und Strohhuthandel getrieben, war aber in den Stürmen der damaligen Zeit um das Erworbene gekommen und liess in der Folge nichts mehr von sich hören; er soll später, wie ein Konsulatsbericht meldete, Schiffskapitän auf der Route New-York - Havre geworden sein.— Meine Grossmutter war durch die Schicksalsschläge verbittert und hart geworden, so dass sie bei mir nicht im besten Andenken steht. Als ich 4 Jahre alt war, meinte sie, jetzt könne ich wohl mithelfen, mir mein Brod zu verdienen, und so kam es, dass ich von dieser Zeit an immer arbeiten musste, während andere Kinder noch lange in ungebundener Freiheit sich ihres Lebens freuen konnten. Im Sommer half ich meinem Vater, der Holzer und Heuer war, und im Winter hiess es von früh bis spät am Spuhlrad sitzen, wobei es nicht selten noch Schläge absetzte, wenn die Zettlerfrauen mit meinen Leistungen nicht zufrieden waren. Ein Ries Garn ♦ hatte 32 Spuhlen, jede Spuhle 4 Schneller und ein Schneller 7 Rickli; Spinnerlohn per Ries 16 ß bei trocknem Garn und 17 ß, wenn wir es nass abholten und selber trockneten. Wenn Vater, Mutter und ich 2 ganze Tage fleissig waren, so konnten wir ein Ries fertig bringen. Als ich 6 Jahre alt war, forderte Dekan Balth. Marty meinen Vater auf, mich in die Schule zu schicken; derselbe wddersetzte sich jedoch und sagte: „„DerBueb ist mjnä und da lu mer ich nüd befählä.““ So wuchs ich auf, ohne je in eine Schule zu gehen 1 ), lernte aber dennoch schon frühe lesen, und das ging so zu: Meine Grossmutter besass ein Gebetbuch, worin u. A. für jeden der 7 Wochentage besondere Morgen- und Abendgebete enthalten waren und die sie regelmässig vorlas. Da ich stets mit Andacht zuhörte — musste ich ja doch unterdessen nicht spuhlen — und von Kind an ein sehr gutes Gedächtnis hatte, konnte ich diese Morgen- und Abendsegen bald auswendig und musste nun den „Vorleser“ machen, wobei ich die Buchstaben kennen und nach und nach so gut lesen lernte, dass ich im Frühling hoffte, mit der Mehrzahl der andern Kinder an den „Schulherren“ 2 ) ') Der Volksschul-Unterricht wurde in der Gemeinde Ennenda erst um 1835 und zwar nur bis zum erfüllten 10. Jahr, im ganzen Lande Glarus so- ' gar erst 1837, und zwar bis zum erfüllten 12. Jahr, obligatorisch erklärt. f (Vergl. Gottfried Herr’s „Geschichte des glarnernerischen Volksschulwesens“ im Jahrbuch des Histor. Vereins des Kantons Glarus, Heft 18 u. 19). 2 ) Damit hatte es, nach den vom Verf. eingezogenen Erkundigungen, folgende Bewandtnis: Um unter den Kindern mehr Lust und Trieb zum 381 teilnehmen zu können. Dabei surrte mich aber der alte Schulmeister David Jenny ab, indem er sagte: ,,„Ruedi, Du bist nie i d’Schul chu und darfst drum au niid vor d’Herrä!““ Noch heute erinnere ich mich des bittern Gefühls der Armut, das damals meine junge Seele bedrückte. Ich sollte nun in die kaum eröfinete Druckfabrik auf dem „Holenstein“, um dort als „Streicher“ 2 Batzen oder 6 ß und 2 Rappen täglich zu verdienen ; schon nach wenigen Tagen schickte man mich kleinen Knirps jedoch wieder heim, an einer Schnur einen „Liilli“ (Lutschen) um den Hals gehängt. Ich kam aber nun doch bald (mit etwa 6 7, Jahren) an eine Fabrikarbeit und zwar als Spinnerknabe in die hiesige Spinnerei von Daniel Jenny, wo ein gelernter „Aufstecker“ 1 Gulden per Woche verdienen konnte. Da hiess es nun von Morgens 5 bis Abends 8 Uhr an der Arbeit sein, mit einer Stunde Mittagsrast und einigen andern kleinen Zwischenpausen. Wenn der Föhn wehte, konnten wir tags heim, was unter der Jugend einen hellen Jubel hervorrief; aber o weh, wenn er am andern oder am zweitfolgenden Tage „heimgegangen“ war, mussten war die versäumte Zeit durch Ueberstunden nachholen. Mit der Zeit lernte ich auch etwas schreiben und zwar nach den in Schreibmanier gedruckten Schriftzügen, welche ich anf einem Extrablatt in einer alten, meiner Grossmutter gehörenden Grammatik von „Meidinger“ gefunden hatte. Als ich mit 12 Jahren in die „Unterweisung“ kam, war Pfarrer Marty nicht wenig überrascht, dass ich ohne Schule lesen und schreiben gelernt hatte; mit der Orthographie stand ich freilich noch lange auf gespanntem Fusse. Inzwischen hatte ich die Spinnerei wieder verlassen und „streichen“ und in der Folge auch „drucken“ gelernt. Nun gab es damals noch viele Drucker, die sich für einige Jahre in die Fremde,, hach Mülhausen, Paris und Rouen oder nach dem Vorarlberg und Böhmen begaben, teils um die Welt zu sehen, teils auch um etwas mehr zu verdienen, da dort fremde gelernte Drucker meistens ziemlich gut bezahlt wurden. Wenn dann so ein Wahrsager Marx oder Geisser Peter und noch manche Andere von ihren Erlebnissen erzählten, hörte ich mit Spannung zu, wie die Katze am Mausloch, und nahm mir vor, bald möglichst ebenfalls die Fremde zu kosten. Wirklich zog ich dann am 2. Januar 1840 aus, in der Tasche anstatt eines gefüllten Geldbeutels ein grosses Stück Schulbesuch wach zn rufen, veranstaltete man alljährlich an einem Sonntag Nachmittag nach Ostern unter dem Namen „Schulherren“ eine kleine kirchliche Feier (mit Gesängen und Recitationen), an welcher jedem Schulkinde ein kleines Geldstück, in den untern Klassen ein „Neunehälberli“ (9‘/ 2 Schillinge), in den obern ein „Fünfbätzler“ verabreicht wurde; ausserdem erhielt je der beste Schüler und die beste Schülerin einer jeden Klasse ein „Kränzchen“ d. h. einen halben Reichsgulden, welcher, mit einem kleinen Ringe versehen, vermittelst eines farbigen Seidenbandes an einem kleinen lackierten Stabe hing; der zweitbeste Schüler (bezw. Schülerin) wurde unter dem Namen „Ehrenzeichen“ in gleicher Weise, jedoch mit einem kleinern Silberstück (einem „Vierundzwanziger“ = 24 Kr. oder 6 Batzen) bedacht. Ob diese Sitte, welche später zur Veranstaltung eigentlicher „Jugendfeste“ führte, auch in andern Gemeinden bestand, ist dem Verf. nicht bekannt. 332 Birnbrod, das mir meine liebe Mutter heimlich zugesteckt hatte, während der Vater mir, des Fortgehens wegen, zürnte. Nachdem ich in Lichtensteig übernachtet, erhielt ich am folgenden Tag in Herisau in zwei Fabriken die Eeisekassen-Unterstützung, jedoch keine Arbeit; wohl aber konnte ich dann bei Herrn Höslv in St. Gallen (d.h unterhalb St. Fiden) als Drucker anstehen. Ich war anfänglich im dortigen Kosthause einlogiert; als ich jedoch Sonntags zur Kirche ging, wurde ich als „Pietist“ die Zielscheibe des Spottes, worauf mir ein älterer Mann riet, in der Stadt an die Kost zu gehen, wo ich etwas theurer aber besser aufgehoben sei. Diesen Kath befolgend, fand ich an der Schwertgasse ein Kosthaus, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Tafeltuch zum Essen hatte und schönes Geschirr, jedoch nicht allzu viel darin für einen noch im Wachsthum befindlichen Burschen. Da ich aber Zimmer und Bett in guter Ordnung hatte, mochte mich die alte Kostgeberin wohl leiden und gab mir täglich gratis grosse Stücke Brod in die Fabrik mit. Meine Tischgenossen waren nun keine Kattundrucker mehr, sondern Comptoiristen, Schauspieler und ein Privatlehrer und Musiker. Durch ihre Gespräche ging mir unwissendem Jüngling ein ganz neuer Horizont auf, so dass dieser Umgang auf meine Eigenart einen bleibenden Einfluss ausübte. Ich warf mich aufs Lesen, zuerst von einer Unmasse von Kalendern, dann der „Stunden der Andacht“ und von schöner Litteratur. Ein Schauspieler, welchem ich alle Morgen die Schuhe wichste, lernte mich zum Dank dafür rechnen, was ich bis jetzt nur in „Bauernzahlen“ nothdürftig verstanden hatte. Da ich mich anständig betrug und jeden Montag in einem säubern Hemde erschien, während die meisten der andern fremden Drucker sich mit einem Hemd und einem Rock gross machten, erkor man mich zum Genossen des einen mit mir gleichaltrigen Sohne des Herrn Hösly. Der Genannte war damals vom „Ernst des Lebens“ noch nicht durchdrungen und so kam es dann, dass, wenn er Tags über etwa für einige Stunden aus der Fabrik verschwand, ich ihn in der Farbküche vertreten durfte. Ich gelangte auf diese Weise in den Besitz verschiedener Farbenrecepte, was den Gedanken in mir aufsteigen liess, ich könnte selbst auch einmal „Fabrikant“ werden. In St. Gallen zum Druckermeister vorgerückt und dann als quasi Direktor in Wehr bei Lörrach brachte ich es dazu, mir einige hundert Gulden zu ersparen. 1844 kehrte ich nach Hause zurück und 2 Jahre darauf machte ich mich dax-an, jenen Plan zur Ausführung zu bringen, wobei es mir noch gelang, von Herrn Dinner im „Halten“ und Rathsherr Kaspar Aebli je fl. 200. — als Darlehen zu erhalten. Ich kaufte einen Stall (den „blaben Gaden“ beim „Weidenbeet“) und stellte dai-in nach und nach 18 Druck- tisehe auf, während in einer benachbarten alten Messerschmiede ein Auf- rollstuhl und eine Calander untergebracht wurden ; letztere, in primitivster Construktion, bloss mit 3 Hai’t holz-Walzen versehen, bezog ich von Mühlemacher Leuzinger in Netstal; drei Drucker halfen jeweilen einander, sie in Bewegung zu setzen und sich darauf die weissen Stücke (als Vorbereitung 4 333 für den Druck) zu glätten. Die Farben wurden in der Küche des Wohnhauses, gekocht. Mein Druckermeister war Herr Sebastian Jenny ] ) geb. 1832; nach „Feierabend“ half mir derselbe oft bis tief nach Mitternacht, die in Beizenfarbe gedruckten und gelagerten (oxydirten) Stücke im Kupferkessel » des Gemeindewaschhauses zu färben. Meine Produkte, fast ausschliesslich zweiseitig gedruckte krapprothe Taschentücher („Uso Lino“) und einseitig gedruckte krapprothe „Foulards“ gelangen ganz ordentlich; zum Trocknen wurden sie theils im Giebel des Stalles an einem sog. „Rechen“,, häufiger aber längs der Mauer des „Pfarrhaushöschetli“ aufgehängt und dem Rande nach mit Steinen beschwert. Für die mit starkem, beidseitigem Glanz auszurüstenden Stücke musste ich die Gefälligkeit eines Fabrikanten in Glarus in Anspruch nehmen. Als ich auch tafelfärbige Artikel (Uni- graue „Fränseli“ mit bunten Aetzfarben) aufnehmen wollte, gab es allerdings hie und da verflossene Waare, da ich keinen Auswindkessel besass und die im benachbarten Bächlein gewaschenen Stücke nur „am Stud“ aus- winden konnte. Nur einmal gelang es mir, Stücke mit ausgeflossenen Farben als nagelneuen „Ombre“-Artikel an Mann zu bringen. In den ersten Jahren setzte ich den grössten Teil meiner Produkte in der deutschen Schweiz ab, indem ich alljährlich zu Fuss mehrere Reisen, namentlich nach den Urkantonen und dem Luzernbiet, unternahm; im Verhinderungsfälle sandte, ich meinen obgenannten Druckermeister aus. Da ich meinen Verkehr auch nach dem Ausland ausdehnen wollte, die hiesigen Handelshäuser aber schon längst eigene Druckereien besassen, wandte ich mich an ein mir von früher her bekanntes Exportgeschäft in St. Gallen, das ich nun fast allmonatlich einmal besuchte. Meine Verhältnisse waren aber noch immer derart, dass, ich, wie man sagt, von einem Ast auf den andern springen und, um mich flott zu erhalten, meine physischen und geistigen Kräfte auf’s Aeusserste- anspannen musste. Beweis dafür mag die Angabe sein, wie ich jeweilen die Tour nach St. Gallen machte: Gewöhnlich an einem Dienstag Abend, wenn ich den ganzen Tag gearbeitet hatte, machte ich mich auf den Weg, wobei mich Sturm, Schnee oder Regen niemals abhalten konnten; nachts. 2 oder 3 Uhr kam ich in S. Peterzell an, ass den mitgenommenen „Mutsch“ Brod und eine Batzenwurst und ruhte mich in der Wohnstube des dortigen Nachtwächters, mit welchem ich Bekanntschaft gemacht hatte, etwas aus; dann gings weiter nach Herisau u. s. w. bis ich morgens 8 oder 9 Uhr todmüde in St. Gallen anlangte, wo ich nun den Tag über meine Geschäfte, besorgte; gegen Abend gings in der gleichen Weise wieder heim, wo am Donnerstag Morgen in der Färberei etc. wieder die gewohnte Thätigkeit, meiner wartete. — Im Jahr 1848 bot sich mir unverhofft die Gelegenheit, dem von mir oft beklagten Mangel einer kaufmännischen und allgemeinen Bildung einigermassen abzuhelfen; die Revolution im Badischen hatte näm- 1854 kam derselbe in gleicher Stellung zu den Herren Geirüder Freüler und wurde dann 1866 zum Gemeindeschreiber und Gemeindsverwalter gewählt. ♦ 334 lieh eine Menge deutscher Flüchtlinge, meistens gebildete Männer, in die Schweiz gebracht, und da dieselben irgend ein provisorisches Unterkommen •dankbar ergriffen und Herr Dr. Jenny meine Missbegierde kannte, rieth ■er mir, einen solchen ins Haus aufzunehmen. Dies that ich auch; Herr Hahn von Lindau blieb 2 7» Jahre unter meinem Dache und unterrichtete mich, anfänglich wie einen Schulknaben, in den Elememtarfächern, dann ■aber in Buchführung, Wechsellehre, Literatur, Geschichte und namentlich auch in Französisch, welch’ letzteres mich in den Stand setzte, meine Geschäftsreisen nun auch nach der französischen Schweiz auszudehnen. Da es inzwischen stets etwas vorwärts gegangen und ich auch in den Genuss von etwas Frauengut gekommen war, entschloss ich mich 1851, von den Gebr. Zweifel, Pfister, in den „Ingruben“ bei Glarus eine alte Mühle zu kaufen und dieselbe in eine eigentliche Fahrik mit Dampfkessel und allen übrigen nötbigen Einrichtungen zu verwandeln und daneben auch einen Tröcknethurm zu errichten. Ein Jahr darauf konnte ich die Uebersied- lung in das neue Anwesen, das 32 Drucktische enthielt, vollziehen. Die Firma hiess Rad. Becker & Cie., da ich schon einige Jahre vorher den Stecher Fridolin Oertli (1808—1890) als Compagnon aufgenommen hatte; derselbe lag der Modelstecherei mit grösstem Fleisse ob und musste mich im Falle meiner Abwesenheit auch in der Farbküche vertreten, wodurch er einige Kenntnisse in der Kolorie erwarb. 1855 erhielten wir von Herrn Berberich, Inhaber einer Grosshandlung (und zugleich Bürgermeister) in Säckingen, mit welchem wir schon seit Jahren in Geschäftsverkehr gestanden hatten, die Anfrage, ob wir uns nicht bei einer zu gründenden Baumwolldruckerei in der Weise betheiligen würden, dass er die Kapitalbeschaffung und die kaufmännische Leitung übernähme, während der eine von uns die Fabrikation (Stecherei und Colorie) einzuführen hätte. Wir schlugen ein und so kam dann zwischen den Herren Berberich (Vater und Sohn) und einem Hofrath Berberich sowie uns Beiden ein Vertrag zum Bau der Druckerei „im Hammer“ bei Säckingen zu Stande. Herr Oertli siedelte nach einigen Monaten nach Säckingen über, mag dort etwa 20 Jahre geblieben sein und privatisirte dann bis zu seinem Tode in Basel. 1 ) Ich hingegen trat nach wenigen Jahren aus der Societät wieder aus, führte -aber auch das Geschäft in den Ingruben nicht mehr lange fort. Wenn wir auch eine Anzahl recht ordentlicher Jahre gehabt hatten und unser Etablissement samt Vorräthen ganz unser eigen nennen konnten, so musste ich doch am Ende der für die Glarner Industrie günstigen 1850er Jahre erkennen, dass die Umstände im Begriff waren, sich für die kleinen Fabriken nicht günstiger, sondern eher noch schwieriger zu gestalten. Diese Ueber- izeugung und einige andere widrige Erlebnisse verleideten mir die Druckerei ’) In der Folge wurde noch Weberei hinzugefügt und fand auch eine Trennung statt, da gegenwärtig in Säckingen, soweit dem Verf. bekannt, zwei Firmen Berberich existieren, welche in ansehnlichem Umfang Baum- 'wollweberei und Rouleaux-Druckerei betreiben. 335 und bewogen mich, das Anwesen hei der ersten besten Gelegenheit (1860) zu verkaufen. 1 ) Mit dem Erlös erwarb ich vom Bruder meiner Frau den sog. Burgstein, brachte das dortige alte Wohnhaus zum Abbruch und baute ein neues, sowie auch ein Magazingebäude. Beiläufig bemerkt kam, als ich den Hügel stellenweise etwas abtragen liess, ein anscheinend sehr altes, ungemein festes Grundgemäuer zum Vorschein, die Umfassungsmauer in Kalkstein, die Zwischenmauern in gelblichen Ziegeln erstellt und sechs Zellen bildend, je 6—7' lang und 4—5' breit, was ich mir damals nicht deuten konnte, was nun aber nach pag. XVII Heft XXXIII des Histor. Jahrbuchs wohl als das Fundament der ehemaligen St. Nleolaus-Kapelle oder eines Anbaues derselben erklärt werden muss.“ Indem wir hier den Faden der direkten Erzählung abbrechen, fügen wir hinzu, dass Herr Becker in seinem, in originellem Styl angelegten Heimwesen ein Handelsgeschäft in rohen und bedruckten Tüchern einrichtete; schon nach ein oder zwei Jahren nahm er jedoch die Gelegenheit wahr, sein Haus zu vermieten, sein Handelsgeschäft an Herrn Gabriel Altmann übergehen zu lassen und im Verein mit Herrn Gagg von Kreuzlingen als Firma Becker & Gagg die Spinnerei „Elba“ in Wald (Kt. Zürich), vorher im Besitz von Herrn J. Wild stehend, zu kaufen. 10 Jahre später löste er dieses Verhältnis wieder und nahm die „Spinnerei Ybach“ hei Schwyz bis 1878 in Pacht, w r obei die letzten, im Zeichen des Abschlages stehenden Jahre ihm viel Verdruss verursachten. — Daraufhin trat eine günstige Wendung ein, indem der ihm befreundete Herr Kaspar Honegger, Besitzer der Weberei „Neuthal“ bei Wald (Kt. Zürich), ihm den Vorschlag machte, für den Absatz der vielseitigen Produkte derselben in Luzern unter der Firma „Weberei Wald“ ein grosses Tuchlager zu errichten, dessen Führung ihm zu übertragen wäre. Das Unternehmen gelang zu bester gegenseitiger Befriedigung, so dass Herr Becker in gesichertem 2 ) Käufer waren einige Angestellte anderer Druckereien, welche das Geschäft unter der Firma Brunner, Hösli & Cie. übernahmen, es jedoch nur noch etwa 6 Jahre fortsetzen konnten. Es wurde später vorübergehend wieder in eine Mühle und dann in eine mechanische Bau- und Möbelschreinerei (Firma Hubtr & Söhne) umgewandelt. — Aus den 1840er und 1850er Jahren wären noch einige andere Versuche zur Gründung von Fabriken -zu erwähnen, welche, z. T. in direkter Nachahmung des Vorgehens von Herrn Rud. Becker, von Druckermeistern, Stechermeistern oder andern Angestellten in Riedern, Ennenda, Mollis, unterhalb Mitlödi und in Schwanden unternommen wurden; da dieselben jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgegeben werden mussten, können wir sie füglich übergehen. 336 Wohlstand auf ein wechselvolles Leben zurückblicken kann. Wenn derselbe am Schlüsse seiner Mitteilungen die Ansicht ausspricht, manch’Einer komme in einer goldenen Wiege zur Erde, er aber habe in einer „alten gelöcherten Zeine“ das Licht der Welt erblickt, so kann es ihm dabei kaum ganz Ernst sein, gab ihm ja doch die Natur als Angebinde nicht nur einen festen Willen und einen guten Humor, sondern auch eine unverwüstliche Gesundheit, so dass der nun 81Jährige sich noch nicht veranlasst fühlt, auf die geschäftliche Thätigkeit zu verzichten. Von Industriellen der Gemeinde Schwanden haben wir schon S. 37 T. I und S. 238 T. II des Herrn Peter Blumer und seiner Nachfolger kurz Erwähnung gethan und da deren Bethätigung in Handel und Fabrikation ein schönes Stück glarnerischer Industriegeschichte darstellt, treten wir an dieser Stelle etwas ausführlicher darauf ein. Der Stammvater, Ratsherr Peter Blumer (1705—1769) „in der Hoschet“ in Nidfurn, verheiratet mit der Schwester von Seckeimeister Adam Schiesser (S. 303 T. II), begann anscheinend um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts einen Handel mit Baumwollwaren, indem er rohe Baumwolle einkaufte, dieselbe in Schwanden und Umgebung zum Spinnen gab und das Gespinnst wieder veräusserte; etwas später liess er solch’ selbstgesponnenes und auch zugekauftes Garn im Appenzellerland im Lohn verweben und verkaufte das Produkt an Händler und Druckfabrikanten, u. A. auch an solche in Genf. Von ungefähr 1760 an beteiligte sich auch sein Sohn, Ratsherr Fridolin Blumer, geb. 1742, am Geschäfte, welches in der Folge auch auf Kolonialwaren (Zucker, Kaffee und Tabak) ausgedehnt wurde. In einem noch vorhandenen Konzept- und Kopierbuche *) fanden sich beispielsweise folgende Angaben über Rohtücher- und Garnpreise: *) In solche wurden in frühem Zeiten entweder die eigenhändigen Entwürfe oder Abschriften der Original-Geschäftsbriefe eingetragen; das Kopieren mittelst Kopierpressen fand im Glamerland, soweit dem Verf. bekannt, frühestens in den 1830er Jahren Eingang. 337 Preis per Doppelstück von 32 aunes de Paris, in Reichsgulden: 1765 Ende 1766 1767 6/4 {=U aune) Toiles de Coton ordinaires — 16 V* 157*—14 1 /* 7/4 (=7. „ ) „ „ „ „ 25—22 187« 187*—17'/* 6/4 (=7* „ ) „ „ „ fines 27—24 — — 7/4 (='s „ ) „ „ „ „ 31—26 — — Ueber die Toiles fines erfahren wir aus einem Briefe vom Januar 1767, dass sie damals für den Export nach Augsburg, zur Lieferung an dortige Druckereien, sehr gesucht waren. Ferner wurde 1769 (in Uebereinstimmung mit S. 175 T. II) ein grösserer Garnhandel mit 6 Kr. per Schneller abgeschlossen; 1771 hingegen hören wir von 4 s / 4 —ö 1 ^ Kr. per Schneller, und die Preise per Pfund beliefen sich gleichzeitig für Qualität Nr. 1 auf 18Batzen, Nr. 3 auf 23 Batzen, Nr. 6 auf 28 Batzen, wobei wir allerdings über die Bedeutung dieser Qualitätsnummern im Unklaren gelassen werden; an anderer Stelle gilt Garn aus ägyptischer Baumwolle 24 1 / 2 , aus „holländischer“ (süd- oder mittelamerikanischer?) 28 Batzen per Pfund. In den in ihrer ersten Hälfte im allgemeinen ungünstigen 1770er Jahren prosperierte auch der Handel Frid. Blumer’s nicht, so dass er sich 1779 veranlasst sah, denselben aufzugeben und eine Stelle als Geschäftsführer der Filiale des Hauses Jenny & Schiesser in Bologna (S. 303 T. II) anzunehmen. 1788 ver- anlasste er nun seinen, erst im 18. Lebensjahr stehenden Sohn Peter (1771—1826) in der Hafenstadt Ancona ein eigenes, anfänglich in bescheidenen Grenzen sich bewegendes Geschäft, hauptsächlich für den Import von gedruckten Baumwollwaren, zu errichten; im folgenden Jahre verliess er den von ihm zur vollen Zufriedenheit seiner Prinzipale versehenen Posten und siedelte, zum gemeinsamen Betrieb der neuen Gründung, ebenfalls nach Ancona über; die Firma hiess indessen stets Peter Blumer, sodass letzterer als der eigentliche Stifter der zwei, noch heute in Schwanden bestehenden Fabrikations- und Handelsgeschäfte Blumer zu betrachten ist. Fridolin Blumer hielt sich nun mehrere Jahre fast beständig in Ancona auf und wurde dort Mitglied des Handelsgerichts; später zog er sich nach seinem Heimwesen „in der Hoschet“ in Nidfurn zurück und starb 1812 an einem Schlaganfall 338 in der Nähe des „Schweizerhauses“, als er im Begriffe war, aus einer Ratssitzung zu Fuss von Glarus heimzukehren. Inzwischen hatte Peter Blumer schon um die Wende des Jahrhunderts den hieländischen Sitz des Geschäftes nach dem „Oberhaus“ im Thon, Gemeinde Schwanden, verlegt und zur Ausdehnung desselben die Ehemänner seiner zwei Schwestern, Kaufmann Felix Jenny (1769 — 1854) und Ratsherr Johannes Jenny (1778 — 1855) von Sool, sowie einen Bruder seiner Frau, Richter und Kirchenvogt Peter Blumer-Ott im Thon (1787—1832) als Teilhaber aufgenommen. Die beiden Brüder Jenny, von welchen der ältere 1823 und der jüngere 1827 sich in das Tagwenrecht von Schwanden einkauften, hatten sich jedenfalls schon vorher (vgl. S. 239 T. II) mit Baumwollweberei befasst und besorgten nun auch in der neuen Societät hauptsächlich diesen Zweig, der immer mehr an Bedeutung gewann. Wie wir es bei andern ähnlichen Geschäftshäusern erörtert haben, wurden die Rohtücher teils als solche verkauft, teils in glarnerische Druckereien, besonders zu Egidius Trümpy, in den Druck gegeben, um sie dann vorwiegend durch die Filiale in Italien, in geringem Masse auch im Norden (durch die mit den Familien Blumer mehrfach verwandten, in Dänemark und Norwegen etablierten Geschäftsleute Ott, vgl. S. 37 T. I) abzusetzen. Nach dem Tode des Stifters Peter Blumer ging das Geschäft, laut Circular vom 1. Februar 1827, an seine Associes Peter Blumer- Ott, Felix Jenny und Johannes Jenny über, während seine eigenen Söhne noch minorenn waren; die Firma hiess nun P. Blumer & Jenny und da sich deren Teilhaber mit dem Gedanken trugen, zum Handel und zur Weberei auch die Druckerei aufzunehmen, benutzten sie eine sich bietende Gelegenheit und erwarben am 15. November desselben Jahres eine in Schwanden schon bestehende kleine Fabrik samt Inhalt, Wasserrecht und Hoschet. Ueber deren Entstehung haben wir folgendes nachzutragen: Jakob Blumer, 1747—1823, Holz- und Schabziegerhändler „nach Holland“ (ein Sohn jenes S. 22 T. I erwähnten Sägers und Müllers Jesaias), errichtete laut vorhandenen Aktenstücken im Jahr 1793 auf seinem Areal „auf der Mühle“ neben seinen zwei Sägen eine Bleicherei mit Walke (das Tagwensprotokoll von 339 Schwanden gebraucht den Ausdruck, es sei 1793 Holz zu einer „Fabrike“ gegeben worden). 1797 verkaufte er diesen Neubau an Ratsherr und Kirchmeier Caspar Buhler, Ratsherr Joh. Heinrich Kundert, Leonhard Tschudi und Leutenant Samuel Kundert; später gelangte das Anwesen in den alleinigen Besitz des Erstgenannten, welcher in den zwei Gebäuden zu Anfang der 1820er Jahre eine Druckerei indigoblauer Indiennes einrichtete, bis dann obiger Verkauf zu Stande kam. 1 ) Mit Eröffnung der eigenen Fabrik (Februar 1828) führte man nun über das Handelsgeschäft und die Handweberei einerseits und die Druckerei anderseits getrennte Rechnung, indem die Druckerei unter der Firma Jenny & Blumer im Lohn für das Stammgeschäft P. Blumer & Jenny arbeitete. 2 ) Wie letzteres die Baumwoll-HandWeberei auch fabrikmässig betrieb und *) Der Verkäufer, Kirchmeier Bühler, war inzwischen in nahe verwandtschaftliche Beziehungen zu einzelnen Gliedern der Firma P.B. & J. gekommen, da seine Enkelin Verena Tschudi (Tochter von Kaufmann Abraham Tschudi- Bühler z. roten Haus) sich 1823 mit Ratsherr Peter Jenny älter, Sohn des Felix, verheiratet hatte; ihre Schwester Henriette (t 1899) verehelichte sich 1840 mit Conrad Blumer, Sohn des Peter Blumer-Ott. ä ) Nach und nach gelangte das gesamte ehemals Jesaias Blumer’sche Areal in den Besitz der Firma P. Bl. & J. 1854 und 1856 kaufte sie die Sägen von JSsajas bezw. Samuel Blumer. Um diese Zeit standen die benachbarten, S. 22 T. I erwähnten zwei Getreidemühlen im Besitz von Joachim Zopf (1821—1889), während dessen Schwager, Hauptmann Joh. Aebli, daneben eine dritte errichtete. 1859 zog letzterer nach Glarus und erbaute die dortige „Stadtmühle“, während Herr Zopfi nun alle drei in eine einzige Mühle umbaute. 1868 verkaufte er dieselbe jedoch an Müller Paulus Hefti und zog nach Ranic a bei Bergamo, wo er unter der Firma „Gioachino Zopfi“, als erste glarnerische Gründung dieser Art in Italien, den Bau einer Baumwollspinnerei (später auch Weberei) unternahm. Die Mühle in Schwanden wurde 1873 ein Raub der Flammen, infolge dessen Hefti die Liegenschaft an die Herren P. Blumer & Jenny verkaufte, die damit alleinige Eigentümer aller dortigen Wasserrechte an der Linth wurden. — Tabakhändler Samuel Zopfi (1828—1888), Bruder des soeben erwähnten Joachim, baute 1867 unter der Firma „Zopfi & Cie.“ eine grosse Getreidemühle in Redona bei Bergamo, nach seine m Tode stand das Geschäft unter derLeitung seines Schwiegersohnes Herrn Giäcomo Trümpy von Schwanden, welcher es 1899 in die Aktiengesellschaft „Molini Zopfi“ umwandelte; schon mehrere Jahre früher hatte Herr Trümpy in Ponte di Nossa im Serio-Thale eine Baumwollenmanufaktur, umfassend Spinnerei, Weberei, Bleicherei, Färberei und Druckerei, gegründet, welche seither als Aktiengesellschaft „Cotonificio Bergamasco“ betrieben wird. 340 wie der Uebergang zur mechanischen Spinn- und Weberei in Luchsingen erfolgte, haben wir schon S. 238/39 gemeldet. Die Leitung des letztgenannten Etablissements besorgten namentlich zwei Söhne des oben erwähnten Johannes Jenny, welche es dann im Jahr 1848 unter der neuen Firma Gebrüder Jenny für ihre Rechnung übernahmen und damit, nebst ihrem Yater, aus dem Stammgeschäft völlig ausschieden. — Unterdessen hatten die suc- cessive ins Geschäft tretenden Söhne der beiden verbleibenden Associes im Stammhause P. Blumer & Jenny, vom Anfang der 1830er Jahre an, eine erstaunlich vielseitige Thätigkeit entwickelt. Insbesondere Ratsherr Peter Jenny älter, 1800-1874, (von 1868 bis 1872 Schweizerkonsul in Ancona) besass den Scharfblick und Unternehmungsgeist eines internationalen Grosskaufmanns und fand dabei durch Oberst Melchior Blumer, 1813—1870, und Oberst Conrad Blumer-Tschudi, 1817-1882, (von 1872 bis 1878 Konsul in Ancona) lebhafte Unterstützung. 1 ) In der Fabrikation wurde mit dem Druck indigoblauer und dampffärbiger „Indiennes“ und „Meubles“ begonnen (und dafür später d.h. 1849 eineRouleaux- Druckmaschine angeschafft); gleichzeitig befasste man sich mit der Erstellung von halbwollenen Bareges- (und später auch ganzwollenen) Kleiderstoffenundvonbaumwollenenilluminierten„Palmen-Chäles“; es scheint, dass dies die erste glarnerische Fabrik war, welche (schon von 1829 an) solche 10 / 4 und 12 / 4 breiten Chäles mit angeknüpften Wollfransen, versah. Für die 1830er Jahre ist als weiterer wichtiger Artikel von Jenny & Blumer das Färben und Aetzen von Türkischrot zu nennen; dann von 1840 an die Fabrikation der Yasmas, die im Verlauf einiger Jahre bedeutendere Dimensionen annahm. ') Während Herr Oonraä Blumer sich fast ausschliesslich dem Geschäfte widmete, war Herr Peter Jenny älter daneben ein eifriger Politiker (konservativer Färbung). Wie derselbe in jenem eine führende Stellung einnahm, so soll er auch im öffentlichen Leben nicht gern Widerspruch geduldet haben; zum wirtschaftlichen Aufschwung Schwandens hat er sehr viel beigetragen und daneben lag ihm, wie wir schon S. 295 gesehen, auch die Hebung des damals sehr armen Sernfthals am Herzen; ebenso energisch arbeitete er in offizieller Stellung, im Verein mit Dr. J. .T. Blumer, am Zustandekommen der ersten glarnerischen Eisenbahn Glarus-Weesen. 341 Der Yerschleiss dieser Fabrikate vollzog sich anfänglich nach Mittel- und Süditalien durch die Filiale P. B. & J. in Ancona, welche Stadt damals zu dem vorwiegend freihändlerisch verwalteten Kirchenstaat gehörte und ausserdem, soweit dem Verf. bekannt, noch immer die Rechte eines Freihafens besass. Bald erweiterte sich der Verkehr der Schwander Fabrik nach Spanien und Portugal, dann über Wien, Triest und Ancona nach der Levante und von Hamburg aus nach Nord- und Südamerika und Indien; in den 1840er Jahren wurden direkte Geschäftsverbindungen mit der Türkei, Aegypten, Persien, Südrussland und Centralamerika angeknüpft und in der Folge ein Haus in Bukarest 1 ) und eines in Smyrna 2 3 * * * * ) kommanditiert. 1840 unternahm Conrad Blumer die erste Geschäftsreise nach Indien. Die Frucht derselben war die Aufnahme der Fabrikation türkischroter und anderer solidfarbiger „Sarongs“ oder „Batticks“ in den Jahren 1842 und 1843, auf welches für die Zukunft wichtige Ereignis wir später zurückkommen. 1847 gründete Ratsherr Peter Jenny jünger, 1825—1879 8 ), im Einverständnis und unter Beteiligung des Stammgeschäftes P. B.&J. in Schwanden ein Haus in M a n i 1 a, das sich als Firma „Jenny&Cie.“ mit der Ausfuhr von Tabak, Cigarren und Zucker und der Einfuhr buntgewobener, gedruckter und gestickter Manufakturen, von englischen Baumwollgarnen, Seidenwaren, Uhren, Musikdosen, Eisen- und Glasartikeln nach den Philippinen befasste. 4 * ) Mehrere Jahre b Baumgartner & Cie., 1871 umgewandelt in Kläsi, Sutter & Cie., als Firma B. Kläsi noch heute eines der bedeutendsten der dortigen Handels häuser. 2 ) Issaverdens & Cie., mit Filiale in Konstantinopel; die Firmenträger waren Perser evangelisch-protestantischen Glaubens. 3 ) Sein Vater, Landwirt Fridolin Jenny, in der „An 11 ! war ein Bruder jener mehr genannten Felix und Johannes Jenny: Herr Peter Jenny jgr. stand somit ausserhalb der Firma P. Blumer & Jenny, wurde jedoch von seinem Geschwisterkindvetter, Ratsherr Peter Jenny älter, seiner Talente und des verwandtschaftlichen Verhältnisses wegen für das Geschäft herangebildet. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er in den Nationalrat und in die Kantonsregierung gewählt und spielte als radikal-demokratischer Politiker eine nicht unbedeutende Rolle. *) Um’s Jahr 1860 kam ein junger Schwander, Fridolin Luchsinger (1837—1896), als Angestellter in das Haus Jenny & Cie. in Manila, nachdem er die Lehre bei P. B. & J. in Schwanden durchgemacht. Nach einigen Jahren 342 bekleidete der Stifter dieser neuen Firma das Amt eines Konsuls in Manila. 1854 begab sich auch sein Bruder, Herr Felix Jenny (1828 — 1885), zu vieljährigem Aufenthalt dorthin, um sich im gleichen Geschäft zu bethätigen. 1 ) Diese neuen Verbindungen bestärkten die leitenden Persönlichkeiten der Firma P. Blumer & Jenny in der Neigung, sich mehr und mehr zu einem Welthandelshause zu entwickeln, während die Ausdehnung des heimatlichen Druckereigeschäftes, obwohl zu den grossem im Kanton zählend, doch nicht in gleicher Weise Schritt hielt. Zur Ausführung dieser Pläne errichteten P. B. & J. eine Kommandite in Ancona unter der Firma Rano, Grati & Cie. und übertrugen ihr ausschliesslich den dort bis jetzt betriebenen Handel in Glarner-Artikeln und englischen Prints, während die eigentliche Filiale von nun an den Import von Kolonialwaren (Zucker, getrockneten Fischen etc.) nach Italien und den Export von Seide, Hanf, Weinstein, Schwefel, Weizen etc. an die Hand nahm. Sie errichtete auch „Filanden“ (zur Gewinnung der Rohseide aus den Cocons) in Jesi, Grattamare und Fossembrone und nahm weitere bestehende Filanden in ihren Dienst. Daneben wurde schon 1853 durch Ankauf des Schooners „Sarah“ und der Barke „Pio IX.“ Rhederei angefangen und im Laufe der nächsten sechs Jahre verliessen fünf für grössere Reisen bestimmte Schiffe, die etablierte sich derselbe selbständig zum Betrieb eines ähnlichen Geschäftes, das in der Folge, mit Plantagenwirtschaft verbunden, einen bedeutenden Umfang annahm; er verheiratete sich 1870 mit der Tochter des spanischen Gouverneurs von Jlo-Jlo und bekleidete während mehreren Jahren das Amt eines schweizerischen Konsuls in Manila. — Dem einmal gegebenen Beispiel folgend fanden später noch einige andere Bürger von Schwanden den Weg nach den Philippinen; so namentlich Herr Rudolf Hefti-Becker (1842—1879), welcher es dort aus kleinen Anfängen zu einem Geschäft von erheblicher Ausdehnung brachte und dasselbe bis zu seinem Tode betrieb. b 1866 zog das das Stammhaus P. B. & J. seine Kapitalien aus Manila, zurück und es blieben dort als Beteiligte nur die Herren Peter und Felix Jenny und ein Herr Charles Germann; 3 Jahre später kehrten die Brüder Jenny in die Heimat zurück und 1873 erlosch die Firma „Jenny & Cie.“ in Manila, indem das Geschäft in den alleinigen Besitz des Herrn Germann (später Firma. Germann & Cie.) überging. Yon 1874 an beteiligte sich Herr Felix Jenny bei der Societät „Weberei Engi“ (vgl. S. 296). 343 Namen „Consigliere Jenny“, „Dante“, „Rondine“, „Helvetia“ und „S. Ceriaco“ tragend, die Rhede. Dass Papst Pius IX. als Landesherr 1858 die Taufe der „Helvetia“ (gleichzeitig mit derjenigen der „Adria Doria“, eines Schilfes, welches eine andere Gesellschaft gebaut hatte) vollzog, mag als Beweis dienen für das Ansehen, welches die Firma P. B. & J. in Ancona genoss. Mit der Rhederei war auch ein ziemlicher Holz- und Kohlenhandel verbunden. 1857 bildete sich unter der Führung und Beteiligung von P. B. & J. die „Agricultur-Gesellschaft“ in Ancona mit einem Aktienkapital von 2 1 j 2 Millionen Franken für Erwerb, Bewirtschaftung und eventuell parzellenweisen Verkauf eines Teils der sog. Leuchtenbergischen Güter samt darauf stehenden Getreidemühlen, Maccaronifabriken etc. D So erreichten denn zu Anfang der 1860er Jahre der Glanz und die weltumspannende Thätigkeit der Firma P. Blumer& Jenny ') Diese ausgedehnten, in den Marken gelegenen Güter, Konfiskationen von Besitzungen religiöser Korporationen, waren von Napoleon I. seinem Stiefsohne Prinz Eugen, damals Vizekönig von Italien (später Herzog von Leuchtenberg), als Apanage verliehen worden. Der h. Stuhl hatte aber diese Schenkung nie anerkannt und gelangte später auch wirklich wieder in den Besitz derselben, cedierte sie jedoch (nach 1845) einer römischen Gesellschaft, welche ihrerseits einen Teil davon an die „Agricultur-Gesellschaft“ in Ancona veräusserte. Als Käufer figurierten an Stelle derselben anfänglich Tarselti, Ribighini und Bonomi, da die Güter nach damaligen Gesetzen nicht von Ausländem erworben werden konnten. Die zwei ersten jener Italiener waren schon seit längerer Zeit in dem ausgedehnten Geschäftskreise der Filiale der Firma P. Blumer & Jenny in Ancona thätig und auch wirkliche Teilhaber an dieser italienischen Niederlassung, und zwar Herr Pietro Ribighini von 1837-1849, von da an sein Sohn, Herr Carlo R., und sein Tochtermann Herr Tarsetti, letzterer schliesslich bevollmächtigter Geschäftsführer bis zu seinem 1864 erfolgten Tode. — Eine grosse Getreidemühle samt Maccaroni- fabrik in Chiaravalle, ein Bestandteil jener Leuchtenbergischen Besitzungen, wurde von 1862 an pachtweise von Herrn Giovanni Mettler, unter Beteiligung der Firma P. B. & J. betrieben, 1870 jedoch von letzterer käuflich erworben und nun anfänglich der Leitung von Herrn Valentino Mettler und dann Herrn Peter Jenny (Sohn von Consul Peter Jenny jgr.) bis zu dessen 1884 eintretenden Tode unterstellt. Ein Jahr darauf erfolgte der Verkauf dieses Anwesens an eine römische Gesellschaft, während die eigentliche Filiale des Hauses P. B. & J. in Ancona schon 1875/76 aufgehoben worden war, indem gleichzeitig die in derselben schon vorher thätig gewesenen Herren Michel und Diethelm die Nachfolge angetreten hatten. 344 ihren Höhepunkt. Nicht lange darauf mahnten jedoch teils interne Vorkommnisse, teils die durch den Secessionskrieg hervorgerufenen Schwankungen in den Baumwollpreisen und im Handel überhaupt, zur Konzentration, zu etwelchem Rückzuge, wollte man nicht die Uebersicht über die verschiedenen Geschäftszweige verlieren; die jüngern Elemente wünschten zudem eine gewisse Ausscheidung derselben. Diese Umwandlungen vollzogen sich dann 1867/68. Die Fortführung des Stammhauses in Schwanden samt Filiale in Ancona übernahmen die altern Associes; es waren dies: 1. Herr Ratsherr Peter Jenny älter und zwei Söhne seines verstorbenen Bruders Fridolin, die Herren Fritz Jenny-Trümpy (1823—1881) und Rudolf Jenny-Schönenberger (1828—1869); 2. die Herren Oberst Melchior und Oberst Conrad Blumer und ihr jüngster Bruder Kirchenvogt Ferdinand (1829—1888), sowie Herr Major Peter Blumer-Blumer (geb. 1839, Sohn des Melchior)-, 3. Herr Schulvogt Peter Blumer-Zweifel im Thon, 1809-1882 1 ). Dagegen gründeten nun des Letzgenannten Söhne, die Herren Hauptm. Johannes Blumer-Blumer (1840—1887), Hauptmann Peter Blumer-Zweifel (geb. 1843) und Eduard Blumer-Jenny (geb. 1848, seit 1887 glarnerischer Landammann) in Schwanden eine neue Druckerei „im Wyden“ unter der Firma Gebr. Blumer & Cie. (seit 1892 nur noch „Gebrüder Blumer“ lautend). Gemäss freundschaftlicher Vereinbarung wählte dieselbe als ausschliessliches Fabrikationsfeld die verschiedenen Arten der „Batticks“ (welche inzwischen ziemliche Bedeutung gewonnen hatten und noch mehr für die Zukunft versprachen), während umgekehrt das Stammhaus auf deren Erstellung Verzicht leistete. Indem wir auf die Entwicklung der neugegründeten Fabrik später zurückkommen, fügen wir in Bezug auf das Stammhaus P. Blumer&Jenny noch bei, dass nach dem Hinschied oder freiwilligen Austritt mehrerer der vorgenannten Teilhaber der von Manila zurückgekehrte Herr Konsul Peter Jennyjgr. 1872 in das Geschäft eintrat und dass nach seinem Ableben sein älterer Sohn Peter (schon Anmerk. 1 S. 343 genannt) die Nachfolge übernahm. ') Er war der älteste Sohn des Stifters der Firma; der jüngere Sohn, Herr Frid. Blumer-Schindler im „Gütli“, hatte derselben nur wenige Jahre angehört und schon vor 1850 seinen Austritt genommen. 345 1890 änderte sich die Firma in „P. Blumer & Cie.“, indem als einzige Teilhaber die Herren Major Peter Blumer-Blumer und Ferdinand Blumer-Dürst (geh. 1860, Sohn des Ferdinand) verblieben. Ueber die S. 340 erwähnte Firma Gebrüder Jenny, Spinn- und Weberei in Luchsingen, tragen wir noch nach, dass der jüngere Bruder, Ratsherr Hilarius Jenny-Blumer (1817—1882) schon nach kurzer Zeit seinen Austritt nahm *) und somit der ältere, Hauptmann Fridolin Jenny-Dinner (1806—1885) alleiniger Inhaber wurde. Derselbe reorganisierte das Geschäft und überliess es 1861 zweien seiner Söhne, den Herren Major Joh. Jenny-Ryffel und Hauptmann Hil. Peter Jenny-Kubli, fand sich aber veranlasst wieder beizutreten, als der letzgenannte Sohn 1866 in die Druckerei seines Schwiegervaters, Herrn Martin Kubli in Netstal, überging. 1885 kam das Etablissement in den Besitz von Herrn Benjamin Jenny-Becker (Sohn von Major Joh.), mit welchem sich einige Jahre später sein Bruder, Herr Fritz Jenny-Becker zur Firma „Gebr. B. & F. Jenny“ verband. * 2 ) Firma Tschudi&Cie., Türkisch rotfärb er ei und Druckerei in Schwanden. Schon auf S. 103 T. I haben wir mit einem Baum- woll- und Schnellerhändler Joh. Heinrich Tschudi (1706—1785), wohnhaft „im Farbhaus“ zu Schwanden, Bekanntschaft gemacht. Er und sein Sohn Joh. Caspar, 1734-1798, beschäftigten sich nicht nur mit dem Handel in roher Baumwolle und Garnen, sondern auch mit Färberei der letztem (wohl hauptsächlich in Indigo) sowie, in bescheidenem Umfang, mit der Verfertigung von gezwirnten Näh- und Strickgarnen und von baumwollenen und seidenen Strumpfwaren auf Wirkstühlen, welche Erzeugnisse gewöhnlich an glarnerische Handelshäuser abgesetzt wurden. Joachim b Wir haben mit demselben schon S. 295 Bekanntschaft gemacht (und ebenso mit einem seiner Söhne, Herrn Fritz Jenny-Eefti, S. 257 Anmerk. 1). Ein dritter Bruder, Herr Peter Jenny-Byffel, geb. 1823, zog nach Stäfa und gründete dort mit seinem Neffen, Herrn Fritz Jenny-Byffel (Sohn des ob- genannten Hauptmann Fridolin), die noch heute prosperierende Seidenweberei „ Jenny & Cie.“ 2 ) Seit Juli 1901 ist Herr Benjamin Jenny wieder alleiniger Besitzer ■des Geschäfts. 346 Tschudi- Warth (geb. 1768 als Sohn des Job. Caspar) setzte das Geschäft fort und baute eine Zwirnerei „in der Herren“; später d. h. nach Verkauf des „Farbhauses“ 1 ) zog er ganz dorthin und war im Begriff, in einem benachbarten Gebäude auch eine kleine mechanische Spinnerei einzurichten, als er schon 1806 starb. Die Familie fand für gut, nur die Zwirnerei und die damit verbundene Garnbleiche fortzuführen, verkaufte dagegen jenes kleine Anwesen, welches eigentlich als der erste Versuch zur Einführung der Maschinenspinnerei im Glarnerland (vgl. S. 236) anzusehen ist; nachdem es noch mehrere Jahre von einem Herrn Bületer und dann von einem Herrn Lüthy betrieben worden war, wurde es ausgeräumt und darauf das leere Gebäude von der Familie Tschudi zurückgekauft. Lieut. Joh. Caspar Tschudi (1790—1851, Sohn des Joachim), welcher 1819 das Geschäft „in der Herren“ auf seinen alleinigen Namen übernommen hatte, entschloss sich 1829/30 die bisherigen Zweige aufzugeben und zur Türkischrot- Färberei überzugehen, wofür er mehrere Gebäude errichtete und zugleich das Wasser des klaren Niedernbachs als Triebkraft und zum Waschen dienstbar machte. Zu jener Zeit befassten sich im Glarnerland 8 oder 9 Fabriken mit dem Türkischrotartikel, teils nur mit Uni-Färberei, teils mit Aetz-Druckerei, gewöhnlich aber mit beiden Fabrikationen und verbunden mit andern Arten von Druckerei. Auch Herr Tschudi blieb nicht bei der Färberei stehen, sondern nahm von ungefähr 1838 an folgende Druckartikel in seinem Rayon auf: Die schon oft erwähnten Mouchoirs und Indiennes Merinoseinfach (nur mit Weiss- oder Schwarzdruck, auch in Figurenbildern) und Merinos illuminiert, dann Merinos mit Doppelrot, Chäles türkischrot illuminiert mit Wollfransen, türkischrote Möbel mit Chromgelbdruck und endlich indigoblaue und ge- *) Nach dem Tagwensprotokoll von Schwanden ging das Farbhaus- samt G-ewirb und Gut „Grund“ 1791 an Bernold & Tschudi über, ohne dass ersichtlich ist, was dieselben von da an darin betrieben. Später gelangte es in den Besitz eines Fridolin Jenny (Sohn des S. 108 T. I erwähnten „Gesandten" Fridolin auf Sool), dessen Sohn dann unter der Firma Balth. de Fr- Jenny um 1829 eine kleine Baumwolldruckerei darin einrichtete, als deren. Produkte 10/4 Fransen-Chäles genannt werden; diese Gründung ging jedoch nach kurzer Zeit wieder ein. Gegenwärtig bildet das Anwesen einen Bestandteil der mechanischen Schlosserei der Herren Gehr. M. & Th. Streiff. 347 wohnliche krapprote oder krappbraune „Fazzoletti uso tela con doppio stampo lucido“. Alle diese Erzeugnisse fanden ihren Absatz: zum kleinern Teil in der Schweiz, zum grossem Teil in Italien. Am 1. Januar 1855 änderte sich die Firma in Tschudi & Cie. und als Joh. Heinrich, geh. 1810 als ältester Sohn Joh. Caspar’s, schon 1858 starb, wurde der jüngere Sohn, Oberst Joachim Tschudi (1822—1893) alleiniger Inhaber des Geschäftes. Derselbe hatte an der Kantonsschule in Aarau und an der Universität in Giessen eine treffliche Ausbildung genossen und wusste in der Folge durch Verbesserung der technischen Einrichtungen und gründliches Verfolgen des immer noch sehr umständlichen und wenig aufgeklärten Türkischrot-Prozesses seinem Hauptprodukt, den Uni-roten Tüchern, einen vorzüglichen Ruf zu verschaffen. Indem die Firma, darin mit Bestellungen für eigene Rechnung und ä facon für Zwischenhändler überhäuft war, gab sie daneben von 1852—1862 die Druckartikel auf; in letzterm Jahre machte Herr J. Tschudi sich jedoch daran, auch letztere wieder in Flor zu bringen, und nahm als am Betrieb beteiligten Associe Herrn Jacques Speich (nachmals Speich- Schönenberger) von Luchsingen ins Geschäft auf, welcher nun bis zu seinem Ausscheiden (1868) das Komponieren der Muster und die Reisen zu besorgen hatte. 1 ) 0 Indem wir auf die fernere Entwicklung dieser Fabrik nochmals zurück - kommen, fügen wir an dieser Stelle nur noch bei, dass sie seit dem Tode des Herrn Joachim Tschudi von dessen Söhnen, den Herren Major P. Tschudi-Freuler (schon seit 1879 beteiligt!, Hauptmann A. Tschudi-Jenny und F. Tschudi-Bavenel fortbetrieben wird. Den beiden erstgenannten Brüdern hatte sich schon 1888/89 die Gelegenheit geboten, in ein blühendes ausländisches Geschäft, nämlich in die schon S. 339 Anmerk. 2 erwähnte Baumwollspinnerei und -Weberei „Gioachino Zopfi“ in Ranica einzutreten. Hierüber und über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Familien Tschudi, Zopfi und Luchsinger möge folgendes orientieren: Herr Joachim Zopfi, der Stifter jenes Etablissements, war der Sohn von Pfister Samuel Zopfi und Anna Maria Tschudi, Schwester von Fabrikant Joh. Caspar Tschudi „in der Herren“; somit waren die Herren Joachim Zopfi und Oberst Tschudi Geschwisterkindvettern. Nun war eine Schwester des Letztgenannten mit einem Jost Luchsinger, Metzger in Schwanden, verehelicht, und deren Sohn, Herr Jean Luchsinger, geb. 1849, bekleidete von 1869 bis Frühling 1871 eine Stelle als Reisender bei der Firma „Tschudi & Cie.“, siedelte dann aber zu Herrn Zopfi nach Ranica über und schwang sich dort als begabter junger Mann in sehr kurzer Zeit zum Bureauchef und Ver- 348 /M Färbereien und Druckereien in Netstal. Im Jahr 1820 ■errichtete Ratsherr Joh. Jakob Leuzinger z. „Raben“ und sein jüngerer Sohn Joh. Melchior (geh. 1801) unter der Firma Leuzinger & Sohn jgr. in Netstal eine kleine Türkischrotfärberei, im Volksmund die „Raben“- oder „Rappenfabrik“ genannt. Aus Geschäftskorrespondenzen der 1820er Jahre ist ersichtlich, dass die Handelsleute, welche bei ihnen färben liessen, mit dem Produkt wohl zufrieden waren, dass sie aber öfters über die allzulange Lieferzeit klagten. Die Einrichtungen waren eben sehr primitiver Art und überdies bedienten sich die Leuzinger eines sehr umständlichen Verfahrens. In einem Briefe der Firma Barth. Jenny & Cie. vom Jahr 1828 heisst es beispielsweise, Egidius Trümpy verlange für das Türkischrotfärben „nur 7 Wochen“, und wenn es dann auch meistens 8—10 Wochen dauere, so sei das noch lange nicht 4*^—5 Monate, wie man in Netstal warten müsse, wo überdies bei Eintritt strenger Winterkälte die Färberei gänzlich eingestellt und gewöhnlich erst im Februar wieder in Gang gesetzt werde. 1 ) Bei dieser Gelegenheit möge eingeschaltet werden, dass es auch später nicht gelang, die Zeitdauer des alten Türkischrot-Färbe- trauensmann empor. Ende 1876 trat er zurück und gründete mit seinemFreunde, Herrn Joh. Heinrich Blumer (früher in Firma Blütner <£' Tschudi, Druckfabrik in Glarus) die Weberei „Enrico Blumer & Cie.“ in Nembro, wurde aber schon im Juni 1878 vom Typhus dahin gerafft. Unterdessen war sein Neffe, Herr JostLuchsinger (geb. 1858 als Sohn von Caspar Luchsinger, Druckermeister in der Fabrik P. Blumer & Cie., und der Agatha Luchsinger, Schwester des Jean Luchsinger in Nembro) in ftanica zu einer ähnlichen Stellung gelangt, nachdem er dort 1875/78 die kaufmännische Lehre durchgemacht hatte. Da Herrn Zopfi seine beiden Söhne Heinrich und Emil durch den Tod entrissen worden waren, ordnete er kurz vor seinem Ableben die Nachfolge in der Weise, dass das Geschäft käuflich an seine Frau und an die Herren Jost Luchsinger, Peter Tschudi und Alfred Tschudi überging. Diese Nachfolger haben seither das Stammgeschäft (Spinnerei, verbunden mit einer in der gleichen Gemeinde gelegenen Weberei von Domestics, Calicots, Croises, Reps und Faponnes) vergrössert und 1897/98 an der westlichen Stadtgrenze von Bergamo, am Seriokanal, ein neues Etablissement, Kammgarnweberei sowie Bleicherei, Färberei und Appretur umfassend, errichtet. l ) Dies geschah übrigens damals in den meisten glarnerischen Türkisch- rotfärbereien; auch von den Druckereien wird an anderer Stelle bemerkt, es gehe bei grosser Kälte, der mangelnden oder ungenügenden Heizungseinrichtungen wegen, fast keine Ware ein. 349 ' Verfahrens mittelst Krapp unter 5—6 Wochen herabzumindern und dass eigentlich 7-10 Wochen stetsfort als allgemeine Regel galten, während das heutige, unter Anwendung des künstlichen Alizarins. und des Türkischrotöls, nötigenfalls kaum noch ebensoviele Tage erfordert. In den 1830er Jahren tratVaterLeuziuger aus und, indem sich die Firma in „Leuzinger & Cie.“ änderte, nahm sein Sohn folgende Associes auf: G. Zwicky, Caspar Kubli und den nachmaligen Gemeindspräsidenten Caspar Weber (1810—1886), ein Brudersohn des S. 316 erwähnten russischen Grossindustriellen Michael Weber. Die neue Firma betrieb neben der Färberei auch Aetzdruck,. bis sie sich 1841 auf löste. Herr Caspar Weber bewog nun seinen Bruder, den heute noch in Aarburg lebenden Herrn Felix Weber- Kubli (geb. 1818), von Zarewa, wo er während 7 Jahren Kolorist in der Fabrik seines Onkels gewesen war, heimzukehren und mit ihm die Fabrik Leuzinger anzukaufen. Von da an hiess die Firma Felix Weber und blieb so, als auch der dritte Bruder, Herr Joh. Jakob Weber-Rott(1812—1891), Zarewa verliess und sich dem Geschäfte anschloss. 1 ) Felix Weber verbesserte und vergrösserte die Fabrikeinrichtungen und erstellte, anstatt sich auf den unlohnend gewordenen Fagondruck zu beschränken, seine Produkte auf eigene Rechnung, bereiste von 1843—1855 jährlich 2—3 Mal das Piemont und Mittelitalien, legte Consignationslager in Livorno und Ancona an und dehnte daneben seine Verkäufe auch auf die Exporthäfen Amsterdam und Hamburg aus. Neben den türkischroten Sacktüchern, Indiennes und sehr grossen illuminierten ächten Merinos- Palmen chäles, welch’ letztere sich via Triest in der Türkei und in Persien verkauften, nahm die Fabrik um die Mitte der 1840er Jahre auch den Yasmas-Artikel auf, und zwar anfänglich via Triest und Wien für den Verschleiss in Bosnien und Serbien. Später knüpfte die Firma aber auch direkte Verbindungen mit Smyrna, b 1880 übernahm dann Herr Caspar Weber und in der Folge seine Veriassenschaft, als Firma Weber & Cie., die Fabrik, während Herr Felix Weber unter der Firma „F. Weber-Kubli“, später „F. Weber & Söhne“ in Aarburg eine Spinnerei und Weberei ankaufte und reorganisierte. Herr Felix Weber-Gut, einziger Sohn von Herrn Weber-Rott, wandte sich früh nach dem Ausland und hat seitdem in Fabriken Mülhausens und in Italiea. als Kolorist und Chemiker angesehene Stellungen bekleidet. 350 Konstantinopel, Aleppo, Bagdad und Kairo an und gründete unter der Firma „Weber & Cie.“ ein eigenes Haus in Beyrut, dessen Leitung zuerst an Herrn Felix Weber - Hüssy (Sohn des Herrn Caspar Weber) und später an dessen Schwager, Herrn Caspar Sigrist-Weber , übertragen wurde. Neben den Yasmas trat die Türkischrotfabrikation allmälig zurück und ebenso wurde der in den 1850er Jahren begonnene Battikdruck später wieder aufgegeben. Die zweite Druckerei in Netstal wurde von Fabrikant Felix Kubli (1775—1857) gegründet. Derselbe hatte sich längere Zeit mit Korn- und Holzhandel, später auch mit Yiehhandel nach Italien und mit Geldwechsel beschäftigt und errichtete erst 1830/31 auf der Liegenschaft „zu Löntschen“ eine Zeugdruckerei, wobei er als Kolorist und Druckermeister einen Karl Wunderli (aus dem Kanton Zürich?) in Dienst nahm. Während sein ältester Sohn Melchior (1804—1883) bei dem Fruchthandel blieb und später an den Bodensee übersiedelte, traten seine vier andern Söhne successive •ins Druckgeschäft; es sind dies die Herren Gemeindspräsident Martin Kubli (1813—1885), Hauptmann Felix Kubli-Siegel (1815—1900), Kirchenvogt Heinrich Kubli-Dürst (1819—1893) und Kommandant Rudolf Kubli (geb. 1829); der Letztgenannte -trat später wieder aus und ist seither in verschiedenen Druckereien Italiens als Kolorist oder technischer Leiter thätig gewesen. Die ersten Produkte derFabrik „Felix Kubli“ waren falsch- färbige und halbsolide „Palmen“ und „Orientalen“, die nach Italien verkauft wurden; diesen folgten verschiedene andere Artikel der Mouchoirs-Branche für europäische und überseeische Länder. Auf Betreiben von Herrn Martin Kubli errichtete die Firma 1846 eine zweite ziemlich grosse Druckerei im „Langgütli“ an der Linth, die dann nach wenigen Jahren in seinen alleinigen Besitz überging, während er seinen Austritt aus dem Stammgeschäft nahm. 1 ) Aus seiner Wirksamkeit verdient hervorgehoben zu *) Nach seinem Tode wurde diese Fabrik von den Herren Heinrich, Felix und Ulrich Kubli (Söhne des obgenannten Kirchenvogt Heinrich) unter der neuen Firma „Gebrüder Kubli“ übernommen, während das Stammgeschäft 1893 in den alleinigen Besitz von Herrn Kubli-Siegel überging und jetzt unter der Firma „Felix Kubli’s Söhne“ von den Herren "Georg Kubli-Dinner und Alfons Kubli-Schindler betrieben wird. 351 werden, dass er eine neue, für die glarnerische Industrie während längerer Zeit wichtige Gewebesorte in Schwung gebracht hat; es betrifft dies die sog. „Tibet-“ oder „Fränselitücher“, dadurch erzeugt, dass innerhalb der Randfäden des Gewebes die Zettelfäden einige Centimeter breit weggelassen werden und dass in analoger Weise von Zeit zu Zeit eine entsprechende Anzahl Schussfäden ausfallen, wodurch abgepasste, an allen vier Enden mit „Webfransen'' versehene Tüchei entstehen. Das beschriebene Verfahren ist bei weissen und farbig gewobenen Woll-Chäles schon seit undenklichen Zeiten, als Abschluss oder Verzierung derselben, angewandt worden, wobei die Eigenschaft der Wolle, sich durch gerippte heisse Eisen dauerhaft kräuseln zu lassen, gewöhnlich benutzt wurde, den Effekt der Webfransen zu erhöhen. Dass analoge baumwollene Webfransen-Chäles in den Zeugdruckereien früherer Zeiten erstellt worden wären, dafür konnte der Verf. keinerlei Anhaltspunkte ermitteln; dagegen fand sich erstmals in einem Mülhauser Druck-Receptenschatz von 1830 eine genaue Beschreibung der Erstellung von solchen und zwar in sehr grosser Breite und orientalischem Geschmacke unter demselben Namen „Tibet-Chäles“, wie er später auch im Glarnerland gebräuchlich wurde, als Nachahmung der ächtwollenen Tibet-Chäles. Im Fernern geht aus der Korrespondenz der Firma Luchsinger & Streiff in Glarus hervor, dass dieses Haus 1835 baumwollene „Sciarpe“ (Schärpen), ungefähr 1 Meter breit und IV 2 Meter lang, teils rot gefärbt, teils in fortlaufenden Dessins in Tafelfarben nach Art der „Orientales“ bedruckt, erstellte, welche auf zwei Seiten d. h. an den beiden Enden gewobene Fransen aufwiesen, und um die gleiche Zeit verkauften auch Barth. Jenny & Cie. in Ennenda gebleichte (ungedruckte) Tibet-Chäles mit vierseitigen Webfransen in kleinen Posten nach Italien. Zu einem grossen Artikel wurden jedoch die Webfransentücher erst durch Fabrikant Martin Kubli. Derselbe hatte 1841/42, während er also noch im väterlichen Geschäft arbeitete, Wollchäles mit vierseitigen Webfransen von einer Reise zurückgebracht, liess nun ebenso solche baumwollene von glarnerischen Handwebereien in 7 / 4 bis 10 / 4 Breite anfertigen und bedruckte sie in, jenen Woll-Chäles nachgeahmten „Fancy-“ d. h. Palmen- und Blumendessins. Der Artikel präsentierte sich 352 hübsch, kam viel billiger zu stehen als die damals ebenfalls sehr beliebten baumwollenen Chäles mit ächtwollenenangeknüpften Fransen, und fand mehrere Jahre in Italien und 2—3 Jahrzehnte in Indien und Südamerika ausgezeichneten Anklang. Schon 1844 belief sich die Zahl der im Glarnerland bedruckten Tibet-Webfransenstücke in die Tausende; denn ausserdem, dass die Fabrik „zu Löntschen“ mit der Erstellung von solchen vollauf beschäftigt war, verkaufte beispielsweise die Firma Barth. Jenny & Cie. während jenes Jahres bereits 16,000 Dutzend Chäles, 1850 noch 10,000 Dtzd. 1 ) Ausser von den Mouchoirsfabriken wurden die Webfransentücher später auch von den Yasmasproduzenten in ihren speziellen Dessins als Neuheit aufgenommen und in ziemlichen Mengen nach dem Orient abgesetzt, wo der Artikel sich noch heute in beschränktem Masse verkauft. Natürlich lieferte die mechanische Weberei in der Folge solche Rohtücher ebenso gut wie die Handweberei; dagegen konnte sich die englische Walzendruckerei, wie leicht begreiflich, des Artikels nicht bemächtigen, was der Glarner Industrie zu gute kam. In den 1860er oder 1870er Jahren führte Fabrikant Martin Kubli neben dem Handdruck auch Rouleauxbetrieb ein und wusste sich auch auf diesem Gebiete neben schon bestehenden Artikeln einzelne Spezialitäten zu schaffen, so z. B. durch Ueber- tragung der grobfädigen, schweren „Uso Lino“ oder „Uso Milano“ auf Rouleaux, wodurch er die bisherige, mittelst zweiseitigem Handdruck erstellte Ware um Vieles unterbieten konnte. Druckfabrik in Niederurnen. Aus dieser Ortschaft ist bekannt, dass die Brüder Joh. Melchior und Balthasar Steinmann Ende der 1820er Jahre unter der Firma „Steinmann & Cie.“ eine kleine Druckfabrik errichteten. 1833 veranlassten dieselben den seit 1828 aus der Firma Dinner & Tschudy 2 ) ausgetretenen und in Glarus privatisierenden Richter Balthasar Tschudy „im ’) Der Grund, warum letztgenanntes Haus anfänglich sich des Drückens solcher ihm schon bekannter Webfransentücher enthalten hatte, mochte in der Befürchtung hegen, dass dieselben die gut rentierenden Chäles mit äch t- wollenen Fransen verdrängen würden. 2 ) Ygl. S. 304 T. II. 358 Sand“ (1802—1867), sich ihnen anzuschliessen, worauf die Firma in Balthasar Tschudy & Cie. umgewandelt wurde. Die Fabrik beschäftigte sich anfänglich mit dem Aetzdruck türkischrot gefärbter Stücke und ging von den 1840er Jahren an zu einigen orien. talischen Spezialitäten und dann zu verschiedenen Mouchoirs- Artikeln über. Schon von Anfang an waren als interessierte Angestellte zur Besorgung der Reisen etc. die Herren Hilarius Luchsinger- Blum er (1808—1865), bis dahin Reisender für die Türkischrotfabrik Hürlimann in Richterswil, Jakob Elmer-Streiff (t 1870) und Richter Fridolin Oertli-Tschudi (1817—1883), alle von Glarus, ins Geschäft aufgenommen worden. 1845 traten dieselben jedoch aus und gründeten in Glarus das Handelshaus Luchsinger, Eimer & Oertli, das mit grösster Rührigkeit und gutem Erfolg den Export von Druckwaren nach 'Süditalien, Portugal, Belgien, Holland, der europäischen und asiatischen Türkei, welche Länder der erste und der drittgenannte Teilhaber selbst bereisten, betrieb, während ein nicht unbedeutender Verkehr nach Amerika, Britisch- und Holländisch-Indien sich durch grosse Hamburger und Amsterdamer Firmen vollzog. Einen Teil dieser Waren (und zwar anfänglich den vorwiegenden) bezogen sie fertig von glarnerischen und auch von andern schweizerischen Druckereien; speziell von türkischroten Tüchern kauften sie erhebliche Mengen als üni ge- färbt, teils zum Wiederverkauf als solche, teils um sie durch die Fabrik Karrer in Mollis ätzen zu lassen, wobei die Dessins und Druckmodelle ihr Eigentum waren. Unterdessen hatten um 1845 auch die Gebrüder Steinmann die Fabrik in Niederurnen verlassen, so dass als Inhaber derselben nur Richter Balthasar Tschudy, später unterstützt von seinen Söhnen, Fabrikant PeterTschudy-Paravicini(1826-1868)und Artillerie- hauptm .Frid.Tschudy-Schindler (1889-1895), verblieb; letzterer nahm jedoch nach dem Tode seines Vaters und seines Bruders den Austritt, und indem die Söhne von Herrn Tschudy-Paravicini nun das Geschäft an sich zogen, verbanden sie sich gleichzeitig mit Herrn- Johann Ulrich Hefty-Jenny (geb. 1840, Sohn von Parqueterie-- fabrikant Heinrich Hefty in Altorf, gebürtig jedoch von Hätzingen), welcher sich in England den Ruf eines tüchtigen Kaufmanns er- 23 worben und darauf in Glarus eine Agentur für den Verkauf englischer Rohtücher errichtet hatte. Die neue Firma Hefty & Tschudy ging ausschliesslich auf die Mouchoirs-Genres über, führte um 1870 Rouleaux-Druck ein und erzielte längere Zeit einen recht bedeutenden Umsatz. Als Herr Hefty 1894 das Geschäft verliess, um sich bei der Gründung der Aktiengesellschaft „Stamperia Lombardei“ in Novara zu beteiligen, ging die Fabrik an die Herren Fritz Tschudy-Büegg und Alfred Tschudy-Luchsinger in Firma „Gebr. F. & A. Tschudy “ über. Druckfabrik Johannes Heerj in Glarus. 1 ) Wie wir schon S. 236 erwähnt, betrieb Rudolf Heer (älter) in Riedern mit seinen SöhnenRudolf, Johannes und Fridolin ein ziemlich bedeutendes Handweberei-Geschäft. 1834 nun richtete ein Abraham Vögeli (1795—1864), der als Farbkoch unter Kolorist Gerig in derBrunner’- schen Fabrik sich einige Fabrikationskenntnisse angeeignet hatte, in seinem Hause (das dritte oberhalb der Löntschbrücke in Riedern) eine kleine Baumwolldruckerei ein und wurde dabei von der Familie Heer finanziell unterstützt (Johannes Heer und Abraham Vögeli waren durch ihre Frauen, Töchter eines Baumeisters Andreas Stüssy, mit einander verschwägert). Ein kleines Gebäude am Löntsch (jetzt zur Farbmühle Oertli <& Trümpy gehörig) diente als Färberei und Wäscherei. Schon 1835 d. h in demselben Jahre, in welchem Herr Rudolf Heer, Vater, starb, wurde der Betrieb nach Glarus verlegt, indem sich die Gelegenheit bot, einen Teil der Gebäulichkeiten der in Liquidation tretenden Druckfabrik ,,Frid. & Joh. Heinrich Glarner älter“ (S. 302) auf dem „alten Schützenplatz“ und auf „der Pressi“ gelegen, zu mieten. Wahrscheinlich nannte sich die Firma von dieser Zeit an Johs. Heer d. h. nach demjenigen der drei Brüder, auf dessen Initiative die Gründung der Druckerei hauptsächlich zurückzuführen ist. Rudolf und Fridolin (und später des letztgenannten Verlassenschaft) blieben noch eine grössere Anzahl von Jahren bei derselben beteiligt, obwohl ersterer •) Ueber die einige Jahre früher eröffnete Fabrik „auf der Insel“ haben wir schon in einem frühem Abschnitt, S. 307, berichtet. 355 inzwischen eine Stelle als Oberaufseher in der Spinnerei seines Schwagers, Herrn Fridolin Jenny-Heer, (Firma Enderlin & Jenny in Ziegelbrücke) annahm und Fridolin nach wie vor als sein spezielles Gewerbe die Webstuhl-Blattmacherei betrieb. 1 ) Inzwischen brachte die Firma Johs. Heer von 1839 an successive die Bestandteile der alten Glarner’schenFabrik käuflich an sich; zugleich nahm aber Abraham Vögeli, der, wie es scheint, seiner Aufgabe zu wenig gewachsen war, im soeben genannten Jahre seinen Austritt und widmete sich von da an bis an sein Lebensende einem kleinen Handel in Stücken und Garn nach dem Toggenburg. An seine Stellewurdedern achmalige Fabrikant J a k o b S c h u 1 e r (1814-1894), Schwiegersohn von Herrn Johs. Heer, als Associe ins Geschäft aufgenommen. Derselbe, von Mollis gebürtig, hatte zu Hause und im Eisass die Modelstecherei gründlich erlernt und war nach seiner Heimkehr in einer Fabrik des Unterlandes und schliesslich bei seinen Verwandten in Glarus der Stecherei vorgestanden. Trotz der Anstrengungen der Beteiligten wollte es indessen während der ersten Jahre in der Heer’schen Fabrik, die sich in einigen Mouchoirsgenres und dann in den Türkenkappen versuchte, nicht recht vorwärts gehen; eine Wendung trat erst ein, als Herr Andreas Heer (1820—1864), der zweite Sohn des Johannes, im Jahr 1843 den Entschluss fasste, als erster unter den Glarner Fabrikanten selbst die asiatische Türkei zu bereisen, während bis jetzt höchstens Konstantinopel besucht, das Hauptgeschäft nach dem Orient aber in der Weise gemacht worden war, dass man mit Zwischenhändlern (griechischen, schweizerischen und andern Häusern) in Ancona, Sinigaglia, Triest und Wien verkehrte, die ihrerseits mit griechisch-orientalischen Einkäufern oder mit einzelnen schon in den 1830er Jahren in Smyrna etc. etablierten *) In der Folge fand eine Ausscheidung statt; während Herr Joh. Heer „auf der Höhe“ (1836—1885, Sohn des Fridolin) in der Stammfirma in Glarus Aufnahme fand, wurde Herr Fridolin Heer (1822—1891, Sohn des Kudolf) zum Chefprokuristen des Filialhauses Andre Heer in Konstantinopel (wo er sich seit 1846 bleibend niedergelassen und mit einer Frl. Anna Paladino von Messina verheiratet hatte) erhoben. Als solcher leitete er nicht nur den dortigen grossartigen Warenverschleiss, sondern soll auch bei den bedeutenden Finanzoperationen, welche das Haus zu gewissen Zeiten durchführte, eine glückliche Hand gehabt haben. 356 st. gallischen Geschäftshäusern in Verbindung standen. Ein Brief vom 15. Juli 1843 aus Triest von Kaufmann Friedrich Streiff- Vital, als Leiter der dortigen Filiale, an sein Stammhaus Gebr. Jakob & J. B. Streiff in Glarus gerichtet, gibt über die beabsichtigte denkwürdige Reise Andreas Heer’s folgende Kunde (wobei wir die begleitenden Nachrichten, weil in anderer Beziehung interressant, ebenfalls zum Abdruck bringen): „Baumwolle geht hier immer hinunter, wenigstens die Mako, wovon der Vizekönig von A egypten immer viel herschickt und jetzt eine Quantität instradieren soll, wie nie da war. Es sollen mehr als 150,000 Zentner herkommen, wofür der Pascha auf hiesigen Jussuf (ein griechisches Bankhaus?) für zirka cfl. 2 1 \ 2 Millionen trassirt hat. 1 ) — Unsere Colli sind jetzt alle fort (an die Messe von Sinigaglia) und zwar sind es 49 im Betrag von cfl. 40,000, eine hübsche Summe, die bei dem Sortiment einen Verkauf von wohl cfl. 25,000 erwarten lässt. Es werden wohl viel Waren nach Sinigaglia gehen, englische besonders, wovon mehrere Schiffe anlangen sollen. —• (Andreas) *) Cfl. bedeutet Conventionsgulden (ä 60 Kr.). Dieselben bildeten von 1748 an die Münzeinheit aller k. österreichischen und verschiedener deutscher Staaten und Reichsstädte und wurden in der Zahl von 20 aus einer Kölnischen Mark (= rund 234 Gramm) fein Silber geprägt, während es bei der in Süd- und Westdeutschland geltenden rheinischen oder Reichs -Währung 24 traf (vgl. auch S. 269). 1 cfl. entspricht demnach Fr. 2. 60 heutiger Schweizerwährung; das Zw eiguldenstück (= Fr. 5.20), welches man Maria-Theresia- Thaler nannte, wurde allmählig in der Levante und Nordostafrika zu einem der wichtigsten Zahlungsmittel, so dass die Wiener Münzstätte dessen Prägung (mit der Jahrzahl 1780) bis in die neuere Zeit fortsetzte.. Jene eingangs erwähnten zwei Münzeinheiten wurden durch den deutschösterreichischen Münzvertrag von 1857 hinfällig, wonach aus einem Z ollpf und oder 500 Gramm fein Silber nun in Oesterreich 45 neue österreichische Silber- gülden (ä Fr. 2. 47), eingeteilt in 100 Neukreuzer, in Süddeutschland dagegen 52V, neue Reichsguldm (ä Fr. 2.11'/,), in Preussen und andern norddeutschen Staaten 30 Thaler (ä Fr. 3.70) geprägt wurden. Die neuen österreichischen Goldgulden zeigten genaue Uebereinstimmung mit den Goldfranken, indem ein 8 fl.-Stück identisch mit einem 20 Franken-Stück ist, beide 9 / l0 fein, während bei der nun 1892 von Oesterreich-Ungarn angenommenen Kronen- Währung aus 500 Gramm Feingold 83 Zwanzigkronenstücke s / l0 fein geprägt werden, also 20 Kronen = 21 Franken sind. Vergleichsweise sei noch beigefügt, dass (abgesehen von den Silberscheidemünzen) aus 500 Gramm Feinsilber 22 J / S Fünffrankenstücke 9 /io fein (also im Total-Gewicht von 25 Gramm per Stück) geprägt werden und dass das Wertverhältnis vom Gold zum Silber in der lateinischen Münzkonvention noch immer auf 1:15 1 /, fixiert ist- 357 Heer ist hierdurchgekommen; er geht erst an die Messe und dann nach Griechenland und nach der Levante; wahrscheinlich wird er einige Jahre in Smyrna bleiben, von wo aus er Geschäfte machen will mit Beyruth, Brussa etc.; er soll ein Augsburger Haus haben, welches ihm Relationen in der Levante verschafft. 1 ) Kubli geht nicht auf die Messe, wie Heer sagt, aber wohl wird Daniel Jenny kommen; man sagte auch, Luchsinger werde dahin reisen, haben jedoch nichts näheres darüber gehört“. Die Reise Andreas Heer’s übertraf die kühnsten Erwartungen, da er die nach Smyrna gebrachten Waren zu sehr günstigen Preisen absetzen konnte, zugleich aber während seines dortigen mehrjährigen Aufenthalts einen bessern Einblick in das Wesen und die Entwicklungsfähigkeit des Yasmasartikels gewann und wertvolle Handelsbeziehungen anknüpfte, aus denen in der Folge be- deutendeFilialgeschäfte des Stammhauses, und zwar unter der neuen Firma „Andrea Heer“, in Smyrna, Beirut, Konstantinopel und Varna entstanden. Yon da an mangelte es zu Hause nie mehr an Arbeit, die Fabrik dehnte sich rasch aus und überflügelte, was die Grösse der Produktion anbelangt, im Laufe der 1850er Jahre alle Yasmaskonkurrenten, indem sie die übrigen Artikel über Bord warf. Während so Herr Andreas Heer, so lange seine wankende Gesundheit es ihm erlaubte, sich öfters auf Reisen nach dem Orient begab und sein Bruder, Herr Rudolf Heer (1818—1893), zu Hause (anfänglich noch neben seinem Vater) die allgemeine kommerzielle Leitung des Geschäftes in vorzüglicher Weise besorgte, war ihr Schwager, Herr JakobSchuler, der Fabrikant und Bauherr, welcher den Mangel einer technischen Bildung durch ein seltenes organisatorisches Talent und unermüdliche Thätigkeit ersetzte. — Als vierter Associe wurde später, wie schon S. 355 Anmerk. 1 erwähnt, Ratsherr Joh. Heer „auf der Höhe“ (Schwiegersohn von Herrn Fabrikant Jakob Schüler) aufgenommen. Auch dieser leistete dem Geschäfte in jüngern Jahren im Orient und dann in Glarus *) Damit ist auch die landläufige Version widerlegt, Herr Heer habe zuerst die Sinigallier-Messe besucht, dort aber fast nichts verkaufen können und sei nun plötzlich zu dem Entschluss gekommen, mit seinem Warenlager nach Smyrna überzusiedeln. 358 als energischer und weitsichtiger Mann treffliche Dienste und war auch auf allgemein-nationalökonomischem Gebiete thätig. 1 ) In den 1860er Jahren nahm die Firma Johs. Heer, was Zahl der Arbeiter und Produktion an bedruckten Stücken anbelangt, unter allen glarnerischen Druckereien die erste Stelle ein und fasste gegen Ende dieser Periode den Entschluss, in Meis (Kt. St. Gallen) auch eineSpinn-undWebereizu errichten; durch den deutsch-französischen Krieg erlitt die Ausführung einen Aufschub, so dass dieses grosse Etablissement erst 1875 in Betrieb kam. Inzwischen waren successive auch die Söhne von Fabrikant Schüler, die Herren Oberstlieut. Joh. Schüler - Blumer (1841—1893), Fricl. Schüler-Tschudi (1842—1882), Jakob Schüler-Brunner (geb. 1845) und Dr. Rudolf Schüler (geb. 1847) ins Geschäft getreten; dagegen hatte Herr Rudolf Heer seine zwei Söhne in der Blüte der Jahre verloren. 2 ) Druckfabrik Blumer & Tschudi auf dem Hohlenstein bei Glarus. Wie wir schon bei verschiedenen Gelegenheiten konstatiert haben, trachteten in unserm Ländchen in der aufstrebenden Zeit der 1820er und 1830er Jahre öfters Fabrikarbeiter — Farbköche, Drucker oder Stecher — darnach, eigene Betriebe zu gründen und sich zu Fabrikanten aufzuschwingen; so that dies auch ein Joh. Heinrich Blumer, 1781—1859 (Meister Joh. Heinrichs in Glarus), welcher, nachdem er einige Jahre Färber bei Herrn Egidius Trümpy gewesen, 1824/5 dicht unterhalb des Etablissements seinesPrinzipals eine kleine Färberei einrichtete und neben Tüchern auch Garne und Strümpfe färbte. Hierauf verband er sich mit Joh. Heinrich Tschudi, 1796-1848, der in Russland einiges Vermögen erworben hatte und 1828 sein Tochtermann wurde; als Firma Blumer & Tschudi ’) 1871 ergriff er die Initiative zur Reorganisation der nach dem Genossenschaftsprinzip arbeitenden „Steinkohlenkonsum-Gesellschaft Glarus“; auch wirkte er 1872 mit bei der Konstituierung der Gesellschaft „Versicherungsverein Zürich“, später „Transport-, bezw. Unfall- und Versicherungs- Aktiengesellschaft Zürich“). a ) Während die drei altern Teilhaber der Firma ihre Lebensaufgabe fast ausschliesslich in der geschäftlichen Thätigkeit erblickten und derselben 359 kauften die Beiden nun die Färberei auf dem Hohienstein 1 ), in welcher sie eineDruckerei einrichteten, während sie das frühere kleine Anwesen im Oberdorf in Glarus an den unterhalb liegenden Anstösser, Fabrikant Gabriel Trümpy, veräusserten. In der neuen Druckfabrik, die mit der Zeit einen ansehnlichen Umfang gewann, erstellten sie anfänglich einfachere Mouchoirs-Genres, dann Yasmas und endlich vorzugsweise Batticks, indem sie mehrere Jahrzehnte hindurch grösstenteils ä fagon für glarnerische und zürcherische Exporteure arbeiteten. In späterer Zeit ging die Leitung des Geschäftes an zwei Söhne Blumer’s, die Herren Mathias, 1819-1887, und Esajas Blum er, 1825—1890, und an die zwei Schwiegersöhne Tschudi’s, die Herren Heinrich Leuzinger von Netstal (geb. 1819) und Rudolf Hösly, 1826—1861, (Kirchenvogt und Handelsmann Joh.Heinrich’s von Glarus) über. 1872 traten indessen die Blumer aus und es änderte sich die Firma in Hösly & Leuzinger, indem die Enkel Tschudi’s, dieHerrenHeinrichHösly(1850-1893), Heinrich Leuzinger (1850—1894) und Rudolf Leuzinger (geb. 1853) die Fabrik übernahmen. 2 ) Herr Heinrich Blumer (geb. 1849 als ältester Sohn von Fabrikant Esajas), welcher als sehr junger Bursche seine kaufmännische Lehre in Livorno durchgemacht und dann für das heimatliche Druckgeschäft einige Jahre in Batavia zugebracht hatte, gründete in der Folge in Nembro bei Bergamo eine Baumwoll- Grobweberei, die als Firma Enrico Blumer & Cie. in verhältnis- durcli sehr bedeutende Vermächtnisse für ihre Arbeiter und humanitäre Institute einen schönen Abschluss gaben, nahmen die Herren Ratsherr Jean Heer und Oberst! Jean Schaler auch am kantonalen politischen Leben (in radikaler Richtung) regen Anteil. *) Ueber dieses nach T. I S. 61 schon 1599 entstandene Gewirbe fehlt jede spätere Kunde bis ungefähr 1793, von welchem Zeitpunkt an ein Schulvogt Frid. Oertli in Ennenda (1772—1824), der Sohn eines bei der „Wiener- handlung“ beteiligten Melchior Oertli, darin eine Indigoblaufärberei (ohne Druckerei) betrieb. Schon um 1802 verkaufte er dieselbe einem Jakob Jenny 1772 — 1847 (Enkel des Kirchenbauherrn Frid. Jenny), der seinerseits das Anwesen obiger Firma Blumer & Tschudi abtrat. 2 ) Seit 1893 heisst die Firma nur noch „R. Leuzinger“; wir werden auf dieselbe bei Anlass der Charakterisierung des Battick-Artikels nochmals zurückkommen. 360 massig kurzer Zeit zu bedeutender Ausdehnung und Blüte gelangte. Als der mit ihm verbundene Herr Jean Luchsinger von Schwanden, wie schon S. 347 Anmerk. 1 erwähnt, schon 1878 starb, führte Herr Blumer das Geschäft, anfänglich mit Unterstützung seines Vaters, weiter und ergänzte es später durch eine Bleicherei; vor einigen Jahren übergab er es sodann seinem Bruder und Interessenten (Firma Giovanni Blumer <& Cie.). Herr Jakob Blumer, Sohn von Fabrikant Mathias, übernahm anfänglich eine Bleicherei und Färberei in Wollerau, dann als Firma J. Blumer & Cie. in Schindellegi eine kleine Baumwollweberei, welche vor einigen Jahren in den Besitz von Herrn J. C. Z wicky, früher in Firma Aebly & Zwicky, (S. 261 Anmerk. 2) übergegangen ist. Druckfabriken in Mollis und Näfels. Wie wir schon S. 187 ■erwähnt haben, kam um 1828 die lange Zeit leergestandene kleine Druckfabrik „im Jordan“ in Mollis wieder in Gang und zwar durch Joh. Georg Karrer, welcher darin ä fagon türkischrote Tücher ätzte. Mach seinem 1843 erfolgten Tode wurde das Geschäft anfänglich von seiner Witwe betrieben und ging später unter der Firma „Helti & Karrer“ an ihren Schwiegersohn, Kriminalgerichtspräsident J. Jakob Refti (geb. 1820 in Zusingen) und an ihren Sohn Friedrich Karrer (geb. 1834) über, welche ihrerseits den Betrieb zu Anfang der 1870er Jahre wieder einstellten. Inzwischen hatte nun auch Näfels seine Baumwolldruekerei erhalten, indem 1833 nach vorliegendem Kaufbriefe zwei Molliser Bürger, Schreinermeister Joh. Heinrich Gallati, 1795—1875, und Bauer Jakob Schindler, Vize-Ratsherr Jakob’s, vom Tagwen Näfels zur Anlegung einer Druckfabrik am „kleinen Linthlein“ den nötigen Boden auf dem rechten Ufer desselben, sowie das nötige Wasserwerk käuflich erwarben und leihweise Boden zum Bleichen und „Spreiten“ erhielten. Dabei wurden sie von 1837 an durch die Gebr. Joh. & Friedr. Paravicini in Glarus (Spinnerei in Schwanden) finanziell unterstützt, weshalb die Firma Paravicini, Gallatin ■& Cie. geheissen haben soll. Lange Zeit wollte diese Gründung, in welcher unter wechselnden Besitzern vorzugsweise türkisch- 361 rote Artikel fabriziert wurden, nicht zum Gedeihen kommen; schon in der kritischen Zeit von 1842 erfolgte eine Trennung, infolge welcher obiger Jakob Schindler das kleine Etablissement allein erwarb und bald darauf als Anteilhaber Stechermeister Fridolin Aebli vonEnnenda aufnahm. 1849 brannte es ab, worauf „Schindler & Aebli“ das Areal an die Brüder Daniel, Ferdinand und Emil Gerig — Firma „Gerig & Cie.“ — verkauften, welche ihrerseits als Associe um 1853 Oberst Bartholome Streiff-Dinner von Glarus (1815—1857) — Firma „Gerig & Streiff“ — und nach dessen Tode Oberst Heinrich Bis von Mollis — Firma „Gerig & Ris“ — auf- nahmen. 1867 trat die letztgenannte Firm,a in Liquidation, worauf die Fabrik provisorisch von Hauptmann Friedrich Schindler von Mollis betrieben und dann 1870 an Herrn Friedrich Oertli- Tschudi in Glarus, damaligem alleinigem Inhaber des schon S. 353 erwähnten Handelshauses Luchsinger, Eimer & Oertli, verkauft wurde. Damit ging dasselbe vom Handel zur Fabrikation über und befasste sich von da an ausschliesslich mit dem Druck der verschiedenen türkischroten Aetzartitel, indem es namentlich die Erstellung mehrfarbiger Perrotine-Ware an die Hand nahm und sich darin einen noch heute bestehenden guten Ruf erwarb. Mit dem Tode des obgenannten Besitzers ging die Fabrik auf seinen Sohn, Herrn Hauptmann Friedrich Oertli über, welcher die Firma mit dem 1. Januar 1893 auf seinen Namen abänderte. Noch bleibt zu erwähnen, dass 1842 Herr Friedrich Schindler „im Rüteli“ in Mollis und sein Sohn gleichen Namens sich entschlossen, ihre Wolltuchfabrik (S. 187 T. II) in eine Türkenkappendruckerei umzuwandeln und dass sie zur Ausführung dieses Planes den obenerwähnten in Näfels ausgetretenen Fabrikant Joh. Heinr. Gallati als Anteilhaber aufnahmen. Diese neue Firma Schindle r&Gallati löste sich indessen 1861 auf; Herr J.H. Gallati gründete mit seinem Sohne Friedrich (1825—1897) und seinen Schwiegersöhnen Lieut. Johannes Schindler von Beglingen und Major J.Rud.Schüttler von Niederurnen die neue Firma Gallatin & Cie., welche das kleine Etablissement in Mollis noch einige Jahre pachtweise in Thätigkeit erhielt und dann, wie schon S. 329 erwähnt, eine in Leuggelbach zum Verkauf stehende Fabrik an sich brachte und nun als Yamas- druckerei weiter betrieb, wobei sie durch sorgfältige Pflege einiger 362 Spezialitäten einen gewissen Ruf erlangte. Nach Errichtung des schon S. 125 T .1 erwähnten Neubaus für Bleicherei, Färberei und Appretur, verbunden mit einem grossen, das Gefälle desLeuggelbachs ausnutzendenWasserwerk, trat 1897 eine Trennung unter den Söhnen der letztgenannten drei Associes ein; zufolge derselben wurde die Druckerei unter Beibehaltung der alten Firma „Gallatin & Cie.“ von den Herren Joh. und Frid. Gallatin und Heinrich und Joh. Schindler erworben, der Betrieb des neuen Zweiges dagegen unter der Firma „R. Schüttler & Cie.“ von den Herren Rudolf Schlittler-Blumer und Heinrich Schüttler übernommen. Nochmals zur Gemeinde Näfels zurückkehrend, haben wir zu berichten, dass hier in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre eine zweite Druckfabrik entstand, indem eine Firma „Luchsinger & Steinmann“ eine dort (gemäss S. 250) zum Stillstand gekommene kleine Spinnerei zu einer solchen umbaute. 1 ) Schon nach wenigen Jahren ging sie dann in den Besitz von „Gerig & Cie.“ über r welche darin Türkenkappen (Yasmas) fabrizierten, währenddem ihr anderes benachbartes Etablissement dem Türkischrot- t Aetzdruck diente. 1860 verkauften sie jedoch die Yasrnas- fabrik an Richter Christoph Trümpy, welcher aus der Firma Egidiu-s Trümpy in Glarus (S. 189) austrat, um seinen Söhnen, den Herren Egidius Trümpy „im Haglen“ (1830—1879), Christoph Trümpy-Trümpy (1832-1864) und Heinrich Trümpy-Blumer (1837 — 1894) einen eigenen Wirkungskreis zu schaffen. Die neuen Besitzer nahmen gleichzeitig Herrn Major Caspar Luchsinger (1833—1883) von Glarus als Associe auf, reorganisierten und ver- grösserten die Fabrik, in welcher nun vorwiegend der Druck von Mouchoirs und Batticks und daneben, in den 1860er Jahren, von Seidenfoulards und, in den 1870er Jahren, von Wollchäles betrieben wurde. Seit 1891 steht das Geschäft unter der Leitung der Herren Caspar Luchsinger-Trümpy und Jakob Luchsinger- Kubli, welche sich als Firma C. und J. Luchsinger & Cie. mit Erfolg » fast ausschliesslich der Battikfabrikation zugewandt haben. ') Die genauen Personalien der Firmeninhaber konnten nicht ermittelt werden. Der oder die Steinmann dürften dieselben gewesen sein, welche nach S. 352 die Fabrik in Niederurnen gegründet hatten. t < 36a Indem wir dazu übergehen, einen allgemeinen Ueberblick über die Entwicklung der glarnerischen Druckerei in der vorliegenden Periode und eine Charakteristik ihrer wichtigsten Zweige zu geben, haben wir zunächst festzustellen, dass in den friedlichen und fast ausnahmslos sehr fruchtbaren 1820er Jahren die Industrie zwar fast überall, in Grossbritannien wie auf dem Festlande, zu neuer Blüte kam 1 ), dass aber speziell die Lage des schweizerischen Zeugdruckerei nicht von vornherein als eine günstige bezeichnet, werden konnte. Frankreich und Oesterreich erliessen nämlich schon 1816 bezw. 1817 absolute Verbote gegen die Einfuhr baumwollener Druckwaren und auch Preussen führte 1818 hohe Schutzzölle durch seinen neuen Zolltarif ein, wenn auch derselbe gegenüber demjenigen der vorgenannten Länder noch als „liberal“ bezeichnet wurde. 2 ) So konnten denn für den nähern Absatz nur noch Süd- und Mitteldeutschland und die Kleinstaaten Italiens, in Betracht kommen, und da sich auf die erstem Länder vorwiegend die Druckfabrikanten von Zürich, Aargau, Neuenburg und- Thurgau geworfen hatten, war es für Glarus ausserordentlich wichtig, dass seine Kaufleute sich schon vorher 3 ) mit den Verhältnissen und Bedürfnissen des italienischen Marktes vertraut gemacht hatten und dass sie nun, dank des Vorsprungs, auf diesem Gebiete eine eigentliche Vorherrschaft erlangten, welche sie sich nicht mehr entreissen Hessen. Leisteten einerseits die dort, herrschenden Volkstrachten und Sitten dem Verkaufe buntfarbiger,, kleiner und grosser „Fazzoletti“ und „Scialli“ ungemein Vorschub,, so hielten sich auch die Eingangszölle mehrerer italienischer Kleinstaaten in inässigen Grenzen. Dies war besonders bei Toscana, Parma, Modena und dem Kirchenstaat der Fall. In den Königreichen Sardinien 4 ) und Neapel-Sizilien fand in, Ö Vgl. auch S. 233. 2 ) Die Schutzzollpolitik der Grossstaaten Europas und die daraus resultierende Stockung im Verschleiss der britischen industriellen Erzeugnisse führte 1825 in England eine intensive Handelskrisis herbei, die jedoch, durch Erschliessung neuer Absatzgebiete rasch überwunden wurde. Im Glarnerland machte sich jene Krisis nicht sehr fühlbar. 3 ) Vgl. S. 302 und ff. 4 ) Nach Dr. H. Wartmann ermässigte Sardinien (Piemont) die nach und, nach bis auf Fr. 550 per 100 Kilos hinaufgeschraubten Zölle für Baumwoll- gewebe im Jahr 1843 wieder erheblich und noch wesentlicher nach 1851 unter dem Einflüsse Cavour’s. a ■364 den 1820er Jahren allerdings eine bedeutende Erhöhung der Zölle statt, jedoch nicht in dem Masse, dass sie die Einfuhr geradezu verunmöglicht hätte, und nach den wohlhabenden österreichischen Provinzen Lombardei und Yenezien entwickelte sich, dank der feindseligen Haltung der Bevölkerung gegen die Fremdherrschaft, ein bedeutender Schleichhandel längs der tessinischen Grenze. 1 ) Indem nach und nach mehrere glarnerische Druckfabriken und auch einige aargauische Buntwebereien für den leichtern Verkehr ..mit Italien Filialen und Warenlager in Lugano (Lauis) anlegten, entwickelte sich dort ein reger Güterverkehr, und nicht minder wurde in der dortigen deutsch-schweizerischen Kolonie nach des Tages Arbeit die Geselligkeit gepflegt, woran sich die Veteranen jener Zeit später beim Glase Wein oft und gern erinnerten; in weniger gutem Andenken blieben die oft durchgemachten winterlichen Postfahrten über den St. Gotthard. 2 ) Von dem Freihafen Triest, von Sinigaglia und Ancona aus fanden die glarnerischen Waren sodann allmählich auch Abfluss nach den Ländern der europäischen und asiatischen Türkei, welchen Handel gewisse glarnerische Geschäftshäuser nach und nach selbst in die Hand nahmen, während sich der Export nach Algier und Marokko einige Jahrzehnte lang indirekt durch schweizerische und andere Handelsfirmen in Livorno vollzog. Inzwischen erfuhr auch der schon früher bestandene Verkehr mit dem Norden Europas eine Wiederbelebung und richteten andere ihre Blicke nach Amerika, Indien und andern überseeischen Ländern, wobei anfänglich grosse Exportfirmen in Hamburg, Amsterdam u.s.w. die Vermittlerrolle spielten. *) Da das brutale österreichische Prohibitivsystem die Bewohner jener Provinzen zwingen wollte, ihren grossen Bedarf an .Druckwaren von den teuer arbeitenden österreichischen Fabriken zu beziehen, erschien jener umfangreiche Schmuggel als eine Art Notwehr; übrigens haben sich die glarnerischen Geschäftshäuser nie direkt damit befasst; es war dies Sache ihrer lombardischen Kunden. Um die Polizei gründlich zu täuschen, betrieb einer der bedeutendem dieser italienischen Importeure in den 1820er Jahren in Mailand zum Schein eine kleine Druckfabrik. J ) Die letzten dieser deutsch-schweizerischen Niederlassungen in Lugano wurden nach dem italienischen Einigungskriege von 1859 aufgehoben. 365 - Hand in Hand mit dieser Vermehrung der Absatzgebiete gingen tiefgreifende Veränderungen in der innern Organisation der glarnerischen Druckindustrie. Einerseits begannen einige Fabrikanten, voraus Egidius Trümpy, nicht nur im Lohn für die Handelsleute zu drucken, sondern für eigene Rechnung und Gefahr Tücher zu kaufen, zu verarbeiten und, vorerst namentlich auf den schweizerischen und deutschen Messen, zum Verkauf zu bringen x ); anderseits errichteten Geschäftshäuser, die sich bisher nur mit Handweberei und dem Handel mit fertig gedruckten Waren befasst hatten, nun eigene Druckereien oder vereinigten sich mit kleinen,, schon bestehenden Fabriken. Während in den Großstaaten mit ihren riesigen Betrieben möglichste Teilung der Arbeit als das Mittel zur höchsten Entwicklung der Konkurrenzfähigkeit gepriesen wurde, war bei uns die Aneinandergliederung der Geschäftszweige von den günstigsten Folgen begleitet und fanden- dabei die verschiedenartigsten Talente ihren Ansporn und ihren Wirkungskreis, so dass im Grossen und Ganzen die Anstrengungen derjenigen Firmen am nachhaltigsten von Erfolg gekrönt wurden, welche Spinnerei, Weberei, Druckerei und Exporthandel, oder wenigstens eine Mehrzahl dieser Stufen in einer Hand vereinigen konnten. 2 ) Auch für das Land als solches war es vorteilhaft, dass der Geschäftsgewinn fortan vorwiegend den (zugleich Handel treibenden) Fabrikanten zukam, da dieselben mit ihren Etablisse- menten ein stabileres Element bilden, als der unabhängige Handelsstand, welcher seine Exportartikel von daher bezieht, wo ihm wirklich oder vermeintlich der grösste Nutzen erwächst und welcher daher den heimischen Bezugsquellen leicht untreu wird. *) Das System des Drückens „im Lohn“ übte deswegen oft einen, lähmenden Einfluss auf den Unternehmungsgeist der Druckfabrikanten aus, weil dieselben in flauen Zeiten mangels auswärtiger kommerzieller Verbindungen nicht im Stande waren, sich aus eigener Initiative nach neuen * Absatzgebieten umzusehen. Indem die Firma Egidius Trümpy, nach S. 315 spätestens 1821, davon abging, 'nahm sie eigentlich nur die Tradition des. Stifters unserer Druckindustrie (S. 179) wieder auf. *) Einzig die Bleichereien schieden sich mehr und mehr zu gesonderten Betrieben aus; ungefähr von 1850 an haben wohl keine Drucker mehr ihre Tücher selbst gebleicht. 366 Dem Aufblühen der Druckfabriken war aber auch sehr förderlich, dass die glarnerische Arbeiterbevölkerung mit ausserordentlichem Eifer und Fleiss und bemerkenswerter Geschicklichkeit die bezüglichen .Arbeitsgelegenheiten ergriff. Die .mannigfaltige Thätigkeit, welche diese Industrie in Stecherei, Druckerei, Färberei und Ausrüsterei, letztere z. T. als häusliche Nebenbeschäftigung (Fransnerei), in sich schloss, eröffnete ein lohnendes Feld für männliche und weibliche, junge und alte Arbeiter, für bescheidene und höhere Kräfte und Anlagen. Die Abwechslung, welche diese Beschäftigungen boten und das relativ bedeutende Mass persönlicher Freiheit, das sie dem Einzelnen offen Hessen, sagten den Glarnern doppelt zu, und nicht weniger die hohen Löhne, welche geübten Stechern und Druckern schon von der Mitte der 1820er Jahre an bezahlt werden konnten. Kein Wunder daher, dass von da an auch Leute aus entfernten Ortschaften jenen sich noch stets mehrenden Verdienstquellen zuströmten, obwohl der tägliche weite Weg zur Winterszeit oft recht beschwerlich war. Hunderte von Haushaltungen schwangen sich aus der frühem Dürftigkeit empor und sammelten Ersparnisse für die Zukunft und oft auch für den Uebergang zu selbständigen Berufen. Mit diesem direkten, höchst bedeutsamen Einfluss der Druckerei auf das ökonomische Gedeihen unseres Ländchens verflochten sich als indirekte Wirkung der kräftige Impuls, den sie auf die Spinnerei und Weberei ausübte, und die Heranbildung eines tüchtigen und soliden Hand werker stand es, welcher in der Errichtung und Ausstattung so vieler Fabriken und Wohnhäuser reichlich Nahrung fand. Teils statistische Zahlen, teils andere gesammelte Angaben führen ains zum Schlüsse, dass die glarnerische Zeugdruckerei bereits um 1845 ungefähr ebenso viel an Druckwaren erzeugte als die ganze übrige Schweiz. Was die Art der Erzeugnisse anbelangt, so nahmen im Anfang der vorliegenden Periode die gewöhnlichen Krapp- und Indigo-Artikel, und zwar grösstenteils dieselben, welche sich schon S. 311 erwähnt finden, noch immer die erste Stelle ein. 1 ) In erstem *) Auf die Türkisclirot-Färberei und -Druckerei, welche in den 1820er Jahren rasch an Wichtigkeit Zunahmen, treten wir an dieser Stelle nicht mehr ein, da wir sie bei den einzelnen Firmen besonders berücksichtigt haben. 367 zeichnete sich während längerer Zeit das Hans Egidius Trümpy in Glarus aus 1 ); in den Indigo-Genres stand dagegen in den ersten Dezennien des XIX. Jahrhunderts die Firma Friedrich Streiff & Cie. in Mollis obenan, und da wir die Entwicklung derselben S. 186 verlassen haben, tragen wir hiemit Folgendes nach: Nach einem noch erhaltenen Fakturabuch fagonnierte sie von 1821—1885 jährlich 3000—7000, im Durchschnitt 4500 Stück ä 20 aunes für glarnerische und etwas weniges auch für auswärtige Handelsleute. Indem für das Jahr 1821, welches die Korrespondenzen als ein finden Absatz sehr günstiges schildern, die Zahl der in Mollis gedruckten Stücke auf 6128 angegeben wird, lässt sich daraus ein Bild von dem noch bescheidenen Umfang der damaligen Produktion gewinnen. Nehmen wir nämlich die Zahl der aus der Egidius Trümpy’schen Fabrik hervorgegangenen Stücke als ebenso gross und diejenige der sechs andern, viel kleinern Etablissemente als je halb so gross an, so kommen wir auf eine jährliche Gesamtproduktion von 30,000 Stück ä 20 aunes, was zu fl. 18—20 per Stück einen Gesamt-Verkaufswert von fl. 540,000 bis fl. 600,000 darstellt. Im Verfluss der folgenden 20—25 Jahre vermochte sich die Produktion auf das 10—12fache zu steigern, wobei die Periode von 1830/36 als der Höhepunkt der Konjunktur erscheint. Dass dabei gleichwohl nicht alles glatt ablief, lässt sich aus der That- sache ableiten, dass 1845 der durchschnittliche Verkaufswert eines gleich grossen bedruckten Stückes nur noch fl. 8—10 betrug; freilich lag die Ursache davon hauptsächlich im Abschlag der rohen Baumwolltücher 2 ) und es erscheinen daneben die eingetretene Verringerung des Unternehmergewinns und Vereinfachungen und Verbesserungen in der Fabrikation erst als Faktoren zweiten Ranges. Gegen das Jahr 1820 nahm Hauptmann Joh. Streiff, damaliger Inhaber der Firma Friedrich Streiff & Cie. den 1815/16 in England geschaffenen, verhältnismässig leicht zu erstellenden Artikel JFateHooaufundarbeitetedarin eineAnzahlJahreinMouchoirs- ‘) Dasselbe war, soweit dem Verf. bekannt, auch das einzige, welches in den 1820er Jahren Möbelstoffe unter Anwendung der Irisfarben-Druck- manier (S. 224) herstellte. . 2 ) Ygl. oben S 272. u 368 und Indiennes-Mustern sehr stark und zu lohnenden Preisen. Man unterschied „Waterloo einfach“, bei welchen in das reservierte Weiss der in der Indigoküpe dunkelblau gefärbten Tücher nachträglich Tafelgelb und manchmal auch Tafelgrün („Apfelgrün“) eingepasst wurde, und „Waterloo mit Rot“, bei welchen zu diesen Farben noch Tafelrot trat und anstatt des direkten Grün auch wohl Hell-Indigo oder Tafel-Pariserblau, welche dann stellenweise durch das Tafelgelb in Grün sich verwandelten. 1 ) (Hach gewissen Gegenden blieben die „Waterloo einfach“, von verschiedenen andern Fabriken und zum Teil unter neuen Namen erstellt, fast bis in die Gegenwart verkäuflich). Um auch diejenigen Abnehmer zu befriedigen, denen die ächten Indigo- Waterloo zu teuer waren, fabrizierte man nicht lange darnach in den gleichen stylisierten Blumendessins als etwas billigem, aber weniger soliden Abklatsch die „Neu-Waterloo“, indem man die Tücher mit Thonerde-Mordants beizte, ätzte, in einer beschränkten Menge Blauholzabsud färbte und die erhaltenen etwas düstern Grosbleu-Böden wie die ächten Waterloo illuminierte- schon nach 8—10 Jahren verlor sich jedoch der Verkauf der „Neu- Waterloo“ gänzlich wieder. — Auch in den mit Weiss, Schwarz, Lila und andern Tafelfarben geätzten Chromgelb- und Chromorange-Artikeln (Genre Daniel Köchlin, S. 212) und in der Berlin erblau - Färberei (S. 208) waren Herr Jöh . Streiff und sein Kolorist Harnet Gerig frühzeitig d. h. im Laufe von 1830 auf dem Platze. Erstere Genres hatten Herr Heinrich Brunner und sein Kolorist Joh. Michael Gerig (S. 300) allerdings schon etwa 2 Jahre früher geliefert und von letztgenannter Fabrikation kannte man damals folgende Variationen: 1. Die „Neublau mit Weiss“ nach der Aufdruckmanier, bestehend im Druck verdickter Eisenbeize und Ausfärben in Ferrocyan- säure; 2. diesog. „Chäles Kaliblau illuminiert“, ebensolches Verfahren und Illuminiren der weissen Blumen und Palmen mittelst Tafelfarben und 3. die sog. „Kaliblau mit Weiss“, Grundieren der Stücke in geeigneten eisenhaltigen Beizen, Aetzen derselben *) Es mag hier daran erinnert werden, dass nach 8. 182 ähnlich fabrizierte Genres, jedoch in ganz andern Mustern und gewöhnlich je mit nur einer Illuminationsfarbe versehen, schon in den 1770er Jahren in Glarus erstellt wurden. Iti 369 in feinen Strich-, Tupfen- und Blumendessins, Ausfärben in Ferrocyan- säure und Ueberführen der erzielten blauen Farbe in eine sehr dunkle, dem Indigo ähnliche Nüance durch Behandeln mit verdünntem Ammoniak. Einen andern hübschen Artikel erstellte man durch Beizen der Stücke in Eisen-Nankin und Bedrucken mit weissen und bunten, ätzenden Tafelfarben. Einen breiten Raum in der Fabrikation nahmen sodann verschiedene Färbartikel ein d. h. gefärbte und eventuell illuminierte rote, schwarze, dunkelbraune, krapprote, olive und zimmtbraune Gründe teils in der Aetzmanier und teils in der längst bekannten und bewährten Aufdruckmanier 1 ) fabriziert. Nach letzterm Verfahren, erstellt, fanden sich unter den Druckmustern der Firma Heinrich Brunner aus der Zeit um 1840 einige in Mustern und Farben hervorragend schöne Sachen, z. B. krappbraune Schürzen mit 4— Tafelfarben reich illuminiert, ferner mit Quercitron unter Zusatz von etwas Krapp gefärbte Foulards, welche je nach den verwendeten Beizenfarben neben einander schwarze, olive und rotorange Töne aufwiesen und noch mit Tafelblau ausgeschmückt waren, ein Genre, welcher ursprünglich aus England stammte-. Nachdem sich schon früher einzelne Glarner Firmen darauf verlegt hatten, glatte Baumwolltücher solid ganzschwarz zu färben, ging man um 1830 dazu über, 8/4 und 10/4 Croise-Tücher ebenso zu behandeln und mit Wo 11fransen zu versehen; dieser Artikel, welcher sich in kleinen Posten in der Schweiz und an verschiedenen andern Orte verkaufte, blieb am längsten (über Triest) nach Montenegro und benachbarten Gebieten gangbar. — Die mit weissen und bunten Aetzfarben bedruckten Fonds „Bistre“ (Manganbraun, S. 211), welche im Eisass bis zum Jahr 1815 zurückgehen, fanden hierzulande um 1833 Eingang, spielten jedoch keine grosse Rolle. Mit dem effektvollen, aber schwierigen Artikel von Walter Grum (dunkelste Indigoblauboden mit reserviertem und dann gefärbten Chromgelb und Chromorange, S. 212 u. 323) verdiente sich Fabrikant Jakob Trümpy, in Firma Barth. Jenny & Oie., durch schöne Reüssite die ersten Sporen. Noch grössere- Bedeutung erlangte der ebenso heikle und in der Fabrikation noch *) Vgl. S. 104, 105, 189-192. 24 370 umständlichere Artikel „Lapis“ (S. 223). Denselben hatte das Haus Egidius Trümpy schon 1817 aufgenommen, jedoch nur als Indiennes und ohne dabei zu einer bedeutenden Produktion zu gelangen; andere Fabriken, welche ihn als Chäles erstellen wollten, behalfen sich vorerst mit einer Imitation, indem sie die in Palmendessins gedruckten un d in Krapp braun und rot gefärbten Tücher mit Tafelgelb und Tafelblau illuminierten und so die Indigo-Küppen- färberei umgingen. Ohne das zu wiederholen, was wir schon S. 323 gesagt, erwähnen wir bloss, dass, soweit unsere Informationen reichen, die Firma Barth. Jenny & Cie. es war, welche den ächten Lapis-Tüchel-Artikel hierzulande in der Reüssite auf die Höhe der elsässischen und österreichischen Fabrikation brachte und dass in Italien, wo sich der Artikel hauptsächlich verkaufte, die „Roba di Bartolomeo“ noch längere Zeit gegenüber den nach und nach sich mehrenden Konkurrenten den Vorzug erhielt. Während bei den bisher behandelten Druck-Artikeln die Grund- oder Bodenfarbe stets als „solid“ bezeichnet werden konnte und die der Mehrzahl nach wenig ächten Tafel- oder Applikationsfarben, insofern sie dabei überhaupt vorkamen, nur zum Ausschmücken oder „Illuminieren“ der vorgefärbten Tücher verwendet worden waren, hatten die elsässischen Fabrikanten x ) um die Jahrhundertwende angefangen, auch reichere Genres, weiss- bödige und gedeckte, ausschliesslich in der Tafelfarbenmanier ausgeführt, auf den Markt zu bringen. Bei dieser Gelegenheit mögen folgende allgemeine Bemerkungen eingeschaltet sein: Bis gegen das Ende des XVIII. Jahrhunderts vermochte die Produktion Europas dem eigenen Bedarf an Druckwaren kaum zu genügen und war daher die Ausfuhr von solchen nach aussereuropäischen Ländern verschwindend klein. Infolge der Kontinentalsperre sah sich dann Grossbritanien gezwungen, sich neue Absatzgebiete zu erschliessen und knüpfte deshalb mit dem Orient und überseeischen Ländern bezügliche Verbindungen an, die sich nicht mehr verloren, ja in späterer Zeit zu erhöhter Wichtigkeit gediehen. Nach dem Friedensschluss von 1815 suchte das Eisass •) Vgl. S. 56-61, 209 (Anmerk. 1). 371 seinen frühem, inzwischen vielfach unterbrochenen Verkehr mit Italien wieder aufzunehmen und streckte vermittelst des italienischen Zwischenhandels auch seine Fühler nach dem Oriente aus, indem es einige Genres speziell im dortigen Geschmacke, nach türkischen und persischen, farbig gewobenen Woll- und Seidenstoffen und andern Originalien, auf Baumwolle in Handdruck schuf. Es waren dies die „Orientalen“ (in etwas abweichender Ausführung auch Bengalinen genannt) und die „Palmen“. Erstere zeigten stylisierte Blumen und Blätter, z. T. mit geometrischen Ornamenten verbunden; bei den letztem herrschten die Palmen und Palmetten vor 1 ); alle diese Motive präsentierten sich bald vereinzelt, bald zu Bouquets oder Guirlanden und bald, namentlich bei den Indiennes, zu „Colonnen“ verbunden. Wie der Verf. sich bei der Durchsicht eines alten Mülhauser Receptenschatzes überzeugte, enthielten diese anfänglich nur mit Tafel-, dann auch mit Dampffarben auf glattem und croisiertem Gewebe, sowohl als lange als auch als abgepasste Ware gedruckten Neuheiten, neben Schwarz oder Dunkelbraun als „Vordruck“, 4—5 Rentrier- farben (Blau oder Grün, Lila, Gelb oder Orange, Amarantrot in 1 oder 2 Abstufungen; Grün oder Oliv erzeugte man oft auch durch Uebereinanderfallen von Gelb und Blau.) Die Böden blieben weiss oder waren in verschiedenen hellen und dunkeln Farben ausgeführt; auch hellgraue, mit Galläpfelabsud und Eisenvitriol vorgefärbte Gründe kamen ziemlich frühzeitig vor. Diese im Verhältnis zu ihrer Farbenzahl sehr billigen Tücher wurden in Rouen, in der Schweiz u.s.w. nachgeahmt, fanden auch im Abendlande einige Zeit guten Absatz, kamen hier dann wegen ihrer ungenügenden Aechtheit in Misskredit, blieben dagegen im Orient Jahrzehnte lang (in teilweise veränderter Form) verkäuflich. Abgesehen von einigen frühem Versuchen (S. 183 Z. 2 v. u.) lässt sich von 1821 an im Glarnerland die Entstehung oder Einführung bödig er Tafeldruck-Artikel mit anfänglich 3—4 Farben feststellen und unter verschiedenen Namen verfolgen. 1828 erhielten sodann die Glarner Handelsleute von Triest aus wiederholt Nachfrage nach ') Welch’ grosse Rolle letztere Motive damals in der Türkischrot- und in der Lapisdruckerei sowie in dem beginnenden Wolidruck spielten, haben wir schon S. 170, 220 und 224 erörtert. 372 vielfarbigen, meistens mit Wollfransen ausgerüsteten „Levantiner-Chäles“ 1 ), welche nichts anderes waren als abgepasste, auf Croise 10/4 Tuch gedruckte „Palmen“ und „Orientalen“. — Sofort nahmen die Firmen Friedrich Streiff & Cie. in Mollis und Heinrich Brunner in Glarus und in der Folge die meisten andern Fabriken deren Erstellung auf und lieferten den Artikel auf croi- siertem und glattem Tuch, in den Breiten von 9/4 bis 14/4. Um die gleiche Zeit hatten sich auch zürcherische Drucker mit demselben befasst, dabei aber, wie es scheint, keine Konvenienz gefunden; denn ein Brief aus dem Jahr 1829 meldet, Paul Meyer in Zürich, ein Druckfabrikant von bedeutendem Vermögen, liquidiere sein Geschäft und habe die Druckmodelle für die Levantiner Chäles an Friedrich und Joh. Heinrich Glarner älter in Glarus verkauft. Auch die Konkurrenz des Elsasses machte sich in der Folge nicht mehr fühlbar, da bei dem allmäligen Wiedererstarken Frankreichs der einheimische Markt der dortigen Industrie vollauf genügte und sich dieselbe überdies mehr und mehr vom Tücheldruck ab und fast ausschliesslich der Fabrikation solidfarbiger „Indiennes“ und „Meubles“ in Rouleaux- und Handdruck zuwandte. — Für das Glarnerland dagegen blieben die bunten falschfärbigen oder halbächten Woll-Imitationen fortwährend ein wichtiges Arbeitsfeld; mit ihnen (und mit den „Lapis“) nahm der bisher unbedeutende Konsum in Croise-Tüchern (vgl. S. 273) stark überhand; auch haben wir in jenen Levantiner-Chäles die Vorläufer der Yasmas oder Türkenkappen zu erblicken. Die Einführung der Dampffarben 2 ) zur Kombination mit den Tafelfarben, oder nach Umständen auch zum gänzlichen Ersatz derselben brachten eine Bereicherung und Verbesserung der Farbenscala der Levantiner-Chäles und aller ähnlichen Genres. Friedrich Streiff & Cie. (um 1830), Egidius Trümpy (1833) und Heinrich Brunner dürften die ersten Fabriken gewesen sein, welche sich die neue Fixationsart zu eigen machten. Da man damals in ’) „7/4 Leventiner-Tüchel“ oder „Levantini“ tauchen in kleinen, vereinzelten Posten schon in Messe-Rechnungen von 1808—1810 zu dem hohen Preis von fl. 13 per Dutzend auf; es dürfte sich jedoch dabei um einen andern Artikel gehandelt haben. 0 Vgl. S. 219. 373 den Glarner Fabriken noch keine centralen Dampfkessel kannte, konstruierte man anfänglich kleinere kupfern e Apparate, die dann bald nicht nur zur Speisung der Dämpfekasten sondern auch zum # Kochen der Farben und Apprete Verwendung fanden, während das Färben nach wie vor in über freiem Feuer geheizten Kupferkesseln geschah. Centrale schmiedeiserne Dampfkessel fanden, soweit dem Verf. bekannt, erst Ende der 1840er Jahre in Glarus Eingang. Die Levantiner-Chäles, welche sich in der ganzen, damals mit Einschluss der Vasallenstaaten noch sehr umfangreichen europäischen Türkei, sowie in Kleinasien und Syrien verkauften, waren, wie schon gesagt, die Vorläufer der Yasmas oder Türkenkappen; indem wir auf letztere weiter unten im Zusammenhang zurückkommen, verfolgen wir hier zunächst noch die Entwicklung der Mouchoirs-Fabriken und erwähnen als neue Artikel der 1840er ; Jahre: * 1. Die „Uso Tela“ oder „Uso Lino“, zweiseitig auf dickem Tuch in Krappfarben gedruckte, meistens 7/4 breiteNas- tücher, sowohl in weissbödigen als auch in gedeckten Mustern. Wie der Name andeutet, handelte es sich dabei um die Imitation eines Leinenartikels, der sich anscheinend schon längere Zeit einer ' gewissen Beliebtheit erfreut hatte 1 ), von welchem sich jedoch die Uebertragung auf Baumwolle bei uns nicht hinter das Jahr 1837 zurück verfolgen lässt. Die „Uso Tela“ wurden anfänglich ohneAppret, später häufig mit möglichst starkem Glanz, den man ihnen aufGlätte- maschinen mit Achatsteinen beibrachte, verlangt. In Ennenda be- ä ) Rote und braunbödige Leinentüchel wurden, wie 8. 64 T. II bemerkt, schon im XVIII. Jahrhundert in England und anderwärts und zwar meistens zweiseitig gedruckt; dagegen scheint es, dass die spätem verbesserten Bleichmethoden und die Erfindung der Garancine den Artikel im 3. und 4. Decennium des XIX. Jahrhunderts wieder auf leben liessen und es ermöglichten, ihn auch weissbödig zu erstellen. Von Kurrer erwähnt in seiner Druck-und Färbekunst (Wien 1849, Bd. II S. 147), dass die weissbödigen leinenen Battist-Tüchel für Damen, mit schmalen roten, braunen und violetten Käntchen noch immer ein herrschender Mode - Artikel seien und dass auch die zweiseitig gedruckten gedeckten Sacktücher von Leinwand im Foulard-Geschmack noch immer häufig im Handel vorkämen. 374 fasste sich namentlich die Fabrik Gebrüder Freuler mit dem Artikel, der sich anfänglich besonders in der Schweiz, dann auch in Italien stark verkaufte und auch als zweiseitig gedruckter Reservage- Indigo-Genre (Dunkelblau mit Weiss) geliefert wurde. Später schuf eine Handdruckerei im Mailändischen einen ähnlichen, zweiseitig gedruckten Krappartikel (jedoch in etwas abweichenden Mustern, die Böden durch kleine enggestellte geometrische Ornamente gebildet), welchen dann glarnerische Fabriken unter der Bezeichnung „UsoMilano“ ebenfalls erstellten; etwas später brachte eine Fabrik in Salerno die gleichen Dessins in einseitigem Druck auf leichtem Tuch, wovon die Nachahmung mit „Uso Salerno“ bezeichnet wurde. 2. Die „Uso Rouen“. Einige Jahre nach der Erfindung der Garancine 1 ) brachten Druckfabriken in Rouen, sowohl im Indiennes- als auch im Mouchoirs-Genre, Garancine-Ware in verschiedenartigen, originellen Dessins auf den Markt, die Jahrzehnte lang mit mehr oder weniger Abänderungen gangbar blieben. *) Schon 1827/28 befassten sich Lagier, Robiquet und Colin in Avignon damit, den Krapp durch Behandeln mit konzentrierter Schwefelsäure in eine farbstoffreichere Form überzuführen. Das Verfahren, dessen Brauchbarkeit E. Barbet in Rouen zuerst praktisch erprobte, wurde in der Folge durch Gauthier de Glaübry und Persoz verbessert; das Produkt, die „Garancine“, kam jedoch erst von ungefähr 1889 an in Rouen, Mülhausen etc. in stärkern Verbrauch; (Siehe Dollfus-Ausset’s „Materiaux“ Bd. I S. 11, 105, 175, 187 u. 465). Als eigentlicher Schöpfer des oben erwähnten Garancine-Druckartikels im engern Sinne („ä petits dessins“) wird im „Bulletin de Rouen“ (Nov./Dez. 1898) Jean - Baptiste Besselievre in Rouen genannt. Da die Garancine in gleichen Gewichtsteilen 3'/ 2 —4 mal so viel Farbstoff als der Krapp enthält, so liess sich das Färbebad bedeutend entlasten; auch die Reinigung der gefärbten Stücke machte sich leichter, da das Weiss sich weniger einfärbte und Rot und Lila ohne Rasenbleiche oder Avivage lebhaft genug hervorgingen. Einzig für reines, zartes Solidrosa war Garancine nicht zu gebrauchen; jedoch gelang es Julian & Roquer in Avignon durch Versuche, welche 1851 ihren Abschluss fanden, den Krapp auch für die Rosafärberei durch Waschen (Auslaugen der zuckrigen und fahlfärbenden Stoffe) in eine ungefähr doppelt so farbreiche und reinere Form, „Fleur de Garance“ genannt, überzuführen. So wertvoll dieses Produkt für die Indiennes-Fabriken war, so wenig Bedeutung gewann dasselbe für die hieländischen Artikel. (Vgl. Dollfus-Ausset’s „Materiaux“ Bd. I S. 11,189 u. 866, sowie Schützenberger’s „Traitö des mat. col.“ T. II, pag. 143). 375 Mit den in Garancine zu färbenden Beizendrucken (Schwarz, Rot, Braun und event. Lila) war häufig auch der Katechu (S. 210) als Rentrüre oder als Bodenfarbe kombiniert; auch wurde dem Färbebad zuweilen Curcuma zugesetzt und so die weissen Stellen hellgelb angefarbt („Uso Rouen mit Strohgelb“); später gelangte man dazu, auch noch Tafel- oder Dampffarben, namentlich Orange oder Grün, auch Blau und Aschgrau, einzupassen und so unter verschiedenen Namen neue Variationen zu schaffen. Der Druck der Beizenfarben geschah anfänglich vorzugsweise von Hand, später in verschiedenen Fabriken, soweit die Indiennes in Betracht kamen, auch aufRouleaux und Perrotinen; das Einpassen der Illumination konnte natürlich nur von Hand erfolgen. Der grosse Beifall, den diese Artikel fanden, bewirkte, dass solche in Mülhausen und in der Schweiz ebenfalls aufgenommen wurden. Im Glarnerland geschah dies (von zirka 1846 an) nur, soweit es sich um Mouchoirs- Genres handelte; dagegen gestaltete sich in diesen der Verschleiss nach Italien und später nach überseeischen Ländern während längerer Zeit zu einem sehr bedeutenden. Eine Spezialität im Rahmen dieser Fabrikation waren die von Barth. Jenny & Cie. und Jenny & Cie. erstellten „Tricoloren-Tücher“, welche 1847/49 in Oberitalien starken Absatz fanden, rote und braune Böden in patriotischen Dessins mit die Einheit Italiens verherrlichenden Inschriften, zugleich mit Dampfgrün illuminiert und so die italienischen Nationalfarben aufweisend. Uebrigens ist hier nachzutragen, dass schon von 1842/43 an die Garancine auch in allen altern bezüglichen Artikeln an die Stelle des Krapps trat, so bei den Lapis, bei den gewöhnlichen Krapptücheln mit Weiss oder mit nachträglich eingepasstem Eisen-Nankin, bei den Uso Tela, Uso Salerno- Uso Merinos, Aetzbraun, Chäles Braunböden illuminiert u. s. w. Auch liess sich die Garancine sehr wohl einen erheblichen Prozentsatz billigerer Surrogate (Rotholz und Quercitronrinde) gefallen; solche hatte man (ausser dem unentbehrlichen Sumach, vgl. S. 53 T. II) allerdings auch dem Krapp schon seit einiger Zeit in kleinern Mengen zuzusetzen versucht, sei es in natura oder in Form von zuvor bereiteten Absuden. Wie rasch der Uebergang zur Garancine vor sich ging, erhellt beispielsweise daraus, dass bei der Inventaraufnahme der Firma Barth. Jenny&Cie. von Ende Januar 1844 bereits 34 Fässer | an Avignonner Garancine gezählt wurden im Totalgewicht von 7000 Kilos ä durchschnittlich Fr. 4. 70 per Kilo netto = Fr. 32,000. —, daneben noch 62 Zentner Elsässer Krapp ä u fl. 31 1 / 2 und 22 Zentner Pfälzer Krapp ä n fl. 29 per Zentner. 3. Die „Lapis Grosbleu“, in der Fabrikation mit den „Waterloo mit Rot“ (S. 368) durchaus übereinstimmend, jedoch unter Ersatz des Tafelrot durch gefärbtes Garancine-rot, wodurch der Artikel bedeutend an Solidität gewann. Er scheint seinen Ursprung ebenfalls in Rouen gehabt zu haben, wurde um 1844 nach Glarus verpflanzt und hier als Indiennes und Mouchoirs in nicht unbedeutenden Mengen erzeugt. 4. Die „Schwarz mit Amarant“ wurden hergestellt, indem man die Stücke in Gallus- und dann in Eisenbeize präparierte, hierauf ausschliesslich in Limaholz färbte und nun auf diesen (etwas rotstichigen) ganzschwarzen Stücken amarantrote Blumen und Ornamente herausätzte durch Aufdruck einer Farbe, welche ausser der Verdickung lediglich Chlorzinn, Zinnsalz und Salzsäure enthielt. Diese „Mi-deuil“ waren eine willkommene Ergänzung der bisher bekannten (in Blauholz gefärbten) Deuil-Schwarz- boden mit ausgespartem oder geätztem Weiss. 5. Die „Uso Co stanz a.“ Eine Druckfabrik in Constanz (vielleicht diejenige von Herosee, S. 120) brachte wahrscheinlich Ende der 1840er Jahre einen Genre auf den Markt, der mit Glanzappret ausgerüstet, in gewissen Gegenden Italiens sehr beliebt wurde und hohe Preise erzielte. Der schwarze Vordruck zeichnete elegante Blumen-Guirlanden vor, die sich oft an weitmaschigem Gitterwerk hinrankten; es folgte die rote Rentriere und der braune Boden und die Entwicklung dieser Farben im Garancine- Färbebad; daran schloss sich das nochmalige Einpassen einer Thonerde-Beizenfarbe und Ausfärben in einer Mischung von viel Quer- citron und wenig Garancine, wodurch dieser letztere Eindruck in lebhaftem, rötlichem, sog. Krapp-Orange erglänzte, während die zuvor gefärbten Farben dabei unverändert blieben. Oftmals wurde schliesslich auch noch Lila, Grün oder eine andere Applikationsoder Dampffarbe eingepasst und damit der Reiz dieser eigenartigen Tücher erhöht. 877 6. Die „Uso Avignon“. Bald nach der Entstehung der „Uso Rouen“ wurde auch in Avignon ein illuminierter Garancine- Artikel geschaffen. Auch hei diesem durfte der Katechu als Rentrier- oder Bodentarhe in hellen und dunkeln Tönen nicht fehlen. Es handelte sich im Wesentlichen um Cachemires- und Blumen- hordüren in Braunboden oder Weissboden gedruckt, letzterer iedoch nach dem Färben mit Eisen-Nankin-Grund bedeckt, so dass fast kein Weiss mehr blieb. Schliesslich erfolgte noch das Einpassen von irgend einer oder selbst zwei Tafelfarben (Blau, Grün, Orange etc.). Zeigt diese ziemlich umständliche Fabrikation an sich grosse Uebereinstimmung mit den illuminierten „Uso Rouen“, so bewegten sich die auch später stets nur mittelst Handdruck erzeugten „Uso-Avignon“ in steifen, wenig Abwechslung bietenden Dessins. Trotzdem erfreuten sich dieselben nicht nur in Südfrankreich, sondern auch in manchen Thälern von Piemont und Savoyen längere Zeit als Kopf- und Taschentücher einer gewissen Beliebtheit, weshalb auch einige Glarner Fabriken deren 4 Erstellung um 1850/4 aufnahmen. 7. Die „Kaliblau mit Mineral-Orange und Mineral- Gelb.“ Dabei handelte es sich um einen Abklatsch der soliden Walter Crum’schen Indigo-Artikel (S. 212 u. 328). Die Stücke wurden in Eisenbeize gebeizt, in Ferrocyansäure blau gefärbt, mit Ammoniak „verdunkelt“, dann mit ätzendem Tafelgelb und Tafelorange in Blumen-und Arabesken-Mustern bedruckt; letztere Falben enthielten teigförmiges Chromgelb bezw. Miniumorange, welche in Stärkekleister gerührt und, zur Zerstörung des blauen Grundes, mit Potasche-Brei versetzt wurden. Der Artikel, welcher im Glarnerland um 1842 in Aufnahme kam, war sehr lebhaft und ziemlich billig und blieb mehrere Jahre in Italien und bis in die neuere Zeit in der europäischen und asiatischen Türkei, besonders aber in Persien gangbar. ♦ 8. Die „Französischblau mit Weiss“ wurden hergestellt durch mehrmaliges abwechselndes Behandeln der Baumwollstücke in Eisennitrat und Zinnsalz einerseits und Ferrocyansäure anderseits, dann Aetzen des blauen Grundes mittelst Potasche-Lösung und Reinigen der geätzten (rostfarbigen) Partien «Tt! 378 durch ein leichtes Säurebad. Dieses der Wollfärberei der Bleu de France (S. 209) nachgebildete Verfahren, das ein bis zum Erscheinen der Anilinfarben unerreicht schönes Blau lieferte, scheint in Glarus nicht vor 1850/2 Eingang gefunden zu haben. 9. Verschiedene tafel-und dampffärbige Artikel, deren Ursprung z. T. schon in die 1830er Jahre fällt. Zu den wichtigsten derselben zählten die 3—5 farbigen „Fancy“ (zu deutsch Phantasie- oder Mode-Artikel), welche eigentlich nichts anderes darstellten, als die „Palmen“ und „Orientalen“ von S. 371, jedoch auf kleinere Breiten (8/4, 7/4 und 6^/4) reduziert, in Weissfond und gedruckten Böden oder auch hellgrau oder rosa vorgrundiert, bald auf croisiertes, bald auf glattes, sehr häufig auch auf Webfransentuch gedruckt und in diesem Falle „Tibet“ genannt (vgl. S. 351). Etwas andere Muster (geometrische Ornamente mit oder ohne Blumen, Figuren, Kriegsbilder u. dgl.), wiesen die „UsoSeta“ auf, welche, wie der Name andeutet, dampffärbige Seidendrucke der damaligen Zeit nachahmen sollten und bei welchen es namentlich beliebt war, die Stücke in einem blass-strohgelben bis goldgelben Tone vorzugrundieren; diese hübsche, auf glattem Tuche gedruckte Ware, wurde stets mit Cylinderappret ausgerüstet. Sowohl von den Fancy als auch den Uso Seta druckte man auch 4/4 „Fichus“ d. h. auf 8/4 breite Stücke zwei unter sich im Muster verschiedene Kindertüchel nebeneinander (vgl. S. 306). Eine Hauptrolle bei den neuen Dampffarben spielten das feurige und reine „Königsblau“ (zinnhaltiges Ferrocyanblau) und das analoge Dampfgrün, auf welche wir schon S. 222 aufmerksam gemacht haben. Mit Königsblau war, besonders bei Figurenbildern, oft nichts als Weiss und Schwarz kombiniert. 10. Die Erfindung der Albuminfarben für weissbödige Artikel ist mit der Herstellung des künstlichen Ultramarins enge verknüpft. Nachdem letztere 1828 den Chemikern Ouimet in Berlin und Gmelin in Tübingen, als Folge der gemachten genauen Analyse des natürlichen Lapis Lazzuli, gelungen war, fand diese reinblaue und feurige Mineralfarbe vorerst in der Malerei Anwendung. Schon 1834 begann jedoch die Firma Blondin, Baum- wolldruckerei in La Glaciere bei Paris, das Ultramarin mit Ei- «Tn weiss angerührt aufzudrucken und die Farbe durch siedendes Wasser oder leichtes Dämpfen (d. h. durch die Coagulierung des Albumins) zu fixieren. Indem sie strengstes Geheimnis über das Verfahren bewahrte, hatte sie mit der neuen Farbe in Cravatten,. Mouchoirs und Nouveautes verschiedener Art grossen Erfolg. 1844 wurde es nach Mülhausen übertragen und fand von da an rasch in aller Welt Eingang. 1 ) Man beschränkte sich nun nicht auf Ultramarin allein, sondern dehnte es auch auf Bleimennige, Chromgelb, Ocker und künstliche Farblacke aus. Diese neue Körperfarbendruckerei war der frühem mittelst Leinöl (S. 18 u. ff.) in vielen Beziehungen überlegen, so in der Schärfe des Druckes (besonders für Rouleau-Ware), in der Raschheit und Einfachheit der Fixation u. s. w. Auch im Glarnerland war sie 1848/9 schon bekannt und es wurde namentlich in „Mignonettes“ und andern weissbödigen Artikeln die Kombination von Ultramarinblau und Miniumorange sehr beliebt, wobei man in den weissen Böden oft noch ein helles Eisen-Nankin einpasste. — Eine ungleich grössere Wichtigkeit erlangte jedoch die Eiweissfarbendruckerei im Eisass, teils für gewöhnliche Indiennes, Chemises etc., besonders aber zur Erstellung bedruckter Jaconas und Organ dis für Ball- und Sommer-Kleider. Da solche feine und durchsichtige Stoffe möglichst wenig verzogen und bearbeitet werden durften, konnte es für sie nichts praktischeres geben als die Albuminfarben, welche nach dem Dämpfen keine Wascherei, sondern nur eine leichte Chlorierung veriangten und trotzdem sehr lichtächt und gut waschächt waren. Diese reizvollen buntblumigen Produkte erfreuten sich denn auch in den 1850er und 1860er Jahren in Europa und Amerika eines grossen Erfolges, worauf wir schon S. 130 aufmerksam gemacht haben. Eine wichtige Ergänzung der betreffenden Farbenscala erfolgte 1859 durch die Herstellung des ebenso schönen als ächten Guignet-Grün (besondere Modifikation von Chromoxydhydrat). Wie wir schon früher angegeben, bestand die grosse Masse der glarnerischen Produktion in Mouchoirs und Chäles, da die Konkurrenz in Indiennes und Meubles mit den englischen Fabriken 0 Vgl. „Dollfus-Ausset’s „Matöriaux“ Bd. I S. 21 u. 368. 380 sehr schwierig auszuhalten war, teils weil dieselben schon damals in starkem Masse vom Rouleaux-Druck Gebrauch machten, teils wegen der grossen Ansprüche der Kundsame im Wechsel der Muster, in der Ausrüstung u. s. w. Von Glarner Fabriken hatten in jener Zeit nur die Firmen Egidius Trümpy und Jenny & Blumer je eine einhändige Rouleaumaschine, womit sie Indiennes und Meubles in Dampf- und in Krappfarben druckten, auch wohl Handdruckware mit feinen Ueberdrücken überwalzten. Das zuletzt genannte Haus befasste sich, wie schon S. 340 erwähnt, eine Zeit lang damit, im Hand- und Rouleaux-Druck auch leichte halb- und ganzwollene Kleiderstoffe zu erzeugen. Bei den übrigen Fabriken waren es fast einzig die Türkischrot- und die Indigo- Artikel, von welchen ansehnliche Posten als Handdruck-In di e n n e s Absatz fanden, da bei denselben der Rouleaux-Druck mit gewissen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. — Wenn auch die Mehrzahl der im Vorstehenden genannten Druckartikel nicht hierzulande „erfunden“ worden sind, so liessen es sich die Glarner Fabrikanten doch angelegen sein, sie weiter auszubilden, für sie neue Absatzgebiete aufzustöbern und sie denselben in Qualität, Grösse, Mustern und Farbenstellungen anzupassen. Abgesehen von einzelnen epochemachenden Erfindungen und Entdeckungen gehört im übrigen die Kolorie zu denjenigen Gebieten der angewandten Technik, auf denen der Nachfolger meistens mehr oder weniger auf der Arbeit seines Vorgängers auf baut und wo es oft lediglich darauf ankommt, neue von der Wissenschaft gelieferte Hilfsmittel den alten Verfahren aufzupfropfen, um dieselben von Neuem fruchtbringend zu machen. Einen Einblick in die Preisbewegung der fertigen Druckwaren im Zeiträume von 1820—1850 geben die folgenden Tabellen, wobei zum Verständnis derselben die Angaben über die Rohtücher auf S. 271 u. ff. beigezogen werden müssen. Trotz der dabei zu Tage tretenden fortgesetzten Abschläge war die Lage der glarne- rischen Baumwolldruckerei in der Periode von 1820—1837 durchschnittlich eine günstige; erstere finden ihre Erklärung teils in dem von 1820—1826 sehr starken Rückgang der Rohtücherpreise (vgl. S. 272), teils aber auch in dem Umstand, dass sich neue passende Artikel anfänglich mit ganz bedeutendem Gewinn ver- 381 kauften, dass deren Preise dann aber nach einer gewissen Anzahl von Jahren, nachdem die Zugkraft in einem bestimmten Absatzgebiete aufgehört hatte, bis zum Selbstkostenpreis ermässigt wurden. Oft liessen sich auch die Fabrikationsverfahren einfacher und billiger gestalten (Rückgang in den Preisen der blausauren und chromsauren Salze, der Mordants, Verbesserungen in der Model- stecherei u. s. w.). Die Tüchel wurden bis in die 1840er Jahre hinein in der Regel ganz quadrat gedruckt; legt man die beispielsweise für 1835/36 genau angegebene Tüchelzahl und Aunenzahl per Stück zu Grunde, so findet man, dass die 7/4 gebleicht 72, die 8/4 83, die 9/4 93 und die 10/4 105 Centimeter maßen, was mit den Angaben auf S. 200 sehr gut übereinstimmt. Rechnet man zwei überzählige Tüchel als Enden, so findet man für 1835/6, zu welcher Zeit die Mouchoirs-Stücke in einem Uebergangsstadium (vgl. S. 272) teils 27, teils 29 aunes Länge hatten, folgende Tüchel und Dutzendzahl per Stück: Stücke ä 27 aunes. Stücke ä 29 aunes. 7/4 43 Tixchli = 3 7 lia Dutzend. 46 Tüchli = 3 10 !i2 Dutzend. 8/4 37 „ = 3 Vm „ 40 „ = 3.‘/ 12 9/4 33 „ = 2 9 / 12 „ 36 „ == 3 11 10,4 29 „ = 2% 31 „ =2 \' l 2 11 Von ungefähr 1850 an d.h. mit dem Untergang der Handweberei trat eine kleine Reduktion der Stückbreiten als fertig ein, worauf wir schon S. 202 aufmerksam gemacht haben. In Bezug auf die Bleichekosten der Rohtücher möge in Kürze Folgendes bemerkt sein: In den zwei ersten Decennien des XIX. Jahrhunderts bezahlte man (nach S. 312) für das Bleichen eines Stückes mittlerer Breite (7/4 und 8/4) ä 16 aunes 15 Reichskreuzer. Obwohl die immer mehr und immer ausschliesslicher zur Anwendung kommende Chlorkalkbleiche viel billiger zu stehen kam, gelang es 1822 den glarnerischen Bleichemeistern durch eine Konvention den Faqonpreis für die damalige Stücklänge von 20 aunes auf 18 Kr. zu erhöhen. Später (wahrscheinlich 1826) trat jedoch eine Reduktion auf 15 Kr. per Stück von 20 aunes ein und von dieser Zeit an blieb dieser Preisansatz per Stück unveränderlich, obwohl die Länge eines solchen von 20 aunes im Jahr 1826 •382 allmälig auf 44 aunes im Jahr 1850 stieg; immerhin können wir diesen grossen Preisfall nicht mit den ähnlich scheinenden Lohnverhältnissen in der Handweberei (S. 266/7) in Parallele ziehen, da eben mit jenem auf dem Gebiete der Bleicherei eine fortgesetzte Vereinfachung und Verbilligung der Operationen Hand in Hand ging. Im Uebrigen lesen wir im „Gemälde des Kantons Glarus“ vom Jahr 1846 über den Stand der Bleichereien Folgendes: „Gegenwärtig sind 6 mit keinen andern Beruf arten in Verbindung stehende Bleichergewerbe in den Ortschaften Glarus, Ennenda und Nidfurn in Thätigkeit, welche jährlich etwa 120,000 Stück Baumwollentücher für in- und ausländische Druckfabriken bleichen und dadurch etwa 40 Personen mit einem jährlichen Verdienste von etwa 5,200 fl. beschäftigen. Sechs der grössten Fabrikbesitzer haben eigene Bleichen.“ Inventar-Ansätze (Eigenkosten inkl. etwa 5 % Kapitalzins) nach den Geschäftsbüchern der Firma Barth. Jenny & Cie. in Ennenda in Reichsgulden und Reichskreuzem. Nettopreise per aune ä 120 cm 1821/2 1825 1829 Indiennes Doppelblau roh 24 “ —. 30 _ „ Bengalines „ 24 “ —. 35 — — „ Aecht-Waterloo m. Rot „ 22" — —. 37 —. 31 „ Rouleaux-Ombres „ 22 “ — —. 30 -- Merinos croise ungedruckt (Uni-Tüx - kischrot) „ 24 " —. 44 — — „ Calicos ungedruckt (Uni-Türkischrot) „ 24 " —. 40 — — „ ungedr. „ „ „22 " — — —. 29 „ „ „ „ 7/4 breit — — —. 40 n 11 ii ii 7 1 / 2 / 4 „ — — —. 41 Indiennes-Merinos mit Schwarz roh 22 " — —. 45 —. 30 „ „ „ Schwarz u. Chromgelb „ 22 " — — —. 39 Indiennes-Merinos mit 3 Illu- minat.-Farben „ 22 " —. 55 —. 40 383 Netto-Preise per Dutzend 1821/2 1825 1829 1835/6 7/4 Waterloo-einfach . 6.— 5.— _ — 8/4 „ „ . 9.— 7.15 5.30 — 7/4 „ mit Rot . 7.45 6.— 5.15 3.20 8/4 „ „ „. 10.30 8.20 7.— 4.20 7/4 Dkl. Indigoblau mit Weiss . (Einfache Bandanos) — — 3.30 — 7/4 Dkl. Indigoblau mit Kreuzbeergelb . — — 3.40 — 7/4 ord. Solidrote (Krapprote) . 6.30 5.10 3.40 3.10 8/4 „ „ „ ... 8.30 6.50 4.50 4.25 9/4 „ „ „ ... — 9.— 6.20 5.45 8/4 Krappbraunboden mit weissem Rand — 6.32 4.50 4.20 9/4 jj jj jj jj — 8.45 6.12 5.42 8/4 „ mit mehrf arb . illum. Rand 9.— 8.— 6.10 4.35 9/4 ,, jj ,j JJ j? 12.— 10.30 7.10 6.— 19/4 ,, ,, „ n >> 16.— — | — — 7/4 Merinos (Türkisebrot) mit Schwarz . — — 5.20 —• 7/4 ,, „ m. Weissgeätzt 7.30 7.30 — 7/4 „ „ mit. Chromgelb — _ i 6.— 5.— 8/4 JJ - JJ JJ JJ — — ; 7.20 6.20 7/4 „ „ m.Chromg.u. Schwarz — — ! 6.15 — 8/4 jj jj j) j) JJ JJ — — | 7.30 — 7/4 ,, „ mit drei Illum.-Farben — 9.30 : 6.20 5.10 8/4 ,, ) f 1, ) f jj — — 7.50 6.50 9/4 jj jj jj jj jj jj — 16.— 11.10 9.30 1829 1835/Ö 1843|4 1849/50 7/4 Schwarzboden mit weissem Rand 3.10 2.26 1.25 1.35 8/4 JJ jj jj jj 4.— 3.25 2.15 2.15 7/4 ord. Solidrothe (Krapprote) . 3.40 3.10 2.— 1.52 8/4 „ „ . 4.50 4.25 2.45 2.30 7/4 Uso Tela (grobe 2seitige Krapprot) — 1 — 2.30 2.20 10/4 Palmenu. Oriental., croisem.Wollfrans. 10.50 8.— : 5.40 — 10/4 „ „ „ ohne Wollfransen 8.50 6.50 4.45 — 8/4 ,, ,, j, jj jj 5.30 4.— 2.45 — 7/4 „ „ „ „Fancy“ . . . — , 2.55 1.55 1.40 8/4 „ ,, „ „Tibet“ mitWebfr. — i - 2.30 2.25 8/4 Uso Seta illuminiert .... — ! - 2.40 2.15 7/4 u jj jj .... — — 1.55 1.40 8/4 Lapis mit Wollfransen . — — , 4.15 3.55 10/4 „ „ .... — — 6.50 6.15 8/4 „ croise ohne Fransen . — ; — ; 3.45 : - 10/4 „ „ „ „ . . . — ! ; 6.— i - 384 > T etto-Preise per Dutzend. 1829 1835/6 1843/4 1849/50 8/4 Lapis glatte Rotboden .... _ _ 3.35 3.15 9/4 i! u „ ... . — — 4.40 4.20 10/4 „ „ . . . . — — 6.— 5.20 8/4 „ Grosbleu. 9/4 „ — — 3.45 _ — — 4.50 — 7/4 Doppelblaue 2seitige .... — 3.05 2.10 2.— 8/4 „ „ .... — 4.10 2.55 2.40 7/4 Alte Bandanos (Dkl. Indigoblau mit zweiseitig Weiss und Tafelgelb . 3.— 2.— 1.55 8/4 Alte Bandanos (Dkl. Indigoblau mit zweiseitig Weiss und Tafelgelb) 3.56 2.45 2.35 8/4 Ambra (Dkl. Indigoblau mit Aecht- Cbromgelb u. Cbromorange, einseitige) 3.56 2.50 7/4 Weissboden Mignonettes — — — 1.35 7/4 Königsblaue (Dampfblaue) mit Weiss und Schwarz. 1.20 7/4 Kaliblaue (gefärbte) mit Weiss . — — — 1.35 7/4 „ m. Mineralgelb u. Mineralorange — — 1.40 Farbiges Wollgarn für Fransen kostete per Zürcher Pfund. — 2.06 1.45 1.43 Um nach obigen Tabellen auf die wirklichen Verkaufspreise zu kommen, müssen selbstverständlich, wie schon S. 310 erörtert, die üblichen Zuschläge gemacht werden für den Gewinn des Fabrikanten oder Händlers, für Zins verlust durch den Zahlungstermin, für Sconto (meistens 0—4 °/ 0 , inkl. Agio auch wohl bis 12%), eventuell für Verkaufsprovision der Depositäre oder Agenten, sowie endlich für Fracht; letztere schätzte man beispielsweise in den 1830er Jahren für Livorno auf 3% vom Wert der Ware. Nimmt man sich die Mühe, obige Nettopreise per Dutzend auf die Länge eines Stückes umzurechnen und den Wert des Rohtuches gemäss S. 271 u. ff. abzuziehen, so erhält man die Fabrikationskosten für Druckerei und Färberei etc. per Stück inklusive Kapitalzins; da uns jedoch speziell für die Berechnungsweise der Fabrikationskosten auch direkte Quellen zur Verfügung stehen, lassen wir hiemit noch einige Auszüge von solchen folgen: 385 Fagonpreise für den Bruck von Mouchoirs und Indiennes, welche der Firma Fried. Streiff & Cie. in Mollis von den Glarner Handelsleuten bezahlt wurden, in Reichsgulden und Reichskreuzern. 18-21—1825 1829 18:13—1835 Mouch.-Stücke Mouch.-Stücke Mouch.-Stücke ä 20 aunes ä 24 aunes ä 27 aunes 1 8 4 Waterloo ohne Rot, croise und glatt | 9.30 8.30 7.— 8,4 „ mit „ „ „ ; 11.30 10.30 9.— 8/4 Neu-Waterloo mit Rot — 7. 15 6.30 7/4 Rotboden mit Apfelgrün . 9.30 — — 7/4 „ „ „ und Gelb 10.— — — 7/4 Krapprote mit Schwarz Vordruck . 9.30 — — 10/4 Chäles Schwarzboden, nur mit Rot 14.45 — — 10/4 Palmen illum., Fonds divers mit Inter. — 11. 15 10.09 10/4 „ „ Schwarzfond „ „ — 10. 24 9. 40 10/4 „ „ Schwarzglattfond — 9. 45 6. 45 8/4 Vorgef ärbte Chromgelb e und Chrom - orange mit bunten Aetzfarben 7. 24 5/4 Indiennes Waterloo mit Rot (Stücke ä 227 3 aunes). 10.— 8.— 7. 15 Bleicherlohn per Stück 7/4 u. 8/4 —. 18 — 15 — . 15 Fabrikationskosten-Berechnungen nach Geschäftsbüchern der Firma Barth. Jenny & Cie. in Ennenda. In derZeit um 1829 bewirkte das Uni-Türkischrotfärben eine Wertvermehrung des Gewebes auf mehr als das doppelte, da 1 aune 7/4 Rohgewebe (vgl. S. 273) als roh 18'7 3 Reichskreuzer, hingegen als gefärbt 40 Reichskreuzer kostete. 1835/6 kostete das bezügliche 7/4 breite Rohgewebe 177j Kreuzer (vgl. S. 275), der Färberlohn für Uni-Tiirkischrot 157* Kr., zus. 33 Kr. per aune. 1 Stück 714 Türkischrot mit geätztem Chromgelb — 1835. 1. Das Rohgewebe, 27 aunes glattes dickes ä 17‘AKr. n fl. 7.53Kr. 2. „ Uni-Rotfärben.„ 7.— „ 3. „ Gelbätzen (Druckfarbe 24 ß, Drncklohn 14 ß, Chlorkalkkiippe 19 ß, Chrombad lOß, Handlangerlöhne 6 ß, Mödel 15 ß, Brennholz 4 ß und Zins 15 ß).„ 2.15„ Zusammen für 1 Stück oder 3 7 ) 2 Dutzend n fl. 17.08 Kr <1 1 Stück 7/4 Gewöhnliche Krapprotboden — 1835. Drucklohn für den schwarzen Vordruck 35 ß, für Rot-Eentrire und Rotboden 28 ß ... 1.13 ß Druckfarben: schwarz 20 ß, rot 15 ß . f1 .35 „ Krappfärberei (Krapp nebst Sumach und manchmal etwas Quercitron). ff 1.38 „ Handlanger 15, Brennholz 12, Mödel 10, Zins 20 ß ff 1.07 „ l0 Xfl. 4.43 ß — n fl. 5.05 Kr. Dazu das Rohgewebe, 27 aunes ä 14 Kr., samtBleiche ff 6.33 „ Zus. für 1 Stück oder 37u Dutzend n fl.l 1.38Kr- 1 Stück 714 Foulards Krapprot mit blassgelbem Grund — 1835. Drucklöhne: Schwarz Vordruck 16, rote Rentrire und Bändli 23. -.39 ß Druckfarben: Schwarz 4, rot 12. ff ~ -.16 „ Färberei: Krapp und Sumach 1.13, Curcuma 12 ff 1.25 „ Handlanger: 15, Brennholz 11, Mödel 15, Zins 15 ff 1.06 „ l0 Xfl. 3.36 ß = ^“ 1 fl. 3.54Kr. Dazu das Rohgewebe, 27 aunes ä 14 Kr., samt Bleiche ff 6.33 „ Zus. für 1 Stück oder 3 7 /i 2 Dutzend n fl. 10.27Kr. 1 Stück 7j4 Schwarzboden mit Weiss (im Aufdruckverfahren) — 1835. Vordruckfarbe. —.10 ß Drucklohn. 5 ? _ -.34 „ Blauholzfärberei. ff -.14 „ Handlanger 15, Mödel 10, Holz 15, Zins 15 ß . ff 1.05 „ Zus. l0 Xfl. 2.13 ß = m. 2.22 Kr. Dazu das Rohgew r ebe, 27 aunes ä 14 Kr., samtBleiche ff 6.33 „ Zus. für 1 Stück oder 3 7 : 1L . Dutzend Hfl. 8.5 5 Kr. 1 Stück 9/4 Braunglatthoden mit illuminiertem Rand — 1835. Derbraune Vordruckboden: Farbe 30, Drucklohn39ß 101 / 2 fl. 1.19 ß Krappfärberei. ff 3.04 „ Die 4 Illuminationsfarben im Rand: Farbe 4X7, Drucklöhne 4X8 ß. 1.10 ß Handlanger 25, Mödel 10, Brennholz 25, Zins 30 ß ff 1.40 ß 10 xfl. 7.23 ß — Hfl. 7.50 Kr. Dazu das Rohgew’ehe, 27 aunes ä llh/sKr., samtBleiche ff 9.— „ Zus. für 1 Stück = 2 a !» Dutzend 11 fl. 16.50Kr, 1 Stück 10\4 Palmen (in Tafelfarben) — 1835. Vordrucklohn 23 ß; Drucklöhne für 5 Rentrierfarben ä 18 ß; Drucklohn für Bödmen 30 ß . 101 ‘ 2 fl. 2.43 ß Kosten der 7 Druckfarben durchschnittlich ä 12 ß „ 1.34 „ Brennholz und Handlangerei.■ „ —.25 „ Stecherei (Mödel).„ —.30 „ Zins . 11 -.30 „ Zus. 10l ßfl. 6.12 ß — u fl. 6.33Kr. DazufiirdasRohgewebe: 27 aunesä23Kr.,samtBleiclie 11 10.42 „ Zus. für 1 Stück oder 2 5 / K Dutzend n fl. 17.l5Kr. Stück 7j4 Aecht-Waterloo mit Rot — 1835. Die weisse Vordruckreserve: Farbe 12, Drucklohn 21 10l ßfl. —.33 ß Die Indigoküppenfärberei. 11 1.34 „ Die 3 Illuminationsfarben: Kosten der Farben 3X15, der Drucklöhne 3X17. 11 1.46 ., Handlanger und Brennholz 24, Mödel 10, Zins 15 ß 11 -.49 „ HoÜZfl 5.12 ß == Hfl. 5.3 OKr. Dazu das Rohgewebe, 27 aunes ä 14 Kr., samt Bleiche 6.33 „ Zus. für 1 Stück = 3 ? .io Dutzend n fl. 12.03Kr. Stück 8/4 Alte Bandanos — 1835. Vordrucklohn für das 2seitiggedruckteReserve-Weiss 101 »fl.- —.30 ß Kosten dieser Farbe . J5 -.10 „ Indigo-Küppenfärberei . 1.45 „ Kreuzbeergelbe Illuminat.: Drucklohn 23, die Farbe 11 11 —.34 „ Handlanger 14, Mödel 15, Brennholz 10, Zins 15 ß 11 1.04 „ 10 Xfl. 4.23 ß — “fl. 4.40Kr. Dazu das Rohgewebe, 27 aunesä 16 l | 2 Kr., samt Bleiche „ 7.40 ., Zus. für 1 Stück = 3 i: iq Dutzend n fl. 12.20Kr. Stück 8j4 Lapis — 1843/4. Drucklöhne: Weisse Vordruck-Reserve 22, rot 25, schwarz 25, das Bändli 6 ß .... Wßfl. 1.28 ß Druckfarben: Weiss 22, rot 44, sclrwarz 4 ß . 11 1.18 „ Die Hellblau-Küppenfärberei . 11 -.33 „ Die Krappfärberei . 11 1.40 „ Die gelbe Illumination: Drucklohn 23, die Farbe 38 11 1.11 „ Handlanger 28, Brennholz 28, Mödel 28, Zins 28 ß 11 2.12 „ 10l '=fl. 8.42 ß Dazu das Rohgewebe, — n fl. 9.10Kr. 40 aunes croise dick ä 10 3l 4 Kr., samt Bleiche ,, 7.25 ,, Zus. für 1 Stück ä 40 aunes = 4 8 i 3 Dutzend n fl. 16.35Kr. 388 Wie wir es S. 261 u. ff. in Bezug auf Weberei und Spinnerei gethan, so schalten wir hier die interessante Statistik ein, welche das „Gemälde des Kantons Glarus“ über die Druckereien und Färbereien in der Zeit um 1840—1845 enthält. Wir lesen dort S. 459 — 461 folgendes: „Gegenwärtig sind 21 Druckereien und Färbereien in den Gemeinden Glarus, Ennenda, Netstal, Mollis, Oberurnen, Näfels, Schwanden und Niederurnen im Gange, in welchen alle Gattungen von baumwollenen und auch etwas von halbwollenen Zeugen in den verschiedensten Formen von Shawls, Nastüchern, orientalischer Kopfbedeckung etc. gefärbt und gedruckt werden. Sie liefern jährlich 351,000 bis 380,000 Stück Baumwollentiicher von 20 aunes Länge, in den Jahren 1836 bis 1841 in einem Bruttowerthe von 3,200,000 fl., gegenwärtig (1845) noch in einem solchen von 2,800,000 fl. fertig. Durch diese für den Kanton Glarus hochwichtigen Industrieanstalten werden jährlich beschäftigt: 40 Zeichner mit einem jährlichen Verdienste von fl. 24,000 330 Modelstecher „ „ „ „ „ „ 84,500 10 Messingstecher „ ,, „ „ ,, „ 2,500 30 Pikedirer „ „ „ „ „ „ 6,400 1480 Drucker „ „ „ „ „ „ 296,000 350 Handlanger „ „ „ „ „ „ 52,500 210 Fransenansetzerinnen u. Kräuslerinnen „ „ „ 14,700 750 Streicher mit einem jährlichen Verdienste von „ 22,200 3200 Individuen mit einem jährl. Gesamtverdienste von fl. 500,800 Die Inhaber dieser angeführten Druckereien und Färbereien beschäftigen sich grösserntheils selber mit dem Handel und Verkaufe der durch sie angefertigten Waaren. Einigen wenigen Absatz finden diese Waaren in der Schweiz selbst; der bedeutendste Teil geht aber nach Italien, der europäischen und asiatischen Türkei, nach Aegypten, Algerien und die Barbareskenstaaten, nach Süd- und Nordamerika, den spanischen, brittischen und holländischen Kolonien und selbst nach Canton in China; ferner nach den Hansestaaten Lübeck und Hamburg, und von dort nach den nordischen Staaten von Dänemark, Schweden und Norwegen u. s. w.; auch nach Holland und Belgien, und vielleicht jetzt noch etwas tiirkischrothe Shawls nach Grossbritannien selbst. Die Inhaber dieser Druckereien lassen die Baumwolltücher theils durch eigene Webereien anfertigen, theils lassen sie dieselben von den Baumwollentuchfabrikanten in und ausser dem Lande ankaufen. — Durch die Handweberei und Maschinenweberei werden etwa 100,000 von 36 bis 41, oder 200,000 Stück von 18 bis 20 aunes im Lande, wie wir dieses schon früher angegeben haben, angefertigt; da aber die 21 Druckereien jährlich 351,000 bis 380,000, auch bis 400,000 Stück Baumwollentücher zur Fabrikation konsumieren, so müssen noch 180 bis 200,000 Stück Baumwollentücher, in einem Gesamtwerthe von 600,000 * * Ms 800,000 fl., oder die Hälfte des Baumwollentiicherbedarfs, aus den Kantonen St. Gallen, Zürich, Schwyz (in Siebnen in der Landschaft March ist gegenwärtig eine bedeutende mechanische Baumwollenweberei in Thätigkeit), England und Frankreich bezogen werden. Ferner muss zum Behufe der Baumwollenfabrikation an Färbestoffen jährlich aus dem Auslande bezogen werden: 240 Zentner Indigo, meistens von Basel und direkt von den Indigoauktionen in Amsterdam und London selbst, im Betrage von ungefähr . fl. 90,000 1100 Zentner Fernambukholz von Basel, Amsterdam und andern Seeplätzen, im Betrage von . ,, 50,000 2100 Zentner Blauholz von verschiedenen Seeplätzen ,, 18,000 5600 Zentner Krapp von Strassburg, Avignon etc. ,, 180,000 gegen 10000 Zentner verschiedene chemische Produkte aus chemischen Fabriken von Deutschland, Frank- und der Schweiz, in einem Gesamtwerte von ,. 132,000 Total 19,290 Zentner Färbestoffe und Chemikalien, in einem Gesamtdurchschnittswerte von . . . .fl. 500,000 Ein flüchtiger Blick auf diese grossen Zahlen beweist zur Genüge die Hochwichtigkeit der glarnerischen Baumwollenindustrie. Wenn soeben dargethan worden ist, dass aus dieser Quelle '), die leider immer spärlicher zu fliessen droht, über 6623 Individuen, beinahe der vierte Theil der glarnerischen Bevölkerung, einen jährlichen Verdienst von 736,000 fl. schöpfen, so ist damit noch lange nicht Alles bezeichnet, was dieser wichtigste glarnerische Industriezweig leistet. Die Baumwollenindustrie ist, wir dürfen es wohl behaupten, auch die Schöpferin, Erzieherin und Ernährerin des in vielen Gemeinden des Kantons Glarus gegenwärtig seit einer Beihe von nur 25 Jahren so froh empor geblühten Handw'erkstands. Als bedauerliche Erscheinungen unserer Baumwollenindustrie und Hauptmängel sind zu bezeichnen: 1) Die immer mehr sich einengenden Kreise des europäischen Markts. 2) Die vielen höchst schwankenden Zustände der amerikanischen und orientalischen Welt. 3) Der Mangel an inländischen Anstalten, um der industriellen Klasse eine gehörige Vorbildung zu geben. 4) Eine nicht immer mit der Zeit und den Erfordernissen derselben fortschreitende Vervollkommnung des Modelstechers und Druckers etc.; denn in Bezug auf Genauigkeit und Pünktlichkeit mag vielleicht vor 20 Jahren eben so Genügendes geleistet worden sein. 5) Das unter der arbeitenden Klasse immer noch vorkommende Reislaufen, das heisst, das unbesonnene Hinübersiedeln des Arbeiters von einem Etablisse- mente in das andere, welches der Vervollkommnung der vom Drucker und Stecher bewerkstelligten Handarbeiten am meisten hinderlich ist. 6) Der hin und wieder hervortretende Mangel eines innigem, man möchte sagen, *) d. h. die Baumwoll-Spinnerei, -Weberei, -Bleicherei, -Färberei und -Druckerei. 390 väterlichen Verhältnisses zwischen den Fabrikherren und ihren Arbeitern- welcher Mangel auf der einen Seite im Fabrikbesitzer nur den strengen,, für sich allein sorgenden Gebieter erblicken lässt, und auf der andern Seite jene sehr schädliche Augendienerei, Hinterlist, Gewaltthätigkeiten und andere schlimme Aeusserungen erzeugt. 7) Der Mangel an Patriotismus und Achtung vor der vaterländischen Industrie, wodurch die sonderbare und beklagenswerthe Erscheinung hervorgeht, dass der Glarner in den höhern wie in den niedern Ständen, mit wenigen Ausnahmen, sich in keine Elle eigenen Fabrikats kleidet, sondern seine Bedürfnisse in Baumwollen-, Seiden- und Leinenwaaren aus Frankreich, England, Deutschland etc., in einem jährlichen Gesammtbetrage von vielleicht gegen 130,000 fl. bezieht.“. Was die Verdienstverhältnisse in dem Zeitraum von 1825 bis 1850 in den Druckereien des Mittellandes anbetrifft, so ist der Verf. im Falle, die obigen summarischen Angaben an der Hand alter Zahltagrödel sowie von durch Umfrage bei alten Leuten seit mehreren Jahren gesammelten Notizen, in folgender Weise zu ergänzen: Innerhalb der angegebenen Periode kommen in den Löhnen, nur geringe Schwankungen vor, da der Geschäftsgang in den Druckereien von 1825—1840 zwar günstiger war als von 1840 bis 1850, jedoch sich auch in diesem Decennium, im Gegensatz zur Handweberei, nicht derart gestaltete, dass er ein nennenswertes Herabgehen der Löhne verursacht hätte. 1. Handdrucker. Sie arbeiteten vom Frühling bis in den Herbst täglich höchstens 11 Stunden d. h. von morgens 6 bis- abends 6 Uhr mit einer Mittagspause von 11—12 Uhr; in den Wintermonaten (November bis Februar) nur 8 bis 10 Stunden d. h. so lange als es das Tageslicht erlaubte; um von dieser unfreiwilligen Reduktion der Arbeitszeit etwas einzubringen, opferten namentlich auswärtige Arbeiter, die in der Fabrik speisten, in den kurzen Tagen nicht selten einen Teil der Mittagspause; die andern füllten ihre Zeit abends mit Holzmachen und hausindustriellen Beschäftigungen u. s. w. aus. Am Samstag Nachmittag wurde von jeher ziemlich frühzeitig „Feierabend“ gemacht; auch war den verheirateten Frauen stets eine Mittagspause von U/ 2 Stunden gestattet. Den meisten Druckern standen als Hilfs- arbeiter die Streicher zur Seite, Knaben und Mädchen von 8 bis 15 Jahren, welche die Farben in den „Chassis“ gleichmässig zu verstreichen und verschiedene andere kleine Dienstleistungen zu erfüllen hatten. Von 1837 d. h. von der Einführung der allgemeinen Schulpflicht an hätten sich in der Regel nur noch Kinder über 12 Jahren in den Druckstuben einfinden dürfen; der Vollzug des Gesetzes fand indessen nur allmälig und nicht überall gleichmässig statt; besonders an den sog. Repetierschultagen versahen die Kleinen aushilfsweise bis zum Erlass eines Spezialgesetzes im Jahr 1856 den Dienst der Grossem. Die Streicher wurden vom Drucker und zwar nach folgenden Ansätzen bezahlt: Diejenigen, welche einen „Vordrucker“ bedienten, erhielten täglich anfänglich 6 ß oder 2 Batzen, später 8 ß. Bei den „Bödmern“ (meistens Männern) musste der Streicher gewöhnlich 2 Tische bedienen und empfing von beiden Druckern zusammen täglich 9—10 ß. Bei den „Rentrierern“ d. h. den der Mehrzahl nach weiblichen Arbeitern, welche die leichten Einpassfarben (franz. Rentrures) druckten, bediente ein Streicher bis zu 4 Tischen und verdiente täglich 12 ß. In diesem Falle waren die „Brenten- stühle“ mit den Chassis von den Fenstern weggerückt, so dass der Streicher flink vom einen Chassis zum andern laufen und so seine diesfalls für sein Alter ziemlich anstrengende Arbeit verrichten konnte. Die Mehrzahl der „Rentrierer“, besonders junge Leute, behalfen sich übrigens ohne Streicher. Wenn der allzu frühzeitigen Fabrikarbeit der Kinder einerseits unverkennbare Nachteile anhafteten, ist anderseits unbestritten, dass durch die gründliche Lehre, welche die meisten dabei durchmachten, ein namhafter Stock geschickter und flinker Drucker herangezogen wurde, welcher sich der Industrie in'ihrer weitern Entwicklung als sehr förderlich erwies. Die Druckerlöhne, vom Stück berechnet, waren auf eine mittlere Leistung basiert; daher konnten Arbeiter, die mit einer guten Auffassung und besondern Handfertigkeit ausgestattet waren, diesen Durchschnitt um ein bedeutendes überschreiten. Für eine normal ausgefüllte Arbeitsperiode von. 4 Wochen bewegten sich die „Zahltage“ in folgenden Beträgen (während in 392 den Wintermonaten und bei flauem Geschäftsgang eine entsprechende Reduktion eintrat): Vor drucken fl. 24—28, besonders tüchtige fl. 30—32, stets mit Abzug von fl. 3—4 für den Streicher. Bödmer (welche die schweren „Decker“ oder „Böden“ drucken): fl. 15—20, ausnahmsweise auch noch etwas höher, unter Abzug von fl. 2 —2 1 / 2 für den Streicher. Rentrierer, gutgelernte, fl. 15—18, mit Abzug von fl. 1 1 j 2 für Streicherlohn. Rentrierer, jüngere, und solche, welche ohne Streicher arbeiteten, fl. 8—12. 1 ) 2. Handlanger. Man bezahlte sie im Taglohn, welcher Sommer und Winter gleichgestellt war, obwohl in den Wintermonaten die normale tägliche Arbeitszeit von 11 Stunden eine Reduktion um 1—2 Stunden erlitt. Denjenigen Arbeitern, welche in Farbküche, Färbe-, Wasch- und Calanderlokalitäten und Heisshängen, die mit spärlicher Beleuchtung versehen waren, arbeiteten, wurde im Winter von 10 Stunden an „Ueberzeit“ vergütet (mit ca. 10 ü /o vom Taglohn pro Stunde), wobei man meistens die Nachtessen- oder Frühstückspause ebenfalls zur Ueberzeit rechnete); für die weiblichen Arbeiter (Staberinnen, Zusammen- legerinnen, Kräuslerinnen) begann die Ueberzeit-Vergütung im Winter noch etwas früher. In Anbetracht dieser Verhältnisse, sowie des Umstandes, dass die betreffenden Arbeiten gewöhnlich nur eine geringe Handfertigkeit erforderten, bewegten sich die Handlangerlöhne in bescheidenen Grenzen, indem die männlichen Arbeiter anfänglich täglich 25 — 27 ß, vom Ende der 1820er Jahre an 27 — 30, selten 33 ß verdienten, die Frauen 5 Batzen oder 15—17 ß; solche welche zu Hause als „Fransnerinnen“, (Anknüpfen der Wollfransen an die Chäles) arbeiteten, mochten ebenfalls auf höchstens l*/ 2 ß per Stunde kommen. Die meisten Handlanger verbesserten daher gern ihren Lohn durch Leistung von Ueberzeitarbeit, wozu sich bei flottem Geschäftsgang öfters Ö Wie ein alter Schalk dem Verf. zu berichten wusste, kam es auch vor, dass hübsche Mädchen von den oft einflussreichen Druckermeistern bevorzugt wurden d. h. mehr von den „günstigen Mustern“ zum Druck erhielten und dann ebenso viel verdienten als erwachsene, gelernte Männer. 393 <*' Gelegenheit bot, da man eben mit den primitiven maschinellen Einrichtungen nicht im Stande war, die aus der Druckerei kommenden Warenmengen zu bewältigen. In solchen Perioden wurde die heutige Normalarbeitszeit dann allerdings bedeutend überschritten. 3. Handstecher: In jenen Zeiten, da der Maschinendruck im Glarnerland noch eine durchaus untergeordnete Rolle spielte, bildeten die Handstecher (d. h. die Verfertiger der hölzernen Handdruckmödel) unter den in den Druckereien beschäftigten Arbeitern die bestbezahlte Klasse; auch zeichneten sich Viele unter denselben durch vorzügliche Leistungen, die sogar an Weltausstellungen prämiert wurden, aus. (Heutzutage müssen die Anforderungen, welche man an die „Graveure“ und „Moletteure“ stellt d. h. an diejenigen, welche sich mit dem Gravieren von Kupferdruckplatten und Metallwalzen abgeben, als in verschiedenen Beziehungen noch höherstehend bezeichnet werden). Ein Handstecher musste früher eine Lehrzeit von 4 (jetzt noch von 3 bis 2) Jahren durchmachen und erhielt während derselben wöchentlich im ersten Jahr 25 ß, im zweiten 40, im dritten 50, im vierten 75 ß. Die gelernten Stecher, welche mit Ausnahme der „Filzer“ und „Flicker“ stets nur Akkordarbeit verrichteten, brachten es bei normaler Beschäftigung während einer Periode von 4 Wochen zu folgenden Zahltagen (Arbeitszeit wie bei den Druckern): Holzstecher von Vordruckmödeln bei mittlere Leistungen fl. 30—35; es war jedoch keine Seltenheit, dass tüchtige Leute es bei voller Beschäftigung auf fl. 60—70 d. h. auf das Doppelte brachten. Holzstecher von „Rentrieren“ und „Böden“ (etwas weniger schwierige Arbeit) fl. 20 — 30. Filzer (d. h. diejenigen, welche Filzlappen ausschneiden und in die schweren Partieen der Mödel versenken) fl. 24—27. Messing Stecher d. h. solche, welche dünne, gerade und gekrümmte Messinglamellen in die Holzmödel ein- schlagen und damit die für Holzgestech allzu feinen Linien und Ringe der Zeichnung wiedergeben, verdienten 394 fl. 50—60, hatten aber das Messing (wovon sie für die gleiche Zeit für ca. 10 fl. verbrauchen mochten) zu liefern. Die Picötierer, damals die einzigen weiblichen Stecher,, hatten kleine Messingstiften einzuschlagen, welche die mehr oder weniger dicht stehenden Punkte (Schattierungen) in der Zeichnung reproduzierten; sie verdienten fl. 15-20. Wie aus dem Zitat von S. 388 u. ff. hervorgeht, hatte es den Anschein, als ob 1836—1840 ein Höhepunkt in der Blüte der glarnerischen Druckindustrie erreicht worden sei, der kaum je wiederkomme, indem eben die folgenden Jahre eine nicht unerhebliche Abnahme in der Produktion brachten. Eine industrielle Krisis bedrückte die Schweiz fast während der ganzen Periode von 1841—1850. Die Ursachen derselben lagen in den schlechten Getreideernten 1 ) und den politischen Wirren, die in unserm Yaterlande und in mehreren andern Staaten Europas sich ablösten, in der industriellen UeberProduktion, die sich in Grossbritannien infolge der allzu rasch emporgewachsenen Maschinenspinnerei und -Weberei und der Rouleaux- druckerei eingestellt hatte, besonders aber in dem bedeutungsvollen Ereignis des Zusammenschlusses der schon seit 1828 bestehenden preussisch-hessischen und württembergisch-bayrischen Zollvereinigungen zum Deutschen Zollverein, auf 1. Januar 1834, welchem im Laufe der nächsten 20 Jahre alle deutschen *) In der Schweiz und speziell auch im Kanton G-larus erregte unter der Arbeiterbevölkerung eine 1845 und 1846 auftretende verheerende Kartoffelkrankheit die grössten Besorgnisse, da sie mit einer Teurung der Brotfrüchte im allgemeinen zusammen fiel. Um die nach der Ernte in den Kellern rasch faulenden Kartoffeln zu retten, wurden an manchen Orten öffentliche Dörröfen errichtet; auch sahen sich die Gemeinden veranlasst, von sich aus fremde Kartoffeln, Reis und Korn, namentlich aber Türkenmehl zu beschaffen und zum oder unter dem Selbstkostenpreise abzugeben und vorübergehend Speiseanstalten einzurichten. Als 1847/49 der Absatz der industriellen Produkte wegen der politischen Wirren stockte, unternahmen einzelne Gemeinden auch Urbarisierungsarbeiten und andere „Gemeinwerke“. 1 } 895 . Staaten mit Ausnahme von Oesterreich, Bremen, Hamburg,.. Lübeck und Mecklenburg beitraten. Die Thatsache, dass die Zahl der nichtglarnerischen Druckereien in der Schweiz sich von den 1840er Jahren an unaufhaltsam verminderte, so dass um 1870 deren nur noch wenige, z. T. allerdings bedeutende Etab- lissemente, existierten, während die glarnerischen Geschäfte gerade in den 1850er und 1860er Jahren ihre grösste Prosperität erreichten, ist so bemerkenswert, dass wir den Ursachen dieser Erscheinung etwas tiefer nachgehen wollen. Sie lagen in folgenden, die glarnerische Druckindustrie rettenden Verhältnissen: 1. Durch die mehrerwähnte Vereinigung von Handelsfirmen, die gute, weitverzweigte Verbindungen hatten, mit Fabrikationsbetrieben entstanden eine Anzahl sehr leistungsfähiger Geschäfte, welche die Krisis gut zu überdauern und zu überwinden vermochten. Die 8 kleinen Glarner ’sehen Etablisse- mente in Glarus (S. 302), welche einen solchen Zusammenschluss versäumten, fielen derselben allerdings zum Opfer; aus ähnlichen Gründen kam auch das alte, wohlakkreditierte Haus Friedrich Streiff & Cie. (S. 185 u. 367) in Mollis 1837 zum Entschluss, in Liquidation zu treten. Als Hauptmann Joh. Streiff (1793—1863,. Sohn zweiter Ehe des Stifters und Nachfolger desselben) sah, wie ihm seine besten Kunden, verschiedene Handelshäuser in Ennenda, Glarus und Schwanden, infolge Errichtung oder Ueber- nahme eigener Betriebe, verloren gingen, zog er entmutigt und enttäuscht die Hand vom Pfluge zurück. *) — Später stellten ') 1845 nahmen die Koloristen Daniel, Ferdinand und Emil Gerig, und Zeichner Jakob Gerig unter der Firma „Gebr. Gerig“ und mit Unterstützung ihres S. 300 erwähnten Vaters Johann Michael die Fabrik in Pacht (Daniel, der älteste, war schon von 1832 an in interessierter Stellung als Kolorist zur Einführung neuerer Artikel in derselben thätig gewesen); schon im Laufe der 1850er Jahre fand dieses Verhältnis jedoch ein Ende, indem drei der Brüder eine Fabrik in Näfels (S. 361) erwarben und als Firma „Gerig & Cie.“ betrieben. 1868 entschloss sich Hauptm. Friedr. Schindler (8. 240) das ehemals Streiffsche Etablissement anzukaufen und zum Wohle der Gemeinde Mollis zu betreiben; die daraus nun hervorgehenden Erzeugnisse, für welche ihm die Fabrikationsverfahren der Druckerei Jenny und Schindler in Hard (S. 320) zu Gebote standen, erlangten in einigen Spezia- 396 noch zwei andere kleine, im Hauptort gelegene Fabriken den Druckereibetrieb ein. Es betraf dies in erster Linie die Firma Gabriel Triimpy (S. 301), deren nachmalige Inhaber, Söhne und Enkel des Stifters, 1850 in den Räumlichkeiten der Druckerei eine •Seidenzwirnerei einrichteten; dieses neue Geschäft kam aber nie recht zum Gedeihen, obwohl es bis in die 1880er Jahre hinein existierte. Jene andere Firma war diejenige von Friedrich Staub & Cie. (S. 190). Als die frühem Inhaber ohne männliche Nachkommen gestorben waren, hielt anfänglich Herr Daniel Eimer- Wild (1825—1888, Schwiegersohn von Major Joh. Heinrich Staub), der in Aarau eine chemisch-technische Ausbildung genossen hatte, •den Betrieb aufrecht; auch trat zu ihm als Associe sein Schwager, Herr Ratsherr Joh. Heinrich Wild-von der Krone, geb. 1828, von Mitlödi (welcher, beiläufig bemerkt, 1847/49 bei seinen Verwandten, Firma Dürst-Wild & Cie., Strohhutgeschäft in Paris, eine Stelle bekleidet und die grosse Revolutionsbewegung als Augenzeuge miterlebt hatte). Da indessen die Wasserrechts- und Platzverhältnisse für die Entwicklung dieser Fabrik nicht günstig lagen, entschlossen sich 1857 die Beiden, sie ihrem Nachbar, Herrn Heinrich Brunner, zu verkaufen. Während Herr Wild sich nun vorerst nach Norwegen begab und dann einige Jahre in Basel eine •Seidenfärberei betrieb, trat Herr Eimer in die Spinn- und Weberei- Firma Honegger, Fischer & Cie. in Wald (Kt. Zürich) und beteiligte «ich daneben noch von 1866—1872 mit den Herren Gebrüder Honegger bei der Spinnerei Hard bei Winterthur. 1886 ersetzte ihn in Wald sein jüngster Sohn 1 ), Herr Friedrich Elmer-Honegger litäten bald einen wohlbegründeten Ruf, so namentlich in den türkischroten Aetzgenres und in den schönen „Wiener Lapis“. Indessen war die Zeit für diese altern Artikel doch nahezu vorbei, so dass der Betrieb 1877/78 wieder eingestellt wurde. Die 1889 in den betreffenden Lokalitäten von Herrn H. Luchsinger-Heer von Glarus eingerichtete Gerberei fiel schon nach wenigen Jahren durch einen Brand der Zerstörung anheim. *) Die beiden andern Söhne, die Herren Heinrich Eimer-Schubert und Daniel Elmer-Dürst, erwarben 1875 in Lyon eine ziemlich grosse, aber gänzlich verwahrloste Baumwoll-Bleicherei, Färberei und -Appretur; während dieselbe beim Antritt nur noch etwa 20 Arbeiter beschäftigt hatte, zählt sie gegenwärtig ungefähr 200 und konsumiert jährlich 400 Wagons Steinkohlen, welche Angaben bei diesem Geschäftszweig auf eine recht bedeutende Produktion schiiessen lassen. « 397 (Firma „Fischer & Eimer“), welcher später das Etablissement allein übernahm und es seither, unter Aufgabe der Spinnerei, als renommierte Weberei von „Faconnes“ betreibt. <* 2. Das Arbeitervölklein von Glarus erwies sich speziell im Handdruck als anstellig und flink und hatte, wie schon weiter oben bemerkt, mehr Beharrlichkeit und Vorliebe hiefür als die Bewohner verschiedener anderer Kantone, in welchen die Notwendigkeit oder bessere Gelegenheit zu landwirtschaftlichen Beschäftigungen den regelmässigen Fabrikbetrieb oft störten, oder wo z. T. noch höher stehende Industrieen die Arbeitskräfte anzogen. Als mit dem Anwachsen der Fabriken die Arbeitsgelegenheit das Angebot überstieg, fand aus den benachbarten Kantonen, eine nicht unbedeutende Einwanderung meist ärmerer Familien statt; diese Zugewanderten fanden zumeist Beschäftigung in den Spinnereien und Webereien, welche in der Nähe von Druckereizentren schon in den 1850er Jahren sich über Arbeitermangel beklagten 1 ), dann bei den Hilfsarbeiten („Handlangerei“) der * Druckereien und Färbereien, während bei den eigentlichen Druckern und bei den Stechern das einheimische Element auch fernerhin bei weitem überwog. Ein günstiges Moment für die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit der glarnerischen Druckerei lag im weitern in der starken Beteiligung des weiblichen Geschlechts 2 ),. ') Die „Glarner Zeitung“ vom 16. Februar 1856 meldet: Der flotte Gang der Druckereien bedrohe die Spinnereien (und Webereien) mit dem Verlust der Arbeiter und nötige zum Bau von „Kosthäusern“ (eigenen Arbeiterwohnungen) und zur Heranziehung von Arbeiterfamilien aus den benachbarten Kantonen; auch habe die Spinnerei und Weberei in Haslen den Anfang gemacht, die (im Verhältnis zur Druckerei noch immer sehr lange)- Arbeitszeit von 13‘/ 2 Stunden auf 12 ‘/ 2 herabzusetzen und zwar ohne Reduktion des bisher erreichten täglichen Verdienstes : in anderen Kantonen sei man noch nicht so weit, doch spreche man von einem bezüglichen , Konkordat. 4 2 ) Gemachte Nachforschungen haben ergeben, dass die Angabe auf S. 32 des „Fabrikinspektionsberichts“ von 1865 — „noch vor 20 Jahren seien Angehörige des weiblichen Geschlechts in den Drucksälen eine seltene Erscheinung gewesen“ — wenigstens für das Mittelland durchaus irrtümlich ist; eine ganze Anzahl älterer Leute, welche vom Ende der 1820er bis in die 1840er Jahre hinein Streicher und Drucker bezw. Druckerinnen gewesen waren, versicherten dem Verf., dass um jene Zeit das weibliche Geschlecht o 398 welches sich für Arbeiten, die mehr Geduld und Handfertigkeit als erhebliche Muskelthätigkeit erfordern, als besonders geeignet erwies; es betrifft dies z.B. das „Illuminieren“ vorgefärbter j Waren d. h. das Eindrücken gewisser Farben in Stücke, die schon 4 einmal Reserven- oder Beizendruck und den darauffolgenden Färbeprozess durchgemacht haben und daher im Gewebe und ebenso in ■der darauf sichtbaren Yor Zeichnung („Vordruck“) verzogen sind. Nach Dr. v. Kurrer’s „Geschichte der Zeugdruckerei“ (Nürnberg 1840) duldeten die englischen Drucker nicht, dass ihre Frauen und Töchter in den Druckstuben arbeiteten, womit sie ein Herabgehen her Drucklöhne glaubten verhindern zu können; in Schottland setzten es die Fabrikanten erst um 1834 durch, Frauen im Handdruck beschäftigen zu dürfen; um diese Zeit war aber die Blütezeit der englisch-schottischen Handdruckerei schon vorbei, indem die mit den Rouleauxmaschinen erzeugte Menge diejenige an Handdruckware schon bedeutend überstieg. Das Drängen der englischen Grossindustrie nach maschinenmässiger Massenproduktion und der damit im Zusammenhang stehende Niedergang der dortigen Hand- * druckerei gereichte bis zu einem gewissen Grade dem Glarner- lande zum Vorteil, indem sich seine Fabriken mit umsomehr Erfolg auf gewisse Spezialitäten werfen konnten, welche damals in der Domäne des Handdrucks lagen und es zum Teil heute noch sind. 3. Während eine ganze Anzahl kleinerer Druckfabriken in Zürich, Thurgau und Aargau ihren Hauptverschleiss in Süd- und Mitteldeutschland hatten und somit durch die Entstehung des deutschenZollvereinsin relativ kurzer Zeit kalt gestellt wurden, hatten die Glarner daneben schon längst Italien und daraufhin die nordischen und verschiedene überseeische Länder als Absatzgebiete ■erschlossen und waren im besten Zuge, die ganze unter türkischer Herrschaft stehende Levante zu „erobern“. Ein weiterer für ihre schweizerischen Konkurrenten ungünstiger Umstand lag darin, dass sie sich vorwiegend mit der Erstellung von „Indiennes“ (Rouleaux- in den Druckstuben zu mindestens einem Drittel vertreten war; in den 1850er Jahren betrug dieser Anteil je nach den in den betreffenden Fabriken •erstellten Artikeln etwas mehr oder etwas weniger als die Hälfte des gesamten Druckerpersonals. 399 Ware und von Hand gedruckte Indigo- und Türkischrotgenres) befassten, mit welchen sie überall mit der überlegenen Fabrikation Englands in Rivalität gerieten; die Glarner hingegen hatten sich 4 auf abgepasste Artikel (Sacktücher aller Art, orientalische Schl ei er und andere Kopftücher, Chäles und indische „Schärpen“) geworfen, in solchen Dimensionen oder Farbenzahl und Farbenzusammenstellungen, welche sich für Rouleauxdruck durchaus nicht eigneten oder für welche hier in anderer Hinsicht die Bedingungen zur Erstellung günstig waren, z. B. in Bezug auf das Vorhandensein von reichlich fliessendem Wasser für die Wascherei u. s. w. Einige grössere Fabriken in Zürich, Thurgau, Appenzell und .St. Gallen machten allerdings längere Zeit (z. T. bis in die Gegenwart) den Wettlauf mit; doch darf hervorgehoben werden, dass ■die wichtigste Druckerei im letztgenannten Kanton ebenfalls von einem Glarner gegründet worden ist. Auf die besondere Stellung -der Neuenburgischen Zeugdrucker kommen wir nochmals zurück. o 4. Der Sieg des Freihandels in Grossbritannien um die Mitte der 1840er Jahre. Das im genannten Lande seit Jahrhunderten herrschende „Merkantilsystcm“ hatte sich den Schutz der einheimischen Landwirtschaft und Industrie zum Ziel gesetzt und basierte auf dem Erlass von Einfuhrverboten oder hohen Zöllen gegenüber allen möglichen ausländischen Produkten, sowie auf der bis auf Gromwell zurückgehenden Navigationsakte, welche das Anlaufen fremder Handelsschiffe in England anfänglich verbot und später mit besondern Abgaben und Vorschriften erschwerte und welche nur britischen Schiffen den Handel mit den eigenen Kolonien erlaubte, die letztem zugleich durch Oktroirung entsprechender Aus- bezw. Einfuhrzölle nötigend, ihre Rohprodukte fäst ausschliesslich nur- an England abzugeben und ihren Bedarf an Fabrikaten möglichst nur aus dem Mutterlande zu be- $ ziehen. Es bedurfte einer Dezennien dauernden Agitation von Seite der von Richard Cöbden und John Bright geführten (später wegen ihrer Auflehnung gegen jede staatliche Bevormundung viel geschmähten) „Manchesterpartei“ bis in dieses ad absurdum getriebene System Bresche gelegt war und das Prinzip des freien Warenaustausches zum Durchbruch kam. Nachdem schon 1826 400 einige der bis dahin geltenden Prohibitivzölle auf industrielle Produkte ermässigt worden waren, so namentlich diejenigen auf Baumwollgewebe in der Höhe von 50—75 °/ 0 vom Wert auf 10 °/ 0 für rohe und auf 20 °/ 0 für weiter verarbeitete, wurden 1845 unter dem Ministerium Robert Peel’s von 1000 zollpflichtigen Artikeln 410 als gänzlich zollfrei erklärt, darunter ungezwirntes Baumwollgarn und rohe Baumwollgewebe; gleichzeitig erfolgte eine durchgehende Verminderung der für die übrigen Artikel in Kraft, bleibenden Gebühren, so dass gebleichte, gefärbte und gedruckte Baumwollgewebe nur noch 10 % vom Wert bezahlten. 1846 fielen dann auch die die Fabrikarbeiter stark belastenden Einfuhrzölle auf Korn dahin. Weitere Fortschritte auf dieser Bahn erwirkte namentlich der Einfluss Glcidstone’s im Jahr 1858 in der Reduktion der Zahl der zollpflichtigen Artikel auf 360 und des Ansatzes für verarbeitete Baumwollgewebe exklusive Stickerei auf 5 °/ 0 , sowie endlich 1860, in welch’ letztem Zeitpunkt allen möglichen Baum- wollwaren gänzlich zollfreier Einlass ins britische Königreich gewährt und die Erhebung von nennenswerten Zöllen überhaupt auf die sog. Genussmittel beschränkt wurde 1 ). Hand in Hand damit vollzog sich der Uebergang zur Gleichberechtigung aller Nationen mit den Briten für die Einfuhr von Industrieprodukten, nach den ausgedehnten englischen Kolonien und die Ermässigung oder Aufhebung der bezüglichen Zölle; die Navigationsakte, die schon seit 1824 durch Schiffahrtsverträge mit andern Nationen durchlöchert worden war, wurde 1849 bis auf wenige Bestimmungen aufgehoben. *) Wie Grossbritannien damals in souveräner Liberalität diese Zollbegünstigungen ohne Gegenleistungen auch gegenüber den verstocktesten Prohibitivsystemländern in Kraft treten liess, so erschien es auch in politischer Beziehung den auf dem Festlande um das Selbstbestimmungsrecht ringenden Völkern als der Hort aller freiheitlichen Institutionen. Auch die freisinnige Partei der Schweiz erfreute sich, wie bekannt, zur kritischen Zeit des Sonderbundskrieges der diplomatischen Unterstützung des kraftbewussten England. Die leitenden Männer jener Epoche würden sich freilich im Grabe umdrehen, wenn sie sehen könnten, wie heute dieselbe Grossmacht sich an einem kleinen, stammverwandten Volke vergreift, ihm nicht nur die Scholle, die es selbst urbar gemacht, zu entreissen sucht, sondern es mit förmlicher Ausrottung bedroht. 401 Als Folge aller dieser Erleichterungen trat, wie deren geniale Befürworter vorausgesagt, ein ungeheurer Aufschwung des internationalen und besonders des überseeischen Handelsverkehrs ein; derselbe kam nun anfänglich neben Grossbritannien hauptsächlich auch der kleinen Schweiz zu Gute, da die durch Schutzzölle verbarrikadierte Industrie der festländischen Großstaaten in jener Zeit sich teils mit dem Absatz im eigenen Lande begnügte, teils aber überhaupt nicht im Stande war, für den Export billig genug zu produzieren. So war es denn der Schweiz beschieden, in den 1850 er Jahren eine noch nie dagewesene Prosperität in der Baumwollen-Industrie zu erleben. 1 ) Indem dabei alle Zweige derselben zu ihrem Anteil kamen 2 ), so darf doch ohne Uebertreibung gesagt werden, dass es die gfarnerische Druckerei war, welche die „Blume“ — oder den „Nidel“, wie man hier zu Lande sagen würde — vorweg nahm; es geht dies aus der damals sprungweisen Yergrösserung der Etablissemente, aus den erzielten Gewinnen und aus der amtlichen Fabrikstatistik der 1860er Jahre deutlich hervor. Mit dieser stärkern Entfaltung hatte sich inzwischen unter den glarnerischen Druckgeschäften das Bestreben geltend gemacht, sich nach den Fabrikationsweisen und Absatzgebieten einiger- massen zu spezialisieren. Wenn es auch fernerhin Fabriken gab, die zwei oder drei verschiedene Zweige kultivierten, so wurde dies doch eher zur Ausnahme und können wir von 1845/50 an folgende 4 Abteilungen unterscheiden: 1. Die Mouchoirs-Fabriken. Dieselben erzeugten Mouchoirs und Chäles in vorwiegend europäischem Geschmacke. Die vielen Artikel, denen wir S. 366—380 Erwähnung gethan, machten auch die 1850er Jahre hindurch den Hauptbestandteil ihrer Fabrikation aus; dabei ist zu betonen, dass sie von dem Freihandelssystem Englands bedeutenden Nutzen zogen, indem sie, ohne ihre alten, 0 Um dieselbe Zeit (während des Krimkrieges allerdings vorwiegend wegen politischen Befürchtungen) war beispielsweise Deutschland trotz Schutzzöllen von einer lange dauernden Handelskrisis heimgesucht. 2 ) Einzig bei der st. gallisch-appenzellischen Plattstich-Handstickerei trat 1857 durch eine grosse Handelskrisis in Nordamerika ein empfindlicher Rückschlag ein. 402 treuen Kunden in Italien und andern Mittelmeer-Staaten zu vernachlässigen, ihre Verbindungen mit Kord- und Südamerika vermehrten und einen regen Geschäftsverkehr mit Ostindien anbahnten. 2. Die Türkischrot-Stückfärberei und -Aetzdruckerei, welcher wir namentlich auf S. 164, 190, 191, 301, 327, 340, 345, 348, 349, 353 und 360/1 näher getreten sind, kam ebenfalls in den Genuss der soeben genannten Vorteile; trotzdem fand bei ihr in unserm Kanton, was speziell die Druckerei-Erzeugnisse anbelangte, in den 1850er Jahren keine Produktionssteigerung mehr statt. Der Grund davon lag darin, dass das Verfahren noch immer langwierig und theuer und das Gelingen oft gefährdet war, während man anderseits eine Menge neuer Druckartikel in allen möglichen Farben (allerdings mit Ausschluss eines feurigen und soliden Rot) geschaffen hatte, die sich schneller, billiger und sicherer erstellen Hessen und den Türkischrot-Genres das Feld streitig machten; mehrere Glarner-Fabriken Hessen infolgedessen letztere fallen, indem sie sich ausschliesslich den erstem zuwandten. 3. Die Yasmas- oder Türkenkappen-Fabriken. Für das überraschende Wachstum derselben waren nicht sowohl der englische Freihandel als die auf S. 395/9 unter Ziffer 1, 2 und 3 erwähnten Momente massgebend (worüber -wir nun im Zusammenhang referieren). Dasselbe gilt auch von 4. den Battick-Fabriken, welche jedoch, im Gegensatz zu den Yasmas, eine langsame und dafür mehr stetige Entwicklung aufweisen. Die Yasmas- oder Türkenkappendruckerei von 1834—1860. ^) Um die Entwicklungsgeschichte derselben zu verstehen und zugleich einen allgemeinen Ueberblick über die Bedeutung der „Levante“ für die europäische Textilindustrie zu gewinnen, müssen ') Die Schreibweise „Yasmas“, „Yerli“ etc. (anstatt Jasmas, Jerli), ursprünglich die englisch-französische, ist darum vorzuziehen, weil sie andeutet, dass das „J“ nicht wie „sch“ ausgesprochen werden darf. 403 wir uns vorerst 1 ) ein wenig umsehen, welcher Kleidungsstücke sich die Völkerschaften im Südosten Europas, in Kleinasien, Syrien, Persien und Nordafrika zu Anfang des XIX. Jahrhunderts bedienten und mit wenig Veränderungen noch heute bedienen. Die islamitische Frau aus dem Volke betrachtet als ihre unentbehrlichsten Kleidungsstücke: Ein Paar weite bauschige, zwischen den Beinen zusammengenähte, bis über die Kniee reichende Hosen oder „Schintijan“ aus farbigem d. h. bedrucktem oder buntgewobenem Kattun oder leichtem Wollenstoff (mit einer Zeugschnur, um die Hüften oder über die Achseln gehend, versehen und einer zweiten in der Kniegegend, mittelst welchen die Hosen in Bauschen bis auf die Füsse herabgelassen werden können und dann einem europäischen Frauenrocke nicht unähnlich sehen); dann ein weisses oder buntfarbiges oder auch schwarzes Hemd aus Baumwolle oder Leinen, das entweder in die Hose gesteckt oder noch häufiger über derselben getragen wird (und meistens dazu gehörend: ein Gürtel oder eine Schärpe aus einem zusammengefalteten bunten Zeugstreifen); an den Füssen rote Lederschuhe oder gelbe leichte Stiefel, darüber auf der Strasse gelbe, hinten offene Schlappschuhe (Baputsch), und als Kopfbedeckung von der Mitte der Stirn an den Turban d. h. ein im Dreieck zusammengelegtes buntbedrucktes Tuch, dessen Mittelzipfel nach hinten fällt, während die Seitenzipfel über demselben im Nacken verknotet werden; zum Ausgehen ist dann noch ein weisser oder schwarzer Gesichtschleier, der nur die Augen freilässt, und ein einfacher weiter Umwurf von nöten. Die Frauen der mittlern Stände — von denjenigen der hohem nicht zu reden — kleiden sich bedeutend reicher, indem sie obige Gewandstücke mit Spitzen sowie Seiden-, Gold- oder Perlen-Stickereien schmücken oder dieselben aus feinsten Leinwandoder Seidenstoffen verfertigen und indem sie je nach Volksstamm und Landesgegend ausser bunten Strümpfen und Socken und kostbarem Schuhwerk wollene oder seidene Oberröcke anziehen (die bald ärmellose oder kurzärmelige, reich verzierte Kamisole und Mit Benutzung des Werkes: „Trachten der Völker alter und neuer Zeit“ von Friedr. Hottenroth, Stuttgart (Verlag von Gustav Weise), 1. Bd. 1884, 2. Bd. 1891, sowie nach gef. Mitteilungen von mit den Verhältnissen im Orient vertrauten glarnerischen Kaufleuten. 404 Jacken vorstellen, bald aber sehr lang und seitlich aufgeschlitzt sind, so dass die Schösse aufgenommen und in den Gürtel gesteckt werden können). Auch die Kopfbedeckung ist alsdann komplizierter; sie besteht nämlich aus einem kleinen flachen Mützchen aus roter oder blauer Seide oder Sammt und aus mehreren möglichst leichten und feinen Tüchern, die wir mit Namen nennen wollen, da sie, soweit es sich nicht um Seidengaze, Seidencrepe oder Pferdehaargewebe handelt, seit langer Zeit fast ausschliesslich aus der Schweiz bezw. aus dem Kanton Glarus bezogen werden. Es sind dies vorerst Farudijeh, der eigentliche Frauenturban (ein Stück buntbedruckter Mousseline) welchen man in einigen Windungen um den Tarbusch d. h. um das soeben erwähnte Mützchen legt, und Mizcigi, ein Streifen meist schwarz- oder hellbödiger Mousseline, der als schmales Band über die Stirne genommen und hinten verknotet wird, während seine Enden vorn über den Busen gelegt werden. Mit diesen Kopftüchern (welche ihre Trägerinnen öfters mit originellen seidenen Spitzen, Blümchen und schmales Netzwerk vorstellend, umsäumen), bedecken die verheirateten Frauen ihr Haar gänzlich, während jüngere die Zöpfe mit denselben verflechten oder dazwischen ihre Locken hervorsehen lassen. Wollen sie ausgehen, so müssen sie noch zwei, bei jüngern hübschen Frauen allerdings bis zur Durchsichtigkeit feine Schleier anziehen (die meistens aus ganz weisser Mousseline — früher einheimischer, später vorwiegend St. Galler oder Notting- hamer — bestehen); es sind dies 1. der Tarchah oder Hinterhauptschleier, welcher die schon verhüllte Stirn und den obern und hintern Teil des Kopfes überdeckt und gewöhnlich einfach und kurz, manchmal aber auch so lang ist, dass er hinten fast den Boden berührt und in diesem Falle an den Enden gewöhnlich mit Gold- flittern oder farbigen Seidenstickereien verziert wird, und 2. der Yaschmagg oder Gesichtsschieier, welcher um Hals und Antlitz, genommen wird und nur die Augen freilässt. In gewissen Gegenden werden auch die letztem durch ein sog. Yitrage-Gewebe verdeckt, in welchem Falle zugleich Hinterhaupt- und Gesichtsschleier schwarz sind und dieser „ Burgo “ genannt wird. Zum Ausgehen darf ferner der grosse Umwurf nicht fehlen, der einem „Havelock“ gleicht oder aus zwei einfachen grossen Chäles zusammengesetzt 405 scheint, weite Hängeärmel und einen Zug um die Taille hat und •die Bezeichnung Feradscheh oder Chabarah trägt. So verhüllt, sagt Hottenroth, gleicht die Orientalin einem Gespenste, wie es in unsern Märchenbüchern umgeht. 1 ) Bei der ärmsten Bevölkerung wird in manchen Gegenden der Umwurf auch wohl durch •ein einfaches grosses Tuch, das um den Körper geschlungen und zugleich über den Kopf gezogen wird, ersetzt. Die unentbehrlichste Kleidung der muhamedanischen Männer besteht aus baumwollenem Hemd, baumwollenen oder wollenen, "bis zu den Knieen oder bis zu den Knöcheln reichenden Pumphosen 2 ) oder Schirwar, einer Aermelweste (oder Jacquette), einer Leibbinde (Schärpe) und einem wollenen Mantel (dem offenen Kaftan der Türken oderdem geschlossenen weissen Rockmantel oder .Burnus der Araber). Die Herstellung der Wolltuche für Männerund Frauenmäntel und andere Kleidungsstücke war früher ein glänzender Zweig des auch sonst mannigfaltig entwickelten arabischen und nordafrikanischen Textilgewerbes; nachdem dasselbe seinen Zenith schon längst überschritten, ist seit 50 Jahren unter •dem Druck der europäischen Grossindustrie ein förmlicher Zerfall ■desselben eingetreten 3 ); an dem Export solcher Wolltuche nach muhamedanischen Ländern ist auch die Schweiz in bescheidener Weise beteiligt. Was die glarnerische Baumwolldruckerei anbe- trifft, so wurden für sie von der männlichen Garderobe wiederum *) Wie die bunten Glarner „Türkenkappen“ speziell von den Muha- ■medanerinnen getragen worden, kann der Fremde daher nur etwa an jungen Mädchen sehen, da nur solchen erlaubt ist, unverhülk sich auf der ■Strasse zu zeigen; auch beim Betreten eines noch so einfachen türkischen Hauses gelangt er nur in den Selamlik (Begrüssungszimmer für männliche •Gäste und Wohnstube des Mannes), während ihm der Haremlik oder die Frauenabteilung verschlossen bleibt; sieht der Hausherr selbst vor dem Eingang zu derselben ein paar Baputsch (Frauen-Schlappschuhe) stehen d. h. hat die Frau Besuch einer Bekannten oder Freundin, so ist auch ihm der Eintritt in den Haremlik nicht gestattet. 2 ) Etwas anders gestaltet sind die Schallwar der vornehmen Türken (soweit sich dieselben nicht alla franca d. h. nach europäischer Art kleiden); es sind dies oben weite und nach unten sich stark verengernde, bis zu .den Füssen reichende Hosen. 3 ) In neuerer Zeit haben sich einige Zweige, so namentlich die Teppichwirkern und Baumwoll-Buntweberei, wieder merklich gehoben. 406 nur gewisse Kopftücher von Bedeutung. Der Türke trägt als eigentliche Kopfbedeckung den Fes, auch Fez geschrieben, arabisch Tarbusch, eine schirmlose Wollfilzmütze von der Gestalt eines abgestutzten Kegels und in Farbe stets rot, nach der nicht selten wechselnden Mode von hellem Gelbscharlach bis zum dunkelsten, blaustichigen Carmoisin varierend (einzig dieDerwische haben graue Fes). Die ansehnliche Menge solcher Fes, welche die muhamedani- sche Welt fortwährend benötigt, wird gegenwärtig grösstenteils von Spezialfabriken Böhmens und Mährens geliefert. Während nun die vornehmen Türken, wie man sagt zum Schutze des Haarbodens, nur ein (gewöhnlich unsichtbares) leichtes seidenes Mützchen unter dem Fes tragen, windet derjenige der mittlern und untern Stände- stets ein leichtes, buntbedrucktes Tuch um den untern Rand desselben und um Stirn und Schädel, teils um damit der Filzmütze einen bessern Halt zu geben, teils um mehr Schutz gegen die Sonnenstrahlen zu haben. Diese Festücher oder Männerturbane im weitern Sinne 1 ) unterscheiden sich nicht wesentlich von den oben erwähnten gedruckten Frauenturbanen; manchmal sind sie sehr schmal und leicht und heissen Scutarli oder Uescudar;- 6 dieser kleinen grellfarbigen Tüchel werden alsdann gewöhnlich aneinander gelassen und um den Kopf gewunden. Eine andere- Art gedruckter dichterer Kopftücher von grossen Dimensionen, soliden Farben und einfachen Dessins sind die Guffieh oder Coffias, mit welchen die Araber im Freien ihren Kopf (samt Fes oder Turban), Hals und Nacken in origineller Weise verhüllen, um sich, vor Sonnenglut, Staub oder Wind zu schützen. Was nun die christlichen Völkerschaften anbelangt, die- vom „goldenen Horn“ aus regiert werden bezw. wurden, so w r ar *) Der Turban im engern Sinne, welcher aus einem weissen oder hell uni-gefärbten, auch wohl mit Stickereien verzierten, sehr langen Stück von möglichst leichtem Baumwoll- oder Seidenstoff besteht und entweder ohne Fes getragen wird oder letztem in dicken Bauschen kürbisartig bis fast zur Spitze umschliesst, wird von verschiedenen muhamedanischen Völkerschaften Asiens und Afrikas noch heute getragen; bei den Türken sieht man ihn nur noch ausnahmsweise, nämlich weisse bei den Ulemas (der Priesterschaft) und den Hadschis (Bekenner des Islams, welche die Pilgerfahrt nach Mekka gemacht haben) und grüne bei den sogen. Nachkommen des Propheten (d.h. solchen, welche ihre Abstammung vom Propheten ableiten).. 407 die Kleidung der männlichen und weiblichen Armenier und einiger anderer Stämme der asiatischen Türkei derjenigen der Araber und Türken bis in die neuere Zeit sehr nahe stehend, so dass unter ihnen die gleichen leichten Turbantücher ebenfalls in schlankem Verkauf standen. Die malerischen, originellen Trachten des christlichen Völkergemisches der europäischen Türkei zeigen zwar einen von dem arabisch-türkischen abweichenden Charakter; aber auch bei ihnen spielen bunte und zugleich feine geschmeidige Kopf-, Hals- und Brusttücher eine grosse Rolle, so dass sie der jeder Farbenkombination, Grösse und Qualität sich mit Leichtigkeit anschmiegenden Handdruckerei langeZeit ein sehr günstiges Absatzfeld boten. Daneben fanden allmälig auch eine Menge der verschiedensten Sack- und Handtücher der „Mouchoirsfabriken“ Verwendung. Während, wie wir gesehen haben, die glarnerischeMouchoirs- und Türbischrot-Druckerei sich ziemlich enge an die gleichartige Industrie der andern europäischen Staaten anschliessen musste, bildete sich die Herstellung türkischer Schleier und Turbane und anderer orientalischer Kopftücher in Glarus derart zu einer Spezialität aus, dass sie wegen ihrer Originalität zu einer gewissen Berühmtheit gelangte. Dies hatte zur Folge, dass fast alle ausserkantonalen Schriften, welche sich bisher mit unser n gewerblichen Verhältnissen befasst haben, sozusagen die gesamte glarne- rische Baumwollindustrie mit der „Türkenkappendruckerei“ (inklusive der dazu gehörigen Weberei) identifizieren, eine Auffassung, welche sich bei näherm Eingehen in die Geschichte unserer Druckerei von selbst auf das richtige Mass reduziert. Bei diesem Anlass wollen wir auch gleich auf einen andern Irrtum aufmerksam machen, der ebenfalls in nicht wenigen altern und neuern Schriften spuckt, denjenigen nämlich, als ob die „Türkenkappen-Druckerei“ zu dem Rayon der „Türkischrot-Druckerei“ gehöre oder wenigstens irgend welche nähere Beziehungen zu derselben habe. Niemals wurden in Glarus „türkischrote“ Türkenkappen fabriziert, indem die für letztere charakteristischen leichten Mousseline-Tücher bei dem früher üblichen türkischroten Färbe- und Aetzdruckverfahren sich in Fetzen aufgelöst hätten, ehe sie am Ende der notwendigen Operationen 408 angelangt wären. 1 ) Gilt ferner der türkischrote Artikel als der Inbegriff des Soliden, so verwendeten gegenteils die Yasmasdrucker von Anfang an viele halbsolide und später auch eine Menge gar nicht waschbarer Farben. Damit wollen wir nun zur Darstellung der Einführung und der Entwicklung des Yasmasartikels in der glarnerischen Druckerei übergehen. Wie die Wolltücher (S. 405) so wurden in frühem Zeiten im Orient auch die gangbaren Baumwoll-, Leinen- und Seidenwaren im Lande selbst erzeugt und zwar z. T. in ausserordentlich feinen und leichten Qualitäten. Handelte es sich dabei vorwiegend um weisse, uni-gefärbte, gestickte 2 ) und buntgewobene Stoffe, so fehlten doch auch mit dem Pinsel gemalte oder mit Holzmodeln gedruckte Baumwolltücher nicht, und zwar sowohl Indigo- und Krappgenres als auch buntfarbige mit direktem Druck. Während die Verfahren für erstere im wesentlichen mit den S. 35-40 mitgeteilten, in Alt-Indien üblichen überein stimmten (mit dem Unterschiede, dass dabei gemäss S. 12-14 roh gearbeitete Holzmodelle schon seit Jahrhunderten Verwendung fanden), konnte sich der Verf. über die Natur der direkt aufgepinselten Farben bis jetzt keine absolut sichere Auskunft verschaffen. Wie Glarner Kaufleute dem Verf. versicherten, sah man noch zu Anfang der 1860er Jahre im Bazar zu Konstantinopel hie und da einen Griechen oder Armenier damit beschäftigt, mittelst Holzmodeln den Vordruck einer Zeichnung auf gebleichte (englische) Mousselines zu drucken, die zuvor in, einem einzelnen Tuche entsprechende Abteilungen zerschnitten worden waren; die Tücher wurden in die Häuser vertragen, wo griechische und armenische Mädchen schön *) Erst Ende der 1870er Jahre d. b. nach der Einführung des neuen abgekürzten and milden Färbe-, bezw. Druckverfahrens mittelst künstlichem Alizarin etc. haben schottische Fabriken begonnen, türkischrote und ali- zarinrote „Flörli“ (Rotboden mit Rosa und Weiss oder Aetzgelb) in den Handel zu bringen, leider zu Preisen, die es dem schweizerischen Fabrikanten nicht erlauben, bei dem an manchen Plätzen nicht unbedeutenden Verschleiss in Konkurrenz zu treten. 2 ) Bemerkenswert sind u. A. diejenigen, auch heutzutage noch im Orient angefertigten farbigen Stickereien, welche auf beiden Seiten des Stickbodens genau gleich aussehen, was eine besondere Geschicklichkeit bei der Herstellung voraussetzt. 409 abgetönte Farben in die Konturen einpinselten. Die meisten derselben sollen sich weich angefühlt und eine ziemliche Solidität besessen haben; die Dessins betreffend unterschied man (wie bei den glarnerischen Imitationen) Börtdäll (d. h. solche mit 4 bouquets, eines in jeder Ecke), Beschclall (5 bouquets, das 5. in der Mitte) und Bolu (= volle d. h. gefüllte Ramagendessins, verschlungene Zweige mit Blättern, Blumen und Früchten vorstellend). Ein einzelnes Tüchel kostete damals in 9/4 Breite 15—20 Piaster 1 ); es wurden solche aber auch von eigentlichen Künstlern oder Kunsthandwerkern gemalt und dann noch weit höher bezahlt. Den eigentlichen „Boden“ malte man wahrscheinlich nicht, sondern färbte ihn schon vor dem Druck in einem hellen Tone, wenn er nicht weiss bleiben durfte. Sowohl bei den Vordruck- als bei den Illuminationsfarben handelte es sich wohl um unsern Tafel- oder Applikationsfarben (S. 56 u. ff.) ähnliche Präparate, wie solche den Orientalen von der Wollfärberei her sehr wohl bekannt sein konnten und die durch Verhängen des Stoffes an warmer Luft sich leicht entwickelten und eine leichte Wäsche vertrugen. Gewiss traten oft dazu, in feinen Partien aufgetragen, die uralten Mineral- oder Broncefarben, mit Lein- oder Mohnöl fixiert, und ebenso der primitive farbige Sammt- oder Filzdruck (successiver Auftrag von Bleiweiss-Leinölfarbe, Bestäuben mit farbigem Wollstaub je nach dem Objekt der Zeichnung, Anpressen und Abschütteln desselben gemäss S. 19/20). Bemerkenswert ist nämlich, ') Zum Verständnis dieser und späterer Angaben möge über das türk. Münzsystem folgendes bemerkt sein: Sultan Abdul Meschid führte 1844 eine derjenigen der lateinischen Münzunion ähnliche Doppelwährung ein unter Zugrundelegung einer Wertrelation von 1:15 des Goldes zum Silber. Die wichtigste Goldmünze ist das türkische Pfund (Liv. T.) = 100 Piaster = rund Pr. 23, die grösste Silbermünze ist der „weisse Medschidie“ = 20 Piaster. Der Rückgang des Handelswertes des Silbers bewirkte später die Entstehung eines Disagios der Silber- gegenüber den Goldmünzen, welcher 1870 zirka 7 %, 1882 zirka 8 % betrug. 1 Goldpiaster als lOOstel Teilstück eines türkischen Pfundes ist daher noch heute = 23 Cts. franz. Währung, dagegen ein geprägter Silberpiaster und seine Vielfachen im Wert um den Betrag des Agios geringer; die Warenpreise werden bald nach Gold- und bald nach Silberpiaster gestellt, ein Piaster zerfällt in 40 Para. Das stark entwertete Staatspapiergeld („Kaimd“) spielt im internationalen Handel keine Rolle. 410 dass das zuletzt erwähnte Verfahren in den 1840er Jahren versuchsweise in der Heinrich Brunner’schen Fabrik in Glarus, ohne- Zweifel infolge erhaltener orientalischer Vorlagen, in Gebrauch stand; es gab recht hübsche Effekte, wurde jedoch, seiner Umständlichkeit und Kostspieligkeit wegen, bald wieder verlassen;, dagegen spielte es in den 1850er Jahren bei einem orientalischen Artikel der zürcherischen Seidendruckerei eine nicht unbedeutende Rolle. Wenn es auch leider dem Verf. nicht gelungen ist, sich Erzeugnisse dieser alten orientalischen Tüchelmalerei zu verschaffen,, so ist es dochThatsache, dass dieselbe in Konstantinopel und einigen Städten des ägäischen Meeres bis um die Mitte des XIX. Jahrhunderts (früher auf einheimischer, später auf englischer Mousseline) eine ziemliche Anzahl Hände beschäftigte. Das Produkt nannte man Yasmas oder Kalemkiar (letzterer ebenfalls türkische Ausdruck bedeutet .so viel als „mit der Feder gemalt“ und wird hauptsächlich von den Griechen gebraucht); die in Krapp und Indigo gefärbten trugen spezielle Namen, worauf wir noch zurückkommen.. Wie schon S. 370 bemerkt, geht der Beginn des Exports Englands an weissen und gedruckten Baumwollwaren (Calicos und Prints) nach der Levante ins erste Dezennium unseres Jahrhundertszurück oder nahm wenigstens seit dieser Zeit eine gewisse, wenn auch noch nicht allzugrosse Bedeutung an; es folgte das Eisass mit seinen „Palmen“ und „Orientalen“, deren Fabrikation, so weit es sich um abgepasste Ware — die „Levantiner-Chäles“ — handelte, sich alsdann auch über Oesterreich (Wien) in die Schweiz, speziell Glarus, ausdehnte. Es scheint, dass dieselben hauptsächlich von der christlichen Bevölkerung der europäischen und etwas später auch der asiatischen Türkei als Kopf- und Schulterntücher getragen wurden. In einem Briefe der Filiale Luchsinger & Streiff in Triest an das Stammhaus vom 1. März 1835 fand sich, diesen Artikel betreffend, folgenderPassus: „Wie Ihnen schon früher bemerkten, sind in Schals 10/4 (neben den bisher beliebten Braun- und Olivböden) die hellbödigen Sachen, als alle möglichen Sorten Foulardsmuster, orange-, gelb-, blau-, rot- und grünbödige Palmen- und Ramagendessins und wenig oder gar keine Glattboden, sowie auch ein wenig Schwarzboden der Griechen Hauptmuster und wie es scheint auch in jenen andern Gegenden, in 411 welche sie sie senden, — Sira, Smyrna und Konstantinopel —, von ziemlichem Konsum geworden“. Spätestens zu Anfang der 1830er Jahre tauchten die ersten im Abendlande auf mittelfeiner Mousseline (gewöhnlich Mi-doubles oder Jaconas, englisch Jaconet genannt) gedruckten Frauenturbane auf, indem armenische Händler solche in Wien in einzelnen der dortigen kleinen Druckereien im Lohn erstellen Hessen oder selbst solche Betriebe einrichteten. 1 ) Dieser neue Artikel gewann jedoch in jener Stadt keine grosse Ausdehnung und wird weder von Dr. v. Kurrer (1840) noch von den „Beiträgen zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs (1873) erwähnt; auch melden einige Jahre später glarnerische Korrespondenzen, die Ausführung der Glarner Yasmas befriedige die Kunden viel besser als diejenige der bis jetzt von Wien bezogenen. Nach „Industrie und Handel des. Kantons St. Gallen“ von Dr. H. Wartmann (St. Gallen 1875) wäre es das St. Gallische Haus Gonzenbach gewesen, welches zirka 1835 die ersten schweizerischen Yasmas im Orient eingeführt hätte; nach S. 128, Bd. III von „Die Schweiz im XIX. Jahrhundert“ (Schmid & Franke in Bern und F. Payot in Lausanne, 1900) ist jedoch, derselbe geehrte Autor damit einverstanden, die Priorität hiefür dem Handelshause „Luchsinger & Streiff“ in Glarus zuzuerkennen. 1 ) Das genaue Studium der Geschäftskorrespondenz ') Der S. 371 genannte Mülhauser Rezept-enschatz enthält unterm Jahr 1832 die Notiz, dass die darin für die „Palmen“ und „Orientalen“ verzeichneten Farben auch für „Mousselines“ Geltung hätten; es bleibt indessen unentschieden, ob damit nur lange oder auch abgepasste Mousselines gemeint und ob solche für den Orient bestimmt waren, worüber wohl Mülhauser Geschäftsbücher Aufschluss geben könnten; im bejahenden Fall dürften die Elsässer den Wienern noch vorangegangen sein, jedoch den Artikel, wie so manchen Handdruckgenre, bald wieder aufgegeben haben. Im Bull. Soc. Ind. de Mulhouse S. 104, Heft Nr. 7, Jahrgang 1828 finden sich unter den Produkten des Hauses Nicolas Koechlin et fröres auch „Turbane“ erwähnt, worunter eben höchst wahrscheinlich solche Frauenturbane auf Mousseline-Tuch zu verstehen sind. 2 ) Hinwieder ist zuzugeben, dass bei den mit dem Orient angeknüpften,, damals schon ziemlich regen Verbindungen und angesichts der tastenden Versuche der Wiener Drucker die Anhandnahme jenes Artikels an mehreren Orten der Schweiz gleichsam in der Luft liegen mochte; so soll schon etwas, vor 1835 J. F. Güster , später Aktuar des st. gallischen kaufmännischen Direktoriums, in der kleinen Druckerei Kölliker in Arbon türkische Kopftücher haben anfertigen lassen, jedoch ohne dass die Sache zu nachhaltiger Bedeutung gelangt wäre. -412 -dieser Firma ergab nämlich, dass die Triester Filiale derselben 1834 an das Stammhaus in Glarus die Aufforderung richtete, die türkischen gemalten Turbantücher nachzuahmen und dass, nachdem die Muster und Farbendispositionen nach Originalen festgestellt waren, von Joh. Mettler in Furt bei Lichtensteig je 1 Stück 8/4, 10/4 und 12/4 Midouble bezogen und der Fabrik Heinrich Brunner in Glarus zum Faqondruck übergeben wurden. Diese •drei Versuchsstücke finden sich in einer Faconnote vom 20. Dezember 1834 abgerechnet, waren aber jedenfalls mehrere Wochen früher zur Ablieferung gelangt, da man inzwischen eine ansehnliche Partie Rohware bezogen und in den Druck befördert hatte. Der erste ganze Ballen Ware gelangte im Februar 1835 zum Versandt und wurde von den Erstellern und ihren Korrespondenten mit Fazzoletti ■ad uso di Turchia oder uso Constantinopoli bezeichnet. — Ueber diese erste Sendung berichtet die Filiale in Triest unterm 1. März 1835 nach Glarus: „Wir sind erfreut, dass die Fazzoletti ad uso di Turchia so gut gerathen sind. Die Qualität ist die wahre, die Dessins nach dem erforderlichen Geschmack und die Böden und Farben so ziemlich lebhaft. Wir haben sie bereits an Verschiedenen vorgewiesen und von keinem ungünstige Antworten erhalten, so dass wir hoffen dürfen, in Zukunft ordentliche Parthien gebrauchen zu können. Ein jeder hat sich davon etwas ge- nokmen; so, dass wenn alle hätten hergeben wollen, bereits keine mehr vorhanden wären. Um aber in Zukunft des Verkaufes noch sicherer zu sein, sollten folgende zwar ohnbedeutende Abänderungen getroffen werden: In der Qualität nichts, ln der Breite werden die 10/4 als die courante- sten gehalten oder noch besser die 9/4. Da sie als Kopftücher —per Turhanti da donne — gebraucht werden, sind die 8/4 zu klein, die 12/4 zu gross. Im Fall Sie also an Mettler schreiben, bestellen Sie ihm ungesäumt ein Parthiechen 9 4 von ca. 30—40 Stück. Die Dessins sind ohne Ausnahme alle gut; die Böden sind ebenfalls alle recht, nur sollten zu einem completen Assortiment noch einige mehr gemacht werden können; auf 10 Stück sollen disponiert werden: 4 Stück Oliva, 2 „ Caffe (Braun), 1 ,, Sopa di vino (Farbe, welche ein Stückchen weichen Brodes annimmt, wenn man es in rothen Wein tunkt), 2 ,, Canella (Zimmtbraun), 1 „ Schwarzboden. 41S Auch sagten Verschiedene, dass ausser den Glattboden auch geblümte und eine Art Glattboden mit Rondellen 1 ) gangbar seien; es wurden mir von beiden Sorten Muster versprochen.“ Dass die Ware als Imitation gut getroffen und zugleich eine- Neuheit auf dem orientalischen Markte darstellte, erhellt aus den nun rasch erfolgenden Bestellungen und den glänzenden Erlösen.. Letztere stellten sich anfänglich per Dutzend in Triest auf 14 cfl. und während des übrigen Teils des Jahres 1835 auf cfl. 12 1 / a . = n fl. 15. 2 ) Bei Annahme des letztem Preises stellt sich die Berechnung dieser ersten Türkenkappen wie folgt: 1 Stück 10/4 de 16 aunes handgewobene Mousseline (Mi- double) kostete 1835 gebleicht 11 fl. 10 ! / 2 ; bei dem damals ganz quadratischen Druck (105 cm in Länge und Breite, vgl. S. 200) ergaben sich, nach Abzug der Enden, stets 16—17 Tücher per Stück. Somit kostete die Rohware: Für 1 Dutzend 10/4 Tücher höchstens .... n fl. 8. — Die Druckfagon betrug 20 Reichskreuzer per Tuch, also per Dutzend.„ 4. — Kosten franko Glarus fl. 12. — Brutto-Erlös in Triest n fl. 15. — Davon ab: Fracht und kleine Spesen Glarus-Triest sowie Sconto, Provision und Sensarie insgesamt 10% = “fl. 1% Für Kapitalzins schlagen wir dazu. „ V 2 n fl- 2, — fl. 13. - - Bleibt demnach für 1 Dutzend ein reiner Handels- Gewinn . fl. 1. — Um den einlaufenden Bestellungen rascher genügen zu können, gaben Luchsinger & Streiff nun auch Ware an Friedr. Streiff & Cie. in Mollis in Druck (die Fabrik ihres eigenen Associe’s auf der Insel, S. 307 T. II, arbeitete damals in Indigo- und Krappartikeln und ging erst nach der unten zu erwähnenden Geschäftstrennung *) d. h. die oben erwähnten Beschdal mit einem Bouquet in jeder Ecke» und einem ebensolchen isolierten in der Mitte des Tuches. 2 ) Vgl. S. 356. 414 zum Yasmasdruck über). Die in Mollis erzielte Reüssite war so zufriedenstellend, dass Luchsinger & Streiff dahin beispielsweise vom Juli bis Dezember 1835 nicht weniger als 458 Stück 10/4 Midoubles ä 16 aunes in Arbeit gaben (daneben im Jahreslaufe mehrere hundert Stück an Heinrich Brunner). Die fertige Ware verkauften sie anfänglich an in Triest etablierte griechische Geschäftshäuser, die Gacadia, Vecco, Ziffo, Cappozzai und wie sie alle hiessen und auch an griechische Händler, welche von Smyrna aus Triest besuchten. Die anfänglichen Namen Uso Turchia oder Uso Gonstantinopoli verschwanden bald, da die Türken, Araber und Griechen diese Kopftücher, genau wie die einheimischen mit bunten Farben bemalten, als Yasmas oder Kalemkiar bezeichneten; nur dass man von da an den ächt-orientalischen das Adjektiv „Yerli“ (zu deutsch: einheimisch) beifügte. Sie wurden und werden, wie schon oben bemerkt, nicht nur von der muhamedanischen, sondern ebensowohl, wenn auch in etwas anderer Weise von den christlichen Bewohnerinnen der asiatischen und europäischen Türkei mit Vorliebe getragen; die Serben nennen die 1 Meter und darüber breiten, feinen hellbödigen Frauenkopftücher in ihren nationalen Mustern „Schamien“ (Einzahl: Schamija), die Bulgaren die ihrigen „Yeschil Kenar“ (zu deutsch: Grünrand) und in Rumänien heissen sie Testemeis; die Arbeiterschaft des Glarnerlandes hingegen gab den Yasmas und verwandten Genres die seither landläufig gebliebene Bezeichnung Tiirkenkappen. Es konnte nicht fehlen, dass die Konkurrenz schon nach wenigen Monaten seines Bestehens auf den Artikel aufmerksam wurde; namentlich bemühte sich das in Smyrna ansässige st. gallische Haus Gebrüder Scheitlin den Artikel von Luchsinger & Streiff, mit welchen sie in andern Manufakturen verkehrten, zu erhalten; dieselben gingen jedoch darauf nicht ein, indem sie fürchteten, denselben bei dem erhöhten Umsatz einen zu grossen Kredit gewähren zu müssen. Gebr. Scheitlin in Smyrna und ihr in Triest etablierter Verwandter Georg Scheitlin wandten sich dann an das Haus Gonzenbach in St. Gallen, worauf derselbe die Uso Con- stantinopoli zuerst im Kanton Zürich und bald darauf direkt in der Fabrik von Herrn Heinrich Brunner in Glarus anfertigen liess. Letzterer, die Entwicklungsfähigkeit des Artikels erkennend, zögerte nicht, denselben nun in grösserm Mafsstabe und zwar bald vorwiegend für eigene Rechnung zu erstellen, zum Verkaufe an in der Schweiz domizilierte Firmen, sowie direkt nach levantinischen Plätzen. Seine Fabrik vergrösserte sich rasch, verbesserte ihr Produkt und blieb bis gegen das Ende der 1840er Jahre die bedeutendste unter den Yasmasfabriken; auch als sie später in der Produktion von einigen Andern überholt wurde, bewahrte sie in der Reüssite der Ware den erworbenen guten Ruf. Zur Ergänzung dessen, was wir vorstehend über den Ursprung des Türkenkappen-Artikels mitgeteilt haben, lassen wir hiemit noch einige Briefauszüge folgen: Am 4. Oktober 1835 schreibt die Filiale Luchsinger & Streiff an das Stammhaus in Glarus, sie hätte die letzte Sendung erhalten und möchte wünschen, dass für den neuen Artikel stets im Auge behalten würde: „1) ein feines, leichtes Tuch; sie dienen den Griechen und Türken als Kopftücher per turbcmti und somit dürfen sie nicht fagotosi aussehen (d. h. nicht zu stark auftragen); 2) lebhafte Bodenfarben, namentlich Oliv; 3) schöne, geläufige feine Gegenstände führende Muster und nicht Rande, wo etwa grosse einfarbige Blätter, Stiele oder Blumen Vorkommen, sondern alles leichte Sachen. Wenn diese Punkte beobachtet werden, wirds gewiss keine Erwiderungen geben und so lange wir allein sind, gut gehen. Sie sagen uns, dass der Landschreiber sie nicht mehr am schönsten macht, dagegen aber Streiff (inMollis); es wäre also unsere Pflicht, alle beim Letztem machen zu lassen; allein Convenienz erfordert, dessenohngeachtet, dem Landschr. immer etwas zu geben; denn wenn man gerade auf einmal aufhören würde, könnte er sie entweder für sich selbsten machen oder einem andern vorweisen, und dann gute Nacht Pazzoletti liso Constantinopoli! Wenn Sie gerade „Häufen“ vorräthige Mousselines haben, haben Sie recht gethan, beim Mettler ein wenig einhalten zu lassen; bestehen aber diese Häufen bloss in den 60 Stück beim Ldschr. und den 228 beim Streiff, ohngerechnet noch ebensoviel .auf der Bleiche, somit im Ganzen 5—600 St., so dörfte dann immer piano piano fortgefahren werden, aber immer empfehlen Ihnen, nicht zu vergessen, dass die Qualität niemals zu dick ausfällt. Kiene bestellt folgendes Assortiment x ): *) Die darin angegebenen Bodenfarben sind noch heutigen Tages im .Artikel korrent. 416 10 Dutz. Celeste, 30 neri, 15 oliva chiaro, 15 oliva un poco piü scuro, 15 oliva scuro, 10 Carmoisinrotli, 10 rosa, 10 nacarino o colore di limone, 5 bianclii, 5 lila, 20 verde, 15 Caffe, 15 canella. Für heute also genug; schöne Waare und Dessins und trachten, dass diese Herren (die Kunden) hei andern Glarnem keine machen lassen e poi niente paura.“ Weniger tröstlich lautete ein Brief vom 26. Dezember 1835- aus Triest: „Die Uso Constantinopoli werden in den Preisen nun bald verdorben, werden. Georg Scheitlin, der immerwährend diesem Artikel nachspürte, sagte uns vor einigen Tagen, dass Bühl er 1 ) ihn von einer unterwegs habenden Parthie preveniert und auch ä cfl. 12V» effektuiert habe. Mit den unsrigen verhält es sich so, dass bis auf Balle Nr. 676 mit Dutzend 126 3 /i2 reinen Tisch haben und nun aufm Punkt gewesen wären, wieder 1000 Dutzend zu bestellen; da aber erstens noch ca. 300—400 Dutz zurück sind und nach und nach der Artikel in andere Hände übergeht, wollen Sie nur für 3 ä 400 Dutzend frische beauftragen. — Das Haus Gonzenbach in St. Gallen hat beim Landschreiber auch 200 Dutz. für die Scheitlin in Arbeit.“ Die Befürchtungen wegen des eintretenden Preisabschlages- waren in der That nur zu begründet; die Wirkung desselben wäre jedoch durch den rasch wachsenden Yerschleiss und durch die Einführung einer etwas leichtern, für den Artikel ebenso passenden Tuchqualität, die sich nur noch auf “fl. 8*/ 4 per Stück & 16 aunes stellte, zum Teil ausgeglichen worden, wenn nicht andere ungünstige Umstände die Entwicklung der Handelsthätigkeit der Firma „Luchsinger & Streiff“ gehemmt hätten. Um diese Zeit (1836> führten nämlich Meinungsverschiedenheiten unter den jüngern As- socies eine Geschäftstrennung herbei, nach welcher die Fabrik und das Handelsgeschäft „auf der Insel“ in Glarus unter der neuen Firma Gebr. Jakob & J. R. Streiff an die ältesten zwei Brüder Streiff 2 > überging, während die Söhne des dritten Bruders (Bartholome),. *) Buhler war Depositaire von P. Blumer .& Jenny in Schwanden; da jedoch die Fabrikationsbücher dieser Firma den Artikel Yasmas erst von 1840 an erwähnen, ist es wahrscheinlich, dass sie oder ihr Vertreter denselben anfänglich ebenfalls bei Landschreiber Heinrich Brunner ä fa§on anfertigen Hessen. 2 ) Ueber die 3 Brüder Streiff vergl. S. 305. — Nach dem Tode J. B. StreifFs- (1852) verband sich dessen älterer Sohn, wie S. 361 bemerkt, mit den Gebr- Gerig in Näfels, und es blieb als sein Nachfolger nur der jüngere Sohn, Herr Friedrich Streiff- Vital (1821—1876) im Geschäft. Einige Jahre nach des letztem. 417 nämlich Oberst Bartholome Streiff (geh. 1814, gest. 1888 in Zürich) und Hauptrnann 'Jost Streiff (geh. 1815, gest. 1884 im „Wald- schlössli" in Glarus) mit Gemeinderat Joh. Rudolf Luchsinger Sohn (geh. 1810, gest. 1870 in Konstantinopel) unter der alten Firma Luchsinger & Streiff ein ähnliches Handelsgeschäft weiter betrieben und 1842/43 in Oberurnen eine neue Yasmasdruckerei erbauten. 1 ) Die zur Zeit dieser Geschäftsänderung eintretenden Störungen bewirkten, dass die führende Rolle im Yasmasartikel in andere Hände überging. Nach und nach warfen sich nämlich noch eine ganze Anzahl glarnerischer Fabriken auf diese Genres; es waren dies (ausser Heinrich Brunner in Glarus und Friedrich Streiff & Cie. in Mollis) dieFirmen Joh. Heer, EgidiusTrümpy, Gabriel Tr ümpy, Blumer & Tschudi in Glarus; P. Blumer & Jenny in Schwanden; Daniel Jenny in Ennenda; Felix Weber in Netstal; Gerig & Cie. in Näfels; Schindler & Gallatin in Mollis (später Gallatin & Cie. in Leuggelbach); Trümpy & Jenny in Mitlödi. Die Mehrzahl derselben errichteten in der Folge an den wichtigsten orientalischen Plätzen Waren-Niederlagen, welche sie durch eigene Häuser (Filialen) verwalten Hessen oder Vertretern anvertrauten; letztere, zum grossen Teil ebenfalls Glarner, wurden mitKommandite- Kapitalien ausgestattet oder durch grosse Waren-Kredite unterstützt. Diese neuen orientalischen Handelshäuser befassten sich nun nicht nur mit den Yasmas, sondern führten auch andere glarnerische und schweizerische Druckartikel (Mouchoirs, In- diennes und Türkischrote) sowie schweizerische Buntgewebe, englische Baumwollgarne und andere Manufakturen, besonders aber europäische Leder- und Eisenwaren; zugleich nahmen sie den Tode trat indessen auch seine Familie aus, indem sein ältester Sohn, Herr Alfred Streiff sich nach Italien wandte (vgl. S. 256). Somit kam Oberst Joh. JakobStreiff, 1817—1889 (einziger Sohn des Lieut. Jakob, S. 305) in den alleinigen Besitz der Fabrik „auf der Insel“, welche unter seinen Söhnen, den Herren Jakob Streiff und Joh. Heinrich Streiff-Jenny den Firmanamen „Gebr. J. & J. H. Streiff & Cie.“ erhalten hat. *) Vertreter dieser neuen Firma waren: Caspar G-lavany in Konstantinopel, Leemann, Hoffmann & Cie. in Smyrna, Morgue d’Algur et fils in Beirut, Wetter in Cairo. 27 418 Export von Tragantgummi, Kreuzbeeren und andern Landesprodukten auf und erzielten so beträchtliche Umsätze. Dass die Firma Joh. Heer bei der Entwicklung dieses direkten Handels eine bedeutende Rolle gespielt hat, haben wir schon S. 355 erwähnt; wir fügen hier nur noch bei, dass ihre Geschäftshäuser den Bedarf an Mouchoirs gewöhnlich bei der Firma Jenny & Cie. in Ennenda deckten. Die Firma Egidius Trümpy knüpfte 1831 die ersten Handelsverbindungen mit Konstantinopel an und liess diese Stadt und in der Folge auch andere orientalische Plätze regelmässig durch ihren Reisenden, Herrn Zweifel x ) besuchen. Um 1845 sandte sie in die türkische Hauptstadt einen andern jungen Glarner, Jakob Heer (1820—1877, Sohn von Landweibel Leonhard), welcher die Lehre bei ihr durchgemacht, und übertrug ihm die Vertretung. Schon nach kurzer Zeit verband sich derselbe mit einem Herrn Sulzer zur Firma „ Sulzer & Heer“ (von 1848 an Heer & Cie.), welche sich nun vomHause Heinrich Brunner engagieren liess, worauf die Firma Egidius Trümpy die Gebrüder Hirschfeld vorübergehend als Vertreter wählte und dann in der ersten Hälfte der 1850er Jahre einen Herrn Carl 'Wollenschläger kommanditierte; dasselbe that sie in Smyrna gegenüber einem Herrn Franz Scheitlin. Diese beiden Häuser existierten bis um 1880. Zu obgenanntem Jakob Heer begab sich in der Folge auch dessen um 5 Jahre jüngerer Bruder Leonhard Heer-Walcher; von 1852 an werden als solidare Teilhaber der Firma „Heer & Cie.“ in Konstantinopel Jakob Heer von Glarus und Rudolf Länderer von Basel mit Leonhard Heer als Prokurist genannt, und als Kommanditäre die Häuser Heinrich Brunner in Glarus und F. Imhoof & Cie. in Winterthur. Indem sich Jakob Heer 1859 aus Gesundheitsrücksichten vom Geschäft zurückzog (und darauf in St. Gallen privatisierte), änderte sich die Firma in Heer-Walcher & Cie., welche aber schon ein Jahr darauf durch den Tod des Firmaträgers erlosch. Hierauf anvertraute das Haus Heinrich Brunner sein Warenlager den Herren Schindler, Binder &. Cie. (später M. Schindler & Cie. u. s. w.); in Smyrna b Derselbe trat später in die bis vor Kurzem existierende Firma Eimer & Cie., Weberei und Druckerei in Sateins, Vorarlberg; in welchen Jahren diese von Niederurnen stammenden Eimer jene ausländische Gründung ins Werk setzten, wurde dem Verf. nicht bekannt. hatte es sich schon frühzeitig durch die Neuenburger Burnens <& Cie. vertreten lassen und in Beirut anfänglich die Herren Buchene, Stüssy & Cie., später M. Trümpy <& Cie. (Nachfolger: Kläsi, Speich & Cie., dann Speich & Yaret) kommanditiert. Ueber die orientalischen Niederlassungen der Firma P. Blume r & Jenny haben wir S. 341 gesprochen und über diejenigen der Firma Felix Weher, welche wir schon S. 349 kurz berührt haben, tragen wir hier noch folgendes nach: Deren Vertreter in Konstantinopel waren Peter, Vuccino & Cie. (später Peter & Zehnder). Während anfänglich auch die Verkäufe nach Persien sich ausschliesslich in der türkischen Hauptstadt abwickelten (wo persische Zwischenhändler die Waren in Empfang nahmen und sie zu Schiff nach Trapezunt und von da über Land nach Täbris in Nordpersien verfrachteten), zog das Haus Felix Weber einen schönen Teil dieses Verkehrs sowie des Absatzes in Mesopotamien an sich, indem es eine Waren-Niederlage in Bagdad errichtete. Nach letzterer Stadt wallfahrten alljährlich zur Zeit des Muharremfestes Tausende von Persern, um das Grabmal Äli’s in der Stadt Kufa und dasjenige Husejn’s (eines Sohnes von Ali und somit Enkel des Propheten) in der nahen Ortschaft Kerbela zu besuchen. Da Beide eines gewaltsamen Todes gestorben sind, sind mit ihren Gedenktagen Trauerfeierlichkeiten verbunden und da sie in Persien in besonderer Verehrungstehen, gestaltete sich daraufhin der Verkauf schwarzbödiger Perser Yasmas jeweilen besonders lebhaft. Für Mesopotamien selbst und viele andere türkische Gebiete spielt im übrigen der Ausfall der Ernten an Getreide und andern Bodenprodukten eine entscheidende Bolle. Die für Bagdad bestimmten Waren gingen früher von Beirut nach Damaskus und von da durch die Wüste, oder zuerst nach Aleppo hinauf, von da zum Tigris und nun zu Schiff den Fluss hinunter; mit der Eröffnung des Suezkanals wandte sich ein grosser Teil des mesopotamischen und persischen Handels über denselben nach dem persischen Meerbusen. Die Firma Felix Weber war auch die erste oder eine der ersten, welche den Verkehr mit Aegypten in Fluss brachte. Diesem Bemühen stellten sich allerdings bedeutende Schwierigkeiten entgegen; denn so sehr in damaliger Zeit im ganzen Orient das Kreditieren auf Jahr und Tag Trumpf war, so soll dieses Krebsübel seinerzeit in Aegypten den Gipfelpunkt erreicht haben und es Hessen die dortigen Kunden an Solidität und Solvabilität überhaupt viel zu wünschen übrig. Die Firma Trümpy & Jenny in Mitlödi liess sich in Beirut durch die Herren E. Truühier und F. Goldschmidt (letzterer von Winterthur gebürtig) und später durch Jacques Altina dt Gie. vertreten und errichtete 1858 eigene Häuser in Smyrna und Konstantinopel (nach ungefähr 20jährigem Bestände hob sie dieselben wieder auf, indem sie dafür 1877 bezw. 1879 die Bildung der Firmen Hefti & Spieler in Smyrna und Oertli, Sigrist & Herzog in Konstantinopel und Varna ermöglichte, welche Geschäftshäuser inzwischen wieder durch andere abgelöst worden sind). Die Firma Barth. Jenny & Cie. verkehrte mit dem Orient anfänglich durch- die früher genannten Herren Heer & Cie. in Konstantinopel und Luchsinger, Eimer & Oertli in Glarus, später durch Trümpy & Jenny in Konstantinopel und Smyrna, Fels & Gie. in Patras (Griechenland), J. Altheer in Syra (griechische Inseln), G. Hochstrasser & Gie. in Trapezunt; zugleich beteiligte sie sich 1857 bei der Gründung der „Schweizerischen Export-Gesellschaft in Zürich“ und betraute nun längere Zeit mit ihrer Vertretung die durch jene an einigen bis jetzt noch wenig ausgebeuteten Plätzen ins Leben gerufenen- Handelshäuser, so namentlich Burkhardt Reithaar <& Gie. (jetzt Trümpler & Asseo) in Salonich, Weber, Streiff & Gie. (später Streiff, Zolling er & Cie., jetzt Zollinger & Gie.) in Aleppo, Dinner, Hanhart &Cie. (später Hanhart & Gie. bezw. Ziegler & Gie.) in Täbris (Persien). In Bukarest hatte schon 1851 Herr Josef Gubler-Dorer von Baden (Kt. Aargau) als Firma Gabler & Cie. die Vertretung von Barth. Jenny & Cie. erhalten 1 ); später arbeitete derselbe in den Manu- b Q-ubler & Cie. arbeiteten auch für die Herren Gebrüder Jakob und J. R. Streiff in Glarus; die andern orientalischen Vertreter dieses Hauses, waren: Rettmer & Brenner (Nachfolger: Rettmer & Schäfer) in Galatz und Jassy, Peter, Vuccino & Cie. (Nachfolger: Honegger, Pyriantz & Cie., dann Ritterhaus & Wirth) in Konstantinopel; und in den 1860er Jahren: Schweizer & Cie. in Bukarest und Burkhardt Reifhaar & Cie. (später Joseph J. Modiano ) in Salonich. Erwähnung verdient ferner das in Leipzig und Wien domizilierte Exporthaus E. E. Egloff, welches von ungefähr 1860 bis in die 1870er Jahre hinein grosse Mengen von Manufakturen in der Moldau und Walachei absetzte und mit mehreren glarnerischen Yasmas- und Mouchoirs- fabriken in Geschäftsverbindung stand. 421 Cakturen mit gutem Erfolg mehr auf feste Rechnung und gründete daneben ein zweites Geschäftshaus, das sich als Firma Gubler ■& Wartonovics mit dem kommissionsweisen Verkauf von Metallwaren u. s. w. befasste. In diese Geschäfte traten als Angestellte drei junge Glarner, und zwar in das erstere die Herren F. Marty-Raschle von Engi und Heinrich Iselin von Glarus (seit 1863), in das zweite Herr Mathias Iselin (seit 1864). Letzterer ■etablierte sich dann 1870 selbständig in der Agenturbranche für -den Import aller möglichen Artikel, speziell Eisenwaren, Roheisen, Metalle, Kolonialen, Chemikalien, Kurzwaren und Manufakturen. Inzwischen hatte Josef Gubler 1860 auch noch die Firma Bosshardt ■& Cie. in Galatz ins Leben gerufen und in Wien ein Haus errichtet; 1872 siedelte er ganz nach dieser Stadt über (Firma „Gubler-Dorer“), während die Herren F. Marty und H. Iselin die Nachfolge von Gubler & Cie. in Bukarest antraten und als Firma Marty ab Cie. bis 1887 zusammen arbeiteten. Im folgenden Jahre kehrte Herr Mathias Iselin in die Heimat zurück und übergab sein bestens prosperierendes Geschäft seinem soeben genannten Bruder Heinrich und seinem bisherigen Prokuristen J. Grünenfelder , welche •es als Firma Iselin & Cie. weiter betrieben und einige Vertretungen der frühem Firma Marty & Cie. damit verbanden. (Seit 1900 heisst die Firma Wyss-Iselin & Cie. und weist als Inhaber die Herren Wyss-Iselin und Fritz Stäger, beide von Glarus, auf). Die Druckfabrik Gallatin &Cie. beschränkte ihren Verkehr in den ersten Jahrzehnten auf die europäische Türkei und wusste ■sich speziell in dem serbischen Artikel „Schamien“ durch grosse Sorgfalt und Sauberkeit im Druck, in der Wascherei und Ausrüsterei beinahe ein Monopol zu verschaffen. Ganz besondere Erfolge hatte im orientalischen Handel Herr ■Jacques Brunner von Glarus (im dritten Grade verwandt mit Herrn Jost Brunner, Druckfabrikant) zu verzeichnen. 1834 ge- 'boren, kam er mit 17 Jahren zu P. Blumer & Jenny in Ancona in die Lehre und erwarb schon früh in dem Masse das Zutrauen meiner Prinzipale, dass sie ihm 1856 die Prokura in dem Import- Läuse Baumgartner <£■ Cie. in Bukarest (S. 341) übertrugen. 1860 gründete er jedoch ein eigenes Geschäft auf seinen Namen in «Galatz, in welchem er zunächst hauptsächlich den Import glarne- rischer und anderer Manufakturen betrieb, dann auch den Artikel Eisen aufnahm und den Export von Seiden-Cocons aus Bulgarien und dem ungarischen Banat vermittelte. Günstige Konjunkturen setzten ihn in Stand, den Umsatz in Roheisen, T-Balken, Blechen u. dergl. auf eine sehr bedeutende Höhe zu bringen und überhaupt dieses Geschäft — als einer der ersten in Rumänien und den angrenzenden türkischen Ländern — ganz auf der in den westlichen Kulturstaaten eingeführten Basis zu organisieren. Zum Grosskaufmann geworden, begann er Ende der 1870er Jahre die Verfrachtung ganzer Dampferladungen von indischem Reis nach Europa; auch beteiligte er sich später bei einer Spiritusbrennerei in Bakau und bei einer Stärkefabrik und bewirtschaftete in Verbindung damit bedeutende Güterkomplexe. Im Jahr 1877 siedelte er nach Wien über, indem er zwar noch immer seinen Unternehmungen in Rumänien einen mehrmonatlichen Aufenthalt widmete, die Besorgung derselben jedoch nach und nach den von ihm herangezogenen Mitarbeitern, meistens Schweizern, übertrug. In Wien und in Galatz zählte er zu den angesehensten Gliedern der Schweizerkolonie und zwar nicht nur wegen seines Reichtums,, sondern mehr noch wegen seiner trefflichen Charaktereigenschaften; er starb am 5. Mai 1899. — Anschliessend erwähnen wir noch, dass Herr Jean Staub (Bruder des S. 284 erwähnten Advokat Josua Staub) als junger Mann eine Anstellung in dem Hause Jacques Brunner in Galatz erhielt, sich 1865 jedoch selbständig in Bukarest etablierte, seither die Einfuhr von Roheisen und andern Metallen, sowie von Manufakturen auf eigene Rechnung als Grossist betreibt und schon längst die Stelle eines schweizerischen Generalkonsuls bekleidet. Die Druckfabrik Blum er & Tschudi auf dem Hohlenstein bei Glarus verkehrte mit dem Orient hauptsächlich durch Herrn Friedrich Imhoof-Hotze (1807—1894) in Winterthur, was uns veranlasst, der Verdienste dieses Mannes um den Artikel Yasmas und die glarnerische Druckerei überhaupt zu gedenken. Derselbe kam nämlich 1 ) als junger Kaufmann 1830 in das Handelshaus Hulka ’) Nach „Winterthur in Wort und Bild' 1 von Alex. Isler (Winterhur 1895), sowie nach einigen dem Verf. zur Verfügung gestellten Notizen. 423 in Konstantinopei, erlangte hier nach kurzer Zeit durch seine Talente und seinen Charakter die Prokura und benutzte diesen Aufenthalt vorzugsweise dazu, schweizerische Fabrikanten mit der Türkei (Konstantinopel und Smyrna) in Verbindung zu bringen. Dies war beispielsweise mit dem Hause Egidius Trümpy in Glarus der Fall, welches zur Befestigung dieser Relation einen Herrn Zweifel als Repräsentanten nach Konstantinopel sandte. Gemeinschaftlich mit demselben kehrte Herr Imhoof 1832 über Salonich, Belgrad, Pest und Wien nach der Schweiz zurück und trat nun in das Handelsgeschäft seines Vaters, das bis dahin hauptsächlich im Ein- und Verkauf baumwollener Rohtücher bestanden hatte und das er nun in ein grosses Exportgeschäft von Glarner Druckwaren, Toggenburger Buntgeweben und andern St. Galler Artikeln nach der Levante und auch nach Italien umwandelte. Es scheint, dass ihm schon bei seinem ersten Aufenthalt in Konstantinopel die ersten Fabrikate der Wiener Drucker als Nachahmungen der orientalischen Yasmas zu Gesicht gekommen sind, und als die Erstellung von solchen sich auch in der Schweiz Bahn brach, war er (dicht hinter der Firma Luchsinger & Streift in Glarus, Gonzenbach in St. Gallen) als einer der ersten auf dem Platze, die Entwicklung dieses Artikels nach Kräften zu fördern. Jahre lang beschäftigte er von dieser Zeit an in Winterthur einen geschickten Zeichner Namens Heer, welcher nach Originalien und nach seinen Angaben den Glarner Fabrikanten passende Yasmas-Muster zu entwerfen hatte. Als 1840 sein Vater starb, wurde er Chef der neuen Firma F. Imhoof & Cie., begab sich noch in demselben Jahre auf eine längere Reise nach Syrien und Aegypten und trat nach seiner Rückkehr in ein enges Verhältnis zu den Herren Blumer <& Tschudi, indem er ihnen eine Kommandite zur Verfügung stellte, während sie nun bis um 1870 fast ausschliesslich für ihn in Yasmas und indigoblauen Mouchoirs und später auch in Batticks ä fa^on arbeiteten. Für den letztgenannten Artikel hatte er schon 1852 direkte Verbindungen mit Java gesucht und gefunden. Die buntgewobenen Tücher, in welchen er in der Levante und in Indien ebenfalls einen grossen Verschleiss hatte, bezog er zum Teil von toggenburgischen Webereien, zum andern Teil erstellte er sie von 1841 an in einer eigenen Fabrik in 424 St. Gallen, welche 1852 in das ehemalige Kloster Fischingen und später nach Rorbas-Freienstein verlegt wurde. Als dieses grossartige Handels- und Fabrikationsgeschäft mit Kommanditen InSingapore, Beirut, Smyrna, Konstantinopel, London und Marseille Mitte der 1860er Jahre auf dem Höhepunkt stand, erblindete der grosse Baumeister, und da sein Sohn, Herr Dr. Imhoof-Blumer, eine unwiderstehliche Neigung zur Wissenschaft (Numismatik) gefasst hatte, entschloss er sich, sein merkantiles Gebäude nach und nach wieder abzutragen, bis Mitte der 1870er Jahre nur noch seine Beteiligung an den im Kanton Zürich liegenden Fabriken übrig blieb (jetzige Firma Blumer & Biedermann, Spinnerei und Buntweberei in Rorbas-Freienstein). — Auf Anregung st. gallischer Geschäftshäuser haben sich frühzeitig auch einige dortige Fabriken der Türkenkappen-Druckerei zugewandt, so die Firmen Landenberger in Gossau, Merhart bei Brüggen, Jakob Hösly (gebürtig von Glarus) im „Watt“ bei St. Gallen, J. Tribelhorn 1 ) im Lindenthal bei St. Gallen, besonders aber Joh. Kaspar Hösly (1797—1873) von Glarus. Anfänglich einfacher Druckereiarbeiter, machte derselbe schon in seinem Heimatorte die ersten Versuche, sich der Fabrikation zuzuwenden, ging dann 1836 nach St. Gallen, nahm hier die Bleicherei, Druckerei und Appretur „im Lindenthal“ und hierauf, gemeinschaftlich mit einem Färber Labhardt, die Blau-Druckerei Tobler vor dem Platzthor in Pacht und kaufte dann 1840 eine kleine Fabrik in Blumenegg bei Goldach-Rorschach. 2 ) Dieselbe vergrösserte er nun im Laufe ') Nach Dr. H. Wartmann begann Tribelhorn seine Thätigkeit 1843 und erstellte später neben den Türkenkappen auch Mouchoirs („Foulards“ und „Chäles“), Cravatten und Indiennes, indem er dazu sowohl Hand- als Rouleaudruck und eine Zeit lang auch Reliefdruck mittelst Walzen und die Lithographie für Vordrucke in Anwendung brachte; dagegen haben die oben zuerst genannten drei Fabriken nur eine geringe Bedeutung und auch keinen langen Bestand gehabt. — Von andern in den 1840er Jahren im Kanton St. Gallen existierenden, sehr kleinen Lohn-Druckereien, die sich namentlich mit Indigo-Artikeln befassten und seither längst eingegangen sind, erwähnt die schon genannte Quelle noch weitere acht Firmen. 2 ) Dieselbe war von einem Ferdinand Henking gegründet und darauf einige Jahre von J. J. Kelly , Druckereibesitzer in Mettendorf bei Gossau, pachtweise betrieben worden. der Jahre bedeutend, wobei er von 1854 an von seinem Sohne, Herrn Samuel-Hösly-Heer (1831—1891) wirksam unterstützt wurde, während drei andere Söhne sich im Ausland dem Handels- Stande widmeten. Besondern Aufschwung nahm die Fabrikation in Blumenegg von 1863 an unter der neuen Firma „Hössly & Cie.“, gebildet durch die Herren Samuel Hösly, Oberst Heinrich Gum- Brunner von Zürich (1838—1899, vom September 1860 bis Mai 1862 Chemiker-Kolorist in Glarus, S. 301 Anm. 1) und einem Herrn Kölle von Ulm. Dieselben wandten sich mehr und mehr der Erstellung von Mouchoirs und Foulards in europäischem Geschmacke für den Konsum in Italien (speziell Sizilien), Spanien u.s. w. zu und waren in illuminierten Genres durch Neuheit der Muster und Schönheit der Ausführung öfters geradezu tonangebend. 9 Indem sie in den 1870er Jahren den Artikel Yasmas ganz über Bord warfen, bemühten sie sich dafür mit Erfolg, ihre andern z. T. sehr teuren Artikel auch im Orient einzuführen, während hier sonst :in den Breiten von 50—80 Centimeter nur billige Waren Absatz .gefunden hatten. — Yon 1873 an hatten sie als Vertreter in Konstantinopel die Firma Jenny, Kölle & Cie. 2 ); ausser in Produkten der Druckerei Blumenegg hielt dieselbe, wie verschiedene andere dortige Geschäfte, auch ein wohl assortiertes Lager in schweizerischen türkischroten Druckartikeln, Buntgeweben und .gefärbten Baumwollgarnen, übernahm noch Vertretungen in Seidenwaren, Sammeten und Handschuhen aus der Schweiz und Lyon, Baumwollflanellen, Teppichen und Tricotagen aus England, „Fez“ aus Oesterreich und Konfektionsartikeln aus verschiedenen Hauptstädten Europas. Nachdem jedoch die türkische Hauptstadt im Laufe der Jahre sehr viel an Bedeutung als Handelsplatz einge- büsst hatte, löste sich die Firma Jenny, Kölle & Cie. wieder auf; dagegen ist Herr Fritz Jenny, Bruder des Herrn Jenny-Oederlin, *) Nach Rücktritt des Herrn Hösly und mit Eintritt der Herren Carl Wettler (bis dahin Reisender der Firma Gebrüder Freuler in Ennenda) und Emil Forrer änderte sich die Firma um 1880 in Guns, Wettler & Forrer und wurde dann im Juli 1899 in die Aktiengesellschaft „Textil-D ruckerei in Blumenegg“ umgewandelt. 2 ) Gründer derselben waren die Herren Ed. Kölle (Bruder jenes Herrn K. in Blumenegg) und Jakob Jenny-Oederlin von Ennenda. Letzterer war seit 1861 Angestellter im Hause Trümpy & Jenny in Konstantinopel gewesen. 426 noch heute im Orientgeschäfte, in Firma Jenny & Vock, in Salonich thätig. Ueber die Yasmasfabrikation als solche möge hier noch folgendes erwähnt sein: Die Rohtücher, handgewobene „Mi-doubles“, wurden anfänglich aus den Kantonen Appenzell und St. Gallen bezogen; vom Ende der 1840er Jahre bemächtigten sich die mechanischen Webereien der Kantone Glarus, Zürich und St. Gallen 1 ) des Artikels und in der Folge trat auch die englische Konkurrenz auf den Plan; während letztere anfänglich nur für die extrafeinfädigen oder extradichten Sorten in Betracht kam, lieferte sie später schwere Mengen auch von den „ordinären oder II da Midoubles“ und den „Flörli“. Dass in manchen türkischen Provinzen auch die Webfransentücher einen erheblichen Verschleiss erzielten, haben wir schon S. 352 erwähnt; überhaupt verwendete man später für die Yasmas neben den glatten ziemlich viel croisierte Mi-doubles. In Beziehung auf die Dessins zeigen diejenigen aus der Zeit von 1835—1845 in den einzelnen Formen ziemlich steife, in der Anordnung jedoch elegante Kompositionen, Stiele, Blätter und Blumen, seltener Früchte, mit ausserordentlich feinen, schwarzen oder braunen Umrissen (Vordrucken). Hie und da fanden auch *) Von den st. gallischen Webereien erwähnen wir hier speziell diejenige in Neuhaus bei Eschenbach, da sie von einem Glarner, Herrn Georges Wild-Streiff (1824—1894) von Mitlödi, gebaut wurde. Derselbe war anfänglich in Strohhutgeschäften seiner Verwandten in Bordeaux und Paris thätig, verband sich dann mit Herrn Frits Diirst-Luchsinger von Mitlödi zur Fabrikation von Strohgeflechten, wofür sie sich in Lachen einrichteten. Indem Herr "Wild offenbar durch seinen Schwager, Yasmasfabrikant B. Streift in Oberurnen, auf die günstige Konjunktur in der Midouble-Weberei aufmerksam gemacht wurde, entschloss er sich 1857 in Neuthal eine mechanische Weberei zu errichten; dabei beteiligte sich anfänglich auch ein Herr Heinrich Turthaler, welcher jedoch noch vor der Eröffnung des Betriebes starb. Das Geschäft zählte 1860 zirka 200 Stühle und erstellte lange Zeit fast ausschliesslich für die Glarner Drucker sog. IIda Mi-doubles (in den Breiten von 23—44 französischen Zoll), später auch „Flörli“, fagonnierte Mousselines und mittelschwere „Rotfarbware“; inzwischen hat Herr Georges Wild Sohn die Nachfolge angetreten. — Herr Fritz Dürst begab sich nach der Geschäftstrennung von 1857 nach Bremgarten und hat dort die Strohgeflecht- Fabrikation fortgesetzt. 42? Sujets Verwendung, z. B. Pavillons und andere kleine Bauwerke,. Dampfschilfe mit dem Namen des Sultans Medschidsch, ferner Koransprüche u. s. w. Hatten sich die Produkte einer Fabrik einen guten. Ruf erworben, so verlangten die Kunden, dass jedes Tüchel den arabischen Firmastempel trage, worauf man diese Waren dann Gamdali d. h. gestempelte nannte. Als Illuminationsfarben treffen wir gewöhnlich: rot, rosa, grün, blau und gelb, manchmal stellenweise übereinander fallend und so Zwischentöne erzeugend;, während der 1840er Jahre druckte man auch, als kleiner Spezialartikel, Goldbroncefarben auf dunkle Gründe. Die gangbarsten z. T. heiklen Bodenfarben finden sich schon S.412 angegeben. Es handelte sich durchgehends um Tafel- und Dampffarben, mit Ausnahme der blauen und schwarzen Böden. Dieselben erstellte- man durch Vordrucken und Bödmen von verdickter Eisenbeize und Ausfärben 1 ) in Ferrocyansäure bezw. Blauholz, worauf erst die Illuminationsfarben in mühsamer und wenig exakter Weise- eingepasst werden konnten. In den 1840er Jahren gelangte man dann dazu, das Ferrocyan-Dampfblau, das man vorerst nur für Rentrures benutzt hatte, nun auch zur Erstellung gleichmässiger satter und feuriger Böden anzuwenden. Viel später erfolgte dagegen eine solche Aenderung bei den Schwarzboden, da dem gewöhnlichen Tafel- oder Dampfschwarz, als Bodenfarbe angewandt, ein unschöner bräunlicher Stich anhaftete und beide Farben am Licht rasch verschiessen. Erst um die Mitte der 1860er Jahre,, als das „Anilinschwarz“ entdeckt und als direkte vorzügliche Bodenfarbe, die man zuletzt einpassen konnte, erkannt war, verschwand jene umständliche Schwarzfärberei der Yasmas. Inzwischen hatte sich der orientalische Geschmack in den Dessins im Allgemeinen als höchst stabil erwiesen; jahrzehntelang arbeiteten die gleichen oder sehr ähnliche Vorlagen, nur wurden, als die Verkaufspreise- sich fortwährend verschlechterten, die Zeichnungen einfacher und ’) In diesem Sinne müssen wir es auffassen, wenn ein Referent über die „Entstehung und Entwicklung der chemischen Industrieen in der Schweiz“ (auf S. 10 der bezüglichen, im Auftrag der „Schweiz. Gesellschaft für ehern.. Industrie“ verfassten und 1901 erschienen Broschüre) von „Türkenkappenfärberei“ spricht, ein Ausdruck, welcher nach der spätem Fabrikationsweise nicht mehr verständlich wäre. 428 plumper gemacht und die Konturen verstärkt, um im Druck rascher und billiger produzieren zu können. Wenn es somit als Regel und Vorschrift galt, sich möglichst innerhalb des Rahmens der türkischen Originalien und des herrschenden Geschmackes — ziemlich steife, stylisierte pflanzliche Motive — zu bewegen, war damit nicht ausgeschlossen, dass etwa einmal auch eine Serie neuer, abweichender Sachen sich Bahn brach; dies war z. B. der Fall mit ■den schönen vielfarbigen Cachemires 1 ), welche das Haus Heinrich Brunner in den 1850er Jahren auf den Markt brachte und welche namentlich in Syrien einen dauernden Erfolg erzielten. Im übrigen .legten die Orientalen hauptsächlich Wert auf abwechslungsreiche Boden- und möglichst feurige Illuminationsfarben; eine gewisse Rolle als zarte meergrüne Bodenfarbe spielte beispielsweise (vor der Aera der Anilinfarben) das etwas schwierig herzustellende sog. „Giftgrün“, im wesentlichen mit Grünspan und Seifenwurzel- abkochung bereitet; die Brunner’sche Fabrik wusste das Geheimnis ■dieses Kupfergrüns, welches man nach dem Waschen der übrigen Farben einpasste, während mehreren Jahren zu bewahren. Je mehr die Fabrikanten mit ihren Absatzgebieten in direkten Verkehr kamen, desto mehr wurden die Yasmas ausgestaltet d. h. verschiedene Abarten derselben geschaffen, indem man die für jede Provinz passenden Dessins, Farben, Tuchqualitäten und Grössen feststellte. Hatte es sich bis in die zweite Hälfte der 1840er Jahre fast ausschliesslich um 10/4 Mi-double in einer couranten Qualität gehandelt, so kamen nun alle möglichen Breiten, von 22 bis 47 französischen Zoll, auf und wurden „feine“ (I a bis extraprima) und „grobe“ (II‘ la oder ordinäre) Mi-doubles unterschieden. Die feinen hatten im Zettel 18—21, im Schuss 15—21 Fäden auf */ 4 französischen Zoll im Quadrat, Zettelnummer 60 Mako, Schussnummer 54 Mako; die groben wiesen im Zettel 14, im Schuss anfänglich 12—13, später 10—9 Fäden auf, Zettelnummer 40 b Dieselben waren Kompositionen des geschätzten Fabrikzeichners Joh. 'Heinrich Speich-Jenny von Luchsingen (Vater von Herrn Julius Speich- Angst, früher in Firma Kläsi, Speich & Cie. in Beirut), welcher, vorher in Mouchoirsfabrikenthätig, mit den damals im Lapisartikel florierenden „Palmen“ Bekanntschaft gemacht hatte und dieselben nun in geschmackvoller Weise -auf den Yasmasartikel übertrug. 429 » ' amerik., Schussnummer anfänglich 50, später 54 oder 60 amerik. Ein weiterer Schritt in jener Richtung geschah in den 1850er Jahren, indem die Firma Joh. Heer ein ganz leichtes, florartiges Mousselinegewebe (in den Webereien einfach mit „Mousseline“ bezeichnet zum Unterschied von den „Mi-doubles“ oder„Jaconas“) einführte, welche sog. Flörli dem Yasmas-Artikel neuerdings eine vielseitigere Verwendung und damit vermehrten Absatz verschafften- sie waren 14/1 lfädig, Zettelnummer 70—90, Schussnummer 120.. Eine bestimmte Sorte dieser Flörli, die Scutarli oder Festücher für Männer erwähnten wir schon S. 406; hübsch und originell präsentieren sich auch die schmalen Tschatky -Schleier und diejenigen auf Mousseline-Gaze mit Streifen im Rohgewebe, beide von den Türkinnen getragen. Als Ausrüstung kam für fast alle- Yasmasartikel ein mehr oder weniger starker Cylinderappret auf, während sie wie es scheint in den ersten Zeiten vorherrschend: ohneAppret („natural“) geliefert wurden. Die stetig ansteigende Produktion konnte nur dank dem Um stände untergebracht werden,dassdiesebedrucktenMi-doublesundMousselines. in den unter dem Halbmond stehenden Ländern immer mehr in Mode kamen (z. T. an Stelle einheimischer weisser,. uni-gefärbter, gemalter oder gestickter Tücher) und dass ihr billiger Preis der ärmeren Bevölkerung erlaubte, mit. solchen einen gewissen Luxus zu treiben und davon viel, mehr als früher zu gebrauchen. Ausser den bis jetzt behandelten Turbantüchern und Schleiern haben wir als besondere Arten abgepasster Tücher noch die Gebet-Teppiche und die Bettdecken zu erwähnen. Erstere werden in zirka 1 Meter Breite und l 1 / 2 Meter Länge oder auch grösser auf gewöhnliches Calicotgewebe gedruckt, als billige Nachahmung gewirkter wollener Teppiche (auf welchen die Muhamedaner morgens und abends mit erhobenen Händen knieend, bezw. mit dem Gesicht, den Boden berührend, ihre Gebete verrichten); sie zeigen breite Blumenbordüren und im farbigen Boden symbolische Gegenstände,.. Ampeln und dergl. in bestimmter Anordnung. Die Bettdecken ( Yorgan), zirka 180 cm breit und über 2 m lang auf Mi-double- Gewebe erstellt, sind Nachahmungen einheimischer seidener Produkte; die Dessins zeigen an dem Rande breite Guirlanden und' 480 im Boden ein Riesenbouquet, einen Baum oder dergl.; sie werden gewöhnlich auf Tücher von halber Breite gedruckt und schliesslich zwei halbe Decken genau passend zusammengenäht. Die Konsumenten verwenden sie in der Weise, dass sie sie mit Watte füttern und absteppen, wobei für die dem Bett zugekehrte Fläche gewöhnlich ein uni-türkischrotes oder irgend ein solidfarbig bedrucktes Stück Tuch genommen wird. Neben diesen abgepassten hat man auch Bettdecken mit fortlaufenden Mustern. Als in den Rahmen der Yasmas-Fabrikation gehörend, betrachtete man stets auch die in ähnlichen Farben, auf gewöhnlichem 19/12 bis 19/14 fädigem croisiertem Gewebe gedruckten „Chäles“, die von den Levantiner - Chäles (S. 372) ausgehend, mit einigen Abänderungen und neuen Namen, mit angeknüpften wollenen oder baumwollenen gewobenen, früher auch wohl gezwirnten Fransen versehen, noch heute als Schultern-und Brusttücher einen nicht unbeträchtlichen Verschleiss aufweisen. Schliesslich haben wir noch einige originelle solide Genres auf Midouble- Gewebe namhaft zu machen, welche sich ebenfalls als Nachahmungen türkischer Originalien qualifizieren; es sind dies die „Yerli“ 1 ) und „Nefti“, welchen man noch die „Uso India“ beigesellen kann. Die Dessins der Yerli zeigen im dunkelindigoblauen Boden ein Riesenbouquet oder einen weitverzweigten Baum mit Blättern, Blüten und Früchten, am Rande eine steife Guirlande; die Fabrikation stimmt genau mit derjenigen der „Lapis Grosbleu“ (S. 376) überein, ist also eine Kombination des Indigoblau mit Krapprot und Tafelgelb, letzteres mit dem Hellblau stellenweise Grün erzeugend. Die Dessins der Nefti zeigen gerade Strichrande und in denselben sowie im Boden Tupfen oder sehr plumpe Fruchtformen (d. h. kaum als solche erkennbare Aepfel, Zwetschgen und Kirschen); die Herstellung ist im Grunde dieselbe, nur wird der Boden in halb dunklem Indigoton gefärbt und es ist dieses Mittel- *) Das Wort „Yerli“, dessen Bedeutung als Adjektiv wir schon S. 414 erläutert haben, könnte hier etwa mit dem Ausdruck „Einheimisch par excellence“ übersetzt werden. Die türkischen indigoblauen Yerli und Nefti wurden übrigens in Glarus bald so absolut genau nachgeahmt, dass man im Verkauf keinen Unterschied mehr zwischen einheimischer und fremder Ware machte. 431 Indigo schliesslich unvermischt nur noch an der Kante der Tücher sichtbar; denn in der Zeichnung des Randes ist es durch das Gelb in ein dunkles, trübes Grün — Grosvert 1 ) — und im Boden durch das darauffallende Rot in ein eigentliches Violetbraun verwandelt. Die Uso India waren eine Nachahmung ursprünglich indischer Seidentücher, deren Dessinsschlag wir schon S. 41 Anm. 1 charakterisiert haben; sie zeigten schwarze Vordrücke und krapprote Böden, die weissen Partien in oder nach dem Krappbade mit Curcuma, später auch wohl mit dem solidem „Flavin“ sattgelb gefärbt. Da die Fabrikation dieser drei Genres durchaus in diejenige der Mouchoirs einschlug, überliessen die Yamasfabrikanten dieselben gern den Mouchoirsdruckern; mit den Yerli und Nefti befassten sich in den 1840er und 1850er Jahren hauptsächlich die Firma Balth. Tschudi & Cie. und von da an bis 1890 die Firma Gebr. Freuler; daneben stellten andere Fabriken einen geringem, billigem Abklatsch her, indem sie das Indigoblau durch gefärbtes Ferrocyan- blau und das Krapprot durch Tafelrot ersetzten. Neben den bisher behandelten abgepassten Artikeln versuchten einige Fabrikanten, die Yasmas-Dessins und -Farben auch als lange Ware, also als „Indiennes“ (in Syrien besonders in „Rayes“- oder „Colonnen-Mustern“) türk. „Basma “ zu drucken; auf diesem Gebiete dominierte jedoch, soweit es nicht von den Buntgeweben in Beschlag genommen war, schon sehr frühe England mit seinen auf dem Rouleau gedruckten, billigem und in Farben solidem „Prints“ (auf gewöhnlichem Calicot-Gewebe), so dass die bezüglichen GlarnerArtikel auf Midouble-Gewebe daneben keine nennenswerte Rolle spielen konnten. Dem Geschmacke der Abnehmer entsprechend, verwendet man auf die Verpackung der Yasmas eine gewisse Sorgfalt; so *) Ein anderer, ähnlich fabrizierter Artikel, der in Serbien zwar in kleinern Posten, jedoch während mehreren Jahrzehnten gangbar blieb und auf gewöhnliches, mittelschweres Tuch gedruckt wurde, hiess „Lapis Grosvert Nationalmuster“, von den Druckarbeitern „Lapis-Schlegeli“ genannt; sie wiesen in 8/4 (später 6Vs/4) Breite, ähnlich wie bei den „Fichus“, zwei nebeneinander laufende Dessins auf und zwar durch alle Jahre hindurch immer die gleichen, das eine eine stylisierte Blume, das andere eine steife, rundliche Frucht mit kurzem Stiel, einem kleinen Druckerschlägel nicht unähnlich, vorstehend. 432 wird bei den Flörli oder Yasmas-Mousseline jedes einzelne Tuch gewöhnlich in ein weisses Seidenpapier geschlagen und kommen dann je 60—100 Stück in eine Karton-Schachtel; bei den Yasmas- Midoubles oder -Jaconas begnügt man sich in der Regel damit,. 60—96 Stück (5—8 Dutzend) in farbiges Papier zu verpacken. Schon in den 1820er Jahren, also schon vor Erfindung der europäischen Yasmas, hatten glarnerische Mouchoirs ihren Weg über Italien nach der europäischen und asiatischen Türkei gefunden; wenn nun auch später die grosse Masse des Exportes dahin in Yasmas und verwandten Genres bestand, so blieben, doch auch die Mouchoirs sowie Türkischrote aller Art stetsfort in Konsum und es ist derselbe bis gegen das Ende der 1870er Jahre als ein beträchtlicher zu bezeichnen. Die Mouchoirs wurden als eigentliche Schnupf- oder Sacktücher, sowie als Hand-, Halsoder Kopftücher, oft auch als kleine Schürzen von Bediensteten in Yerkaufsläden, zum Tragen von Früchten u. dergl. verwendet und zwar vorherrschend in billigen Qualitäten von 16/16 bis 15/12' Faden in Nr. 38 oder 40 Zettel und Nr. 44—50 Schuss, von 75 cm Breite abwärts bis 37 cm. Als wichtigste bezügliche Artikel' nennen wir: 1. Einfach- und Doppel-Indigoblaue mit Weiss oder Kreuzbeergelb, mehr oder weniger fast überall gangbar. 2. Einfache Krapprote, oft mit Eindrucknankin, welches- das Rot stellenweise in Braun verwandelte; dann auch Uso Rouen, mit Strohgelb, Uso Merinos, in geometrischen Ornamenten (Car- reaux, Rosetten). Absatzgebiet: Europäische Türkei, besonders- Rumänien und Griechenland. 3. Uso Tela oder Braun- und Schwarzboden mit Aetzweiss, in Kleinasien und den Inseln gangbar. 4. Kaliblau mit Weiss und Französischblau mit Weiss,.. in einfachen Strich-, Tupfen- und Blumendessins, in Bulgarien^. Mazedonien und Kleinasien gangbar. 5. Kaliblau mit Mineralgelb und Mineralorange, Blumen- und Arabeskendessins, für Mazedonien und Persien verlangt, für letzteres Land häufig auch als lange Ware gedruckt. 6. Mignonettes, in Schwarz und Rot und auch Albuminfarben gedruckte, sehr leichte Blumen- und Phantasiedessins, in den Boden nachträglich oft helles Rostgelb (Nankin) eingepasst mit starkem und 'glänzendem Appret. — Absatzgebiet: Europäische Türkei, besonders Serbien. 7. Foulards Uso Seta, Blumen, Ornamente und Figurenbilder mit 1—5 glänzenden Anilinfarben und andern Tafel-, Dampfoder falschen (ungewaschenen) Farben, oft auch als „Fichus“ gedruckt, in weicher, glänzender Ausrüstung, in der ganzen europäischen Türkei gangbar. 8. Mouchoirs „Solidorange“ d. h. gefärbtes Chromorange mit Anilinschwarz, weiss- oder Rankin-bödig, besonders in Bulgarien beliebt. Von Türkischrot gingen in der ganzen Türkei neben einer Menge uni-roter, meistens 60 cm breiter Tücher (16/14 oder 19/14fädig, in Coupons von 15 aunes), in den gleichen Qualitäten und Grössen auch 1—öfärbig geätzte Indiennes-Merinos mit und ohne „Double rose“, dann ähnlich fabrizierte Mouchoirs, Bettdecken, Fenstervorhänge, Chäl es, Portier es, die beiden letzten Artikel in prachtvollen vielfarbigen Cachemires-Dessins und breiten und schweren Tuchqualitäten namentlich nach Persien verkäuflich. Haben wir in Vorstehendem eine ausführliche Darstellung des Orientgeschäfts in schweizerischen Druckwaren gegeben, so müssen wir hier 1 ) noch einen kurzen Abschnitt über die baumwollenen Buntgewebe einschieben, wenn wir ein vollständiges Bild von der Bedeutung erhalten wollen, welche die türkischen Länder als Absatzgebiet der schweizerischen Baumwollindustrie weiland gehabt haben. Die Anfänge des Exportes von weisser unbestickter und von weiss oder farbig bestickter St. Galler Mousseline für Frauenschleier und Männerturbane lässt sich bis zum Jahr ’) NachDr. H. Wartmann’s „Handel und Industrie des Kantons St.Gallen“ und privaten Mitteilungen glarnerischer Kaufleute sowie nach den „Neuen volkswirtschaftlichen Studien über Konstantinopel“ (Wien, 1882, Verlag des orientalischen Museums) mit einem von Herrn Jenny-Oederlin verfassten Abschnitt über „Schweizer Baumwoll-Webewaren in Konstantinopel“. 434 1815 zurückverfolgen; später hatten diese Artikel sowie die in der Foige ebenfalls zur Einführung gelangenden bestickten Vorhangstoffe schwer mit der Konkurrenz gleicher oder ähnlicher Artikel aus England und Frankreich zu kämpfen, konnten sich aber in einem gewissen Umfang bis in die Gegenwart auf den orientalischen Märkten erhalten. In den gleichen Jahren nun, in welchen die Glarner Yasmasdruckerei entstand, that sich auch für die Toggenburger (und in der Folge für die übrige schweizerische) Baumwoll- Buntweh er ei in der Türkei ein glänzendes Absatzfeld auf und zwar meistens in Artikeln, die mit den glarnerischen Druckwaren in ihrer Anwendung nicht in Konkurrenz standen, indem es sich vorwiegend um Stückwaren (Cotonncccles) handelte. Der erste dieser Artikel waren die Printaniers 1 ), croisiert gewobene gestreifte Gewebe, die man schon in den 1820er Jahren für Italien und Dalmatien erstellt hatte, die sich aber auch als einem einheimischen levantinischen Artikel nahestehend erwiesen und daher nun auf fast allen orientalischen Märkten, besonders für Männerwesten und -Jacken, zu steigendem Absatz gelangten. Vom Ende der 1830er Jahre warfen sich sodann die St. Galler Kaufleute und Buntweber auf die Nachahmung der besonders für Frauenhosen (S. 403) in starkem Verbrauch stehenden, im Orient in Halbseide farbig gewobenen Kleiderstoffe; die wichtigsten dieser teils einfachen, teils auf Batieres- und Jacquard-Stühlen erstellten Baum- woll-Buntge wehe waren die Moreas, gestreifte, glatte undbrochierte, oft sehr feine Gewebe mit sehr dichtem Zettel und lebhaften Farben; die Cutnies, gestreifte, faqonnierte Atlasgewebe; Plakirs, gestreifte oder karrierte sehr reiche Jacquardgewebe, oft mit Gold oder Silber brochiert; Demi-Cotons, gestreift und grobcroisiert gewoben und zwar wie die übrigen nur in Baumwolle, so dass der Name lediglich andeutet, dass es sich um eine Nachahmung von Halbseide- Halbbaumwolle handelt; sog. Gonzenbächli, karrierte und andere mit farbigen Blumen durchwirkte Mousseline- und Midouble-Gewebe, *) Nach dem Sprachgebrauch der Kaufleute ist die obige Schreibweise die richtige und nicht Printanieres. Die Entstehung und Bedeutung dieses Namens ist nicht genau bekannt; während er wörtlich genommen mit „Prühlings- artikel“ übersetzt werden könnte, soll er nach Andern mit dem englischen „Prints“ (als Nachahmung englischer Druckwaren) in Verbindung stehen. in der Schweiz zuerst von dem st. gallischen Hause Gonzenbach in den Handel gebracht. Nachdem derVerschleiss in diesen Artikeln in kurzer Zeit ganz aussergewöhnliche Dimensionen angenommen hatte, trat in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre ein Rückschlag •ein und zwar durch die Konkurrenz der billigen und ziemlich soliden Baumwoll-Druckwaren Englands und durch die in brillanten Farben gedruckten Wollmousselines Frankreichs und Oesterreichs. Durch Aufnahme neuer Artikel und gediegene Ausführung ■vermochte sich jedoch die schweizerische Buntweberei von den 1850er Jahren an wieder herauszuarbeiten, so dass ihr Absatz speziell nach den türkischen Ländern bis in die zweite Hälfte der 1870er Jahre als ein recht bedeutender zu bezeichnen ist. In dieser Zeit und bis in die 1880er Jahre handelte es sich vorwiegend um folgende Genres: 1 . Printaniers (türkisch „Schaitan Besi“ oder 'Teufelstücher genannt), teils in den alten klassischen Streifendessins, mit Weiss, Türkischrot und Indigoblau, je nach dem Vorherrschen der einen oder andern Farbe als „Rotboden“ oder „Blauboden“ bezeichnet, teils in Phantasiedessins, in welchen auch grüne, gelbe und anders farbige Streifen Vorkommen, in den Breiten von 46—50 cm, in Stücken von zirka 50 m Länge, in neuerer Zeit auch wohl doppelbreit mit Verbindenden und in halbsoliden Farben gewoben; 2. Bobes Aladjas 1 ), 2—4farbige Streifendessins, Rot- und Blauboden vorherrschend, gelbe, weisse, grüne, orange und schwarze Streifen zurücktretend, ähnlich den Printaniers, jedoch glatt und mit viel gröbern Garnen gewoben, Breite 42—50 cm, Länge zirka 30 m, welche beim Verkauf in 4 „Roben“ von 6—8 m zerschnitten werden und für Männerwesten, besonders aber für leichte, blousen- artige und meistens ziemlich lange Oberkleider, welche die Männer im Orient während der heissen Jahreszeit tragen, Verwendung finden (früher nur in ächten, in neuerer Zeit auch in halbächten Farben und doppelbreit, mit Verbindenden gewoben); 3. abgepasste Pestimals (spr. Pestimels) oder Badetücher, als Trockentücher in den Bädern sowie auch als Badhosen oder Bademäntel in den orientalischen Städten in starkem Gebrauch (in den kostbaren Sorten vom Inland geliefert), 3 / 4 bis 1 m breit und 1V 2 bis 2 mal *) Auch Aladgias geschrieben und dabei j bezw. gi wie sch gesprochen.. 436 so lang, schwere, grobfädige Stoffe, in Blau-, Rot- und Weissboden r als begleitende Farben grün und schwarz und besonders gelb oder wirkliche Goldfäden aufweisend, gewöhnlich paarweise zusammengelegt und per Paar oder per Dutzend verkauft. Die Dessins zeigen feine Längs- und breite Querstreifen und einen Abschluss von losen Webfransen; nach der Zahl der so an den Enden sichtbaren, kleinen weissen Streifen oder Kalem bezeichnet man auch die Grössen, so dass z. B. 24 Kalem einer Grösse von 76 X 114 cm, 45 Kalem einer solchen von 105 X 183 cm entspricht. 4. Futahs oder Schürzen, von Krämern und Handwerksleuten getragen, in den Grössen und derAusstattung den Pestimals ähnlich und ebenfalls abgepasst gewoben, Farbenassortiment: 30% Blauboden, 70% mit je vorherrschendem orange, hochgelb, violett, grün bezw. kaffeebraun. 5. Echarpes oder Leibbinden, im Orient zum Warmhalten der Magengegend und zum Schmucke sehr viel und zwar stets über den Kleidern getragen, in Grössen von 13 X 70 bis 28 X HO Inches gewoben, also 4—5 mal so lang als breit, an den Enden 3—5 Inches Webfransen, in bunten, meistens unächten oder halbächten Farben, besonders mit viel Gelb oder ächtem oder imitiertem Gold; man unterscheidet je nach Dessins und Qualitäten Echarpes Süsmes, Echarpes Magnesia und Echarpes tarabulos; die Schweiz liefert vorwiegend einfache, baumwollene Serge-Gewebe, während andere europäische Länder schöne seidene und halbseidene Jacquardstoffe, sowie auch wollene mit und ohne Stickereien erzeugen. 6. Mouchoirs Barocs, rot und weiss karrierte, solide und halbsolide Sacktücher, mit oder ohne leichtem Jaconet-Appret, in den Grössen von 26/24, 24/22 und 22/20 französischen Zoll, und Mouchoirs Moslem, vielfarbige, kleinkarrierte mit steifem Hochglanz in 24, 26 und 28 französischen Zoll im Quadrat. In den letztverflossenen zwei Dezennien ist der Yerschleiss von Schweizer Buntgeweben in den türkischen Ländern durch die dortige einheimische und die englische Konkurrenz leider auf ein sehr bescheidenes Mass gesunken; dagegen hat für die Bedürfnisse der erstem die Einfuhr von weissen und bunten Garnen aus Westeuropa erheblich zugenommen. 437 Die Zollverhältnisse hatten sich für das Orientgeschäft von jeher günstig gestaltet; in der Periode von 1830—1860, als die Großstaaten des europäischen Festlandes in schärfstem Protektionismus erstarrt waren (S. 363 u. ff.), war es das türkische Reich, welches freien Warenaustausch, freies Spiel der wirtschaftlichen Kräfte gewährte und so den Glarner Druckwaren ein lohnendes Absatzfeld hot. Nach den schon S. 433 Anm. 1 erwähnten „Neuen volkswirtschaftlichen Studien über Konstantinopel und das anliegende Gebiet“ betrugen die türkischen Mauthgebühren für aus Oesterreich-Ungarn kommende Waren vom Passarovitzer Vertrage im .Jahr 1718 an bis 1838 für Ein- und Ausfuhr nur je 3°/ 0 , für den Transitverkehr (nach Persien u.s.w.) je 5°/ 0 vom Werte. 1838 erhöhten sich diese Ansätze auf 5 °/ 0 für die Einfuhr und auf 12°/ 0 für den Transit oder die Wiederausfuhr aus der Türkei; sie galten auch für Schweizerwaren, die via Triest oder aus einem andern österreichischen Ausgangsorte nach der Türkei versandt wurden. Seit 1861/62 ist die Schweiz im französisch-türkischen Handelsverträge •eingeschlossen und es beträgt der türkische Eingangszoll ungefähr 8 % vom Werte; der Transitzoll wurde damals auf 1 % ermässigt und ist seit 1873 auf der Schwarzen Meer-Route ganz in Wegfall gekommen. Aehnlich lauten die Verträge mit den meisten der übrigen europäischen Staaten; nur sind in den verschiedenen Tarifen jeweilen die Wertansätze gewisser Warenkategorien festgelegt und in andern wieder nicht, weshalb kleine Unterschiede in den Zollbeträgen von Land zu Land Vorkommen und die türkische Zollbehörde sich in streitigen Fällen von jeher Vorbehalten hat, den Zoll auch in natura zu beziehen. Seit einigen Jahren hört man hin und wieder, die h. Pforte habe die Revision dieser -Staatsverträge ins Auge gefasst; eine wesentliche Aenderung (Verschlimmerung) ist jedoch glücklicherweise bis jetzt nicht eingetreten. Ueber die Wandlungen in der Preislage der Yasmas-Artikel während der Periode von 1840—1860 ist in Kürze folgendes zu bemerken: Infolge der vermehrten Konkurrenz trat bald nach 1840 ein erheblicher Preisfall ein, welcher durch die weichenden Tücherpreise noch verschärft wurde. Man sah sich daher veranlasst, sich mit der veränderten Situation durch etwas billigere Qualitäten 438 und die schon früher angedeutete ökonomischere Fabrikation abzufinden; immerhin konnte man von einer eigentlichen. Krisis, wie- sie in so vielen andern industriellen Betrieben damals eintrat,, nicht sprechen. Schon von 1850 an belebte sich dann das Geschäft wieder bedeutend und erreichte namentlich während des Krimkrieges 1853/56 den Gipfel einer fast beispiellosen Prosperität. Indem die Einwohner ihr Getreide und Vieh und vielesandere schlank und zu guten Preisen den französischen und englischen Heeren abgeben konnten, kam eine Menge Geld in ihre Hände, das sofort wieder in Umlauf gesetzt wurde. Stellte dies- eine mehr lokale, aussergewöhnliche Ursache dar, so trat dazu der Umstand, dass im Jahr 1849 in der Tendenz der Rohtücherpreise, welche seit 1815 mit wenigen Pausen eine weichende gewesen war, ein gründlicher und lange dauernder Umschlag eintrat. Während man bis jetzt jeweilen für die Ueberträge aus- dem Vorjahr meistens mit Abschlägen und andern Einbussen hatte rechnen müssen, konnte man nun, abgesehen von den sonst schon guten Erlösen, auch „am Lager“ etwas verdienen. Das erhöhte Preis-Niveau blieb von 1849 an bis 1860 mit geringen Schwankungen stabil; es war dies neben dem Aufschwung im Handel nach überseeischen Gegenden ein Hauptgrund, dass auch die Mouchoirs-Druckerei die 1850er Jahre zu den besten seit ihrem Bestehen zählen konnte. Die Battick-Fabrikation von 1840—I860. 1 ) Auch zum Verständnis dieses industriellen Zweiges ist es geboten, sich vorerst, mit der Art der Bekleidung in den betreffenden Konsumländern d. h. in Vorder- und Hinter-Indien und auf den Inseln des ‘) Für das Wort „Battick“ wählen wir obige in Brookhaus C.-L. angewandte Orthographie; nach seinem Ursprung bedeutet es, bezw. das davon abgeleitete Zeitwort, Tätowieren, Zeichnen, Malen, speziell „Malen auf Baumwollstoff mittelst Bienenwachs.“ 439 malaiischen Archipels vertraut zu machen. 1 ) Obwohl die meisten Völker (besonders die Altperser, Griechen, Araber und Mongolen), welche Vorder-Indien im Laufe der Jahrhunderte invadierten, durch Neuerungen oder Veränderungen in den Trachten ihre Spuren hinterlassen haben und ebenso die Occupation durch europäische Nationen nicht ohne Einfluss geblieben ist, so bedeckt sich doch noch heute ein grosser Teil seiner Bewohner in einer der Urtracht sehr ähnlichen Weise mit ungenähten rechtwinkligen, selten dreieckigen, grossen Chäles oder langen Schärpen zu vergleichenden Tüchern, mit sog. Loom-mades, mit welchem Ausdrucke der Engländer alle solchen auf dem Webstuhl verfertigten Gewandstücke, die nachher keine Nadel mehr zu berühren braucht, bezeichnet. Dieselben werden nach mehr oder weniger geschmackvoller Art in Falten und Schlingen um einzelne Körperteile gelegt. Es wird (nach AVatson) vermutet, dass die Nadel und somit das Nähen in Vorder-Indien vor Einbruch der muhamedanischen Araber gar nicht bekannt gewesen sei; anstatt eines Saumes iiess man früher häufiger als heutzutage als Abschluss die Zettelfäden ein Stück weit als verknüpfte Webfransen am Ende des Tuches stehen; noch heute sollen sich hauptsächlich muhamedanische Männer mit Nähen und Sticken abgeben. Ein indischer Mann ärmster Klasse braucht zu seiner vollständigen Bekleidung nichts als ein weisses oder farbiges Baumwolltuch von zirka 1 Meter Breite und zirka 15 Meter Länge, welches er in drei ungleiche Stücke zerschneidet; eines legt er als Schurz ’) Dabei stützen wir uns, was Vorder-Indien an belangt, neuerdings auf Hottenroth’s Trachten der Völker alter und neuer Zeit“ (1884 und 1891), sowie auf „The Textile Manufactures and the Costumes of the People of lndia“ by J. Forbes Watson (London, W. H. Allen & Cie., 1867); diese ziemlich seltenen Werke wurden dem Verf. in verdankenswertester Weise nebst verschiedenen andern Fachschriften von Herrn U. Meyer, Direktor der Seidenwebschule in AVipkingen-Zürich, zur Verfügung gestellt. Ueber die Trachten im festländischen Plinter-Indien und im niederländisch-indischen Kolonialreich, sowie speziell über den ßattick-Artikel informierte sich der Verf. teils bei mit den dortigen Verhältnissen vertrauten Glarnern, teils durch die bis jetzt erschienenen zwei Lieferungen des S. 89 Anmerk. 1 erwähnten, höchst bemerkenswerten Werkes, in' welchem diese Gegenstände mit vollkommener Sachkenntnis, ja mit einer eigentlichen Begeisterung und Hingabe geschildert werden. 440 oder Dhotis (engl. Dhootee) um die Lenden und Oberschenkel, eines windet er als Turban oder Pugri um den Schädel und das dritte wirft er über eine Schulter, um es bei schlechtem Wetter oder bei feierlichen Anlässen als Mantel oder Buppai (engl. Loongee) zu benutzen; in diesem Falle nimmt er das letztgenannte Stück von hinten her über beide Schultern nach vorn, kreuzt es, wirft die Enden rechts und links zurück und zieht den Nackenteil über den Kopf. Gehen wir eine Stufe höher, so finden wir, dass zur Garderobe der männlichen Indier gewöhnlich auch noch ein baumwollenes Hemd mit Gürtel gehört und dass die zuerst genannten drei Gewandstücke aus, dem Zwecke jedes einzelnen angemessenen, in Grösse und Material verschiedenen, oft sehr feinen Zeugen hergestellt, sowie durch Schnallen, aufgenähte Borten, Stickereien u. dergl. verziert sind. Die baumwollenen, selten seidenen, sehr leichten Turbantücher sind alsdann bloss 9—137 2 Inches*) breit, dagegen gewöhnlich sehr lang und dies umsomehr, je feiner und leichter der Stoff ist; sie sind weiss oder bunt gewoben, selten gedruckt, sehr häufig auch hell einfarbig und dann meistens mit Stickereien verziert. Der Dhotis oder Schurz der Männer ist 32—46 Inches breit und 3—5 Yards lang; er wird, von reichen, verzierten und selten getragenen Prunkstücken abgesehen, häufig gewaschen (in manchen Gegenden zufolge religiöser Vorschriften täglich) und besteht aus weissem oder in nur soliden Farben gefärbtem, gedrucktem oder buntgewobenem Baumwollstoff. Er wird so um die Hüften gelegt, verknotet und verschiedene Male zwischen den Beinen durchgenommen, dass er Unterleib und Oberschenkel vollkommen bedeckt; einen überschüssigen Zipfel lässt man oft vorn wie eine Schürze herabfallen, oder man ordnet bei dem Umlegen die Falten derart, dass der Schurz wie eine Pumphose oder ein Unterrock aussieht. In den ärmsten Volkskreisen *) Da fast alle Originalangaben über Grössenverhältnisse in Indien auf englisches Mass lauten, wurde von einer Umrechnung ins metrische Mass in der Regel Umgang genommen. 1 Yard (Elle) = 3 Reet (Fuss) = 36 Inches (Zoll) = 0,9144 Meter. 1 Inch ist also = 0,0254 Meter. 1 Pound (1b) = 453,6 Gramm. 1 Hundredweight (cwt) = 112 Ibs = 50,8 Kilogramm. 1 ton = 20 cwt. 441 kann er auch wohl zu einem schmalen Lendentuch zusammenschrumpfen und heisst dann englisch - indisch „Langgoti “. Das Manteltuch ist 1—P/ 2 (selten 3) Yards breit und 3—6 oder noch mehr Yards lang d. h. meistens 2—3 mal so lang als breit, gewöhnlich baumwollen, selten halb- oder ganzseiden, oft verschiedenartig verziert, wobei an die Solidität der Farben kein so strenger Maßstab angelegt wird. Der Gürtel (englisch-indisch Kummerbund) zum Einschnüren des Hemdes und etwa auch des Schurzes besteht gewöhnlich aus einem 10—15 Inches breiten und 3—6 Yards langen weissen oder bunten Tuche. Noch etwas mehr Interesse als diese ungenähten Bekleidungsstücke der Männer bietet der „Sari“ (englisch Saree) oder das entsprechende Wickelgewand der Frauen, welches noch heute von den Indierinnen aller Stände häufig getragen wird und oft genug die einzige Hülle derselben ausmacht. Der Sari besteht aus nur einem weissen oder farbigen Stück Baumwolltuch (in den höhern Ständen oft aus feinster Baumwoll-Mousseline mit eingewobenen Bildern — figured muslins — oder aus Seide, seltener aus Wolle); er weist jedoch eine durchschnittlich erheblich grössere Länge als der Dhotis, nämlich von 3—9 Yards auf eine Breite von 1—P/ 2 Yards, auf. Da er, von Prunkstücken abgesehen, öfters gewaschen wird, sollen die zum Bedrucken oder Einweben verwendeten Farben in der Regel acht sein. Die Indierinnen verstehen sich nun darauf, dieses an sich so einfache Gewand mit grosser natürlicher Anmut umzulegen, indem sie es in schönen Falten und Schleifen um die Lenden und die Beine (oft bis auf die Knöchel hinab), dann um Oberkörper, Schultern und Oberarme winden und schliesslich nach Belieben auch über den Kopf ziehen. Dazu werden manchmal Gürtel und Schnallen und ein kurzes Leibchen getragen. Wenn die Frauen und Mädchen den Sari nicht über den Kopf und den Hals ziehen, so bedecken sie diese Körperteile gern mit buntgedruckten baumwollenen Kerchiefs oder wie man häufiger sagt Handkerchiefs, meistens in der Grösse von 24 bis 28 Inches im Geviert. Die Frauen der niedern Stände legen bei der Arbeit (und stets ebenso auch die Bajaderen) den Sari nur als Schurz um, genau wie die Männer den Dhotis. 442 Mit Uebergehung derjenigen indischen Trachten, welche mehr arabisch-tartarischen oder europäischen Kleidern ähnlich sehen (und für welche auch die Wolle ein wichtiges Rohmaterial bildet),, lassen die obige Darstellung und die an anderer Stelle (S. 84 T. II u. s. w.) gemachten Mitteilungen erkennen, dass die dichte Bevölkerung Vorderindiens seit Jahrtausenden eine ausserordentliche Menge weisser und farbiger Baumwollstoffe erzeugte und verbrauchte und früher auch exportierte. Im XIX. Jahrhundert trat insofern ein gründlicher Wandel ein, als die Baumwoll-Grossindustrie Englands vorerst die Exportfähigkeit der indischen Weberei vernichtete und dann sich besonders von der Mitte der 1840er Jahre an dort ein fast unermessliches Absatzgebiet eroberte.') Die weitherzige Freihandelspolitik Englands gestattete der schweizerischen bezw. glarnerischen Druckerei, sich auf demselben von dem gleichen Zeitpunkt an ebenfalls zu bethätigen, und in der That gelang es ihr im Laufe der folgenden Jahrzehnte, wie schon S. 401 erwähnt, ansehnliche Mengen dampf- und tafelfarbiger „Fancy- Handkerchiefs“ und türkischroter Kopftücher dorthin abzusetzen; an dem ungeheuren Verschleisse langer Waren für Dhotis, Saris u. s. w. erlangten in der Folge bloss die schweizerische Buntweberei und die Türkischrotfabrikation (und daneben auch die Garnfärberei) einen nennenswerten Anteil, während in den Hauptartikeln, den rohen und gebleichten Tüchern und den auf dem Rouleau gedruckten Indiennes („Prints“) ein Schritthalten des Schweizer-Fabrikanten mit der britischen Massenproduktion sich als unmöglich erwies. Wesentlich günstiger lagen die Verhältnisse 0 Nach Brockhaus C.-L. wurde die Einwohnerzahl von Britisch-Ost- indien (Vorderindien und Birma) 1891 auf nahezu 290 Millionen gleich fast einem Fünfteil der Bevölkerung unseres Erdhalls geschätzt. Der Wert der Einfuhr an baumwollenen Gespinsten, Geweben und Wirkwaren, zum grössten Teil englischer Herkunft, betrug 1894/5 827 Mill. Rupien oder rund 400 Mill. Franken, entsprechend zirka 80 % der Gesamtproduktion Grossbritanniens, welche 1893 rund 500 Mill. Kilos Rohbaumwolle im Ankaufswert von 550 Millionen Franken absorbierte. Eine der wichtigsten Kategorien unter den nach Indien exportierten Baumwollgeweben bilden noch heute, ihrer allge- gemeinen Verwendung entsprechend, in den englischen Marktberichten die „Dhooties“, in welchem Sammelnamen offenbar auch die für die „Sarees“ verwendeten Tücher inbegriffen sind. 443 für die glarnerische bezw. schweizerische Handdruckerei in dem Inselreiche Niederländisch-Indiens und in gewissen Strichen des hinterindischen Festlandes. Während nämlich für die vorderindischen Wickelgewänder ganz gewöhnliche uni-gefärbte oder fortlaufend gedruckte „Indiennes“ als dienlich befunden wurden 1 ), erforderten diejenigen der soeben genannten Länder in der Regel teils spezielle zweiseitig gedruckte Farben, teils gewisse in der Zeichnung abgesetzte Partieen in so grossen Intervallen, dass die Erstellung, besonders auch in Berücksichtigung der gebräuchlichen grossen Stückbreiten, auf der Rouleaux-Maschine früher unmöglich war und auch in der Folge in den meisten Fällen sich zum Mindesten als unlohnend erwies. Die Beliebtheit dieser Nationaltrachten bezw. Nationalmuster hat bis auf den heutigen Tag Stand gehalten. In Chochinchina und Anam zwar, wo man sich früher vorzugsweise mit Hüftschurz und Binsenhut bekleidete,, haben in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts die weiten chinesischen Röcke eine stets wachsende Verbreitung gefunden, was in Tonking schon früher der Fall; indessen haben diese französischen Kolonieen, deren internationaler Handel, zum offenkundigen Nachteil ihrer kommerziellen Entwicklung, durch hohe Zölle unterbunden ist, vorläufig so wie so eine geringe Bedeutung für die schweizerische Industrie; anders aber steht es auf den zahlreichen Inseln von Niederländisch-Indien, in den englischen Straits-settlements und in Siam, wo der holländische und der schweizerische Import in den Baumwollwaren bis in die Gegenwart eine dominierende Stellung bewahren konnte; bemerkenswert ist derselbe auch noch in Birma, obwohl hier die englische und die chinesische Einfuhr überwiegt. Das wichtigste und früher einzige Bekleidungsstück für die männliche und weibliche Bevölkerung dieser Länder ist der Schurz 2 ), *) Wenn somit Vor der in di en als Absatzfeld für gedruckte Schweiz. Baumwollwaren zu keinen Zeiten eine eigentlich hervorragende Rolle gespielt hat, so lag dagegen dem Verf. daran, zu zeigen, welche allgemeine Bedeutung ihm in Bezug auf die europäische Textilindustrie zukommt und in welchen kleinsten Kanälen speziell die Flut englischer Erzeugnisse, die sich dorthin ergiesst, schliesslich aufgesogen wircl. 2 ) Als Pendant zu diesem Schurz der heissen hinterindischen Landstriche möge hier eingeschaltet sein, dass früher und zwar anscheinend bis 444 ■eine Art „offenes Beinkleid“ oder „Hüftrock“, welcher um die Lenden geschlungen wird und den Unterleib und die Beine, gewöhnlich bis auf die Knöchel hinab, deckt. Er besteht einfach aus einem rechteckigen, solid farbig gedruckten oder gewobenen Stück Baumwolltuch und misst in Breite (Höhe) und Länge (Umfang) 40X70, seltener 45X74 oder 42 X80 Inches, bei Kindern und für die „reifere Jugend“ 24X^5 oder 27X54 oder 33X60Inches, je nach Alter und Grösse; er ist also viel kürzer als Dhotis und Sari in Vorderindien, was sich damit erklärt, dass er an den Enden zusammengeheftet oder -genäht wird, so dass der Träger in denselben wie in einen weiten, unten offenen Sack hineinschlüpfen kann (worauf er ihn seitlich anzieht und durch Einstecken von ■einer Wulst von Stoff oder durch Verknoten, seltener durch einen Gürtel, befestigt). Dieses einfache Gewandstück hat sich bei dem dortigen heiss-feuchten Klima für die einheimische Bevölkerung seit undenklichen Zeiten als sehr praktisch erwiesen. Für die Musterung der gebräuchlichsten, unter dem Namen Sarongs bekannten Schurze ist charakteristisch, dass sich genau in der Mitte oder häufiger nach dem ersten Drittel der Länge eine von der übrigen Zeichnung abweichende Mittelpartie zeigt; es ist dies die (eigentlich richtiger der) sog. Kapala (wörtlich der „Kopf“, sonst auch wohl mit „Kranz“ oder „Zwischenband“ übersetzt), welche bei den Drucksarongs sich über eine Länge von 28 (oder auch weniger) und bei den buntgewobenen oder Lurik-Sarongs über eine solche von 16—20 Inches erstreckt (während die Höhe grösser d. h. mit der Stückbreite identisch ist.) Zu Herstellung der Sarongs verwendete man in frühem Zeiten vorwiegend im Lande selbst erzeugte buntgewobene, karrierte und gestreifte Baumwolltücher; in vielen Gegenden ist dies noch heute der Fall und neben bedeutenden, aus der Schweiz, England und Holland stammenden Mengen ist auch die inländische Produktion an solchen Buntgeweben, Lurik genannt, noch immer ins XVII. Jahrhundert in Livland und Lita uen der Weiberrock aus einem einfachen, ungenähten d. h. unverarbeiteten Stück Tuch bestand, das um die Lenden geschlagen wurde (siehe die Abhandlung von M. Skrusits über die „ehemalige lettische Färbekunst“ in den „Sitzungsberichten der Altertumsgesellschaft Prussia“, 21. Heft 1900, Königsberg i./P.) 445 beachtenswert; es befassen sich damit besonders Männer und Frauen der niedern Stände. Auf der Insel Java jedoch, speziell im mittlern, kulturell verhältnismässig hoch entwickelten Teil derselben (Provinz Surakarta) kam schon vor Jahrhunderten eine- eigentümliche Manier auf, Baumwollstoffe durch Wachsmalerei und darauf folgende Färberei zu mustern. Indem diese sogen. Battick-Arbeiten grosse Geduld, Sorgfalt und Handfertigkeit und einen gewissen Kunstsinn, ähnlich den feinem weiblichen Nadelarbeiten, erfordern, gaben sich ihnen von jeher fast ausschliesslich Frauen der hohem und mittlern Stände hin. Nach und nach fanden die in verschiedener Beziehung originellen und nach dortigem Geschmacke oft wirklich reizvollen Erzeugnisse auch auf den andern Inseln des malaiischen Archipels und auf dem benachbarten Festlande Anklang und Verbreitung, während deren Erstellung fast ausschliesslich auf gewisse Distrikte Javas beschränkt blieb. Die Rohtücher waren zuerst offenbar einheimischer und später lange Zeit vorderindischer Herkunft, werden aber gegenwärtig und wohl schon seit Jahrzehnten nur noch aus Europa, besonders von England, bezogen. Obwohl wie bemerkt das Mustern der Baumwoll- gewebe durch Einschlagen farbiger Fäden in Hinterindien ohne Zweifel der Wachsmalerei oder der „örtlichen Farbengebung“ vorausgegangen ist, so wäre es doch durchaus falsch, das „Batticken“ als eine Nachahmung der Buntweberei darzustellen, da die letztere in der Regel sich mit geradlinigen Ornamenten begnügt, während viele auch der ältesten Battickmuster direkt der Phantasie eines malenden heidnischen Priesters oder Dichters entsprossen zu sein scheinen und Tier- und Pflanzenformen in solch’ unregelmässiger Anordnung und eigenartigem Farbenspiel dem Auge darbieten, wie es die Bildweberei nur auf ihrer höchsten Stufe im Stande gewesen wäre, eine Stufe, welche die malaiischen Völkerschaften in jener weit zurückliegenden Zeit, da das „Batticken“ den Anfang nahm, nicht erreicht hatten. 1 ) Noch heute werden in der Heimat des Battickgewerbes von Hoch und Niedrig feine baumwollene ge- battickte Kleidungsstücke höher als farbig in Seide gewobene ') In spätem Perioden brachte es die malaiische Bildweberei von. seidenen und golddurchwirkten Stoffen auf eine beachtenswerte, (mittlere) Stufe der Entwicklung. 446 geschätzt. Inwiefern der Ursprung des javanischen Battickens in Beziehung stand mit dem schon S. 34 u. ff. erwähnten Wachs- Reservedruck Vorderindiens ist noch nicht genügend aufgeklärt; »der Unterschied lag im wesentlichen darin, dass bei letzterm das Aufträgen des Wachses nur einseitig geschah, während in Java, wenigstens in früherer Zeit, nur beidseitig bearbeitete Ware erzeugt wurde und dieselbe auch durch die Feinheit der Ornamentformen eine höhere Stellung einnahm. Nachdem wir das Verfahren in seinen Grundzügen schon S. 38 skizziert haben, erweitern wir hier jene Darstellung noch wie folgt: Die erste Arbeit der battickenden Javanerin besteht darin, den Baumwollstoff zu prägnieren; ist derselbe für Blau- oder Braunfärberei bestimmt, so wird derselbe nach dem Entschlichten (Bleichen) lediglich mit Reisbrei (Reisstärke-Kleister) gestärkt und gut geglättet, damit das auf den Stoff auffallende flüssige Wachs nicht ausfliesst und nicht durchschlägt; beabsichtigt man dagegen die Erzeugung von Rot, so ist noch vor dem Stärken ein umständlicher Oelungsprozess (mittelst Ricinus- oder Sesamöl und Lauge) erforderlich; derselbe dauert mit seinen verschiedenen Wiederholungen ungefähr 9 Wochen und ist im Grunde der früher in Europa gebräuchlichen Oelpräparation für Türkischrot sehr ähnlich. Die Battickerin arbeitet nun aus freier Hand nach einer Papierzeichnung, oder sie paust letztere vorerst mittelst Farbstift durch oder bedient sich zum Entwerfen der Zeichnung auf den Kattun auch wohl entsprechender Schablonen. Ihr Instrument für die eigentliche Wachsmaierei, das Tjanting (zu deutsch „Näpfchen“) aus Kupferblech hat nur wenige Kubikcentimeter Inhalt und lässt sich am besten mit einer Tabakpfeife vergleichen, welche nach einer Seite hin ein Ausflussröhrchen besitzt, während ein spitzer Ansatz nach der andern Seite hin dazu dient, sie durch Einstecken in ein Stück Bambusrohr mit einer passenden Handhabe zu versehen; letztere ist unbedingt nötig, da man das gewöhnlich noch mit etwas Harz versetzte geschmolzene Wachs nach Bedürfnis aus einem über Kohlen erhitzten Becken schöpft und jenes überhaupt in der Temperatur nicht unter 70 Grad sinken darf, indem es sonst zu erstarren beginnt. Während die linke Hand das an einem Heck oder Rahmen aufgehängte Tuch an einer Stelle unterstützt, 447 gleitet die rechte Hand mit dem Tjanting sehr nahe über dasselbe dahin. Bei einem von einem hiesigen Battick - Fabrikanten im ■ersten Stadium der Behandlung erworbenen und demTit. historischen Verein vorgewiesenen Sarong hatte das Wachs der Umrisse der Figuren eine graubraune und dasjenige der massigen Partieen eine schmutziggelbe Farbe; zu erstem wird nämlich teilweise schon gebrauchtes, geschwärztes Wachs genommen und zwar nicht nur aus Sparsamkeit, sondern auch um die Augen der Battickerin zu schonen. Um zwei oder mehr parallele Wachslinien auf einmal zu ziehen oder um punktierte Partieen schneller zu erstellen, hat man auch Tjantings mit zwei und mehr Ausflussröhrchen; ebenso ist der Kaliber der letztem, je nach der Feinheit der zu erzeugenden Linien, verschieden, so dass, wie der Maler ein Sortiment Pinsel, die geschickte Battickerin eine ganze Anzahl jener „Wachsfüllfedern“ zur Verfügung haben muss. Massige, zuvor kontourierte, Flächen werden manchmal durch Aufstreichen eines Wachsbreies bedeckt. Nachdem die Arbeit auf einer Seite beendigt ist, geht man dazu über, sie auf der Rückseite genau zu wiederholen, wobei man den Stoff etwas gegen das Licht hält und so die Umrisse der rechtseitigen Zeichnung erkennt. So erhält man •dann ein wirkliches Battick-Tuch, ein auf beiden Seiten durchaus gleich vollkommenes Produkt, welches, wenn die eine Seite im Gebrauch schmutzig geworden ist, einfach gekehrt werden kann. In gewissen Gegenden begnügt man sich jedoch, besonders seit der Mitte des XIX. Jahrhunderts, mit einseitiger Ausführung und benutzt dann zum Aufträgen des flüssigen Wachses kleine, aus Kupferlamellen verfertigte Stempel (Tjap ); dieses viel billiger arbeitende, jedoch in verschiedener Beziehung tiefer stehende „Tjap-Gewerbe“ wird vorwiegend von Männern ausgeübt und soll durch Chinesen eingeführt oder wenigstens durch chinesische in Java ansässige Handelsleute grossgezogen worden sein. Das jeweilen in der Grösse eines bestimmten Kleidungsstückes mit Wachs bemalte Tuch geht nun für blau in eine fast kalte Gährungs- Indigo-Küpe und für braun in die laue Soga-Küpe. Der Farbstoff zu letzterer wird aus der Rinde des Soga-Baumes (Peltophorum ferrugineum Benth.) gewonnen und hat die Eigenschaft, Baumwolle ohne weiteres Fixationsmittel und auch ohne 448 nachherige Oxydation solid und satt holzbraun zu färben; zur Nuancierung in verschiedene gelbbraune Töne setzt man Auszüge der Curcuma-Wurzel hinzu. War schon das Soga-Braun als Repräsentant der wenig zahlreichen Klasse der natürlichen „selbstfärbenden“ Farbstoffe dem europäischen Färber und Chemiker bis. in die neuere Zeit nicht bekannt, so bietet die auf Java gebräuchliche Erzeugung der roten Farbe noch mehr theoretisches Interesse.. Dieselbe geschieht nämlich in der Weise, dass das mit Wachs bemalte Tuch bezw. die freigebliebenen Stellen während 7-8 Tagen mindestens einmal täglich mit einem Farbteig sanft mittelst der flachen Hand eingerieben werden. Dieser Farbteig besteht lediglich aus 3 Teilen Kudu oder Mengkudu (Wurzelrinde des Patje- Baumes, Morinda citrifolia L.) und aus 1 Teil Djirack (gerbstoffhaltige Rinde von Symplocos fasciculata). Während man also in der ganzen übrigen Welt seit ältesten Zeiten für die Fixation der krappähnlichen Farbstoffe der Mitwirkung der Thonerdesalze oder analoger Verbindungen nicht entbehren konnte, ist dies für das Mengkudu-Rot nicht nötig; wohl aber sind die damit zu erzielenden,, vom hellen Zwiebelrot bis zum dunkeln Braunrot varierenden Nuancen nur dann ächt, wenn der Kattun die weiter oben genannte Oelpräparation erhalten hat. 1 ) Nach vollzogener Färberei wird der Stoff kalt gewaschen und darauf in kochendes Wasser, oft mit etwas Aschenlauge versetzt, gebracht, wobei das Wachs ausschmilzt und an der Oberfläche zur Wiederbenutzung abgeschöpft werden kann. Damit ist die Herstellung eines einfachem Batticktuches, weisse Figuren im einfarbigen Grunde oder einfarbige Zeichnung im weissen Grunde, beendigt; es ist dabei nur noch zu bemerken, dass die der Rotfärberei vorausgehende Oelbehandlung dem Weiss einen entschiedenen und bleibenden Creme-Ton verleiht, welcher oftmals durch Tränken des Stoffes in Curcuma oder irgend einer andern hellgelben Farbbrühe noch verstärkt wird. Ist ') Uebrigens macht Herr Jos. Depierre in einer im Bull. Soc. Ind. de Mulhouse (Mai 1894) erschienenen kurzen Abhandlung darauf aufmerksam,, dass Kudu im Gegensatz zum Krapp mit Thonerde gelbe und mit Kalk rote Verbindungen eingeht und dass eine etwelche Mitwirkung des im Wasser überall vorhandenen Kalkes bei der Fixation des javanischen Rots, doch vielleicht stattfindet. 449 jedoch in dem betreffenden Muster eine zweite Farbe vorgesehen, so muss das ganze Verfahren wiederholt werden, wobei man es dann, wie schon S. 39 T. I bemerkt, zugleich in der Hand hat, durch teilweises Bedecken und teilweises Offenlassen der in der ersten Operation erzeugten Farbe Doppeltöne und gemischte Nuancen zu erzielen; besonders beliebt sind in dieser Beziehung ein sehr sattes und achtes Violetbraun bis Violetschwarz (entstanden durch ein Aufeinanderfallen von Blau und Rot) und ein Schwarzbraun bis Reinschwarz (Indigoblau + Sogabraun); daneben fehlen auch Doppelrot, Doppelblau, Olivgrün (Hellindigoblau + Curcuma) nicht; durchNach- behandeln von Soga-Braun mit Eisenvitriol erhält man ebenfalls ein Braunschwarz, welches aber, ebenso wie die Curcuma-haltigen Farben, im Gegensatz zu allen übrigen, in der Aechtheit zu wünschen übrig lässt. Ist die zweite auf dem Stoff zu fixierende Farbe im Muster wenig vertreten, so kann mau sich die Mühe, die ganze Wachsmalerei zu wiederholen, ersparen, wenn man das Tuch nach dem ersten Färben und behutsamen Spühlen nicht aussiedet, sondern wieder am Rahmen aufhängt und den Wachskitt mit einem stumpfen Messer an denjenigen Stellen abschabt, welche im zweiten Färbebad blossliegen sollen; gleichzeitig kann man, zum Schutz vor letzterm, einen Teil der im ersten Bad gefärbten Flächen mit neuen Wachsfiguren bedecken und dann sogleich zur zweiten Färbe- Operation schreiten; die beschriebene, nicht unwesentliche Vereinfachung hat anscheinend erst im XIX. Jahrhundert grössere Bedeutung und Verbreitung gefunden. Im allgemeinen herrschen bei den Kleidungsstücken für den gewöhnlichen Gebrauch die schwarzen (bezw. dunkelbraunen) und die holzbraunen Töne vor; namentlich für letztere hat der Malaie und speziell der Javaner eine giosse Vorliebe, während bei ihm unverhülltes Hellblau und Rot nur diskret zur Verwendung kommt. In manchen Gegenden sind jedoch auch die grell rotbödigen Tücher, namentlich beim weiblichen Geschlecht, stark in Gebrauch, und bei den weissbödigen. quasi sonntäglichen Kleidungsstücken trifft man sehr oft die leicht gehaltene Zeichnung vorherrschend in Rot und Hellblau angeführt. Die Muster weisen teils einfache geometrische Formen und Ornamente, teils phantastische Tier- und Pflanzenbilder (mit nder ohne symbolische 20 450 Bedeutung), Geräte u.s.w. auf; sehr häufig sind aber erstere und letztere kombiniert, die einen in grossen Zügen entworfen, die andern in kleinen Urformen und desto grösserer Anzahl an einander gereiht und die Zwischenräume der eigentlichen Zeichnung ausfüllend. Steht der Europäer diesem malerischen, aber gewöhnlich durchaus nicht grellen „Durcheinander“ anfänglich etwas unschlüssig gegenüber, so findet er sich doch bald darin zurecht und hat nun auch Gefallen daran; er begreift sehr wohl, dass die verwandten vorderindischen Produkte vor Zeiten im Abendlande Aufsehen erregen und eine grosse Beliebtheit erlangen konnten. 1 ) Unsere Schilderung der speziell javanischen Fabrikation wäre jedoch unvollständig, wenn wir nicht noch zwei ihr eigentümliche Merkmale besonders erwähnen würden; es sind dies der sogen. „Fluss“ und die „Wachsadern“. Ersterer ist darin begründet, dass die von der Battickerin sehr leicht aufgetragenen Wachskonturen die nachfolgenden Färbebäder nicht absolut scharf abzuhalten vermögen, so dass die Farbe etwas einfliesst, sich ge- wissermassen ruhig nach Innen abtönt. Dieses Einfliessen findet besonders in der [Soga-Küpe und beim Rotfärben statt (während es in der Indigoküpe fast nicht bemerkbar ist). Wird auf diese Weise eine weiche Umrahmung in einem gleichen abgehellten Tone sichtbar, so ist oft auch ein andersfarbiger „Fluss“ bemerkbar; dieser wird erzeugt, wenn eine im ersten Bade angefärbte Stelle auch dem zweiten Färbbade ausgesetzt wird, jedoch das sie umschliessende Wachs nicht mehr ganz an den frühem Rand herantritt; alsdann sehen wir das als Doppelton entstehende Schwarz oder Braun von einer hellcachoufarbigen, bezw. roten oder rosafarbenen Aureole umgeben. Wie der Fluss, so entstanden auch die Wachsadern ursprünglich unbeabsichtigt, indem nämlich die Wachsdecke bei unvorsichtiger Hantierung vor dem Färben, besonders bei massigen Partieen, leicht entzwei bricht und das Färbe- ') Die in der glarnerischen Battickfabrikation abfallenden gedruckten „Resten“ werden von der Arbeiterbevölkerung stetsfort gern gekauft und zu Jacken, Schürzen, Kinderkleidern u. dergl. verwendet. — Die früher in Süd- Dekhan und an der Küste von Koromandel blühende Wachsmalerei und Färberei existiert, nach der schon oben zitierten im Erscheinen begriffenen „Battick- kunst“, in beschränktem Umfange heute noch und findet ihren Absatz teils im eigenen Lande teils an gewissen Plätzen von Niederländisch-Indien. 451 material dadurch an den feinen verästelten Bruchstellen einigen Zutritt erhält. An dieser Marmorierung fanden die Javaner schon vor langer Zeit einen solchen Gefallen, dass es Regel wurde, sie künstlich zu verstärken, indem man die Stücke nach der Wachsbemalung in lauem Wasser zerknitterte oder auf ein Brett oder einen Pflock wiederholt aufschlug. Die „Wachsadern“ und der „Fluss“ geben den Battick-Arbeiten erst das ächte „Cachet“ und erhöhen deren Reiz auch in den Augen des Europäers. Waren die „gebattickten“ Kleider früher mehr nur den mittlern und hohem Ständen Vorbehalten, so sind sie oder vielmehr die billigen europ äi s ch en Nach ah mun gen nun au chdemniedern Volke schon längst zugänglich geworden und zu allgemeiner Verbreitung gelangt. Das unentbehrlichste unter diesen Kleidungsstücken ist, wie schon oben bemerkt, der Schurz, in seiner verbreitesten Form „Sarong“ 1 ) genannt, zu dessen Charakteristik wir noch folgendes beizufügen haben: Die Kapala (Mittelpartie) weist bei den gebattickten (bezw. gedruckten) Sarongs stets ein und dasselbe Zickzackmotiv auf, so sehr auch der ganze übrige Teil, oder das „Feld“, wie der Holländer sagt, in der Zeichnung je nach der Gegend und dem persönlichen Geschmacke wechseln mag. Es besteht jenes aus einer doppelten Reihe sehr spitzer, gegen einander gerichteter Dreiecke, deren Basis vom „Feld“ noch durch eine schmale Bordüre getrennt ist. Ursprünglich sass diese Kapala, wie der Name andeutet, am „Kopf“ oder Ende des Tuches oder vielmehr je zur Hälfte auf beide Enden verteilt. In der That werden in letzterer Weise gedruckte Schurze auch heute noch nach gewissen Gegenden verlangt, heissen „Kain“ {= Tuch, in diesem speziellen und daneben auch in allgemeinem Sinne gebraucht) und sollen hauptsächlich von ältern Frauen getragen werden; da sie jedoch ebenfalls zusammengenäht werden, ist der Unterschied schliesslich kaum zu beobachten. Bei den buntgewobenen Sarongs wird die Kapala gewöhnlich dadurch ') Nach den Herren C. P. Rouffaer und Dr. H. H. Juynboll bedeutet das Wort „Köcher“, „Scheide“, „Futteral“, wird eigentlich „Sarung“ gesprochen und sollte daher auch so geschrieben werden. — Nach Hottenroth wird der Schurz in Siam mit Pagne und in Birma mit Potzo bezeichnet; die wörtliche Uebersetzung dieser Ausdrücke ist jedoch nicht beigefügt. 452 erzeugt, dass man die betreffende Partie in der Farbenverteilung vom übrigen etwas verschieden d. h. dunkler, selten heller hält; jedoch existieren auch einheimische Buntgewebe, wo die Kapala, ähnlich wie bei den Drucksarongs, in der Längsrichtung, eine Reihe Zacken zeigt oder wo ihre Breite (Höhe) durch eine einzige grosse, querüber- und ziemlich künstlich eingewobene Pyramide oder durch eine Doppelpyramide eingenommen ist. Wie man dem Verf. versicherte, wird bei den buntgewobenen Sarongs die Kapala gewöhnlich hinten getragen. Eine besondere Art bilden ferner die Buggis-Sarongs, welche halbe Breite und dafür doppelte Länge (24X 150 Inches) aufweisen; wie man dem Yerf. mitteilte, werden sie wie der indische Dhotis in vielen Windungen um Unterleib und Oberschenkel gewunden oder aber man schneidet sie in zwei Hälften, näht dieselben der Länge nach zusammen und verbindet die Enden, wodurch man einfach einen Sarong normaler Grösse erhält. Dem bei den Kapalas der Battick-Sarongs nie fehlenden Thurm- oder Zahnmotiv eine symbolische Deutung zu geben, ist bis jetzt nicht gelungen. Nach der unmassgeblichen Meinung des Yerf. könnte es sich damit auch wie folgt verhalten: In frühem Zeiten d. h. so lange die Nadel in Indien noch nicht bekannt war, bestand das einfachste Mittel das Ende eines gewobenen Stückes Tuch abzu- schliessen und vor dem Ausfasern zu schützen darin, die Zettelfäden büschelweise zusammenzuknüpfen; indem man nun dieses Verknoten der Webfransen in einer gewissen Entfernung vom eigentlichen Ende vornahm, entstand von selbst eine Reihe länglicher Zacken, die später, beim Zusammennähen der Enden, überflüssig wurden und sich nun nur noch im Bilde, als Zeichen des Abschlusses, erhalten haben. Dass in ältester Zeit die Schurze nicht genäht waren, ist unbestreitbar; neben den gewobenen Buggis-Sarongs sind auch heute noch gebattickte ohne Naht in einigen wenigen Gegenden gangbar; sie heissen „Kain pandjang“ (langes Tuch), zeigen ein fortlaufendes Muster ohne Kapala, sind ebenso breit (hoch) wie die Sarongs, erfordern aber, um am Körper Halt zu finden, begreiflicherweise eine grössere Länge d. h. mindestens das 2 1 / 2 fache anstatt nur das l 3 / 4 —l 7 / 8 fache der Breite. Ihrem Zwecke entsprechend erfordern die Sarongs eine gute und dichte Tuchqualität, Cambrics mit je 19—21 Fäden in Zettel 453 und Schuss auf 1 j i französischem Zoll im Quadrat in mittlern Garnnummern amerikanisch; bei besonders teuren Erzeugnissen kann die Fadenzahl in Zettel und Schuss bis auf je 30, in feinen Mako-Nummern erstellt, steigen. Einheimische künstlerisch gearbeitete Sarongs werden zu Preisen von h. fl. 20—30 per Stück verkauft; sind sie noch mit achtem Blattgold verziert, kann ihr Wert bis auf h. fl. 50 steigen. Das Blattgold wird mit einem dauerhaften Klebstoff auf dem Gewebe befestigt und namentlich an denjenigen Stellen angewandt, welche nackte Körperteile an Menschen und eventuell Tieren zur Darstellung bringen. Da das Kli ma. Hinterindiens nicht nur sehr heiss, sondern auch überaus feucht ist, fühlt man sich in enganschliessenden Kleidern unbehaglich; aus diesem Grunde haben dort auch viele europäische Damen das Tragen von Sarongs als Jupons angenommen; ja sogar die Männer sollen sie am häuslichen Herde der Bequemlichkeit wegen anstatt der Hosen hie und da anziehen. 1 ) Da der Sarong um die Lenden geschlagen wird, bleibt der Oberkörper vollständig nackt, wenn jener, wie es früher bei der einheimischen Bevölkerung durchgängig der Fall war, das einzige Kleidungsstück bildet; bei manchen häuslichen Arbeiten und bei dem häufig vorgenommenen Baden im Freien, ziehen ihn die Frauen auch wohl bis unter die Arme hinauf. In einigen von Europäern berührten Landstrichen ist es jedoch bei dem weiblichen Geschlechte all- mäligSitte geworden, ein besonderesBusentuchoder „Kemben“ 2 ) zu tragen; dasselbe ist ebenso lang, aber nur halb so breit als ein Kain-pandjang und wird einfach unter den Armen um den Oberkörper geschlungen. Auch bei diesem Tuch ist eine Art Kapala sichtbar, indem dessen Mitte meistens von einem sehr länglichen b Nach S. 72 der mehrerwähnten „Batikkunst“ sind die Hosen wahrscheinlich in Persien erfunden und von da westwärts über Europa verbreitet worden. In Niederländisch-Indien sollen erst in neuerer Zeit Männer der wohlhabendem Klassen angefangen haben, bei besondern Anlässen Hosen anzuziehen und dazu dann einen „Kain“ von leichterm Stoff um die Lenden .zu legen. 2 ) Dieser Ausdruck ist den hiesigen Fabrikanten nicht geläufig; es scheint daher, dass sich die Nachahmung der einheimischen Busentücher für die europäische Fabrikation nicht lohnt. llul -‘ u VwiimmpiM ‘t~ jHWiftn ]< tr‘f* ff 454 Rhombus eingenommen wird; letzterer ist weiss oder uni gefärbt, also ohne Zeichnung gehalten und qualifiziert sich seinem Ursprung nach als ein Mittelfeld zwischen 4 Pyramidenspitzen, während das Uebrige des Zickzackmotivs der Sarongs verschwunden ist. Viel verbreiteter als das fast ausschliesslich auf Central-Java beschränkte Busentuch ist bei der weiblichen einheimischen Bevölkerung des indischen Archipels schon längst der „Slendang“ geworden, ein schmaler Chäle, welcher beim Ausgehen um Hals und Schultern geschlungen, aber auch zum Tragen der kleinen Kinder an der Brust oder auf dem Rücken benutzt wird. Die Slendangs sind gewöhnlich 90—120 Inches lang und nur 21—28 Inches breit, an den Enden meistens mit baumwollenen oder seidenen gezwirnten* Fransen versehen. Sie sind entweder ganz in einem fortlaufenden Muster „gebattickt“ oder weisen an beiden Enden eine in der Zeichnung abweichende Schlusspartie, eine Art Kapala, auf. Ausser den gebattickten erzeugt das Inland auch buntgewobene baumwollene und seidene Slendangs und in einigen Gegenden Javas (speziell in Surabaja) soll auch die Musterung baumwollener und seidener Tücher nach der alten Bandana-Manier (S. 35 T. II) noch üblich sein, oft kombiniert mit dem Aufträgen von „Reservagen“ aus Stärkekleister und Kreide oder Thon mittelst Aufpinseln durch Schablonen; in Bezug auf letztere Verfahren dürfte es fraglich sein, ob sie von jeher bei den Malaien einheimisch waren oder ob sie erst von den Chinesen eingeführt worden sind. Der Import aus Europa verteilt sich auf bedruckte baumwollene, wollene- und seidene Slendangs, teils in abgepassten Mustern erstellt, teils einfach aus Stückware geschnitten. Während bei den Sarongs möglichst ächte Farben verlangt werden, ist man bei den Slendangs nicht so streng und es spielt, der Verwendung entsprechend, auch die Lebhaftigkeit eine bedeutende Rolle. Bei der männlichen Bevölkerung ist seit längerer Zeit neben dem unentbehrlichen Schurz auch noch das gebattickte Kopftuch 1 ), teils zum Schmuck, teils zum Schutze vor den Sonnen- *) Für dasselbe figurieren verschiedene einheimische Namen, namentlich „ Iket“ (Band, Kopfband), „Kain Kapala“ (Kopftuch) und „ Katju“ (Handtuch, Wischtuch); letzterer Ausdruck erinnert an das englische „Handkerchief"' 455 strahlen, stark verbreitet. Es ist 35—40 Inches im Geviert, also sehr gross und wird in abwechslungsreicher Weise von hinten her um den Kopf gefaltet und verknotet. Während der Einheimische oft denselben Rohstoff für Sarongs und für Kopftücher benutzt, wählt der nachahmende europäische Fabrikant für letztere meistens eine leichtere Qualität und hilft mit einer kräftigen Glanzappretur nach. Bei der auf Java beliebtesten Abart weist das Kopftuch nicht nur auf allen vier Seiten eine Bordüre auf, sondern es befindet sich in seiner Mitte ein kleineres, zum Rande diagonal gestelltes Quadrat ohne Zeichnung, meistens uni-braunrot gefärbt, von dem Einheimischen mit Modang, in den Druckereien gewöhnlich mit „Spiegel“ bezeichnet; der Rhombus des länglichen „Kemben“ (S. 453) hat sich beim Kopftuch wegen dessen veränderten Dimensionen in ein Quadrat verwandelt. Auf Sumatra und Celebes werden sog. halbe Tücher vorgezogen; solche zerfallen längs der Diagonale in zwei Dreiecke, von welchen jedes ein besonderes Dessin aufweist. Schliesslich fügen wir noch bei, dass man in Birma und den Hafenstädten Javas neben den beschriebenen Kopftüchern turbanähnliche Mousseline-Schädeltücher und leichte Mützen im Gebrauche sieht und dass in den von Europäern stärker besuchten Gegenden beim männlichen und weiblichen Geschlechte auch das Tragen sehr einfacher baumwollener Jacken (,,Baäju u ) keine Seltenheit mehr ist. Aus einer Bemerkung auf S. IX des Vorworts zur „Batik kunst“ darf man schliessen, dass die holländische Druckerfirma de Heyder & Go. in Leiden schon 1835 angefangen hat, eine Sammlung von Batticks zwe cks Nachahmung derselben anzulegen. Ausser dieser noch heute als Leidsche Katoenmaatschappi) bestehenden Fabrik befassen sich gegenwärtig noch folgende holländische Firmen mit diesem Fabrikationszweig: di e Haarlemsche (S. 441), worunter auf dem vorderindischen Markte ebenfalls weniger Handais hauptsächlich Kopftücher verstanden sind. Eigentliche Nas- und Schweiss- tücher werden in Vorder- und Hinterindien wenig gebraucht; Katarrh der Nasenschleimhaut soll bei der einheimischen Bevölkerung viel seltener sein als in unsern Himmelsstrichen. 456 Katoenmaatschappij (früher Previnaire & Co.) in Haarlem, die Kralingsche Katoenmaatschappij (früher G. van Sülevolclt & Söhne) in Rotterdam und P. Fentener van Vlissingen & Co. in Hellmond. Anscheinend unabhängig von der holländischen „Battick- druckerei“ entstand nun eine solche frühzeitig in der Schweiz und speziell im Kanton Glarus, indem, wie schon S. 341 bemerkt, das Haus P. Blumer & Jenny in Schwanden 1842 damit begann, türkischrote Schärpen, mit welcher Bezeichnung die Battick-Artikel und speziell die Sarongs vom Volksmund belegt wurden, zu drucken. Schon ein Jahr darauf gelang die noch wichtigere d.h. für eine längere Zeit vorherrschend gebliebene Fabrikationsart, bestehend im Druck von Reserveweiss, Dunkelblau-Färben in der Indigoküpe, nach entsprechender Reinigung gefolgt vom Einpassen von Katechufarbe (verdickte und mit Kupfersalzen versetzte Lösung von Katechu, S. 210, an Stelle des von den Einheimischen angewandten Sogabraun), Entwickeln dieser Farbe durch Lagern der Ware an einem warmen Ort, und Waschen derselben, woran sich gewöhnlich noch das Grundieren in einer fahlgelben Farbbrühe anschloss. Nach wenigen Jahren erstellte man auch Sarongs und Slendangs in den gewöhnlichen Krappfarben nach der Aufdruck- und nach der Aetzmanier, mit gelblichem Grunde oder nach dem Färben mit 2—3 bunten Tafelfarben illuminiert, auch Blauholzschwarze mit grauem Grunde u. s. w. Die ersten, vor der Indigo- oder Garancinefärberei zu druckenden Reserve-, bezw. Beizenfarben mussten, um den Originalien einigermassen zu entsprechen, beidseitig appliziert werden, was in der Regel zudem eine doppelte Stecherei notwendig machte, da einfache Stecherei für zweiseitigen Druck nur bei Mustern mit kongruenten Linien, wo Bild und Spiegelbild sich decken, möglich ist. Das langsame Vorrücken in der Stecherei und im Druck, die auch sonst noch ziemlich heikle, teure Fabrikation und die grosse Entfernung vom Absatzgebiete hatten indessen zur Folge, dass die Entwicklung der glarnerischen Battick-Druckerei und das Anwachsen der Produktion verhältnismässig langsam vor sich ging, obwohl sich in der Folge mehrere Fabriken des Artikels bemächtigten. Es waren dies folgende glarnerische Firmen: Barth. Jenny & Cie. in Ennenda, von der Mitte der 1840er Jahre an, jedoch nur bis 457 1860, durch Vermittlung des Handelshauses Luchsinger, Eimer & Oertli; Egidius Trümpy in Glarus von 1852 an, indem dieses Haus mit Schweizer Kaufleuten, die direkt mit Java arbeiteten ■oder dort etabliert waren, in Verbindung trat; Blumer & Tschudi in Glarus vom gleichen Jahre an durch Herrn Imhoof-Hotze in Winterthur (S. 422); wenig später, jedoch nur für einige Jahre: Eelix Weber in Netstal; von 1860 an Christoph Trümpy in Näfels; von 1867/68 an Gebrüder Blumer & Cie. in Schwanden durch den Hauptflecken Glarus“ meldet, in Mühlehorn habe eine- Essigsiederei bestanden, welche 1828 oder’1829 durch einen Brand zerstört worden sei. 1 ) Ein etwas grösserer Betrieb entwickelte sich dann nach und nach in Ennenda. Hier errichteten nämlich die Brüder Balthasar und Markus Aebli (Söhne eines Herrn Fritz Aebli „Wiener“) in den 1830er Jahren am Dorfbach vorerst eine kleine „Schönfarbe“ (Indigo- und Buntfärberei) und nahmen 1839 als Associe ihren Schwager, Hrn. Balthasar Marty, Apotheker in Glarus (geb. 1813 als Sohn des gleichnamigen Pfarrers von Ennenda) auf. Das Geschäft, nun als Firma Aebly & Marty betrieben, hatte jedoch mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weshalb es 1841/42 in eine Branntweinbrennerei umgewandelt wurde. (Gleichzeitig trat Balth. Aebli aus und siedelte nach Tägerweilen im Kanton Thurgau über). Nachdem dieser Zweig zu einer ziemlichen Höhe der Produktion gelangt war, musste er 1847 wieder aufgegeben werden, da der Kanton infolge der verheerenden Kartoffelkrankheit das Brennen von Sprit aus Kartoffeln verbot. Die Fabrik hatte aber schon 2 Jahre vorher die Darstellung von weisser und gebrannter Stärke, Diastasegummi, sowie von Zinn und Kupferpräparaten aufgenommen, und während die Fabrikation der erstgenannten Verdickungsmittel später mangels Konvenienz wieder eingestellt wurde, ging man dafür auf diejenige von Thonerde- mordants und andern Zwischenprodukten für die Druckerei über. Dabei kam der Entwicklung des Geschäftes der 1850 erfolgende- Eintritt des mit moderner Fachbildung ausgerüsteten Herrn Joh. Rudolf Marty (geb. 1829, langjähriger Regierungsrat) sehr zu statten. Am bedeutendsten war viele Jahre die 1852 eingeführte Destillation von Holzessig aus Buchenholz, wobei das Produkt gewöhnlich weiter auf Eisenbrühe verarbeitet wurde. Nachdem der ältere der beiden Brüder Marty 1860 gestorben und durch seine Söhne, die Herren Apotheker Fritz uncl Balthasar Marty, ersetzt ') Es dürfte sich dabei um die Darstellung von Holzessig gehandelt haben; nachdem der von den Druckereien in grossen Mengen benötigte Weinessig fast nicht mehr aufzutreiben war, gelang es 1809 v. Kurrer und ungefähr gleichzeitig einigen andern Chemikern als Ersatz dafür die durch Erhitzung des Buchenholzes unter Luftabschluss als Destillat erhaltene brenzliche Holzessigsäure im Grossen einzuführen. 460 worden war, änderte sich 1866 die Firma in Marty&Cie., da Herr Markus Aebli austrat und bald darauf mit Gemeindepräsident Heinrich Oertli von Ennenda unter der Firma Aebli & Oertli ■eine neue chemische Fabrik „im Schweizerhaus t; , zwischen Glarus und Mitlödi, sowie 1871 eine Filiale in Sargans errichtete. Letztere ging einige Jahre darauf in den alleinigen Besitz von Herrn Heinrich Oertli über (jetziger Inhaber: sein Sohn, Herr Jakob Oertli), während das Geschäft „im Schweizerhaus“ nun kurze Zeit als Firma Aebli & Schmid betrieben und 1876/77 von Herrn Kaspar Streiff von Schwanden erworben wurde. Letzterer nahm verschiedene neue Artikel, so die Darstellung von Farbholz-Extrakten, von Lacken künstlicher Farbstoffe u. s. w. auf. (1900 ging das Anwesen an die Firma Greiner, Jenny & Cie. über). Ein den obigen ähnliches Geschäft hatte, wie wir bereits ■S. 327 berichtet, auch noch Herr J. J. Stäger-Lütschg (1823-1880, bis zum Brand von Glarus Inhaber der beim „Schwanen“ gelegenen Apotheke), unweit des „Hohlensteins“ eingerichtet; er betrieb dasselbe unter der Firma „Chemische Fabrik in Glarus“ und befasste sich hauptsächlich mit der Darstellung verschiedener Mor- •dants; er war hierzulande der erste, welcher (1845) die Regeneration des als Nebenprodukt erhaltenen „Bleisatzes“ (Bleisulfat) durch Zersetzung desselben mittelst Eisenfeilspähnen und Umwandlung in Eisenvitriol und metallisches Blei an die Hand nahm. In den 1870er Jahren gab er den Vertrieb chemischer Produkte auf, da inzwischen der von ihm begonnene Steinkohlen-Grosshandel sehr bedeutende Dimensionen angenommen hatte. Die genannten chemischen Fabriken dehnten ihren Absatz nach und nach auch auf die übrige Ostschweiz und auf das Vorarlberg aus, während sie anderseits im letzten Dezennium von dem bei der Druckerei eingetretenen Rückgang empfindlich betroffen worden sind. Der aussergewöhnlich rege Geschäftsverkehr, der sich von ungefähr 1850 an im Glarnerland entfaltete, war natürlich auch mit bedeutenden Umsätzen an Barschaft und Wechseln verbunden, 461 wobei Privatbanquiers in Zürich, Mailand und Augsburg hauptsächlich die Vermittler-Rolle spielten. Verhältnismässig frühzeitig tauchte aber auch der Gedanke auf, im Hauptorte selbst eine Noten- und Handelsbank auf Aktien zu gründen, worüber wir im ersten Jahresbericht der Bank in Glarus folgendes lesen: „Von der Ueberzeugung geleitet, dass in einem Kanton, dessen Wohlfahrt vorzugsweise von dem Gedeihen von Handel und Industrie bedingt ist, eine Bank jederzeit wohlthätig wirken und unter schwierigen Umständen und Zeitverhältnissen besonders segenbringend sich erweisen könne,, wurde die Errichtung einer solchen Anstalt zuerst von der hohen Regierung unseres Kantons angeregt. Dieselbe ging jedoch von der Ansicht aus,, dass solche Anstalten nur als Privat-Institute gedeihen, demnach die Beteiligung der Regierung auf Verleihung des obrigkeitlichen Schutzes, Gewährleistung der Statuten und Uebernahme einer Anzahl von Aktien sich zu beschränken habe. Eine von der Regierung veranstaltete vorläufige Versammlung von Geschäftsmännern pflichtete dieser Ansicht bei, beschloss die Errichtung der Bank auf hiesigem Platz und wählte zur Ausführung dieses Vorhabens eine provisorische Kommission.“ „Diese letztere traf dann die geeigneten Einleitungen, entwarf namentlich die Statuten, welche von der Hauptversammlung der hiesigen Geschäftleute unterm 1. Februar 1852 und von der hohen Standeskommission unterm 6. Februar ratifiziert wurden. Ohne Mühe gelang es dann der provisorischen Kommission auf diese Statuten hin, die Zeichnung der erforderlichen 1000 Aktien ä Fr. 500 zu erhalten. Infolgedessen berief sie nun auf den 10. März 1852 die erste Generalversammlung der Aktionäre der Bank in Glarus.“ „Jene erste Generalversammlung erklärte sich als konstituiert, beschloss die baldmögliche Eröffnung der Bank und traf die ihr statuten- mässig zustehenden Wahlen, nämlich: a) Hr. App.-R. Caspar Becker, „ Landrat Conr. Blumer „ Daniel de Frid. Jenny „ Landrat Heinrich Studer „ Cosinus Jenny „ App.-R. Heinrich Trümpy „ Hilr. Luchsinger „ Casp. de Frid. Jenny „ J. M. Schindler „ App.-R. Heinr. Hefti „ Ratsh. Barth. Durst Gebr. Casp. & Frid. Becker P. Blumer & Jenny Barth. Jenny & Cie. Heinrich Brunner Jenny & Cie. Trümpy jgr. & Cie. Luchsinger, Eimer & Oertll Enderlin & Jenny gleicher Firma Gebr. Hefti Gebr. Dürst. der Bank-Kommission; in folgenden Mitgliedern vom Hause HH. b) Der Censur-Kommission; nämlich Hr. Landseckelmeister J. Weber ,, Ratsherr P. Jenny (älter). Die Bankkommission wählte am 19. März aus ihrer Mitte den engem Bank-Ausschuss, nämlich Hrn. Heinrich Trümpy-Oertli, Präsident *) „ App.-R. Caspar Becker ,, Landrat Heinrich Studer ,, Landrat Conrad Blumer „ Daniel de Frid. Jenny welchen dann von diesem Tage an die eigentliche Geschäftsbesorgung obgelegen.“ Nach den einleitenden Vorarbeiten konnte die Bank am 1. Oktober 1852 mit einem Aktienkapital von Fr. 500,000 (wovon 1 j w vom Staate gezeichnet) und einer Notenemission von Fr. 250,000 ihren Geschäftsbetrieb eröffnen. Als Bank-Direktor wurde Herr Jöh. Heinrich Simmen von Glarus gewählt; demselben folgte 1860 der noch heute in dieser Stellung wirkende Herr Josua Brunner von Glarus. Von Anfang an mit Vorsicht und Sachkenntnis geleitet, konnte es dem Institut an einer gedeihlichen Entwicklung nicht fehlen, wenn dieselbe auch nicht so bedeutende Dimensionen annahm, wie es in einem grossem Kanton hätte der Fall sein können. Der glarnerischen Industrie hat die Bank wertvolle Dienste geleistet und gleichzeitig den Aktionären (und somit auch dem Staate) befriedigende, besonders durch ihre Stabilität sich auszeichnende Erträgnisse geliefert. Schon am 30. November 1857 beschloss die Generalversammlung, das Gesellschaftskapital zu verdoppeln und im Jahr 1863 wurde eine Erhöhung auf 2 Millionen Franken in Aussicht genommen. Als gleichzeitig der Gedanke der Gründung einer Kantonalbank auftauchte, beschloss die Generalversammlung, dem Staate, ausser den ihm nach dem statutengemässen Subskriptionsrecht zukommenden, weitere 500 Aktien zum Nennwerte * 2 ) und eine von der Standeskommission zu wählende staat- ') Seine Nachfolger im Amte waren die Herren Dr. J. J. Blumer, Oberst G. Trümpy-Zwicky (Sohn des erstgewählten Präsidenten) und alt Landammann E. Zweifel. 2 ) Der Verkehrs wert wird für die damalige Zeit im Landsgemeinde- Memorial von 1883 mit Fr. 550—560 angegeben, welche Schätzung jedoch :zu tief gegriffen war; denn in der „Neuen Glarner Zeitung“ vom 12. Februar 463 liehe Vertretung von zwei Mitgliedern im Bank-Ausschüsse anzubieten. Ein bezügliches Abkommen kam dann auch zu Stande, sodass das Aktienkapital seither 2 1 / 4 Millionen Franken beträgt und der Staat daran mit einem Fünftel d. h. 900 Stück ä Fr. 500 beteiligt ist. Auch die Notenemission erhöhte man jeweilen in entsprechender Weise; nach Erlass des eidgenössischen Banknotengesetzes von 1881 wurde dagegen die Liquidation dieses Geschäftszweiges beschlossen und so dem Institut der Charakter einer reinen Handelsbank gegeben bezw. erhalten. Beim „Brande von Glarus“ vom 10./11. Mai 1861, welcher :2 / 3 des Hauptortes in Schutt und Asche legte, verbrannte auch •das Bankgebäude 1 ); da jedoch Wertschriften, Barschaft u. s. w. teils gerettet wurden, teils sich nachher in dem feuersichern Gewölbe unversehrt vorfanden, so war der Verlust der Bank nur •ein unbedeutender; sie verlegte ihren Sitz bis zum Wiederaufbau in das Haus von Herrn F. Jenny-Zwicky in Ennenda, da derselbe ihr nebst den nötigen Bureau-Zimmern auch ein feuerfestes Gewölbe zur Verfügung stellen konnte. Inzwischen hatte man schon seit einiger Zeit auch von der Gründung eines zweiten Bankinstituts auf Aktien gesprochen, das namentlich die Vermittlung der finanziellen Bedürfnisse des Handwerkerstandes an die Hand nehmen sollte. Die Idee ging von dem Ende der 1850er Jahre konstituierten „Handwerks- und ■Gewerbsvereins“ in Glarus aus; die während des amerikanischen Xrieges sich einstellende allgemeine Geldknappheit und die infolge des „Brandes“ auch lokal stark gesteigerten Geldbedürfnisse brachten das Projekt 1862/63 zur Reife. Die Eröffnung der An- 1863 steht zu lesen, Appellationsrichter Müller ziehe seinen Antrag auf Gründung einer Kantonalbank zurück, da das Abkommen mit der „Bank in •Glarus“ befriedigend sei und dem Staat ein Benefiz von zirka Fr. 50,000 sichere, was auf die Kapitalisierung einer Aktie auf Fr. 600 schliessen lässt, ein Ansatz, der sich bis in die neuere Zeit unverändert erhielt. Auch schon der Bankbericht vom 19. April 1858 nennt die Wertierung von 580 als „bedeutend unter dem Tageskurse.“ *) „Ein „Glück im Unglück“ war, dass alle vier an der Peripherie des Hauptortes gelegenen Druckfabriken vom verzehrenden Element verschont blieben, so dass wenigstens in den Verdienstverhältnissen gar keine Stockung ■eintrat. 464 stalt geschah unter dem Titel Vorschuss- und Leihkasse in Glarus am 1. März 1863, zwar nur mit einem Kapital von Fr. 20,075, eingeteilt in 414 Aktien ä Fr. 50. —, wobei jedoch zu bemerken ist, dass ihr von der Firma Johs. Heer in Glarus ein grösserer Kredit gewährt wurde und zugleich vorgesehen war, dass die Vermehrung ihres Kapitals, ähnlich den heutigen Genossenschaftsbanken, auf dem Wege periodischer Einlagen alter und neuer Teilnehmer erfolgen sollte. Unter der Direktion von Herrn J. R. Blumer und, seit 1877, von Hrn. Kaspar Heer entwickelte sich das Institut aus diesen bescheidenen Anfängen in erfreulichem Masse; am 10.Februar 1868 beschloss die Regierung („Haushaltungscommission“), sich ebenfalls mit Fr. 50,000 zu beteiligen, gegen Delegierung eines ihrer Mitglieder in die Verwaltungskommission, und gleichzeitig erhöhten sich die privaten Zeichnungen um ein Beträchtliches, so dass sich das Aktienkapital Ende jenes Jahres auf Fr. 260,000, in Titel von je Fr. 100 und Fr. 500, belief; zugleich nahm man die Ausgabe von Fr. 100,000 an Banknoten in Aussicht, welcher Plan 1870 bei einer Erhöhung des Geschäftskapitals auf 1 j 2 Million zur Ausführung kam, bei welchem Anlass der Name in „Leihkassa“ abgekürzt wurde; 1873 beschloss man Erhöhung des Aktienkapitals auf 1 Million in Titeln ä Fr. 500 und der Noten-Emission auf Fr. 300,000 und ein Jahr darauf erhielt das Institut den gesamten Conto-Corrent- Verkehr des „Landseckelamtes“. Als die Landsgemeinde des Jahres 1883 die Errichtung einer reinen Staatsbank beschloss, trat die damit geschaffene Glarner Kantonalbank mit dem 1. Januar 1884 in der Weise ins Leben, dass ihr in erster Linie ein bares Betriebskapital von 1 Million Franken zur Verfügung gestellt wurde; dass sie in zweiter Linie die seit 1835 bestehende, zugleich als Hypothekarbank mit Staatsgarantie wirkende Landes-Ersparniskasse 1 ) mit einem Einleger-Kapital von rund 9 Millionen Franken (12,074 Einlegern *) Die „Landes-Ersparnisanstalt“ wurde laut „Mandat“ (Amtsblatt) vom 18. Oktober 1835 am darauffolgenden 21. Oktober eröffnet; erster Verwalter war Augenscheinrichter KonradSchindler in Glarus; am 19. Oktober 1859 erfolgte durch „Landammann und Rath“ eine allgemeine Revision der Statuten; letzter (langjähriger) Verwalter war Herr Mathäus Steinmann von Niederurnen. 465 gehörend) und einem Reservefond von rund Fr. 200,000 in sich aufnahm; dass sie drittens obige Vorschuss- und Leihkasse mit Aktiven und Passiven unter billiger Entschädigung der Aktionäre *) erwarb, und dass sie viertens mit einer Notenemission im Betrag von l J / 2 (seit 1897 von 2 1 / 2 ) Millionen Franken ausgerüstet wurde, alles mit staatlicher Garantie. 2 ) Die Wahl eines Direktors fiel auf den schon genannten Herrn Kaspar Heer in Glarus, welchem 1897 Herr Fritz Jenny von Ennenda nachfolgte. 1897 fand eine Erhöhung des staatlichen Dotationskapitals um Fr. 500,000 statt, während die Sparkassaguthaben sich per 31. Dezember 1901 bei einer Zahl von 17,191 Einlegern auf die stattliche Summe von 15 3 / 4 Millionen Franken gehoben haben. Im Anschluss an obige Bank-Institute wollen wir nicht unterlassen, auch auf die zahlreichen finanziellen Anstalten humanitären Charakters einen Blick zu werfen; wir meinen die Kranken- und Pensionskassen, welche eines der rühmlichsten Blätter glarnerischer Kulturgeschichte bilden. Ein heute noch lesenswertes Referat von Redaktor Josua Staub 8 ) gibt über die ersten Anfänge folgende Aufschlüsse: „Es war im Jahre 1815/16, als ein Arbeiter, Drucker in der Fabrik der Herren Egyd. Trürnpy in Glarus, das Schicksal hatte, über ein Jahr krank darnieder zu liegen ; dadurch gerieth er in Schulden; die übrigen Mitarbeiter nahmen Antheil an seinem Schicksal und erleichterten ihm dasselbe mit einer schönen Beisteuer. Die nämliche Teilnahme bethätigte sich bei fernem ähnlichen Anlässen. Nach diesen Vorfällen thaten sich (1816) b Die Aktien wurden mit je Fr. 575 zurückbezahlt, während dafür der Reservefond von Fr. 138,849. 55 Cts. an die Kantonalbank überging; letztere übernahm auch das gutgelegene, 1879/80 neu errichtete Bankgebäude; als letzter Präsident der Leihkasse hatte Dr. Niklaus Tschudy die Unterhandlungen mit der Regierung gepflogen und zu einem loyalen, beide Teile befriedigenden Abschluss gebracht. 2 ) Dagegen verzichtete der Staat nach Errichtung der Kantonalbank auf eine Vertretung im Vorstande der „Bank in Glarus“, immerhin ohne von seinem Aktienbesitz etwas zu veräussern. 3 ) Vorgetragen in der Sitzung der „Kantonalen Gemeinnützigen Gesellschaft“ vom 21. September 1861, abgedruckt in Nr. 116 der „Neuen Glarner Zeitung“ vom 26. September 1863. 30 466 einige der umsichtigem und einflussreichsten Arbeiter zusammen und be- riethen sich, auf welchem Wege diesem abhängigen, das Ehrgefühl des Arbeiters verletzenden Zustande abzuhelfen sei J ); diese Männer kamen auf den Gedanken, eine Krankenkasse zu gründen und zwar mit der Bestimmung, dass jeder Arbeiter, der in der Fabrik der Herren Trümpy arbeitet, aufgenommen werden könne. Es wurde in der Fabrik eine Versammlung angebahnt, wo dann das Projekt sämtlichen Arbeitern, unter Hinweisung auf die Veranlassung, eröffnet und sie eingeladen wurden, sich dabei zu betheiligen, was auch wirklich bis auf w r enige Ausnahmen geschah. An dieser Versammlung wurden die Männer, die die Anregung gemacht, beauftragt, Statuten zu entwerfen und eine zweite Versammlung adoptierte den darüber ausgearbeiteten Entwurf. Sofort liess sich eine grosse Anzahl Arbeiter einschreiben und der Inhaber der Fabrik, als ihm dieser Vorgang bekannt wurde, bezeugte sein Befriedigung dui’ch ein schönes Geschenk. Der Eintritt wurde auf 1 Gulden und der wöchentliche Beitrag auf 2 Batzen gesetzt. Nach einjährigem Stillstände wurde die Kasse eröffnet. Das ist die Entstehung der Krankenkassen im hiesigen Kanton. Der Gedanke zündete und die Früchte der neugegründeten Anstalt weckten bald zur Nachahmung. Im Jahr 1821 wurde die sog. glamerische Krankenkasse in Glarus gegründet; ihren Stock machten wieder Arbeiter der damaligen Fabrik der Herren Glarner auf der Presse. Schon im folgenden Jahre bildete sich die allgemeine Krankenkasse in Glarus. Zu Ende der 1820er Jahre finden wir die erste Krankenkasse ausser der Gemeinde Glarus in Schwanden; glamerische Arbeiter, die nach Schwanden gezogen, gründeten in Verbindung mit den strebsamen Fabrikherren die Fabrikkrankenkasse der Herren Jenny & Blumer daselbst. Mit dem Jahr 1830 entstand die Dorfkasse in Ennenda. So sprosste auf dem seJbigen Erdreiche ein Segensbaum nach dem andern, die schöpferischen dreissiger Jahre zeigten sich auch hier wirksam und fruchtbar und wie die grosse Fabrikindustrie nach und nach alle Landesteile umfasste, so treffen wir fortschreitend auch allerwärts Krankenkassen der Arbeiter an. Heute (1861) besitzt der Kanton 17 solcher Krankenkassen für bürgerliche Arbeiter, zunächst für Fabrikarbeiter.“ ') Hier möge eingeschaltet sein, dass, nach dem „Thurg. Neujahrsblatt“ von 1833 schon im Jahr 1813 in der Druckfabrik „Gebrüder Greuter & Bieter“ in Islikon (S. 129 T. II) eine „Reise- und Krankenkasse“ (wohl eines der ersten solcher Institute in der Schweiz?) für Drucker, Modelstecher und Färber gegründet wurde, welcher Vorgang jedenfalls in Glarus bekannt war, da damals Glarner Drucker häufig auswärts und so auch in Islikon vorübergehend arbeiteten. 1823 zählte diese Kasse 60 Teilnehmer, erhob von denselben wöchentlich je 6 Kr., bezahlte jedem kranken Mitglied wöchentlich fl. 3 und bei jedem Todesfall fl. 3 an die Begräbniskosten sowie einen gewissen Anteil am Reservefond; jedem durchreisenden, mit Schriften versehenen Berufsgenossen verabfolgte man 12 Kr. 1830 gründeten die „Handlanger“ derselben Fabrik ebenfalls eine Krankenkasse. 467 Die Thatsache, dass die Gründung fast aller älterer Krankenkassen im Kanton Glarus aus der Initiative der Arbeiter (insbesondere von solchen in Druckfabriken) hervorgegangen sind, stellt denselben in Bezug auf ihren Sinn für gesunde Selbsthilfe, für Sparsamkeit und Solidarität ein überaus günstiges Zeugnis aus; ■daneben muss beigefügt werden, dass diese Institute, besonders in späterer Zeit, von Seite der Fabrikanten und anderer gemeinnütziger Männer mit sehr bedeutenden Vermächtnissen und Geschenken bedacht worden sind 1 ), was ihren Bestand bezw. ihre Prosperität auch dann noch sicherte, als mit dem Anwachsen der Zahl der ältern Mitglieder auch der Betrag der zu entrichtenden Unterstützungen sich beträchtlich vermehrt hatte. Schon frühzeitig wurde es in den meisten Fabrikkassen üblich, auch Leute anderer Berufsarten aufzunehmen bezw. sie als Mitglieder zu behalten, wenn sie ihren Beruf geändert hatten; neben den „bürgerlichen“ („Fabrik“- und „Dorfkassen“) entstanden allmälig auch kleinere spezielle Kassen für einheimische Handwerker oder fremde Gesellen und Dienstboten. Alle bisher genannten hatten übrigens das Gemeinsame, dass sie nur dem männlichen Geschlechte zugänglich waren. Die erste weibliche Krankenkasse wurde 1856/57 bei Anlass der Eröffnung des Armen- und Krankenhauses in Glarus gegründet, war jedoch nur für weibliche Dienstboten bestimmt; die erste Fabrik-(Etablissements)-Kasse, welche auch die weibliche Arbeiterschaft umfasste (bezw. dieselbe zum Eintritt verpflichtete) war diejenige der Spinn- und Weberei in Haslen (gegründet 1856 durch ein Legat von Kirchenvogt Frid. Jenny in Ennenda, eröffnet 1860); ihr folgten, und zwar als ausschliesslich weibliche Kassen, 1864 die „Frauenkrankenkasse der Kirchgemeinde ■S chwan den“ und die „Krankenkasse für Arbeiterinnen“ in Lin th al, sowie 1867 die „ Weibliche Krankenkasse Ennenda-Ennetbühls“, während in einigen Gemeinden noch heute dieser jüngste, aber ■schwierigste Zweig des freiwilligen Krankenkassenwesens etwas zurückgeblieben ist. Von Anfang an wurde bei den hiesigen Krankenkassen, ähnlich wie bei derjenigen von Islikon, in Aus- 2 ) Auch verschiedenen andern humanitären Anstalten und Stiftungsfonds sind in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts von Seite der Begüterten reichliche Vergabungen zugeflossen. M ' - : /jU, '■ C—h i *; ■* f Jil“' , - - . 468 sicht genommen, auch alten, arbeitsunfähig gewordenen Mitgliedern eine kleine wöchentliche Unterstützung zu gewähren und sog. Todesfallbeiträge auszurichten; daneben entstanden noch spezielle Alters- und Pensionskassen. Die älteste derselben ist die „Alters- r Witwen- und Waisenkasse des Kantons Glarus“, auf Gegenseitigkeit gegründet 1842 auf Anregung von Schuhmacher Kaspar Heer in Glarus, damals Verwalter der „Allg. Krankenkasse“ in Glarus, eröffnet 1852; es folgte die „Alterskasse für Fabrikarbeiter in Glarus“, welche auf Anregung und mit Unterstützung von 4 Druckereifirmen des Hauptorts (Heinrich Brunner, Joh. Heer , Gebrüder Streiff, Becker & Oertli) 1855 geschaffen und 10 Jahre später für die Bezüge eröffnet wurde. Diesen grossem Instituten,, welche einen vielversprechenden Anfang genommen hatten, folgten jedoch auf gleicher Basis (Alimentation in erster Linie durch Mitgliederbeiträge) keine mehr nach; gegenteils hat sich das zweitgenannte Institut trotz seinen 797 Mitgliedern und nahezu Fr. 300,000 Vermögen, mangels jungen Nachwuchses, quasi selbst auf den Aussterbe-Etat gestellt, und es scheint, dass bei reinen Pensionskassen das Ziel für die Nutzniessung allzu weit hinaus gesteckt ist, als dass sie auf dem Wege der Freiwilligkeit und ohne staatliche Unterstützung in weitern Kreisen zu allgemeiner und dauernder Entwicklung gelangen könnten. 1 ) Dagegen entstanden im Laufe der Zeit durch grössere Legate von Fabrikanten mehrere „Etablissements-Pensionskassen“, bei denen ohne Beitragsleistungen der Nutzniesser die Zinse der vorhandenen Kapitalien unter die altern Arbeiter nach den Dienstjahren verteilt werden, wobei allerdings die einzelnen Quoten bis jetzt nur einen bescheidenen Betrag erreichten. Die erste derartige Gründung erfolgte 1852 durch Anteilhaber der Firma Jenny & Blumer in Schwanden. Wir geben als Schluss dieses Abschnitts eine *) Immerhin hat das erstgenannte Institut mit 241 Mitgliedern, einem Kapitalbestand von Fr. 133,589. 66 Cts. (wovon nur Fr. 5500 Vermächtnisse) und einem Betrag der im Jahr 1900 bezahlten Unterstützungen von Fr. 4959 in den letzten Jahren einen ordentlichen Zufluss neuer Mitglieder zu verzeichnen gehabt. 469 Summarische Zusammenstellung aller Kranken- und Pensions- Kassen im Kanton Glarus auf Ende Dezember 1900 1 ), bei einer Bevölkerungszahl von 32,397 Seelen. Zahl und Art der Versicherungskassen i Mitgliederzahl i Vermdgensbestand Ende 1900 Vermächtnisse und andere Geschenke seit der Gründung (sog. Stammkapital) Betrag der im Jahr 1900 geleisteten Unterstützungen 51 „Dorf“-, „Fabrik“- und and. Kassen für den Arbeiterstand im Allg. mit Versicherung für Krankheit bezw. Alter u.s.w. . | ! 11,345 Fr. Cts. 2,709,020. 46 Fr. Cts. i i 1,132,971. — Fr. Cts. 163,134.55 11 Versicherungskassen f. Handwerksmeister, einheimische u. fremde Gesellen, männl. und weibl. Dienstboten . 932 97,504. 19 5,950. — 7,753.28 Hülfskasse der evang. Geistlichkeit . . . 30 84,462. — 48,991. — 3,165.— L ehr er-Alter s AVi twen- und Waisenkasse . ! 143 146,034. 72 ! 128,728. 94-0 | 7,787.— Alterskasse der Arbeitslehrerinnen . . . 38 19,986. 85 ö o 200.— 65V ersicherungskassen 12,488 3,057,008. 22 1,321,340. 94 182,040.33 ') Der Verf. stützte sich dabei auf die Einzel-Angaben in dem 1902 im Auftrag der „Tit. Gemeinnützigen Gesellschaft“ von Herrn Kirchenrat S. Wild verfassten Schriftchen „Die öffentlichen Wohlfahrts-Einrichtungen des Kantons Glarus“; nur sind zwei dort ohne zwingende Gründe in eine andere Tabelle versetzten Versicherungskassen oben mit den übrigen vereinigt und wurde die dort übersehene, Ende 1895 gegründete „Alterskasse der Arbeitslehrerinnen“ beigefügt; im übrigen bietet das genannte Schriftchen eine treffliche Ueber- sicht dessen, was im Lande Glarus seit 100 Jahren auf dem Gebiete humanitärer Schöpfungen freiwillig durch Private und durch die Steuerkraft der Bürger geleistet worden ist. 2 ) Bei dieser Kasse wurde das Stammkapital nicht nur aus Vermächtnissen und Geschenken, sondern auch aus einem Teil des Staatsbeitrages, den Eintrittsgebühren, Heiratsgebühren und Bussen gebildet. 470 c. Nachträge aus der allgemeinen Geschichte der Zeugdruckerei. Nachdem wir schon S. 94/99 kurz das Schicksal der neuenburgischen Druckindustrie im XIX. Jahrhundert besprochen hatten,, erhielt der Yerf. durch die grosse Gefälligkeit des Herrn Staatsarchivar Arthur Piaget in Neuenburg die Kopieen einer Anzahl ungedruckter Dokumente, welche die folgende ergänzende Darstellung ermöglichten: Im XVIII. Jahrhundert genoss Neuenburg von Seite Preussens keine besonderen Mauthprivilegien, sondern war einfach den übrigen Eidgenossen gleichgestellt; „Neuchätel etait compris dans- la liberte du commerce entre la Suisse et l’Empire“ (Manuel du Conseil d’Etat, 21 juillet 1722) d. h. es bestand offenbar zwischen der Schweiz und dem deutschen Reich eine Art „Meistbegünstigungs-Abkommen“, ein Freundschaft«- und Handelsvertrag, wonach im allgemeinen, also vorbehaltlich der verschiedenen Beschränkungen von Seite der Einzelstaaten, Freiheit des Handels gegenseitig zugesichert war. 1 ) Die Revolutionszeit brachte die neuenburgische Druckindustrie in schwere Bedrängnisse; die S. 94 erwähnte Petition an den Fürsten Berthier verhallte ungehört. Als dann das Land wieder unter die Oberhoheit des preussischen Königs gekommen war und letzterer 1816 den ihm auf dem Wiener Kongress zugesprochenen neuen Provinzen (die Rheinlande und ein Teil von Sachsen) Zollbegünstigungen für die Einfuhr nach Alt-Preussen zugestanden hatte, verwandten sich am 9. März 1816 die „Audiences generales“ und in der Folge der neuenburgische Staatsrat ebenfalls um solche (Lettre du Conseil ä Sa Majeste du 11 mars 1816). Der Uhrmacherei wurde schon unterm 28. Juni desselben Jahres entsprochen (Voir dans le Manuel du Conseil d’Etat du 23 decembre 1816 „Tlnstruction pour les formalites ä. observer au sujet de l’importation des produits de l’horlogerie neu- chäteloise dans les Etats de Sa Majeste, situ es sur la Rive droite. *) Daboi benutzte der Verf. gleichzeitig die Schriften von W. Weber, Joh. Bich. Mucke und Dr. A. Emminghaus über den „deutschen Zollverein“ sowie Dr. Grassmann’s „Entwicklung der Augsburger Industrie im XIX. Jahrhundert“ (Augsburg, Gebrüder Reichel 1894). 2 ) Vgl. auch S. 34 T. I. 471 du Rhin“). Aus spätem Dokumenten erhellt, dass die Erleichterung darin bestand, dass Uhren und Uhrbestandteile neuenburgischen Ursprungs zum halben Zoll und ohne Beschränkung derMengein Preussen eingeführt werden durften. Am 20. Oktober 1817 wurde man speziell wegen der kritischen Lage der neuenburgischen Indiennes-Druckereien bei dem preussischen Minister von Hardenberg vorstellig; derselbe gab am 10. Januar 1818 dem Conseil d’Etat de Neuchätel die Zusicherung, dass man den neuenburgischen Druckwaren (Toiles peintes) wahrscheinlich einen Nachlass von 25 °/ 0 auf den Zöllen gewähren werde, dass aber gegenwärtig eine Steuer- und Zollreform in Arbeit sei, deren Beendigung vorerst abgewartet werden müsse. In der That erfolgte dann am 26. Mai 1818 der Erlass eines neuen Zollgesetzes, welches bestimmte, dass alle preussischen Länder (mit Ausnahme des „Schweizerkantons“ Neuenburg) zu einem Zollgebiet vereinigt würden und verschiedene kleine deutsche Enclaven ebenfalls in demselben aufzugehen hätten. Alle fremden die Grenze überschreitenden Waren, also auch die bloss transitierenden, sollten eine massige Gebühr von * 1 j 2 Thaler auf den preussischen Zentner 1 ) entrichten; diejenigen, welche für den Verbrauch oder Verbleib im Lande bestimmt waren, belegte man alsdann, soweit es sich um „Fabrik- oder Manufakturwaren“ handelte, mit einer sog. „Verbrauchssteuer“, welche vom Nettogewicht erhoben werden, zugleich aber in der Regel 10 °/ 0 vom Werte nicht übersteigen sollte; die dabei massgebenden Durchschnittspreise sollten von Zeit zu Zeit festgestellt werden. In der Folge beschränkte man jedoch das System der Verbrauchssteuer auf einige wenige Artikel (Branntwein, Tabaksblätter etc.) und verwandelte sie bei allen ’) Nach Bleibtreu’s „Handb. der Münz-, Mass- und Gewichtskunde“ war 1 preussischer Zentner gleich 51, 447 Kilogramm und demnach etwas grösser als der spätere „Zollvereins-Zentner“ (= 50 Kilos); da jedoch ersterer in 110 Pfund eingeteilt wurde, so entsprach 1 preussisches oder Berliner Pfund nur 467,,! Gramm und war demnach um ungefähr 1 / n kleiner als das spätere „Zollpfund“ (ä 500 Gramm). Wie aus den unten folgenden Tabellen ersichtlich ist, nahm man jedoch in Neuenburg den Zentner zu 100 Pfund an, so dass die Angaben in einigen Aktenstücken in dieser Beziehung etwas unklar sind. 472 übrigen Waren in eigentliche Zölle 1 ) von entsprechender Höhe; da zugleich die einmal angenommenen, nach dem Gewicht zu entrichtenden Ansätze festgelegt blieben, dagegen viele industriellen Produkte, worunter besonders die Baumwollmanufakturen, im Laufe der Jahre auf die Hälfte bis ein Drittel ihres ehemaligen Wertes sanken, so wirkte der anfänglich in der That ziemlich liberale Tarif später besonders bei den billigen Qualitäten einer und derselben Kategorie geradezu prohibitiv. Inzwischen hatte die neuenburgische Angelegenheit bis auf weiteres mit einem Reglement vom 30. Mai 1820 ihre Erledigung gefunden, wonach man den betreffenden Indiennesfabriken die Einfuhr von 1050 Zentnern ihrer Produkte zu einem Zoll von 8 Groschen 2 ) per Pfund gestattete. Es bedeutete dies eine Er- mässigung um genau einen Drittel, wenn man den Zentner zu 100 Pfund rechnet, da der Ansatz der Baumwolltücher im Zolltarif in verschiedenen Schriften übereinstimmend auf 50 Thaler (= 1200 Groschen) per Zentner angegeben wird. Für die an den Messen in Frankfurt a. d. Oder und in Naumburg a. d. Saale zu verkaufenden Waren trat eine nochmalige Reduktion um einen Drittel ein, wie aus Art. 1 des Reglements zu entnehmen ist. Derselbe lautet nämlich wörtlich wie folgt: ,, II est accorde aux Fabricans en coton de la Principaute de Neu- chätel de pouvoir introduire, durant l’espace de deux annees prochaines, une quantite de mille et cinquante quintanx de toiles de coton peintes, provenant de leurs manufactures, dans les Provinces Prussiennes situes en deoa de la ligne des Douanes, contre un droit de huit gros par livre, poids net, lequel droit tiendra lieu de tout autre impöt et du droit de consommation et sera diminud d’un tiers et reduit par consequent ä cinq gros quatre fenins, lorsque la marchandise sera destinee pour les foires de Francfort sur l’Oder et de Naumbourg sur la Saale.“ ') Die vorhin genannte allgemeine Eingangs-und Transitgebühr von V» Thaler per Zentner blieb daneben bestehen und wurde später auch vom „deutschen Zollverein“ beibehalten (so dass in letzterm ebenfalls nur gewisse Produkte der Land- und Forstwirtschaft und des Bergbaus ganz freien Eintritt hatten); sie war, soweit der Transit in Betracht kam, inzwischen vorübergehend als Repressalie, um den Anschluss unbequemer Enclaven zu erzwingen, für gewisse Artikel sogar bedeutend erhöht worden. 2 ) Bis zum Jahr 1826 war der preussische Thaler in 24 Groschen (zu 12 Pfennigen) eingeteilt, von dieser Zeit an in 30 Silbergroschen (zu 12 neuen Pfennigen). 473 u Nach einer „Declaration des proprietaires de fabriques d’in- dienne du 22 decembre 1820“ einigten sich die Fabrikanten, das bewilligte Quantum wie folgt unter sich zu verteilen: Pfund 33750 für die Fabrik Vaucher, DuPasquier & Cie. in Cortaillod „ 27000 ,, „ „ Bovet & Cie. in Boudry „ 13500 ,, ,, „ Daniel Verdan & Cie. in Grandchamp „ 10250 ,, „ „ Louis Verdan pere et fils in Les Isles „ 10250 für das Syndikat der Massa der ehemaligen Fabrik DuPasquier & Cie. in Marin „ 10250 für das Handelshaus Berthoud, Perregaux & Cie. mit der Fakultät, letzteres Qnantum nach seinem Belieben bei den vorgenannten Fabriken drucken zu lassen. Pfund 1050Ö0 insgesamt. Die Beteiligten waren jedoch von dem Abkommen nicht sonderlich befriedigt und bemühten sich bei jeder Erneuerung desselben bessere Bedingungen herauszuschiagen und es scheint, dass sie dieselben auch sehr nötig hatten, in Anbetracht der grossen Konkurrenz, welche sie auf ihren übrigen Absatzgebieten von Seite der englischen Produzenten begegneten. So steht in einem Briefe des Grafen von Bernstorff vom 4. April 1823 zu lesen: „L’Etatde decadence des manufactures de toile peinte de laPrinci- paute a ete depuis plusieurs mois l’objet des constantes sollicitudes de la Cour .... Apres de müres deliberations l’on est enfin eonvenu deprendre l’un des deux partis suivants: d’admettre, pour trois ans et avec le rabais usite d’un tiers sur ce qui sera expedie pour les foires de l’interieur l’introduction annuelle ou de 1050 quintaux de toiles peintes de Neuchätel moyennant le droit de 25 ecus par quintal (les toiles peintes de l’Etranger en payant 50) ou bien de 300 quintaux ä raison d’un droit de 2 gros parlivre. ,l Die neuenburgischen Fabrikbesitzer entschlossen sich für den zweiten Vorschlag, der ihnen einen kleinen, aber sichern Absatz sicherte, und vom 1. Juli 1824 (gültig bis Ende Dezember 1827) verstand man sich dazu, das Quantum zu den gleichen günstigen Bedingungen auf 60,000 „Livres de Berlin“ zu erhöhen, wobei jedoch gleichzeitig der besondere Rabatt für die Messplätze im Innern in Wegfall zu kommen hatte. Die gleichen Bedingungen, nun im neuen Gelde auf „2 x / 2 Gros cl’argent“ (Silbergroschen) par ii 474 livre net ou 9V 6 ecus par quintal ä 110 livres“ festgestellt, blieben auch für die Periode vom 1. Januar 1828 bis Ende 1880 in Kraft, Das „Tableau de repartition“ für die Periode vom 1. Juli 1824 bis Ende 1830 weist nur die vier ersten Fabriken der frühem Deklaration auf, da die fünfte bis 1833 Stillstand; es lautet wie folgt: Annees i 1 Cortaiilod M Bornlry Grandchamp Les Istes Total Livres de Berlin 1 juillet 1824 i! 12 920 10330 3750 3000 30,000 1825 II 25840 20660 7 500 6 000 ! 60,000 1826 j! 25840 20660 7 500 6 000 60,000 1827 ii 25840 20660 7 500 6 000 ' 60,000 1828 j 24500 19500 10000 6 000 60,000 1829 !| 24500 19500 10000 6 000 60,000 1830 jj 24500 19500 10000 6 000 60,000 Nicht geringe Beunruhigungen erweckte in Neuenburg die Thatsache, dass nach der am 14. Februar 1828 abgeschlossenen Zollvereinigung zwischen Preussen und Hessen - Darmstadt nun auch ernstliche Unterhandlungen für den Anschluss der übrigen deutschen Länder, besonders aber von Bayern, Württemberg und Baden in Gang kamen. In drei Eingaben der vier Indiennes- druckfabriken („Requdtes des Fabricants d’indienne de la Princi- paute“) vom 22. März, 19. Oktober und 28. Dezember 1830 wird folgendes geltend gemacht: Ihre Gesamtproduktion erreiche durchschnittlich 80,000 Stück = 4800 Zentner 1 ) per Jahr und habe bis jetzt zu Zweidritteilen gerade in denjenigen Ländern Absatz gefunden, welche nach den vom Kongress in Frankfurt a./M. erhaltenen Nachrichten den neuen deutschen Zollverein bilden sollen. Es wird daher das dringende Gesuch gestellt, ihnen das Recht zu reservieren, in die Staaten der neuen Vereinigung jährlich 2400 Zentner ihrer Produkte zu dem von der preussischen Regierung proponierten Zoll von 20 Reichsthalern *) Das hier angegebene Verhältnis von Stückzahl und Gewicht lässt erkennen, dass es sich wahrscheinlich um Stücke von 32/33 aunes oder 39/40 Meter Länge handelte (Breite durchschnittlich 80 cm, Gewicht um 9 Kilo per 100 m 2 angenommen.) 475 - pro Netto-Zentner liefern zu können 1 ); es sei dies der Ansatz,, zu welchem die preussischen Zeugdruckereien fremde rohe Baumwolltücher verzollen müssten und es repräsentiere dies 2 / 5 desregulären Zollsatzes für bedruckte Baumwollwaren. Indem die- Yerhandlungen zwischen den deutschen Staaten sich in die Länge zogen, zeigte man sich Neuenburg in der Zwischenzeit entgegenkommend, indem man ihm erlaubte, vom 1. Januar 1831 an bis auf weiteres die Indiennes zu obgenanntem Zollsätze und in unbeschränkter Menge nach dem preussisch-hessischen Zollverein, welcher inzwischen einige umklammerte oder benachbarte Kleinstaaten Mittel- und Korddeutschlands ganz oder teilweise in sich aufgenommen hatte, auszuführen. Es hatte dies, eine nicht unbeträchtliche Vermehrung des Umsatzes zur Folge,, wie aus folgendem Dokument ersichtlich ist. Extrait du Begistre des Expeditions de Toiles peintes destinees pour les Etats Prussiens et ceux de V Union. r Anrißes Vaucher, OuPasquier ) Bull. Soc. Ind. de Mulhouse, Heft 35, S. 447, Jahrgang 1834. 8 ) Bull. Soc. Ind. de Mulhouse, Heft 32, S. 195, Sitzung der Societ6 Industrielle vom 30. November 1833. 501 plus d’extension ä ce genre d’industrie. Parmi ces tissus de lainage, me- lange soie et laine, il y en a qui surpassent, en souplesse et en finesse, les plus beaux tissus Cachemire; tels sont ceux connus sous les noms de Thibet, schal}', mousseline-laine, satin et sckaly-satin.“ 1 ) Wer Gelegenheit hat, Mülhauser Kollektionen aus der Zeit von 1835—1845 zu durchgehen, ist sowohl von den koloristischen Leistungen als auch von der Schönheit und Feinheit der Gewebe überrascht. In ersterer Beziehung ist zu bemerken, dass sich der Dampffarbendruck vorwiegend von Hand vollzog, dass aber mit demselben häufig auch leichte Ueberdrücke in Rouleau-Druck verbunden wurden; bald gelangte man auch zu mehrfarbigem Druck auf Rouleaux- und Perrotine-Maschinen. In Geweben verstand man unter „Chaly“ solche mit seidenem Zettel und feinwollenem Schuss, ersterer meistens an gewissen Stellen zugleich in Streifen oder Ornamenten stärker hervortretend. Noch duftiger präsentierten sich die „Balzorines“, da hier nur die Seidenstreifen geschlossen hervortraten, die Mittelpartien dagegen durchbrochen oder florähnlich behandelt waren; die gleichen glatten und dichten oder gestreiften und durchbrochenen Zeuge erstellte man auch in reiner Seide. Die reinwollenen Gewebe waren entweder glatte „Mousseline-laine“ oder croisiert gewobene sog. „Cachemires“ und „Thibet“. Wem alle diese Stoffe zu teuer waren, für den stellte man sie auch in baumwollener Kette her, und zwar mit seidenem Eintrag, unter dem NamenBaumwoll-Chalys, und mit wollenem Eintrag unter dem Namen „Chaine-coton“; die Erstellung der letztem geschah wahrscheinlich, gemäss untenstehender Anm. 1, durch Fabrikant Josue Hofer-, daneben zeichneten sich in den Wollartikeln in den 1830er Jahren namentlich die Firmen Koechlinfreres und E. Schwartz aus und von den Häusern Freres Heilmann und Blech, Steinbach Mantz weiss der Verf., dass sie von 1840 an dreifarbige Chaine- Coton auf der Perrotine druckten und von ungefähr 1844 an schöne Irisfarben 2 ) sowohl von Hand als auch in ähnlicherWeise auf der *) Das Bull. Soc. Ind., Heft Nr. 104 (Jahrgang 1848), meldet unter einer ganzen Reihe von chronologischen, auf dasDep. Haut-Rhin bezüglichen Notizen, Josue Hofer habe 1836 und 1837 den Druck der Tissus Mousseline-laine und Chaine-coton eingeführt; wie jedoch aus Obigem erhellt, könnte ihm in diesem Zeitpunkt nur die Priorität für die Chaine-coton zukommen oder aber es wäre das Datum um einige Jahre zu spät angesetzt. 2 ) Vgl. S. 224. 502 Perrotine auf Mousseline-laine und Chaine-coton erstellten. (Später d. h. vom Ende der 1860er Jahre an brachten Freres Heilmann diese Fondus-Drucke in Verbindung mit Zinkstaub-Reservefarben und erzeugten die schon S. 225 erwähnten Japonais“ in ausgezeichneter Reüssite). In schweren Teppichen und verschiedenen andern Woll- drucken stand lange Jahre auch das Haus Thierry-Mieg & Cie. in sehr gutem Rufe. Inzwischen hatten sich noch weitere Verbesserungen in der Fabrikation Bahn gebrochen, und zwar verdankte man mehrere derselben dem Wolidruckfabrikanten Broquette in Paris. Derselbe nahm 1846/47 die schon früher von Haussmann (S. 209) empfohlene Anwendung von Farblacken mit Zinnbasis in den Wolidruckfarben wieder auf und führte sie richtig durch, indem er die bedruckten Wolltücher während und später unmittelbar vor dem Dämpfen durch nasse baumwollene Mitläufer stark befeuchtete, eine Methode, die noch heute zur Erzielung satter Wolidruckfarben unentbehrlich ist, sofern den Farben nicht Glycerin oder andere teure, hygroscopisch wirkende Zusätze gemacht werden*); um die gleiche Zeit erstellte Broquette mittelst Orseille eine neue purpurviolette Dampffarbe, welche bis zur Aera der Anilinfarben mit dem Dampf-Ferrocyanblau zu den schönsten der erreichbaren Nuancen gezählt wurde. * 2 ) Eine andere nicht minder wichtige Entdeckung blieb lange Zeit Geheimnis einiger weniger Firmen. Die Wollfaser hat nämlich die Eigenschaft, die Druckfarben stark ins Innere einzusaugen, so dass, wenn auch 2—4 mal mit dem Druckermodel, je nach der Schwere der Partieen und der zu druckenden Stoffe, abgeschlagen wird, die rauhe und schuppige Oberfläche der Wolle doch gern etwas schäbig erscheint, und in noch stärkerm Masse ist dies beim Rouleaudruck der Fall. Nun wusste man diesem Uebelstand einigermassen abzuhelfen, indem man die Wollstoffe in zinnsaurem Natron (mit darauffolgender Fixierung in Schwefelsäure) präparierte oder indem man sie in „Sulfomuriate d’etain“ (Zinnsalz und Schwefelsäure gemischt und ‘) Die ersten Rouleaux-Drucke mit solchen Lackfarben vollzogen sich kurz darauf in der Fabrik Dollfus-Mieg & Cie. durch Dollfus-Ausset (siehe dessen Materiaux, Bd. I S. 33? Anmerk. 1). 2 ) Ygl. S. 364, 458, 471 und 474 in v. Kurrer’s „Druck- und Färbekunst“ Bd. III, "Wien 1850, Verlag von Carl Gerold. 503 mit Wasser verdünnt) behandelte; nach einer dem Yerf. von den Herren Scheurer-Lauth & Cie. in Thann gefäiligst gemachten Mitteilung hatte man jedoch schon vor 1850 in der Fabrik Blech, Steinbach & Mants in Mülhausen die Beobachtung gemacht, dass, wenn man die Ware nach letzterer saurer Passage unvollständig auswusch und dann durch Chlorkalk 3 / 4 ° Be. (bei 20° Celsius) durchnahm, die Farben alsdann beim nachfolgenden Drucke auffallend gut angenommen wurden und sich satt und voll präsentierten, während allerdings die Weichheit des Griffes der Wolle dabei etwas litt. Der Anstoss zu diesen Versuchen hatte vielleicht seinen Grund darin gehabt, dass man durch den Chlorkalk der Wolle den ihr ohnehin eigenen gelblichen Ton, der durch die Zinnpräparation noch verstärkt wurde, benehmen wollte, dabei aber, wie gesagt, nicht das gewollte, sondern ein neues überraschendes Resultat erzielte, dank dessen verschiedene elsässische Fabriken sich vor andern durch ganz besonders satte Farben auszeichneten. *) So war dies in den 1860er und 1870er Jahren bei dem Hause Scheurer-Bott (Vorgänger der Herren Scheurer-Lauth & Cie.) in Thann bei ihren mehrfarbigen Rouleaux-Drucken auf Mousselines-laine der Fall. Inzwischen hatte es sich herausgestellt, dass speziell zur Fixation der Anilinfarben die Zinnpräparation in der Regel gar nicht mehr nötig ist und dass es genügt, die Wollstoffe vor dem Druck durch wässriges Chlor d. h. durch eine mit Schwefelsäure oder Salzsäure angesäuerte Lösung von unterchlorigsaurem Kalk oder Natron durchzunehmen. Wenn auch die Fabrikanten des Elsasses und das von Elsässern geleitete Etablissement in Lörrach (S. 69) in den Kleiderstoffen in Mousseline-laine und verwandten Geweben lange Zeit tonangebend blieben, so wurde ihre Manier doch bald an verschiedenen Orten mit Erfolg nachgeahmt, und zwar vorerst durch die schon oben genannten Fabriken in andern französischen Provinzen (so namentlich ’) Eine Publikation von John Graham, mitgeteilt in Dollfus-Ausset’s Materiaux, Bd. I S. 175 u. ff., enthält die Nachricht, dass 1848 John Thom in Mayfield das neue Verfahren, die Wolle (in einem Bad mittelst schwefligsaurem oder unterschwefligsaurem Natron anstatt durch gasförmige schweflige Säure?) zu schwefeln erfunden habe und um die gleiche Zeit habe Mercer das Chlorieren und Oxydieren der Wolle vor dem Druck eingeführt. Ob in der That demselben oder einem Mülhauser Chemiker dieses Verdienst zukommt, ist nach Obigem eine offene Frage. 504 in Jouy bei Paris); dann thaten dies 1 ) 1837 auch H. J. Bodemer in Grossenhain (Sachsen), 1839 die Brüder Borges in Böhmen, bald darauf Johann Liebig in Reichenberg (Böhmen) und ebendaselbst Anton Thum (welcher schon 1834 die erste mechanische Kammgarnspinnerei Böhmens errichtet hatte), ferner einige Firmen in Wien, Berlin und Hamburg. In England war es James Thomson in Primrose, in Schottland die Firma W.&J.Crum und in London Mair & Cie., welche diese Artikel um 1839 aufnahmen und namentlich die „Chaine-coton“ bald in grossen Mengen für in- und ausländischen Verbrauch erstellten; in den 1860er Jahren kamen dies- selben wieder ausser Kurs, indem sie durch die Erzeugnisse der farbigen Woll- und Halbwollweberei, die inzwischen namentlich in Kammgarnstoffen in Manigfaltigkeit und Qualität grosse Fortschritte gemacht hatte, verdrängt wurden. Die Angaben auf S. 163 ergänzend, teilen wir an dieser Stelle noch folgendes aus der Statistik des Departement du Haut- Rhin d. h. des Elsasses mit: 1839 gab es 30 Druckfabriken mit 14,000 Arbeitern und einer Produktion von 650,000 baumwollenen und wollenen Stücken ä 43—45 Meter Länge. 2 ) 1863 zählte man 17 Fabriken mit 105 Rouleaux-Maschinen (ä 1—8 Farben), 1271 langen Tischen für Wolldruck sowie zum Drucken oder Illuminieren schwerer baumwollener Möbelstoffe (unter gleichzeitiger Beschäftigung mehrerer Arbeiter an einem Tisch) und 713 gewöhnlichen Drucktischen. 3 ) Im Januar 1870, also im letzten Jahre der Zugehörigkeit zu Frankreich, zählte man 18 Druckfabriken mit 8611 Arbeitern mit einem Jahresverdienst von 6 Millionen Franken, 124 Rouleaux- Maschinen, 9Perrotinen, Drucktischen in der Länge von 14827 Meter und eine Produktion von rund 79 Millionen Meter Baumwolltücher und 3 3 / 4 Millionen Meter wollene, seidene und gemischte Druckstoffe. 4 ) ') Nach S. 144 in v. Kurrer’s „Gesch. d. Zeugdruckerei“ (1. Aufl. 1840) und nach S. 516 und 521 von Dr. Hermann Hallwich’s „Reichenberg und Umgebung“, (Reichenberg, Verlag von Franz Jannasch, 1874); vgl. auch Dollfus- Ausset’s „Materiaux“, Bd. I S. 215. 2 ) Bull. Soc. Ind. de Mulhouse, vol. XII, p. 555. 3 ) Dollfus-Ausset’s „Matbriaux“, Bd. I S. 459. 4 ) Bull. Soc. Ind., Jahrgänge 1871 und 1872. TZ 505 Haben wirS. 499 Rouen und Umgebung als die Produktionsstätte bezeichnet, aus welcher der französische Markt lange Zeit vorwiegend die billigen Baumwoll-Manufakturen bezog, so schloss dies doch nicht aus, dass aus der Mitte derselben ebenfalls einige wichtige Neuerungen und Verbesserungen hervorgingen. — Als solche haben wir schon S. 374 die Einführung der Garancine und daran anschliessend die Schaffung verschiedener neuer Druckartikel namhaft gemacht; eine andere wichtige Erfindung verdankt man einem gewissen Perrot, welcher eine neue Druckmaschine, nach ihrem Schöpfer Perrotine genannt, konstruierte und dieselbe 1834 in Rouen in die Praxis einführte. Sie löste bis zu einem gewissen Grade d. h. für bestimmte Artikel das Problem, den gewöhnlichen, bisher von Hand mittelst erhaben gestochenen Formen ausgeübten Druck auf eine Maschine überzutragen. Die dabei zur Anwendung kommenden ebenen Druckplatten nehmen die ganze Breite des zu bedruckenden Gewebes ■ein und sind ganz ähnlich den Handmödeln erhaben aus Holz, ■eventuell unter Anwendung von Messingstiften und -Lamellen, gestochen oder bestehen aus kleinen, aufgenagelten, in Komposition gegossenen Stücken („Cliches)“, gemäss der S. 62 Anmerk. 2 angedeuteten Methode hergestellt. Die fast ganz in Eisen ausgeführte Maschine wurde anfänglich für drei, 1844 für vier und in den 1850er Jahren bis zu sechs Druckfarben bezw. Druckplatten gebaut. Letztere machen, wenn die Maschine in Gang gesetzt wird, eine leichte Bewegung horizontal (oder eventuell auch vertikal) hin und zurück, wobei sie abwechslungsweise von einem Uhassistuch berührt d. h. mit Farbe gespiesen werden und dann dieselbe durch Andrücken dem durchstreichenden Druckgewebe abgeben; im Moment wo diese zweite Phase des Druckes vor sich geht, sorgt ein sinnreicher Apparat dafür, dass sich das in einem beweglichen Rahmen eingespannte Chassistuch aus einem Trog mittelst eines Filzwalzenpaars wieder mit frischer Farbe sättigt. Der eigentliche Druck vollzieht sich demnach ganz wie beim Handdruck intermittierend; trotzdem ist die Leistung der Maschine, wenn man die Bedienungsmannschaft in Betracht zieht, eine bedeutende, da man beispielsweise, nach gefl. Mitteilung der Herren Tsohudi & Cie., bei 3—öfarbigem Indiennes-Druck und llstündiger mfä-i 506 Arbeitszeit eine Tagesproduktion von 8 Stück ä 110 Meter erzielt 1 ) und bei mechanischem Antrieb nur einen geübten Drucker und einen Hilfsarbeiter für 2—8 Maschinen benötigt. Bei dem vielerorts üblichen Antrieb von Hand mittelst einer Kurbel waren für jede Maschine 1 Drucker zur Rapportstellung und Beaufsichtigung und 2 starke Männer für den Antrieb erforderlich. Gemäss der genannten Leistung vermag eine Perrotine bei dreifarbigem Indiennes-Druck ungefähr 12 Handdrucker, bei fünffarbigem entsprechend mehr zu ersetzen 2 ); erreicht sie in dieser Richtung die Leistungsfähigkeit einer Rouleaux-Druckmaschine nicht, so bietet sie dagegen auch ihr gegenüber gewisse Vorteile, welche in folgenden Umständen begründet sind: 1. Wie beim Handdruck, so können auch bei der Perrotine grelle, entgegengesetzte Farben in beliebig schweren Partieen nebeneinander ausgeführt werden, während man beim Rouleaux- Druck stets mit dem Faktor zu rechnen hat, dass wegen der notwendigen Pression jede folgende Walze etwas von den Farben,, welche durch die vorangehenden Walzen auf das Stück gebracht worden sind, abzieht und aufnimmt und dadurch dem eigenen „Chassis“ zuführt, wodurch die Farben, mit Ausnahme der ersten,, nach und nach eine bald unmerkliche, bald sehr störende Nüancie- rung erleiden. ') Es ist dies die in der Praxis bei Jahresbetrieb erreichte Durchschnittszahl; die Maxi mal-Leistung kann, bei grossen Rapporten und ohn» dass ein Musterwechsel nötig ist, per Tag bis auf 15 Stück ä 110 m an- steigen. Von Kurrer gibt an, dass man in 14 Stunden 36—40 Stück ä 50 Wiener Ellen mit 3 Farben oder 60 Stück nur mit einer Farbe bedrucke. Nach dem gleichen Autor kostete in den 1840er Jahren eine sehr gute^ Perrotine, bei Mechanikus Hummel in Berlin konstruiert, 1400 preussische Thaler oder 5200 Franken. Eine leistungsfähige und sehr sinnreiche, im Prinzip verwandte Modeldruckmaschine bis zu 8 Farben hatte 1836 auch der S. 73, Anmerk. 1 erwähnte Druckfabrikant Eduard Leitenberger in Reichstadt konstruiert. 2 ) Die Angabe Persoz’s, dass eine dreifarbige Perrotine 1000—1500 Meter Calicots täglich bedrucke und 25 Handdrucker ersetze ist offenbar der Mitteilung einer möglichen Maximalleistung und nicht einem praktischen Durchschnittsresultat entnommen; in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Maschinen sind in den Lehrbüchern die Wirklichkeit bedeutend übersteigend» Zahlen überhaupt nicht selten. 50 ? 2. Die Farben werden auf der Perrotine wie beim Handdruck satt und voll auf das Gewebe aufgetragen und dann von demselben eingesogen, während die Rouleaux-Maschine sie mehr durchdrückt.. 3. Die Perrotine kann so konstruiert oder geführt werden,, dass jede Druckform hintereinander zweimal abgeschlagen wird,, weshalb sie längere Zeit für 1—3farbigen Woll- undHalbwoll- druck als sehr praktisch befunden wurde; seitdem einerseits der Halbwolldruck sich vermindert und anderseits der Rouleauxdruck auf Wolle die S. 503 skizzierten Erleichterungen erfahren hat, hat ihre Verwendung zu diesen Zwecken allerdings sehr nachgelassen.. Die unter 1 und 2 angeführten Vorteile machten die Perrotine für das Bunt ätzen türkischroter Tücher und für Reserve druck mit darauffolgender Indigofärberei sehr tauglich. Für ersteres ist sie noch heute im Gebrauch, während sie für letztem die Bedeutung im Indiennesdruck schon dann verlor, als Camille Köchlin (S. 140) 1869 das Weissätzen und 1873 das Buntätzen der vorgefärbten indigoblauen Tücher auf der Rouleaux-Maschine gelang. 1 ) Die Unvollkommenheiten der Perrotine liegen darin, dass die Feinheit des Gestechs selbstverständlich weit hinter derjenigen, der vertieften Metallgravüre zurücksteht, dass die Gefahr, im Druck „Ansätze“ zwischen den Rapporten zu bekommen, in ziemlichem Grade vorhanden ist und ferner, dass die mögliche Rapportweite der Druckform in der Richtung der Länge des. Stückes sehr beschränkt ist; sie schwankt nämlich gewöhnlich bloss zwischen 7 und 21 Centimeter, was für die Zeichner oft recht hinderlich ist; damit hängt zusammen, dass sich die Perrotine für Mouchoirs-Druck sehr wenig eignet, indem beispielsweise schon bei einem 60 Centimeter breiten Tuch die Stecherei auf drei Druckformen oder „Hände“ (ä 20 cm) verteilt werden muss, so- dass man alsdann für einfarbige Muster eine dreihändige und für zweifarbige Muster eine sechshändige Maschine in Anspruch zu nehmen hat; da die Stecherei zugleich die ganze Fläche des Tuches repräsentieren muss (während beim Handdruck nur einen Bruchteil, 0 Die Weissätzfarbe enthält ehromsaures Natron, die Buntätzfarben ausserdem noch Albumin und säureächte Körperfarben; die Fixation und, Entwicklung erfolgt in einem schwefelsauren oder oxalsauren Bade. 508 gewöhnlich einen Viertel), so stellt sie sich verhältnismässig teuer, wenn es sich nicht ausschliesslich um Cliches handelt. Aus diesen ■Gründen hat man in Frankreich für Mouchoirs-Druck eine andere Relief-Maschine erfunden, die sich später auch im Glarnerland unter dem Namen Raye-Maschine einbürgerte und die man von einem Herrn Alfred Baye in Chapelle-St. Denis bei Paris bezog. Ihre Konstruktion ähnelte derjenigen einer Kupferplattenmaschine und lieferte wie diese nur einfarbige „Reserve-Drucke“ und „Vordrucke“, war jedoch bedeutend leichter und für Handbetrieb mittelst Kurbel gut geeignet. Die Stelle der Kupferplatte nimmt hier eine in einen hölzernen Rahmen gegossene Gypsplatte ein, auf welche die ornamentierten Teilstücke (Cliches) in Weichguss aufgeheftet werden; daraus erhellt, dass die Zeichnung vielfach sich wiederholende Partieen aufweisen muss (indem sie sonst viel zu teuer käme) und dass diese Art Druckerei zwar nicht die feinen Effekte der vertieften Metallgravüre, dagegen aber die schon bei der Perrotine erwähnten Vorteile desReliefdrucks gewährt. Ein einzelner Drucker ist im Stande mit einer solchen von ihm selbst in Bewegung gesetzten Maschine täglich 8—9 Stück ä 60 Meter zu drucken, mit •einem 14—18jährigen Gehülfen als „Treiber“ 12—13 Stück. Das Fournieren der Farbe auf die Gypsplatte erfolgt in der Weise, dass eine mit Filz überzogene Gypswalze über einem Chassis mittelst einer Handbürste mit Farbe angestrichen und der Ueberschuss von letzterer durch Andrücken einer Leistenbürste und Drehen der Walze abgestrichen wird, worauf man letztere über die die Stecherei enthaltende Gypsplatte gleiten lässt. Während diese Raye- Maschinen mit ebenen Gypsplatten und intermittierendem Betrieb anscheinend erst in den 1850er Jahren aufgekommen sind, geht die Erfindung einer ähnlichen Walzen-Reliefmaschine mit Continu-Betrieb sehr weit zurück; nach Dollfus-Aussets „Materiaux“, Bd. 1., S. 225 haben nämlich schon 1770 Charles Taylor und Thomas Walker in Manchester eine Druckmaschine mit 1—2 hölzernen, erhaben gravierten Druckwalzen erfunden und nach Persoz’ „Traite de lTmpression“, T. II, S. 337 hat ein gewisser Ebinger in St. Denis unterm 16. Juli 1800 ein Patent auf eine solche, „Plombine“ genannt, genommen. Um 1840 fingen dann die .Engländer und später auch Raye in St. Denis an, die hölzernen durch Gypswalzen mit gegossenen und aufgehefteten Cliches zu ersetzen. Die Leistungsfähigkeit einer solchen später auch im Glarnerland zur Anwendung gekommenen Maschine ist recht bedeutend, indem ein Arbeiter täglich 30—35 einhändig gedruckte Stücke ä 60 Meter abliefern kann. Im Ganzen ist jedoch der Relief- Maschinendruck auf Zeugen in neuerer Zeit fast ganz verschwunden,, nimmt aber dafür im Tapetendruck 1 ) weitaus die erste Stelle ein. Nachdem schon frühzeitig Versuche gemacht worden waren,, die englische Walzendruckmaschine für Zeuge nun auch für den Druck von Papiertapeten anzuwenden und nachdem namentlich den grossen Tapetenfabrikanten Potter brothers in Manchester 1840 die Konstruktion einer leistungsfähigen Maschine mit vertieft gravierten Walzen gelungen war, stellte es sich mit der Zeit heraus, dass eine Druckmaschine mit erhabenem Gestech doch noch vorzüglichere Dienste leistet, teils weil bei den (meistens nach S. 31 verdickten) Körperfarben der Tapeten die schweren Flächen- partieen gewöhnlich im Druck vorausgehen müssen, teils aus verschiedenen andern technischen Gründen. Nach dem „Buch der Erfindungen“ 1898, Band VIII, S. 244 ist es dem Konstrukteur Ferd. Flinsch in Oifenbach a./M. gelungen, solche Tapetendruckmaschinen mit Relief-Walzen bis zu 24 Farben zu bauen; die Plazierung so vieler Druckwalzen um die Trommel (Presseur) und der Umstand, dass das Fournieren der Farbe auf Jene mittelst Wolltüchern ohne Ende, jedes aus einem besondern Chassis gespiesen, erfolgen muss, bewirken, dass der Trommeldurchmesser 6 Meter beträgt und diese monstruöse Maschine somit vollständig 2 Stockwerke einnimmt. Interessant ist auch die Art der Gravüre; da dieselbe sehr stark erhaben sein muss, erzeugt man das Muster auf den Druckwalzen (mit einem Kern aus Hartholz oder gepresstem Papier) durch Einschlagen einer grossen Anzahl einzelner Messingstifte, manchmal bis zu 40,000 Stück auf einer einzigen Walze! Soll eine ganze Fläche bedruckt werden, -so umgrenzt man dieselbe mit schmalen Streifen aus Messingblech und füllt den innern Teil mit dickem Filz aus. *) Vgl. über denselben S. 27 u. ff. 510 i Die glarnerisclie Druckerei in fler Periode yon 1860-1900 nebst Offizielle Statistik vom Winter 1864/5 über die Zahl, Art, Grösse und Produktions- & Ort Firma Produktion 1. Ziegelbrücke ! Enderlin & Jenni Baumwollgarn u. do. Tücher 2. Niederumen Gebrüder Tschudi Druck von Baumwolltüchern 3. Oberurnen Luchsinger & Streiff ditto 4. ditto Rudolf Kägi Baumwollgarn 5. Näfels Gerig & Ris Druck von Baumwolltüchern 6. ditto Christoph Triimpi Druck von Seiden- u. Baumw.-Tüch. 7. ditto Hauser & Weber Baumwollgarn 8. Mollis Gailatm & Comp. Druck von Baumwolltüchern 9. ditto Hefti & Karrer ditto 10. ditto Triimpi jgr. & Comp. Färben gezwirnter Seide 11. ditto Jenni & Comp. Baumwollgarn u. do. Tücher 12. Hettlen Egvd. de Egyd. Triimpy Druck v. Baumwoll.-T. u. Handlangerei 13. Netstall Leuzinger & Zweifel Papier aller Art 14. ditto Felix Weber Druck von Baumwolltüchern 15. ditto (Lauggütli) Martin Kubli ditto 16. ditto Felix Kubli ditto 17. ditto (Lerchen) Gebr. Jak. & Gabr. Spälti Baumwollgarn u. do. Tücher 18. Glarus (Ingruben) Brunner, Hößli & Comp. Druck von Baumw'olltüchern 19. ditto (Pressi) Geb. J. & J. R. Streiff ditto 20. ditto ho. Joh. Heer ditto 21. ditto (Oberdorf Triimpi jgr. & Comp. Gezwirnte Seide *) ') Die Seidenzwirnerei besteht gegenwärtig aus 20 Windmaschinen mit 320 Haspeln und 24 Zwirnmaschinen ä 100 Spindeln = 2400 Spindeln. 3 ) Es dürfte sich dabei um eine Art „Raye-Maschinen“ (S. 508) gehandelt haben. (Anmerk, des Yerf.) 511 UebersicM über Oie gesamte glarnerisclie Indnstrie in Oer Gegenwart. Fähigkeit der Fabriken des Kantons Glarus, nebst den dabei verwendeten Arbeitskräften. % Zahl Zahl Zahl der | Zahl der Verwendete Männliche ob Männliche! unter } Weibliche ob Weibliche unter der Spindeln der Webstiihle Drucktische 2 ) Druckmaschinen Arbeiter 16 Jahren 6 Jahren; 6 Jahren 16 Jahren 1. 46,700 233 1 458 121 43 231 63 2. — — 160 5 Planchepl. 250 121 7 101 21 3. _ _ 270| — 235 85 18 110 22 4. 7,500 — 1 — 54 18 6 16 i 14 5. 196| 6 Perrotinen 380 130 50 160 40 6. — — lBaumw.160 (Seidendr. 20 — 230 147 4 74 5 7. 3,600 — — — 40 9 2 22 7 8. — — 70 5 Druckm. 3 ) (eigene Erfindung) 174 161 80 7 15 92 35 I 4 10 9. — — 120 2 Perrotinen 140 10. _ — — — 8 8 — — — 11. 15,352 312 — — 350 74 15 224 37 12. _ ; - 40 — 60 19 1 26 14 13. _ — — — 45 14 1 30 — 14. 220 1 Perrotine * 370 115 55 160 40 1 Rouleau +[ 250 ] [ 75 ] [331 [ 112 ] [ 25 ] 15. — — 70 1 Planchepl. j * 300 1 +[ 150 ] 140 [ 70 ] | 80 [ 40 ] 50 [ 25 ] 30 [ 13 ] 16. — — 160 1 Planchepl. 340 85 10 125 20 17. 8,000 160 11 — 160 48 12 88 12 18. _ _ 32 — 48 14 — 33 1 19. _ 153 — 220 82 8 111 19 20. — 380 3 Planchepl. 495 191 22 250 32 21. — — — — 123 5 — 103 15 Uebertrag Uebertrag Uebertrag Uebertrag Uebertrag Uebertr Uebertr UeberU . Uebertr. 81,152 705 2,062 25 Druckm. 4,480 1167 356 \ 2041 1 416 * Bei voller Arbeit, f Oegenwärtig. 2 ) Die Zahl der Drucktische wurde nach der Zahl der an denselben arbeitenden Drucker berechnet; so wurden die Doppeltische, an denen 2 Drucker arbeiten, für 2 und diejenigen, wo 4 Drucker sich befinden, für 4 gezählt. -512 Ort Firma Produktion 22. Glarus (Oberdorf) Egyd. de Egyd. Trümpy Druck von Baumwolltüchern 23.! ditto (Abläsch) Heinrich Brunner ditto 24.! ditto (Holenstein) Blumer & Tschudi ditto 25.! Ennetbühls Jenni & Comp. ditto 26.1 Ermenda Barth. Jenni & Comp. ditto 27. i ditto Gebrüder Freuler ditto 28.1 ditto Joh. Oertli & Comp. Baumwollgarn 29. ditto Aebli & Marti Chemische Produkte 3 ) 80.| Mitlödi Chemische Fabrik Glarus ditto 4 ) 31. ditto Triimpi & Jenni Druck von Baumwolltüchern 32.! Schwanden Blumer & Jenny ditto 33.! ditto Gebr. J. & F. Paravizini Baumwollgarn 34.| ditto Tschudi & Comp. Rothfärberei, Druck v. Baumw.-T. 5 ) 35.! Haslen Barth. Jenni & Comp. Baumwollgarn u. do. Tücher 36.! Läuggelbach Conrad Jenni Druck von Baumwolltüchern 6 ) 3 /. [ Luchsingen Gebrüder Jenni Baumwollgarn und Tücher 38. Hätzingen Weberei Hätzingen ditto 39. ditto Gebrüder Hefti Wolltuch v. d. Wolle b. z. fert. Tuch 7 ) 40. Diesbach J. & M. Legier Baumwollgarn u. do. Tücher 41. Betschwanden Hil. Bäbler Baumwollgarn 42. Rüti Becker & Milt Baumwollgarn u. do. Tücher 43.| ditto 'WebereiRüti (Gebr.Hefti) Baumwoll-, Woll- und Leinentücher 44.! Linthal Heinrich Kunz Baumwollgarn 45. ditto Gebr. Casp. &Frid. Becker Baumwollgarn u. do. Tücher 46. i Engi Triimpi jgr. & Comp. Seidenwinderei 8 ) 47. i 48. 9 1 ditto Weberei Engi Baumwolltücher 3 ) In der chemischen Fabrik in Ennenda befinden sich gegenwärtig 10 Oefen im Betrieb, worunter 1 Bleischmelzofen. 4 ) Die chemische Fabrik in Glarus umfasst gegenwärtig 9 Oefen, worunter 3 Bleischmelzöfen. 5 ) In der Rothfarb sind gegenwärtig 2 Farbkessel im Betrieb. 6 ) Dieses Etablissement ist von Hm. Hauptmann Conrad Jenni nur gepachtet. Dasselbe wird mit nächster Zeit an einen neuen Eigenthümer übergehen und der gegenwärtige Pächter ist im Begriff, ein eigenes Fabriketablisse- ment in Ennenda zu gründen. 513 iN° Zahl der Spindeln Zahl der Webstühle Zahl der Dracktische ') Zahl der Druckmaschinen Verwendete Arbeiter Männliche Männliche oh unter 16 Jahren 16 Jahren Weibüehe ; Weibliche oh ! unter 16 Jahren 16 Jahren Uebertrag Uebertrag Uebertrag Uebertrag Uebertrag Uebertr. Uebertr. Uebertr. Uebertr. 81,152 705 2,062:25 Druckm. 4,480 1167 356 2041 416 22. — — 250 1 Rouleau 1 3 Planchepl.l 300 130 15 120 35 23. — — 320 — 450 146 20 267 17 24. — — 150 — 240 165 25 30 20 25. — — 260 2 Planchepl. 340 155 24 134 27 26. — — 300 8 Planchepl. 450 230 30 157 33 27. — 1 _ j 120 3 Planchepl. 184 101 8 57 18 28. 3,408 j — — 20 4 o 6 8 29. — ; - -- ■ : — 8 8 — — -- 30. i - — ’ - 10 10 — : — — 31. — j — 263 — 355 130 28 i 155 42 32. — — 380 4 Perotinen] 1 Rouleau j 600 j 344 14 214 28 33. 17,000 — — 152 44 12 77 19 34. — — 60 — 160 107 9* 34 10 35. 23,000 534 — — 480 125 31 268 56 36. — ; - 50 — 75 40 10 20 5 37. 12,000 250 — — 209 46 22 109 32 38. 5,940 300 — — 150 35 4 105 6 39. — ; — — — 172 88 15 54 15 40. 4,000 200 -- — 134 25 7 88 14 4L 9,000 — — — 80 36 4 11 29 42. 19,500 230 — — 250 60 40 100 50 43. — ; Banmw-17o .wollt 24 1 _ — 112 20 7 71 14 44. 33,400 ; - — — 315 113 28 141 33 45. 9,500 230 — I - 200 62 8 110 20 46. — 1 — j _ ! 93 1 o 46 43 47. — ! 216 — ! — | 83 7 1 56 19 48. 9 217,900 2,859 4,204 47 Druckm. | 10,002 j 3799 723 4471 1009 ’) Die Wolltuchfabrik in Hätzingen umfasst 7 Sortiment, je zu 240 Spindeln, zusammen daher 1680 Spindeln. Zudem 20 mechanische Webstühle. 8 ) Diese Fabrik enthält gegenwärtig 18 Windmaschinen mit 378 Haspeln. s ) Die in Mühlethal, Gemeinde Kerenzen, befindliche kleine Spinnerei (soll heissen „Weberei“, vgl. S. 294) ist diesen Winter über nicht in Betrieb, wesshalb wir dieselbe auch nicht besuchten und inspizirten. 33 514 Offizielle Statistik über die I. Druckereien. m\ Firma Produktion ’) Ort Drucktische 1. Baltliasar Tschudy Mouchoirs Niederurnen 150 2. Luchsinger & Streift Yasmas Oberurnen 155 3. Christoph Trürnpy Mouchoirs, Batticks, Seidenfoul. Näfels 135 4. Frid. Schindler TiirkischroteAetzdrucke und gewöhnliche Mouchoirs u. Chäles Näfels u. Mollis 250 5. Hefti & Karrer Tiirkischrote Aetzdrucke Mollis 102 6. l Felix Kubli Mouchoirs und Chäles Netstal 110 7. Felix Weber Yasmas u. türkischr. Aetzdrucke 11 200 8. ; Martin Kubli Mouchoirs und Chäles n 80 9. Jobs. Heer Yasmas Glarus 428 10. Gebr. Jak. & J. K. Streift Yasmas u. indigoblaue Mouchoirs 11 155 11. Egid. von Egid. Triimpv Yasmas, Batticks u. Mouchoirs 11 300 12. Heinrich Brunner Yasmas 11 230 13. Blumer & Tschudi ! Batticks und Yasmas 11 100 14. Barth. Jenny & Cie, Mouchoirs und Chäles Ennenda 300 15. Jenny & Cie. ditto Ennetbiihls 305 16. j Gebrüder Freuler ditto Ennenda 135 17. Conrad Jenny & Cie. ditto 11 80 18. Trümpy & Jenny Yasmas Mitlödi 280 19. j Tschudi & Cie. Türkischrot-Färberei u. Aetzdr. Schwanden 90 20. Jenny & Blumer Yasmas, Mouchoirs u. Chäles 11 300 21. Gebr. Blumer & Cie. Batticks 11 75 22. Gallatin & Cie. Yasmas Leuggelbach 60 4020 9 Diese Rubrik wurde vom Yerf. zur bessern Orien tierung einstefüg ;; im Fernern wurden in der Firma-Rubrik einige orthographische Aenderungen vorgenommen. 2 ) Nach S. 4 und 23 des Berichts beschäftigen die Druckereien noch hausindustriell gegen 200 Personen, worunter 70—80 Stecher und 40—70 Fransenknüpferinnen und Zusammenlegerinnen. 515 glarnerische Industrie i868!69, I. Druckereien. M Druck- maschin. i Arbeiterzahl lieber Inter 16 Jahren 16 Jahren Männliche Weibliche i Drucker Handlanger Handlan- gerinnen Stecher Bemerkungen 3 ) 1.1 5 217 206 11 100 117 134 28 ii 23 2. 1 210 199 11 93 117 155 20 23 12 3.1 1 123 120 3 ! 74 49 78 i 17 20 8 3 Streicher ; 4.; 4 335 320 15 : 160 175 250 50 20 15 3 5 Streicher 5. 2 124 111 13 ! 80 44 98 19 6 1 6. 2 217 192 25 141 76 110 38 37 4 27 15 Streicher 7. 2 230 214 16 86 144 , 160 26 24 20 12 Streicher 8. 2 145 115 30 77 68 : 80 I 35 12 18 9. 3 521 512 9 i 186 335 i 400 59 38 13 10. 3 211 190 21 ! 86 125 i 154 28 21 8 11. 2 275 212 63 142 133 1 202 33 24 16 12. 1 320 280 40 ! 136 184 230 36 24 30 13. — 150 126 24 115 35 i 100 ! 20 20 10 14. 11 463 426 37 263 200 250 ; 91 22 29 15. 5 440 i 360 80 : 235 205 300 I 85 28 15 16. 3 200 ! 167 33 1 120 80 135 21 31 13 17. 2 136 ! 125 11 ; 83 53 86 20 20 10 20 Streicher 18. 4 390 355 35 180 210 280 60 30 20 30 Streicher 19. 1 197 175 22 140 57 90 62 33 12 10 Streicher 20. 3 450 423 27 267 183 242 : 30 47 60 21. 1 22. 1 162 117 45 76 86 127 i io 16 7 59 5516 2 4945 571 2840 2676 3661 788 i 507 367 3 ) Seitt 5 4 des Bericht i ! s schätzt die Zahl der Strei cherkin der aui minde- stens 250; da jedoch deren Verwendung in rascher Abnahme begriffen war und die Mehrzahl der Fabriken keine bezüglichen Angaben mehr machten, wurden die eingegangenen in diese spezielle Rubrik verwiesen und im übrigen die Streicher in die Gesamtzahl der Arbeiter nicht aufgenommen. •) Samt Franserinnen. 516 II. Spinnereien M Firma Ort Spindeln Webstühle 1 Arbeiterzahl Ueber 16 Jahren 1. Buntweberei Mühlethal Miihlehorn i 68 65 54 2. Enderlin & Jenny Ziegelbriicke 53,892 ! 235 520 392 3. i Budolf Kägi Oberurnen 7,488 j - 50 30 4. Spinnerei an der Burg Näfels 3,600 — 28 19 5. Jenny & Comp. Mollis 22,896 i 312 344 308 6. Gebrüder Spälty Netstal 8,000 168 141 119 7. Weberei Biedern Biedern — 96 40 34 8. i H. & J. Leuzinger Biedern — 150 60 52 9. i J. Oertli & Comp. Ennenda 3,333 i — 21 15 10. i Gebr. J. & F. Paravicini Schwanden 17,000 1 — 124 98 11. Weberei Sernfthal Engi — 180 120 92 12. Weberei Engi Engi — 216 105 96 13. Gebrüder B. & C. Spälty Matt 6,100 -- 34 21 14. Barth. Jenny & Cie, Haslen 24,448 532 456 398 15. Gebrüder Jenny Luchsingen 12,000 250 220 135 16. Weberei Hätzingen Hätzingen 6,000 237 159 145 17. J. & M. Legier Diesbach 4,000 200 156 124 18. Meyer & Bäbler Betschwanden 9,ooo:; — 73 62 19. Gebrüder Becker & Milt Kiiti i9,ooo: 230 260 195 20. D. Wichser & Comp. Linthal 7,968 so : 86 60 21. Gebrüder C. & F. Becker Linthal 9,600 252 : 198 157 22. Heinrich Kunz Linthal 33,468 281 241 23. Gebr. Hefti,Wolltuchfab. Hätzingenu.Büti 3,0001 156 290 242 24. Aebly & Oertli Glarus — 20 12 12 250792 3352 3843 3101 i I ] ) Nach S. 4 des Ber ichts beschäftigte n die Spinnereien ur d Webere en noch etwa 60 Personen ab und zu durch Hausarbeit. 517 und Webereien. Unter Spuhler j Bemerkungen : Weber Männlich i Weiblich Aufsetzer ; 16 Jahren • Davon 56 Web- ; Stühle für Wolle. ! 184 1343 2500 518 III. Verschiedene M Firma Ort 1. i : Trümpi, jgr., u. Comp. Engi 2. ditto . Glarus 3. I ditto . i llollis 4. ! Marty u. Comp. Ennenda 5. Aebly und Oertli.: Glarus 6. ! Chem. Fabrik. Glarus 7. Leuzinger und Zweifel. Netstal IV. Lohnstatistik. „Fast alle Arbeiter mit Ausnahme der Handlanger werden per Stück und nicht per Tag bezahlt. In den Druckereien gilt, mit Ausnahme von einer oder zwei, als Basis eine Stücklänge von 60 Stab, zufolge einer Vereinbarung der Fabrikanten. Zur bequemen Vergleichung haben wir die Löhne per Tag und auch per Arbeitsstunde berechnet und dabei die durchschnittliche Arbeitszeit eines Druckers — jedenfalls eher zu hoch als zu niedrig — auf 10 Stunden per Tag angenommen. Die Vordrucker bekommen in mehreren Fabriken nur eine bestimmte Stückzahl täglich in Arbeit und die besten sind mit ihrem Tagespensum meist um 2 Uhr schon fertig, also nach 7stündiger Arbeitszeit. Bezüglich der Streicherlöhne darf man nicht ausser Acht lassen, dass diess gewissermassen Löhne für Lehrlinge sind.“ Löhne der Erwachsenen in Druckereien. Drucker Fr. 2.— bis 4.50 durchschnittl. 3.— P2.50) per Stunde 30 Rp. (25} Druckerinnen V 1.50 „ 2.50 11 1.90 (i 1.50) 19 „ (15} Stecher 11 1.50 ,, 11 3.50 35 2 ) Handlanger 11 1.50 „ 3.— 11 2.10 19 2 ) Handlangerinnen L— „ 1.80 11 1.10 10 2 ) !) Im Unter- und Hinterland. 2 ) Zu 11 Stunden Arbeitszeit berechnet. 519 andere Etablissements. Etablissement Arbeiterzahl lieber 16 Jahren Unter 16 Jahren Männliche Weibliche Seidenwinderei ditto Sgidenfärbe Chemische Fabrik ditto ditto Papierfabrik In den Druckereien . Spinn- u. Webereien Es sini in sämtlichen Etablissements lies Kantons: Darunter Nichtkantonsbürger j 75 114 7 8 8 10 48 270 5516 3843 55 84 7 8 8 10 48 220 4945 3101 : 20 30 , 50 571 742 4 7 8 8 10 18 55 2840 1343 75 110 30 215 ‘ 2676 2500 9629 1279 3 ) 8266 1363 ! 4283 5391 ’ Löhne der Erwachsenen in Spinnereien und Webereien. per Stunde Spinner I' r - Karder » Knüpfer etc. „ Weber » Spuler » Zettler und Andreher „ Schlichter _ bis 3.50. durchschnittlich 2.50 21 Rp 1.30 „ 2.50 -.90 „ 1.30 1.20 „ 1.90 -.80 „ 1.40 L— „ 1.90 1.60 137, ?1 1.20 10 n 1.50 127, 11 1.30 11 11 1.40 12 i- 4.— 33 11 Drucker Weberinnen Streicher Spuler Knüpfer etc. Seidenwinder Löhne der Kinder. Fr. —.80 bis 1.60, durchschnittlich „ —.60 „ —.80 11 „ —-40 „ —.60 11 „ —.80 „ 1.— 11 „ —.90 „ 1.30 11 „ —.70 „ 1.20 11 per Stunde 1.10 11 Rp. —-70 7 „ —.50 5 „ 1.— 87. „ 1.10 9 „ 1 .— 87 , „ 3 ) Die Mehrzahl derselben (1130) arbeiteten in den Spinn- und Webereien. Die Gesamt-Seelenzahl der Nichtkantonsbürger betrug damals, nach S. 5 des Berichts, 3918; somit arbeiteten ungefähr ein Drittel davon in den Fabriken d. h. in genau der gleichen Proportion wie die Einheimischen. Glarnerische Fabrikgesetzgebung und Fabrikstatistik. Bevor wir uns eingehender mit den amtlichen Fabrikinspektionsberichten der 1860er Jahre, denen vorstehende Tabellen entnommen sind, beschäftigen, wollen wir die früher erlassenen, die Industrie betreffenden Gesetze kurz durchgehen. Während die 8. 115, T. I erwähnte, so ziemlich post festum erschienene Verordnung über das Garnwesen noch der Spinnerei als Hausindustrie galt, dürfte die erste die Maschinenspinnerei betreffende Verordnung diejenige des Jahres 1824 sein, um welche Zeit bereits eine grosse und zwei kleine mechanische Spinnereien (in Schwanden, Glarus und Ennenda) in Betrieb standen. Wir lesen nämlich im Mandat vom 28. Januar jenes Jahres: „Wir Landammann und Rath des Kantons Glarus „Auf die uns von Seite der Feuerassekurranzkommission gemachte Anzeige, wie dass, laut eingekommenen Klagen, in Spinnmaschinen des Landes des Abends nicht nur bis zur gewohnten Zeit, sondern oft bis in die späte Nacht hinein gearbeitet, und durch den Gebrauch des Lichtes bei den in diesen Gewirben vorhandenen leicht entzündbaren Materialien die allgemeine Sicherheit in hohem Grade gefährdet werde, sehen uns veranlasst, zu möglichster Abvrendung von Feuersgefahr und in Anschluss an die bestehende Feuerordnung, zu verordnen, was folgt: 1. Es soll von nun an in keiner Spinnmaschine unseres Landes des Abends zur Winterszeit länger als 8 Uhr und im Sommer über 9 Uhr hinaus gearbeitet, sondern dieselben ohne anders auf die besagte Zeit geschlossen werden, auf jede Uebertretung bei 5 Kronen Buss, wovon dem Kläger die Hälfte gehört. 2. Sollen in den Spinnmaschinen durchaus keine offenen Lichter sondern beim Arbeiten Lampen, die mit Gläsern versehen sind, und sonst geschlossene Laternen gebraucht werden, auf jede da- herige Uebertretung bei 1 Krone Buss. Auch wird den Eigentümern aller Spinnmaschinen zur unerlässlichen Pflicht gemacht, die in denselben angebrachten Kamine und eisernen Rohre regelmässig und wie es die Feuerordnung § 14 erheischt, reinigen zu lassen.“ — (Folgt die Aufforderung an die Gemeinden, über den Vollzug zu wachen.) Mit dieser Verordnung war nicht nur für die Feuersicherheit in den Ortschaften gesorgt, sondern indirekt auch verboten, in der mechanischen Spinnerei den ununterbrochenen Tag- und Nachtbetrieb einzuführen. 1 ) So blieb es denn auch, bis in den 1840er Jahren einige Spinnereibesitzer den Versuch machten, doch dazu überzugehen. Nun schickte sich der „Rat“ (erweiterte Regierungsbehörde) in der Sitzung vom 12. November 1845 2 ) dazu an, obigen Erlass auf Antrag der Polizeikommission neuerdings in Erinnerung zu bringen und eine Ausnahme lediglich bei nachgewiesenem Wassermangel zu gestatten, wobei jedoch eine besondere Polizeibewilligung einzuholen wäre. Daraufhin erhoben 2 Tage später zwei Spinnereiherren vor der „Standeskommission“ (engere Regierungsbehörde) eine Beschwerde des Inhalts, den Vollzug zu suspendieren, bis der Rat die Angelegenheit nochmals in Wiedererwägung gezogen hätte. Das geschah denn auch in der Sitzung vom 26. November in dem Sinne, dass die Sache nochmals der Polizeikommission zur Erdauerung zurückgewiesen wurde. Obwohl inzwischen einige „Stillstände“ (Kirchen-, Schul- und Sittenbehörde in den Gemeinden) und besonders Redaktor Staub in der „Glarner Zeitung“ mit allem Nachdruck auf die schädlichen Folgen des Tag- und Nachtbetriebes in Bezug auf die Hausordnung, die Sitten und das physische Wohl der Arbeiter aufmerksam machten 3 ), entschloss sich die Polizeikommission zu dem Antrag, dieselbe unter gewissen schützenden Bestimmungen zu erlauben, besonders auch weil die Rekurrenten ') Dagegen stand der Tag- und Nachtbetrieb in den Spinnereien des Kantons Zürich, trotz einer gegenteiligen Verordnung des Kleinen Rats vom Jahr 1815, ziemlich im Schwünge, bis 1837 der Regierungsrat ihn durch ein Verbot der nächtlichen Kinderarbeit (Wassermangel Vorbehalten) verunmöglichte ; beiläufig bemerkt beschränkte er bei dieser Gelegenheit die tägliche Arbeitszeit der Kinder unter 16 Jahren auf höchstens 14 (!) Stunden. Auch im Kanton Aargau scheint der kontinuierliche Betrieb zur Anwendung gekommen zu sein; genauere Angaben hierüber stehen jedoch dem Verf. nicht zu Gebote und fehlen auch in der sonst eingehenden und interessanten Darstellung in Furrer’s volkswirtschaftlichen „Lexikon“, Art. „Fabrikwesen“ (Bern 1887, Schmid, Francke & Cie.) Im Kanton St. Gallen war jene Betriebsweise (nach Dr. H. Wartmann) bis in die 1840er Jahre hinein keine Seltenheit und wurde dabei lOstündige Nachtarbeit gleich wie 13stündige Tagesarbeit bezahlt. 2 ) Siehe die „Glarner Zeitung“ 1845 Nr. 46 und 48, 1846 Nr. 3 und 6. 3 ) Es kann beigefügt werden, dass auch die Qualität des Produkts der nächtlichen Spinnerarbeit derjenigen vom Tage nachstand, um so mehr als damals die Beleuchtungsmittel (Repsöl-Lampen) mangelhaft waren. 522 geltend gemacht hatten, dass es sich mehr um eine vorübergehende Konjunktur handle. In der Sitzung des Rates vom 14. Januar 1846 wurde dann eine besondere „Verordnung über das Arbeiten in den Spinnmaschinen“ beraten und nach hitziger Diskussion mit 22 gegen 18 Stimmen angenommen. Sie enthielt im wesentlichen folgende Bestimmungen : Bei gewöhnlichem Betriebe dürfen Kinder unter 14 Jahren höchstens 14, die andern Personen höchstens 15 Stunden einschliesslich der Mittagsstunde, also in Wirklichkeit 18 bezw. 14 Stunden in den Spinnereien arbeiten. In solchen mit Tag- und Nachtbetrieb darf kein Arbeiter innerhalb 24 Stunden länger als 13 Stunden des Tages oder 11 Stunden zur Nachtzeit, in Anspruch genommen werden, wobei in der Regel die eine Abteilung von morgens 6 Uhr bis abends 7 Uhr, die andere von abends 7 Uhr bis morgens 6 Uhr den Dienst versehen soll. L Bemerkenswert ist, dass mit diesen Bestimmungen der noch Jahrzehnte lang in den industriellen Staaten vielumstrittene Grundsatz, auch die Arbeitszeit der Männer gesetzlich zu regulieren, in Glarus bereits angenommen und durchgeführt wurde, wenn auch vorerst in unzulänglicher Weise. Vor Sonn-und hohen Feiertagen sollen, fährt die Verordnung fort, alle Maschinenwerke um 7 Uhr abgestellt werden und sämtliche Arbeiter spätestens 8 Uhr die Fabrik verlassen haben; ebenso darf am darauffolgenden Montag die Arbeit nicht vor morgens 5 Uhr wieder aufgenommen werden. Bei ausgebrochenem Föhnwind ist das Arbeiten in den Spinnereien beim Licht förmlich untersagt. Ali- tagsschulpflichtige Kinder (unter 12 Jahren) dürfen keinenfalls in Spinnereien verwendet werden; vom 12. Jahre an darf dies für Nachtarbeit nur in der Weise geschehen, dass die Nacht, welche dem für Repetierschule und Religionsunterricht bestimmten Tage vorangeht, den Kindern freigegeben wird. Die Sache hatte aber noch ein Nachspiel. Da obige Verordnung sich nicht mehr als eine feuerpolizeiliche Massnahme, ') Diese Art der Ablösung hatte, wegen der notwendigen Arbeitspause von 1 Stunde oder doch von mindestens */, Stunde um Mittag bezw. um Mitternacht, zur Folge, dass die effektive Arbeitszeit bei dem kontinuierlichen Betriebe bei Tage 12 oder höchstens 12‘/„ bei Nacht 10 oder höchstens 10 1 /, Stunden betragen konnte, obwohl dies im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt ist. 52a sondern als ein eigentliches (zwar auf die mechanischen Spinnereien beschränktes) Fabrikgesetz qualifizierte, erfolgtein der Sitzung des „dreifachen Landrates“ J ) vom 4. Februar 1846 eine Interpellation, welche die bezügliche Kompetenz des Rates als einer Exekutivbehörde bestritt und Kassation des Ratsbeschlusses verlangte. Obwohl mit 29 gegen 24 Stimmen auf Unerheblichkeit des Anzuges erkannt wurde, ruhte die Angelegenheit nicht, sondern wurde durch die Eingabe eines ehrlichen Landmanns vor das Forum der Landsgemeinde gebracht; dieselbe bestätigte indessen 1848 die erlassene Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach. Man stand in mehreren Gemeinden noch unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der alten Handweberei (S. 267 und 284) und liess sich daher vorläufig die harten Bedingungen der neuen Spinn- und Weberei- Industrie gefallen. Auch war auf diesem Gebiete der Vorsprung Englands wirklich überaus gross und es schien durchaus nötig,, dass sich die Arbeiter eine Zeit lang eine übermässige physische Anstrengung auferlegten, damit die hiesige Industrie auf eine gewisse gesicherte Stufe gelange, von der aus sie sich fortentwickeln könne. Bald erhielt dieses Streben eine neue bedeutende und glücklicherweise weniger teuer zu erkaufende Förderung durch die Erfindung bezw. Ausbreitung der Turbinen, welche eine viel günstigere Ausnutzung der heimischen Wasserkräfte ermöglichten. Uebrigens machten von dem nun erlaubten Tag- und Nachtbetrieb nur wenige Spinnereibesitzer Gebrauch, dehnten ihn auf die Weberei nicht aus und gelangten schon nach wenigen Jahren dazu, ihn überhaupt wieder fallen zu lassen, indem sie ihre Motoren und Maschinen entsprechend vermehrten. Auch beim gewöhnlichen Betriebe war die Inanspruchnahme des erlaubten Maximums von 14Stunden täglicher Arbeitszeit nicht allgemein, da man sich gewöhnlich mit 1 / 2 Stunde weniger begnügte, und es darf, ohne diese immer noch krasse Uebertreibung entschuldigen zu wollen, beigefügt werden,, dass dem Spinner damals mehr junge ledige Personen und Kinder beigegeben waren als heute und dass letztere daher nicht so intensiv arbeiten mussten, sondern sich hin und wieder eine Pause gönnen konnten, wie auch der Spinner sich oft kurze Zeit für die Be* *) Diese Behörde, kurz auch „Landrat“ genannt, musste die Traktanden für die Landsgemeinde vorberaten und hatte auch beschränkte 1 egislativeBefugnisse.. 524 wegung des Spinnstuhlwagens durch seinen ältesten Gehilfen vertreten liess. 1 ) Dass man in einzelnen Spinn- und Webereien schon von 1856 an von 13V 2 auf 12 1 / 2 Stunden Arbeitszeit überging, haben wir bereits S. 897 Anmevk. 1 erwähnt. Der folgende gesetzliche Erlass beschäftigte sich ausschliesslich mit der Kinderarbeit; eine von Lehrern und Stillständen nicht selten erhobene Klage lautete nämlich dahin, dass noch immer Kinder unter 12 Jahren hie und da, besonders an Repetierschultagen, als Ersatz für ihre altern Genossen, in Druckereien und Spinnereien Verwendung fänden; daraufhin erliess die Landsgemeinde des Jahres 1856 ein besonderes Gesetz, in welchem die irgendwelche Beschäftigung schulpflichtiger Kinder in industriellen Etablissementen strengstens verboten und einige Bestimmungen für den geregelten Besuch der Repetierschule und der religiösen Unterweisung von Seite der altern Kinder aufgestellt wurden. Die ausserordentliche Steigerung, welche die gesamte industrielle Thätigkeit in diesen Jahren im Kanton Glarus erfahren hatte, die offenkundig bedeutenden Gewinne, die den Druckfabrikanten, Spinn- und Weberherren zugefallen waren, sowie gewisse als Folgen der Industrie zu Tage tretende Uebelstände im Volksleben erzeugten nach und nach eine ziemlich tiefgehende soziale Bewegung. Aus den Kreisen der Gebildeten liehen derselben namentlich Dr. Bernhard Becker, Pfarrer in Linthal (gemäss S. 327 früher selbst in der Industrie thätig) und Nationalrat Niklaus Tschudi, 1814—1892, Dr. med. in Glarus, ihren Beistand. Nachdem Ersterer schon seit einigen Jahren volkswirtschaftliche und soziale Beobachtungen und Studien gemacht hatte, unternahm er es, zuerst in seiner „Fahrtspredigt“ vom 8. April 1858 auf der klassischen Stätte in Näfels, dann in einer kleinen, jedoch damals viel gelesenen und besprochenen Schrift 2 ) die Schäden, die der Fabrik-Industrie an- ’) Man benötigte damals für zwei sogen. Handspinnstühle (ä zirka 400 Spindeln) 1 erwachsenen Spinner, 1 „Oberansetzer“ oder „Yicespinner“ <16—17jährig), 1 ünteransetzer (15jährig) und 1V, „Aufstecker“ (12—14jährig). 2 ) Ihr Titel lautete: „Bin Wort über die Fabrikindustrie, mit besonderer Hinsicht auf den Kanton Glarus“, Basel, Schweighauser’sche Buchhandl. 1858. 1859 folgte „Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien“, 1862 „Das Familienleben in der Fabrikindustrie“ und 1864 „Der Sonntag“, ohne dass jedoch diese und einige spätere Schriften die Originalität der zuerst erschienenen erreichten. 525 hafteten, so einschneidend und zugleich umfassend, wie es noch nie geschehen, bloss zu legen. Unter aller Anerkennung dessen, was man ihr für die Hebung des Landes in den verschiedensten Beziehungen zu verdanken hatte, beschwor er die Fabrikanten, Arbeiter und Behörden, auch gegen die Gefahren der übermässigen industriellen Thätigkeit nicht blind zu sein und forderte dazu auf,, die Kinder bei der Arbeit mehr zu schonen, die Arbeitszeit in den Spinn- und Webereien herabzusetzen, für mehr Luft in den damals überfüllten Drucksälen und für mehr Raum in den Wohnungen zu sorgen, für die Wöchnerinnen schützende Bestimmungen zu erlassen, den Ursachen der grossen Sterblichkeit der Säuglinge nachzugehen, lieber nach reichlicher und nahrhafter Kost als nach Wein, Tabak und Kleiderluxus zu trachten, das Arbeiten in der Mittagsstunde, wie es in manchen Druckereien vorkam,, zu verbieten, sich namentlich auch die Sonntagsruhe nicht verkümmern zu lassen (sondern den Vormittag der Kirche und den Nachmittag edlen Vergnügungen verschiedener Art zu widmen), die Entwicklung der Kranken-, Alters- und Sparkassen noch mehr zu fördern — alles Postulate, die von dieser Zeit an nicht mehr von der Tagesordnung verschwanden, die aber, soweit sie in der Sphäre des Gesetzgebers liegen, seither in weitgehendem Masse verwirklicht worden sind (was auch dem ehrwürdigen Patriarchen von Linthal noch zu erleben vergönnt war). Vorläufig war man aber noch nicht so weit und beschränkte sich die Agitation im Volke auf wenige Punkte, für welche in den Behörden und an den Landsgemeinden besonders von 1863 an der Zweitgenannte, Herr Dr., Niki. Tschudi, als energischer Verfechter auftrat, teils von seinem Standpunkte aus als demokratischer Politiker, teils als Arzt, welchem sein Beruf einen genauen Einblick in die berührten Schäden, in ihre Ursachen und Wirkungen, verschafft hatte. An das Landsgemeinde-Memorial des genannten Jahres wurde nun von vier Arbeitern ein Antrag auf Revision des 1848er Fabrikgesetzes in folgendem Sinne gestellt: a) Staatliche Beschränkung der Arbeitszeit in allen Etablissementen (in Baumwolle, Wolle und Seide etc.) und zwar wenn möglich auf 11 Tagesstunden, b) Vorschrift über gute Ventilation der Arbeitssäle, c) Errichtung eines Fabrik- inspektorats zur Beaufsichtigung der Gewerbepolizei, besorgt durch. ■526 Industrielle und Staatsbeamte. Gleichzeitig wurde in der Presse darauf aufmerksam gemacht, dass Zürich und Aargau in neuerer Zeit durchgreifende Fabrikpolizeigesetze erlassen hätten. 1 ) Eine zur Beratung dieser Fragen eingesetzte landrätliche Siebnerkom- mission (bestehend aus den Herren Dr. J. J. Blumer und Dr. Niki. Tschudi in Glarus, Fabrikant Jenny-Ryffel in Schwanden, Fabrikant Caspar Jenny in Ziegelbrücke, Fabrikant R. Streiff-Elmer in Glarus, Ratsherr Daniel Jenny in Firma Barth. Jenny & Cie. in Ennenda und Oberstlieut. Gabriel Trümpy in Glarus) teilte sich in eine Mehrheit, welche schon auf die 1868er Landsgemeinde ein neues Fabrikgesetz bereit stellen und den ausgesprochenen Begehren teilweise gerecht werden wollte, und in eine Minderheit, welche Verschiebung um ein Jahr beantragte, um vorerst eine eingehende industrielle Enquete vorzunehmen und eventuell in Betreff der Arbeitszeit ein Konkordat mit andern Kantonen anzustreben. Letzterer Antrag erhielt im Landrat die Mehrheit, so dass das Traktandum die 1863er Landsgemeinde noch nicht beschäftigte. Dagegen konstituierte sich am 27. September 1863 in Schwanden ein „Fabrikarbeiter-Verein“, welcher als seine Zwecke die ') Speziell das aargauische vom 16. Mai 1862 bestimmte (nach S. 595 in Furrer’s „Volkswirtschaft!. Lexikon der Schweiz“, Bern 1887), dass Kinder vor erfülltem 13. Jahre nicht in die Fabriken aufgenommen und vom 14. bis zum zurückgelegten 16. Jahre für Nachtarbeit gar nicht und am Tage nicht über 12 Stunden beschäftigt werden durften; letztere Bestimmung hatte offenbar zur Folge, dass nun in den Spinnereien überhaupt nur noch 12 Stunden gearbeitet werden konnte; denn in der damaligen Presse stösst man auf die Bemerkung, im Aargau gelte der 12stündige Maximalarbeitstag für alle Arbeiter, während nach Furrer Glarus der erste Kanton ist, welcher ihn für die erwachsenen Personen gesetzlich einführte. — Das neue zürcherische Fabrikgesetz vom 24. Oktober 1859 hatte im Grunde wenig Fortschritte gebracht und wurde von vielen Seiten als ein inhumanes bezeichnet, da es für Kinder von 12 — 16 Jahren noch immer eine Arbeitszeit von 13 Stunden gestatte, während in den Spinn- und Webereien Englands schon seit 1844 überhaupt nur noch 10'/ 2 Stunden täglich gearbeitet werde (wobei für Kinder von 8—13 Jahren eine tägliche Arbeitszeit von 6 Stunden festgesetzt sei.) Im Kanton St. Gallen war damals 14stündige Arbeitszeit noch zulässig, die 13- und 12'/ a stündige jedoch zur Regel geworden; schon 1853 hatte ein „Gesetz betreffend die Fabrikkinder“ bestimmt, dass Kinder von 13 — 15 Jahren nur während 12 Stunden (inklusive Ergänzungsschulunterricht) und zu keiner -Nachtarbeit verwendet werden dürften. 527 Bildung und Hebung des Arbeiterstandes und die Gründung einer Konsumgenossenschaft 1 ) bezeichnete und daneben nun in Wort und Schrift auf die Revision der Fabrikgesetzgebung hinarbeitete. Aus den Kreisen der Gebildeten beteiligte sich dabei Fabrikant Jean Jenny-Ryffel in Schwanden-Luchsingen, weshalb er zum ersten Präsidenten gewählt wurde. Noch im gleichen Jahre entstanden solche Arbeiter-Yereinigungen auch in Haslen und im Mittellande. Inzwischen war es der „Siebnerkommission“ nicht ohne Mühe gelungen, von der Mehrzahl der Fabrikanten und auch von den „Stillständen“ (letztere in Bezug auf sanitarische und sittliche Einflüsse) die gewünschten statistischen Angaben zu erhalten, so dass sie Anfang Februar 1864 dem dreifachen Landrate einen umfangreichen, interessanten Bericht vorlegen konnte. Aus demselben ging u. a. hervor, dass ungefähr in der Hälfte der Spinn- und Webereien täglich noch 13 Stunden, in den übrigen 127 2 und in einem grossem Etablissement (Spinn- und Weberei Mollis) 12 Stunden gearbeitet wurde; eine vertrauliche Umfrage 2 ) hatte ergeben, dass eine kleine Mehrheit der Interessenten sich mit der gesetzlichen Einführung der 12stündigen Arbeitszeit einverstanden erklären könnte. Um aber auch der Minderheit entgegenzukommen, beantragte die Kommission in ihrem Gesetzesentwurf, die tägliche Arbeitszeit nur für Kinder unter 16 Jahren und alle Frauenspersonen auf 12 Stunden festzustellen; sie schützte damit gleichzeitig die Interessen der Druckerei, welche für Akkordarbeit (Druckerei und Stecherei) zwar nie mehr als 11 Stunden beansprucht und auch bei den „Handlangern“ (d. h. den im Taglohn beschäftigten Hilfsarbeitern) eine Mehrleistung über 11 Stunden stets als „Ueber- zeit“ honoriert hatte, jedoch wegen Abhängigkeit von der Witterung und der wechselnden Nachfrage in den Artikeln eben sehr häufig in den Fall kam, in diesem oder jenem Zweige der „Handlangerei“ (Fabrikation) Ueberzeit zu machen. Andere weniger umstrittene Paragraphen bestimmten die periodische Inspektion aller Fabriken durch Sachverständige, die Pflicht der Vorsorge für die b Dieselbe wurde denn auch als der erste der hiesigen sog. Konsumvereine zwecks billigerer Beschaffung der Nahrungsmittel bald darauf ins Leben gerufen. 2 ) Das Resultat derselben fand sich in einem Schriftstück des Nachlasses von Ratsherr Daniel Jenny niedergelegt. 528 Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter bei den baulichen und maschinellen Einrichtungen und eine sechswöchentliche Karenzzeit der Wöchnerinnen, wobei die Hoffnung ausgesprochen wurde, dass denselben in der Folge aus den Krankenkassen eine gewisse Entschädigung für den entgangenen Verdienst zugewendet werde. Als dann der Landrat zwar die bisher erwähnten Vorschläge annahm, hingegen betreffend früherm Schluss der Arbeit an den Samstag Nachmittagen und Beschränkung der sog. Nachtarbeit (Arbeit nach 8 Uhr abends bei Wassermangel u. s. w.) nicht so weit wie die Kommission gehen wollte, zog sich Dr. Niklaus Tschudi von dem in letzterer geschlossenen Kompromiss zurück und verfocht nun an der Landsgemeinde vom 22. Mai 1864 nicht nur ein gänzliches Verbot der Nachtarbeit von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens, sondern auch die Ausdehnung des 12stündigen Normalarbeitstages auf alle Arbeiter, also auch auf die Männereinzig die „Handlanger“ und Mechaniker sollen davon ausgenommen sein, um den besondern Verhältnissen in den Druckereien und Bleichereien und bei vorkommenden Reparaturen Rechnung zu tragen. Das seien vorläufig einige Konzessionen für die Fabrikarbeiter, die Zeit werde weitere Erleichterungen bringen, ohne Benachteiligung der Industrie. Seine Anträge wurden mit rauschendem Mehr angenommen und das Gesetz daraufhin am 10. August vom Landrat redaktionell bereinigt und in Kraft gesetzt.*) Da dasselbe verschiedene grundsätzliche Neuerungen enthält, welche später auch in dem eidgenössischen Fabrikgesetze zur Geltung kamen, so lassen wir es hier in extenso folgen: § 1. Als Fabriken, anf welche sich die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes beziehen, sind alle gewerblichen Anstalten (Etablissements) anzusehen, in denen gleichzeitig und regelmässig Arbeiter ausserhalb ihrer Wohnungen in geschlossenen Räumen beschäftiget werden. Auf Handlanger, Mechaniker und Bleicher finden jedoch die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung. § 2. Alltagsschulpflichtige Kinder dürfen in keiner Fabrik zur Arbeit verwendet werden. b Wir sind bei dieser Darstellung ausser privaten Erkundigungen bei kompetenten Persönlichkeiten und Berücksichtigung der Landsgemeinde- Memoriale hauptsächlich den Berichten der „Neuen Glarner Zeitung“ von. 1863 und 1864 gefolgt. 529 § 3. Repetirschulpflichtige Kinder dürfen an den wöchentlichen Re- petirschultagen (§ 5 des Gesetzes über das Schulwesen) weder vor noch während den Unterrichtsstunden in der Fabrik beschäftigt werden. — In den Gemeinden, wo für die Repetirschule wöchentlich ein ganzer Schultag bestimmt ist, dürfen die Kinder auch nach der Unterrichtszeit nicht mehr für Fabrikarbeiten in Anspruch genommen werden. § 4. Die wirkliche Arbeitszeit in den Fabriken darf nicht mehr als 12 Stunden täglich betragen. In dieser Zeit ist die Freistunde für das Mittagessen, sowie eine allfällige Rast zur Vesperzeit nicht inbegriffen. § 5. An allen Samstagen des Jahres ist die Fabrikarbeit spätestens um 6 Uhr, an den Vorabenden zu den drei heiligen Festen (Ostern, Pfingsten und Weihnacht) aber um 4 Uhr zu schliessen. § 6. Zur Nachtzeit, d. h. von 8 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens darf nicht in den Fabriken gearbeitet werden. § 7. Frauenspersonen sollen vor und nach ihrer Niederkunft im Ganzen während 6 Wochen nicht in der Fabrik ai’beiten. § 8. Jeder Fabrikbesitzer ist verpflichtet, bei der Einrichtung und dem Betriebe seiner Fabrik die erforderlichen Vorkehren im Interesse der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeiter zu treffen, insbesondere bei mechanischen Werken alle nach dem jeweiligen Stande der Technik möglichen Schutzmittel anzubringen und für die Aufrechthaltung der Ordnung, der Reinlichkeit und der guten Sitten in den Fabriklokalen zu sorgen. § 9. Landammann und Rath ist beauftragt, zeitweise Inspektionen durch Sachverständige in allen Fabriken des Kantons vornehmen zu lassen, um sich davon zu überzeugen, inwieferne den Bestimmungen dieses Gesetzes nachgelebt werde. —Die Inspektoren werden demRathe schriftlichen Bericht und Anträge vorlegen und der Rath wird hierauf diejenigen polizeilichen Anordnungen treffen und mit Strafandrohungen begleiten, welche /er für die Gesundheit, Sicherheit und Sittlichkeit der Fabrikarbeiter für nothwendig erachtet. § 10. Uebertretungen dieses Gesetzes werden vom Polizeigerichte mit einer Geldbusse von Fr. 20 bis 500 bestraft. In Wiederholungsfällen kann die Busse verdoppelt und in schweren Fällen selbst auf Gefängniss- strafe gegen den oder die Fehlbaren erkannt werden. §11. Mit der Annahme dieses Gesetzes treten ausser Kraft: a) das. Gesetz von 1848 über das Arbeiten in den Spinnmaschinen; b) das Gesetz, von 1856, betreffend die Verwendung schulpflichtiger Kinder in den industriellen Etablissements. § 12. Landammann und Rath ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes, sowie mit der Erlassung allfällig hiefür nöthiger Verordnungen beauftragt- In Ausführung von § 9 des obigen Gesetzes bezeichnete Landammann und Rat im Oktober 1864 zur Vornahme einer erstem 34 530 Fabrik-Inspektion Kaufmann und Ratsherr Peter Jenny jun. 1 ) in Schwanden, Dr. med. NiMaus Tschudi, Gemeindspräsident in Glarus, und Ratsherr Joseph Müller in Näfels. Die von der früher erwähnten Siebnerkommission gemachten schriftlichen Erhebungen ergänzend und, infolge der gesetzlichen Ermächtigung, alleFabriken einem persönlichen Augenschein unterziehend, gelangten diese Herren dazu, im März des folgenden Jahres einen gedruckten, ausserordentlich interessanten Bericht der Oeffentlichkeit übergeben zu können. Indem wir auf die S. 510/12 wiedergegebene Haupt- tabelle verweisen, müssen wir uns versagen, auf die in jenem gemachten Angaben betreffend Vollzug des neuen Gesetzes und Vorschlägen für Herstellung besserer Ventilation in den Arbeitsräumen, Plazierung der Dampfkessel, Einschirmung der mechanischen Triebwerke, betreffend „Kosthäuser“, Kleinkinderbewahranstalten, Kranken-, Alters- und Sparkassen näher einzutreten und beschränken uns auf die wörtliche Wiedergabe des Abschnitts „Produktionsfähigkeit unserer Industrie“: „Wir erlauben uns schliesslich noch ein Gebiet zu besprechen, das vielleicht nicht direkte in unserer Aufgabe liegt, welches aber dennoch einiges Interesse für Sie haben mag. Es beschlägt dies die Produktionsfähigkeit unserer Industrie. Wir haben uns diese Aufgabe freilich in dem Bewusstsein gestellt, dass eine genaue Lösung derselben unmöglich ist; unsere Angaben oder vielmehr Notizen dürfen also nichts anders als eine ungefähre Schätzung der verschiedenen Industi'iezweige in ihrer Gesammtheit betrachtet werden. Wie im Eingang unseres Berichtes erwähnt, sind im Kanton in Thätig- keit 47 Etablissements mit 10,002 Arbeitern. Diese vertheilen sich in: 6 Baumwollspinnereien mit unter 16 Jahren 661, wovon Kinder 164 11 Webereien mit und ohne Spinnereien 2,595 „ „ 506 23 Druckereien mit 6,250 2 ) „ 1113 1 Wollfabrike „ 209 „ 37 3 Seidenfabriken mit 224 „ „ 61 1 Papierfabrike „ 45 „ » 1 2 Chemische Produkte mit 18 „ „ — Zusammen 10,002 1882 0 Gemäss S. 341/42 war derselbe damals noch in Manila etabliert, hielt sich aber dort nur noch ausnahmsweise auf. 2 ) Effektiv wohl zirka JO 0 ;# weniger, weil kaum alle Drucktische gleichzeitig in Thätigkeit kommen. 531 Von der Gesammtbevölkerung von zirka 30,000 Seelen sind somit 10 % in Spinnereien und Webereien, in Druckereien 20 7 0 (effektiv wahrscheinlich nur 18 %), und in den übrigen Etablissementen 2 %, zusammen 30/33 % beschäftigt und davon Kinder unter 16 Jahren 6 %. Obige Angaben der Arbeiterzahl sind auf normale Verhältnisse bei voller Arbeit berechnet. In diesen Ausnahmszeiten, wo Arbeiter nicht selten ein oder mehrere Tage feiern mussten, wo eine grosse Zahl, vielleicht '/> der Spindeln, Webstühle und Drucktische unbeschäftigt und leer standen, konnte es keinen Zweck haben, die gegenwärtigen Zustände zu ermitteln. Von den 217,000 Spindeln sind zirka 2 / 3 älterer Konstruktion, worunter auch ein Theil Halbselbstspinner. Die Ersetzung oder Umwandlung der ältern Spinnstühle in das neuere englische System nimmt namentlich für die Nr. 70 und darunter raschen Fortgang und bezeichnend für dessen Vortheile ist der Umstand, dass manchen Ortes, wo beide Systeme eingeführt sind, die neuern Werke vorzugsweise benutzt werden. Diese Vortheile liegen sowohl in der Ersparniss der Arbeitskräfte von zirka 25 %, in einer Mehrproduktion per Spindel von 15 % in den gröbern Nummern; dagegen absorbiren die Selfaktors eine verhältnissmässig grössere Triebkraft. Die erzeugten Garne bewegen sich in den Nr. 20 ä 120, wovon die 30 ä 70 überwiegend sind. Das Produkt einer Spindel per Jahr von 290 Arbeitstagen zu 12 Stunden darf in den Nr. 30/40 zu + fy (Schweizer Pfund) 28 und in den Nr. 60/70 y. 12, oder im Durchschnitt zu 22 angenommen werden. Dieses führt zu einer jährlichen Produktion von 47,700 Zentner Garnen und bedarf es hiezu 50—52,000 Zentner Baumwolle die zu Fr. 120—130 per Zentner Fr. 6,500,000 beträgt; fügen wir hinzu sämmtliche Fabrikationskosten ä'Fr. 45 per Zentner Fr. 2,100,000, so repräsentiren die im Kanton erzeugten Garne einen Wert von Fr. 8,700,000. Eine beruhigende Thatsache ist, dass unsere Garne nicht selten den •englischen auf kontinentalen Märkten erfolgreiche Konkurrenz zu bieten im Stande sind. Der grösste Theil derselben wird immerhin im Kanton selbst verwoben. Montirt sind gegenwärtig 2859 Webstühle von den verschiedensten Systemen, den ältesten, die 90 ä 110 und den neuesten englischen, die 180 k 220 Schüsse in der Minute machen. Die Gewebe sind in Bezug auf Dichtigkeit und Breite sehr mannigfaltig, von 16—40 und mehr Fäden auf den ‘U Zoll und von 20—60 und mehr Zoll Breite. Auf die feinen sogen. Jacconat mögen '/ 3 , auf die gröbern sogen, glatten Tücher V 3 der Stühle eingerichtet sein. Bei einer Arbeitszeit von 12 Stunden und 290 Arbeitstagen würde der Webstuhl in den glatten Qualitäten mit 12—16 Schüssen und einer Breite von 24—34" 12—14,000 au (aunes), in den breitem Jacconat- Sorten36—42"mit 16—18Schüssen 5—6000 au verfertigen. Wir rechnen nun einen Durchschnitt von 8500 au per Stuhl, folglich ein jährliches Ge- sammtergebniss von 30,000,000 au. Dazu bedarf es an Garn für die glatten 532 Qualitäten sowohl als Jacconat durchschnittlich 1 ^ für 7 au, somit 43,000 Zentner Garn, diese zu vorstehenden Kosten von Fr. 175 pr. Ztr. Fr. 7,500,000. Mehr Weberlohn, Fagon und sonstige Kosten 8 Ct. pr. au „ 2,500,000. Zusammen Fr. 10,000,000. Die gegenwärtige Zahl der Webstühle im Kanton genügt nach zwei Richtungen nicht, denn erstens müssen für den Bedarf der Druckereien bedeutende Zufuhren von Rohtüchern gemacht werden, und zweitens haben ein nicht unerheblicher Theil der hierorts gesponnenen Garne ihren Absatz auswärts zu suchen. Man dürfte folglich annehmen, dass dieser Industriezweig nicht im Yerhältniss zu unserm Bedarf vertreten ist. Wenn eine Schätzung der Produktion in Gespinnsten und Geweben schwierig, so ist es ungleich mehr bei gedruckten Waaren. Die Verfertigung derselben hängt selbstverständlich sehr viel von der kleinern oder grossem Zahl der Farben sowie der Breite ab. Sie variren von 1—8 Farben und von 22—44 Zoll. Wenn uns die Zahl der Drucktische hei voller Arbeit auf 4204 angegeben, so ist doch zu bezweifeln, dass sie selbst bei normalen Zeiten sämmtlich beschäftigt werden, viel wahrscheinlicher ist, dass hei den verschiedenartigsten Absatzquellen unserer Industrie der Begehr für den einen oder andern Artikel hie und da gestört bleibt. Wir reduziren daher die Zahl der Drucktische um 10 %, oder auf 3800, die beim Eintreten besserer Konjunkturen sofort volle und geregelte Beschäftigung finden würden. Bei breiten illuminirten Waaren kann per Drucktisch nicht über 20 au täglich fertig fabrizirt werden. Auf diesen Sorten mögen 1700 Drucktische arbeiten, welche täglich34,000 au oder per Jahrvon 290 Tagen 10,000,000 au verfertigen. Der Wert per au schlagen an für Rohtuch 40 Ct. Facon und Unkosten 33 „ 74 oder zusammen Fr. 7,300,000. Die übrigen 2100 Drucktische mögen, weil weniger Farben und im Ganzen schmälere Waare, 50 au per Drucktisch oder 105,000 täglich, also jährlich zirka 30,500,000 au produziren, wovon das Rohtuch 34 Ct., Faqon und Unkosten 24 Ct., zusammen 58 Ct. ödes Fr. 17,700,000, mithin ein Gesammtwerth in gedruckten Baumwollwaaren von Fr. 25,000,000. Diese Berechnung dürfte auf dem Wege des Gewichtes ebenfalls annähernd ihre Bestätigung finden. Wie vorstehend bemerkt, werden im Kanton 43,000 Zentner rohe Tücher verfertiget, ein weiteres Quantum, vielleicht ’/,, muss von Auswärts bezogen werden, zusammen 54,000 Zentner Gewicht der Tücher; nimmt man nun den durchschnittlichen Werth der fabrizirten Waare zu Fr. 450 per Zentner an, so stellt sich wiederum ungefähr obige Summe heraus. Wir haben den mechanischen Druck nicht besonders in Berechnung gezogen, weil er hisanhin von wenig Belang ist. Die 26 Plancheplatten arbeiten nicht viel mehr als ebenso viele Handdrucker; auch die Produktion der 15 Perrotinen fällt nicht stark ins Gewicht, während von mehrhändigen Rouleaux neuerer Konstruktion nur zwei in Thätigkeit sind. Der Maschinendruck kann somit noch nicht als einheimisch betrachtet werden. Inwiefern dieser dem Handdruck bei mehrhändigen schmälern Artikeln Abbruch thun wird, muss die Erfahrung lehren; dagegen werden die breitem, werthvollem Artikel sowohl für den Orient als Ostindien schwerlich anders als durch Handdruck je mit Vortheil erstellt werden können. Die Thatsache, dass die Zahl der Drucker weiblichen Geschlechts immer mehr zunimmt, in einigen Druckereien die der Männlichen sogar übersteigen dürfte, begriissen wir keineswegs. Noch vor 20 Jahren sind Erstere in den Drucksäälen eine seltene Erscheinung gewesen 1 ) und die Frage drängt sich unwillkürlich auf, soll das weibliche Geschlecht, nachdem selbes die Arbeiten in den Webereien ausschliesslich besorgt, nachdem die Spinnereien neuerer Konstruktion sich desgleichen in steigendem Masse auf Unkosten der männlichen Arbeiter bedienen werden, nun noch in den Druckereien sämmtliche Arbeiten verrichten, die nicht seine physischen Kräfte, als Führung der schweren Vordruck- und Böden-Modelle, übersteigen. Im gewöhnlichen Leben und bei natürlichen Zuständen soll der Mann der Träger der Arbeit sein und das Weib, die Mutter, den Sorgen für das Haus und für die Kinder obliegen. Hier entwickelt sich nun aber eine bedenkliche Konkurrenz, die in allen Arbeiten, welche keine starke Muskelkraft in Anspruch nehmen, nur zu Gunsten des weiblichen Geschlechts aus- fallen kann und dadurch das Männliche eher zu verdrängen geeignet ist. Sollte dies nicht bereits in naher Beziehung mit der gegenwärtigen Auswanderung so vieler unverheiratheter junger Männer sein? — Für unsere sozialen Verhältnisse, vielleicht für die Industrie selbst, sind in dieser Richtung entschiedene Nachtheile zu befürchten. Es bleiben uns noch zwei Etablissemente zu erwähnen, die vereinzelt in ihrer Produktion im Kanton dastehen, immerhin vermöge ihres langjährigen Bestandes und ihrer allmäligen Vergrösserung unsere Aufmerksamkeit in Anspruch genommen haben, nämlich die Seidenzwirnerei in Glarus und Engi, mit Färberei in Mollis, die Wollspinnerei, Färberei und Weberei in Hätzingen. Sie beweisen, dass wie bei den Druckereien, die ausschliesslich im Auslande ihren Absatz gegen jede Konkurrenz suchen müssen, selbst Industrieen, die nicht zu den einheimischen gehören, unter der gehörigen Fachkenntniss ihren erfreulichen Fortbestand zu finden wissen. *) Schon S. 397 Anmerk. 2 mussten wir die Richtigkeit dieser Behauptung anfechten; wir fügen noch bei, dass auch die daran geknüpften Befürchtungen in dem Sinn sich als unzutreffend erwiesen, als die Arbeitsgelegenheit am Drucktisch von den Frauen besonders geschätzt wird, w r eil man ihnen in den meisten Fabriken gestattet, eventuell nur 8—9 Stunden zu arbeiten und daneben ihr Hauswesen zu besorgen, während sich solche Lizenzen mit dem Betrieb anderer Industrieen nicht vertragen; daneben ist der Prozentsatz der Männer ein beträchtlicher geblieben. — Anmerk, des Verf. 534 Die Gesammtproduktion unserer Industrie stellt sich ungefähr wie folgt; Werth der Garne Fr. 8,700,000, oder -j- Zentner 47,000. „ „ Gewebe „ 10,000,000, = 600,000 Stück zu 50 au. „ „ Druckereien „ 25,000,000, = 800,000 „ „ 50 „ „ ,, anderer Fabrikate „ 2,300,000. In runder Summe Fr. 46,000,000, welche Zahlen jedenfalls eher unter als über der Wirklichkeit gegriffen sind. Auf unsere Bevölkerung von 30,000 Seelen berechnet, beträgt die Produktion jährlich per Kopf Fr. 1530. Da sämmtliche Druckereien im Wert von 25,000,000 Fr. auswärts ihren Absatz suchen müssen, so beläuft sich die Ausfuhr von Baumwollwaaren allein auf Fr. 830 per Kopf. — Der Gesammt-Export Englands betrug in den letzten 6 Jahren durchschnittlich und jährlich 140 Fr., an Baumwollwaaren, inklusive Garne und rohe Tücher nur Fr. 70 per Kopf. — Wie enge die Wohlfahrt des Ganzen, sowie des Einzelnen mit dem Gedeihen unserer Industrie verschlungen ist, bedarf wohl nicht weiters hervorgehoben zu werden.“ Wenn einmal keine lebenden Zeugen mehr vorhanden sind, welche von der fast fieberhaft gesteigerten Thätigkeit in der Glarner Industrie während der Periode von 1855—1875 aus der Erinnerung erzählen könnten, werden die in Vorstehendem mitgeteilten statistischen Zahlen im Stande sein, uns eine Vorstellung davon zu geben, da dieselben zwischen der Gesamtbevölkerung einerseits- und der Zahl der industriellen Arbeiter und der erzeugten Warenmengen anderseits ganz aussergewöhnliche Verhältnisse aufweisen. Auch die Handwerker und Krämer kamen nicht zu kurz, da es für sie bei den fortwährenden Neu- und Umbauten von Etablisse* menten und ihren Einrichtungen und bei der eine Zeit lang beträcht' liehen Zunahme der Bevölkerung reichlich Beschäftigung bezw. Absatz für ihre Artikel gab. Um Missverständnissen vorzubeugen, muss immerhin bemerkt werden, dass es eigentlich nicht wohl angeht (wie es oben S. 534 geschehen ist), die Produktionsmengen,, bezw. -Werte der Baumwollspinnerei, -Weberei und -Druckerei ohne weiteres zu einer Gesamtsumme zusammenzuziehen, da eben ein grosser Teil der Garne direkt in die eigene Weberei ging und fast alle einheimischen Gewebe (neben der nötigen Menge zugekaufter) in der Druckerei Verwendung fanden, so dass bei einer Addition ein bedeutender Teil des Rohstoffes dreimal bezw. zweimal zur Berechnung kommt. Aus diesen Gründen hat denn auch der Bericht bei der Ausrechnung der Ausfuhrmengen von Baum- 535 wollwaren auf den Kopf der Bevölkerung nur die bedruckten Tücher herangezogen. Wir finden übrigens, dass der Wert einer Industrie hauptsächlich an dem Betrag der dafür im Lande selbst aufgewendeten Fabrikationskosten gemessen werden soll, da in denselben alle wirklich Verdienst bringenden oder Wert vermehrenden Faktoren, so namentlich die den Arbeitern bezahlten Löhne, die Zinse der Geschäftskapitalien und die Amortisationen der Anlagekosten enthalten sind; deshalb stellen wir aus dem Bericht noch folgende Zahlen zusammen: In der Baumwoll-Spinnerei aufgewendete Fabrikationskosten Fr. 2,100,000 „ „ „ -Weberei „ „ „ 2,500,000 „ „ „ -Druckerei „ „ „ 10,620,000 Jährlich insgesamt Fr. 15,220,000 Der Verf. hat sich bemüht, gerade die ausserordentlich hoch scheinende Schätzung des Wertes der exportierten Druckwaren (25 Millionen) einer Nachprüfung zu unterziehen 1 ), indem er die ihm von einigen Etablissementen aus damaliger Zeit bekannten bezw. mitgeteilten wirklichen Produktionszahlen mit der Anzahl der Drucktische und den übrigen Mitteilungen des Fabrikinspektionsberichts verglich. Das Resultat geht dahin, dass die Schätzungen in demselben durchaus nicht übertrieben sind; betrug doch der Wert der Ausfuhr der 3 bezw. 4 Druckfabriken allein in Ennenda- Ennetbühls in der Periode von 1859—1876 jährlich 4 x / 2 —ö 1 ^ Millionen Franken (wobei das Jahr 1864 dem Werte nach den Gipfelpunkt bezeichnete, während der Menge nach 1872—1876 die höchsten Ziffern erreicht wurden). Der ganze Kanton zeigt relativ etwas andere Zahlen, da auf denselben berechnet von 1870 an keine Produktionssteigerung mehr zu konstatieren ist und daher der Wert der Produktion, der von 1859—1869 jährlich zirka 25 Millionen betrug, von da an, dem Abschlag der Baumwolle u. s. w. folgend, allmälig auf zirka 20 Millionen zurückging. Es muss übrigens noch ausdrücklich hervorgehoben werden, dass der „Bericht“ bei der Wertierung der Produktionssummen für Baumwolle, Garne u. s. w. nicht etwa die abnormen Einheitspreise von 1864/65, 0 Den Verkaufswert der Erzeugnisse aller übrigen schweizerischen Druckfabriken schlägt der Verf. für die 1860er Jahre unter Würdigung aller ihm bekannten Umstände und Daten nur noch auf jährlich 7—9 Millionen Franken an. 536 sondern den Durchschnitt der Jahre 1856 bis und mit 1863 zu Grunde legte, und dass dieser Durchschnitt auch demjenigen von 1866 bis und mit 1870 ziemlich gleich kommt; somit bietet uns diese Statistik den richtigen Durchschnitt der 1860er Jahre, während zufällig 1864 und 1865 im Moment ihrer Abfassung, wie im Bericht (vgl. oben S. 531) ausdrücklich erwähnt ist, in manchen Geschäften wegen der Knappheit an Baumwolle erhebliche Einschränkungen in der Produktion stattfanden, welchen allerdings eine sehr bedeutende Erhöhung des Wertes der Erzeugnisse gegenüberstand. Nach einer mit möglichster Sorgfalt gemachten Ausscheidung teilten sich in den 1860er Jahren (und mit wenig Abweichungen während der ganzen Hoch-Konjunktur von 1855—1875) die vier Zweige der glarnerischen Druckerei 1 ) wie folgt in die erwähnte grosse Produktionsmenge: Ungefähr 46°/ 0 entfielen auf die Mouch oirs-Fabriken „ 38°/ 0 „ „ „ Yasmas-od.Türkenkappendruckerei „ 8°/ 0 „ „ ,, Türkischrot-Aetzdruckerei „ 8°/ 0 „ „ „ Battick-Fabriken. Dem Werte nach mag der Anteil der beiden letzten Kategorien etwas grösser gewesen sein. Da die europäische und die asiatische Türkei nebst Persien und Aegypten alle Yasmas, sowie 1 / 5 — 1 i i der Erzeugnisse der Mouchoirs-Fabriken und einen ansehnlichen Teil der türkischroten Fabrikate aufnahm, erhellt daraus, dass ungefähr die Hälfte der damaligen glarnerischen Produktion an Druckwaren für die mittelbar oder unmittelbar unter dem Halbmond stehenden Länder bestimmt war. Zum bessern Vergleich mit heutigen Verhältnissen in die Metermasse umgerechnet, repräsentierte die Produktion der Druckerei, nach dem „Bericht“, per Jahr 800,000 Stück ä 60 Meter = 48 Millionen Längenmeter im Gewicht von 6 Kilos per 100 Längenmeter 2 ) oder insgesamt nahezu 2,900,000 Kilos; daran ') Vgl. hierüber die Erläuterungen auf S. 401/02. b Die Mehrzahl der Yasmas-Tücher waren in Qualität erheblich feiner und leichter als die Mouchoirs-Tücher, jedoch entsprechend breiter, woraus sich per Länge n m e t e r ungefähr dasselbe Durchschnittsgewicht ergab; heutzutage müsste das Durchschnittsgewicht der eigentlichen Yasmas auf weniger als 6 Kilos per 100 Längenmeter veranschlagt werden. 537 lieferte die inländische Weberei höchstens 3 / 4 , während der Rest aus andern Schweizerkantonen und aus England beschafft wurde. Als im Spätherbst 1867 die Fabrikinspektions-Kommission .zur Erneuerung kam, wurden die Herren Dr. med. Fridolin Schüler von und in Mollis (geh. den 1. April 1832 in Bilten, wo sein Vater Pfarrer war), Kriminalrichter B. Marty von Glarus und Ingenieur Pascal Müller von Näfels hiefür bezeichnet. Eine bessere Wahl als die des Erstgenannten zum Präsidenten und Berichterstatter hätte wohl nicht getroffen werden können; indem derselbe, soweit es seine Thätigkeit als beliebter und auch ausserhalb seiner Heimatgemeinde viel gesuchter Arzt gestattete, seine Kenntnisse und Erfahrungen und seinen guten Willen in den Dienst der Allgemeinheit stellte, strebte er durchaus nicht darnach, eine hervorragende politische Rolle zu spielen 1 ), weshalb es ihm am besten gelingen mochte, sich das Zutrauen der beiden Parteien, der Arbeiter wie der Fabrikanten, zu erwerben; vorübergehende Kollisionen konnte er der Natur der Sache nach nicht immer vermeiden. Anfänglich der socialen Bewegung als neutraler Beobachter gegenüberstehend, war auch er durch seine berufliche Thätigkeit zur Erkenntnis gekommen, dass der industrielle Arbeiter in dieser oder jener Form spezifischen Schädigungen ausgesetzt ist, dass der Einzelne jedoch im Getriebe ■der modernen Grossindustrie sich gegen dieselben weder schützen noch wehren könne und dass daher der Staat mit korrigierender Hand eingreifen müsse. Daneben war er der Ueberzeugung, dass auf die Dauer kein grundsätzlicher Gegensatz zwischen Industrie und Fabrikgesetzgebung herrschen sollte d. h. wenn letztere das dem Arbeitervolke wirklich Schaden bringende verhüte oder mildere, und sich ihre Anforderungen überhaupt in wohlerwogenen Grenzen *) Er sass damals in keiner politischen Behörde und war lediglich Mitglied der „Sanitätskommission“; dagegen hatte er Vorliebe für die richterliche Thätigkeit, weshalb er frühzeitig ins glarnerische Appellationsoder Obergericht kam und 1878 zum Präsidenten desselben vorrückte, in welcher Stellung er bis 1889 blieb. 538 bewegen, auch der Industrie oder dem Industriellen dabei kein dauernder Nachteil erwachsen könne. Wie Herr Schüler seine Aufgabe auffasste, möge eine Stelle aus der Einleitung zum „Bericht über die zweite Fabrikinspektion“ (gedruckt 1869, nach den 1867/69 gemachten Erhebungen und Fabrikbesuchen) zeigen. Es heisst da auf S. 3: „Sie haben im Spätherbst 1867 die Unterzeichneten mit der Inspektion unserer Fabriken betraut. Wir unterzogen uns dieser Aufgabe im vollen Bewusstsein der vielen Schwierigkeiten, vielleicht auch Unannehmlichkeiten, die sie uns bieten werde. Wir wussten wohl, dass ganz spezielle technische Kenntnisse erforderlich wären, um unsere Mission recht gründlich und erfolgreich durchzufiihren. Aber die Männer, die solche besassen, wollten sich nicht Anden oder nicht dazu verstehen. So traten denn wir dafür ein, um nach unsern Kräften ein Institut am Leben zu erhalten, das nach unserer Ueberzeugung für unsere ganze industrielle Bevölkerung, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, wohlthätige Wirkungen haben kann. Denn das Fabrikinspektorat soll, nach unserer Meinung, weder eine Behörde sein, die eine ausnahmsweise polizeiliche Ueberwachung den Fabrikanten gegenüber ausübt, noch auch das Organ der Arbeiter, das jeden ihrer Wünsche gegenüber ihren Arbeitgebern zu verfechten hat — seine Aufgabe ist nur, einerseits dafür zu sorgen, dass den Bestimmungen des Fabrikgesetzes nachgelebt wird, anderseits aber sich Kenntniss von allem dem zu verschaffen, was beim Betrieb unserer Industrie und in den durch dieselbe bedingten Lebensverhältnissen der Arbeiter für diese nutz- und schadenhringend sein kann und auf welche Weise gefundene Uebelstände gemildert oder ganz beseitigt werden können.“ Auf den Grundlagen der „Siebnerkommission“ und der ersten Fabrikinspektions-Kommission weiter bauend, wurde das statistische Material vervollständigt und genauer zerlegt, so dass der bezügliche Bericht ausser den S. 514/19 wiedergegebenen Tabellen eine Menge neuer Angaben bezw. Vorschläge betreffend Zahl und Beschäftigung der Arbeiter, Kinderarbeit, Verunreinigung der Luft in den Arbeitssälen, Verwendung von Giftstoffen in der Fabrikation, Plazierung der Dampfkessel, Nahrungs- und Wohnungsverhältnisse, Löhne 1 ) und Nebenbeschäftigungen der Fabrikarbeiter, b Ueber dieselben hatte auch schon die „Siebnerkommission“ von 1863/64 Erhebungen gemacht und sie in ihrem damaligen Berichte niederlegte; da dieselben jedoch nicht wesentlich von den Angaben auf S. 518/19 abweichen, unterliessen wir es sie anzuführen. 539 einem anzustrebenden Obligatorium für den Eintritt in eine Krankenkasse u. s.w. enthält. Je mehr Herr Schüler sich mit der Materie befasste, desto mehr wurde sie ihm zur Herzenssache; er bestrebte sich, soweit nötig, auch in die technischen Details der Fabrikation einzudringen und die Untersuchungen nach allen Regeln der Wissenschaft auszuführen oder ausführen zu lassen, studierte die Fabrikgesetzgebungen fremder Länder und gelangte schon in seinem obigen ersten Bericht dazu, die Idee einer gewissen Haftpflicht des Unternehmers zu streifen und die nochmalige Reduktion des Normal-Arbeitstages zur Sprache zu bringen, was unter den Industriellen begreiflicherweise Bedenken und Missbehagen wachrief. In Bezug auf erstere Frage zitierte er das englische Gesetz von 1844, nach welchem die Fabrikanten bei Unglücksfällen entschädigungspflichtig seien, wenn ihnen ein Verschulden durch schlechte Einschirmung der Triebwerke u. dgl.. nachgewiesen werden könne; über das zweite Thema liest man im Bericht (S. 9) wörtlich folgendes: „Wir verkennen nicht, dass eine solche Neuerung mit einiger Einflüsse für den Fabrikanten verbunden wäre; dass das Zugeständnis derselben um so schwerer fällt, als Konkurrenten in benachbarten Kantonen durch keine solchen Vorschriften gebunden sind. Allein wir sind überzeugt, dass auch anderwärts der Staat dazu gedrängt wird, die Fabrikarbeitszeit zu kürzen oder dass — wenn dies nicht geschieht — ein gemeinsames Vorgehen der Arbeiter die Arbeitgeber zu solchen Konzessionen drängen wird und wir möchten bezweifeln, ob angesichts dieser Wahrscheinlichkeit nicht ein Konkordat der industrietreibenden Kantone erreicht werden könnte, das überall eine gleichmässige, wir wünschen auf 11, nicht nur 12 Stunden ermässigte Arbeitszeit normiert. Wir unterbreiten diese Idee Ihrer nähern Erwägung und enthalten uns bestimmt formulierter Vorschläge, bis wir wissen, ob Aussicht vorhanden ist, dass eine solche Vereinbarung der Kantone oder allenfalls auch ein eidgenössisches Fabrikgesetz die Realisierung unserer Wünsche für unsern Kanton erleichtert. “ Eine Fülle interessanter Beobachtungen und Betrachtungen enthält auch der Vortrag „Die glarnerische Baumwoll-Industrie und ihr Einfluss auf die Gesundheit der Arbeiter“ x ), den Herr Dr. ’) 1872 veröffentlicht im vierten Quartalheft der „Zeitschrift für Schweiz. Statistik“ und auch als Separatabdruck erschienen. 540 Schüler damals vor der „medizinischen Kantonalgesellschaft“ hielt und aus welchem wir folgende Stellen anführen: „Aus allem Bisherigen geht hervor, dass die Arbeit in unsern Fabriken eine grosse Anzahl gesundheitlich nachtkeiliger Einflüsse auf die Arbeiter bedingt, dass ferner durch die Einwirkung der Fabrikindustrie auf die ökonomischen und Familienverhältnisse der Arbeiter, auf ihre Moralität etc. auch wieder die sanitarischen Zustände dieser Classe unserer Bevölkerung influen- cirt werden. Es wird daher fast allgemein angenommen, dieser Einfluss (der Industrie) auf Gesundheit und Kraft der Fabrikarbeiter sei ein durchaus ungünstiger, die Bace, nicht nur der Gesundheitszustand der Einzelnen werde dadurch verschlechtert. Das blasse Aussehen, die durchschnittlich grosse Magerkeit der Arbeiter, die grosse Zahl verkrüppelter oder zwergkafter oder auch ganz entschieden kränklich aussehender Gestalten, die sich unter ihnen findet, die vielen elend, verkommen aussehenden, oft scrophulösen Kinder, die zuweilen um die Fabriken herumlungern, alles scheint für diese Ansicht zu sprechen. Man bedenkt freilich nicht, wie gerade die Fabriken, die Zuflucht kränklicher oder misswachsener, schwächlicher Leute sind, die, zu anderer Arbeit untauglich, hier noch mit Leichtigkeit sich durchbringen ; man vergisst, wie viele unter den 1300 fremden Fabrikarbeitern unseres Cantons dem vorkommenden Proletariat armer, industrieloser Gemeinden benachbarter Cantone angehören ; man w r eiss nicht, wie viele derselben, um der übermässig langen Arbeitszeit, den in sanitarisch nicht controlirten Fabriken vorkommenden schweren Uebelständen zu entgehen, bereits in elendem Zustand von -anderwärts in unsere Etablissements einwanderten. Ich für meine Person glaube mit unbefangenem Blick die Sachen zu sehen, wie sie sind. In einer Ortschaft ohne Industrie aufgevcachsen, jetzt an einem Orte lebend, wo neben den Fabrikarbeitern auch ein wohlhabender Bauernstand zahlreich vertreten ist, durch meine Praxis bald in reine Fabrikorte, bald dahin geführt, wo die Viehzucht fast die ausschliessliche Beschäftigung ausmacht, hatte ich von jeher Anlass genug zu Vergleichungen. Ich fand Kinder w r ie Erwachsene da am besten und gesundesten aussehend, wo am meisten Wohlstand herrschte, während an den ärmsten Orten die Bevölkerung auch am elendesten aussah, gleichviel ob Landbau oder Fabrikindustrie betrieben wurde. Es ist auch eine nicht zu leugnende Thatsache, dass mit der Zunahme der Zahl gut eingerichteter, geräumiger Etablissements auch die Zahl blühend und kräftig aussehender Leute in denselben sich mehrt. Vergleiche man Sonntags die vom Fabrikstaub rein gefegten, von der frischen Luft umwehten Gesichter der Fabrikmädchen, ob sie irgendwie denBauern- oder Handwerkertöchtern nachstehen ! In einer Beziehung ist sogar das Aussehen •der Kinder seit Einführung der Industrie in den Fabrikorten entschieden besser geworden : es giebt dort weit mehr hübsche, intelligent aussehende Kinder, die Züge haben sich verfeinert und belebt, wohl eine Folge der grösseren geistigen Thätigkeit, des lebendiger gewordenen Sinnes fiirFormen- -schönheit bei ihren Erzeugern, zumTheil auch des lebhafteren Verkehres mit 541 Altersgenossen und anderen Leuten. Jedenfalls kann ich mit voller Ueber- zeugung sagen, dass da, wo die Kräfte des Arbeiters nicht übermässig lange angespannt werden, wo Sorge für die Gesundheit und Sicherheit des Arbeiters in Bezug auf die Beschaffenheit der Bäume sowohl als der Art des Betriebes < getragen wird, und wo endlich die Arbeit eine lohnende ist, Gesundheit und Kraft der Arbeiter durch die Baumwollindustrie nicht mehr beeinträchtigt werden, als dies bei den meisten andern Industriezweigen oder Berufsarten der Fall ist.“ Kaum war der oben erwähnte zweite Fabrikinspektions- Bericht erschienen, so trat eine andere social-industrielle Frage in ein akutes Stadium und erzeugte eine in unserm Lande wohl noch nie dagewesene Gährung; es war dies der sog. Doppeldruck. Wie schon S. 429 erwähnt, hatte die Firma Joh. Heer in Glarus. 1858 den Druck feiner Mousseline- oder „Flörli“-Tücher begonnen und durch die Erstellung dieser leichten buntblumigen Schleier der Yasmasfabrikation einen neuen lebenskräftigen Zweig, zugeführt, ihr Absatzfeld nicht unbeträchtlich erweitert. Dabei hatte es sich von Anbeginn an gezeigt, dass sich die sehr dünnen «, Tücher, einfach auf den Drucktisch gelegt, sehr leicht verzogen und daher die Illuminierfarben nicht mehr richtig eingepasst werden konnten; auch wurde das „Tafeltuch“ nach kurzem Gebrauche durchnässt und unbrauchbar, weil eben der durchsichtige Stoff nur einen Bruchteil der durch die Druckform aufgetragenen Farbe in sich aufnehmen konnte und das Uebrige einfach verloren ging., Hach verschiedenen Versuchen gelang es, diesen Uebelständen abzuhelfen und gleichzeitig eine sehr bedeutende Ersparnis an Farbe und Drucklohn zu erzielen, indem man vor dem Druck zw ei Lagen „Flörli“ in feuchtem Zustande heiss durch eineKalander durchgehen liess und sie so zu einer einzigen festem Tuchlage vereinigte. Man hatte also das neue Produkt verbessert oder dessen Erstellung überhaupt möglich gemacht und gleichzeitig die Arbeitsweise billiger gestaltet. Als nun 1863/64 infolge des ame- rikanischen Bürgerkrieges die Rohtücherpreise täglich stiegen und die Konsumenten nicht in entsprechendem Masse folgen wollten und konnten, ging die gleiche Firma einen Schritt weiter und versuchte, Flörli dreifach und selbst vierfach und nun auch die gewöhnlichen halbdicken Mousselines („Mi-doubles“), welche die grosse Menge der Yasmasfabrikation ausmachten, in 2 Lagen oder -542 doppelt zu drucken. Wie in der ersten (übrigens zu keinerlei Klagen Anlass gebenden) Phase des Doppeldrucks, so geschah es auch in der zweiten, dass nämlich das Verfahren und die dazu nötigen Kunstgriffe während einigen Jahren fast ausschliesslich der Firma, welche die Erfindung gemacht hatte, reserviert blieben, so dass dieselbe nicht geringe Vorteile daraus zog. So wie sich aber die Kenntnis davon ausbreitete und sich das Rätsel der Herstellung der oft als „unbegreiflich billig“ bezeichneten Erzeugnisse löste, musste eine eigentliche Umwälzung in der glarnerischen Yasmasfabrikation eintreten. Die Industriegeschichte der europäischen Staaten und besonders Englands lehrt, dass alle Erfindungen, welche speziell den Zweck verfolgen, an Handarbeit zu sparen, stets mit sehr gemischten Gefühlen aufgenommen worden sind. Die Einen preisen sie als Triumph des Menschengeistes und behaupten, dass die billigere Herstellung eines Produktes auch dessen Absatz vergrössere und daher der Ausfall an Arbeitsgelegenheit sich nach und nach wieder ausgleiche, dass die zu verrichtende Arbeit an sich meistens angenehmer werde u. s. w.; die Andern verwünschen oder beklagen sie mit dem Hinweis auf die durch sie hervorgerufenen Arbeiterkrisen, bei welchen oft Hunderte und Tausende fleissiger Hände überflüssig werden und wo es schwierig ist, jene günstigen Nebenerscheinungen und Korrektive zu erkennen. Sicher ist nur das eine, dass es töricht wäre, dem Vorwärtsstreben des menschlichen Geistes, in diesem Falle der Entwicklung der Technik, Halt gebieten zu wollen, anstatt sich der veränderten Lage anzupassen. Nicht viel anders konnte es sich mit dem Doppeldruck verhalten. Nachdem derselbe Ende der 1860er Jahre in den meisten Yasmasfabriken Eingang und fortschreitende Anwendung gefunden hatte und nun mit Ausbruch des deutsch-französischen Krieges im Orient eine Geldkrisis entstand, machte sich fast plötzlich eine intensive Stockung im Absatz und das Gefühl einer ungeheuren Ueberproduktion geltend, infolgedessen notgedrungen zu bedeutenden Arbeits-Reduktionen geschritten werden musste. Es war dies für die Arbeiter um so empfindlicher, als die Preise der Lebensmittel damals in starkem Steigen begriffen waren. Ende Mai 1871 machte sich die gereizte Stimmung auch in der Presse Luft, indem von Fabrikarbeitern an die „Neue Glarner Zeitung“ 543 (30. Mai) eine Einsendung gerichtet wurde, die an die Fabrikanten die Aufforderung enthielt, zur Steuerung der Ueberproduktion und zum Wohle der Arbeiter auf den drei- und vierfachen Druck der Flörli und auf den Doppeldruck der dichtem Gewebe zu verzichten. In einer spätem Einsendung (11. Juli) wurde das Begehren genauer damit begründet, dass ungefähr die Hälfte der Türkenkappendrucker im Begriff ständen, ihr Brot zu verlieren 1 ) und dass diejenigen, die noch Beschäftigung hätten, sich beim Doppeltdrucken übermässig anstrengen müssten, um die Farbe durch die verschiedenen Stofflagen durchzuschlagen, wie auch dass eine viel höhere Temperatur zum Trocknen der gedruckten Stücke in den Arbeitssäälen nötig sei und die Luft übermässig mit Dünsten geschwängert werde. Die Bewegung nahm nun fortwährend zu und in der Presse anderer Kantone munkelte man schon von einer in Glarus bevorstehenden Arbeiter-Revolution, wovon es glücklicherweise noch weit entfernt war und welche in einer reinen Demokratie mit Landsgemeinde auch nicht verständlich gewesen wäre; gelegentliche mündliche Aeusserungen mögen allerdings öfters drastisch genug ausgefallen sein. Am 23. Juli beschloss der „Centralausschuss des glarnerischen Fabrikarbeitervereins“ durch Vermittlung des Börsenvereins eine Aufforderung an die Türkenkappenfabrikanten zurichten, dem Doppeldruck aus obigen Gründen zu entsagen. Ungefähr gleichzeitig („N. Gl. Ztg.“ 29. Juli) treffen wir auf eine kritische Beleuchtung des Standes der Yasmas-Artikel aus der Feder einer offenbar gut unterrichteten Persönlichkeit; sie konstatiert, dass die Lage derselben gegenwärtig traurig genug und eine Steigerung des Konsums durch Herstellung billigerer Ware schlechterdings nicht mehr möglich sei, da die Mehrzahl von jenen sich nur für bestimmte orientalische Trachten eigne und vor dem Einfluss und dem Ueberhandnehmen des europäischen Elements und europäischer Sitten eher in langsamem Zurück- J ) Dieser Umstand bewirkte, dass damals die Auswanderung nach Amerika wieder sehr in den Vordergrund trat und 1871 eine Anzahl von ■Gemeinden die Auswanderungsbeiträge erhöhten oder neu einführten; dagegen fand eine gemeinde- oder kantonsweise kolonisatorische Organisation, nach Art derjenigen vom Jahr 1845 und wie sie Dr. Wilhelm Joos von Schaffhausen in mehreren Vorträgen hier zu Lande neuerdings befürwortete, diesmal keinen allgemeinen Anklang. 544 weichen begriffen sei; auch habe es böse Folgen gehabt, dass (zur Zeit der teuren Rohtücher während des amerikanischen Bürgerkrieges) Qualität, Quadratur und Grösse in krassem Masse verschlechtert und der ganze Artikel damit in Misskredit gebracht worden sei; noch schlimmer aber habe der Doppeldruck gewirkt, da bei demselben die unterste Lage der Tücher sich oft nicht gehörig mit Farbe sättige 1 ) und nun eine Menge solch’ halb oder ganz schlecht reüssierter Ware überall auf den Preis des regulären Produktes drücke. Auch das unter dem Druck der Konkurrenz mit der Zeit immer ärger gewordene Kreditsystem (mit ein-, zwei- und sogar mehrjährigen Ausständen) gegenüber den Abnehmern wurde beleuchtet und schliesslich den Fabrikanten eine Association (Konvention) unter sich anempfohlen, womit auch eine teilweise Berücksichtigung der Begehren der Arbeiter zu erreichen wäre. Dieser Vorschlag war jedoch zu neu und schien fast unausführbar. In der Sitzung des „Börsenvereins“ fanden, nach dem Referat in der „Neuen Glarner Zeitung“ vom 5. August, so ziemlich alle geäusserten Ansichten ihre Vertreter; eine schwache Mehrheit beschloss jedoch, die Petition des Centralarbeitervereins speziell den Yasmasfabrikanten zu überweisen und im übrigen grundsätzlich die Gewerbefreiheit der Industriellen zu wahren. Gleicherweise kam die Versammlung der Yasmasfabrikanten zu dem Beschlüsse, von einer kollektiven Massnahme irgendwelcher Art abzusehen und jedem Einzelnen zu überlassen, wie er sich zu den erhobenen Beschwerden stellen wolle. Daraufhin strebten die Arbeiter danach, ein gesetzliches Verbot des Doppeldrucks, aus sanitarischen Gründen zu erlangen, wobei die Polemik immer bitterer wurde und sich dadurch überhaupt von derjenigen von 1862/64 wesentlich unterschied. Inzwischen hatte sich auch das Fabrikinspektorat mit der Angelegenheit befasst und seine Ansichten am 5. Oktober in einem „Spezialbericht“ an. b Um diesem Uebelstande zu begegnen, wurde es nötig, die Bodenfarben sehr dünn zu halten und gleichzeitig die Umrisse der Vordrücke zu verstärken, damit horizontal kein Ausfliessen stattfinde; auch sonst musste man in der Zeichnung alle Haarstriche und feinen Punkte, die sich nicht durchschlagen liessen, vermeiden; so gestalteten sich denn die Muster viel plumper und roher, was bei einem Vergleich der Erzeugnisse der 1840er und. 1850er Jahre mit solchen aus späterer Zeit augenfällig zu Tage tritt. 545 die Regierung niedergelegt; darin wird ausgeführt, dass in den Eingaben und mündlichen Einvernahmen der Arbeiter in Betreff der sanitarischen Nachteile des Doppeldrucks verschiedene Ueber- treibungen unterlaufen seien, und zwar lediglich in der Absicht, damit die Berechtigung zu einem Verbot, das aus den sonst noch angeführten Gründen nicht zulässig wäre, darzuthun. Die genannte Manipulation verlange wohl eine etwas grössere Arbeitsleistung,, dieselbe könne jedoch keineswegs als unerhört und gesundheitsschädlich taxiert werden und dürfte in einer etwas bessern Löhnung ihr Korrektiv finden; schlimmer stehe es mit der starkem Ueberladung der Atmosphäre der Drucksäle mit den den gedruckten Stücken entströmenden Dünsten, und in dieser Beziehung beantrage das Fabrikinspektorat, vorläufig d. h. bis zur Einführung genügender Ventilationseinrichtungen zu verlangen, dass in Arbeitssälen, wo Flörli dreifach gedruckt würden, 1300 Kubikfuss Luftraum auf den Kopf kommen sollen, wo aber Flörli vierfach und dicke Tücher (Midoubles) doppelt gedruckt würden, 1600 Kubikmeter (wobei letztere Zahl ungefähr das Doppelte darstellte von dem, was die Druckstuben bisher durchschnittlich pro Arbeiter aufwiesen). Nach diesen Aufklärungen war es fast selbstverständlich, dass die h. Standeskommission ein inzwischen vom Fabrikarbeiterverein eingelangtes Begehren um sofortiges Verbot des Doppeldrucks abweisend erledigte, zugleich versprechend, in Verbindung mit der Fabrikinspektionskommission die Fabrikanten zu. den nötigen Aenderungen (Verbesserung der Ventilation und Ver- grösserung des Luftraums pro Kopf) anzuhalten; der Stein war jedoch schon derart ins Rollen geraten, dass er nicht mehr aufgehalten werden konnte und da damit überhaupt alle social-industriellen Fragen aufs Neue zu eifrigster Diskussion gelangten und es taktisch klug schien, auch die Spinn- und Weberei-Arbeiter mit ins Interesse zu ziehen, sah sich der Central-Fabrikarbeiterverein veranlasst, ans Landsgemeinde-Memorial pro 1872 folgende Anträge zu stellen 1 ): *) Zu Händen derselben Landsgemeinde stellte Jemand den Antrag, in gewissen Fällen (für Schichtenarbeit hei grossem W assermangel u. s. w.) N a c h t- arbeit (nach 8 Uhr abends) wieder zu gestatten; er fand aber weder in den Behörden noch an der Landsgemeinde Anklang, indem man die Industriellen darauf verwies, sich zur Aushülfe mit Dampfmaschinen zu versehen. 35 546 1. Es solle der Doppeldruck in den Fabriken für so lange untersagt sein, bis eine wirkliche Beseitigung der vielfach beklagten gesundheitsschädlichen Folgen desselben erzielt sei. 2. Festsetzung des Normal-Arbeitstages auf 11 anstatt 12 Std. 3. Streichung des Nachsatzes in § 1 des bisherigen Gesetzes, wonach Handlanger, Bleicher und Mechaniker nicht unter die Bestimmungen des Gesetzes fallen. 4. Freigabe des Samstag Abends von 4 Uhr an. 5. Vorschrift, die Arbeitssäle in den Mittagsstunden ganz geschlossen zu halten. 6. Fürsorge für bessern Vollzug des Gesetzes (speziell dem Fabrikinspektorat die Kompetenz einzuräumen, einen Polizeidiener zum Betreten der Etablissemente zu jeder Zeit zu ermächtigen, wenn eine Uebertretung des Fabrikpolizeigesetzes vermutet wird). Da 1872 ein Wahljahr war und sich sonst viele Traktanden angesammelt hatten, wurden im Mai nur ein Teil der letztem erledigt und der Best, worunter auch obige fünf Anträge, auf den Herbst verschoben. Bei den langwierigen Verhandlungen in und ausser den Behörden gewahrte Landammann Dr. Joachim Heer mit Besorgnis, wie das bisher im allgemeinen befriedigende Einvernehmen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern immer mehr in die Brüche zu gehen drohte und bot daher alles auf, nach beiden Seiten hin versöhnend zu wirken (wobei ihm jedoch, nebenbei gesagt, Misstrauen und Anfeindungen, besonders von Seite der Fabrikanten, nicht erspart blieben). In Bezug auf die Doppeldruck- Frage veranlasste er bezw. die h. Standeskommission in Verbindung mit dem Fabrikinspektorate eine unparteiische Untersuchung erster Fachmänner der Schweiz, wofür anfänglich Prof. Bolley und nach dessen bald darauf erfolgenden Tode Prof. E. Kopp in Zürich, Dr. F. Göttisheim in Basel und Fabrikdirektor Ph. Imbach in Lörrach bezeichnet wurden; der ausführliche Bericht der letztem erschien erst im August im Druck und stimmte im Grossen und Ganzen mit dem Spezialbericht des Fabrikinspektorats überein, nur verlangte er für die Drucksäle mit mehrfachem Druck einen noch erheblich grossem Luftraum per Kopf. D Obwohl damit die recht- b Bemerkenswert war in demselben die Bestätigung der hierzulande schon praktisch erwiesenen Thatsache, dass die E s s i g s ä u r e d. h. derjenige Stoff, 547 liehe Seite der Frage quasi als erledigt betrachtet werden konnte, Hessen sich die Arbeiter nicht bewegen, ihren Memorialsantrag zurückzuziehen. Was die Reduktion des Normal-Arbeitstages auf 11 Stunden anbetrifft, so musste das Verlangen derselben vorab im Interesse der Kinder und Frauen als ein an sich wohlbegründetes erscheinen; immerhin müssen wir auch den Widerstand von Seite der damaligen Industriellen erklärlich finden. Ein Teil derselben äusserte sich zwar zustimmend, jedoch nur unter der Bedingung, dass die Neuerung in der ganzen Schweiz erstrebt und durchgeführt werde; ein anderer Teil erachtete die Reduktion um eine volle Stunde überhaupt als einen zu grossen Schritt und machte geltend, dass man in Sachen der Fabrikgesetzgebung in Glarus so wie so schon den andern Ländern, mit Ausnahme E nglands, vorausgeeilt sei und dass bei einem Vergleich mit letzterm alle Vorsicht geboten sei; abgesehen von der anerkannten Tüchtigkeit des englischen Arbeiters sicherten eben in England die billigen Steinkohlen und Maschinen und die unvergleichliche maritime Lage mit niedrigsten Frachten für die Zufuhr der Rohstoffe und die Abfuhr der Fabrikate in alle Welt 1 ) nicht nur dem Fabrikanten einen welcher dem ungewohnten Besucher einer Druckstube am meisten auffällt und „in die Nase sticht“, verhältnismässig harmlos und für gesunde Re- spirationsorgane unschädlich ist. In dem S. 539 erwähnten Vortrag von Herrn Dr. Schüler liest man ferner folgendes: «Die Lungenkrankheiten kommen bei den Druckereiarbeitern nicht häufiger vor als «bei den Bauern, eher seltener. Wenn man annimmt—was gewöhnlich geschieht — «dass Tuberculose bei ihnen oder den Arbeitern in Spinnereien und Webereien ganz «besonders häufig auftrete, irrt man sich gewaltig. Ich habe aus den Sterbelisten «von Amden, dieser ausschliesslich Viehzucht treibenden, fabriklosen Gemeinde ge- «sehen, dass die Procentzahl der dort an Tuberculose Verstorbenen eine grössere ist, «als die meines Wohnortes und nach meiner Schätzung der meisten industriellen • Ortschaften unseres Cantons.« b Der technische Berichterstatter der landrätlichen Siebnerkommission von 1863/64 hatte bereits festgesteilt, dass bei einer fertigen Spinnerei und Weberei neuester Konstruktion die Gesamt-Anlagekosten per Spindel in England Er. 25, in der Schweiz Fr. 50, diejenigen per Webstuhl in England Fr. 4 — 500, in der Schweiz Fr. 9—1200 betragen; durch die Mehrfracht für das Kohmaterial und die Rückfracht der fertigen Waren trete eine Verteuerung der in der Schweiz erzeugten Manufakturen um mindestens 6°/ 0 ein. Nach der Studie „Der Grossbetrieb“ von Schulze-Gävernitz (Leipzig 1892), S. 148, kosten auch heute noch in England die Spinnerei-Maschinen samt Vorwerken nur ungefähr 3 / 4 der Summe, welche dafür in Sachsen ausgelegt werden muss. 548 grössern Gewinn bezw. eine vorteilhaftere Produktion, sondern berechtigten auch die Arbeiter zu einer hohem Lebenshaltung und zu einer kurzem Arbeitsleistung, als dies in einem kleinen Binnenlande je möglich sei; das Glarnerland allein in eine Ausnahmestellung zu versetzen, müsste vollends als eine Vergewaltigung der Industriellen aufgefasst werden. Auch in dieser wichtigen Frage liess es sich Landammann Heer angelegen sein, die Gegensätze zu versöhnen und in erster Linie auf Verschiebung zu dringen, da inzwischen auf Veranlassung des „Schweiz. Grütii- vereins“ und durch zwei Motionen von Nationalrat Br. Wilhelm Joos in Schaffhausen in den Entwurf der neuen Bundesverfassung der Passus aufgenommen worden war: „Der Bund ist befugt, zum Schutze der Arbeiter gegen Gesundheit und Sicherheit gefährdenden Gewerbsbetrieb einheitliche Bestimmungen aufzustellen.“ Und als die Hoffnung auf eine baldige gemeineidgenössische Regelung am 12. Mai 1872 durch Verwerfung des Entwurfs einer revidierten Bundesverfassung zu Wasser wurde, ordnete die vereinigte Standes- und Fabrikinspektions-Kommission eine Konferenz mit Vertretern der Fabrikanten und der Arbeiter an, welche sich dahin einigte, vorerst einen letzten Versuch zur Bildung eines Konkordats unter den industriellen Kantonen anzuempfehlen, während das Traktandum inzwischen auf die Frühlings-Landsgemeinde zurückgestellt würde. Obwohl eine auf den 25. August nach Glarus einberufene Volksversammlung sich diesen Anträgen geneigt zeigte, um so mehr ais auch Dr. N. Tschudi, schon längst grundsätzlicher Verfechter der 11 ständigen Arbeitszeit, vorgängig ein solches Konkordat als sehr wünschenswert bezeichnete, hatte sich doch zu viel Zündstoff angehäuft, als dass das Gewitter noch zu vermeiden gewesen wäre. Dasselbe entlud sich denn auch in Form einer (soweit die bezüglichen Traktanden in Betracht kamen) ausserordentlich stürmischen Landsgemeinde (29. September 1872), „wie man solche seit 80 Jahren nicht mehr erlebt hatte.“ Immerhin muss konstatiert werden, dass, wenn auch mehrere Volkstribune ihre Reden „reichlich mit Invektiven und selbst Drohungen spickten“, doch ein grosser Teil der besonnenem Arbeiter im Entschluss wankend geworden waren; über den „Doppeldruck-Artikel“ musste zweimal gemehret werden, bis der Entscheid zu Gunsten des An- 549 träges des Arbeitervereins abgegeben werden konnte und bei der Frage der Einführung des für die Spinn- und Webereien wichtigen Normal-Arbeitstages, welche bemerkenswerter Weise durch einen Druckerei-Arbeiter gegenüber dem Verschiebungsantrag der Behörden wieder aufgenommen und verfochten wurde, wird das Mehr dafür als bedeutend, aber nicht als „erdrückend“ bezeichnet. Wie die übrigen in Frage kommenden Punkte erledigt wurden, ist aus dem hier folgenden Abdruck des ganzen Gesetzes zu ersehen: Revidiertes Gesetz über die Fabrikpolizei vom Jahre 1872. *) § 1. Als Fabriken, auf welche sich die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes beziehen, sind alle gewerblichen Anstalten (Etablissements) anzusehen, in denen gleichzeitig und regelmässig Arbeiter ausserhalb ihrer Wohnungen in geschlossenen Räumen beschäftigt werden. (Landsgemeindebeschluss vom 29. September 1872). § 2. Alltagsschulpflichtige Kinder dürfen in keiner Fabrik zur Arbeit verwendet werden. § 3. Repetirschulpflichtige Kinder dürfen an den wöchentlichen Repetirschultagen (§ 5 des Gesetzes über das Schulwesen) weder vor, noch während der Unterrichtsstunden in der Fabrik beschäftigt werden. In Gemeinden, wo für die Repetirschule wöchentlich ein ganzer Schultag bestimmt ist, dürfen die Kinder auch nach der Unterrichtszeit nicht mehr für Fabrikarbeiten in Anspruch genommen werden. § 4. Die wirkliche Arbeitszeit in den Fabriken darf nicht mehr als 11 Stunden täglich betragen. In dieser Zeit ist die Freistunde für das Mittagessen, sowie eine allfällige Rast zur Vesperzeit nicht inbegriffen. (Landsgemeindebeschluss vom 29. September 1872). § 5. An allen Samstagen des Jahres ist die Fabrikarbeit spätestens um 6 Uhr, an den Vorabenden zu den drei heiligen Festen (Ostern, Pfingsten und Weihnacht) aber um 4 Uhr zu schliessen. § 6. Zur Nachtzeit, d. h. von 8 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens darf nicht in den Fabriken gearbeitet werden. § 7. Die Vorschriften der §§ 4—6 finden keine Anwendung auf erwachsene Mannspersonen (über 18 Jahre), welche als Handlanger, Bleicher oder Mechaniker beschäftigt werden in Bezug auf Arbeiten, welche zum ununterbrochenen Betrieb des bezüglichen Etablissementes nothwendig sind *) Dasselbe fand noch seine Ergänzung durch den an der Landsgemeinde vom 11. Mai 1873 in einem neuen Schulgesetz niedergelegten Beschluss betreffend Einführung des siebenten Schuljahres, wodurch der Eintritt der Kinder in die Fabrik durchschnittlich auf das erfüllte 13. Jahr hinaufgerückt wurde. 550 und nicht in der gewöhnlichen Arbeitszeit verrichtet werden können. Dieselben mögen, mit ihrer Zustimmung, auch über die gesetzliche Zeit von 11 Stunden hinaus, beziehungsweise während derjenigen Zeit, wo die Fabriken im Allgemeinen geschlossen sind, zur Arbeit verwendet werden. Die Ueber- stunden müssen ihnen jedoch besonders bezahlt werden. Sollten sich Anstände darüber ergeben, ob gewisse Klassen von Arbeitern unter den Begriff der „Handlanger“ fallen, oder ob die betreffenden Arbeiten zu den „Notharbeiten“ gehören, so entscheidet darüber, nach eingeholtem Gutachten Sachverständiger, die vereinigte Standes- und Fabrikinspektions- Kommission. (Landsgemeindebeschluss vom 29. September 1872). § 8. Frauenspersonen sollen vor und nach ihrer Niederkunft im Ganzen während sechs Wochen nicht in der Fabrik arbeiten. § 9. Jeder Fabrikbesitzer ist verpflichtet, bei der Einrichtung und dem Betriebe seiner Fabrik die erforderlichen Vorkehren im Interesse der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeiter zu treffen, insbesondere bei mechanischen Werken alle nach dem jeweiligen Stande der Technik möglichen Schutzmittel anzubringen und für die Aufrechthaltung der Ordnung, der Peinlichkeit und der guten Sitten in den Fabriklokalen zu sorgen. § 10. Während der Mittagsstunde müssen die Fabriksääle geschlossen und es darf in denselben nicht gearbeitet werden. Die Fabrikinhaber sind verpflichtet, denjenigen Arbeitern, welche wegen grösserer Entfernung von ihren Wohnungen ihr Mittagessen in der Fabrik einzunehmen wünschen, zu diesem Behufe eine geeignete und genügend erwärmte besondere Lokalität anzuweisen. Zur Herrichtung derartiger Bäume wird den Fabrikinhabern eine; Frist bis 1. Dezember 1873 eingeräumt. § 11. Landammann und Bath ist beauftragt, zeitweise Inspektionen durch Sachverständige in allen Fabriken des Kantons vornehmen zu lassen, um sich davon zu überzeugen, inwiefern den Bestimmungen dieses Gesetzes nachgelebt werde. Die Inspektoren werden dem Bathe schriftlichen Bericht und Anträge vorlegen und der Eath wird hierauf diejenigen polizeilichen Anordnungen treffen und mit Strafandrohungen begleiten, welche er für die Gesundheit, Sicherheit und Sittlichkeit der Fabrikarbeiter für nothwendig erachtet. § 12. Polizeibedienstete haben das Recht, jederzeit ein Fabrik- Etablissement zu betreten und sich von der Innehaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überzeugen, wenn sie entweder mit einer schriftlichen Spezial-Ermächtigung Seitens eines Mitgliedes der Fabrikinspektions-Kom- mission versehen sind, oder aber selbst Wahrnehmungen machen, welche den Verdacht einer Widerhandlung gegen eine der gedachten Vorschriften begründen. (Landsgemeindebeschluss vom 29. September 1872). § 13. Uebertretungen dieses Gesetzes werden vom Polizeigerichte mit einer Geldbusse von Fr. 20—500 bestraft. In Wiederholungsfällen kann die Busse verdoppelt und in schweren Fällen selbst auf Gefängnisstrafe gegen den oder die Fehlbaren erkannt werden. 551 § 14. Mit der Annahme dieses Gesetzes treten ausser Kraft: a) das Gesetz von 1848 über das Arbeiten in den Spinnmaschinen; b) das Gesetz von 1856, betreffend die Verwendung schulpflichtiger Kinder in den industriellen Etablissements; * c) das Gesetz über die Fabrikpolizei vom Jahr 1864. § 15. Landammann und Rath ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes, sowie mit der Erlassung allfällig hiefür nötiger Verordnungen beauftragt. Beschluss hetr. Verbot des Doppeldrucks in den Fabriken vom Jahr 1872. Der Doppeldruck ist für so lange untersagt, bis in den Fabriken die im Sinne des Expertenberichtes der HH. Kopp, Göttisheim und Imbach erforderlichen Vorkehren zur Beseitigung der damit verbundenen besondern gesundheitsschädlichen Folgen angebracht sind. In Bezug auf den Doppeldruck hatte das Volksvotum, wie vorauszusehen war, keine tiefgehenden Folgen mehr, da alle Druckereien schon seit Monaten begonnen hatten, ihre Ventilationseinrichtungen zu verbessern und somit bestrebt waren, die viel gerügten Schädlichkeiten zu heben oder zu mildern; es erfolgte nun lediglich noch eine Verordnung des Fabrikinspektorats, i welches gestützt auf den Expertenbericht und auf eigene Beobachtungen für die beim Doppeldruck beschäftigten „Bödmer“ einen Luftraum von je 60 m 3 und für die „Vordrucker“ und „Rentrierer“ einen solchen von je 30—40 m 3 verlangte und verschiedene andere Bestimmungen traf, nach Erfüllung welcher von einer besondern gesundheitlichen Schädlichkeit der viel angefochtenen Manipulation nicht mehr die Rede sein konnte. Die Ausführung ging auch dadurch leichter vor sich, dass wie befürchtet die inzwischen eingetretene Reduktion des Druckerpersonals in fast allen Yasmas- fabriken zu einer bleibenden wurde. In dieser Beziehung gewinnt man aus den zeitgenössischen Akten den Eindruck, dass der Doppeldruck in seiner zweiten Phase anfänglich der Gesamtheit wirklich mehr Schaden als Nutzen gebracht hat; berücksichtigt man aber, dass gerade im Laufe der 1870er Jahre die englische Kon- * kurrenz im Orient und in den überseeischen Gebieten ausserordentlich heftig auftrat und beispielsweise den Schweiz. Mouchoir- fabriken und Buntwebereien eine Reihe bisher gangbarer Artikel auf Nimmerwiedersehen aus den Händen nahm, so kommt man zur Einsicht, dass der die Produktion so sehr verbilligende Doppeldruck die Yasmasartikel vor dem Schicksal 552 bewahrt hat, durch englische Fabrikate irgendwelcher Art weggewischt zu werden, und dass er auch die Entwicklung der inländischen (türkischen) Fabrikation um viele Jahre zurückzuhalten vermochte. In Bezug auf die llstündige Normalarbeitszeit waren die Spinn- und Webereibesitzer, welche nach der Volksversammlung vom 25. August auf Verschiebung gehofft hatten, von dem Landsgemeindebeschluss zuerst consterniert und versuchten eine Massenpetition zur Wiedererwägung in Gang zu bringen; die Sache scheiterte jedoch, und die wichtige Frage, ob den Arbeitern durch entsprechende Erhöhung der Akkordlöhne ungefähr der bisherige Tagesverdienst zugestanden werden sollte, wurde nach kurzem Widerstande und einem kleinen Streik — einer gücklicher- weise in unserm Ländchen höchst seltenen Erscheinung — zu Gunsten der Arbeiter entschieden. Eine schon auf den 13. Nov. 1872 einberufene interkantonale Konferenz zur Anbahnung eines Fabrikpolizei-Konkordates verlief dagegen resultatlos. Nach der „Neuen Glarner Zeitung“ vom 26. November erklärte Bern, dass es bei seiner vorwiegend agricolen Bevölkerung noch keine Veranlassung fühle auf die Materie einzugehen und die Uhrenindustrie im Jura besondere Verhältnisse bedinge; Zürich habe 1869 ein neues Arbeitergesetz verworfen (dagegen habe 12- und sogar 11-stündige Arbeitszeit teilweise in der Eisen- und Baumwollen- Industrie Eingang gewonnen); in Schwyz arbeite man noch 12 bis 14 Stunden, Thurgau stelle auf eine eidgenössische Gesetzgebung ab, in Solothurn sei die Industrie noch zu neu, Zug habe der Einladung überhaupt nicht Folge geleistet und Schaffhausen sei gegen einen Zwang in Bezug auf die Erwachsenen; Aargau sei vorläufig mit seinem Gesetz von 1862 zufrieden und in St. Gallen stehe gegenwärtig ein eigenes Gesetz in Beratung. Ueber den damaligen Stand der Gesetzgebungen in Zürich, Aargau und St. Gallen möge noch auf S. 526 Anm. 1 verwiesen sein. Der Grosse Rat des letztgenannten Kantons entwarf dann wirklich am 27. November 1872 ein Fabrikgesetz, in welchem für November, Dezember, Januar und Februar der llstündige und für die übrige Zeit der 12stündige Normalarbeitstag für alle Arbeiter eingeführt worden wäre; in der Volksabstimmung wurde 553 es jedoch mit erdrückender Mehrheit verworfen, so dass auch hier alles beim Alten blieb. So mussten sich denn die Glarner Spinner und Weber gedulden, bis endlich mit dem 1. Januar 1878 ein „Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken“ 1 ) in Kraft trat; dasselbe löste durch Annahme des Normalarbeitstages von 11 Stunden (an Vorabenden vor Sonn- und Festtagen 10 Stunden) und Verbot des Eintritts der Kinder in die Fabrik vor erfülltem 14. Jahre die Frage der Arbeitszeit 2 ) in einer für eine längere Zeitperiode befriedigenden Weise und brachte neben 1 ) Es war fast selbstverständlich, dass Herr Br. Schüler ein einflussreiches Mitglied der 1875 einberufenen Expertenkommission wurde. Nachdem das Gesetz von der h. Bundesversammlung am 23. März 1877 angenommen und auch in der Referendumsabstimmung vom 21. Oktober (zwar nur mit einer schwachen, nicht von den industriellen Kantonen gebildeten Mehrheit) bestätigt worden war, folgte er einer Einladung des damals zum Bundesrat vorgerückten Landammann Br. Heer, ihm vom Januar 1878 an bei den ersten ausführenden und organisatorischen Massnahmen behülflich zu sein; so hatte er damals die Etablissemente zu besuchen, denen die Bewilligung zu Nacht- bezw. ununterbrochenem Betrieb erteilt werden sollte. Am 24. August desselben Jahres erfolgte seine Wahl in’s eidg. Fabrikinspektor at (neben den Herren W. Klein und E. Nüsperli ), von welcher überaus erfolgreicher, auch im Ausland gewürdigter Thätigkeit er auf den 1. April 1902, mit Erfüllung seines 70. Jahres, zurücktrat. Während dieser Zeit hat er eine ganze Anzahl grösserer und kleinerer Schriften über Fabrikgesetzgebung und -Statistik, Volks- und speziell Gewerbehygiene verfasst und sich auf diesem Gebiete den Ruf einer Autorität erworben. 2 ) Auch diesmal wurde im Interesse verschiedener Industrieen den Handlangern und andern Hilfsarbeitern (Männern und unverheiratheten Frauenspersonen über 18 Jahren) in Art. 12 in allgemeiner Weise eine Ausnahmsstellung eingeräumt; erst viel später gelangte man dazu, diese Verhältnisse zu präzisieren und zwar soweit die Textilindustrie in Betracht kommt durch den Bundesratsbeschluss vom 3. Juni 1891 und einen Beschluss des Industriedepartements vom 7. April 1894, welche in fast selbstverständlicher Weise das Instandhalten von Dampfkesseln, Motoren, Transmissionen und elektrischen Leitungen, das Anheizen und Oelen und verschiedene Reinigungsarbeiten als „Hilfsarbeiten“ bezeichneten, und endlich durch einen Beschluss des Industriedepartements vom 14. Juli 1893, welcher auch die Beschäftigungen derFarbköche und das Trocknen der Tücher unter die Hilfsarbeiten einreihte. Letzteres waren die einzigen bescheidenen Vergünstigungen, welche die Druckerei von ihrer frühem Bewegungsfähigkeit retten konnte; sie mochten in der Gegenwart bei der fast überall schwachen Betriebsweise genügen, während diese von der Witterung be- 554 verschiedenen andern wohlthätigen Bestimmungen als neues Prinzip die Haftpflicht der Unternehmer aus Fabrikbetrieb in Art. 5 zur Geltung; die bedeutenden finanziellen Opfer, welche das ausführende, am 25. Juni 1881 erlassene eidg. Haftpflichtgesetz den Industriellen auferlegte, müssen darum erträglich erscheinen, weil dasselbe sich wirklich als eine für die Arbeiter höchst wertvolle, nun schon längst unentbehrlich gewordene Errungenschaft erwiesen hat. Dass die glarnerische Spinnerei und Weberei von 1872 an wegen ihrer Ausnahmsstellung eine schwierige Uebergangszeit zu bestehen hatte, könnte durch ungünstige Geschäftsbilanzen nachgewiesen werden; es dauerte mehrere Jahre bis durch Verbesserung und Vergrösserung der Turbinen, Aufstellung von Dampfmaschinen als Hülfsmotoren im Winter und andere Umänderungen für einen beschleunigten Gang der Maschinen der Ausfall in der Arbeitszeit eingeholt war. Es erhellt dies auch augenscheinlich < aus untenfolgender Tabelle, welche dem Verf. von einer grossem glarnerischen Spinnerei zur Verfügung gestellt worden ist; da letztere stets annähernd die gleichen (mittlern) Nummern und ausschliesslich für direkten Konsum in der eigenen Weberei gesponnen hat, somit störende Faktoren durch wechselnde Nebenbetriebe (Zwirnerei, Hasplerei u. s. w.) nicht vorhanden waren, so gewinnt man daraus überhaupt ein anschauliches Bild der relativen Entwicklung der hiesigen Spinnerei in den letzten 40—50 Jahren. Von einigen in Amerika, im Eisass und in der Schweiz gemachten Erfindungen abgesehen, behielten wie früher so auch in dieser Zeitperiode die englischen Spinner (bezw.Konstrukteure) die führende Rolle und musste es das Bestreben der Schweizer sein, denselben nolens volens nachzueifern, sofern sie ihrer scharfen Konkurrenz auf dem Weltmarkt gewachsen bleiben wollten. Als wichtigstes < Ereignis des letztverflossenen Jahrzehnts ist das Ueberhandnehmen der Ringdrosselspinnerei zu verzeichnen, da dieselbe einen einflusste, von der Mode abhängige und sonst manigfachen Wandlungen ausgesetzte Industrie beivollerBeschäftigung das Gefühl einer starken Einengung gegenüber der frühem Freiheit empfunden hätte. 555 weitern Schritt auf der Bahn bedeutet, den Anteil der menschlichen Arbeit beim Spinnen fortgesetzt zu verringern, indem die betreffenden Ausspinnmaschinen bei ungefähr der gleichen Arbeiterund Spindelzahl bedeutend mehr motorische Kraft brauchen und bedeutend mehr Garn produzieren; es mag dies ein Hauptgrund für die Erscheinung sein, dass die Spinnerei der offenen und auch einiger Schutzzoll-Länder in den letztverflossenen 12 Jahren zu wiederholten Malen unter einer beängstigenden Ueberproduktion zu leiden hatte. Bemerkenswert ist auch, dass bei diesen neuen Ausspinnmaschinen die Arbeit der Männer und Kinder durch diejenige von Frauenspersonen ersetzt worden ist. Produktionsverhältnisse in einer grossem glarn. Baumwollspinnerei im Zeitraum von 1856 bis 1900. Zeitperiode und Art des Betriebes 1000 Spindeln erzeugten täglich durchschnittlich an Garn t ja aS •— eu — M ^ E— Q_ Auf s- 52 'S, qjS m 1000 Spin 5 « j* dein traf UL £- 09 es: 09 B «3 09 e/y Nr.38Ztl.jNr.44. Sek ^ SS SS S ® « 'S.« *< CO g . s — •< H «3 S) 4a“ 1. 1857—1860 mit „Mule- Jennys“ oder sog. Hand- Spinnstiihlen (ä 444 Spindeln per Stuhl) und 12*/ ä - stündiger Arbeitszeit . . Kilos 49 Kilos 44 ca. HP. 6 1,25 4,4 4 9,65 2. 1865—1872 mit S elf actors (teils neue, teils umgeänderte Mule-Jenny’s) und 12stiindiger Arbeitszeit . 50 45 9 1,1 2,5 4 7,6 3. 1873—1878 mit Selfactors u. 1 lstündiger Arbeitszeit 47 42 9 1,1 1,7 3,3 6,1 4. Um 1884 wie oben, jedoch mit verbesserten Motoren und Vorwerken u. gesteig. Spindelgeschwindigkeit . 50 45 10 1,1 1,4 2,7 5,2 5. Um 1890 mit neuen Vorwerken u. neuen Selfactors 56 50 11,5 1,1 1,5 2,4 5 6. Um 1900 mit Selfactors und gesteigerter Spindelgeschwindigkeit .... 64 56 14,3 1,1 1,4 2,7 5,2 7. Um 1900 Abteilung: Ringdrosselspinnerei .... 77 _ 18 Arbeiterinnen im Alter v. 16-30 J. 2,7 3,3 6 * inkl. Mechaniker unc andere Hilfsarbeiter. 556 Ueber die grosse Produktionssteigerung, welche bei der mechanischen Weberei seit 1860 in der Schweiz bezw. in Glarus, auf den einzelnen Webstuhl berechnet, sich nach und nach vollzogen hat, haben wir den geneigten Leser in Kürze schon auf S. 282 unterrichtet |und wollen wir nun noch einen Blick auf die Fortschritte der mechanischen Technik in den Druckver fahren werfen, umsomehr als gerade von den 1860er Jahren an auch die Maschinendruckerei im Glarnerland erhöhte Bedeutung gewann. Indem wir auf S. 50, 144, 205, 497, 505 und 508 verweisen, wo wir die Merkmale der verschiedenen mechanischen Druckverfahren erläuterten, lassen wir eine vergleichende Tabelle folgen, welche die Abstufungen in der Produktionsfähigkeit veranschaulicht und die übrigen Unterschiede (in der Stecherei und Farbenbehandlung, im Anlagekapital für Maschinen, Metallwalzen, im Brennmaterialverbrauch u. s. w.) nicht berücksichtigt. Dabei bemerken wir, dass in den Druckereien auch in „normalen“ Zeiten im Jahreslaufe erhebliche Schwankungen und Stockungen, hervorgerufen durch die ungleiche Verteilung der eingehenden Be- ^ Stellungen auf die verschiedenen Artikel und durch andere Schwierigkeiten, Vorkommen, so dass sie sich in der Regelmässigkeit des Betriebes beispielsweise mit Spinnereien und Webereien nicht vergleichen lassen; wir haben deshalb eine Kolonne für maximale und eine für nach der Praxis bestimmte durchschnittliche Leistungen eingesetzt und fügen ausserdem hinzu, dass der seit einigen Jahren in manchen Druckereien nötig gewordene re du zierte Betrieb überhaupt keine richtigen statistischen Angaben und Vergleiche mehr zulassen würde. BeimHanddruck ist stets einfacher Mouchoirsdruck vorausgesetzt; beim 2—4fachen Druck der Yasmastücher darf das Produkt entsprechend grösser d. h. etwas weniger als nach der arithmetischen Proportion berechnet, angenommen werden. Wo nichts anderes bemerkt ist, handelt es sich um 70-85 cm breite Ware. Die beim Walzendruck ange- 4 gebenen Ziffern werden in Indiennes-Fabriken und bei Verwendung eines besondern Personals für den Musterwechsel („An- stossen“ der Walzen) noch um ein Bedeutendes überschritten. 557 Vergleichende Tabelle über die im glarnerischen Baumwolldruck üblichen Druckverfahren. Tägliche Leistung Maximal | durchschnittlich 1. Eine einhändige Walzendruckmaschine, durch 1 Meister, 2 erwachsene u. 3 jugendliche Arbeiter bedient, liefert in 11 Stunden, leichte Meter und gedeckte Muster durcheinander gerechnet 7200 4800 Met. Mouch. oder auf eine beschäftigte Person reduzirt 2. Eine mehrhänd. Walzendruckmasehine liefert in 11 Stunden mit dem gleichen Personal an gedeckten 3farbigen oder leichten 1200 800 „ 4farbigen Waren. 5600 3600 „ „ oder auf eine beschäftigte Person reduzirt 9. Leistung einer mechanisch getriebenen Kupferoder „ Plancheplatten “- Maschine (für Vordrucke oder einhändige Artikel) von 1 930 600 „ „ Arbeiter während 10 Stunden bedient. 4. Leistung einer Kaye-Maschine (für Vordrücke oder einhändige Artikel) von 1 Arbeiter während 10 Stunden von Hand ge- 800 640 „ „ trieben und bedient. 5. Leistung eines Hand-Vordruckers (Druck 540 400 „ „ der leichten Vorzeichnung) während 10 Std. Leistung eines Handdruckers hei einfarbiger 400 240 „ „bödiger“ (gedeckter) Ware 6. Produktion der Handdrucker in dreifarh. gedeckten Mustern, auf 1 Drucktisch redu- 160 120 „ „ ziert und zirka 10 Stunden Arbeitszeit 7. Produktion der Handdrucker in 7fartigen Mustern auf 1 Drucktisch reduzirt und zirka 100 70') „ „ 10 Stunden Arbeitszeit. 8. Produktion einer fünf farh.Perrotine-Maschine heim Druck bunter Aetzfarhen auf 58 cm breite türkischrote Tücher, mit mechanischem An- 33 28'),, „ trieb, von höchstens 1 Arbeiter bedient 9. Produktion der Handdrucker bei der Erstellung fünffarbiger, 58 cm breiter Indiennes, in bunten Aetzfarhen auf Türkischrot (ähn- 1650 880 „ Indiennes lieh wie hei Kr. 8), auf 1 Drucktisch reduzirt — 44 „ „ i) Diese der Gegenwart entnommenen Zahlen sind etwas höher als dieienigen des Fabrikinspektionsberichts von 1864(05 (S. 532) der Unterschied liegt neben der Ver- schiedenheit der Artikel jedenfalls auch in den Fortschritten der Stecherei (bessere Einteilung der Muster und Verwendung grösserer Mödel). Wenn auch schon aus den vorstehenden Abschnitten ersichtlich ist, dass die glarnerische Industrie in den 1860er Jahren in ■eine Zeit grosser Bewegungen und Neuerungen trat, so haben wir noch zwei weitere Erscheinungen zu erwähnen, die grosse Umwälzungen nach sich zogen; es sind dies der Beginn der Einfuhr der Steinkohle und das Aufkommen der künstlichen Farbstoffe im Zeugdruck. Ueber die Versorgung der Industrie mit Brennmaterialien in den 1830er und 1840er Jahren lesen wir auf S. 434 des „Gemäldes des Kantons Glarus“ (1846): „Der Verbrauch au Brennmaterialien ist in unserm Lande sein- beträchtlich, der vielen Fabrikgebäude wegen und auch in Folge der schlechten Feuereinrichtungen, die man namentlich in den hintern Gemeinden noch allgemein antriflt, wo häufig noch auf offenen Herden gekocht wird und wo die ungewöhnlich grossen Oefen von sehr dicken gemauerten Wänden gebildet sind. Da unsere Waldungen bei weitem nicht mehr den Bedarf an Brennmaterialien befriedigen, wird viel Holz aus den Kantonen St. Gallen und Graubünden eingeführt. Torf wird seit etwa 10 Jahren in ziemlichen Quantitäten in Bilten gestochen und noch mehr aus dem Gaster eingeführt, wo mehrere grosse Glarner- fabrikanten grosse Torffelder angekauft haben. Ebenso wird viele Schieferkohle aus Utznach eingeführt. Durch diese Torf- und Schieferkohleneinfuhr ist gegenwärtig der Holzpreis, welcher in den Jahren 1836 und 1837 bis zur früher nie gekannten Höhe von 13 fl. für das Klafter Buchen und 9'/ s fl. für das Klafter Tannenholz gestiegen war, wieder bedeutend heruntergesunken. Die Gesamteinfuhr an Brennmaterialien berechnet man gegenwärtig auf circa 60,000 fl., wogegen eine Ausfuhr von Fourniren und feinem Maserholzarten in einem Betrage von etwa 5000 fl.“ Im gleichen Abschnitt beklagt der Verfasser, der gelehrte Br. Oswald Heer, 'das rücksichtslose Abholzen der Bergabhänge und die daherige Vermehrung der Ausbrüche von Runsen und Wildbächen und richtet die dringende Mahnung an Land und Gemeinden, für eine rationellere Aufforstung zu sorgen; in dieser Beziehung konnte sich jedoch die Landsgemeinde nie zu durchgreifenden Massregeln aufraffen 1 ), weshalb nach dem flotten Geschäftsgang der 1850er Jahre die Wälder im Lande Glarus mehr *) Eine wesentliche Besserung brachte erst der Erlass des „Bundesgesetzes betreffend eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge“ vom 24. März 1876. §59 als je gelichtet waren und die Holzpreise trotz Einfuhr von „Turben“ (Tori) und Schieferkohlen noch wesentlich höher als 1837 standen. So musste es auf diesem Gebiet fast wie eine Erlösung wirken, dass mit der Eröffnung der „Vereinigten Schweizerbahnen“, speziell der Linie Weesen-Glarus im Jahr 1859, die in England und andern industriellen Mittelpunkten schon längst geschätzte Steinkohle ihren Einzug halten konnte. Dabei wollen wir einschalten, dass speziell im Königreich Preussen d. h. in der seitherigen Hauptbezugsquelle des schweizerischen Bedarfs, die Förderung und Verwendung der Steinkohlen auch erst in den 1850er und 1860er Jahren, dank der ins Leben gerufenen Eisenbahnverbindungen, grössere Dimensionen annahm. Es erhellt dies deutlich aus folgender kleiner Tabelle, welche wir aus dem „Jahrbuch für den Oberbergamtsbezirk Dortmund“ (Essen, Druck und Verlag von G. D. Baedeker, 1901) zusammengestellt haben. Steinkohlenförderung im Königreich Preussen. (in Tonnen). Jahrgang Ruhrbecken Saargegend Schlesien In ganz Preussen 1840 990 352 ? ? ? 1852 1,955 937 1,222 334 1,949 178 5,157 654 1860 4,365 834 2,758,458 3,484 500 10,656 725 1870 11,812529 3,679 075 7,424 631 23,316 237 1880 22,495 204 6,627 534 12,656 764 42,172 944 1890 35,469 290 8,177 874 20,075 620 64,373 816 1899 54,641 120 11,467 552') 27,959 689 94,740 829 1900 59,618 900 12,005 886 29,580 693 101,976 014 Die ersten und nächsten Bezugsquellen für die deutsche Schweiz, bezw. für Glarus waren um 1860 die Grube Bexbach in der bayrischen Pfalz und das Saargebiet * 2 ). Schon nach wenigen Jahren zeigte es sich, dass jeweilen bei Eintritt stärkerer Nachfrage die Preise für Steinkohlen von den Händlern in unge- ') Von dieser Förderung des Jahres 1899 entfielen auf die „fiskalischen“ (dem preussischen Staate gehörenden) Saar-Gruben 9,025 071 Tonnen. 2 ) Die Südwestschweiz versorgte sich in normalen Zeiten stets mit französischen Kohlen. 560 bührlicher Weise in die Höhe getrieben wurden; so soll beispielsweise 1865 der Waggon von 10 Tonnen mit einem Nutzen von Fr. 80—90 verkauft worden sein. Herr J. J. Stäger-Lütschg 1 ), damals neben seinen Privatgeschäften zugleich der neuen „A.-G. Gasfabrik Glarus“ als erstgewählter Direktor vorstehend, erkannte die ungeheure Wichtigkeit jenes Hiifsmaterials in Gegenwart und Zukunft und trat, nachdem er eine Reise in das Saargebiet gemacht, mit dem Vorschlag vor die glarnerischen Industriellen, eine „Gesellschaft für gemeinschaftlichen Steinkohlen- Bezug“ zu gründen; er brachte es auch trotz dem bei den Glarner Fabrikanten sonst vorherrschenden Mangel an Solidaritätsgefühl dazu, dass im November 1865 22 hiesige Firmen nebst einer ausser- kantonalen ihren Beitritt zu einer Vereinigung unter obiger Bezeichnung erklärten, um der Industrie die Steinkohlen zu möglichst billigen und möglichst stabilen Preisen zu verschaffen. Durch eine von allen bezüglichen Firmen Unterzeichnete, vom 31. Januar 1866 datierte Vollmacht wurde Herr Stäger beauftragt, für sie ihren Bedarf an Steinkohlen bei der königl. preuss. Bergwerksdirektion in Saarbrücken einzukaufen, indem sie gleichzeitig, die Herren Gebrüder Hcddy ebendort als ihre Banquiers bezeich- neten, welche beim h. Bergamt die übliche Kaution zu leisten hatten. Dieses Schriftstück wurde in Saarbrücken deponiert und blieb dort bis 1871; schon im Laufe des Jahres 1866 jedoch, als durch den Krieg ungeahnte Schwierigkeiten und Lieferungsstockungen eintraten, schreckten die meisten Firmen vor den einzugehenden Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten wieder zurück, so dass es unmöglich war, eine richtig konstituierte und organisierte Gesellschaft mit gedruckten Statuten, Verwaltungsrat, Revisoren u.s.w. zu Stande zu bringen. Da aber Herr Stäger inzwischen seine Verträge mit dem königl. Bergamt in Saarbrücken ins Reine gebracht hatte, gab er das als gut und lebensfähig erkannte Unternehmen nicht auf, sondern anerbot sich mit Zirkular vom 15. Oktober 1866 quasi als Mandatar der zuerst beteiligten Firmen unter dem neuen Titel Steinkohlen-Consumgesellschaft in Glarus (und zugleich mit seinem Namen J. J. Stäger■ Lütschg unterzeichnet), allen Interessenten Steinkohlen zum Grubenpreis plus Fracht zu liefern, gegen ') Vgl. auch S. 327 u. 460. 561 eine Gebühr von Fr. 2. — per Waggon für die Geschäftsführung nebst einer kleinen Provision für die vorgenannten Banquiers. Wer die Bestellzeddel ausfüllte und sich an die vorgeschriebenen Zahlungsbedingungen hielt, wurde als Mitglied betrachtet und erhielt die Zusicherung, zu billigsten (Original-) Preisen bedient zu werden; auch bemühte sich Herr Stäger, die Konsumenten jeweilen durch Zirkulare auf dem Laufenden zu halten und ihnen, soweit sie hier wohnhaft waren, hie und da nach Schluss der „Börse“ mündlich Bericht zu erstatten. So entstand ein gesellschaftliches Zwitterding, indem im übrigen Herr Stäger frei schalten und walten konnte. Am 31. März 1868 erteilte er seinem Bruder, Herr J. P. Stäger-Becker, die Befugnis per procura zu unterzeichnen und in einem Zirkular vom 1. Dezember desselben Jahres machte er die Mitteilung, dass sich die Wirksamkeit der Gesellschaft nunmehr auf die Schweiz, das badische Wiesenthal, die Bodensee-Uferorte und das Vorarlberg erstrecke; gleichzeitig hielt er die Kommission von Fr. 2. — nur noch für nachträgliche Bestellungen aufrecht und begnügte sich im Uebrigen mit dem Gewinn, der sich aus dem angenommenen Umrechnungsfusse der preussischen bezw. badischen in die schweizerische Valuta ergab. Das Geschäft nahm innert wenigen Jahren einen bedeutenden Umfang an, so dass Herr Stäger 1870/71 bereits mit ungefähr 700 Kunden (darunter 65 glarnerischen) verkehrte. Gerade der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges führte jedoch eine Kohlennot herbei, die sich über den Winter ausserordentlich steigerte und sich bis in den Sommer 1871 hinein in zu knappen Lieferungen bei sehr erhöhten Preisen äusserte. Infolge dessen bemächtigte sich der Industriellen eine grosse Aufregung und blieb Herrn Stäger der Vorwurf nicht erspart, ihre Interessen zu wenig gewahrt zu haben und überhaupt ins Lager der Händler übergegangen zu sein. Nun konnte derselbe zwar nächweisen, dass ihm selbst vom August bis Dezember 1870 von den vertrags- mässig bestellten 2319 Wagen nur 21°/o und vom Januar bis Mai 1871 von den bestellten zirka 3000 Wagen nur 18 % geliefert worden waren; auch erklärte er, dass die im Oktober 1870 eingeführte Kommissionsvergütung von Fr. 5. — per Waggon durch die seitherigen aussergewöhnlichen Spesen und die vielen, nicht 36 562 ungefährlichen Reisen gerechtfertigt gewesen sei. Da jedoch gleichzeitig die juristisch mangelhafte Organisation des Unternehmens zu Tage trat, fand am 28. Juni 1871 eine Versammlung des „glarnerischen Börsenvereins“ statt, infolge welcher dann am 5. Juli 18 grössere Firmen die Reorganisation der Gesellschaft beschlossen, indem sie ihr den Charakter einer reinen Konsumgenossenschaft mit den nötigen gesellschaftlichen Organen verliehen. Da aber Herr Stäger sich nicht mehr zur Rolle eines blossen Geranten oder Verwalters verstehen und seine weitverzweigten Verbindungen der neuen Gesellschaft nicht an die Hand geben wollte, nahm er nach verschiedenen Unterhandlungen seinen Rücktritt und gründete auf seinen alleinigen Namen ein Privatgeschäft, das heute noch als Firma „Stäger & Cie.“ besteht und stetsfort einen grossen Umsatz aufweist. Daneben bahnte sich die neu-erstandene Genossenschaft „Steinkohlen-Consumge- sellschaft Glarus“ ihren Weg und kam nach Ueberwindung der ersten Schwierigkeiten zu kräftiger Entwicklung. 1872 ihre Thätigkeit mit 65 Mitgliedern und einem Umsatz von 1767 Waggons beginnend, ist sie im Jahr 1900 bei 317 Mitgliedern und einem Umsatz von 13020 Waggons oder 130 200 Tonnen Saar- und Ruhrsteinkohlen, Presskohlen ( Briquettes ), Koks, Braunkohlen 1 ), An- thracit und andern Hausbrandkohlen angelangt; der grösste Teil davon (10—11000 Waggons) ist für die Industrie, der Rest für Transportanstalten und Hausbrand bestimmt. Nach der interessanten Statistik im vorletzten Bericht der Basler Handelskammer betrug im Jahr 1900 die Einfuhr an solchen Brennmaterialien nach der Schweiz 2 057 028 Tonnen (darunter zirka l 1 ^ Millionen Tonnen gewöhnliche Steinkohlen), mit Inbegriff der Fracht einen Wert von über 60 Millionen Franken repräsentierend 2 ); von ') Die Braunkohlen (aus Böhmen) haben geringe Heizkraft, also einen relativ kleinern innern Wert; da somit die Verteurung durch die Fracht prozentual stark ins Gewicht fällt, werden sie in der Schweiz nur ausnahmsweise, bei Störungen in den Bezugsquellen für Steinkohlen oder zu besondern Zwecken, eingeführt. 2 ) Das Jahr 1900 bildet einen Höhepunkt, der vielleicht nicht so bald wieder erreicht wird; nach den Berichten der „Basler Handelskammer“ betrug nämlich die Einfuhr an oben erwähnten Brennmaterialien im Jahr 1880 = 655262 Tonnen im Jahr 1899 = 1 850870 Tonnen „ „ 1890 =1 116423 „ „ ,. 1900 = 2 057028 „ „ „ 1896 =1514 082 „ „ „ 1901 = 1868773 „ 563 diesem Gesamtquantum sollen schätzungsweise 50 °/ 0 in der Industrie inkl. Gasanstalten, 25 °/ 0 für Hausbrand und Heizzwecke und 25 °/ 0 durch die Transportanstalten zur Verwendung kommen, woraus man ersieht, dass den beiden soeben genannten in Glarus domizilierten Gesellschaften ein erheblicher Prozentsatz des schweizerischen industriellen Bedarfs durch die Hände geht. DieStein- kohlen-Consumgesellschaft Glarus, welche ihre Verbindungen über die ganze Schweiz ausbreitete (und daneben den Verkehr mit ausländischen Kunden fast ganz aufgab) hat in der langen Zeit ihres Bestehens der schweizerischen Industrie als Vermittler und, soweit möglich, als Preisregulator treffliche Dienste geleistet; wenn auf irgend einem Gebiet, so muss auf demjenigen der Kohlenversorgung die Mitwirkung einer Konsumgenossenschaft neben der privaten Handelsthätigkeit als wünschenswert und nötig erscheinen, da bei diesen so wichtigen Hilfsstoffen keine divergierenden Interessen unter den Konsumenten bestehen und letztere in einer solchen einen wirksamen Schutz gegen Ueber- raschungen und gegen eine allzu rücksichtslose Ausnutzung eintretender Konjunkturen finden. Seit dem 1889/90 eingetretenen Aufschläge werden in steigendem Masse auch Steinkohlen aus dem Ruhrgebiet (soweit es sich um fette, gehaltreiche, die höhern Transportkosten ertragende Sorten handelt), sowie auch west- phälische und belgische Briquettes verfeuert, wodurch die Abhängigkeit von den preussisch-fiskalischen Gruben geringer geworden ist.*) Bei der Einführung dieser neuen Provenienzen nach der Ostschweiz haben sich jeweilen beide genannten Firmen im Interesse der Industrie kräftig bemüht. Ueber die Wandlungen in den Preisverhältnissen der Brennmaterialien im Lande Glarus geben die untenfolgenden, nach den Geschäftsbüchern einer hiesigen Firma entworfenen vier Tabellen Aufschluss. *) Fette Ruhrkohlen übertreffen beste Saarkohlen in der Heizkraft um beiläufig 8—10 %> sind aber auf dem Rost schwieriger zu behandeln als diese ; praktische Versuche haben erwiesen, dass Gemische beider Provenienzen sehr gute Resultate geben, indem sich die verschiedenen Eigenschaften beider ergänzen und sich eine günstige Ausbeute an Dampf ergibt, während sich zugleich die Handhabung des Feuers auch bei starkem Betrieb leichter gestaltet, I. Preise cler Brennmaterialien in der Periode von 1827—1865 bei grossen Bezügen, franco Ennenda ( bezw. Glarus ). Tannenholz Buchenholz Torf (Turben)von Jahrgang per 1 Klafter (= 108 per 1 Klafter (= 108 hausu.aus dem Ricken ; per l.Ledi'(Schiffslad.?) Kubikfuss) Kubikfuss) per 1 Fuder (= 5 Klaft.) = 6 Fuder = 270 Ztr. 101 f4. 1827 5 7 1834 7 3 / 4 9V-. 1837 11 12 3 / 4 »Va Ilm Torffeld fl. 7 / 1841 7 1 / o Z Fuhrlohn b. } 11.13 8542 f Ennenda fl. 6 ) 1844 6 V a 8 15 1848 4 3 U 67 4 127a 1850 8 10 127, Pr. Fr. Fr. Fr. 21 ilm Torffeld PPM 200 1852 17 Fuhrlohn b. Fr.28 ( Ennenda 13 1 ! 2 ) 1854 18 1 /, 22 32 190 1856 217 2 — 35 200 1857 24 — 37 1858 27 40 Steiukohlen sog. Stückkohlen von Bexbach (bayer. Pfalz) perlWaggon ä200 Ztr. (= 10,000 Kilos) 1860 27 — 466 1861 28 -- 401 1862 >) 28 35 395 1863 — — 336 1864 -- — 411 1865 28 38 4441 /a Preis per 3 Steres Preis per 3 Steres (= 111 Kubikfuss) (= 111 Kubikfuss) 1879/80 30 44 1887 24 30 1891 26 39 1897/8 29 42 1900 28 40 ») Mit diesem Jahre kam man für immer davon ab, Holz zum Heizen der Dampfkessel zu verwenden. 565 II. Preise der Steinkohlen in der Periode von 1866—1901 per 1 Waggon von 10,000 Kilos, franco Ennenda bezw. Glarus .*) 1 Saar-Flammkohlen (Ia Stückkohlen) Fr. Saar-Fettkohlen (Ia Stückkohlen) Fr. Ruhr-Kohlen Ia Fettkohlen in Korngrösse(Nuss) I n. II Briquettes aus Ruhrkohlengries Fr. Diverse Gruben, Diverse Gruben, meistens Reden u. meistens Dechen später von der Heidt 1866 352—366 370—400 1867 364—360 367—363 ! 1868 354—352 3617,-352 1869 352—3347, 354—339‘/j 1870 3347,-330 3447,-340 1870ausserVertrag 377—464 400—540 1871 I Sem. 464—400 570—425 ?? n. „ 332—435 366—465 1872 I. „ 350—370 380—400 S . „ n. „ 394—414 412—440 „ ausserVertrag — 475—490 1873 I Sem. 480—470 495 „ H. „ 461 — 467 476—486 ausser Vertrag ” geg.Jahressch. — 500—532 Ausschliessl. aus Ausschliesslich den Gruben Reden aus den Gruben und von der Heidt Heinitz u. Dechen 1874 I. Sem. 468—420 481—430 ?? n- „ 423—445 430—453 1875 I. „ 4167, 4187, „ II. „ 397—375 407—3857, 1876 I. „ 375—3687, 386—3767, „ II- „ 350 355 1877 I. „ 3397» 350 » H- ?! 3287, 3367, 1878 I. „ 313 3247 2 „ n. „ 308 3197, 1879 I. „ 303 3147, „ II- „ 304 312/, 1880 I. „ 3047, 308 „ II- „ 3117, 318 1881 I. „ 306 V 2 318 380 „ II- „ 282y 2 295 1 / 2 | x ) Wo nichts anderes bemerkt, repräsentieren die Angaben sog. Vertragspreis e (Minimalpreise bei Vorausbestellung) franco Glarus oder Ennenda; speziell bei den hier berücksichtigten Ruhrkohlen war offene Schiffahrt vom Ruhrgebiet bis Mannheim Vorbehalten, im entgegengesetzten (ausnahmsweisen) Fall konnte ein Zuschlag bis zu Fr. 25. — pro Waggon für Mehrfracht eintreten. 566 r Saar-Flammkohlen Saar-Fettkohlen Briquettes 1 (Ia Stückkohlen) (Ia Stückkohlen) Ia Fettkohlen in Korn- qrösse („Nuss“) I u. II (aus Ruhrkohlen-Gries) Fr. Fr. Fr. Fr. Ausschliessl. Ausschliessl. aus den Gruben aus den Gruben Beden und von der Heidt Heinitz u. Dechen 1882 I. Sem. 2897a 302 II. 288 300 1883 I. J) 2867, 299 II. 2857a 298 1884 I. 289 300 » II. >> 2927a 300 1885 I. V 295 3027« 5? II. >> 2957a 3057a 1886 I. JJ 2967a 3057a II. >> 2967a 303 1887 293 3057a nur aus Grube nur aus Grube von der Heidt Heinitz-Dechen 1888 295 305 — — 1889 I. 300 3077a — frc. Ennenüa 349') )» II. 3127a 320 384' ,—411 ab Werk 1 6 B 1890 I. 345 350 411 233 II. 351 375 411 „ 216 1891 I. 351 375 411 „ 214m. B 5? II. 355 3627a 403 „ 205 1892 I. 3477a 3627a 403 „ 205 1 ” II. 345 3577, 403—3847* „ 162 1893 I. >> 3327a 350 368 1 franco Glarus 341 i oder ah Werk 152 1 / 2 II. 3277a 345 368 1894 I. 3277a 3427a 3697a ah Werk 146 H. 3277^ 345 3697, 1895 I. 325 345 367 1 ah Werk 152 1 ( 2 ( eher frc. Glarus 342 II. 319 336 7a 365 1896 319 3367a 365 abWerk 142 1 /a 1897 313 3307a 346—340 „ 144 1898 3137a 331 343 „ 122*/, 1899 I. 322 337 3537a „ 122*1« II. )) 332 3447a 3537a 1900 I. >> 346 356 ah 1. April 397 n. 366 386 397 „ 154*/» 1901 381 411 ah 1. April 411 „ 220-185 l ) Bei diesem Ansätze handelte es sich ausnahmsweise um belgische Briquettes. 567 III. Verhältnis der Zechenpreise zu den Frachten zu verschiedenen Zeiten , pro Waggon von 10,000 Kilos. Jahrgang und Herkunft der Steinkohlen Preis ah Zechen- Station Fracht inkl. Zoll etc. bis Glarus Gesamtkosten franco Glarus 1877 I. Sem. Zeche Reden Fr. 142 V 2 Fr. 197 Fr. 3397, 1879 I. ,, •i 55 120 183 303 1893 I. „ ,, v. d. Heidt 1627 2 169 3317s 1896 I „ 11 11 150 168 318 1899 I. 11 11 161 160 321 1901 I- „ 11 11 220 160 380 1877 I. „ Zeche Heinitz 150 200 350 1879 I. „ •1 11 127 1 / 2 187 3147, 1893 I. „ 175 174 349 1896 I. „ n 11 1627 2 173 3357, 1898 II. „ 16272 1677 s 330 1899 I. 171 165 336 1901 I. „ 11 55 245 165 4)0 1898 II. „ Rnhr-Fettkohlen 1337 2 2157 2 349 ab Zecke in durchgehendem Bahntransport bezogen . IV. Verhältnisse der Entfernungen und Frachtansätze (1902) innerhalb und ausserhalb der Schweizergrenze. Entfernungen Netto-Frachten (ohne Zoll etc.) Herkunft der Ware Von der Zechen- Station bis Basel Von Basel bis Glarus „ . _ . . .. 'V.Basel- Von der Zechenstatjon j Transit bis Base! ! Ws marusj Gesamt- Fracht bisGlarus Kilometer Kilometer fürBasel- Fr. Fr. Fr. Saarkohlen V. d. Heidt l 264 j 264 158 ■transit 80 ■loco 817« 77 157 „ Heinitz . . j 284 f 284 158 ■transit 85 ■loco 86'/« 77 162 Belgische Briquettes (ab Station Chätelineau) 1 530 I 530 158 ■transit 151 -loco 166 l .s 77 228 Bllhrkohlen in durchgehen- äem Bahntransport nach Basel als En fl Station („loco") spediert . ■ 586 Von Wanne (Ruhrgebiet) bis Basel-loco 144 Ruhrkohlen in durchgehendem Bahntransport nach Glarus sped. (viaSingen) Von Wanne (Ruhrgebiet) bis Singen- transit 614 VonSingen-transit bis Glarus 126 Von Wanne bis Singen-transit ? V.Singen- transit bisGlarus ? 211 568 Nach den dem Verf. zur Verfügung stehenden Aufzeichnungen belief sich der Konsum des Kantons Glarus im Jahr 1866 auf 12—1300 Waggons; 1872 vermittelte die neue „Konsumgesellschaft“ allein 1008 Waggons, während der Rest von mehreren Hundert Waggons durch die neue Firma „J. J. Stäger-Lütschg“ beschafft wurde; seither hat sich der Verbrauch in den Druckereien vermindert, dagegen in den Spinn- und Webereien (für den Betrieb der Dampfmaschinen) und ebenso in der Eisen- und Wollindustrie, für Hausbrand u. s. w., bedeutend vermehrt und ist nach einer ganz zuverlässigen Berechnung auf 2300—2500 Waggons jährlich zu veranschlagen. Aus Tab. I ist ersichtlich, dass die Holzpreise bis zum Auftreten der Steinkohle ziemlich genau mit den industriellen Konjunkturen stiegen und fielen. Tab. II zeigt, wie in der Periode von 1870—1875 die Preise der Steinkohlen eine ausserordentliche Höhe behaupteten; es folgte ein allmäliges Zurückweichen und eine längere billige Periode mit dem Jahr 1881 als Tiefpunkt; 1890 trat eine entschiedene Aufwärtsbewegung ein, welche 1901 eine für die Konsumenten drückende Höhe erreichte; das Jahr 1902 brachte dann einen je nach den Provenienzen mehr oder weniger bedeutenden Abschlag. Dass die Steigerung bei den Saarkohlen verhältnismässig viel bedeutender war als bei den Ruhrkohlen, so dass der Unterschied der beiden Provenienzen dem innern Werte nicht mehr entsprach, hatte folgenden Grund: Als sich im Jahr 1900 in Deutschland eine fühlbare, da und dort auch künstlich gesteigerte Knappheit an Steinkohlen und Koks einstellte, gab die Verwaltung der fiskalischen Saargruben dem Drängen der öffentlichen Meinung nach und setzte, wie im „Bericht der Basler Handelskammer pro 1900“ erwähnt, als Bremse für den Absatz, die Grubenpreise für die Schweizerkundsame um ein beträchtliches höher an als für die deutschen Konsumenten, während die privaten (Syndikats-)Gruben im Ruhrgebiet, die Wiederkehr flauerer [Zeiten in Betracht ziehend, davon soweit bekannt Umgang nahmen; auch wurde schon S. 565 Anmerk. 1 darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Ruhrkohlen, wenn in durchgehendem Bahntransport bezogen, in den Preisen etwas höher stellten, als wie in Tab. II angegeben. 569 Tab. IV bestätigt die bekannte Thatsache, dass die Eisenbahnen in der Schweiz pro Kilometer um mehr als 50 % höhere Frachtansätze in Anwendung bringen als wie rheinabwärts die deutschen Bahnen, welche mit bessern Terrainverhältnissen und billigem Kohlen bedacht sind. Die Frachten an sich weisen, nach Tab. III und IV, in den verschiedenen Perioden keine heftigen Schwankungen auf und haben sich successive für die Konsumenten günstiger gestaltet. 1 ) Trotzdem ist die Verteuerung, welche die Grubenpreise durch den Transport erleiden, noch immer eine sehr bedeutende; sie hat je nach den Zeitperioden und Bezugsquellen für Basel zwischen 40 und 100%, für Glarus zwischen 80 und 150% geschwankt. Aus diesem Grunde sind hierzulande die Fortschritte auf dem Gebiet der angewandten Elektrizität seit Jahren mit wachsendem Interesse verfolgt worden. Für die direkte Heizung der Arbeitsräume, Trockentrommeln, Farbbäder u. s. w. werden zwar die Steinkohlen bezw. die Dampfkessel in absehbarer Zeit unentbehrlich bleiben; auch zur Ergänzung der Turbinen bei Wassermangel während kürzerer Zeit bietet die Dampfmaschine unleugbare Vorteile gegenüber andern Reserve-Motoren. Wo aber die Beanspruchung eine regelmässige oder häufig wiederkehrende ist, muss es vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus in hohem Masse begrüsst werden, wenn sich die heimischen, noch nicht ausgebeuteten Wasserkräfte in Elektrizität verwandeln und nach Bedürfnis über das Land verbreiten lassen. So sind denn in der Schweiz schon eine Anzahl bedeutender Elekrizitätswerke entstanden, sei es als Beleuchtungsanlagen (mit schwachgespanntem Strom) oder für spezielle metallurgischeProzesse (Aluminiumgewinnung), für chemische Produkte (Chlorate, Chlorkalk, Soda, Calciumcarbid), für direkten motorischen Betrieb von Fabriken und Werkstätten und für Transportanstalten. 2 ) Da das Glarnerland noch einen reichen Schatz verfügbarer Wasserkräfte besitzt, dieselben aber ziemlich ‘) Speziell 1878/79 und hinwieder am 1. Oktober 1881 traten erhebliche Frachtermässigungen ein, unter letzterm Datum Fr. 11. — pro Waggon. 5 ) Unter den letztem benutzen allerdings mehrere elektrisch betriebene als primäre Kraftquelle die Steinkohlen bezw. den Dampf, was volkswirtschaftlich für die Schweiz nicht als Fortschritt betrachtet werden kann. 570 Forschern und Praktikern ganz besonders zuzusagen; anderseits machte sich auch der Einfluss der 1866—1871 sich vollziehenden Einigung Deutschlands in unzweideutiger Weise bemerkbar, teils durch einen parallel mit dem patriotischen Enthusiasmus sich einstellenden allgemeinen Aufschwung der Geister, ' teils weil der Umfang des neuen deutschen Reiches in Bezug auf einheitliche Zoll- und Patentgesetze, Handelsverträge u. s. w. eine direkte Förderung in sich schloss und den Unternehmungsgeist weckte und förderte. Schon 1867 auf der Pariser Weltausstellung am besten vertreten 1 ), that die deutsche Theerfarben-Indu- strie von 1869 an einen gewaltigen Ruck vorwärts durch die von Graebe 2 ) und Liebermann gefundene Synthese (aus Anthracen als Rohstoff) von „Alizarin“ und „Purpurin“, den Farbstoffen der ’) Schon damals war die französische Farben-Industrie nur noch durch * zwei Firmen vertreten, „La Fuchsine“ in Lyon und „Poirrier et Ghappat fils“, in St.-Denis bei Paris (letztere als Soc. anon des mat. col. et prod. chim. d St.-Denis noch heute bestehend). *) Damals Assistent von Prof. Ad. Bayer in Berlin, nun seit Jahren Professor in Genf. 585 seit undenklichen Zeiten benutzten und hochgeschätzten Krappwurzel, welche Arbeiten der schon genannte H. Caro in Ludwigshafen durch verschiedene praktische Verbesserungen ergänzte; innert ungefähr 10 Jahren reduzierte sich die alte Krappkultur auf ein Minimum, während alljährlich dafür viele Millionen den deutschen Farbenfabriken zuströmten und die Etablissemente „Meister, Luzius & Brünning“-in Höchst a./M., „Friedrich Bayer & Cie.“ in Elberfeld, die „Badische Anilin-und Sodafabrik“ in Ludwigshafen a./Rh. und andere eine ungeahnte Ausdehnung erlangten. Das künstliche Alizarin zerstörte gründlich das nach den frühem Erfindungen entstandene Vorurteil, wonach aus dem Theer wohl glänzende, aber nicht so echte Farben, wie die Natur sie erzeuge, hervorgehen könnten 1 ); auch wurde es in der Folge zum Ausgangspunkt einer Reihe neuer, nicht sehr feuriger, aber ausserordentlich echter, für Baumwolle und Wolle gleich wichtiger Farben, welche vom Ende der 1870er Jahre an durch die Fabrik in Ludwigshafen auf den Markt kamen; es sind dies das Alizarin-Orange, -Blau, -Grün, -Braun, -Schwarz, das Anthracenblau u. s. w., wobei jedoch hervorzuheben ist, dass man den erstgenannten dem Chemiker Strobel in Mülhausen und den wichtigsten, das Alizarinblau, dem Franzosen Prudhomme verdankt, die genannte Fabrik sie lediglich in eine für die Praxis dienliche Form gebracht und überhaupt ihre Fabrikation im Grossen aufgenommen hat. Von ungefähr 1890 an trat auch die Fabrik in Elberfeld mit einer neuen Gruppe sehr solider, aus Alizarin hergestellter oder mit demselben verwandter Farbstoffe auf den Markt; es sind dies die sog. Alizarin-Cyanine in blauen, violetten, grauen und rotbraunen Tönen. Das zweite natürliche Färbematerial, welches vom Schauplatz verschwinden musste, war die für Wollfärberei und -Druckerei *) Eine sehr bemerkenswerte Ausnahme hatte allerdings schon bisher das sehr echte „Anilin sch war z“ gemacht; da dasselbe jedoch ganz wie eine „Applikationsfarbe“ aus an sich ungefärbten Rohmaterialien auf der Faser entwickelt wurde und also nicht in fertigem, wasser- oder alkohollöslichem Zustande von den Farbenfabriken bezogen werden konnte, wurde es mit den übrigen Anilinfarben nicht auf die gleiche Linie gestellt und kam als einfaches Schwarz beim Publikum überhaupt nicht ohne Weiteres als ein neuer Farbenton zur Geltung. 586 bisher unentbehrliche Cochenille, indem 1878 die schon erwähnt© Fabrik in Höchst a./M. (kurz nach dem Erscheinen grundlegender Arbeiten von Prof. 0. N. Witt, H. Caro, Griess und Boussin, letzterer Apotheker in Paris) mit einer ganzen Gruppe glänzender und billiger, gelblicher und bläulicher „Woll-Ponceaux“, welche die Cochenille in den meisten Fähen ersetzen konnten, hervortrat. Auch die Synthese, der künstliche stufenweise Aufbau des so wichtigen Indigos gelang Prof. Ad. Bayer in Berlin schon 1879^ in diesem Falle erwies sich das Kunstprodukt nun allerdings lange Zeit als zu teuer 1 ) und erst seitdem Prof. Carl Heuberger in Zürich 1890 ein anderes Verfahren gefunden und die Fabrik in Ludwigshafen und in der Folge noch andere Firmen dasselbe für die Praxis umgestaltet haben, ist zum Schrecken der ostindischen Indigopflanzer seit etwa zwei Jahren gegenüber dem Naturprodukt ein heftiger Konkurrenzkampf entbrannt, dessen Ausgang nicht zweifelhaft sein kann. Von den wichtigem natürlichen Färbematerialien ist nur die Synthese bezw. der vollkommene Ersatz der Farbstoffe der Kreuzbeeren, des Blauholzes und des Katechu noch nicht gelungen; sie haben aber durch teilweise Ersatzmittel in ihrer Anwendung auch schon sehr viel verloren. Die S. 427 Anmerk. 1 erwähnte Broschüre gibt über die Entwicklung der Theerfarben-Industrie in Kürze folgendes Bild: Produktion an Theerfarben, in Millionen Franken. Jahr Gesamtwert Deutschland England Frankreich Schweiz 1862 .... 12 1867 .... 30 1878 .... 40 1875 .... 53 1 / 2 30 1 2 9 7 7 1896 .... 125 90 8—9 8—10 16 1899 .... 150 ? ? ? 18 2 j ‘) Verzögerte sich somit das Erscheinen des künstlichen Indigos, so wurden dagegen inzwischen von den Chemikern der Bad. Anilin - und Soda- fabrik in Ludwigshafen a./Rh. einige Anilinfarben erfunden, welche sich jenem in der Solidität näherten und in der Lebhaftigkeit übertrafen, so 1877 das „Methylenblau“ für helle und mittlere reinblaue Töne und etwa zehn Jahre später das prächtig grün-blaue „Nilblau“ und das dunkle, violettstichige „Acetinblau“. 2 ) Davon konsumiert das Inland nur zirka 587 kv Dabei ist nicht ausser Acht zu lassen, dass die Theerfarben- Industrie billige Rohmaterialien durch eine Summe geistiger, physischer und maschineller Arbeit in Erzeugnisse von relativ hohem Werte verwandelt, während die sog. chemische „Grossindustrie“ (Chemie der meistens unorganischen Hilfsstoffe), in welcher England noch immer die erste Stelle einnimmt, mit grossen Massen, und geringen Werten rechnet. Es ist einleuchtend, dass die Theerfarben in der Druckerei und Färberei von Wolle, Seide und Baumwolle eine gewaltige Umwälzung hervorgebracht haben; in der Wollen- und Seidenfärberei waren anfänglich die Aenderungen besonders eingreifend, da die schönen neuen Farbstoffe der ersten Periode die Fähigkeit aufwiesen, die tierischen Fasern ohne irgendwelche „Beizen“ oder andere Fixationsmittel wasserecht zu färben. Mit der Befestigung auf der Baumwolle stand es schon schwieriger; jedoch wurden auch hier bald Mittel und Wege dazu gefunden. In der zweiten Periode (von 1869 an) sehen wir nicht nur immer neue,, glänzende, bisher unbekannte Farben töne auftauchen, sondern wurde das Bestreben von Erfolg gekrönt, die wichtigsten natürlichen Farbstoffe direkt durch entsprechende Kunstprodukte zu. ersetzen. Eine dritte Periode begann mit der Erfindung der der Mehrzahl nach dem Naphtalin entstammenden sog. substantiven oder „Direktfarben“ (1883 das „Sonnengelb“ aus der Fabrik J. B. Geigij & Cie. und das „Canarin“ von L. Durand, Huguenin & Cie.; 1884 das „Congorot“ des Privatchemikers- P. Böttiger, welcher das bezügliche Verfahren der „Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation“ in Berlin verkaufte; 1884/5 „Chry- sanin“-gelb,' „Benzopurpurin“-rot und „Benzoazurin“-blau. der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Cie. und ungefähr gleichzeitig die „Diaminfarben“ von Leopold Cassella & Cie. in Frankfurt a./M.); damit waren mit einem Schlage für alle drei sog. Grundfarben wasserlösliche Materialien gefunden, welche auch die Baumwolle ohne Fixationsmittel wasserecht zu färben vermögen, was bisher nur bei vereinzelten natürlichen Farbstoffen *)■ *) Bei dem Gelb der Curcumawurzel, dem Orangegelb des Rocou, dem teuren Rosa der Blüten des Safflors oder wilden Safrans, dem Soga-braun von S. 447. 588 und bei keinem der bisherigen Kunstprodukte der Fall gewesen war. Seither ist die Zahl solcher Farbstoffe und ihre Anwendung eine sehr ausgedehnte geworden und es haben dieselben in der Färberei der Baumwolle in Flocken, Garnen und Tüchern grosse Vereinfachungen herbeigeführt. Die Mehrzahl derselben hat sich übrigens auch für Färberei und Druckerei von Seide und Wolle geeignet erwiesen und es soll beispielsweise das zuerst von dem Farbwerk Mühlheim (vormals Leonhardt) auf den Markt gebrachte „Chrysophenin“ als schönstes und solidestes Gelb in der Seiden- färberei in sehr bedeutenden Mengen verbraucht werden. Die letzten Jahre haben noch eine vierte Periode oder vielmehr eine vierte Art der Erzeugung künstlicher Farben gebracht. Auf S. 586 haben wir absichtlich die neuen Scharlachfarben von Höchst als „Woll“-Ponceaux bezeichnet, da sich dieselben auf der Baumwolle zwar als lichtecht, aber als sehr wasserscheu erwiesen. Nach einer dem Verf. gefälligst gemachten Mitteilung gelang es zwar Herrn Carl Weber (S. 485) in Winterthur schon im Frühling 1881, diese Farbstoffe in der Uni-Färberei von Baumwolltüchern ziemlich wasserecht zu fixieren, indem er dazu Thonerdebeizen kombiniert mit Zink- und Magnesiumsalzen verwendete 1 ); auch in den Glarner Druckereien brachte man es bei einzelnen der Ponceaux- Farbstoff'e durch sehr starke Zusätze von arsenigsaurer Thonerde dazu, dass sie nach dem Dämpfen eine leichte Wäsche aushielten; es haftete ihnen jedoch stets der Uebelstand an, leicht ins Weiss zu „bluten“, von irgendwelcher Echtheit gegen Seife gar nicht zu reden. Infolgedessen beschäftigten sich von 1880 an verschiedene Fabrikanten und Chemiker (Read Holliday dt Sons in Huddersfield, Grassier, sowie Henri Schmid von Glarus) damit, einen andern Weg einzuschlagen, indem sie die Baumwolle successive mit geeigneten Halbfabrikaten tränkten und so dazu gelangten, den Höchster Ponceaux ähnliche Farbstoffe er st auf der Faser selbst und in unlöslicher Form zu „ehtwickeln“. Die leichte Zer- ') 12 Jahre später veröffentlichte Horace Köchlin das gleiche Verfahren als sein geistiges Eigentum; Herr Weber nahm davon Umgang, seine Priorität geltend zu machen, da es seither durch die Erfindung der „Direktfarben“ und der „Entwicklungsfarben“ seinen praktischen Wert fast ganz verloren hatte. 589 l'i.. setzlichkeit jener Halbfabrikate bot nun allerdings grosse Schwierigkeiten und musste in diesem Falle bei der Färberei im Grossen häufig nicht wie bisher üblich ein Erwärmen, sondern ein Abkühlen durch Eis Platz greifen. Die Firma Holliday wendete ihr Verfahren anfänglich namentlich in der Garnfärberei an, brachte aber in den ersten Jahren nur ein stumpfes Rot von unangenehmem Anfühlen zu Stande; in der Uni-Färberei von Stückwaren war Herr Carl Weber der erste, welchem es (1885) gelang, die neuen roten und braunen „Entwicklungsfarben“ (auch „Diazo“- oder „Eisfarben“ genannt) in schöner Reüssite auf den Markt zu bringen. An der Pariser Ausstellung von 1889 legte sodann Horace Köchlin, bezw. das Haus Köchlin-Baumgartner in Lörrach, in welchem er Chemiker-Kolorist war, nach solcher Weise gefärbte Tücher in ungefähr 20 Nuancen vor und um diese Zeit bemächtigten sich die grossen deutschen Farbenfabriken des Gegenstandes. erfanden namentlich auch ähnliche Verfahren für blaue und schwarze Töne und arbeiteten sie in der Weise um, dass sie auch für die Druckerei tauglich wurden. Diese neuen Farben, besonders das „Paranitranilinrot“, haben in den Indiennesfabriken, wenigstens für gerauhte Waren, das gefärbte Ali zarin seit 1895/96 fast ganz verdrängt und machen demselben in neuester Zeit auch im Mouchoir- druck das Feld streitig. Ihr Vorteil gegenüber den fast gleichzeitig auftauchenden „Direktfarben“ (S. 587) besteht darin, dass sie das AVeiss rein lassen, also in der Wäsche nicht „bluten“; anderseits haben Jene in der Garn- und Stückfärberei wegen ihrer einfachen Anwendungsweise stetsfort an Terrain gewonnen. Wie aus der Tabelle von S. 586 ersichtlich, hat sich die Schweiz auf dem Gebiete der Theerfarben-Industrie eine zu ihrer Grösse recht ansehnliche Stellung zu erringen und zu erhalten gewusst. Ist auch die Organisation der schweizerischen Fabriken nicht so grossartig wie diejenige einiger deutscher Aktiengesellschaften, welche Tausende von Arbeitern beschäftigen und dank günstiger Frachten und billiger Kohlen auch viele Hilfs- und Zwischenprodukte für eigenen und fremden Konsum herstellen,, und können Erstere nicht so grosse Summen für Musterdrucke,. Rezepte u. dgl. zur fortgesetzten Orientierung der Kunden auslegen, so ist bei ihren Chemikern das Streben nach Neuem und •v 590 Besserem nicht minder eifrig und nicht minder zuverlässig und bewundernswert die wissenschaftliche Kontrolle, welche den Verlauf der subtilen Fabrikationsprozesse verfolgt und das Einhalten der einmal festgelegten Qualitätstypen garantiert. Gegenwärtig befassen sich in der Schweiz 7 Firmen mit der Herstellung von Theerfarben, sowie von in letzter Linie ebenfalls dem Theer entstammenden synthetischen Arzneimitteln und künstlichen Riechstoffen und zwar ausnahmslos in Form von Aktiengesellschaften. In Basel-Stadt zählt man 5 Firmen, zusammen Platze selbst zirka 1500 Arbeiter 1 ) beschäftigend, nämlich: 1. Die „Anilinfarben- und Extraktfabriken vorm. Joh. Rud. Geigy“ A.-G., gegenwärtig in ihren zwei Etablissementen in Basel und je einer Filiale in Deutschland, Frankreich und Russland 21 Chemiker (darunter namentlich die Herren Dr. Tr. Sancl- meyer, Weinmann, J. Walter, H. Müller, Ch. Bis, letzterer von Glarus), 30 Bureau-Angestellte und 400 Arbeiter beschäftigend. Von den Neuheiten, welche die erst 1901 in die genannte Aktiengesellschaft umgewandelte Firma Joh. Rud. Geigy & Cie. (vgl. S. 579) während den letzten 20 Jahren hervorgebracht hat, mögen folgende erwähnt werden: 1885-—1889 die Entdeckung der Verwendbarkeit des Formaldehyds zur rationellem Darstellung einer ganzen Anzahl schon bekannter Anilinfarben („Helvetiablau“, „Auramin“, „Neufuchsin“ etc.) und zur Gewinnung neuer (z.B. des „Chromviolett“ eines interessanten, mit Chromsalzen zu fixierenden Farbstoffes, zu welchem sich bald darauf das „Oriolgelb“ und die „Terracotta“ und später das „Chromazonblau“ gesellten, alles Ghromfarbstoffe, welche zugleich direkt-färbende Eigenschaften aufweisen. Seither ist der Formaldehyd ein wichtiges Hilfsprodukt aller Farbenfabriken geworden und wird teils von ihnen selbst, teils von gewöhnlichen chemischen Fabriken in bedeutenden Mengen hergestellt. Auf dem 1888 von der Fabrik in Höchst gebrachten, für Baumwolle besonders gut geeigneten „Patentblau“ fussend, gelangte die Fabrik Geigy in den 1890er Jahren zu neuen grünblauen J ) Die schweizerische Fabrikstatistik vom 5. Juni 1901 gibt für die ganze Schweiz folgende Zahlen der in chemischen Fabriken beschäftigten Arbeiter: Theerfarben 1400, andere Farben und Firnisse 216, Gewerbliche Chemikalien 704, Pharmazeutisehe Präparate 152. 591 und rotvioletten Farbstoffen von ausgezeichneten Eigenschaften („Setocyanin“, „Setoglaucin“, „Clematin“), wobei wir einschalten, dass ungefähr gleichzeitig deutsche Fabriken unter den Namen „Türkisblau“, „Capri-blau“, „Rhodulin“, ähnliche Farbstoffe hervorbrachten. Ein anderer interessanter Farbstoff ist das Geigy’sche „Calicogelb“, der erste bekannte Farbstoff, welcher auf Baumwolle mitThonerde allein ein reines, lebhaftes und zugleich seifenechtes Gelb liefert; ferner wären eine ganze Reihe substantiver Farben nach eigenem Patent, deren erste wir S. 587 berührt haben, zu erwähnen, auf deren Aufzählung mit Namen wir jedoch verzichten und nur noch beifügen, dass sich darunter mit der Bezeichnung „Eclipsfarben“ auch eine Reihe sog. „Schwefelfarbstoffe“ 1 ) befinden. Ebenso ist es ihrem Chemiker Dr. Sandmeyer vor kurzer Zeit gelungen, zu einer:durchaus neuen, mit derjenigen von Ludwigshafen in gar keiner Beziehung stehenden Synthese des künstlichen Indigos zu gelangen, so dass sich die Fabrik anschickt, diese Erfindung in grossem Maßstabe auszubeuten. 2. Die „Gesellschaft für chemische Industrie“, gemäss S. 588 aus -der Firma Bindschedler , Busch & Cie. hervorgegangen, beschäftigt Jgegenwärtig in Basel 24 Chemiker, 86 Bureau-Angestellte und 489 Arbeiter und betreibt auch eine Filiale in St.-Fons bei Lyon. Die Chemiker der frühem bezw. heutigen Firma (von denen die Namen eines Dr. J. Schmid, Alfred ») Der erste „Schwefel“- und damit eigentlich zugleich der erste künstliche „substantive“ Farbstoff ist das schon 1873 ven Croissant & Brettonniere entdeckte „Cachou de Laval“, dessen patentierte Herstellung die Soc. Anon. des mat. color. et prod. chim. ä St.-Denis (vorm. Poirrier) übernahm. Seines hohen Preises und seiner unansehnlichen Nuance wegen wurde demselben wenig Beachtung geschenkt; anders war es mit dem 1893 von einem Herrn Vidal erfundenen und ebenfalls durch jene Pariser Fabrik auf den Markt gebrachten „No ir Vidal“, da dasselbe in der Garn-und Stückfärberei dem Anilinschwarz Konkurrenz machen konnte. Seither haben sich auch mehrere deutsche und schweizerische Farbenfabriken auf diese neue Gruppe substantiver Farbstoffe, die sich meistens durch hervorragende Licht- und Seifenechtheit auszeichnen, geworfen und sind neben schwarzen und braunen Tönen bereits auch mehrere lebhaftfarbige zum Vorschein gekommen; im Druck haben sie sich wegen ihres Gehaltes an Schwefelnatrium und ähnlichen Verbindungen bis jetzt nicht einbürgern können. Kern, Bachelut, Dr. B. Gnehm, C. Kussmaul, Möhler und H. Retj bekannter geworden sind) bearbeiteten zu einer gewissen Zeit zufälligerweise die gleichen Gebiete der Farbenchemie wie einige Fachmänner der „Bad. Anilin-und Sodafabrik“, ein Umstand, welcher dazu führte, dass die beiden Fabriken mit einander in enge Fühlung kamen und gewisse Gruppen von Farbstoffen gemeinschaftlich patentieren und auf den Markt kommen Hessen. *) Die Basler Fabrik hatte 1878 unter dem Namen „Kristallgrün“ das ein Jahr zuvor von Emil Otto Fischer, damals Privatdozent in München, erfundene „Malachitgrün“ in die Praxis eingeführt und 1883 das noch bläulichere „Solidgrün“ sowie das „Kristall- violet“, der Ausgangspunkt einer neuen Serie von Farbstoffen, entdeckt, während die grosse Fabrik in Ludwigshafen 1879 mit dem bisher unerreicht lebhaften „Brillantgrün“ und mit dem für Wolle und Seide wichtigen „Säurefuchsin“ hervorgetreten war. Beide Fabriken gaben nun folgende Farbstoffe gemeinsam heraus: 1883 das „Kristallviolet“, verschiedene Marken des alkaliechten „Victoriablau“; 1884 das „Auramin“, eine sehr wertvolle gelbe Farbe für vegetabilische und tierische Fasern und das „Tartrazin“ für Wolle und Seide; von 1885 an verschiedene neue „sulfonierte“ oder „Säurefarben“ in violetten und grünen Tönen; von 1887 an die Rhodamine, neue Rosafarbstoffe, welche die Phloxine (S. 583) in Echtheit übertreffen und deren erster aus den Händen von Hrn. M. Ceresoie, eines in Lüdwigshafen arbeitenden Waadtländers, hervorging. Im Fernern erzeugte die Basler Fabrik: 1892 ein neues „Auramin“ von schwefelgelbem Ton, 1894 das „Firnblau“, die Patent-Phosphine (als Ersatz des frühem Phosphin von S. 578) und einige substantive Farbstoffe ( Anthracenrot und Cochenille-Ersatz, welche beiden namentlich in der Woll- und Seidendruckerei und -Färberei aussergewöhnliche Solidität und Lebhaftigkeit offenbarten). Erwähnenswert ist auch die Tbatsache,. dass die „Gesellschaft für chemische Industrie“ schon 1888 fest- *) Ein weiterer Grund zu solchen auch von andern schweizerischen Fabriken geschlossenen Abkommen liegt darin, dass nach den deutschen Gesetzen ein Patent hinfällig und die bezügliche Erfindung also Gemeingut wird, wenn sie nicht innert zwei Jahren in Deutschland selbst zu praktischer- Ausbeutung gelangt. 593 stellte, dass es „substantive Azofarbstoffe“ gibt, welche direkt oder eventuell nach dem Auffärben auf die Faser noch einer weitern „Diazotierung“ und „Kupplung“ fähig sind, wobei sie sich in andere Nuancen verwandeln oder die gleiche Nuance behalten und dann bedeutend an Echtheit gewinnen. Diese Entdeckung, welche das deutsche Patentamt nicht zur Patentierung zuliess, hat sich seither als recht fruchtbar erwiesen und ist ausser der Basler Fabrik selbst namentlich von den Farbenfabriken Cassella in Frankfurt und Bayer in Elberfeld ausgebeutet worden.Die auf diese Weise erhaltenen Färbungen können als ein Mittelding zwischen den „substantiven“ Farbstoffen und den S. 589 erwähnten „Entwicklungsfarben“ bezeichnet werden. * 2 ) Als neue Farbstoffe, welche seit 1896 von der „Gesellschaft für chemische Industrie“ herausgegeben worden sind, mögen noch genannt sein: Einige verbesserte Marken schon bekannter „basischer“ Farbstoffe (Brillantphosphin, Brillantvietoriablau); neue gute Woll- und Seidenfarbstoffe (Säure- Bhodamin, Kitonblau und Kitongrün); gelbe, braune und schwarze „Chromazofarbstoffe“, welche sich ähnlich dem „Chromazonblau“ von Geigy auf Wolle sehr walkecht fixieren lassen; die durch Chlorechtheit ausgezeichneten bunten Chlorantinfarben und andere substantive, namentlich blaue und schwarze, Azo-Farbstoffe; endlich mehrere ächte „Pyrogen“- oder „Schwefelfarbstoffe“, darunter ') Ungefähr gleichzeitig machte man die Beobachtung, dass eine gewisse Verwandlung (bezw. Vermehrung der Echtheit) der aufgefärbten substantiven Farbstoffe auch durch eine Nachbehandlung mit Kupfersalzen, Kaliumbichromat u. dgl. zu erreichen ist. Bemerkenswert sind in dieser Beziehung die von 1891 an erscheinenden „Chrom otr op e“ der Fabrik in Höchst, da dieselben sich auf Wolle in rötlichen Tönen auffärben und durch Nachbehandlung im Chromkalibad sich in sehr echte schwarze, blaue und braune Färbungen verwandeln. 2 ) Dasselbe gilt von dem 1887 von A. Q. Green entdeckten „Primulni“, welches sich als solches oder auf der Faser aufgefärbt durch „Diazotierung“ und „Kupplung“ in eine Reihe anderer Nüancen überführen lässt. Die beiden Entdeckungen unterscheiden sich dadurch von einander, dass das Primulingelb (schon 1888 auch vom Hause Geigy unter dem Namen „Polychromin“ im Grossen dargestellt) kein „Azo“-Farbstoff, sondern als ein „schwefelhaltiges Amin“ zu bezeichnen ist. Das Primulin wird jedoch auch nicht zu den S. 591 erwähnten Schwefelfarbstoffen gezählt, da es in Darstellung und Eigenschaften eine gesonderte Stellung einnimmt. 38 594 die ersten gelben, violetten und blauen Nuancen, welche in dieser Gruppe, direkt ohne Nachbehandlung erzeugt, überhaupt auf dem Markte erschienen sind. Obwohl die Fabrik die Herstellung pharmazeutischer Produkte verhältnismässig nicht in bedeutendem Umfange betreibt, so sind ihr auch darin einige Entdeckungen bezw. Verbesserungen gelungen; wir nennen darunter das „Malakin“ (ein wirksames Antineuralgikum und Antipyretikum), das „Isarol“ (ein Ersatz für „Ichthyol“) und eine kristallisierte Form des schon 1879 von Fahlberg erfundenen und seit 1886 in Deutschland fabrikmässig erzeugten „Saccharin“. 3. Die „Farbwerke vorm. L. Durand, Huguenin & Cie.“ An das S. 583 Gesagte anknüpfend, erwähnen wir noch, dass diese Fabrik schon frühzeitig verschiedene gute, wahrscheinlich auf elsä- sische Koloristen zurückzuführende Präparate für Druckereien (Grün- und Alkaliblau - Lacke, Noir reduit) herstellte und, teils gestützt auf Arbeiten von Prof. Bayer in Berlin, Eorace Köchlin und 0. N. Witt, teils als eigene Erfindungen von Durand und seinen Mitarbeitern Bierer und Brack folgende Farbstoffe auf den Markt brachte: 1874 das „Cörule'ingrün“ und das „Galleinviolett“, etwas matte, aber sehr solide Farbstoffe aus Gallussäure; 1881 das blaue „Indophenol“, welches jedoch nicht hielt, was es bei seinem Auftreten versprach; 1882 das „Gallocyanin oder „Violet solide“ 1 ), ein in der Wollfärberei sehr geschätztes Blauviolett, welchem später verwandte Farben („Core'in“-grün, „Pheno- cyanin“-blau etc.) nachfolgten; ferner das „Resorcingrün“ (für Schwärzfärberei) und verschiedene „Direktfarben“, namentlich gelbe. Daneben arbeitet die Fabrik auch in synthetischen Arzneimitteln, worunter wir nennen: das 1886 von Prof. Nencki in Bern erfundene „Salol“, welchem sich „Betol“ und einige andere Abkömmlinge der Salicylsäure anschlossen. 4. Die „Chemische Fabrik vorm. Sandoz“. 1886 als Firma Kern & Sandoz gegründet und 1895 in eine Aktiengesell- *) Dasselbe wird mit Chromsalzen fixiert. Yon ungefähr 1890 an brachte dann die Fabrik Bayer in Elberfeld eine ganze Anzahl auf Baumwolle seifenbeständige „Chromfarben“ in blauen, gelben, roten und 'dazwischenliegenden Tönen, von welchen sich jedoch nur ein Teil in der Praxis eingebürgert hat. 595 Schaft umgewandelt. Spezialitäten dieser Fabrik sind das „Prune“, ein violettstichiges Grosbleu, und das grünliche „Delphinblau“, zwei wertvolie auf Chrombeize ziehende Farbstoffe; ferner verschiedene Säure- und Direktfarben. Daneben nimmt die Fabrikation synthetischer Arzneimittel einen ziemlich breiten Raum ein, indem sie sich namentlich auf „Saccharin“, „Phenacetin“, „Codein“, „Gallicin“ und „Jodogallicin“ erstreckt. 5. „Basler Chemische Fabrik“, Nachfolgerin der 1893 gegründeten „Chemischen Fabrik Bindschedler“, in verschiedenen Farben und pharmazeutischen Produkten arbeitend. In Basel-Land: Ferd. Petersen & Cie. in Schweizerhalle (Vgl. S. 583). In Genf vereinigte sich 1886 die Fabrik P. Könnet & Cie. (S. 583) mit dem Hause Gilliard in Lyon zur Firma „Gilliard, P. Monnet & Cartier“ mit Hauptsitz in Lyon, welche sich 1895 in die Aktiengesellschaft „Societe Chimique des Usines du Rhone“ mit Stamm -Etablissementen in St.-Fons bei Lyon und La Plaine bei Genf und Filialen in New-York und Pruzkow (Russland) umwandelte. Das Unternehmen, welches seit der Konstituierung das werbende Kapital von 3 auf 6 Millionen erhöht hat, beschäftigt 27 Chemiker, 3 Ingenieure und 700 Angestellte und Arbeiter. Neben verschiedenen violetten und grünen Anilinfarben sind noch immer die Phtalsäure- oder Resorcinfarbstoffe (Eosin, Phloxin, Rhodamin etc.) und in neuerer Zeit auch der künstliche Indigo eine Spezialität dieser Fabrik; daneben erzeugt dieselbe auf industriellem Fusse medizinische Antiseptika (Salicylsäure und Formaldehyd), Spezialartikel für Photographen und Zahnärzte, synthetische Arzneimittel (Antipyrin, Migrainine, Saccharin), Parfuns („Rhodinol“ als Ersatz des Rosenwassers, „Heliotropine“ u.s.w.) und Essenzen für die Comestibles-Branche (Cinnamol als Ersatz des Zimmtgeistes, Vanilline, Amandol). Im Etablissement in Genf sind neben Herrn P. Monnet namentlich die Herren F. Reverdin und Zimmermann als Chemiker thätig. 596 Glarnerische Mouchoirs-Druckerei 1860—1900. Wie schon mehrfach berührt trat 1860 mit dem Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges ein successiver Aufschlag in Baumwolle, Garnen, Rohtüchern und fertigen Druckwaren ein, weshalb bis 1863 auf der ganzen Linie die Vorräte und Neu-Anschaffungen stetsfort mit schönem Gewinn an Mann gebracht werden konnten. Als jedoch die Baumwolle im Jahr 1864 ungefähr auf das 2 1 / 2 fache des Standes von 1857/60 stieg, war es nicht mehr möglich, den Aufschlag auf dem fertigen Produkt durchzudrücken, trotzdem man auf schmälere und leichtere Gewebe und unquadratern Druck überging; kleinere oder weniger gut fundierte Spinnereien, Webereien und Druckereien, welche mit Ankäufen nicht vorgesorgt hatten, sahen sich gezwungen, zeitweise zu feiern 1 ), während dies bei der Mehrzahl nicht oder nur in unerheblichem Masse der Fall war. 2 ) Noch schlimmer stellten sich in gewisser Beziehung die Jahre 1866 und 1867 ein, da nach dem Friedensschluss gewaltige Abschläge eintraten; auch zeigte es sich, dass inzwischen verschiedene ältere Artikel durch die Verschlechterung der Qualität ihre Zugkraft eingebüsst hatten, dass es daher nutzlos war, sie wieder in besserer Auflage anzubieten und dass unbedingt etwas Neueres an deren Stelle treten musste. Diese Regeneration wurde herbeigeführt durch die neuen Theerfarben und durch Einführung bezw. vermehrte Anwendung des Maschinendrucks; zugleich hatte die Freihandelspolitik Napoleon III. 3 ) eine bedeutende Erweiterung des Absatzes in europäischen Ländern zur Folge. Der französisch - schweizerische Handelsvertrag 4 ), der am 1. Januar 1866 in Kraft trat, öffnete der schweizerischen Baum- woll-Industrie das so lange verschlossene westliche Nachbarreich; für die rohen Garne wurden die Zölle für die Einfuhr nach Frankreich je nach den Nummern von Fr. 15—300 per 100 Kilos netto ' J ) Vgl. S. 531. 2 ) Vgl. die „Neue Glarner Zeitung“ vom 22. September 1864. 3 ) Siehe S. 492, 499 u. 363. *) Teils zur Besprechung dieses damals im Wurfe liegenden und allfälligspäterer Verträge, sowie anderer Fragen allgemeiner Natur, besonders aber zur Förderung des geschäftlichen Verkehrs, konstituierte sich am 5. April 1864 unter Beteiligung von 50 Firmen die „Glarnerbörse“ oder der „Glarner Börsenverei n“. abgestuft, mit Zuschlägen von 15 % für gebleichte und 25% für gefärbte; mittelschwere Baumwollgewebe (im Gewicht von 7 Kilos inklusive bis 11 Kilos exklusive per 100 m 2 und mit 35 oder weniger Fäden pro 5 mm im Geviert) wurden mit bloss Fr. 60 per 100 Kilos belastet; feine Gewebe (unter 7 Kilos) bezahlten in Abstufungen Fr. 80—300, gebleichte 15% und gefärbte 25% mehr als rohe; für bedruckte oder Buntgewebe wurde ein Wertzoll von 15 % sti- puliert. Mit dem Vertrag vom 23. Februar 1882 trat für die feinem Gewebe unter 5 Kilos zum grossen Schaden der schweizerischen Weberei eine Zollerhöhung um 40-50 % ein, während die übrigen Rohgewebe ungeschoren davon kamen und die glarnerischen Mouchoirs- artikel bei der Umwandlung des Wertzolls in einen Gewichtszoll sogar eine Erleichterung erfuhren, indem derselbe nach damaligen Preisen nun einem Wertzoll von durchschnittlich nur noch 12% gleichkam; die Vorschrift für die Berechnung lautete nämlich nun dahin, dass zum Zoll der rohen Gewebe bei 1—2 Farben Fr. 2. —, bei 3—6 Farben Fr. 4. —, bei 7 nnd mehr Farben Fr. 7. 50 per 100 m 2 hinzuzuschlagen waren. Oesterreich-Ungarn, welches sein starres Prohibitivsystem wenigstens Deutschland gegenüber schon 1853 (durch Differenzialzölle und Gestattung des Veredlungsverkehrs) gemildert hatte, liess sich durch Vertrag vom 14. Juli 1868 auch mit der Schweiz zu einem Meistbegünstigungsverhältnis herbei, was schon nach wenigen Jahren zu einem lebhaften Export glarnerischer Druckwaren nach diesem Lande führte. Die damaligen österreichischen Gewichtszölle mögen zu den Warenpreisen von 1870—1875 17—20 % vom Wert erreicht haben; in einem offiziellen Bericht der Glarner Handelskommission vom Jahr 1881 werden sie zu 22 % vom Wert geschätzt und gegenwärtig machen sie durchschnittlich 25 % aus; die Ansätze sind offenbar ungefähr gleich geblieben und es ist die Erhöhung im wesentlichen als eine Folge des Rückgangs des Wertes der Druckwaren pro Gewichtseinheit zu betrachten. Genau bekannt sind diese Ansätze dem Verf. erst seit 1882, in welchem Zeitpunkt Oesterreich-Ungarn einen neuen autonomen Zolltarif mit etwelchen Erhöhungen einführte. 598 Zölle per 100 Kilos netto Allg. Oester. Zoll- Oester.-schweiz. Oester.-schweiz. tarif von 1882 Handelsvert. v. 1888 Handelsvert. v. 1892 öster. Gold-fl. n. fl. Baumwollgarne, einfache, rohe No. 29—60 engl. 14 (bisNo. 50 engl.) 14 (No. 29-60) 14 (No. 29-60) über No. 60 engl. Baumwollgewebe, gemeine glatte, 16 (üb. No. 50 engl) 12 (über No. 60) 12 (über No 60) aus Garn No. 50 engl. u. darunter, 38 Fäd. u. weniger auf 5 mm im Gev. Rohe. 34 nicht gebund. 32 Gebleichte. 45 40 Gefärbte. 55 55 50 Buntgewobene. 70 65 60 Bedruckte bis 6 Farben . . 70 60 60 „ mitmehr als 6 Farben 70 70 60 Baumwollgewebe, feine aus Garn No. 50—100 engl, gewoben. Rohe . 80 70 70 Gebleicht, gefärbt, buntgewob. oder bedruckt . 120 100 100 Spanien öffnete die Thore mit dem Vertrag vom 27. August 1869; die Ansätze desselben sind dem Verf. nicht genau bekannt; dagegen betrugen diejenigen des folgenden Vertrages (vom 14. März 1883) für die Baumwoll-Gewebe roh gewöhnlich glatt bis auf 25 Fäden pro 6 mm Fr. 154, bedruckt Fr. 240 pro 100K. „ „ „ 26 und mehr „ „ 6 „ „ 174, „ „ 249 „ 100 „ was bei damaligen Preisen mindestens 35 %, am Schluss der Vertragsperiode (1892) beinahe 40 °/ 0 vom Wert ausmachte. Diese exorbitanten Zölle beschränkten den Absatz auf gewisse Handdruck-Artikel, während in Rouleaux-Genres die katalonische Industrie einen viel zu grossen Vorsprung hatte. Auch Portugal liess sich 1873 zu einer Vereinbarung herbei, die zwar erst drei Jahre später in Kraft trat, von diesem Zeitpunkt an jedoch einen ziemlich lebhaften Verkehr durch Vermittlung von Pariser Kommissionshäusern möglich machte. Mit dem deutschenZollverein schloss die Schweiz am 13. Mai 1869 einen neuen Vertrag ab, welcher dann auf das neue deutsche Reich überging; die Ansätze desselben mochten feinen Baumwollgarnen und einigen andern textilen Spezialitäten Einlass gewähren, für gedruckte Tücher waren sie nach wie vor viel zu hoch; dagegen wurde der schon bis dahin in einem gewissen Umfang geübte Veredlungsver- 599 kehr 1 ) neu geregelt und erweitert. Mit Belgien trat schon 1862 ein günstiger Vertrag in Kraft, während der Absatz nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika in Druckwaren gänzlich aufhörte, als jene nach dem Bürgerkrieg zum Hochschutzzoll übergingen und die amerikanische Druckerei stetig an Bedeutung zunahm. Ueber die Zollverhältnisse zwischen der Schweiz und Italien verbreitet sich einlässlich ein 1882 von der „Handelskommission des Kantons Glarus“ verfasster und durch das Schweiz. Handelsdepartement in französischer Sprache veröffentlichter Bericht (Lausanne, impr. Adrien Borgeaud). Mit dem 1859/60 geeinigten Italien hatte sich der Handelsverkehr während einer langem Periode günstig gestaltet, da der in der Aera Cavour’s geschlossene, sardinisch-schweizerische Handelsvertrag von 1851 mit seinen niedrigen Ansätzen auf jenes einfach übergegangen war. Eine andere für den Handelsverkehr hochwichtige Folge der Einigung Italiens, die Entstehung einer nationalen Baumwoll-Industrie jenseits derAlpen, konnte sich natürlich erst nach und nach äussern; als Zollerhöhungen diese Entwicklung immer mehr beschleunigten, suchten die Träger der schweizerischen Spinnerei und Weberei den Schlag durch Errichtung bedeutender Etablissemente in Italien zu parieren. Eine etwelche Verschärfung der Textilzölle trat schon mit dem italienisch-schweizerischen Vertrag vom 24. Juli 1868 in Kraft; jedoch hielten sich dieselben noch in massigen Grenzen, während der autonome italienische Zolltarif von 1879 und ein neuer in diesem Jahr zwischen Italien und Oesterreich abgeschlossener Handelsvertrag, dessen Ansätze nun auch gegenüber •) Derselbe umfasst 1. den gewöhnlichen aktiven Veredlungs- verkehr, bei welchem Halbfabrikate aus dem einen Lande zollfrei von dem andern eingelassen werden und dann nachher ebenfalls zollfrei wieder in das Ursprungsland zurückkehren dürfen; 2. den Transit-Veredlungsverkehr, bei welchem die zollfrei eingeführten und veredelten Waren nach irgend einem andern Lande ausgeführt werden dürfen. Das erstere ist mit Deutschland für zahlreiche Artikel unter Wahrung der Gegenseitigkeit und eventueller Beibringung von Ursprungszeugnissen vertraglich geregelt, so dass beispielsweise deutsche Tücher in der Schweiz bedruckt oder schweizerische Tücher in Deutschland bestickt werden und zollfrei nach dem Ursprungslande zurückgehen. Die Transit-Veredlung oder die „Admission tem- poraire“ wurde dagegen von Deutschland nur auf Zusehen zugestanden und ebenso erlaubt die Schweiz z.B. nur ausnahmsweise, englische Tücher, welche nicht zur Rückkehr in das Ursprungsland bestimmt sind, zollfrei zum Bedrucken ein- und dann wieder auszuführen. Vgl. auch S. 484/5 u. 492. 600 der Schweiz Gültigkeit erhielten, ganz schutzzöllnerisch abgefasst waren und den Export der Schweiz schwer schädigten, worüber folgende Zusammenstellung einen Begriff gibt: 1 ) Italienische Einfuhrzölle per 100 Kilos netto. Tarif v. 1868 Tarif v. 1879 Tarif gemäss Handolsvertr. von 1889 Tarif gemäss Handelsvertr. von 1892=) Baumwollgarne, rohe, No. 11—24 Lire Lire Lire Lire engl. (= 10—20,000mp. '/»Kilo) No. 25—36 engl. 15 22 ? 24 (= 20—30,000 m per + Kilo) No. 37—47 engl. 20 26 30 30 (= 30—40,000 m per + Kilo) . No. 48—71 engl. 25 32 36 36 (— 40—60,000 m per + Kilo). Baumwolltiicher, rohe, im Gewicht von 7—13K. (exklusive) per 100 m 2 , mit 27 Fäden oder weniger auf 5 mm im Ge- 25. 39—60 ? 45—52 viert . Im Gewicht von 7—13 Kilos per 100 m 2 , jedoch mit mehr 50 66 75 67 als 27 Fäden per 5 mm 2 . 50 75 86 j <8 (hei / 27-38 Fäden) Baumwolltiicher, gebleicht . . 57 20 °l o mehr als rohe 20 °/o mehr als rohe 20 °/o mehr als rohe Baumwolltiicher, gedruckte Im Gewicht von 7—13 Kilos per 100 m 2 mit 27 Fäden oder weniger per 5 mm im Geviert 4 ) 112.50 3 ) 149.20 (d.h. der Zoll der gebleichten plus Fr- 70.— per 100 Kilos) 160.— (d- h. der Zoll der gehleichten plus Fr. 70.— per 100 Kilos) 146.90 (d,h der Zoll der gebleichten plus Fr. 66.SO per 100 Kilos) *) Zu derselben wurden auch noch beigezogen: „Conventional-Tarife aller Länder und Handelsverträge der Schweiz“, Bern, Stämpfli’sche Buchhandlung 1889, sowie „Die Zolltarife“ von Emil Richard, Brugg, 1898, Druck u. Verlag des „Effingerhof“. 2 ) Eine Verschärfung der in demselben stipulierten Zölle trat schon 1893 dadurch ein, dass die Zölle nicht wie bisher in dem unter pari stehenden Papiergeld, sondern in Metall entrichtet werden mussten. 3 ) Dieser Ansatz galt überhaupt für alle Baumwoll-Druckwaren und setzte sich zusammen aus der Grundtaxe von Fr. 100. —, einem Kriegs- zuscblag (Decimo di guerra) von Fr. 10. — (schon seit 1866 eingeführt) und Fr. 2. 50 Zollabiertigungs- und andere Gebühren. 4 ) In diese Kategorie fallen die grosse Mehrzahl der Glarner Druckwaren; 27 Fäden in Kette und Einschlag im Quadrat von 5 mm Seitenlänge entsprechen 36 oder 19 + 17 Fäden im Quadrat von */» franz. Zoll Seiten- 601 Jener Bericht der Glarner Handelskommission erwähnt, dass die neuen Zölle von 1879 nach damaligen Preisen die Schweizer Waren wie folgt belasteten: Die Garne mit 9—16 °/ 0 , die mittelschweren Roh-Gewebe mit 21 %, die gebleichten mit 24 %, die gedruckten mit 20% vom Wert, während speziell für letztere der alte Ansatz zu den Warenpreisen von 1877 nur 15 % ausgemacht hatte. Heute (1900) macht diese Belastung bei den gangbaren Glarner - Druckartikeln je nach ihren Herstellungskosten 23—25 °/ 0 aus, da wohl der Gewichtszoll nach vorübergehender Erhöhung wieder den ungefähren Stand von 1879 aufweist, die “Verkaufspreise (Werte) jedoch erheblich gesunken sind. Betrachten wir die grosse Erregung, welche die Einführung des Hand-Doppeldrucks (S. 541) unter der Arbeiterbevölkerung verursacht hat, so ist es auf den ersten Blick auffallend, dass bei derjenigen des Maschinendrucks (vgl. S. 556/7) so wenig davon zu verspüren war. Der Grund dafür liegt erstlich darin, dass man mit der Kupferplatten-Druckmaschine weniger einfarbige fertige Artikel herstellte als vielmehr sie zum Vordrucken benutzte. worauf eine oder mehrere Farben von Hand eingepasst wurden. Da nun diese Vorzeichnung auf der Kupferplatte viel feiner und schöner gehalten sein konnte als bei den bisher üblichen Vordruck-Handmodeln, so war damit eine bedeutende Verbesserung des gesamten Handdruckartikels erreicht und eine Ausdehnung desselben für verschiedene Absatzgebiete, wo man schöne Ware verlangte, die Folge. Die Einführung der Rouleaux- Druckmaschine war dadurch bedingt, dass deutsche und österreichische Firmen vom Anfang der 1860er Jahre an sowohl auf ihren heimischen Märkten als auch in Italien, im Norden u. s. w. länge. Da im alten Vertrage die Fadenzahl unbeschränkt gewesen war, hatten die sog. Ia Drucktücher 19/18 Fäden und mussten dann auf 19/17 bis 19/16 abgeändert werden. Obiger Bericht der Glarner Handelskommission weist einige sinnstörende Druckfehler auf; so heisst es auf S. 9 in Kategorie 2: „7 Kilos et plus mais moins de 3 Kilos les 100 m 1 “ anstatt 13 Kilos et „27 Als au moins les 5 mm 2 “ anstatt „ou moins“. 602 mit zugkräftigen, mittelst Rouleaux gedruckten Neuheiten in Mou- choirs erschienen und die Glarner Gefahr liefen, einige Massenartikel in mittlern Breiten gänzlich zu verlieren; hatte sich bisher der Walzendruck fast ganz auf die Indiennes und Meubles beschränkt, da die Mouchoirs Walzen von viel grösserm Durchmesser verlangen und Messing und Kupfer lange Zeit sehr hoch im Preise gestanden waren, so musste sich nun diesfalls eine Aenderung vollzogen haben. Die Einführung der Rouleaux-Maschine in den glarnerischen Mouchoirs-Druck in den 1860er Jahren brachte neue Artikel und vermehrte Produktion, so dass diesbezüglich in den betreffenden Fabriken weniger eine Reduktion als eine Verschiebung unter den Arbeitskräften eintrat, indem der Verminderung der Handdrucker eine ziemliche Vermehrung der Hilfsarbeiter (Handlanger) gegenüberstand. Bei beiden genannten maschinellen Druckmethoden stand während längerer Zeit namentlich die Firma Barth Jenny & Cie. 1 ) *) Anschliessend an das S. 323/4 Mitgeteilte möge hier über die personellen Verhältnisse in dieser Firma noch Folgendes Platz finden: Vom Jahr 1807 an traten successive jüngere Elemente in das Geschäft ein; es waren dies: a) Herr Caspar Jenny (für seinen im soeben genannten Jahre verstorbenen Vater gleichen Namens), aus Gesundheitsrücksichten zurückgetreten 1873, gest. 1890. b) Drei Söhne von Fabrikant Jakob Trümpy (welcher nur noch bis 1874 aktiv beteiligt blieb), nämlich Herr Jakob Trümpy-Blumer, eingetreten 1867, ausgetreten 1887, gestorben 1890. ,, Fritz Trümpy-Kuhn, ,, 1807, ,, 1883. ,, Heinrich Trnmpy-Aebli, ,, 1883. c) Die Söhne von Herrn Daniel Jenny „zur Sonnenuhr“ (der heutigen Generation als Ratsherr D. Jenny -Blumer bekannt, da er seit 1S63 in zweiter Ehe mit Dorothea Blumer, Witwe des Ratsherr J. R. Tschudi in Schwanden, verheiratet war), nämlich Herr Fritz Jenny-Staub, eingetreten 1867. ,, Bartholome Jenny-Trümpy, eingetreten 1807, ausgetreten 1902. ,, Jakob Jenny-Studer, ,, 1807, ,, 1899, bezw, durch seinen Sohn, Herrn Daniel J . Jenny, ersetzt. ,, Daniel Jenny-Jenny, eingetreten 1874. ,, Adolf Jenny-Trümpy, ,, 1880. Die Mitarbeit seiner Söhne ermöglichten es dem vieljährigen kaufmännischen Chef, Ratsherr Daniel Jenny, sich in vermehrtem Masse auch Gemeinde- und Landesbeamtungen zu widmen (in letzterer Beziehung namentlich als Mitglied der Handels- und der Haushaltungskommission, sowie von 1877—1887 in der St an d es ko m m issi on tliätig); besonders reges und werkthätiges Interesse nahm er jedoch an den drei unter dem Protektorat der kantonalen gemeinnützigen Gesellschaft stehenden Anstalten für verwahrloste Kinder und an der Entwicklung des Krankenkassenwesens in der Gemeinde Ennenda und in den drei Fabriketablissementen, bei denen er beteiligt war; so entsprang 1807 seiner Initiative die Gründung der „Weiblichen Krankenkasse von Ennenda und Ennetbülils“. 603 . in Ennenda im Vordergründe. Im Jahr 1857 stellte sie 4 „Machines ä planche plate“ (Kupferplatten- oder „Plancheplatte“- Maschinen) aus den Werkstätten von AmbroisePauffert in St.-Denis bei Paris auf, denen in den nächsten Jahren noch 3 weitere in breiterer und schmälerer Konstruktion nachfolgten; die ersten kosteten je Fr. 5500 ab Paris, später ermässigte sich der Preis auf ungefähr Fr. 4000. Die ersten 43 Stück Kupferplatten wogen zusammen 1000 Kilos und kosteten Fr. 6000; es handelte sich, um sog. halbe Platten, deren in Paris ausgeführter Stich Fr. 100-120 per Stück kostete. Später ging man auf ganze Platten über, da die halben zwar in Stecherei und Metall billiger einstanden, dagegen auch nur eine halbe tägliche Produktion ermöglichten. Der erste Artikel, bei welchem die Plancheplatten einen grossen Erfolg erzielten, machte sich unter dem Namen „Uso Hamburg“ bekannt; es waren dies bunte tafel- und dampffärbige Hals- und Kopftücher, deren Fabrikation um die Mitte der 1850er Jahre Herr Joh. Ulrich Kulm von Amriswil, damals Reisender 1 ) der Druckerei Bcdth. Tschucli & Gie. in Niederurnen, nach dem G-larnerland verpflanzte, indem er gleichzeitig eine Partie der ziemlich feinen (englischen?) Rohtücher, wie sie die Hamburger Druckereien für den Artikel verwendeten, acquirierte. Während die Fabrik in Niederurnen den Artikel zuerst nur in Handdruck erstellte, brachten Barth. Jenny & Cie. neue Dessins mit feinen Kupferplatten-Vor- drücken und 3—4 Hand-Iluminations- und Bodenfarben. Einen ausserordentlich starken Absatz nach dem Norden, nach Italien und nach den überseeischen und türkischen Ländern erzielten dieser nun auch von den andern Mouchoirsfabriken in Ennenda, Netstal u. s. w. fabrizierte Artikel und die frühem, S. 378 erwähnten etwas verwandten Genres „Fancy 1 ' und „Uso Seta“, als die Anilinfarben (vgl. S. 573) ihren Einzug hielten. In der ersten Zeit ihres Erscheinens standen dieselben allerdings für billige Baumwoll- artikel im Preise viel zu hoch; soll doch 1860 ein Kilo reines ‘) Von 1859 an bekleidete er Jahrzehnte lang eine gleiche Stelle bei dem Hause Barth. Jenny & Cie. und war durch seine vielen Reisen namentlich mit den italienischen Verhältnissen aufs Engste vertraut geworden; er starb 1899 im hohen Alter von 84 Jahren als der Nestor unter den glarne- rischen Geschäftsreisenden. 604 Fuchsin in Frankreich für Fr. 1500 — 1000, in der Schweiz für Fr. 500 verkauft worden sein;' in Glarus bezahlte man dafür von 1862 an, in welchem Jahre der Artikel in Verbrauch kam und anfänglich namentlich von J, J. Müller & Cie. in Basel bezogen wurde, folgende Preise: 1862: Fr. 350—250; 1863: Fr. 200—100; 1864: Fr. 85—42; 1866: Fr. 38—30; 1874: Fr. 24—19; 1885: Fr. 15; 1890: Fr. 10.50 (sog. „Neufuchsin“ Fr. 8.50); 1896—1900: Grosskristall. Fr. 9. —, II. Sorte Fr. 7. 50 (Neu- und Säurefuchsin Fr. 7. 50 bis 6. 50). Ein ähnlicher Preisfall vollzog sich successive bei den übrigen Anilinfarben; nur repräsentierten dieselben, ihrer kompliziertem Herstellung wegen, gewöhnlich einen um 20—100 9 /o hohem Wert pro Gewichtseinheit als Fuchsin. Die Anilinfarben wurden in den Glarner Artikeln damals in leichten Partieen falschfarbig oder mit Albuminzusatz aufgedruckt; für schwere Böden bürgerte sich frühzeitig die Anwendung der arsenig- sauren Thonerde ein, da dieselbe billig zu stehen kam und einen gleichmässigen Druck ermöglichte; die in England aufgekommene, in Bezug auf Waschechtheit weit überlegene Fixation mittelst Tannin 1 ) blieb hier anfänglich speziell auf die grünen Farben beschränkt, da fast alle andern Farben durch das Tannin etwas von ihrer ursprünglichen Lebhaftigkeit und meistens auch etwas von ihrer Lichtechtheit 2 ) einbüssten und die Druckfarben in schweren Partieen gern „Rapporte“ schlugen. Als eine Theerfärbe, welche meistens gänzlich falschfärbig aufgedruckt wurde und nicht einmal lagerecht war und dennoch einen grossen Erfolg erzielte, ist *) Nach Dollfuss-Ausset’s „Materiaux“ Bd. I S. 364 hatte Prof. Calvert und der Chemiker Lowe schon 1856 die Beobachtung gemacht, dass Tannin mit gewissen färbenden Substanzen des Theers unlösliche Niederschläge gibt; die praktische Anwendung davon erfolgte erst von 1860/1 an. Das letztgenannte Jahr brachte in dieser Hinsicht eine neue Vervollkommnung, indem gleichzeitig mehrere Chemiker Nathaniel Lloyd, E. G. Dale und Thomas Brooks in Manchester entdeckten, dass eine Nachbehandlung der gedämpften Tannin-Anilinfarben in Brech weinsteinlösung denselben eine bedeutend grössere Wasch- und Seifenechtheit verleiht. Bin bezügliches Verfahren fand jedoch in den Indiennesfabriken, soweit dem Verf. bekannt, erst mehrere Jahre später allgemeinen Eingang. 2 ) Dieselbe Beobachtung findet sich auch schon S. 364 in Bd. I von Dollfus-Ausset’s „Materiaux“. 605 - das Cor allin (S. 578) zu nennen; als dasselbe 1868/9, in Uso- Hamburg-Dessins gedruckt, auf den italienischen Jahrmärkten erschien, waren die farbenfreudigen Töchter des Südens ob dem herrlichen, feurigen Rot wie toll und konnten sich daran kaum satt sehen; obwohl sie nachträglich von der Wasserscheu desselben weniger entzückt waren, hielt sich der Artikel doch einig© Jahre in Italien und mehrere Jahre in überseeischen Ländern im Verkauf. Ein anderer Artikel, welcher 1870 aus der Fabrik Barth.. Jenny & Cie. hervorging und meistens in leichten Kupferplatten- Vordrücken (mit oder ohne begleitende Farben) erstellt wurde, waren die „Vignetti“, kleine 52 cm breite, weissbödige Taschentücher mit gewobenem Zwirnbord und starker leinwandähnlicher Appretur. Dieselben fanden in Italien mehrere Jahre d. h. bis zum Erscheinen der inländischen Konkurrenz sehr guten Absatz und verkauften sich später auch nach dem Orient. Als Vordruckfarbe druckte bei diesem Artikel das neue „Anilinschwarz“ (S. 579 u. 585 Anmerk. 1), welches sichln den feinsten Partieen durch grösste Licht- und Waschechtheit auszeichnet und begleitend© Farben irgend welcher Art nicht beschmutzt. Aus letzterm Grunde war es schon einige Jahre vorher in den gefärbten Chromorange- Artikel eingeführt worden und hatte denselben, nun in der Aufdruck- anstatt in der Aetzmanier (S. 212 u. 368) erstellt, in fast allen Mouchoirs-Druckereien Europas und so auch im Glarnerland wieder in starke Aufnahme gebracht. Eine wichtige Rolle spielte das Anilinschwarz auch in den „Uso-Adrianopel“ J ), 70—100 cm breite, schwarzbödige, von krapproten Blumenrändern eingefasste Kopftücher; sie gehörten in manchen Gegenden Oesterreich-Ungarns quasi zur Nationaltracht und wurden von den Druckereien im Vorarlberg ausser in Türkischrot auch in Krapprot, in letzterer Art bis dahin nach einem sehr umständlichen Verfahren (bei welchem sich erst im Krappbade die zuvor in Berlinerblau gefärbten Böden in Tiefschwarz verwandelten) erstellt. Die neue Manier bestand nun *) Es war dies eine Nachahmung des alten türkischrolen „Adrianopel“- Artikels, welcher in jener Zeit ebenfalls einen neuen Aufschwung genommen hatte, indem man die schwarzen Böden durch Aufdruck des neuen Anilinschwarz auf die fertigen uni-türkischroten Stücke erzeugte. 606 darin, die Böden in Anilinschwarz zu drucken, nach stattgehabter Qxydation zu waschen und nun das Beizen in Thonerdemordant {nebst eventuellem Druck von Aetzweiss) und das Färben in Ga- rancine folgen zu lassen. Yon 1871 an lieferten die Mouchoirs- Druckereien in Ennenda während mehreren Jahren bedeutende Posten davon nach dem östlichen Nachbarreiche. Eine viel beschränktere Anwendung als die „Plancheplatten“ fanden die S. 508 erwähnten Raye-Maschinen; zwei solcher wurden 1865 in der Fabrik Barth. Jenny & Cie. aufgestellt und kosteten zirka Fr. 2000 per Stück; eine Gypsplatte (planche de plätre) mit beidseitiger Gravüre kam auf Fr. 200, später nur noch auf Fr. 140 zu stehen. Während diese Druckmanier in dem genannten Etablissement nach wenigen Jahren wieder aufgegeben wurde, hat sie sich in andern hiesigen Fabriken und zwar beson- dors für den Reserve-Indigo-Artikel (mit Gypsplatten und Gyps- walzen) längere Zeit, vereinzelt sogar bis in die Gegenwart erhalten. Tiefgreifende Aenderungen im Betriebe und in den Artikeln brachte dagegen die Einführung des Rouleaux-Drucks; sie vollzog sich bei der Firma Barth. Jenny & Cie. 1865 durch Aufstellung einer dreihändigen und einer vierhändigen Maschine für Mouchoirs- druck 1 ); um 1870 folgten die Herren Hefty & Tschudtp in Nieder- urnen und Martin Kubli in Netstal und später fast alle übrigen ^ glarnerischen Mouchoirsfabriken nach. Jene beiden ersten Druckmaschinen kosteten zusammen Fr. 38,000 ab Manchester, inklusive Sechoirs (Tröckneplatten), jedoch ohne verschiedene accesso- rische Maschinen zum Scheren und Aufrollen der Ware; 1 kupferne Druckwalze im Gewicht von 200 engl. Pfund für 70—75 cm breite Mouchoirs kostete damals Fr. 336 (= 16 Pence per engl. Pfund) und 1 messingene im Gewicht von 180 Pfund kam auf Fr. 283. 50 (= 15 Pence per engl. Pfund) zu stehen, wozu noch die Gravüre mit zirka Fr. 125. —■ per Stück kam. In den ersten Jahren handelte es sich in der genannten Fabrik hauptsächlich um zierliche ’) Es existierten zwar schon seit längerer Zeit einige Rouleaux-Masehinen im Glarnerland (ygl. S. 190 u. 340); dieselben waren jedoch, soweit demVerf. bekannt, nur für Indiennesdruck eingerichtet und standen überhaupt selten .mehr im Betriebe. 607 weissbödige Sachen — „Mignonettes“ — (mit Anilinschwarz allein oder in Begleitung von Albuminfarben, S. 378), wie sie damals die Firma Frans Leitenberger in Cosmanos (S. 73—75) mit grossem Erfolg auf den Markt brachte. Es war die Zeit, wo überhaupt helle Dessins in den Mouchoirs-Genres viel mehr als früher in Aufnahme kamen, sei es dass die Mode denselben im allgemeinen günstig und mehrere der neuen Farben einer bezüglichen Aende- rung förderlich waren, sei es dass die rasche Abnahme der Sitte des Tabakschnupfens dabei ebenfalls einen gewissen Einfluss ausübte. Während sich die österreichischen und deutschen Fabriken auf die mittlern Breiten (70—80 cm) beschränkten, warfen sich die Glarner Drucker auch auf schmälere Mignonettes und erzielten in verschiedenen Absatzgebieten bedeutende Umsätze; auch passten sie in die fertig gewaschene Rouleaux-Ware häufig noch von Hand ein helles Eisen-Nankin als Bodenfarbe ein, was dem Geschmacke der Italiener besonders gut zusagte. Eine sehr wichtige Farbe für den Mignonettes-Artikel und für alle dampffärbigen Genres überhaupt wurde gleich nach seinem Erscheinen das künstliche Alizarin, als Dampffarbe angewandt; eine solide rote Dampffarbe hatte nämlich bis jetzt noch immer gefehlt *), da eben der schon seit mehreren Jahren hergestellte „Krapp-Extrakt“ für den allgemeinen Gebrauch viel zu teuer einstand; so war denn namentlich in den Indiennes-Fabriken für die Weissboden mit Rot und Rosa die Krappblumen-Färberei mit ihren komplizierten Schönungsprozessen noch immer im Schwünge geblieben und mussten begleitende grüne, blaue, gelbe und orange Farben nachträglich * 2 ) von Hand eingepasst werden. Das wurde nun Alles überflüssig, ') Bei einzelnen Meubles-Genres stand seit einigen Jahren allerdings der „Cochenille-Carmin“, mit Casein fixiert, im Gebrauch; abgesehen von seinem hohen Preise liess derselbe auch in der Seifenechtheit zu sehr zu wünschen übrig, als dass er in den eigentlichen Indiennes und in andern echtfarbigen Artikeln hätte Verwendung finden können. 2 ) Einzig für die Farbenkombination Anilinschwarz, Beizenrot und ■Orange in weissbödigen Rouleaux-Mustern hatte Horace Ködüin einen originellen Ausweg gefunden, indem er die letztgenannte Farbe in Form eines Bleisalzes aufdruckte, sie durch Behandeln der Stücke in Chromsäure und darauf in kochendem Kalkwasser entwickelte und dann erst das Färben in Fleur de Garance und das Abseifen folgen liess. und zwar umso mehr als 1872/3 Martin Ziegler, Chemiker und Kolorist in der Druckfabrik in Wesserling (S. 141) die Entdeckung gemacht hatte, dass nach einer Präparation der Baumwollstücke in wasserlöslich gemachter Oelsäure, das „Dampf-Alziarin“ bedeutend lebhafter ausfiel und dem geschönten Fleur de Garance- Rot ungefähr gleich kam. *) Da es nun mit dem Dampf-Alizarin sowie mit Zuzug anderer Theerfarben möglich wurde, gleichzeitig fast alle denkbaren Farbentöne in seifen- und lichtechter Ausführung zu drucken, konzentrierten sich die Indiennes-Fabriken von dieser Zeit an fast vollständig auf den Rouleaux-Druck, indem die Zahl der mit einander operierenden Druckwalzen stets- fort gesteigert wurde. Diesen Weg hatten die Manchester- Drucker für gewisse Genres allerdings schon längst eingeschlagen, indem sie sich in den Farben behalfen wie sie es eben konnten- so brachte Dollfus-Ausset 2 ) (damals Besitzer eines grossen Graveur- Atelier), indem er die Industrie seiner Vaterstadt mit den neuesten Fortschritten vertraut machen wollte, schon um 1860 eine 12händige Druckmaschine von England zurück, musste aber erleben, dass dieselbe nie zu praktischer Verwendung kam, während nun um 1875 mehrere Druckereien des Elsasses für den reichen Möbelartikel sogar löhändige Maschinen aufstellen Hessen. Für die billigen Glarner Genres konnte man sich freilich nicht in solche Höhen versteigen und blieb es bei den 4händigenMaschinen; einzig die Fabrik Hefty & Tschudy in Niederurnen, welche sich später überhaupt fast ausschliesslich den Rouleaux-Genres zuwandte, schaffte sich eine Druckmaschine zu fünf Farben an. Für gedeckte rote und braune Muster konnte das künstliche Alizarin damals (als Dampffarbe) noch nicht in Frage kommen; gegenteils erlebte der Gar an eine-Artikel (rot- und braunbödige Mouchoirs *) Ehe das Geheimnis dieser Oelpräparation gelüftet war, grundierten einige Mülhauser Fabriken (z. B. Jean Heilmann & Cie.) in den dem Erscheinen des neuen Wesserling’schen Rot unmittelbar folgenden Jahren die für Dampf- Alizarin bestimmte Ware in Seifenlösung, was namentlich bei Rosa recht befriedigende Resultate ergab, jedoch eine gleichzeitige Anwendung von. Anilinschwarz nicht gestattete. 2 ) Siehe dessen Biographie im Bullet. Soc. Ind. de Mulhouse Bd. 41, S. 37, Jahrgang 1871. 609 mit Weiss, oder nach dem Färben eventuell mit einem hellgelben bis lachsfarbigen Grunde versehen) zu Anfang der 1870er Jahre einen neuen Aufschwung, als ihn die Firmen Barth. Jenny & Cie. und Hefty & Tschudy, dem Beispiel der deutschen Druckerei Gramer D folgend, in neuen, schönen Rouleaux-Dessins in Italien und anderwärts auf den Markt brachten. Nach mehreren Jahren eines vollen Erfolges trat ein plötzlicher und vollständiger Abbruch ein, als im Vorsommer 1876 eine schottische Druckerei in Sizilien und bald darauf in Italien mit Mouchoirs erschien, die ein viel lebhafteres und zugleich solideres Rot, jedoch ebenfalls nach der Aufdruckmanier (Anilinschwarz als Vordruck und Beizenrot als Rentrüre und als Bodenfarbe) erstellt, aufwiesen. Es konnte kein Zweifel sein, dass es sich dabei um eine vervollkommnete Anwendung des künstlichen Alizarins handelte und dass damit mit einem Schlage sowohl der alte, obenerwähnte Krapp- oder Garancine-Artikel abgethan, als auch der vielbewunderte Türkisch- rot-Artikel, soweit es sich nur um Schwarz, Rot und Weiss handelte, durch etwas viel einfacheres, doch ebenso gutes ersetzt war. Nachträglich stellte es sich heraus, dass die Entdeckung ursprünglich im Eisass und zwar in folgender Weise zu Stande gekommen war * 2 ): Schon im Jahr 1860 hatte man in der Fabrik Gros, Roman, Marozeau & Cie. in Wesserling angefangen, für den Druck von Dampf-Anilinfarben die Baumwolltücher mit einer eigentümlichen Oelpräparation zu versehen, welche man durch Behandeln von Olivenöl oder Cocosnussfett mit Schwefelsäure erhalten hatte. 3 ) Die dabei erzeugten „Sulfo-Oelsäuren“ können nämlich mit Alkalien neutrale, wasserlösliche Verbindungen eingehen, welche ') Gegenwärtig heisst die Firma „Gesellschaft für Baumwoll-Industrie vorm. Ludw. & Gust. Cramer“ in Hilden bei Düsseldorf. 2 ) Vgl. hierüber auch Laubers „Handbuch des Zeugdrucks“, Leipzig 1902, Bd. II Lief. I S. 12; ferner die Nekrologe über Horace Köchlin in der „Revue generale des mat. col.“ Bd. II S. 45 u. S. 159. 3 ) Die Idee dazu ist auf Prof. Runge zurückzuführen, welcher sie schon 1834 veröffentlichte und damit ein abgekürztes Türkischrot-Verfahren gefunden zu haben glaubte,- die Thatsache, dass er sich dabei sehr nahe am Ziele befand, ist ein neuer Beweis für die Genialität dieses Chemikers, dessen Arbeiten und Beobachtungen, wie schon S. 575 Anm. 1 angeführt, erst in spätem Zeiten volle Würdigung gefunden haben. 39 sich an der Luft, besonders aber im Dampfkasten rasch und leicht oxydieren und mit der Faser innig verbinden, während bei den bisher gebrauchten alkalischen Oel-Emulsionenund Seifenlösungen die Oxydation und Fixation nur sehr langsam erfolgte. Wie schon S. 608 bemerkt, gewann jene neue Oelsäure-Präparation erhöhte Wichtigkeit, als sie mit dem künstlichen Alizarin in Verbindung gebracht wrnrde und dadurch im Baumwolldruck der Dampffarben-Manier eine ausserordentliche Ausdehnung verschaffte. Zum Färben von Beizendruck schien dagegen das künstliche Alizarin keine Vorteile zu bieten, da es sehr rasch auf die Faser aufging und offenbar aus diesem Grunde bedeutend stumpfere Nüancen als Garan- eine lieferte. Das kam nun anders, als Horace Köchlin, damals ebenfalls Chemiker in der Wesserlinger Fabrik, die Beobachtung machte, dass das stumpfe gefärbte Rot sich in eine lebhafte, dem Türkischrot beinahe ebenbürtige Nuance verwandelt, wenn die gefärbten Stücke in Sulfo-Oelsäure grundiert und gedämpft werden, und dass dieser Prozess auch noch günstig beeinflusst wird, wenn man schon beim Färben dem künstlichen Alizarin etwas neutralisierte Sulfo-Oelsäure zumischt. Soweit dem Verf. bekannt, gelang Köchlin die Komponierung dieses neuen Beizendruck-Alizarinfärbeartikels 1875 und erfolgte die Mitteilung bezw. der Verkauf desselben durch ihn oder die Wesserlinger Fabrik an die Firma Walter Grum in Glasgow gegen den Schluss desselben Jahres oder zu Anfang von 1876. Unmittelbar nachdem die Erstlingsprodukte der beiden Fabriken erschienen waren, erhielt die Herstellung und Anwendung der sulfonierten Oelsäuren eine neue Vervollkommnung, indem Br. Wuth in Ramsbottom (für die Firma John M. Sumner & Cie. in Manchester) und Fritz Storch in Rouen (für die Firma Paul LhonoreeS Cie. in Hävre) das Rici- nusöl einer gleichen Behandlung mit Schwefelsäure unterwarfen und damit das sog. Türkischrot-Oel entdeckten; dasselbe bot den Vorteil, bei gewöhnlicher Temperatur flüssig zu sein und stets sehr gleichmässige Resultate zu liefern, während beim Olivenöl die Reaktion nur glatt verläuft, wenn man es mit einer reinen, unverfälschten Provenienz zu thun hat. Die in der Folge von mehreren schottischen und englischen Fabriken gelieferten Alizarin-Mo uchoirs machten dem alten wichtigen Garancine-Artikel, %vie schon bemerkt, ein so jähes Ende, dass es für die Glarner Drucker von höchster Notwendigkeit war, dem neuen Verfahren baldmöglichst auf den Grund zu kommen. Es geschah dies zuerst durch die Firma Felix Weber in Netstal (welche sich dabei hauptsächlich auf einfache, rot-weisse Mouchoirs beschränkte) und ■die Firma Barth. Jenny & Cie. in Ennenda; der erstem wurde die Kenntnis davon jedenfalls durch Herrn Weber-Gut (S.349 Anm. 1) vermittelt, der zweitgenannten durch den Verf., welcher damals Volontair in einer Fabrik Mülhausens war und Gelegenheit hatte, von einer Vorschrift für die Wesserling’sche Oelsäure-Präparation Einsicht zu nehmen. Dieselbe lautete auf die Anwendung von Olivenöl oder von Ia Cocosfett, welch’ letzteres von Anfang an so befriedigende gleichmässige Resultate ergab, dass man es in •der genannten Fabrik bis heute fast ausschliesslich beibehielt. 1 ) Im September 1876 begann die Fabrikation, welche vom Jahresschluss an dann grössere Dimensionen annahm; anfänglich wurde dem Alizarin im Färbeprozess keine Sulfo-Oelsäure zugesetzt 2 ), sondern erst damit begonnen, als die Alizarinfabrik Przibram ■d Cie. in Wien, welche offenbar das Dr. Wuth’sche Patent erworben hatte, hiefür vom November 1876 an „Patent-Tiirkischrot- Oel“ 3 ) offerierte. Schon einen Monat später brachte die gleiche Farbenfabrik ein Alizarin in Teig in den Handel, welches das *) Nachdem man bei Anlass des neuen Alizarin-Artikels auch hier mit den Sulfo-Oelsäuren bekannt geworden war, wandte man dieselben nun auch -zum Vorgrundieren der weissen Stücke für Dampfdruckfarben an und flösste ■damit den weissbödigen Mignonettes und ähnlichen Artikeln neues Leben ein; auch in diesem Falle verdient die Sulfo-Cocosölsäure den Vorzug, da sie den weissen Grund im Dämpfen nicht gelblich macht; einzig auf den ‘Farbstoff „Auramin“ übt sie eine eigentümliche zersetzende (trübende) Wirkung aus. Bei der Türkischrot-Stück- und Garnfärberei ist man dagegen ausschliesslich auf die aus Ricinusöl bereitete Sulfosäure, das sog. Türkischrot-Oel, übergegangen. 2 ) Das Unerlässliche und Charakteristische für den Alizarin-Beizendruck- Artikel ist das Oelen und Dämpfen nach dem Färben; der Zusatz •neutralisierter Sulfo-Oelsäure zum Färbebad ist zur Erzielung eines hellen, lebhaften Rot, wie durch Versuche im Grossen erwiesen, nicht absolut nötig, gibt aber eine vollere, gesättigtere Nüance. ') 1877 war das Türkischrot-Oel dann auch bei den Firmen C. A. Ostertag in Zürich und Bieter, Ziegler & Cie. in Neftenbach erhältlich. 612 Türkischrot-Oel in richtigem Verhältnis und anscheinend in loser Verbindung mit dem Farbstoff schon enthielt und in der Färberei vorzügliche Resultate ergab. Zum Bedauern der Konsumenten sah sie sich jedoch im Juni 1878 veranlasst, den Alizarin-Artikel wegen Schwierigkeiten in der Fabrikation und wegen der Konkurrenz der grossen deutschen Etablissemente wieder aufzugeben.. Letztere nahmen fortgesetzt an Umfang zu, besonders auch, da. inzwischen in den Türkischrot-Färbereien der Krapp ebenfalls das- Feld gänzlich hatte räumen müssen. L T eber Stand und Gang der Alizarinpreise mögen noch folgende Daten Interesse haben. Man bezahlte in Glarus für gelbstichiges Alizarin in Teig per Kilo 1872:. zirka Fr.24.— (für 15%igen Teig); 1873: Fr. 17—20 (15°/ 0 ); 1875: Fr. 11—12 (15 %); 1876: Fr. 8--9 (15%); 1877: Fr. 7.— bis 6. 50- (16 1 / 2 %); 1880: Fr. 5.75 (16%%); 1881 Januar bis September: Fr. 6. — bis 5.80 (22%); 1881 vom Oktober an: zirka Fr. 7. 50 (für 20%igenTeig, zufolge einer Konvention; von da an stets 20%ige Ware); 1883: Fr.6.50 bisö. —; 1884/5: Fr. 4.—bis2.60; 1886-1892: Fr. 2.—bis 2.20; 1895: zirka Fr.l.70; 1898: zirka Fr. 1.45; 1900 I. Sem.: zirka Fr. 1.25; 1900 II. Sem.: zirka Fr. 1.70. Garancine „extraforte“ kostete in Glarus per Kilos 1860: Fr. 3.— bis 3. 45; 1865: Fr. 2.10 bis 2. 35; 1870: Fr. 4. —; 1874: Fr. 3.—; 1879: Fr. 1.55; 1880-1900: zirka Fr. 1.75. Um den Reiz der neuen Alizarin-Mouchoirs zu erhöhen und sie den bekannten Lyoner Seidendruck-Foulards täuschend ähnlich zu machen, gaben ihnen die englischen Fabrikanten einen glänzenden Embossing- oder Gaufre-Appret, weshalb die glarne- rischen Mouchoirs-Druckereien, welche sich nun alle vermittelst Hand- und Maschinendruck in den neuen Artikel hineinarbeiteten, ebenfalls solche Gaufrir-Calandermaschinen anschafften; da jedoch diese Ausrüstung der Festigkeit des Gewebes häufig gefährlich wurde, kam sie bald wieder in Abnahme. Obwohl im Uebrigen der Absatz dieser neuen Mouchoirs in Rot-, Schwarz- und Braunboden in rascher Zunahme begriffen war, liessen sie von Anfang an wenig Nutzen, da das Produkt zwar viel solider und schöner, jedoch in der Fabrikation teurer und umständlicher als die alten Garancine-Tücher war und die englischen Fabriken mit Hochdruck auf eine massenhafte Produktion (jedoch 613 hauptsächlich nur in der Breite von 75 cm) ausgingen und deshalb die Preise ohne Not successive heruntersetzten; die Glarner Fabrikanten sahen sich infolgedessen genötigt, sich auf neue, teils schmälere, teils grössere Breiten und andere Tuchqualitäten zu verlegen und diejenigen Länder aufzusuchen, wo die englische Konkurrenz sich weniger fühlbar machte. Sind wir bei der bisherigen Darstellung vorwiegend der Entwicklung gefolgt, wie sie sich nach den Geschäftsbüchern und Verbindungen der Firma Barth. Jenny & Cie. vollzog, so haben wir in Beziehung auf einige andere Mouchoirs-Fabriken nachzutragen, dass um die Mitte der 1860er Jahre ein neuer illuminierter Krappartikel anfing, eine bedeutende Rolle zu spielen. Derselbe ging von der Firma Rollfs <& Cie. in Siegfeld bei Köln aus, hiess deswegen hier „Uso Colonia“ und zeigte krappbraune Böden, illuminiert teils mit längst bekannten Tafelfarben (Eisen- nankin oder Kreuzbeer-Orange) teils mit den neuen Dampf-Anilinfarben, wobei sich die Muster bald im Palmen- oder Cachemires- Schlag, bald in ziemlich steifen Blumen und geometrischen Ornamenten bewegten. Dieser Genre wurde nun namentlich von den Firmen Jenny & Cie. 1 ) in Ennenda-Ennetbühls und Hössly & Cie. in Blumenegg (S. 425) in ausgezeichneter Reüssite hergestellt und •) Anschliessend an das S. 325/6 Mitgeteilte schalten wir hier noch ein, dass in der Folge bei den Geschäften dieser Firma in dem Sinne eine Trennung eintrat, dass Herr F. Jenny.Zwicky von 1873 an die Leitung der Spinn- und Weberei in Mollis ausschliesslich besorgte und sie 1883 auf seine alleinige Rechnung übernahm, während seine Beteiligung bei der Druckerei in Ennetbühls aufhörte. Aus derselben zog sich um dieselbe Zeit auch Herr Fritz Jenny im „Hof“ zurück, indem er durch seinen Sohn, Herr Daniel Jenny- Triimpy ersetzt wurde. 1887 nahm sodann Herr Cosinus Jenny seinen Austritt, indem er sich von dieser Zeit an nur noch seinen grossen Geschäften im Vorarlberg und Tyrol iS. 320 Anm. 1) widmete; 1899 ergriff er sodann als Hauptbeteiligter die Initiative zur Gründung einer grossen Baumwoll-Spinnerei und -Weberei in Russland (Firma: Aktiengesellschaft der Moskauer Textil- Manufactur mit kommerziellem Sitz in St. Gallen lind Fabriken in Serpuchow ■und einer andern benachbarten Stadt und einem Aktienkapital von 5 Mill. Franken). Wir fügen bei, dass schon ein Jahr zuvor sich eine ähnliche Aktiengesellschaft mit 3*/a Mill. Franken Kapital und Sitz in Zürich ( Aktiengesellschaft für russische Baumwoll-Industrie) konstituiert hatte, bei welcher neben Zürcher auch Glarner Kapitalisten beteiligt sind. 614 von denselben nicht nur nach Italien, sondern vom Ende der 1860er Jahre an unter dem Kamen „Falcon“ in sehr bedeutenden Mengen und zu guten Preisen auch nach Spanien geliefert, wodurch dieses Land in die Reihe der Abnehmer glarnerischer (bezw.. schweizerischer) Druckwaren trat. Als Pendant dazu d. h. als ein vielfarbiges helles Tuch komponierte die soeben genannte Firma, in Blumenegg elegante Kupferplatten-Vordrücke mit zarten, durchaus ächten Böden (Nankin, Chromgrün, Reseda- und Cachou- Modefarben), alle gemeinsam mit der solidorangen Rentrüre im Chromsäurebad etc. entwickelt und nachher mit Anilinfarben illuminiert; es war dies wohl das feinste und schönste, was man jein hellen vielfarbigen Mouchoirs gesehen hatte. Als ein anderer wichtiger Artikel dieser Fabrik sind noch die kleinen 35—55 cm breiten, weiss- oder hellbödigen Kinder-Nastücher zu nennen, welche- von ihr seit langer Zeit in gewöhnlichen und feinsten Tuchqualitäten und in geschmackvoller Ausrüstung erstellt werden. Andere Firmen trachteten darnach, sich in dem nun zugänglich gewordenen Frankreich ein Absatzfeld zu schaffen, worunter an erster Stelle die Firmen „Gebrüder Freuler“ 1 ) und „Conrad Jenny & Cie.“ 2 ) in Ennenda zu nennen sind. Erstere hatte schon seit den 1850er Jahren nach dem Piemont die „Uso Avignon“ (S. 377) geliefert und erhielt nun darin Nachfrage aus Frankreich,, als die südfranzösischen Druckereien 1870 infolge des Krieges ihren Betrieb einstellten. Damit waren die ersten Verbindungen angeknüpft, wozu auch die zweitgenannte Fabrik kurze Zeit darauf gelangte; dabei zeigte es sich, dass im Lande des guten Geschmacks und der feinen Mülhauser-Indiennes die Mouchoirs- *) Indem von ungefähr 1880 an successive auch die Söhne (und ein Schwiegersohn, Herr Joh. Becker) der S. 326,. 7 erwähnten Gründer ins Geschäft eintraten, änderte sich die Firma in der Folge in „ Gebrüder Freuler & Cie.“; seit 1902 steht die Fabrik im Besitz der Herren Ruch Freuler-Bhmier Heinrich Freuler-Gallati und Fritz Freuler-Riissle. 2 ) Ergänzend zu dem S. 329 Gesagten fügen wir hier bei, dass von 1869—1888 auch Herr F. Tschucly-Schindler (S. 353) Associe dieser Firma war und dass der kommerzielle Chef, Herr Conrad Jenny sen., später durch seinen Sohn, Herrn Conrad Jenny-Streiff C\- 1901) und seinen Schwiegersohn, Herrn Daniel de Henri Dinner abgelöst wurde. Die technische Leitung lag stetsfort bei Herrn Hauptmann J. F. Dinner. 615 Druckerei auf einer erstaunlich tiefen Stufe stehen geblieben war und sich noch immer mit einigen veralteten Krapp-Genres begnügt hatte. Sofort fanden nun auch andere Erzeugnisse der beiden Fabriken Absatz und zwar in einem geradezu ungeahnten Umfange; so namentlich die „Cachenez-Cachemires“ und die „Cachenez fapon soie“, schöne, hellbödige, nach gedruckten Seidenfoulards entworfene Kupferplatten-Vordrücke mit bunten Handdruck-Anilinfarben, auf croisiertem Tuch mit weicher glänzen* der Ausrüstung; für erstere war charakteristisch, dass das unter Orange liegende Rot des Cachemires- oder Palmetten-Effekts eine bis jetzt hier noch nie angewandte Cochenille-Dampffarbe war. Herr Carl Wettler 1 ), der gewandte Reisende der Fabrik Freuler und der unermüdlich thätige Herr Conrad Jenny sen. machten nun monatelange Reisen im schönen Frankreich und konnten so umfangreiche Bestellungen auf diese glarnerischen Neuheiten nach Hause senden, dass während mehreren Jahren der hinterste Drucktisch wieder in Thätigkeit kam. Die erzielten Erlöse erinnerten an die besten Zeiten der 1850er Jahre; auch die Arbeiter kamen nicht zu kurz dabei, da z. B. Arbeiterinnen beim Cachemires-Druck nicht selten Fr. 3. — bis 3. 50 täglich verdienten. Einmal auf dieser Bahn begriffen, warf sich die Firma Conrad- Jenny & Cie. mehr und mehr auf teure Genres mit vielen Farben oder heikler Fabrikation oder auf kostbaren Geweben (baum- Avollene Satins, Crepes und Fapones), für italienischen, französischen und österreichischen Konsum; in kleinen Spezialartikeln für Oberitalien, bei welchen das solide Eisennankin in den verschiedensten Kombinationen stets eine wichtige Rolle spielte, blieb dieses Haus von da an längere Zeit unübertroffen; in Oesterreich fanden namentlich die von ihr 1878/79 gebrachten „Faqon laine“ in, den buntgedruckten Wollcachenez möglichst getreu nachgeahmten Dessins und in dunkeln Fonds auf Croise- Tuch ausgeführt, sehr guten Anklang, wobei namentlich die neuen S. 583 u. 592 erwähnten brillant-grünen und Rosa-Nüancen die Tücher als Neuheiten erscheinen Messen. In Rouleau-Druck war damals nichts bekannt, was sich in Manigfaltigkeit und Lebhaftig- ') Später in Blumenegg, S. 425, Anmerk. 1. 616 keit der Farben mit diesem Handdruck-Genre hätte messen können. Einen besonders guten Griff that sodann die genannte Firma, als sie 1880 den soliden Färbalizarin-Artikelin Cachemiresdessins und Orange-Eindruck brachte, welche schönen Tücher in Italien und anderwärts ausserordentlich gefielen. Wie sehr sich diese Fabrik innert wenigen Jahren gehoben hatte, erhellt aus folgenden, dem Yerf. auf seinen Wunsch mitgeteilten Umsatzziffern, welche in ihrer ersten Periode im Verhältnis zu den Produktionsmitteln als ausser- gewöhnlich hoch zu bezeichnen sind. 1871—1885 waren höchstens 130 Drucktische und 4 Plancheplatten in Thätigkeit, mit welchen jährlich 16—23,000 Stücke ä 80 m im Bruttoverkaufswert von Fr. 800,000 bis Fr. 1,200,000 erzeugt wurden. Von 1886 an arbeiteten 70—80 Drucktische, 2—4 Plancheplatten und 1 Rouleau-Maschine und wurde eine Produktion von 12—18,000 Stück im Wert von Fr. 500,000 bis Fr. 800,000 erzielt. Alle bisher erwähnten Plancheplatten- und Handdruck-Artikel wurden mit der Zeit natürlich auch von andern glarnerischen Mou- choirs-Fabriken aufgeonmmen, infolgedessen umgekehrt die Firma Gebrüder Freuler um die Mitte der 1870er Jahre den Handdruck etwas in den Hintergrund treten liess, dafür 2 Rouleaux-Druck- maschinen aufstellte und mit denselben anfänglich namentlich deutsche, im Veredlungsverkehr wieder nach dem Ursprungslande zurückkehrende Tücher bedruckte. Der bezügliche Verkehr, welcher von 1878 an auch von der Firma Barth. Jenny & Cie. gepflegt wurde, bewegte sich während ungefähr 20 Jahren in ziemlich bedeutenden Zahlen, liess aber den Fabrikanten anfänglich nicht viel und später gar keinen Nutzen mehr, da eben die deutsche Mouchoirs-Druckerei selbst schon längst sehr entwickelt ist und zu Schleuderpreisen verkauft; dass sie dabei nicht auf die Rechnung kommt, ist aus den schlechten Resultaten verschiedener Gesellschaften mit öffentlicher Rechnungsablegung ersichtlich. Abgesehen von der sich mehrenden Konkurrenz zeigte sich in Frankreich nach einigen Jahren auch sonst ein Nachlassen der Zugkraft der mehrfarbigen Cachenez, da man nach und nach an der mangelnden Solidität der bunten Anilinfarben Anstoss nahm; infolgedessen fing man an, lediglich dieA r ordrücke in solidem Anilin- 617 schwarz zu drucken und die Illuminationsfarben wegzulassen, was jedoch auf die Dauer in Bezug auf Dessins auch nicht befriedigen konnte. Da trat die Firma Barth. Jenny & Cie. 1878/9 mit einer Serie von weiss-schwarzen, in Paris gezeichneten und auf Rou- leaux gedruckten Carreaux-Dessins hervor, welche die weissschwarzen gewobenen Seidenfoulards in Dessins und Appretur in bisher nicht erreichter Weise nachahmten und sich deshalb sofort (unter dem Namen „Foulards de Paris“, später als „Foulards Surah“) eines ausserordentlichen Beifalls erfreuten. „Cela se vend comme du pain“ lautete der Bericht von der französischen Hauptstadt. Der Schwerpunkt bei diesen soliden, zuerst nur einfarbig, dann auch zweifarbig gelieferten Dessins, für welche in der Folge ausser den Carreaux natürlich auch andere Ornamente zur Verwendung gelangten, lag in der manigfaltigen und eigenartigen Stecherei mit ihrer täuschenden Wiedergabe der Weberei-Effekte; sie fanden in der Folge auch in Belgien, Deutschland, im Norden und überseeischen Ländern Anklang und wurden nicht nur von den glarnerischen, sondern auch von grossen deutschen, holländischen und französischen Fabriken direkt nachgeahmt. Von andern neuenMouchoirs-Artikeln sind noch zu erwähnen: 1. Alizarin - Genres mit Illuminationsfarben. Vom Anfang der 1880er Jahre an wurden verschiedene bis dahin in Garancine gefärbte Artikel nun in Alizarin ausgeführt und mit neuen Illuminationsfarben bereichert; in solchen im Ausland nirgends hergestellten Genres machte namentlich die Firma Barth. Jenny & Cie. in Italien, Spanien x ) und Rumänien ein bedeutendes Geschäft, was ihr umso besser gelang, als sie schon frühzeitig dazu gekommen war, die in Alizarin gefärbten Braunboden nach eigenem (von Herrn Jenny-Studer komponiertem) Verfahren in sehr gleichmässiger und satter Nüance zu liefern. Dahin gehörten auch ■die schon S. 616 erwähnten Alizarin-Cachemires der Firma Conrad Jenny & Cie. Da die Fabrikation dieser schönen und soliden Alizarin- *) Daneben waren in Spanien, nachdem die „Falcon“ in den Hintergrund getreten, auch verschiedene Sorten Deuil- und Mi-deuil-Tücher, „Fagon- laine“ und breitere Alizarin-Mouchoirs sehr gangbar; ferner feine 8/4 bis 12/4 breite (25/25fädige) weissbödige „Percales“, letzterer Artikel speziell von der .Firma Gebrüder Freuler geliefert. 618 tücher mit nachträglicher Illumination sich für Rouleau-Druck nicht eignet, hliehen sie so recht eine Domäne des glarnerischen Handdrucks; der relativ hohe Preis, den sie wegen ihrer umständlichen Herstellung bedingen, zeigte sich allerdings an vielen Orten einem allgemeinen Verkaufe hinderlich. Als damit verwandten, zwar einfachem, aber doch effektvollen Artikel bleiben noch die „Alizarin- Uso India“ zu erwähnen, welche die Firma Hössly & Cie. 1888 (als verbesserte Auflage der alten Uso India von S. 431) in neuen „Papagallo-dessins“ und sattem Unigelb auf Crepe-Tuch auf den Markt brachte. 2. Battiste-Nankinboden mit Konversionseffekten. 1882/3 brachten Lyoner Seidenfabriken gedruckte Eisen-Nankinböden mit netzartig ausgespartem Weiss und nachher eingepassten roten und blauen Dampffarben, welche da, wo sie auf den Nankingrund fielen, sich in andere Töne verwandelten. Der Genre, welcher sofort und gleichzeitig von den Firmen Conrad Jenny & Cie. und Barth. Jenny & Cie. auf Baumwolle in Satin-, Cröpe- und gewöhnlichen Geweben übergetragen wurde, erwies sich lange Zeit, namentlich in Italien, als zugkräftig. 3. Hellbödige, namentlich creme-farbige Fagon laine. 1884/5 erschienen in den österreichischen Wollcachenez als neuer Genre einfache ein- und zweifarbige Dessins auf blassgelben Fond gedruckt. Dieselben wurden sofort mit Erfolg von den Fabriken Jenny & Cie. und Conrad Jenny & Cie. im Handdruck auf croi- siertem Baumwoll-Gewebe, von letzterer Firma auch in 4—5, in Brechweinstein fixierten, sehr lebhaften Farben ausgeführt. Barth. Jenny & Cie. übertrugen sie auf Rouleaux, brachten sie auch in verschiedenen andern zarten, mit neuen Theerfarben erzeugten Gründen auf den Markt und machten daraus einen grossen Konsum- Artikel für europäische und überseeische Länder, der heute noch von einigen glarnerischen Druckereien geführt wird und sich auf glattem Tuche einem bekannten Cosmanos-Genre nähert, jedoch ohne demselben nachgeahmt zu sein. 4. Modegründe mit Mineralfarben. 1890/1' traten die österreichischen Wolldrucker mit einem originellen Cachenez-Genre hervor, bei welchem mitteldunkle, meistens ins Cachoufarbige, Orange, Gelbe oder Olive ziehende Modegründe mit 1—2 satten Farben bedruckt und schliesslich die weissen Effekte durch Eindrücken einer weissen Mineralfarbe hervorgebracht werden; die Bedeutung der letztem erhöht sich noch dadurch, dass sie auf dem Modegrund weiss bleibt, auf den bunten Illuminationsfarben hingegen von denselben etwas Farbstoff annimmt und so als eine schwache Abstufung derselben erscheint. Die Fabriken Barth. Jenny & Cie., Conrad Jenny & Cie. und P. Blumer & Cie. brachten unter den Namen „Zephir“ und „Mikado“ gleichzeitig, jedoch nach unter sich verschiedenen Fabrikationsverfahren gelungene Nachahmungen auf Baumwolle, wobei namentlich die neuen substantiven Farbstoffe ausgiebige Verwendung fanden. J ) Von der letztgenannten Schwander Firma ist noch nachzutragen, dass sie auch in einigen Rouleaux-Genres stark arbeitete und sich in den vielfarbigen dunkeln Handdruck-„Faqon laine“ (S. 615) seit langer Zeit durch sehr schöne Ware auszeichnete und solche namentlich in grossem Breiten mit und ohne Wollfransen in bedeutendem Umfang für den Orient und für überseeische Gegenden erzeugte; auch war sie durch gleichzeitige Pflege der Yasmas-Artikel im Falle,, in Zeiten von Krisen „zwei Eisen im Feuer“ zu haben. Ueberblicken wir die vorliegende Periode als Ganzes, so erkennen wir fast ohne Ausnahme ein ernstes, unablässiges Streben nach Vervollkommnung in den Erzeugnissen und nach Erweiterung der Absatzgebiete; auch hat die glarnerische Mouchoirs- Druckerei zu keinen Zeiten so selbständig gearbeitet und so viel Neues, von der ausländischen Konkurrenz Unabhängiges hervorgebracht; nur muss in dieser Beziehung betont werden, dass die Baumwoll-Druckerei und speziell die Mouchoirs-Fabrikation, neben einem ihr eigenen Rayon in ziemlich starkem Masse darauf angewiesen ist, das in gedruckten und farbiggewobenen Woll- und Seidenstoffen Erscheinende für die Leute mit bescheidenem Geldbeutel auf den billigem Rohstoff überzutragen, und dass eine Be- ') Ein etwas verwandter Rouleau-Artikel kam ungefähr gleichzeitig durch österreichische Fabriken und die Firmen Hefty & Tschudy und Conrad Jenny & Cie. auf den Markt; es waren dies satte, mit substantiven Farbstoffen gefärbte und mit bunten (zinnsalzhaltigen) Aetzfarben bedruckte Mode- gründe. Die letztgenannte Firma übertrug auch frühzeitig den 1884 von Prud’komme erfundenen und seither so wichtig gewordenen Artikel „Anilinschwarz-uni mit bunten Aetz- oder Reservefarben“ auf die Mouchoirs. 620 nutzung der in jenen auftauchenden neuen Motive nicht ohne Weiteres als Nachahmung qualifiziert werden kann, umsoweniger als eine Umarbeitung stets nötig und die Fabrikation als solche häufig eine vom Original sehr verschiedene ist. Wenn es der glarnerischen Mouchoirs-Druckerei dank der gemachten Anstrengungen möglich war, die in den 1860er Jahren erreichte Höhe der Produktion bis zum Jahr 1891 zum grossen Teil d. h. bis auf eine Einbasse von etwa 20 °/ 0 zu behaupten, so schmolzen dagegen die finanziellen Ergebnisse immer mehr zusammen. Schon 1877—1879 machte sich die überall herrschende Krisis in der Baumwoll- Industrie auch hier sehr fühlbar und war es den hiesigen Fabrikanten zum Bewusstsein gekommen, dass sie die Mehrzahl der frühem überseeischen und orientalischen Artikel der übermächtigen englischenKonkurrenz hatten abgeben müssen. Zur Charakterisierung dieses Faktums und als Fortsetzung des S. 497 Gesagten können wir uns nicht enthalten, aus dem von Herrn Jb. Steiger- Meyer in Herisau verfassten offiziellen Bericht über die Gruppe Y der „Wiener Weltausstellung von 1873“ (Schaffhausen 1874, Verlag von C. Baader) noch folgende Stelle abzudrucken: Die Baumwolldruckerei hat mehr als irgend ein anderer grösserer Industriezweig die durch die Maschine hervorgebrachten Veränderungen erfahren. Die Fortschritte des Maschinendrucks haben seit 1867 den Handdruck in allen Ländern fast ganz verdrängt. Er kann nur noch hei Spezialartikeln existiren, wo die Detailarbeit die Kosten der Präparation für die Maschine nicht decken würde. Eine von drei x ) Arbeitern bediente Druckmaschine bedruckt per Tag 50 bis 100 Stück Stoff von 50 Yards Länge in 3 Farben; während die gleichen Arbeiter per Hand höchstens 6 Stücke zu liefern vermöchten; dabei ist die Arbeit der Maschine sauberer, exakter und schärfer. Das dem Handdruck übrig gebliebene Feld beschränkt sich auf Artikel wie Mouchoirs, Schärpen, Türkischroth und Blaudruck und ganz dünne Stoffe, sogenannte Türkenkappen, welche dreifach aufeinandergelegt und 3 Stücke auf ein Mal gedruckt werden; dagegen muss er auf alle Kleiderstoffe, welche vielleicht 90 °/ 0 des Consumes an Druckwaaren ausmachen, verzichten und auch diejenigen Qualitäten Mouchoirs, welche einen couranten und grossen Absatz haben, der Maschine überlassen. ’) Diese Zahl kann insoweit zu Irrungen führen, als dabei der Meister und die 2 jugendlichen Arbeiter bei den Trockenplatten nicht mitgezählt sind 5 55 2,047,304 Kleinste Produktion 1862 11 434,321 11 J! 1,864,538 Jahrzehnt 1 von ( Grösste Produktion dem Werte nach: 1864 11 541,285 11 11 2,905,434 1861-1870| Grösste Produktion der Menge nach: 1869 11 624,917 11 11 2,052,130 Jahrzehnt l Grösste Produktion 1874 11 623,903 11 11 2,023,214 von < 1871-1880/ Kleinste „ 1878 V 335,887 11 11 978,946 Jahrzehnt 1 von l 1881-1890/ Grösste „ 1881 11 491,544 11 11 1,543,057 Kleinste „ 1888 11 339,416 11 11 1,031,045 Durchschnitt!. Brutto-Erlöse per Dutzend Durchschnitt!. Breite der (Billige und umständliche Fabrikation ineinander gerechnet) fertigen Ware 1853 Fr. 5. 17 Cts. 80 cm 1860 L 11 „ 75 ,, 1862 „ 4. 29 „ 75 „ 1864 „ 5. 36 l /= „ 70 „ 1869 „ 3. 28 „ 70 „ 1874 „ 3.24 „ 70 „ 1878 „ 2. 91 „ 65 „ 1881 „ 3. 14 „ 65 „ 1888 „ 3.03v,„ 70 „ 623 War, wie schon oben bemerkt, die Lage der Glarner Mou- choirs-Druckereien gegen das Jahr 1892 durchaus keine rosige, so mochte sie doch hoffen, sich unter Aufbietung aller Kräfte auch weiter durchzuschlagen. Es sollte jedoch anders kommen, da der Abschluss der neuen Handelsverträge in Bezug auf die Baumwoll-Industrie auf ganz besondere Schwierigkeiten stiess; infolgedessen war es teils nicht möglich, die Interessen der Druckerei zu wahren, teils wurden sie zu Gunsten anderer mächtigerer Industrien geopfert. Der in Handdruckartikeln sehr rege Verkehr mit Spanien hörte mit einem Schlage auf, da die bezüglichen Zölle des spanischen Generaltarifs ungefähr 60 °/ 0 vom Wert erreichten und auch diejenigen des neuen, mit dem 1. Januar 1894 in Kraft tretenden Vertrages mindestens 50% vom Wert ausmachen, während gleichzeitig der Wechselkurs, welcher bisher sich nur wenige Prozent unter pari bewegt hatte, nun in Sprüngen, und zwar zeitweise bis 20 %, zurückging. — Portugal, nach welchem Pariser Kommissionäre nicht unbedeutende Geschäfte in Glarner Handdruck-Artikeln gemacht hatten, schloss überhaupt keinen neuen Vertrag mit der Schweiz und sah seinen Wechselkurs zeitweise sogar bis 40 °/ 0 unter pari sinken. Die Rouleau-Druckerei erlitt von Frankreich her eine nicht wieder zu ersetzende Einbusse, da die Zölle des 1892er Generaltarifs je nach Farben und Tuchqualitäten das 2 V 2 —Bfache der alten Ansätze repräsentierten. Auch der neue Vertrag vom 25. Juli 1895 vermochte keine durchgreifende Besserung mehr zu bringen, indem die darin etwas ermässigten Ansätze bei den Glarner Druckwaren noch immer einem Wertzoll von .25—30 % gleichkommen und somit höher sind als wie sie Wollen- und Seidenwebstoffe, Baumwollstickereien u. s. w. gewöhnlich zu überwinden haben. In den gleichen Genres ist auf dieser Basis eine Konkurrenz mit dem Inland in der Regel nicht mehr möglich und auch in den Spezialartikeln macht sich ein übermässiger, hauptsächlich den Importeur belastender Preisdruck bemerkbar. In dem Hinweis, dass diese abwehrende Haltung hauptsächlich gegen den englischen Import gerichtet war, lag ein sehr fadenscheiniger Trost, da die auch mit den Tarifverträgen vei'bundene „Meistbegünstigungsklausel“ eine zukünftige Abhilfe nahezu aus- schliesst. Die kleinen Verbesserungen, welche die neuen Verträge 624 mit Italien und Oesterreich (vgl. S. 598 u. 600) boten, wurden mit Dank angenommen, konnten aber keinen grossen Einfluss ausüben T da sie durch den inzwischen eingetretenen Rückgang der Werte pro Gewichtseinheit eigentlich bereits überholt waren. Das Zusammenwirken so vieler ungünstiger Umstände hatte eine fast plötzliche Verminderung der Produktion um 80—50 % und deshalb einen Zersetzungsprozess in der glarnerischen Mouchoirs- Druckerei im Gefolge, dessen Ende auch gegenwärtig noch nicht abzusehen ist. Es muss dies umso mehr bedauert werden, als diese Industrie einem Teil der Bevölkerung Jahrzehnte lang einen im Ganzen regelmässigen und ausreichenden Verdienst geboten und letztere in Würdigung der schon S. 866 geschilderten und im Wesentlichen auch heute noch zutreffenden Verhältnisse eine gewisse Vorliebe dafür bewahrt hat. Am schnellsten und nachhaltigsten machte sich die Krisis natürlicherweise in Ennenda- Ennetbühls, dem Hauptsitz der Mouchoirs-Druckerei, fühlbar. Die Druckerei Jenny & Cie. in Ennetbühls war die erste, welche das unvermeidliche Facit aus der neuen Lage zog und 1892 den Betrieb aufgab; dasselbe war auf Ende 1897 mit der Fabrik Gebrüder F. & A. Tschudy in Niederurnen der Fall und zum gleichen Entschluss kamen 1900 die Herren Gebrüder Kubii in Netstal, nachdem ihr Etablissement im Langgütli am 10. April genannten Jahres durch böswillige Brandstiftung eines Arbeiters teilweise zerstört worden war. Die Firma Conrad Jenny & Cie. in Ennenda machte einen letzten Versuch zur Erhaltung der Druckerei, indem sie mit bedeutenden Kosten eine doppelbreite Rouleaux- Maschine samt Kratzmaschinen u. s. w. aufstellte und es in kurzer Zeit dazu brachte, ein- und zweiseitig gerauhte Baumwollflanelle, feine Bett-Tücher und ähnliche Artikel für Schweizerkonsum in schöner Reüssite zu erstellen. Das finanzielle Ergebnis entsprach aber auch auf diesem, der ausländischen Konkurrenz sehr stark ausgesetzten Felde den Erwartungen nicht, weshalb im Sommer 1897 der Entschluss gefasst wurde, den gesamten Druckerei-Betrieb aufzuheben. Seither haben die Herren Daniel Dinner-Jenny und Daniel Dinner-Trüb das Etablissement gemietet und darin unter der Firma „D. &D. Dinner“ im Herbst des Jahres 1900 eine Weberei einfacher und vielfarbiger Boden-Teppiche nach einem neuen 625 System eröffnet; haben vorerst auch nur eine kleinere Anzahl Arbeiter Beschäftigung gefunden, so hat sich das Unternehmen durch seine schönen und preiswerten Produkte doch schon aus den ersten Anfängen herausgearbeitet und hofft man auf eine günstige Entwicklung. Inzwischen hat auch das gut gelegene und umfangreiche Etablissement in Ennetbühls in Herrn Johs. Tschudi in Luchsingen (S. 33 T. II) einen Käufer gefunden, welcher darin Kartonfabrikation einrichtete und dann unterm 1. Juni 1902, kurz nach Eröffnung des Betriebes, sowohl das Stammgeschäft als auch die neue Filiale an seine beiden Söhne — Firma „Gebrüder Tschudi — übergehen liess; indem man diesem Unternehmen bestes Gedeihen wünscht, kann man sich freilich nicht verhehlen, dass der Natur des neuen Geschäftsbetriebes nach auch hier nur ein kleiner Bruchteil der frühem Arbeiterschaft wird Beschäftigung finden können. Einige der noch bestehenden Druckereien haben sich wieder mehr auf überseeische Artikel verlegt, obwohl, soweit der Yerf. einen Einblick hat, für die bezüglichen Erlöse im günstigsten Falle das wenig tröstliche Wort gilt: „Zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.“ So schwer es den Druckfabrikanten fiel, durch Schliessung der Etablissemente das industrielle Vermächtnis ihrer Väter preiszugeben, und ein wie tiefer Eingriff dadurch in die Existenz zahlreicher Familien gemacht wurde, so hat sich diese Verminderung als Folge der Einschränkungen in den Absatzgebieten doch als unabwendbar erwiesen; ein Betrieb unter fortgesetzten Verlusten müsste schliesslich auch in national-ökonomischer Hinsicht als ein Unding erscheinen. Dieser Einsicht haben sich im Grossen und Ganzen auch die Arbeiter nicht verschlossen und muss deren Verhalten in der schwebenden Krisis im allgemeinen als ein ruhiges und würdiges bezeichnet werden; leider sind die Schwierigkeiten, wenigstens in Bezug auf die männliche Bevölkerung, überaus gross, einen ausreichenden Ersatz zu finden. Türkischrot-Färberei und -Druckerei 1860—1900. Nachdem, wie auf S. 166 u. 169 erwähnt, die Türkischrot-Garnfärberei in Frankreich schon im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts namhafte Verbesserungen erfahren und Daniel Köchlin im zweiten 40 Dezennium des XIX. Jahrhunderts die Stückfärberei reorganisiert und die namentlich für den Handdruck so überaus fruchtbare Aetz- drucker ei geschaffen hatte, erfolgten von 1820—1870 1 ) keine Aende- rungen mehr, die allgemeine Verbreitung fanden. Es gelang wohl beispielsweise den Schweizer (und in der Folge auch andern) Färbern, den übermässigen Olivenöl- und Krappverbrauch ohne Schaden für das Rot einzuschränken 2 ); auch hielten sie zwar daran fest, die geölten Garne und Tücher nur an der freien Luft abzutrocknen (und dafür günstiges Wetter abzuwarten), Hessen dann aber als Nachoperation ein Erhitzen in der Trockenkammer folgen 3 ), während man früher für die Oxydation des Oels ein Auslegen auf die Wiesen als unerlässlich betrachtet hatte. Im Fernern blieben manche dabei, dieses Auslegen wenigstens nach dem Avivieren im geschlossenen Kessel beizubehalten, während andere dafür einfach die Avivage nochmals wiederholten und eventuell am Schluss ein leichtes Chlor- oder Säurebad gaben. In den 1850er Jahren versuchten einige Schweizer Färber, das Gallieren der Ware abzuschaffen, mussten dann aber die Erfahrung machen, dass wenn die Tücher sog. tote Baumwolle enthielten, dieselbe als hellrote Flecken zum Vorschein kam. Alles in Allem musste in der Regel für den ganzen Färbeprozess bei den Garnen eine Zeitdauer von 4—6 Wochen und bei den Stücken eine solche von 7—8 Wochen angenommen werden. 4 ) Die kleinsten Aenderungen wurden möglichst geheim gehalten, so dass je nach den empirisch veränderten Verfahren die eine Fabrik (wie z. B. Egg, Ziegler-Greuter & Cie., S. 131) mehr im „Druckrot“ excellierte d. h. in uni-roten Stücken, ') S. 626/8 kamen dem Yerf. namentlich mehrere ihm von Herrn J. Ziegler-Biedermann (früher in Neftenbach, S. 482) gemachte Mitteilungen zu statten, ergänzt durch solche von Herrn Henri Schmid in Mülhausen und durch eine Abhandlung über das Türkischrotöl von Fritz Storch in Lauber’s Handbuch des Zeugdrucks (1902). 2 ) Persoz’s „Traitö de l’impression“ 1846 Bd. III enthält auf S. 203 zur Yeranschaulichung einen bezüglichen Tuchabschnitt aus der Fabrik Jenny &Blumer in Schwanden. ’) Diese Operation hatte durch Selbstentzündung der Ware nicht selten Fabrikbrände zur Folge, weshalb die Glarner Landsgemeinde schon frühzeitig besondere Vorschriften, welche bei Erbauung von solchen „Tröcknetürmen in Rotfärbereien“ zu beobachten waren, erliess. *) Vgl. auch S. 348. 627 welche sich gut ätzen Hessen und doch die Chlorkalkküpe aus- hielten, während andere (so namentlich die Firma Sulzer in Aa- dorf S. 132) einen besondern Ruf für ein schönes, nicht zum Druck bestimmtes „Uni-rot“ erlangten; die Färbereien Ziegler in Rettenbach und Tsckudi in Schwanden nahmen eine Mittelstellung ein •und arbeiteten für alle Bedürfnisse. Verschiedene Vorschläge, den Oelungsprozess durch vorherige chemische Präparation des Oels zu vereinfachen (durch Schwefelsäure nach Bunge, S. 609 Anm. 1, oder später mittelst Salpetersäure nach Gastard in Rouen und Hirn in Logelbach) fanden wenig Beachtung und scheinen in Verbindung mit der alten Krappfärberei keine wesentlichen Vorteile geboten zu haben. Jedoch wird von der Firma Braun & Gordier in Rouen berichtet, dass sie schon in den 1840er Jahren nach Hirn’s Verfahren gearbeitet und spätestens von 1867 an die Oxydation einfach durch trockenes Dämpfen der Tücher vollzogen habe (was sich Moisson schon 1834 hatte patentieren lassen). Einen Weltruf für die Garnfärberei genoss namentlich Elberfeld, welches lange Zeit ungeheure Mengen englischer Garne ä fagon für den Export nach Indien u. s. w. färbte. Nach Mitteilungen von Herrn J. v. Alexander Spelty stand dort auch die Garancine schon längst in starkem Gebrauch; vom Anfang der 1860er Jahre an bedienten sich derselben auch einige schweizerische, namentlich thurgauische Garnfärber, während die Stückfärber, namentlich für „Druckrot“, am Krapp festhielten. In der Stückfärberei ragte unter den ausländischen Firmen namentlich die noch heute hochangesehene von F. Steiner & Cie. in Church und Manchester hervor (deren Gründer aus Ribeauville im Eisass stammten und schon 1814 nach England übergesiedelt waren, jedoch noch lange Zeit in ihrer Heimat eine Filiale unterhielten); dieselbe arbeitete schon in den 1840er Jahren nach einem geheim gehaltenen Verfahren, welches trotz wesentlicher Abkürzungen ein vorzügliches Rot ergab, wobei es sich teils um eine der oben erwähnten Oelpräparationen x ) und zugleich um die Anwendung eines *) Bei dieser Gelegenheit verdient Erwähnung, dass, nach einer gefälligen Mitteilung der Herren John M. Sumner & Cie., der S. 610 genannte Br. Wuth bis 1876 erster, Chemiker in der Pahrik Steiner war und das Türkischrotöl wahrscheinlich schon einige Jahre früher erfunden hatte, jedoch ohne dasselbe in den Handel zu bringen. „gereinigten“ Krapp (ähnlich den später als „Flenr de Garance“ und „Pincoffine“ bekannt gewordenen Produkten) gehandelt haben soll. Die grosse Mehrzahl der Färber im In-und Ausland blieb, wie schon gesagt, bei den alten bewährten, wenn auch umständlichem Methoden. Auch das künstliche Alizarin schien daran vorläufig nicht viel zu ändern; man versuchte mit demselben anfänglich den Krapp nur zum Teil zu ersetzen und nur wenigen Färbereien schien es geraten, mit letzterm ganz aufzuräumen. Das neue Produkt musste namentlich bei der Garnfärberei, wo die bisherige grosse Menge holzigen Pulvers lästig fiel, willkommen sein; in der That wird 1 denn auch gemeldet, dass die bedeutende Garnfärberei J. J. Brunn- schwylers sei. Witwe' 1 ) in Hauptwil (Kt. Thurgau) schon 1873 bedeutende Abschlüsse in Alizarin machte und dass die andern ziemlich rasch nachfolgten; bei den Stückfärbern ging die Firma. H. Sulzer in Aadorf damit voraus, lieber den damaligen Stand der schweizerischen Türkischrotfärberei lesen wir in dem 1874 veröffentlichten, schon S. 620 erwähnten „Bericht über die- Wiener Weltausstellung von 1873“: „Die schweizerische Bothfärberei hatte schon seit 40—50' Jahren, durch alle Lande einen vortheilhaften Euf und befindet sich auch heute noch in vorzüglichen Händen. Diese Industrie ist von den Fortschritten der Mechanik noch wenig berührt worden; sie stützt sich auf chemische Geheimnisse und auf gut eingeübte, gewissenhafte Arbeiter. Wie das Indigoblau, so kommt auch das Tiirkischroth aus dem Osten. Es ist. von unverwüstlicher Solidität; weder Sonne noch irgend eine Wäsche vermögen es zu bleichen; seine feurige Farbe ist ein belebender Vermittler für alle andern Hauptfarben; darum hat es als einfarbiges Baumwolltuch und als Garn für die Buntweberei in allen Ländern der Erde einen grossen Consum. Die Ausstellung in Wien zeigte, dass man sich überall, wo die Baum- woll-Industrie zu Hause ist, grosse Mühe gibt, um den Bedarf des eigenen Landes in türkischrotem Garn und Tüchern selbst zu decken. Die erst kürzlich durch die Chemiker Liebermann und Graebe in Berlin gemachte Erfindung des künstlichen Alizarin, welches den Crapp ersetzen soll, hat in der ganzen Bothfärberei eine grosse Bewegung hervorgerufen. Die Ansichten über den Werth der Erfindung sind noch getheilt, allein das Alizarin gewinnt mehr und mehr die Oberhand. Für die Garnfärberei hat dasselbe schon eine sehr allgemeine Verwendung gefunden, dagegen hat der Crapp für die Stückfärberei noch den Vorzug. England, Oesterreich,. *) Im Uebrigen treten wir auf die Garnfärberei nicht weiter ein, da. uns hierüber kein selbst gesammeltes Material zur Verfügung steht. 629 Deutschland, Bus sl and und Italien wetteiferten an der Ausstellung' mit der Schweiz um den Vorrang in der Türkischrothfärberei. Die Jury selbst war nicht ganz einig, wem die Krone gehöre. Wir selbst konnten zwischen den Fabrikaten der verschiedenen Länder nur einen minimen Unterschied finden. Das Ausland ist jedenfalls der Schweiz sehr nahe gerückt. In den Tüchern machte Steiner in Manchester der Schweiz den Vorrang streitig; im Garne Elberfeld und das Vorarlberg. Man schätzt den Werth der durch die schweizerischen Tiirkischroth- färbereien produzirten Garne auf 7 Millionen Franken; weitaus der grösste Theil wird im eigenen Laude verwendet. Die jährliche Produktion der Schweiz in türkischrothen Tüchern schätzen Fachleute auf circa 6—700,000 Stück, wenn die verschiedenen Breiten auf 24 Zoll und 22 Stab reduzirt werden, was zum Durchschnitts- werthe von Fr. 13 die Summe von 8—9 Millionen Franken ausmachen würde. J ) Die türkischrothen Tücher der Schweiz gehen uni und bedruckt nach sehr vielen Gegenden und können sogar nach Frankreich, Belgien, Holland und England importiert werden. Von den aussereuropäischen Ländern ist Indien der Hauptconsument für tiirkischrothe Garne und Tücher. Dessen Bedarf von Garnen wird hauptsächlich von Elberfeld gedeckt, welches sich dafür speziell eingerichtet hat und mit allen Geschäftskniffen so vertraut ist, dass eine solide Concurrenz nicht wohl aufkommen kann. In den türkischrothen gedruckten Tüchern machte die Schweiz früher in Indien ein grosses Geschäft; dasselbe ist aber durch die Concurrenz von Glasgow, welches die geringem Qualitäten lieferte, bedeutend reduziert worden. Dagegen fanden in den letzten Jahren die Schweizer Chintz (tiirkischrote Indiennes) guten Eingang in London, wo man für den einheimischen Bedarf die schöne Waare mit gutgesättigtem Grund und lebhaftem Druck gerne etwas höher bezahlte; es ist diess ein schlagender Beweis, dass es für uns viel richtiger ist, unsern Absatz auf ausgezeichnete Qualität und nicht auf Billigkeit zu stützen; überall wo wir mit England in Massenartikeln Zusammentreffen, ist für uns kein lohnendes Geschäft mehr möglich; die 5—10%, welche der Engländer auf Frachten, Packung, Steinkohlen etc. ersparen kann, machen dem Schweizer die Concurrenz fast unmöglich.“ 9 Diese Summe stellt den Wert der ungedruckten Tücher dar; nach der Zahl und Ausdehnung der Druckereien und andern Anhaltspunkten zu urteilen, glaubt der Verf. annehmen zu dürfen, dass um 1873 davon */» als uni-rot und % als bedruckt zum Export gelangten, und da damals das Bedrucken eine Wertvermehrung um ungefähr 20 % in sich schloss, stellte sich der Gesamtwert der Produktion der schweizer. Türkischrot-Stückfärbereien und -Druckereien auf 2—2 1 /, Millionen Franken für Uni-rot und 7—8 Millionen Franken für Aetzdruckartikel. 630 Als infolge der Deroute der Rohtuchpreise nach dem amerikanischen Kriege auch die Erlöse für die gefärbten und gedruckten Waren auf den Selbstkostenpreis gesunken waren, bildete sich 4 ) unterm 17. November 1871 eine Vereinigung der schweizerischen Türkischrot-Drucker, deren Teilnehmer sich sowohl für FaQondruck als auch für die eigenen direkten Geschäfte zur Innehaltung bestimmter minimaler Ansätze verpflichteten. In Berücksichtigung der anhaltend steigenden Tendenz der Brennmaterialien, Chemikalien und Arbeitslöhne liess man bei der am 22. April 1873 vollzogenen Erneuerung des Abkommens eine nochmalige Erhöhung der Fa 633 kommeneres Verfahren 0 für Stück- und Garnfärberei, welches, abgesehen vom Entschlichten, nur noch folgende Operationen aufweist: Oelen (in Ammon-Sulfoleat), Trocknen, Dämpfen, Alaunen, Waschen, Färben in Alizarin (mit Zusatz von Zinnoxyd oder Metazinnsäure nebst Kalkacetat und Sulfoleat); dann wieder Oelen, Dämpfen und Waschen; das „Avivieren“ oder „Seifen“ war demnach durch den Zinnsäurezusatz im Färben überflüssig geworden. Auch diese Arbeitsweise wurde um die Mitte der 1880er Jahre allgemeiner bekannt und auch sonst suchte jede Färberei bei dem heftigen Konkurrenzkampf nach neuen Vereinfachungen, so dass beispielsweise das gegenwärtige Verfahren der Fabrik Tschudi sich nötigenfalls in bloss vier Tagen abwickeln lässt und nur noch folgende Operationen umfasst: Entschlichten, Oelen, Trocknen (imHotflue), Alaunen, Trocknen (im Hotflue), Kreidein, Waschen, Färben in Alizarin (mit Zusatz von Zinnpräparaten und Rotöl), Waschen, Dämpfen und Trocknen. Alle noch mehr vereinfachten Verfahren geben dagegen in der Stückfärberei ein weniger klares und feuriges, ja oft ein entschieden abgerissenes oder trübes Rot; nur in der Garnfärberei wird im Allgemeinen dem von dem obigen abweichenden sog. Thonerde- natron-Oleat-Verfahren der Vorzug gegeben. Alle besprochenen Neuerungen führten eine solche Ersparnis an Chemikalien und an Zeit herbei, dass Färbereien, welche sich nicht rasch damit vertraut zu machen im Falle waren, durchaus konkurrenzunfähig wurden und daher den Betrieb aufgeben mussten oder ihn vorübergehend nur mit grossen Verlusten aufrecht erhalten konnten. Infolgedessen machte sich in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre eine intensive Krisis im gesamten Türkischrot-Artikel fühlbar. Kehren wir nun auch noch einen Augenblick in frühere Zeiten zurück, um die Entwicklung der glarnerischen Türkischrot-Fabriken noch etwas näher zu verfolgen: In den 1850er Jahren, als alle andern Artikel florierten, ging die Türkischrot-Druckerei im Glarnerland aus den S. 402 angeführten Gründen stark zurück. In den 1860er Jahren trat bei *) Siehe dessen Pli cachete No. 281 vom 11. Februar 1879, abgedruckt auf S. 268 im Bulletin Soc. Ind. de Mulhouse, Jahrgang 1899. den wenigen Fabriken, die sie noch führten, ein Wiederaufschwungein; speziell die Firma Tschudi & Cie. in Schwanden führte um 1865 den Perrotin e-Druck 1 ) ein und gelangte dadurch zur Erstellung einiger schöner und gangbarer Indiennes-Artikel; daneben war auch die Handdruckerei in vollster Thätigkeit, da sich auch für die damit erzeugten Mouchoirs-Artikel lebhafte Begehr zeigte. Der Uebergang zum Perrotine-Druck verhalf, wie schon S. 861 bemerkt, auch der Firma Luchsinger, Eimer & Oertli in Näfels zu vermehrtem Absatz. Die Umwälzung, die sich in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre in der Türkischrot-Färberei vollzog, brachte in der Schweiz mehrere Färbereien und Druckereien zum Stillstand ; im Glarnerland blieben nur noch die zwei soeben erwähnten Firmen, wovon sich die letztgenannte stetsfort nur auf die Druckerei beschränkte. Die 1880er Jahre brachten ruhigere und günstigere Zeiten; da die nach dem neuen Verfahren gefärbten uni-roten Tücher viel billiger zu stehen kamen und sich, weil nicht so mit Fettsäure beladen, leichter und sicherer ätzen liessen, nahm die Druckerei einen neuen Aufschwung, so dass beispielsweise bei der Firma Tschucli & Cie, das Jahr 1887 den Höhepunkt der Druckerei bezeichnet, bei einer Produktion von 24,400 Stück ä durchschnittlich 55 Meter Länge (im Bruttoverkaufswert von zirka Fr. 500,000), wovon zirka 2 / 3 auf den drei Perrotinen und der Rest von Hand gedruckt wurde. Diese grösstenteils mehrfarbigen („illuminierten“) Artikel fänden zu 3 / 4 Absatz in Britisch- und Holländisch-Indien und der Rest in europäischen und türkischen Ländern. Da jedoch die leichte Aetzbarkeit des neuen Rot die Engländer veran- lasste, sich dafür in grossem Maßstabe nun auch des Rouleaux- Drucks zu bedienen, stellte sich in den 1890er Jahren eine ruinöse Konkurrenz ein, infolge welcher man sich in dem Geschäft in Schwanden veranlasst sah, den Druckereibetrieb sehr- bedeutend zu beschränken. Umsomehr warf sich dasselbe nun wieder auf die Färberei. Schon zu Anfang der 1880er Jahre hatte man auch die Türkischrot-Färberei von Garn für den Verkauf nach Vorder- und Hinterindien aufgenommen und schenkte *) Vgl. S. 505. Eine fünffarbige Perrotine kostete damals Pr. 9700. In den Fabriken von Islikon (S. 130) und Richterswil (S. 483) hatte der Perrotine- Druck schon etwa 10 Jahre früher Eingang gefunden. 635 - diesem Zweige nun vermehrte Aufmerksamkeit; 1890/1 erfolgte eine Verbesserung derselben durch den Uebergang zum „Thon- erdenatron-01eat“-Verfahren und 1893 nahm man, zum Teil nur im Lohn, auch die Bunt- oder „Couleur“-Färberei von Garn und Stücken auf; 1897/8 richtete man zur Ergänzung eine eigene Hasplerei und Äusrüsterei der Garne ein. Daneben hatte man schon 1888 auf Anregung der Nachbarn, der Herren Paravicini (Spinnerei Schwanden) teils in Holzkufen, teils in alten Avivierkesseln Versuche zur Färberei der Baumwolle in Flocken gemacht und war dann 1892/3 zur Anschaffung Obermeier’scher Färbeapparate 1 ), welche eine weniger verfilzte und darum viel besser verspinnbare Ware liefern, übergegangen. Dieses Produkt dient zur Erzeugung melierter Garne, welche gegenwärtig als solche oder zu Wirkwaren verarbeitet, guten Absatz haben. Die Firma Tschudi & Cie. hatte die Genugthuung, durch diese neuen Artikel ältere abgehende zu ersetzen und die Gesamtproduktion, wenigstens dem Quantum nach, noch erheblich zu steigern; so betrug die Produktion an Tüchern und Garnen im Jahr 1889 (als Maximalziffer der 1880er Jahre) zirka 240,000 Kilos, während sie 1899 an Tüchern, Garnen und Flocken beinahe 300,000 Kilos erreichte. Dabei konnte allerdings nicht verhindert werden, dass die Arbeiterzahl, die in den 1860er Jahren in Druckerei und Färberei gegen 200 betragen hatte,, wegen der Reduktion des Druckereibetriebes bedeutend zusammenschmolz; die neuen vervollkommneten Maschinen- und Färberei- Verfahren gehen eben alle darauf aus, an Handarbeit zu sparen. Seit mehreren Jahren hat sich namentlich in Deutschland und Russland ein neues, von Schlieper & Baum, in Eiberfeld erfundenes- Verfahren des Bunt ätz ens von Türkischrot eingebürgert, unter b Diese, nach dem Grundsatz „der ruhenden Faser und der kreisenden Flotte“ arbeitende Färbemethode erhielt durch die Erfindung der „substantiv“, „selbst“ oder „direkt“ färbenden Farbstoffe (S. 587 T. II) eine sehr wesentliche Förderung und wird gegenwärtig in der Färberei der Baumwolle in Flocken oder kardierten Bänden fast ausschliesslich, in der Couleur» Garnfärberei ziemlich stark angewendet. Für die Erzeugung von Türkischrot ist sie nicht brauchbar; so werden, wenn man ganz lichtechtes Rosa zum Verspinnen mit gebleichter Baumwolle verlangt, die Flocken in Schwanden noch nach dem alten Verfahren in Kufen bezw. in Körben nach dem Türkischrot-Verfahren gefärbt. Vgl. auch S. 122 T. I. 636 Anwendung stark alkalischer Farben von etwas matterm Aussehen aber grösserer Echtheit, und in neuester Zeit ist dem Türkischrot selbst in den Entwicklungsfarben (S. 589), speziell in dem „Paranitranilinrot“, ein gefährlicher Konkurrent erwachsen, so dass die meisten Fabriken gezwungen sind, auch das Färben und Euntätzen von solchen zu betreiben, wenn sie nicht nach gewissen Absatzgebieten lahm gelegt werden sollen. Indem wir auf die S. 385 für die 1820er und 1830er Jahre festgestellten Preisverhältnisse zwischen rohen, gefärbten und gedruckten Tüchern hinweisen, lassen wir noch eine kleine Tabelle folgen, welche wir der Gefälligkeit der Herren Tschudi & Cie. verdanken und die den seit der Mitte der 1870er Jahre eingetretenen sehr bedeutenden Preisfall des Artikels im Allgemeinen und der Färberfacon im Besondern zu lebhafter Anschauung bringt: Brutto-Verkaufspreise türkischroter Waren von 1850 bis 1900. Artikel bezw. Qualität 1850 1860 1864 1870 1880 1890 1. Sog. 5 4 1 ) Calicots, 19/17 fädig, roh 24 franz. Zoll = 65cm; gebleicht 60 cm; von 1880 an nur noch roh 63, gebleicht 58 cm. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Das Rohtnch per Meter . . ? 1—. 24 —. 48 —.26 —. 18 —. 16 Uni-rot gefärbt per Meter Mehrfarbig in Indiennes- Cachemires - Dessins geätzt, 1850-1864 in Handdruck, 1870—1890 auf —. 70 ; —. 55 ! —.82 —. 48 —.30 —.22 der Perrotine, per Meter 2. 8/4 breite, 19/17 fädig, roh 90 cm, gebleicht 83 cm. —.84' ? i 1.07 —.58 —. 43 —.33 Das Rohtuch per Meter . ? |—.37 V. —. 67 —.35 —.25 1 /» -.22»/. Uni-rot gefärbt per Meter Bunt geätzte Indiennes . . (von 1870—1900 inPer- 1. —1—. 78 1. 12 —. 69 —.39 -.29V2 rotinedruck), per Meter . Bunt geätzte Handdruck- 1.30 ? p —.86 —. 60 —,45V. Mouchoirsu. Chales,p.Dutz. 12.—: ? 14. 75 9. 40 7.30 5.75 x ) Bezüglich der Breitenmasse, speziell der Bedeutung der ..Viertel“, hei allen möglichen Sorten von Mouelioirs, können wir am Schlüsse der Arbeit- das S. 200 2 Gesagte voll und ganz bestätigen. Dagegen nahm die S. 205 erwähnte Standardqualität 637 In dem genauen, von der 1871er Drucker-Vereinigung (S. 630) festgestellten Tarif der Fatjon-Preise fanden sich in den Breiten von 5/4 bis 14/4 folgende Türkischrot-Artikel aufgeführt: Gewöhnliche, ein- und zweiseitig gedruckt, mit Weiss oder Gelb; Rotböden mit Weiss und Schwarz; ariilinschwarze Böden mit rotem oder schwarzem Rand; Cachemires und ähnliche Artikel mit weissen, schwarzen, gelben, blauen (grünen), auch braunen und violetten Illuminationsfarben; breite Möbel-Decken und Teppiche (Tapis und Portieres), Croise Chäles und „Gheffies“ oder „Coffias“ mit roten Wollfransen; schmale 1—Sfarbige Indiennes; Fichus (Kindertüchel); abgepasste Artikel für Hinterindien (Sarongs, Slen- dangs, Pagnes, Tjendees). Glarnerische Yasmas-Druckerei von 1860—1900. Nach den so überaus günstigen Konjunkturen zur Zeit des Krimkrieges (S. 438) hatte sich gegen das Jahr 1860 im Yasmasartikel eine ziemliche Flauheit eingestellt, als der amerikanische Bürgerkrieg das Geschäft von Neuem belebte, teils durch die überall eintretende Knappheit an Baumwollwaren, teils weil die in verschiedenen türkischen Ländern nun in grösserm Maßstabe gepflegte Baum- wollkultur viel Geld ins Land brachte. Es gab da Zeiten, wo in der grössten Fabrik (Firma Joh. Heer in Glarus, S. 354) Woche um Woche 1800—2000 Stück ä 75 aunes in die Wascherei und Ausrüsterei gelangten und wo somit der Jahresumsatz bis gegen 100,000 Stück stieg, darunter allerdings viel leichte Mousseline- Ware 1 ). Ueber die intensive Krisis, die Ende der 1860er Jahre,. von Calicots (für die namentlich im Kanton Zürich vertretene Uni-rot- und Indiennes- fabrika.tion) stetsfort eine gesonderte Stellung ein. Da sich nämlich das Verständnis für die ursprüngliche Bezeichnung ,,6/8“ bald verlor, ging man frühzeitig dazu über, dafür ,,5|4“ zu setzen, welcher Brauch sich dann in der Türkischrotfärberei fast bis in die Gegenwart erhielt. Bei den breiten Indiennes rechnete man in der Regel nach den überhaupt sonst allgemein üblichen Mouchoirs-Vierteln. In teilweiser Berichtigung von Anmerk. 1 S. 260 müssen wir nur noch bemerken, dass so lange man in den Glarner' Mouchoirsfabriken schmale Indiennes druckte, man sich ebenfalls jener Bezeichnung ,,5/4“ bediente (wie beispielsweise auf S. 274 oben ersichtlich) und dass infolge dessen überhaupt bei den 50— 00 cm breiten Waren die Bezeichnung 5/4, 5 1 j 2 /4 und 6/4 nicht genau auseinander gehalten wurden. Dass die Bezeichnung ,,5|4“ für roh 24 franz. Zoll oder 65 cm eine durchaus uneigentliche war, erhellt schon daraus, dass sie, verglichen mit den bei den hohem Breiten üblichen Massbezeichnungen, eine kleinere Breite, als wie sie wirklich vorhanden war, bedeutete, während ja sonst bekanntlich stets eher das Gegenteil der Fall ist. *) Um diese Zeit war Konstantinopel weitaus der wichtigste Handelsplatz, indem derselbe um 1870 (nach zollamtlichen Aufzeichnungen> jährlich allein zirka 4700 Kisten glarnerischer Yasmasartikel im Wert von. durchschnittlich Fr. 760 per Kiste aufnahm, während man 1887 kaum noch 1700 Kisten im Wert von zirka Fr. 400 per Kiste zählte. -638 teils durch die allgemeinen Marktverhältnisse, teils durch die Einführung des Doppeldrucks sich einstellte, haben wir S. 541 u. ff. ausführlich berichtet. Das Haus Luchsinger & Streiff in Oberurnen, welches sich nie recht mit dem Doppeldruck vertraut gemacht hatte, sah sich 1870 nach dem Tode des S. 417 erwähnten Gemeinderat Joh. Rudolf Luchsinger *) veranlasst den Betrieb auf- .zugeben. Als sich dann die Arbeiterzahl in den Yasmas-Druckereien den neuen Verhältnissen entsprechend vermindert hatte, kamen wieder etwas günstigere Zeiten. Eine besondere Förderung empfing der Yasmas-Artikel durch die neuen künstlichen Farbstoffe, da sich dieselben für Handruck sehr gut eigneten und die Orientalen ausserordentlichen Gefallen fanden an den feurigen Farbentönen, die man sonst wohl in der Blumenwelt bewundert -hatte, die aber in den Druckgeweben etwas bisher Niedagewesenes bedeuteten. Da seither auf diesem Gebiet eine Entdeckung die andere abgelöst hat, ist dieser Born für neue Farbenkombinationen >) Sein Sohn gleichen Namens, welcher am 18. Juni 1835 in Triest geboren wurde, sass dann in der Sekundarschule Glarus mit dem spätem Grossindustriellen Heinrich Heer (S. 488) auf der gleichen Schulbank, wo •diese beiden Seif made man wohl bereits ihre Zukunftspläne schmiedeten. Herr Luchsinger zeigte (nach Nr. 113 der „N. Zürch. Ztg.“ 1898) schon frühe ■aussergewöhnliche Geistesgaben, verbunden mit einem unwiderstehlichen Drange, sich in der Welt aus eigener Initiative sein Glück zu suchen. Dies veranlasste ihn, sich schon als 17jährigen Jüngling nach Brasilien einzuschiffen (wohin sich vor Jahren ein naher Verwandter von ihm begeben hatte). Sein Eifer und seine Talente verschafften ihm nicht nur eine Stelle in einem grossen Handelshause in Rio Grande do Sul, sondern trugen ihm in demselben schon 1854 die Prokura und später die aktive Beteiligung ein. Nachdem er sich inzwischen mit der Tochter eines dort ansässigen deutschen Kaufmanns vermählt hatte, etablierte er sich 1865 in der genannten Stadt auf eigene Rechnung und brachte dieses neue Import- und Exportgeschäft zu hoher Blüte, errichtete auch eine Zweigniederlassung in Porto Alegre und wurde mit dem Amt eines schweizerischen Konsuls betraut. 1872 siedelte er mit seiner Familie nach Zürich (Utoquai) über, die Geschäftsführung in Brasilien tüchtigen Mitarbeitern, zu welchen etwas später auch seine 3 Söhne zählten, überlassend. Die Oberleitung, besonders die Einkäufe der aus Europa zu beziehenden Waren, behielt Konsul Luchsinger in seinen Händen und machte auch die Seereise nach Südamerika noch zehnmal, bis er im April 1898 vom Schauplatz seiner umfangreichen Thätigkeit durch den "Tod abgerufen wurde. 639 bis auf den heutigen Tag nicht versiegt. Die bunten Farben fanden namentlich bei den Blumen und Blättern Verwendung, während sich das solide und schöne, die begleitenden Farben nicht beschmutzende Anilinschwarz als Bodenfarbe unentbehrlich machte. In der Verwendung und Fixation der Anilinfarben aut Baumwolle leisteten damals die Yasmas-Fabrikanten manches Originelle. Daneben verdient Erwähnung, dass in den meisten Türkenkappen-Fabriken schon in den 1860er Jahren auch einige Kupferplatten-Maschinen für exaktere Vordrucke aufgestellt wurden. Als einen jener neuen Genres, bei welchen die Anilinfarben .so recht zur Geltung kamen, greifen wir die ungefähr 1 Meter breiten, schwarz- und braunbödigen sog. Franzosen-Chäles heraus, welche das Haus Heinrich Brunner in Glarus zu Anfang der 1870er Jahre französischen Wollchäles in sehr gelungener Weise nachbildete. — Diese Auffrischung der alten Levantiner - Chäles (S. 372 u. 430) hat sich bis heute als lebensfähig erwiesen, indem solche und ähnliche (auf schwererem Tuche und daher nicht in Doppeldruck erstellte) Chäles in Rumänien und einigen andern Ländern Stetsfort einen ansehnlichen Verschleiss erzielen. Im Uebrigen standen die Yasmas-Artikel fast immer im Zeichen des Abschlages. Wenn auch eine direkte europäische Konkurrenz nicht existierte und den Druckereien in der Türkei selbst bis in die 1880er Jahre hinein wenig Bedeutung beizumessen war, so stellte sich doch in kurzem oder langem Intervallen immer wieder Ueberproduktion ein. Dabei wirkte das Zurückgehen des muha- medanischen Elements in den durch die Befreiungskriege vom türkischen Reich abgetrennten Provinzen ebenfalls ungünstig und eine anderweitige Ausdehnung des Absatzes begegnete grossen Schwierigkeiten. So ist es Thatsache, dass der Süden des europäischen und asiatischen Russland für die Yasmas ein günstiges Feld wäre; hier herrscht aber noch immer die Prohibition und 4er Finanzminister wurde leider nicht geboren, welcher erkannt hätte, dass ein massiger Schutzzoll die Staatskasse füllen könnte und dabei die industrielle Entwicklung nicht gehindert, sondern lediglich in eine etwas langsamere und solidere Bahn gebracht würde. Die häufig eintretenden Arbeitsstockungen veranlassten die Arbeiter, sich aushilfsweise wieder mehr mit Landwirtschaft, 640 Holzen und Wildheusammel'n zu beschäftigen; man beobachtete dies auch an der Zunahme der dörflichen, im Sommer auf die Gemeindeweiden angewiesenen Ziegenheerden, die in den frühem günstigen Zeiten im Mittellande stark zusammengeschmolzen waren. Im Uebrigen entwickelten die Yasmas-Fabrikanten eine verblüffende Findigkeit, die fortwährenden Abschläge zu paralysieren durch grösste Oekonomie auf der ganzen Linie, Verringerung der Breite und Fadenzahl der Gewebe, verstärkte Unquadratur der Muster, Vereinfachungen in der Stechereiund Vervollkommnung des mehrfachen Druckes, in welcher Richtung es schliesslich gelang, Mydoubles-Gewebe dreifach zu drucken, was man früher nicht für möglich gehalten hätte. Auch kam man immer mehr dazu, in gewissen Genres die Farben nur noch zu dämpfen, aber nicht mehr zu waschen, was bedeutende Ersparnisse an Farbstoff und Handarbeit ermöglichte und wobei die Farben sich als sehr lebhaft und lichtecht erwiesen. Die „Wasserscheu“ solcher Produkte wog allerdings die Vorteile bis zu einem gewissen Grade wieder auf, wenn schon „Regensommer“ nach Art der hieländischen in den türkischen Ländern nicht bekannt sind; gerade in neuerer Zeit, sollen aus jenem Grunde die gewaschenen Tücher der Fabriken von Beirut, Smyrna und Konstantinopel, in welchen hauptsächlich Armenier arbeiten, an Beliebtheit gewonnen haben; auch das schutzzöllnerisch gewordene Griechenland deckt einen grossen Teil seiner Bedürfnisse an Druckwaren durch eigene Fabriken. Die Zolltarif- Aenderungen der Schweiz um 1890 brachten für die Yasmas-Fabrikanten neues Ungemach; da die Mehrzahl derselben nämlich, oft wie man sagte, um einer minimen Differenz willen, sich mehr und mehr englicher Rohtücher bedienten, setzte der schweizerische Spinner-, Zwirner- und Weberverein in der h. Bundesversammlung eine bedeutende Zollerhöhung für die hauptsächlich, in Betracht fallenden Rohgewebe durch. Von den bis dahin geltenden schweizerischen Einfuhrzöllen (für eine Gewichtseinheit von 100 Kilos) mögen folgende angeführt sein: Baumwollgewebe, rohe glatte oder geköperte bis und mit 38 Fäden (Zettel und Schuss zusammengenommen) auf 5 mm im Geviert, mit Ausnahme der Gewebe aus Garn No. 70 engl, oder feinem Nummern.Fr. 8. —- 641 Baumwollgewebe, rohe glatte oder geköperte, über 38 Fäden und solche unter 38 Fäden, jedoch aus No. 70 engl, oder noch feinere Nummern Fr. 14. — Baumwollgewebe, gebleichte, gefärbte, bedruckte und buntgewobene. »35. — Der neue, am 10. April 1901 beschlossene und am 1. Januar 1903 in Kraft tretende Tarif wies dagegen folgende Ansätze auf: Baumwollgewebe, glatte und geköperte, roh im Gewicht von 6 Kilos und darüber per 100 m * 2 Fr. 10. — J ) Baumwollgewebe, roh, im Gewicht von weniger als 6 Kilos per 100 m 2 und zwar: mit weniger als 20 Fäden auf 5 mm im Geviert „ 20. — „ 20 und mehr „ „ 5 „ „ „ „ 50. — Baumwollgewebe, gebleicht, gefärbt, bedruckt oder buntgewoben und zwar: über 7 Kilos per 100 m 2 . »40. — bis und mit 7 Kilos per 100 m 2 .... „45. — Da die grosse Mehrzahl der Yasmasgewebe 2 ) weniger als 6 Kilos per m 2 wiegen und der Ansatz von Fr. 50 für die sogen, feinen Midoubles als eigentlicher Schutzzoll wirken musste, haben die damit Betroffenen seither nicht aufgehört gegen diese Behandlung zu protestieren. 3 ) Immerhin hatten jene Vorgänge damals zur Folge, dass die Yasmas-Fabrikanten sich endlich im März 1892 zu einem „Convenium“ zusammenschlossen und zur Sanierung ihres Artikels sich gegenseitig unter Androhung hoher Bussen und unter eingehender Kontrolle einer geschäftskundigen, unparteiischen Persönlichkeit verpflichteten, die Yasmas nur noch ') In diese Kategorie fallen alle von den Mouchoirsdruckern verwendeten Gewebe, da auch die leichtesten Sorten (15/12 F. per ‘/ t franz. Zoll) noch etwas über 6 Kilo per 100 m 2 wiegen. 2 ) Ygl. S. 428/9. *1 Nachdem der h. Bundesrat, einer Ermächtigung zufolge, seither in Zeiten voller Beschäftigung der schweizer. Weberei ausnahmsweise für die feinen Midoubles zollfreie Einfuhr (Admission temporaire) gestattet hat, soll nun nach einem bei der h. Bundesversammlung anhängigen Vorschläge diese Vergünstigung der Yasmas- und Battickdruckerei für ein fixes jährliches Quantum von 70,000 Stück ä 80 m glatter Baumwollgewebe englischer Provenienz garantiert werden. 41 zu den nach Breiten und Yerkaufsplätzen genau spezialisierten, unter sich gleichen Preisen und Konditionen zu verkaufen. Dabei wurden die Zahlungstermine abgekürzt, deren genaue Innehaltung durchgeführt und zugleich der Betrieb durch Verminderung derAnzahl von Stückbreiten und Qualitäten stabiler, billiger und einfacher gestaltet. Auf den Preisansätzen, die, auf Basis gleicher Grössen und Qualitäten berechnet, jedenfalls unter die Hälfte derjenigen vom Jahr 1870 gesunken waren, liess man eine namhafte Erhöhung eintreten. Die Organisation der Uebereinkunft als solche funktionierte im Ganzen sehr gut und die Fabrikanten befanden sich wohl dabei Q; nicht dasselbe war bei den Arbeitern der Fall, da der Absatz und damit die Arbeitsgelegenheit auf dem erhöhten Preisniveau erheblich zurückging, was sich namentlich im Hauptort Glarus unangenehm fühlbar machte. Gleichzeitig nahm die Fabrikation in der Türkei selbst, die sich ausschliesslich englischer Tücher bediente, erheblich zu und erschien 1894/5 zum ersten Mal sogar England mit falschfärbigen Rouleau-gedruckten Yasmas l ) Bei dieser Gelegenheit mögen noch folgende frühere, allerdings bei Weitem weniger einschneidende Convenien glarnerischer Druckfabrikanten erwähnt werden: a) Am 21. März 1866 verpflichteten sich sämtliche Druckfabrikanten, die Rohtücher nur noch in einheitlichen Stücklängen zu beziehen, eine Fehlergrenze von 1 Stab per Stück Vorbehalten. Diese Uebereinkunft wurde im Februar 1869 für einige Jahre verlängert und als Normallängen bestimmt: Für Mouchoirs und Midoubles 62 aunes; für Batticks 45 aunes bei den 5/4 Calicots und 60 aunes bei allen andern Breiten; für Türkischrot: 45 aunes für 5/4—9'/,/4 (24—40") und 37 aunes für 10/4—14/4 Breite. b) Am 22. März 1873 erliessen sämtliche Mouchoirs- und einige Yasmas- fabrikanten ein gemeinschaftliches Cirkular, worin sie ihre Kundsame von der Notwendigkeit benachrichtigten, die Preise ihrer Artikel um 20- 30 Centimes per Dutzend zu erhöhen und zwar wegen der Schwankungen in den Rohstoffen, steigender Tendenz der Arbeitslöhne und der eingetretenen enormen Verteuerung der Steinkohlen. Gleichzeitig verpflichteten sich die Mouchoirsfabrikanten untereinander, bei den damals courantesten Artikeln den Hand- und Kupferplattendruckern gewisse spezifiziert angeführte Minimallöhne zu bezahlen. Diese Uebereinkunft blieb anscheinend nur bis zum Schluss des genannten Jahres in Kraft. Der Preiskonvention der Türkischrotdrucker haben wir schon S. 630 Erwähnung getan. 643 auf dem Plan; zu diesen beunruhigenden äussern Umständen gesellten sich noch einige an sich allerdings nicht bedeutende interne Differenzen, so dass sich das Convenium im März 1895 auflöste. Sofort traten aber auch die alten Preisstürze und Unterbietungen 'wieder ein, weshalb sich die Firma Schüler, Heer & Cie . 1 ) entschloss, den Andern Luft zu machen, indem sie den Betrieb der Druckerei in Glarus auf Ende 1896 einstellte und sich auf die Fortführung der grossen Spinn- und Weberei in Meis (Kt. St. Gallen) beschränkte. 2 ) Die übrigen Gechäfte haben seither das Feld mit anerkennenswerter Zähigkeit behauptet und es scheint die Lage des Yasmasartikels, wenn nicht ungünstige Ernten in den Absatzländern Stockungen veranlassen, offenbar noch nicht so schlimm wie diejenige der Mouchoirsbranche zu sein. Da die dazu nötigen Fabrikeinrichtungen einfacher Natur und, wie anzunehmen, längst amortisiert sind, lassen sich längere Arbeitspausen besser ertragen als wo, wie bei den Mouchoirsfabriken, ein grosses Anlagekapital in teuren Maschinen ünd einer Menge Messingwalzen und Kupfer- platten vergraben ist. Immerhin hören die Klagen über schlechte Preise, Zurückgehen des Absatzes und anhaltende Zunahme der einheimischen Fabrikation nicht auf. Eine Ausnahmestellung nimmt dabei lediglich die Firma Trümpy, Schäppi & Cie. 3 ) in *) Dieselbe hatte 1892 die Nachfolge der Firma Joh. Heer (S. 354) angetreten, nachdem mehrere der altern Associes gestorben oder ausgetreten waren. ’) Nachdem inzwischen ihr Fabrikareal in Glarus in den Besitz der Verwaltung der Schweiz. Bundesbahnen übergegangen ist, hat die im Sommer 1902 konstituierte „Aktiengesellschaft Möbelfabrik Eforgen-Glarus durch einen Kunstgriff hervorzubringen. Derselbe bestand im Wesentlichen darin, dass die Tücher nach dem Druck der Beizenfarben feucht gedämpft oder noch besser durch ein schwach angesäuertes. Wasserbad genommen und rasch wieder getrocknet wurden, wobei ein leichtes Ausfliessen der Farben stattfand. Ein damals in. der gleichen Fabrik thätiger Chemiker Hey der soll das Verfahren alsdann schon 1864 nach Holland verpflanzt haben. Hier hatte man um dieselbe Zeit, jedoch mit durchaus ungenügendem und unregelmässigem Erfolg, versucht, den gleichen Effekt durch den Druck der Beizenfarben auf die sehr stark angefeuchteten Tücher zu erzeugen; dasselbe wurde auch von einzelnen glarnerischen Fabriken versucht, bevor sie der oben skizzierten Arbeitsweise auf den Grund gekommen waren. Im Laufe der nächsten Jahre- gelang Kolorist Eimer ein neuer Fortschritt, indem er durch Beimischung von Thonerdesalzen zur anilinschwarzen Druckfarbe und' entsprechender Nachbehandlung schwarze Figuren, Picots etc^ mit rotem Fluss erzeugte. Auch dieser „andersfarbige Fluss“ fand bei den Eingebornen grossen Beifall, da die Tücher dadurch den im Lande selbst erzeugten noch ähnlicher wurden; beide Neuerungen haben zur gedeihlichen Entwicklung und Konkurrenzfähigkeit der glarnerischen Battickfabriken sehr wesentlich beigetragen und sind nun übrigens schon längst Gemeingut aller glarnerischen und holländischen Battickdruckereien geworden. In einer ganz andern Richtung bewegten sich die Fortschritte- der Firma Gebrüder Blumer & Cie. (S. 344) in Schwanden.. Deren Anteilhaber, Herr Peter Blumer-Zweifel, machte nämlich, um 1867 die von ihm in der Folge in England und Frankreich patentierte Entdeckung, dass, wenn man im Lightfoot’schen Aniiin- des Jägerhauptmann Jakob), welche von 1860—1874 noch ihren Koloristen,.. Hauptmann Jakob Eimer von Niederurnen, welcher vorher in mehreren Fabriken, so auch in Rouen, Anstellungen bekleidet hatte, als Anteilbaber in die Societät aufnahmen. 1873 verbanden sich die beiden Herren Trümpy mit den Herren Andreas Streiff (früher in der Druckerei Luchsinger & Streiff in Oberurnen) und Oberst Vögeli in Zürich zur Gründung der Chappe- sp inner ei in Tiefenstein, Grossherzogtum Baden. Nach dem Hinschied von Ratsherr Egidius blieb dessen Familie bei den Geschäften beteiligt und änderte sich später der Firmaname wieder in „Egidius Trümpy & Cie.“ 647 schwarz (S. 579 und 585 Anmerk. 1) die Kupfersalze auf ein Minimum reduziert oder sie durch Eisensalze ersetzt, man anstatt Schwarz ein richtiges „Grosbleu“ erhält. Dies bewog ihn, bei Beginn der Fabrikation im neu-eröffneten Etablissement von dem teuren Indigo Umgang zu nehmen und zugleich, wenn immer es die Zeichnung der Muster erlaubte, sich der Aufdruckmanier (mit direktem einseitigem, selten zweiseitigem Aufträgen der Anilin- Grosbleu-Druckfarbe) anstatt des bisher allgemein üblichen Re- servage-Verfahrens (S. 456) zu bedienen. Die Wasch- und Lichtechtheit der neuen Farbe erwies sich als ganz genügend, während die Erstellungskosten um Vieles billiger waren; freilich konnten auch nicht ganz die gleichen Erlöse erzielt werden, da die Nüance des Blau etwas düsterer war als diejenige des Indigo; dem Uebel- stand, dass die Farbe im Tragen (durch die Säure des Schweisses) in ein „Grosvert“ umschlug, wurde dadurch begegnet, dass man den Tüchern einen alkalisch reagierenden Appret gab; übrigens mussten sich die Malaien bald überzeugen, dass das Grosvert nach einer Wäsche in schwacher Lauge wieder zur ursprünglichen Nüance zurückkehrte. Diese später durch gewisse Zusätze noch verbesserte Farbe blieb in Schwanden bis um 1880 ausschliesslich in Anwendung; seither hat sie dem Alizarinblau (S. 585) teilweise weichen müssen; letzteres stellt sich wohl teurer, besitzt aber, neben der Schönheit der Nüance noch verschiedene andere Vorzüge, so namentlich die Eigenschaft, gleichzeitig gedruckte Beizenfarben nicht zu trüben noch auch selbst von denselben beeinflusst zu werden. Es waren namentlich die Firmen Christoph Trümpy (jetzt C. u. J. Luchsinger & Cie.) in Näfels und Egid. v. Egid. Trümpy, welche frühzeitig mit schöner Ware in Alizarinblau an den Markt kamen. Noch verdient Erwähnung,, dass die Herren Gebrüder Blumer & Cie. und Christoph Triimpi für den Druck der sog. Kinder-Sarongs (S. 444) auch Rouleau- Betrieb einführten. ft In der Uebertragung des Beizendruck-Alizarinfärbe- artikels (S. 609/10) auf die Battickgenres zeichneten sich von 1878 an zuerst die Herren Hösly & Leuzinger (später 17. Leuzinger, S. 359) in Glarus aus; die genannte Fabrikationsweise kam in der Folge auch auf diesem Gebiet zu ausgedehnter Anwendung, in- 648 dem gleichzeitig dadurch den Türkischrotdruckereien die entsprechenden „Schärpenartikel“ (S. 687) grösstenteils aus der Hand genommen wurden. Die letzterwähnte Fabrik nahm von 1878 an auch die eingangs berührte Wachsdruckerei 1 ) wieder auf und behielt sie für gewisse Spezialitäten bis 1881 bei, um welche Zeit es ihr gelang durch ein weniger teures Verfahren beinahe ebenso schöne Wachsadern-Effekte zu erzeugen, so dass sie darin auch jetzt noch sich eines wohlbegründeten Rufes erfreut. Im Anfang der 1880er Jahre machte der glarnerische Battick- artikel eine ziemlich intensive Krisis durch, teils wegen der Schwankungen des Silberkurses und schlechten Ernten in den Absatzländern, mehr aber weil die inländische Fabrikation, besonders das S. 447 charakterisierte „Tjap-Gewerbe“ unter Benutzung englischer Rohgewebe einen bemerkenswerten Aufschwung nahm; daneben war nach wie vor die scharfe Konkurrenz der günstig gelegenen und sehr leistungsfähigen holländischen Fabriken auszuhalten und rissen die Engländer die Erstellung der Kinder-Sarongs sowie der „Kain pandjangs“ (S. 453) und anderer nicht abgepasster Tücher grösstenteils an sich, indem sie den Markt mit billiger Rouleau-Ware überschwemmten. Neben Einhaltung der grössten Oekonomie in der Fabrikation verhalten die neu-auftauchenden Farbstoffe der Alizarin-Reihe (S. 585) und andere neue solide Theer- farbstoffe den Glarnern dazu, das zum Teil verlorene Feld wieder zurückzuerobern, indem sie jene zu bisher noch nicht gesehenen, interessanten „Flusseffekten“ benutzten. Solche haben den dortigen Geschmack sehr wohl getroffen, während es den Eingebornen unmöglich ist, sie in ebenbürtiger Weise nachzuahmen. Alle 4 glarnerischen Fabriken leisten in diesen viel Detail in sich schliessenden Spezialitäten Schönes und Originelles; in beson- derm Masse dürfte dies gegenwärtig bei der Firma C.&J. Luchsinger & Cie. zutreffen, welche auch mit schönen neuen Wachsadern- ') Seit 1890 haben einige niederländische Maler und seit einiger Zeit auch Damen der gebildeten Stände Hollands begonnen, die javanische Wachsmalerei mittelst des „Tjantings“ (S. 446) samt der dazu nötigen Färberei als Uebung der Kunst oder des Kunsthandwerks aufzunehmen und damit Luxusarbeiten von eigenartigem Reiz, teils zu praktischer Verwendung und teils für Kunstliebhaber, zu schaffen. 649 effekten, durch feine Rouleau-Ueberdrücke erzeugt, hervorgetreten ist. Auf welche Totalsumme sich durchschnittlich der Export europäischer Batticks und verwandter Genres nach den Inseln und dem Festlande Hinterindiens beläuft, ist nicht leicht festzustellen; nur so viel konnte der Verf. in Erfahrung bringen, dass die vier S. 456 erwähnten niederländischen Fabriken in Rouleau- und Handdruck auf bedeutend grösserm Fusse arbeiten als es bei den vier glarnerischen Battik-Druckereien der Fall ist. Nach der schweizerischen Handelsstatistik muss das Jahr 1891 als dasjenige bezeichnet werden, in welchem der schweizerische Export an Druckwaren nach Niederländisch-Indien seit 17 Jahren (und wahrscheinlich überhaupt seit Bestehen der Battick- und Türkischrot-Artikel in der Schweiz) die höchsten Ziffern erreichte. Seither konstatieren wir einen sehr bedeutenden Rückgang, welcher sich jedoch zum geringsten Teil auf Kosten der glarnerischen Battickproduktion vollzog, sondern hauptsächlich auf Rechnung einiger ausserkantonaler Fabriken, welche eingegangen sind oder den Artikel über Bord geworfen haben, zu setzen und auf die eingetretene sehr wesentliche Reduktion im Betrieb der schweizerischen Türkischrot-Druckereien zurückzuführen ist. Auch steht der Verminderung des Exportes nach Niederländisch-Indien eine gewisse in der Schweiz. Handelsstatistik nicht näher präzisierte Vermehrung nach den übrigen Staaten Hinterindiens gegenüber; immerhin muss betont werden, dass im Vergleich zu mehreren andern Industrieen auch bei diesem Zweig der glarnerischen Zeugdruckerei Intelligenz und Arbeit der Fabrikanten nur in sehr bescheidener Weise belohnt werden. Die Schwierigkeiten, die Konkurrenz des Auslandes auszuhalten, liegen in diesem Falle nicht bei den Zöllen und nicht nur in den S. 547 skizzierten günstigen Arbeitsbedingungen, deren die englische und fast in gleichem Masse auch die holländische Industrie teilhaftig ist, sondern mehr noch in dem Umstand, dass in den freien und auch in einigen Schutzzoll- Ländern bei der Druckerei fast fortwährend Ueberproduktion herrscht und eine ganze Anzahl englischer (und z. T. auch deutscher und italienischer) Fabriken mit öffentlicher Rechnungsablegung davon Zeugnis geben, dass sie von Zeit zu Zeit grosse Warenbestände ■ohne Nutzen, ja mit wirklichem Verlust abstossen und dadurch die 650 ganze Preisbasis auf ein ungesundes Niveau herabdrücken. Irr ganz letzter Zeit sind die verschiedenen Zweige der glarnerischen Druckerei noch durch die Thatsache erschreckt worden, dass englische und andere ausländische Fabriken begonnen haben, abgepasste Artikel auch in den ganz grossen Breiten, die bisher eine Domäne des Handdrucks waren, zu erstellen. Es handelt sich dabei teils um den gewöhnlichen Walzendruck, teils um sogenannten Bollen druck mit der Maschine System Samuel; die Arbeitsweise mit diesen neuesten Relief-Druckmaschinen 1 ), welche das Haus Biiffaud & Robcitel in Lyon seit 1891 liefert, ist die folgende: Es sind dazu 62 m lange Drucktische in Cernent (von beliebiger Breite bis zu 140 cm) nötig, welche zu beiden Seiten mit Zahnstangen- Schienen versehen sind; der „Wagen“, mit dem man darüber fährt, enthält eine entsprechend belastete, in Holz (oder wie für Raye- Maschinen oder Tapeten-Druckmaschinen S. 508/9) erhaben gravierte Walze, auf welche die Farbe durch ein Wolltuch ohne Ende aus einem ebenfallsauf dem Wagen befindlicher Chassis gespiesen wird;. jedeFarben-Nüance benötigt natürlicherweise eine besondere Walze bezw. einen besondern Wagen. Bis jetzt diente die Maschine hauptsächlich für M e u b 1 e s - Druck auf fein e u n d grobe, baumwollene,, wollene und seidene Stoffe für solche Effekte, bei denen Relief- Druck durchaus geboten schien. Es wird sich nun zeigen, ob diejenigen Fabriken, welche die Erstellung der extrabreiten Artikel mit gewöhnlichen, vertieft gravierten Metallwalzen und in dem neuen Rollendruck aufgenommen haben, angesichts der jedenfalls sehr hohen Stecher-und Anlagekosten auf die Rechnung kommen und dadurch den Handdruck noch mehr in Bedrängnis zu bringen vermögen. Wir wüssten unsern etwas weitläufig gewordenen Betrachtungen über den Zeugdruck im Allgemeinen nicht besser abzu- schliessen als durch die Wiedergabe einiger statistischer Daten,, nach welchen der Verf'. längst gesucht und die nun erst kürzlich in einer deutschen Fachzeitschrift 2 ) veröffentlicht worden sind. ) Ygl. S. 505 u. ff. 2 ) „Die Druckerei und Färberei auf der Weltausstellung in Paris“ von Bern Hartmann, Artikelserie in Heft 12—20 von Dr. Arthur Buntrock’s „Zeitschrift für Farben- und Textil-Chemie“, Braunschweig 1902, Friedrich Vieweg & Sohn. 651 Mögen denselben wie fast allen internationalen Enqueten gewisse- Ungenauigkeiten anhaften, so geben sie doch ein anschauliches Bild vom gegenwärtigen relativen Stand der Zeugdruckereien in den wichtigsten Produktionsländern. Die Zahl der Walzendruckmaschinen soll sich darnach wie folgt verteilen: England 975, wovon 830 in der im Jahr 1899 von 46 Firmen gegründeten „Calicot-Printers-Association“ vereinigt sind 1 ); Russland 89 Firmen mit 550 Walzendruckmaschinen; Vereinigte Staaten von Nordamerika 40 Firmen mit 490 Maschinen; Deutschland mindestens 230 Maschinen, wovon 109 im Eisass 2 ); Frankreich 220 (gegenüber 140 im Jahr 1889); Oesterreich 201 (im Jahr 1895) und Ungarn 30 (nebst einer grossem Anzahl Perrotinen für Blaudruck); Italien 29 Firmen mit 70 Walzendruckmaschinen (gegenüber 4 Firmen im Jahr 1870); Spanien 24 Firmen mit 85 Maschinen; Portugal 8 Firmen mit 29 Maschinen. Die Niederlande scheinen nicht für Statistik zu schwärmen, da bezügliche Angaben fehlen. Die grosse Mehrzahl der erwähnten Druckmaschinen dient zur Erstellung baumwollener Stückwaren (Indiennes,. Baumwollflanelle, Meubles) in neuerer Zeit namentlich viel in Faqonnes - Geweben; für gewisse Meubles-Genres konstruiert man nun auch sog. „Duplex“-Maschinen, mit welchen dicke Stoffe gleich- ') Nach einer dem Verf. von einem bedeutenden englischen Export- und Kommissionshause gemachten Mitteilung betrug im Jahr 1801 die Anzahl der Druckmaschinen in ganz G-rossbritannien 1240, der Wert des Exportes an Dr u ck war e n L.-Sterl. 10,348,216 = Yards 901,037,400. Die Calieo-Printers- Association soll gegenwärtig 66 Druckereien mit 830 Druckmaschinen umfassen. (Vgl. damit die Angaben von S. 496 u. ff.). 2 ) Kurz vor Beendigung dieser Arbeit ist das grosse zweibändige Werk „Histoire documentaire de l’Industrie de Mulhouse et de ses environs au XIX siede“, Mulhouse .1902, Veuve Bader & Cie., erschienen. Der Verf. musste aus demselben ersehen, dass ihm das Verdienst, zuerst auf die historisch interessanten, noch nirgends veröffentlichten „Arrests du Conseil d’Etat“ der Jahre 1686/7 aufmerksam gemacht zu haben, nun genommen ist, da die Hist, docum. Bd. I S. 284/5 jene und einige spätere Dekrete erwähnt, und kurze Auszüge davon gibt. In Mülhausen eingezogene Erkundigungen überzeugten den Verf., dass wahrscheinlich im Frühling 1900 d. h. einige Zeit bevor er sich durch die Tit, Schweiz. Gesandtschaft in Paris darum bemühte,, es einem Mülhauser Historiker gelungen war, jene Dokumente in den „Archives nationales“ aufzustöbern. Die zusammenhängende Darstellung auf S. 75—85 und 145—164 unserer Abhandlung dürfte gleichwohl ihren Wert bewahren.. €52 zeitig auf beiden Seiten mit genauer Uebereinstimmung des Musters gedruckt werden; in Lyon werden seit etwa 10 Jahren wieder vielmehr als früher auch Stückwaren in Sei d e und im Eisass und in Süddeutschland stetsfort auch solche in Wolle (Mousse- line-laine und Flanelle) gedruckt; daneben laufen in fast allen Ländern eine beschränkte Anzahl Maschinen für die Mouchoirs und verwandte Artikel. Ueber die Schweiz weiss der obenerwähnte Ausstellungsbericht wörtlich nur folgendes zu berichten: „Die Schweiz, welche noch vor wenigen Jahren bemerkenswerte Ware lieferte, verliert allmälig ihre Wichtigkeit als die Druckerei betreibendes Land. Zahlreiche (Stück- und Garn-)Färbereien sind noch vorhanden und deren Farbenverbrauch ist ziemlich bedeutend; beansprucht doch die Schweiz fast 2 °/ 0 der gesamten Alizarin- produktion, fast so viel wie Frankreich (2,3 °/ 0 ), während England 45 °/ 0 , Russland 18 °/ 0 und Deutschland 14% verbrauchen.“ In der That ist der Schweiz in den ausländischen Weltausstellungsberichten der 1850er und 1860er Jahre ein verhältnismässig breiter Raum gewidmet und konnte sie sich, wie wir gesehen haben, bis 1890/2 in den Mouchoirs-, Türkischrot-, Yasmas- und Battickgenres noch immer eine ansehnliche Stellung behaupten; in den letzten zwei genannten Spezialitäten spielt sie zwar heute noch am Weltmarkt eine gewisse Rolle: dagegen ist der Gesamtwert des Umsatzes ein recht bescheidener geworden. Gegenwärtig mögen in der Schweiz im Baumwolldruck noch etwa 13 Walzen- -druckmaschinen in Betrieb, aber auch diese nicht regelmässig beschäftigt sein; die Zahl der Handdrucktische dürfte sich, soweit der Baumwoli-Druck in Betracht kommt, noch auf zirka 1300 belaufen. Dass ein glarnerisches Etablissement in erheblichem Masse orientalische Handdruck-Artikel in Wolle und Seide erstellt, haben wir schon S. 644 berührt. Die oben erwähnten Lyoner Erzeugnisse umfassen dagegen neue Seidendruck-Genres ln europäischem Geschmacke und zwar teils sog. Zetteldrucke, welche nach dem Verweben originelle verschwommene Effekte erscheinen lassen, und uni-gefärbte Stoffe mit bunten Aetz-Druck- farben, deren Erstellung (wie diejenige der zweifarbig schillernden „Changeant“- Zeuge) durch eine Reihe neuer Theerfarben sehr begünstigt worden ist. Seit mehreren Jahren werden diese 65a Neuheiten nun auch in der Schweiz fabriziert und zwar durch die A.’G. „Stückfärberei Zürich“ in Zürich, welche neben der Seidenstoff-Unifärberei (Teint-en-piece-Artikel etc.) in beträchtlichem Masse auch den Druck seidener Zettel und seidener und halbseidener Gewebe mittelst Handdruck und mittelst 2 Rouleaux-Maschinen betreibt, und die „Färberei- und App-returgesellschaft vorm. A. Clavel & Fritz Lindenmeyer“ in Basel, welche neben den in ihrem Namen angedeuteten Zweigen auch Zetteldruck aufßaumwolle und Seide kultiviert und sich dabei ausschliesslich des Handdrucks, bedient. Nach den dem Verf, gefälligst gemachten Mitteilungen beschäftigen beide Firmen zusammen 113 Arbeiter in diesen Druckerei-Spezialitäten. Soweit dem Verf. bekannt, arbeitet auch, die „Textildruckerei in Blumenegg“ (S. 425) ab und zu in diesen und andern Seidendruck-Genres. Der sog. Kammzug-oder Vigoureux- Druck, den als vorausgehende Operation (analog dem Zetteldruck für Seide) gewisse Spezialitäten der Kamgarn-Weberei erfordern,, scheint dagegen in der Schweiz nicht vertreten zu sein. Noch fügen wir bei, dass in andern europäischen Ländern (abgesehen von der Türkei, S.642) der Handdruck auf Baumwolle in einigem Umfange nur noch in Holland, im Vorarlberg und in Russland, auf Wolle, Halbwolle und Seide in Oesterreich und in gewissen Gegenden Deutschlands und Frankreichs anzutreffen ist. Neuere Schweiz. Handels- und Industrie-Statistik. Entsprechend den geringen Befugnissen der Centralgewalt im alten Staatenbund, kann man für die Zeit vor 1850 von keiner allgemein schweizerischen volkswirtschaftlichen Statistik reden. Nachdem indessen in den 1840er Jahren in den „Gemälden“ verschiedener Kantone eine Fülle schätzenswerter Materialien gesammelt und veröffentlicht worden waren, konnte der nachmalige Bundesrat Stephan Franscini, welchem zudem als Mitglied der eidg. Handelskommission noch andere nicht ausgebeutete Quellen zur Verfügung standen, es unternehmen, eine „Statistik der Schweiz“ herauszugeben. In derselben sind die verschiedenen Industrieen freilich in sehr ungleicher Weise berücksichtigt; auch hatte bei den „Gemälden“ der industriell so wichtige Kanton St. Gallen (inklus. <854 Appenzell) gefehlt. Dagegen erschienen von Seite des „kaufmännischen Direktoriums“ in St. Gallen ab und zu interessante industrie-statistische Veröffentlichungen und als dann 1864/65 Glarus mit einer so eingehenden Fabrikstatistik auf den Plan trat, wie man es sich sonst höchstens in England gewöhnt war, da machte sich immer mehr das Bedürfnis zu einer allgemein schweizerischen Darstellung fühlbar. Den Anlass dazu boten besonders die Weltausstellungen und einen solchen Versuch machte vorerst Prof. Bolley im Anschluss an diejenige von Paris im Jahr 1867. Noch viel mehr Materialien standen dem selbst mitten im industriellen Leben stehenden Herrn Jakob Steiger-Meyer in Herisau zu Gebote, welcher dieselben als Mitglied der Jury der Wiener Weltausstellung von 1873 zu einer höchst wertvollen Schilderung der Textil- und speziell der Baumwoll-Industrie in der Schweiz verarbeitete. Ausser den schon S. 628 gemachten Auszügen heben wir daraus noch folgende, die Baumwolle betreffende Angaben hervor, indem wir betonen, dass auch hier mangels einer einheitlich durchgeführten offiziellen Statistik noch mit erheblichen Fehlergrenzen gerechnet werden musste: Spindelzahl 1872 in der Schweiz: 2,060,000 (gegenüber 1,600,000 im Jahr 1866). Mechanische Webstühle: 19—20,000, wovon zirka 5000 auf die Buntweberei entfielen; daneben beschäftigte letztere noch eine bedeutende, damals nicht gezählte Menge Handwebstühle, während solche in der Weissweberei nur noch zur Herstellung von Plattstich-, Fagonnes- und höchst feinen Mousselines-Geweben in Anwendung standen; im Jahr 1866 hatte man in der Schweiz 18,000 mechanische und 42,500Handstühle gezählt, von welch’ letztem 16,000 der Buntweberei angehörten. Am Schlüsse heisst es, dass in den Schweiz. Baum- wollfabriken das Anlagekapital auf 200 Millionen und das Betriebskapital auf 100 Millionen Franken geschätzt werden dürfe und dass sich (1873) die Produktionswerte ungefähr wie folgt verteilten: Spinnerei und Zwirnerei 90 Millionen; mechanische b Diese Zahl muss dem unbefangenen Beobachter als eine ausserordentlich hohe erscheinen; bekanntlich müssen Enqueten, welche sich auf hausindustrielle Verhältnisse beziehen, mit sehr grossen Fehlergrenzen rechnen. und Hand-Weberei (inklusive Buntweberei) 100 Millionen; Färberei und Druckerei 40 Millionen Franken. Da letztere Zahl wegen der kurz vorausgegangenen glarnerischen Statistiken als die zuverlässigste betrachtet werden kann, sind wir versucht, sie noch etwas näher zu zerlegen und kommen dabei zum Resultat, dass sie in folgende Abteilungen zerfallen mochte: Millionen Fr. ■Glarner. Druckerei exkl. Türkischrot (gemäss S. 532 u. 536) 23 Uebrige Schweiz. Druckereiexkl. Türkischrot „ S. 535 u. 629) 2 1 /*—3 Türkischrotdruckerei in Glarus „ S. 532 u. 536) 2 „ „ der übrigen Schweiz „ S. 535 u. 629) o l l s -6 Produktion an uni-türkischroten, nicht gedruckten Stücken „ S. 629) 2—2 1 /* Produktion an schwarz-, grau- und buntgefärbten Stücken (exklusive Türkischrot) 2 3 / 5 Pleicherei mit Ausrüsterei (exklusive Stickerei und exklus. der Bleiche für Druck) P/s Ueber den Umfang der letztem Zweige gibt der Ausstellungsbericht keine Anhaltspunkte, indem er lediglich ein Etablissement in Winterthur (Firma J. J. Weber) als das bedeutendste nennt. Der Yerf. wandte sich daher an den damals schon in demselben thätigen Herrn CarlWeber-Sulzer, welcher die Gefälligkeit hatte, nach den eigenen Geschäftsbüchern und andern zuverlässigen Schlüssen den mutmasslichen jährlichen Produktionswert der schweizerischen Buntfärberei (exklusive Türkischrot) und der Bleicherei mit Ausrüsterei (exklusive Stickerei und exklusive Druckbleiche) für die Zeit um 1872/3 wie folgt zu taxieren: Gebleicht für den Verkauf als weiss: 2,040,000 Meter Baumwollgewebe im Rohwert von Fr. 1,060,500 Bleicher- und Ausrüsterlohn „ 111,000 Fr. 1,171,500 Gefärbt: d,190,000 Meter Baumwollgewebe im Rohwert von Fr. 2,089,500 Farblohn etc. „ 502,500 „ 2,592,000 Total 7,230,000 Meter im Total-Yerkaufswert von Fr. 3,763,000 656 Wollen wir das Gewicht der gebleichten-ausgerüsteten Waren zu 8 und dasjenige der buntgefärbten Waren zu 6 Kilo per 100 laufende Meter annehmen, so kommen wir für diese zwei Kategorien auf ein Gewicht von 1600 bezw. 3100 Meterzentner (während die 16,000 Stück [ä 22 s / 2 aunes] türkischroter nicht gedruckter Stücke ein Gewicht von 2600 Meterzentner repräsentieren mochten). Die Zeit um 1872/3 bildete zufälligerweise die Mitte zwischen vorangegangenen geringem und nachfolgenden höhern Umsätzen ; wie rasch und wie stark dieselben bis 1885 gewachsen waren, ersieht man deutlich aus der später folgenden Ausfuhr-Tabelle III, ob zwar in derselben die bunten und die türkischroten Gewebe in eine Kategorie zusammengezogen sind und die Ausfuhr der letztem um 1885, parallel mit den türkischroten gedruckten. Genres (S. 634), ebenfalls eine sehr bedeutende Steigerung erfahren hatte. Seither hat sich die Schweiz. Buntfärberei (im. Gegensatz zur Druckerei) stetig weiter entwickelt, so dass sie den in den 1890er Jahren eintretenden starken Ausfall in der Türkischrotfärberei teilweise zu decken vermochte; gewöhnlich besteht ein bedeutender Teil dieser Waren aus solchen, welche auf dem Weg der Admission temporaire zollfrei als roh in die Schweiz kommen und als veredelt wieder zur Ausfuhr gelangen. Eine an Wichtigkeit noch fortwährend zunehmende Rolle spielt seit 1896/7 bei den als weiss und uni-gefärbt konsumierten Baumwolltüchern dasS. 211 Anmerkung 1 erwähnte Mercerisierungs- verfahren, auch „Silberappret“ genannt. Fast genau wie bei der Stückfärberei liegen die Verhältnisse bei der gegenwärtig in mehr als 30 grossem und kleinern Etablissementen betriebenen Garnfärberei, welche seit 30 Jahren teils als Annex zur Buntweberei teils als selbstständige Exportindustrie eine erfreuliche^ Entwicklung aufweist und den in neuerer Zeit erfolgten Rückgang im Türkischrot durch Vermehrung der „Couleur“-Färberei mehr als ausgeglichen hat. Im Einklang mit diesen Thatsachen steht - auch die allmälige Vermehrung der Arbeiterzahl in der Gesamtheit, der Baumwoll-Stück- und Garn-Färbereien während des Zeitraums von 1888—1901. Zur allgemeinen schweizerischen Statistik zurückkehrend,, haben wir zu konstatieren, dass dieselbe in eine neue Phase trat,, 607 als der „Schweiz. Spinner-, Zwirner- und Weberverein“ begann, periodisch genaue Erhebungen zu veranstalten, als das Schweiz. Fabrikinspektorat solche auf fast alle andern Industrieen ausdehnte und als, nicht zum Wenigsten auf die Initiative von Nationalrat C. Cramer-Frey, die Schweiz. Ein- und Ausfuhrstatistik von 1885 an von Grund aus umgestaltet und die jährlichen Berichte des „Schweiz. Handels- und Industrievereins“ zu einer kontinuierlichen Chronik der wirtschaftlichen Erscheinungen gemacht wurde. Dadurch gelangte man dazu, über die so überaus vielgestaltigen Verhältnisse der Schweiz Volkswirtschaft Licht zu verbreiten und die bezüglichen Resultate im „Kampf ums Dasein“, speziell bei Zollverträgen und Gesetzgebungsfragen, zu verwerten. So konnte die Darstellung der industriellen Verhältnisse in dem trefflichen „Volkswirtschaftlichen Lexikon“ des kürzlich verstorbenen A. Furrer (Bern 1887—1891, Verlag von Schmid, Francke&Cie.) bereits einen breiten Raum einnehmen, während die im Anschluss an die 1870er Volkszählung herausgegebene, auf andern Gebieten sehr gründlich bearbeitete „Statistik der Schweiz“ von Max Wirth (Zürich, Orell Füssli & Cie.) in jener Beziehung noch wenig zu bieten vermochte. Indem der Verf. die genannten periodischen und einige glarne- rische amtliche Publikationen sowie einiges selbst gesammeltes Material verarbeitete, legt er dem geduldigen Leser als Abschluss eine Anzahl Tabellen vor, welche sich vorzugsweise mit den für das Glarnerland wichtigen Industrieen befassen; da jene in Hauptsache für sich selbst sprechen sollten, beschränkt er sich auf folgende begleitende Bemerkungen: (Portsetz. S. 677.) ■12 658 I. Die schweizerische Baumwoll-industrie nach der eidgen. Fabrikstatistik von 1888 und 1901. 1 Jahrgang Zahl der Etablisse- mente Zahl der beschäftigten j Fabrik-Arbeiter Erfcrderl. Betriebskräfte Haus- Arbeiter Männlich Weiblich Insgesamt HP. 1. Spinnerei .... 1888 110 6690 6335 13025 22006') 1901 92 5197 5390 10587 20802») 146 2. Wattenfäbrikationund Abgangverarbeitung 1888 3 14 1 15 53 1901 2 17 — 17 40 — 3. Zwirnerei .... 1888 56 194 1001 1195 1033 1901 50 234 1030 1264 1617»/» 16 4. WeissWeberei . . . 1888 79 2317 6450 8767 4760 1901 70 2215 5549 7764 4285 169 5. Buntweberei . 1888 2 ) 52 2130 3746 5876 2202 1901 56 2095 4027 6122 2005 2078 6. Maschinenstickerei 1888 1051 3 ) 8085 8636 16721 31 1901 588*) 4077 4162 8239 76 l la 4117 7. Kettenstichstickerei . 1888 6 12 76 88 14 Dito inkl. Näherei . 1901 46 124 1676 1800 84»ls 2419 8. Schifllistickerei 1888 82 173 938 1111 1901 112 2359 4353. 6712 1491 2640 9. Bleicherei u. Appretur 1888 67 1505 742 2247 1537»/* 1901 70 1792 713 2505 1693 76 10. Färberei .... 1888 36 1004 218 1222 730 1901 42 1319 435 1754 1157 96 11. Druckerei .... 1888 27(26) 2107 1771 3878 1309 1901 19 1211 1048 2259 690 394 Die gesamte schweizer. 1888 1571 24242 29916 54158 34157 Baumwoll-industrie . 1901 1099 20640 28383 49023 33942 12151 *) In der Statistik von 1901 wurden die , erforderlichen“ und die ,vorhandenen“ Betriebskräfte genau ausgeschieden: bei derjenigen von 1883 war dies nicht der Fall, so dass der an einigen Orten zu Tage tretende Rückgang in Wirklichkeit kaum statt- gefunden hat. Die grössten bezüglichen Differenzen finden wir q erade bei der Spinnerei, indem 1901 die .,erforderlichen“ mit 20802 1 /o, die ,,vorhandenen“ mit 2ü 917 1 / 2 angegeben sind. -) Bei der Statistik von 1888 war in der Buntweberei auch die Jacquard- Weissweberei inbegriffen. 3 ) Davon nur 3 mit Motoren. 4 ) Davon nur 26 mit Motoren. die Verminderung der Etablissemente und der Arbeiterzahl ist zum grossen Teil darauf zurückzuführen, dass kleine Stickereien eine Maschine beseitigten, * um dann nicht mehr unter dem Fabrikgesetz zu stehen. II. Einfuhr (und Wiederausfuhr) von roher Baumwolle; Einfuhr von rohen, gebleichten, gefärbten, buntgewobenen und gedruckten Baum Wolltüchern nach den Jahresberichten des Schweiz. Handels- u. Industrievereins zusammengestellt. 2 "3 s ’> fl Ci 4 « o -3 ” ® sc - 2 :° c 4 O 4 4 S! CC 4 4 4 ® 4 4> 4 CO =s5 o> Cd 4 Sh o *0 i O 4) 4 -u -u <5 :3 4 4 SC32 3 4 4 4 CO "sic 5 00 ^ ei & «2 u ~3 — 4 3 ->i er 4i 3 4 O $c ü M q .2 t £ '« C SC 4 ■3 rt M « 9 S fe » S fe . ^ £ o £ » s J & ® -H o G Ci, ^ri i—i rv c2 4 <{ SC flg® 5 pä ü» <-» . ^ f~. i-h crt O 3 ÖDÄ O C8 5^—1 ^ n (B &, 5 &>S §5 5 S ö»S O? « . «5 ^ pp > Ph Z © > i CU „ ^ G ^ ,0 ^,Q J-l -G J- 1 . f (D n •—/ —< y_j —> vl* ^ ciJ .—' W o fiO ßO nC5 cC5 4 4 tyOtP 33 S III. Ausfuhr von rohe«, gebleichten, gefärbten, buntgewobenen und gestickten Baumwollgeweben aus der Schweiz, nach den Jahresberichten des Schweiz. Handels- und Industrievereins zusammengestellt. 660 CO © .1 CO © i 661 I ö - td q cc 1-3 ^ w w to U) ÜI 05 GO 00 k OiCCC'JOOJO:^^ o o ► O GO fcO tO O o ^ Cc cc ^ k* ki Öo Kk. <1 IC ic fco £*• C* CO ox fco CC to rf* tc ^ to M CO to o O fc0Orf^a:'OOO4Ä.0. ^ o o o ^ Ce * 0 3 * : O* j B. Statistik vom Jahr 1888 . 665 Nach dem wirklich stattfindenden Betriebe anstatt nach dem Domizil der Geschäftsfirmen geordnet, befinden sich im Kanton Spindeln Zwiriispinaeln Spindeln Zwirnspmdeln Zürich 602,726 21,412 Thurgau 37,452 — St. Gallen 291,820 20,439 Solothurn 23,1 12 — Aargau 265,996 15,520 Luzern 12,032 550 Glarus 273,486 1,400 Graubünden 9,608 1,600 Zug 86,016 — Appenzell — 8,874 Schwyz 63,171 550 Baselland 6,500 — Bern 50,380 — Schafihausen — 3,200 Von den Webstühlen der Weissweberei sind 515 dem Kanton Zürich ab- und dem Kanton Thurgau zuzuschreiben. 1888 Arbeiterzahl Die schweizerische Spinnerei 11,200 „ „ Zwirnerei 1,300 „ Weissweberei 9,900 Bezahlte Löhne zirka Fr. 7,050,000 „ „ 800,000 „ ,, 6,660,000 Anmerk, des Verf.: Da im Jahresbericht des „Schweiz. Spinner-, Zwirner- und Weber-Vereins“ pro 1900 die doppelte Zuscheidung der Spindelzahl auf die verschiedenen Kantone nach dem Domizil der Firmen und nach den wirklich vorhandenen Spindeln nicht durchgeführt ist und dabei hauptsächlich die verschiedenen Etablissemente Her Tit. Aktiengesellschaft der Sjnnnereien von Heinrich Kunz in Zürich in Betracht kommen, so möge hier eingeschaltet sein, dass sich deren Spindeln, nach einer dem Verf. gefälligst gemachten Mitteilung, 1888 und 1900 wie folgt verteilten: 1888 1900 Im Kanton Glarus . . . . . . 57,104 64,824 Spindeln ,, „ Zürich . . . . 90,654 85,848 „ „ „ Aargau . . . . 96,952 82,114 244,710 232,786 Spindeln Die Spinnereien obiger Firma in Linthal und Betschwanden und die kleine Spinnerei in Oberumen waren 1888 die einzigen im Kanton Glarus gelegenen Spinnereien, welche Nicht-Kantonsbürgern gehörten: die glarnerischen Weiss-Webereien waren ausnahmslos im Besitz von Kantonsbürgern, und in andern Kantonen waren im gleichen Jahre Glarner ausschliessliche oder Mit-Besitzer folgender Etablissemente: 1. Joh. Heer in Meis . . . 44,000 Spindeln und 600 Webstiihle 2. Gebrüder Blütner in Murg . 23,000 11 3. F. Weber-Kubli in Aarburg . 13,600 11 „ 120 4. F. Schüler-Schmid in Wetzikon 10,000 11 5. H. A. Oertly in Riiti . . . 7,500 11 6. G. Wild inNeuhaus-Eschenbach — „ 520 7. Fischer <& Eimer in Wald — „ 324 8. J. Blumer & Cie, in Sehindellegi — „ 220 666 G. Statistik der Spinnerei und Weissweberei vom Jahr 1900 (Spindeln und Webstühle den verschiedenen Kantonen nach dem Domizil der Firmen zugeteilt.) Spinnerei Zwirnerei Weiss-Weberei Kantone Zahl der Firmen Spindeln Zahl der Firmen! Spindeln Zahl der Firmen Webstilhle Zürich. 32 687,194 8 25,874 22 6,188 St. Gallen .... 8 252,512 6 14.642 2 1,237 Glarus . 10 193,508 1 650 12 3,719 Aargau. 7 102,970 4 6,022 2 496 Zug. 2 87,992 — — — — Schwyz . . . . 4 50,140 — — 3 831 Bern . 1 50,000 — — 1 255 Solothurn .... 1 23,000 - - - — 1 90 Thurgau .... 3 18,460 — — 5 838 Luzem. 1 12,000 — — — — Schaffhausen . — -- 1 3,400 — — Appenzell .... — — — — i 166 Insgesamt .... 69 1,477,776 20 50,588 49 |13,820 An Jacquard-Webereien führt der Bericht auf: 2 im Kanton St. Gallen mit 372 Webstiihlen 1 „ „ Thurgau „ 250 „ 1 „ „ Glarus „ 28 „ Obige Statistik umfasst, im Gegensatz zu den Jahren 1883 und 1888, nur die Verbandsmitglieder, während die wirklichen Schlusszahlen nach dem S. 681 erwähnten Flugblatt wie folgt lauten: Firmen Spindeln Wertder Produkte Bezahlte ArbeitsSpinnerei 74 1,558,598 65,000,000 Fr. löhne u. Salarien 8,435,600 Fr.. Zwirnerei 52 78,940 10,000,000 „ 1,119,800 „ Weiss-W ebere i 53 Webstühle 15,425 35,000,000 „ 6,205,800 „ (exkl. Plattstich- u. Jacquarfl-Weberei) Uebersicht über die Zunahme der Spindelzahl. Land Jahr Spindeln Zunahme Spindeln in Prozent . Deutschland 1875 1901 4,200,600 8,434,000 4,234,600 100 1 ) Frankreich 1890 4,914,500 385,500 8 1898 5,300,000 Oesterreich 1875 1900 1,578,000 3,500,000 1,930,000 123 1 ) Hievon 14°/ 0 in den beiden letzten Jahren. Zunahme Land Jahr Spindeln Spindeln in Prozent Italien 1876 745,000 1,347,000 181 1898 2,092,000 Russland 1877 2,800,000 4,106,000 146 1900 6,906,000 England 1867 1901 36,000,000 45,000,000 9,900,000 28 Schweiz 1888 1,798,000 Abnahme 240,000 13 1900 1,558,000 D. Statistik der Schweiz. Buntweberei im Jahr 1900. 1. Zahl der Wehstühle vorhandene \ mechanische 7133 i Handwebstühle ca. 900 durchschnittl. besvhäft.. 6561 ca. 900 2. Arbeitslöhne: In der mech. Buntweb. Fr.5,497,048.90 „ „ Hand- „ ca. „ 125,000.— 5,622,048.90- 3. Arbeitern. Angestellte: In dermechan.Buntweb. 6615*) „ ,, Hand-Buntweberei 1350 total 7965 4. Verwendete Garne: 5. 6 . a) Inländische einfache Baumwollgarne M.-Z. 51385s b) Ausländische „ „ „ 1385 M.-Z. 52770g. und zwar Nr. 1—39: M.-Z. 48664i; Nr. 40 und feiner: M.-Z. 41067 c) Zwirn (zwei- und mehrfach) . d) Leinengarne. e) Wollengarne. f) Seide. Fabrizierte Gewebe . 1622g 16135 Insgesamt M.-Z. 56,574 . . . . „ 57640 Verkaufswert dieser Produktion.Fr. 22,426,506. 70- Davon entfallen auf den inländ. Konsum . Fr. 15,322,310. 80- und auf den Export „ 7,104,195. 90- Anmerle. des Verf. : Aus Obigem können wir pro 1900 für 1 mechanischen Buntwebstuhl auf eine Produktion von rund 825 Kilos im Wert von Fr. 3200 schliessen, fügen jedoch auch hier bei, dass letzterer im Durchschnitt der 6 Jahre 1895—1900 nicht so hoch stand, wenn auch der Preisaufschlag von 1899/1900 bei diesen weiter vom Rohstoff entfernten Produkten nicht so bedeutend war wie bei der Spinnerei und AVeisswebereL *) Als eigentliche Fabrikarbeiter (exkl. Bureau- und andere höhere Angestellte, jedoch inkl. „Meister“ und „Aufseher“) weist die eidgen. Statistik gemäss Tab. I nur 6122 auf. 668 VI. Approximative Einstandspreise für rohe Baumwolle und approximative Verkaufspreise für Garne und Gewebe, nach den Aufzeichnungen einer glarnerischen Spinnerei und Weberei für die Periode von 1848 — 1900 . Jahrgänge Preis für Middling amerik, Baumwolle per 50 Kilo franco Glarus in Franken Preis für No. 38 Zettel ] er 1 Kilo zu Schweizer Konditionen 3 0 (o Sconto u. 3 Mt. Preis f. glatte Rohtlicher 2°| 0 Sconto u.3Mt. aa cs —3 Preis für M.ddling amerik. Bau inwolle per 50 Kilo franco Glarus in Franken Preis für No. 38 Zettel per 1 Kilo zu Schweizer-Konditionen tt°(oSconto u. tiMt.. Preis f. glatte Rohtlicher u 2°l 0 Sconto u. 3 Mt. 82 cm 19(16 F. aus 38/44ßarn in Centimes 88 cm 19(17 F. aus No. 38|44Garn in Centimes Cti £ «o ^ äs s'3! CS GO 3«5Ü ca a-S 00 es 88 cm 19/17 F. aus No. 38/44 Garn in Centimes Fr. Fr. Cts. Cts. Cts. Fr. Fr. Cts. Cts. Ctc. 1848 60 2. 20 25 27 1875 92 3. 20 287, 31 1849 75 2. 60 28 30 1876 78 2. 90 25 27'/, 1850 95 3. 10 31 33 1877 76 2. 60 22 24'/, 1851 75 2. 70 27 29 1878 73 2. 50 20'/, 22'/, 1852 78 2. 70 28 30 1879 75 2. 50 21 23 1853 85 2. 85 30 32 1880 84 2. 70 22 V, 24V, 1854 80 2. 75 28 30 1881 77 2. 60 22 24 1855 75 2. 70 27 29 1882 78 2. 55 21'/, 23'/, 1856 90 3. - 29 31 1883 70 2. 45 21 23 1857 98 3. 25 29 31 1884 70 2. 40 20 22 1858 95 3. 20 28 30 1885 68 2. 30 19V, 21V, 1859 95 3. 20 28 30 1886 64 2. 20 19 21 1860 90 3. 15 28 30 1887 65 2. 20 19'/, 21V, 1861 110 3. 40 30 32 1888 67 2. 25 19'/, 21V, 1862 200 4. 60 37 40 1889 72 2. 35 20 22 1863 280 6. 60 i 50 54 1890 71 2. 40 20 22 1864 330 8. - 68 62 1891 60 2. 20 18'/, 20 1 , 1865 220 6. - 45 49 1892 52 1. 90 16V. 18'/, 1866 200 6. - j 44 48 1893 56 2. - 17V. 19V, 1867 140 4. 30 34 37 1894 47 1. 80 16 17'/, 1868 120 3. 80 30 33 1896 44 V, 1. 76 16'/, 17 1869 130 4. - 32 35 1896 55 1. 85 16 17'/, 1870 120 3. 70 29 Vj 32 1897 53 V 2 1. 80 15V, 17 1871 105 3. 50 29 31 1898 46 1 60 WV, 16 1872 120 3. 90 32 35 1899 43 1. 70 15 V, 17 1873 112 3. 70 29«/, 32 1900 61V 2 2.10—2.30 20'/. 22 V, 1874 100 ! 3. 40 28 1 , 31 | 6(i9 VII. Zeugdruckerei-Firmen in der Schweiz. Verzeiclmis für das Jahr 1901. a) Im Kanton Glarus: 1. Trümpy, Schäppi & Cie., Baumwoll-, Woll- und Seidendruckerei in Mitlödi. 2. Barth. Jenny & Cie. (seit I. Juni 1902 umgeändert in Daniel Jenny & Cie.), Mouchoirs-Druckerei in Ennenda. 3. P. Blumer & Cie., Mouchoirs- und Yasmas-Druckerei in Schwanden. 4. Gebrüder Blumer, Battick-Druckerei in Schwanden. 5. Gebrüder Freuler & Cie., Mouchoirs-Druckerei in Ennenda. 6. Egidius Trümpy <& Cie., Battick- und Yasmas-Druckerei in Glarus und in der Mettlen bei Netstal. 7. B. Leuzinger (seit Oktober 1902 umgewandelt in die A.-G. Bäumte oll-Druckerei Hohlenstein), Battick- und Mouchoirs-Druckerei in Glarus. 8. Gebrüder J. u. J. H. Streif > 11 Giov. di Enrico Schoch „ Milano 11 11 Gerard Kölliker u. Cie. „ Torino 11 11 Amadeo Berner „ Napoli 1’ 11 11 11 Wild u. Abegg in Torino, gr. Spinnerei, Zwirnerei u. kl. Weberei Contonificio Val Seriana, entstanden durch Fusion der Schweizer Firmen F. Widmer- Walti und Walti u. Cie. in Gazzaniga mit der italienischen Firma Muggiani u. Taroni in Vertova; gr. Spinnerei u. gr. Weberei. Schlüpfer, Wenner u. Cie. in Napoli und Salerno, gr. Spinnerei, gr. Weberei und gr. Druckerei. Honegger, Spörryu. Cie. (vorm. Spörry u. Cie.) in Albino, mittl. Spinn, u. gr. Weberei Niggeler u. Kupfer in Palazzolo, mittl. Spinnerei und kl. Weberei Roh. Wenner u. Cie. in Napoli, mittl. Spinnerei und gr. Weberei * Legier, Hefti u. Cie. in Ponte San Pietro, mittl. Spinnerei und gr. Weberei. nebst Bleicherei, Appretur und Färberei. * Giachino Zopf inBanica, mittl. Spinn, u. gr. Baumwoll- u. Kammgarnstoff-Weberei. Giov. Reich (vorm. Zuppinger u. Cie.) inBergamo, mittl. Spinn., Zwirn.u. mittl. Web. *Cotonificio Bergamasco (vorm. Giacomo Trümpy-Zopfi) in Ponto di Nossa, kl. Spinnerei, gr. Weberei, Bleicherei, Färberei und Druckerei. A. C. Schoch in Vertova, kl. Spinnerei und gr. Weberei. Furter u. Bebie in Graveilona, kl. Spinnerei, Zwirnerei und kl. Weberei. Tessitura Meccanica Jacquard (vorm. Oetiker 8. Die erste Periode des modernen europäischen Zeugdrucks und dessen Beziehungen zu altindischen E rzeugnissen 33—172. Charakter des 703 indischen Zeugdrucks 34. Das Bandana-Verfahren 35 (vgl. 214 u. 171). Das Aufpinseln von Beizen- und Entwicklungsfarben 37 und 39. Der Wachs-Reservedruck mit darauf folgender Indigooder .Krappfärberei auf Baumwolle (in Indien) 38 und auf Seide (in Japan) 39. (Vgl. S. 439 Anmerk. 1 u. S. 447—456). „Der Blockdruck“ in China 41. Beginn der Einfuhr örtlich gefärbter (gedruckter) Baumwolltücher oder „Indiennes“ nach Europa nach Dr. C. Te Lintum und Dr. Colenbrander vom XVI. Jahrhundert an durch Portugiesen 42, Holländer 43. Verzeichnis solcher Waren 43, Preise derselben im XVIII. Jahrhundert 45. Vorzüge der „chemisch“ gefärbten bezw. gedruckten „Indiennes“ oder „Zitze“ 46. Zeugdruckanstalten, von Holländern in Vorderindien betrieben, nach Dr. Daniel Havart 47—49. Ursprung der modernen Zeugdruekerei in Amsterdam nach Dr. C. Te Lintum 49, Holz- und Kupferstecherei 50, Namen der ersten Krapp- und Indigoartikel 51 — 53. Unterschiede zwischen der Waid- und der Indigoküpe und Indigo-Import im Mittelalter 53—55. Weberei und Druckerei in den Niederlanden im XVII. und XVIII. Jahrhundert 55. Ursprung des Tafel- oder Applikationsfarbendrueks in der Schweiz 56. (Vgl. T. I S. 56 u. 58). Seiden- und Halbseidendruckerei in Zürich 58—61. Allgemeine Wichtigkeit der Tafeldruckfarben-Manier 81. Ursprung der Zeugdruckerei auf Seide, Baumwolle und Leinwand in Grossbritannien 61—66. Verwendung gegossener Druckformen 62. Mechanische und chemische Reservagen 62—64. Hemmnisse und Fortschritte der britischen Kattundruckerei 64—66. Das Englischblau 65. Die ersten Kattundrucker Deutschlands in Augsburg, Bremen, Hamburg, Sachsen, Lörach 66—70 (vgl. 76, 88 u. 139) und Oesterreich- Ungarns 70—75 (das Haus Leitenberger in Cosmanos 72—75), vgl. auch S. 95, 320 und 504. Die Zeugdruckerei in Frankreich im XVII. Jahrhundert 75—85. Lücken in der französischen Industriegeschichte 75/76. Neue Quellen 77. Baumwollspinnerei und Weissweberei 78—80. Buntweberei in Halbseide, Rouennerie 79. Druckerei 80—83. Innere Zollgebiete Frankreichs 81. Staatliche Verbote der Druckerei 81. „Arrest du Conseil d’Etat“ vom 26. Oktober 1686 auf S. 83. (Vgl. S. 651 Anm. 2). Wiederaufleben der Druckerei von 1750 an S. 84/5. Einführung der modernen Kattundruckerei in der Schweiz 85—134; von Holland her und durch die Hugenotten 85. Genf 86 —89 (Vasserot Fasy). Ausstrahlung nach der übrigen Schweiz und nach dem Ausland 88/89 sowie 84 und 141. Neuenburg 90—99 (Fortsetz. 470); Josue Labran und Jean Jacques Deluse 90/91; Pourtales & Cie. 92; Vaucher, Du Pasquier & Cie. 92/3; Bovet & Cie. 92, 93 und 95; die Druckerfamilie Verdau 96/7; Blütezeit und Zerfall der Druckerei 97/8; Ausläufer ins Ausland (vgl. 119 u. 141). Ueberhandnahme der Uhrmacherei 98. Neuenburgische Berufsstatistik von 1752—1880 S. 99. Die Druckerei in Basel nach Manuscript Ryhiner 100—110; Gründung der ersten Fabrik 100, Bezug der Rohtücher 101, die Stecherei 102, Fabrikation 102, Musterschlag 103, Charakteristik der Produkte 104 — 105 (vgl. 118), da> „Illuminieren“ 106, Arbeiter- und Lohnverhältnisse 107/8, Herstellungskosten und Verkaufspreise 108—110(vgl. 181). Bern (und Biel) 110—113; der „Kommerzienrat“ und die Baumwollindustrie 111'u. 115/6. Aargau 113—124 (vgl. 398); die Firmen Brütel 113, Hünenuadel 117, L,aue u. Cie. 117 (aargauische Druckartikel 118 u. 197), Vaucher 119, Oberkampf 119 (vgl. S. 84), Rothplets und Herosee 120 Allgemeines 121/4. Zürich 224 — 127 (Fortsetz. 479); Römer u. Kitt 124 David und Melchior Esslinger 125/6 und 320 (Gabriel Schiesser 127, 630) 704 Hans Jakob Hofmeister 126/7, Paulus Meyer 126 (u. 372). Vgl 166/8.. Druckfabrik in Winterthur 126 (vgl. 141/3 über Martin Ziegler). Thurgau 127 — 132 (vgl. 483 Anmerk. 1 u. 630); Bernhard Greuter 127, 457 (vgl. 141, 626. 630), Heinrich Sulzer 131, 627/8, 630. St. Gallen und Appenzell 132/3 iForts. 424/5); Solothurn, Schaffhausen und Graubünden 133/4. Mutmassliche Gesamtproduktion im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts 134. Mülhausen (ehemalige Schweizerstadt) im Eisass 134—162 (Fortsetz. 497); zollpolitische Stellung dieser Stadt 134/5; Köchlin, Schmätzer u. Cie. 136: andere Fabriken 138; Daniel , Camille u. Horace Köchlin, koloristisches Dreigestirn 140 (sowie 625/6, 631, 594, 588/9, 212 u. 607 Anmerk. 2, wo es jedoch Camille anstatt Horace heissen soll); die Baumwollindustrie im französischen Eisass 140; Jean-Michel Haussmann 143, (vgl. 208/9, 217); Kupferplattendruck 144; Vervollkommnung des Artikels „Tenture“ 144. Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich, besonders bezüglich der Baumwoilwaren von 1500—1800 S. 145—162; Zeugdruckerei im Comtat Venaissin und in Orange 148; Sonderstellung von Elsass-Lot.hringen 150/2; Wertierung der Bautnwollgewebe 153/5 (u. 45); Einfluss der franz. Revolution 158; Entwicklung der Mülhauser Druckindustrie von 1746—1827 S. 161/4; Mülhausen wird französisch 162. Entstehung der Türkiehrot-Färberei und -Druckerei 164—172; Garnfärberei in Frankreich 165, Stückfärberei 168; Ae tz druck verfahren von Köchlin 169 (und 140); Einführung des Palmetten- oder Cache - mires-Motivs in die Baumwoil-Druckmuster 170; rote, schottische Bandana-Tüchel 171. Einführung der Türkischrotfabrikation in der Schweiz: Garnfärberei 166/7, Stückfärberei und Druckerei 168; in Glarus 190. Spätere Entwicklung (bis 1870) S. 130,131,481/8,432/3,625/7 u. 636; Uebergangszeit 628 — 631, 649, neue Verfahren 631/7, 408 Anm. 1. (Vgl. auch „Etüde sur le Rouge turc“ par M. Felix Driessen et „Rapport sur ce travail“ par M. F.-H. de Niederhaeusern im Juniheft des „Bull. Soc. Ind. de Mulhouse“ 1902; diese interessanten Abhandlungen gelangten leider zu spät in den Besitz des Verf. als dass er sie noch hätte benutzen können). 7. Die glarnerische Zeugdruckerei im XVIII. Jahrhundert 173—202. Begründung derselben durch Joh. Heinrich Streiff in Glarus 173. Eine Bilanz vom Jahr 1769 S. 174/9; Tuchqualitäten und Kostenberechnungen 180/1; einfache und illuminierte Indigo- und Krapp-Tücher 182/4. Firma Joh. Tschudi 184, Joh. Heinrich Blütner 184, Druckerlohnrechnung vom Jahr 1794 S. 185; Friedrich Streiff & Cie. in Mollis 185/6 (u. 367, 372 u. 395); Egidius Trümpy & Cie. in Glarus 187—190 (Fortsetz. 367, 372, 418, 457, 645/7); Fridolin Staub & Cie. 190, 396 und Gebrüder Frid, & Joh. Heimich Glarner in Glarus 191 (u. 302,319,372,395). Glarner Handelsleute um 1800 S. 192 — 198 (vgl. T. I S. 35); Bartholome Streiff 192, Messrodel von 1799 S. 194/5; Heinrich Luchsinger & Cie. 192 und 196; Jenny & Schiesser 196; Druekartikel (Indiennes und Mouchoirs) im XVIII. Jahrhundert: S. 193/8 (u. 94, 104/5, 118, 144, 163, 182 5, 197/8); die ersten „Chäle s croises“ S. 193 (vgl. S. 300). Massbezeieh- nungen der Tücher in Vierteln u. s. w. 198—202. 8. Allgemeines über die Umwälzungen in der Industrie, besonders in der Zeugdruckerei, in der Periode von 1790 — 1820 S. 202—227. Ausbreitung der mechanischen Spinnerei 202; die Dampfmaschine 203; Begründung der Uebermacht der britischen Zeug- druckerei204; der Walzendruck 205/8. Neue Färbematerialien 705 undFärbever fahren: Ferrocyanblau 208, Quercitron 210, Katechu 210, Manganbraün 211, (das Mercerisieren 211), Chromverbindungen 212, die Chlorbleiche 212, künstliche Verdickungsmifctel 213; der Wolldruek 214 (die Golgas-Fabrikation 214, der Berylldruck 215, mittelst Buntätzen 218, mittelst Dampffarben 220/2, 225, Fortsetz. 499—504, 644); die Aetzmanier 216/8 (vgl. 68/4 u. 169), die Dampffarben 219; die Seife 222/3; Erfindung des Artikels „Lapis“ 223, der Irisdruck 224, die Lithographie 226 (deren Anwendung zum Zeugdruck 226/7). Der Seidendruek S. 35, 40/1, 58-63, 132/3, 218, 219, 226 (Fortsetz. 486, 488/9, 499-504, 644, 652/3). 9. Die glarnerische Baumwoll-Handweberei und Anfänge und Entwicklung der mechanischen Spinn- und Weberei in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts 228—297. Die wirtschaftliche Lage des Glarner- lands um 1800 S. 228, Aufschwung von Druckerei und Handweberei 229, Napoleon I und die Baumwolle 230/2; die Schweiz. Handweberei nach Göthe 234/6. Anfänge der Masehinen-Spinnerei : In Schwanden 346; Gebrüder Blumer in Glarus 237, Gebr. J. u. F. Paravicini in Glarus- Schwanden 238 u, 635 , Heinrich Kuns in Linthal 254/5 (u. 249,665), kleine Spinnerei in Luchsingen 238, in Näfels u. Ober urnen 250. Erste Maschinen- Webereien 250(vgl.481 Anmerk. 3) u.239. Wichtigste Handwebereifirmen und Handelshäuser in Druck waren (welche später z. T. zur mechanischen Spinn- und Weberei übergingen): Rudolf Heer in Glarus 236 (Fortsetz. 354), Peter Blumer in Nidfurn-Schwanden und die Brüder Jenny auf Sool 238/9 (vgl. T.II S. 304, 336 u. 340), Samuel Schindler in Mollis 239 (vgl. 320, 395 Anmerk. 1, 696 Anmerk. 1). Untergang der auswärtigen Handelsleute von Ennenda und Aufschwung der heimatlichen Industrie 240: Barth. Jenny u. Cie. 242 (Fortsetz. 314/6, 321/5, 369, 380/7, 420, 602, 617, 622, 457), Enderlin u. Jenny in Ziegelbrücke 244 (u. 297, 674); Jenny u. Cie. 240 (Fortsetz. 325/6, 328, 418, 613, 624, vgl. auch 320 Anmerk. 1); Jenny u. Kundert 246 (vgl. 327/8); Gebrüder Becker u. Milt (in Rüti) 249; Gasp. u. Frid. Becker (in Linthal) 254. Jakob Spälty in Netstal 251; Jakob u. Gabriel Spälty 252; H. u. J. Leusinger 253. Gebr. R. u. C. Spälty in Matt 252. Matheus Staub in Riedern 253. Samuel Speich u. Jost Hefti von Luchsingen 253. Woll- und Baumwollwebereien in Hätzingen und Rüti 255/7 (Gebrüder Hefti 255 Weberei Hätzingen 256, Hefti u. Cie. 257); J. u. M. Legier in Diesbach 258(60. Die Handweberei nach Herrn M. Legier 259. Glarnerische Spinn- und Weberei in den 1840er Jahren nach Heer und Blumers „Gemälde“ 261/3 (Fortsetz. 388). Ergänzendes dazu über Produktionsverhältnisse, Löhne und Preise 264 -279. Preise und Qualitäten von Baumwolle, Garn und Tüchern: Im XVIII. Jahrhundert T. I S. 79, 86/92, (altschweiz. und engl. Garnnummerierung 86), 95/6, 104, 114/5; u. T. II S. 43/7, 51, 92, 101, 108/9, 115/6, 118, 153/4, 159, 175, 180/1, 194, 337; im XIX. Jahrhundert T. II S. 198—202, 266/8, 554/5 (ägyptischeBaumwolle 356). Spinner - und Weberlöhne: T.I S. 101, 105/6, 111/5; T. II S. 143, 265/7 Ueberlegenheit des mechanischen Webstuhls 280 2 (die Turbinen 523, 325u.244). NotstandderHand- weber284, dieAuswanderungsfrage285(vgl.394Anm. lu.543 Anm. 1), Gründungvon Neu-Glarus 286—290; Heinrich Rosenberger in Galveston 291, Heinrich LAenhard in Kalifornien 292. Die Baumwoll-Buntweberei u. Seidenweberei am Kerenzerberg 294. Die Industrie des Sernfthals 295/7 (Weberei Engi und Weberei Sernfthal). Buntweberei Fröhlich, Brunnschweiler u. Cie. in Ennenda 261 und 328. Weberei Aebli u. Cie. in Mitlödi 261. 46 706 10. Die glarnerische Zeugdruckerei im XIX. Jahrhundert. a) Die Periode von 1800—18S0. Neue Druckereifirmen: Daniel Freuler in Ennetbühls 298, Hans Peter Brunner und Heinrich Brunner in G-larus 299 (u. 368/9, 372, 418/9 u. 639), Gabriel Trümpy in Glarus 301, 396. Glarner Handelsfirmen in Italien 303/5. Jenny u. Schiesser 303 (vgl. 196), Peter Blwmer 304,336, Heinrichvon Christoph Iselin 304, Dinner u. Tschudi 304 (vgl. 256, 329,488, 352,614). Auszüge aus den Geschäftsbüchern der Firma Luchsinger u. Streiff in Glarus 305—315. (Errichtung der „Insel“ -Fabrik 307, Abrechnungen über Verkäufe an den Frankfurter Messen von 1810 S. 307—312, Leipziger Messe von 1813 S. 312, Botzener Messe von 1816 S. 312/3, Aufschwung des Handels mit Italien 314/6). Vgl. auch S. 410/3, 416, 356. Zeugdruckereien von Glarnern in Russland 316, in Genua 317, in Neapel und Messina 319, in Oesterreich ( Jenny u. Schindler) 320. b) Gründung neuer Druckfabriken in der Periode von 18QO — 1860; Charakteristik der verschied. Zweige der gJarner. Zeugdruckerei. Neue Druckereien: Fabrikant Jakob Trümpy (und Barth. Jenny u. Cie.) in Ennenda 321/5, 602. Trümpy u. Jenny in Mitlödi 325 (Forts. 420; Trümpy, Schäppi u. Cie. 643/5). Jenny u. Cie. (vereinigt mit Daniel Freuler in Ennetbühls) 325/6 u. 613; Gebrüder Freuler 826/7 (u. 374, 431, 614), König u. Cie. 327 (vgl. 524) und Daniel Jenny 327, alle in Ennenda. Druckfäbrik in Leuggelbach 329. Conrad Jenny u. Cie. in Ennenda 329 (Fortsetz. 614/9, 624). Joh. Bud. Becker in Ennenda 329 — 336. P. Blumer u. Jenny und Jenny u. Blwmer in Schwanden 338—344 (Fortsetz. 456, 619). Gebrüder Jenny in Luchsingen 340, Jenny u. Cie. in Manila 341; Gebrüder Blumer u. Cie. in Schwanden 344 (u. 457, 646/7); P. Blumer u. Cie. in Schwanden 345 und 619; Benjamin Jenny-Becker 345. Tschudi u. Cie. in Schwanden 345/7, 457, 627, 630/7. (In Ialien: Gioachino Zopfi Anmerk. 2 S. 339 u. 347; Enrico Blumer u. Cie. 247 Anmerk. 1 u. S. 359). Leuzinger u. Sohn jgr. (Felix Weber) in Netstal 348 -350 (Fortsetz. 419, 457); Felix Kubli (Martin Kubli, Gebrüder Kubli) in Netstal 350/2 (u. 624). Balthasar Tschudi u. Cie. (Hefty u. Tschudy) in Niederurnen 352/4 (u. 431, 603, 624). Luchsinger, Eimer u. Oertli in Glarus und Näfels 353 (u. 361, 630, 634). Gebr. Gerig in Näfels 361 (vgl. 300 u. 395 Anmerk. 1). Johannes Heer in Glarus 354/8, (und 418, 429, 541, 637, 643, 665). Blumer u. Tschudy (Hösly u. Leuzinger) Hohlenstein - Glarus 358/9 (Fortsetzung 422/3, 457, 647/8). Hefti u. Karrer in Mollis 360 (u. 187, 353). Schindler u. Gullati in Mollis 361. Gallatin u. Cie. in Leuggelbach 361/2 (u. 360, 329, 421). R. Schüttler u. fVeTin^Leuggelbach 362 (und T. I S. 125/6). Christoph Trümpy (C. u. J. Luchsinger u. Cie.) in Näfels 362 (u. 457, 647/8). Hauptmann Friedrich de Samuel Schindler in Mollis und Näfels 361, 395 Anmerk. 1, 630 (vgl. 240 u. 320) und 696 Anmerk. 1. Allgemeiner Ueberblick über die Entwicklung der glarnerischen Druckerei und Charakteristik ihrer wichtigsten Zweige 363—469. Absatzgebiete (Italien) 363/4; Ausdehnung von Handel und Fabrikation und Verbindung beider 365. Die glarnerische Arbeiterbevölkerung 366. Produktion um 1821 S. 367. Druekartikel im XIX. Jahrhundert: S. 189/92, 300/1, 306/7, 310/4, 318/9, 366-387 (Fortsetz. 399. 401/2, 410/3, 416, 423, 429 - 433, 444, 453, 466, 483/4, 601—621, 629, 634 - 640, 645/9. Auftreten der Ga- rancine 374, der Webfransen- oder „Tibet“-Tücher 378 und 351. Preisbewegungen der Druckartikel von 1820—1850 S. 380/7 (vgl.307—314). 707 Glarnerische Druckerei in den 1840er Jahren nach Heer und Blumer’s „Gemälde“ 388/9 (Vgl. 510, 530), Die Verdienst-Verhältnisse in der Druckerei von 1825 -1850 S. 390/4. (Yergl. S. 518/9 u. 015). Ursachen des neuen Aufschwunges von den 1840er Jahren an S. 395—400. Der Sieg des Freihandels in Grossbritannien 399. Zweige der Glarner Druckerei: Die Mouehoirsfabriken 401, 432/3. Die Türkisehrotstüekfärberei und -Aetzdruekerei 402 und 432/3 (Fortsetz. 480/8 u. 625). Die Yasmas oder Türkenkappendruekerei von 1834 1860 Seite 402—438 (Fortsetz. S. 541/5 551/2 u, 637). Beschreibung der orientalischen Kleidertrachten 403/8. Ursprung der „Yasmas“ 408/10. Einführung des Yasmas-Druckartikels in Glarus durch die Handelsfirma Luchsinger u. Streift' 410-416 (vgl. 370/2 u. 307). Glarner Türkenkappendruckereien 416/7 (Gebrüder Jakob u. •/. R. Slreiff in Glarus 416, Luchsinger u. Streiff in Oberurnen 417 und 638, Konsul J. R. Luchsinger in Brasilien 638 Anmerk. 1). Glarner und Schweizer Handelshäuser im Orient 417—425 (Andreas Heer 355/7 u. 418, Friedrich Imhoof-Hotse 422, Jacques Brunner 421). Druckfabrik Hössly u. Cie. in Blumenegg-Goldach 424/5 (u. 613/4, 618). Ergänzendes über die Fabrikation der Yasmas 426 — 432 („Flörli“ 429, 408 u. 541); Orientartikel der Mouchoirs- und Türkischrot-Druckerei 432/3 und der Buntweberei 433/6. Zollverhältnisse und Preislage der Yasmas 437/8. Die Battiekfabrikation von 1840—1860 S. 438—457. Kleidertrachten in Vorder- und Hinter-Indien 438—456; Vorderindien als Konsument von Baum wollfabrikaten 442; das einheimische (javanische) „Ba tti c k en“ 445—455; buntgewobene Sarongs 444, 452, 457; die holländische und die glarnerische Battick- oder S c h ä r p e n - Fabrikation 456/7 (Fortsetz. S. 645). Glarner Droguen-Handelsfirmen 456, chemische Fabriken 459, Banken 461/5, Entwicklung des Krankenkassenwesens 465/9 Glarner Staatsmänner und Politiker: Landammann Niklaus Heer 233 Anmerk. 1; Landammann Dietrich Schindler 240 u. 320; Landammann Kaspar Jenny 324, 261 und 288; Ständerat (u. Bundesgerichtspräsident) Dr. J. J. Blumer 303, 324 Anmerk. 1, 284 Anmerk. 1; Landammann (u. Bundesrat) Dr. Joachim Heer 324 Anmerk. 1 und 546, 553 Anmerk. 1; Landammann Esaja-s Zweifel 249 Anmerk. 1; Landammann Eduard Blumer 344; Ratsherr Peter Jenny sen. 340; Ratsherr Peter Jenny jun. 341, 344, 350, 530; Civilgerichtspräsident Kaspar Kubli 284 Anmerk. 1; Redaktor Josua Staub 284 Anmerk. 1 und 465; Dr. med. Jakob Jenny 326 Anmerk. 1. Als Einschaltung: c) Nachträge aus der schweizerischen und aus der allgemeinen Geschichte der Zeugdruckerei 470 — 500 . Die neuenburgische Druckindustrie im XIX. Jahrhundert S. 470/9. („Neuenburger Privilegien“ inUiiren 470, 475 und 477, Indiennes, 472, Schaumwein 476/7). Der deutsche Zollverein 363, 474/9 398, 481, 484, 598. Die zürcherische Zeugdruckerei im XIX. Jahrhundert 479—489 (Fortsetz. S. 630 u. 653). Statistik von 1827 und 1840 S. 479/81. T.ürkischrotfärberei in Neftenbaeh und Druckerei in Richterswil 481/5, 611, 626, 630/1, 457. Carl Weber in Winterthur 485 (u. 131, 588/9, 655/6.) Heinrich Stader 486 (vgl. 300 u. 295). Gebrüder Geilinger in Winterthur 486, und 457, 630. Staub u. Cie. in Wollis- hofen 487. J. Hanhart-Solivo in Dietikon 487 und 631. Gebrüder Schmid u. Cie. und Heer u. Cie. in Thalwil 488/9. Bedeutendste Handels 708 w nfmmmam firmen: F. Imhoof'u. Cie. 423 und 489; Gebrüder Volkart in Winterthur 499; Heinrich Fierz in Zürich 490/3. Die „Schweizerische Exportgesellschaft“ 493/6 (vgl. 420). Die englische Zeugdruckerei in den 1830er Jahren S. 496/7; Fortschritte der französischen Druckerei von 1830—1870 S. 497 —505; Aufschwung des Woll- und Seidendrucks 499—504. Relief-Druckmasc h i ne n: Perrotine 505,557, 130, 483, 634, 651; Ray e-Maschine 508, 557 und 606; Rollendruck System „Samuel“ S. 650. Walzendruckmaschine für T ap e t endruck 509. Kupferplattendruckerei im Allgemeinen S. 25, 50, 64,67,94, 133, 144, 557, 601/3. Walzendruckerei im Allgemeinen S. 95/6, 119, 127, 130, 205/7, 483, 496, 557, 601, 606/9, 620/1, 651/3. d) Die glarnerische Druckerei in der Periode von 1860-1900 ; TJeber- sicht über die gesamte glarnerische Industrie in der Gegenwart und neuere schweizerische Statistik über die Baumwoll-Industrie. Statistische Tabellen über die Glarner-Industrie von 1864/5 S. 510/3; von 1868/9 S. 514/9 (Fortsetz. S. 530 bezw. 538). Abriss der Geschichte der glarnerisehen Fabrikgesetzgebung von 1824—1878 S. 520—554: Verbot der durchgehenden Nachtarbeit im Jahr 1824 S. 520; erstes Fabrikgesetz (für die „Spinnmaschinen“) 522; die soziale Bewegung der 1850er und 1860er Jahre 524; Pfarrer Bernhard Becker 524/6, Dr. med. Niklaus Tschudi 524, 528 und 548; die Arbeiter- und Konsumvereine 526/7; das Fabrikpolizeigesetz von 1864 S. 527/9; Auszüge aus dem Fabrikinspektionsbericht von 1864/5 S. 530/4; Blütezeit der Glarner Industrie 1855—1875 S. 534/7; Dr. med . Frid. Schüler, Fabrikinspektor 537—540, 544, 553 Anmerk. 1; Fabrikinspektionsbericht von 1868/9 S. 538/9; die Doppeldruckfrage 541/5, 551/2; das Fabrikpolizeigesetz von 1872 S. 546—552; das eidgenössische Fabrikpolizeigesetz von 1878 S. 552/4. Technische Fortschritte der Baum woll-Spinnerei 554/5 u. 688, der Weberei 280(3 u. 689190, der Druckerei 556/7 (u. 601, 606). Die Brennmaterialien: Holz und Torf 558 und 568 (Preistabelle von 1827 —1900 S. 564); die Steinkohlen 559—568 und 573 (Preistabelle von 1860 — 1901 S. 564/6; die Frachten in- und ausserhalb der Schweizergrenze 567); Stein- kohien-Comumgesellschaft Glarus und J. J. Stäger-Lütschg (Stöger u.Cie.) in Glarus 560/3. (Vgl. 358 Anmerk. 1). Glarnerische Elektrizitätswerke 569—573. Skizze der allgemeinen und der schweizerischen Geschichte der Theerfarben-Industrie 573—595. Die Rohmaterialien 573'5. Erfindung der künstlichen organischen Farbstof fe: Die „basischen“ 576 — 582, 586 Anmerk. 1, 587, 590/2 (Fuchsinpreise 604, Fixation mit Tannin 604); die Phenol- und Resorcin-Farb- Stoffe 575 Anmerk. 1, 578, 583, 595, 605; das Anilinschwarz 579, 585, 605, 646/7; die „beizenziehenden“ Farbstoffe 584/5, 582, 587, 590/1. 593/5, 607—612, Alizarin 607, 609/12, 616/7; die „sauren“ oder „Woll“-Farbstoffe 586, 578, 587/8, 592; die „substantiv“ oder „direkt“ färbenden 587/8, 590/1, 593/5, 619; die „Entwicklungsfarben“ 588/9 593, 636; der künstliche Indigo 586 und 591; synthetische Arzneimittel, künstliche Riechstoffe und Essenzen 590, 594 5. Schweizerische Theerfarben-Fabriken: Joh. Rud. Geigy 579/80, 590/91; A. Gerber-Keller 58D2 ; Alexander Gla'vel 582 (Bindschedler u. Busch 583; Gesellschaft für chemische Industrie 583, 591/4); Durand u. Huguenin 533, 581, 594; P. Könnet u. Cie. 583 (Soc. Chirn. des Usines du Rhone 595); Kern u. Sandoz 594/5; Chemische Fabrik Bindschedler 595; Ford. Petersen u. Cie. 583 und 595. 709 Glar ne rische Mouehoirs-Druekerei 1860—1900 S. 696—625. Absatzgebiete: Frankreich 596/7, 623 (Freihandelspolitik NapoleonsIII. S. 596/7; vgl. 363, 498 u. 492); Oesterreich-Ungarn 597/8 (vgl. 363); Spanien und Portugal 598 und 623, Belgien 599, Vereinigte Staaten von Nordamerika 599; Italien 599—601 (vgl. 363); Holland 457 u. 649; Grossbritannien und seine Kolonien 399, 364, 442; Deutschland 598. Veredlungsverkehr 598/9,484. Neuerungen in der Fabrikation 601—622 (Entwicklung der Maschinendruckerei, neue Druckartikel und neue Farbstoffe). Schwankungen in der Produktion 622. Krisis von 1892 S. 623/5 Türkisehrot-Färberei und -Druckerei 1860—1900 S. 625—637. (Rückblick auf frühere Perioden 625/7. Stand dieser Industrie um 1872 S. 628—631 (Druckerei- und Stückfärberei-Firmen 630/1). Umwälzung derselben durch das künstliche Alizarin und das Türkischrotöl 628, 631/5. Türkischrote Druckartikel und Verkaufspreise derselben von 1850 — 1890 S. 636/7. (Nachtrag 649). Glarnerisehe Yasmas-Druckerei von 1860—1900 S. 637 — 645. Höhepunkt der Produktion in den 1860er Jahren S. 637. Einfluss der künstlichen Farbstoffe 638/9. Zölle auf Rohgewebe 640/1. Konvenien glarnerischer Druckfabrikanten 641/2. — Der Woll- und Seidendruck 644/5. Battiek-Druekerei 1860-1900 S. 645—653. Neuerungen in der Fabrikation 645/8. Produktionsverhältnisse bei der Battick-Druckerei 649, bei der europäischen Zeugdruckerei im Allgemeinen 649—653. Neuere schweizerische und glarnerisehe Handels- und Industriestatistik S. 653—695. Statistik um 1872/4 nach J. Steiger-Meyer 654/5 (und 620/1,628/9). Einiges über Buntfärberei von Garn und Tüchern sowie Bleicherei und Ausrüsterei 655/6 (vgl. 485, 588/9 und 635/6). Tab. I. Die Schweiz. Baumwoll-Industrie nach der eidg. Fabrikstatistik von 1888 und 1901 S. 658 und 677. Tab. II. Ueber Einfuhr und Wiederausfuhr von roher Baumwolle; Einfuhr von rohen, gebleichten, gefärbten, buntgewobenen und gedruckten Baumwolltüchern von 1851 bezw. 1885 bis 1901, S. 659 und 677/8. Tab. III. Ausfuhr von rohen, gebleichten, gefärbten, buntgewobenen und gesticKten Baumwollgeweben von 1885—1901 S. 660 und 678. Tab. IV. Ausfuhr gedruckter Schweiz. Baumwollwaren von 1885—1901 S. 661 und 678/80. Tab. V. Statistik der Schweiz. Baumwoll-Spinnerei, Weiss- und Bunt-Weberei vom Jahr 1883 S. 662/3 und 680, vom Jahr 1888 S. 664/5 und 680, vom Jahr 1900 S. 666/7 und 681; Etablissemente von Glarnern in andern Kantonen S. 665; Berechnung des Konsums an Baumwolle und Baumwoll-Fabrikaten auf den Kopf der Schweiz. Bevölkerung S. 682/4. Tab. VI- Einstandspreise der Baumwolle und Verkaufspreise der Garne und Gewebe in der Periode von 1848—1900 S- 668 u. 684, Tab. VII. Verzeichnis der schweizer. Zeugdruckerei-Firmen für das Jahr 1901 S. 669 und 685. Tab. VIII. Verzeichnis der bäum wollindustriellen Etablissemente, welche von Schweizerfirmen im Königreich Italien gegründet worden sind S. 670/1 und 685; glarnerisehe Gründungen in andern Ländern S. 685/6. Tab.IX. Die glarnerisehe Fabrikindustrie nach den eidg. Statistiken von 1888 und 1901 S. 672 und 686, Noch nicht genannte indu- 710 strielle Firmen: Staub u. Cie. in Oberurnen 686, C. Pfeiffer-Pfeiffer in Mollis 687, Jakob Jenny in Ennenda 687, Bosshard u. Cie. in Näfels 696, Römelsberger u. Cie. in Glarus 696. Tab. X. Die grössten glarnerischen Fabrik-Etablissemente in den 1860er Jahren S. 674 und 687. Tab. XI. Die grössten glarnerischen Fabrik-Etablissemente in der Gegenwart S. 674 und 687. Tab.XII. Die Produktionsmittel und Produktions w er te der glarne- rischenSpinnerei und Weberei gemäss den statistischen Erhebungen von 1888 und 1900 S. 675 und 688/90. Tab. XIII und Tab. XJV. Bevölkerungsbewegung und Entwicklung des Steuervermögens im Lande Glarus im XVTII. und XTX. Jahrhundert S. 676 und 690,5. Gesamtproduktion der glarnerischen Industrieen in der Gegenwart 69-5. Güterverkehr von Einst und Jetzt 696. Die glarnerische Volkswirtschaft im Allgemeinen 696/8. Schlusswort 699/700. • Notiz. Die zuerst beabsichtigte Trennung des Stoffes in einen allgemeinen und einen speziellen Teil erwies sich in der Folge als unpraktisch, so dass sie fallen gelassen wurde und der S. 5 T. t angebrachte Titel „A. Allgemeiner Teil“ somit als annulliert zu betrachten ist. ■saSä -ttflnh & 5 Ä am mm* llHlllHllliliHiil 1 " Ü&N •-''fl ->ure t.->V ■ •a,' ...I : .CH m*mI ;v'';iil tun Mr 4 11« fei® mm sviyäsi r-rnrT—F l-'.ttWCi lauft öiisliäsäp iM..rr*' aj^sfcjites^VA« ?»*«•«»! .-sgegi &%£* w i«*vi; pT^.yhSjS m&w äsüü «äs* «;?«!*;. i&SÄ.JWif-i j-ftSSÄU^Sl Mn :--3KÄ’ ,SKs»toi; [üSSiBaSäi S81S1 ^iSiftSÄ; hinftfer *R^£;« 3 h '£}v:^£'SSi aatenaygEssfr «SrM : i;s%!ksÄ.i/’>J?j»»äa2- , 5 p^g?: :.-’r.,;taatf y. 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