/Vh Mineralogische Reisen durch Lalabrien »» Apulien von Albert Fortis. In Briefen an den Grafen Thomas von Bassezli in Ragusa, Aus dem Italienischem Weimar 1788- in der Hoffmannischen Buchhandlung. ^ «, »> ^ > VorerL11 ne r u n g. «gegenwärtige Briefe, die hier aus dem teutschen Merkur zusammen abgedruckt erscheinen, find den Freunden der Naturgeschichte darum bisher unbekannt geblieben, weil der Verfasser nur so Exemplare davon für seine Bekannte hatte drucken lassen. In dieser Ucbersetzung sind noch zwep Briefe ( der erste und vierte) hinzugekommen, die der Verfasser handschriftlich mitgetheilt hak, und denen man es bald ansehen wird, daß sie schwerlich durch irgend eine Italienische Censur hatten gehen können. Diese Uebersehung ist also in doppelter Rücksicht so gut als ein Original, und ich darf hoffen, daß sie den Liebhabern der Naturgeschichte willkommen seyn werde, wahrend sich die Liebhaber der politischen und sittlichen Lander und Völkerkunde aus Bnrtels Briefen über Lalabrien rc. (einem gründlichen und von einem hoffnungsvollen jungen Manns verfertigten Werke, dessen Vorkrage ich nur mehr Correckkheit wünschte) Belehrung und Ar Vergab« ^ o r e r l n n e r u n g. Vergnügen verschaffen können. Zugleich gebe ich die Nachricht, daß der Verfasser verspricht, die vollständige Beschreibung seiner mineralogischen Reisen durch Italien, dem teutschen Publikum gleichfalls zu schenken. Wer es weiß, wie selten Italien mit Naturhistorischen Absichten ist bereiset worden, und wie mangelhaft die Kenntniß seines mineralogischen Zustandes bis daher immer noch geblieben ist, dem können die Nachrichten eines Mannes, der, wie Forris, so genau beobachtet und zugleich so gut schreibt, nicht anders als sehr angenehm seyn. Übrigens haben Kenner und Freunde der Naturhistorie die Bekanntschaft 'mit diesen Briefen einem Manne zu danken, dem sie schon so viel Neues, Gründliches und Nützliches in ihrem Fache danken: ich meyne den Herrn Hofratl) von Born *) in Wien, der sie nur zur Uebersehung mitgetheilt, und den mineralogischen Theil der letztem durchgesehen und berichtigt hat. Weimar den sten März 1788. Friedrich Schulz. *) Der Schwiegervater des Grafen v. Dassegli. Erster V Erster Brief. Barletta den zo Octob. 178;. Mein theurer Freund! ^^ie Pest, die in der Türkey wüthete, und mich die Gränze Eures Staats nicht überschreiten ließ; die vielleicht zu weit getriebene Desorgniß von eben dieser Seuche iu dem Venetianischen Dalmatien, die mir keine Wasserreise durch die Insel hin erlaubte; die Gesellschaft deiner vortrcflichcn Eltern, die meinem Herzen so theuer ist; die angenehmen Unterhaltungen mit der liebenswürdigen und geistvollen Gräfin Marierne Giorgi; die Hofnnng endlich, die auch erfüllt ward, den gelehrten und ehrwürdigen Grafen sichere! Sorrzo, deinen Onkel, und den arbeitsamen Ncsti, dessen gebildeter lateinischer Styl an das goldne Zeitalter dieser Sprache erinnert, auf einige Lage bey uns zu sehen — alle diese Umstände A INMM 6 nimm zusammen, und dann fodrc von einem rechtlichen Manne, daß er das süsse Landleben zu Breuo mit dem Rücken hätte ansehen sollen? Die Naturgeschichte würde meinetwegen bis zu Ende des Herbstes im tiefsten Schlafe vergraben geblieben seyn, wenn uns nicht eine der ungewöhnlichsten Naturerscheinungen gewaltsam verstimmt, und mich insbesondere bewogen hatte, Zerstreuung zu suchen, und am Ende den Sitz des Friedens und der Freundschaft, der so plötzlich und so grausam beunruhigt ward, ganz und gar zu verlassen. Hier hast Du einige Bemerkungen, die ich, ohne mich über die Linien deines väterlichen Hauses zu versteigen, auf einer kleinen Reise nach VrulHiza zu machen Gelegenheit gehabt habe. Die Anficht der einförmigen Kalkberge, die das Littorale Dalmatiens und der Inseln bilden, dünkte mich von jeher von der natürlichen Ordnung abzuweichen, die ich gewöhnlich an dergleichen Bcrgreichen bemerkt hatte. Z'u Bceno hatte ich Zeit darüber nachzudenken, und ich glaube eine Erklärung davon gefunden zu haben, die mir auf den ersten Blick nicht so einleuch- 7 einleuchtend war, als ich sie nachmals fand. Die Felder um Breno sind vvm neuesten Datum , so wie die ganze dvrthcrnm angebaute, Ebene. In altern, nicht in den ältesten Zeilen, muß alles das, was jetzt Ackerland, Ocls garten und Weinberg ist, ein Hafen gewesen seyn. Das Wasser in den dasigen Brunnen ist überall salpetrig; die ediern Baumarten kommen nicht gut fort, und sterben nach einigen Jahren ab, vielleicht darum, weil sich bey zunehmenden Alter zuviel Salpeter an ihre Wurzeln legt. Die Ulmen machen eine Ausnahme von der Regel, weil sie ihre Wurzeln mehr horizontal, als tief zu treiben pflegen. Theils diesem Umstände, theils auch der Einwirkung des Bodens, der an der Küste erhabener ist, glaube ich die riesenmaßige Höhe, welche diese Daumart besonders zu Sredarno erreicht, zuschreiben zu müssen. Für ihre angenehmen Scharten werde ich auf immer eine unvcrdring- lichc Vorliebe behalten. Der Grund des anbaufähigen Erdreichs, der aus lauter groben Erics besteht, den das Wasser von den benachbarten Bergen herabgespült hat, beweißt unwider- sprechlich, daß der ganze Landesstrich, der itzt die Ebene von Breno ausmacht, vor einigen A 4 Jahr- , 8 Jahrhunderten ein Meerbusen , gewesen seyn müsse, der nach und nach zum Sumpfe ward, und sich endlich durch wiederholte Erdenansätze zu einem festen Boden kvndensirte, der sich an die Flache anschloß, die sich bis nach Cuppari hin erstreckt. Wie verhält es sich aber mit den Bergen von Postracznn, Bergaro rc. bevor das neuere Mcergewässcr in dieses Thal drang, das es allmählig wieder verlassen mußte? O, es verhalt sich mit ihnen gerade so, wie mit den rauhen Bergen von Gabioticello, vonGtag- no , dem ganzen Littorale des kleinen Meeres, und mit den grossen Inseln Meleder, Lerrzosier, Lorzola, Lcsina und den kleinen Klippen, die im Golfo di Venetia zerstreut liegen. Sie waren die Kipfel hoher Kalkalpen, die dem Meere, wie ihre Versteinerungen beweisen, den Ursprung zu danken halten. An ihren Wurzeln hatten sie kleinere Berge und Hügel der dritten Ordnung, wie alle übrige der grossen Kette. Sie beherrschten das niedere, lange und breite Thal, das itzt den Grund des Adriatischen Meeres ausmacht. Der h)o mußte diesem Thale das seyn, was der tTsil Aegyptcn ist, und dieser Fluß muß sich in irgend 9 gend einen grossen See ergossen haben, der ungefähr wie der Caspische sey» konnte, und vielleicht an der schmalsten Seite des grossen Kessels, der das mittelländische Meer anschließt, gelegen seyn konnte. Die Ueberbleibsel von zerrissenen und eingestürzten Schichten, ihre liefen Einschnitte, die Zeichen von Zernagung und Einsturz, die das scharfe Schneewasscr bewirkte, sind eben so viel unbezwcifelte Merkmale der Alpinischen Beschaffenheit dieser Berge, die ihrer jetzigen geringen Höhe gar nicht zukommen. Auch die Thaler (nicht bloß euer Brcnv-Thal, sondern das weit grössere von Eanali) und die erstaunliche Steilheit des Gestades nach den fast unkenntlichen Ruinen des südlichen Illyrischen Epidaurus zu, sind überzeugende Beweise, daß ungeheure Ströme, die von unermeßlichen Schneemassen ausgiengen, dieses riescnmäßige Werk in frühern Jahrhunderten anfiengen und vollbrachten. Ich berufe mich gern auf alte Ströme, und auf ihre langsamen Arbeiten, weil ich mich mit der Vorstellung von einem plötzlichen Hereinbräche der Gewässer, von einer Empörung des Oceans, und von einem gewaltsamen Einsturz, Lurch welche mehr als ein vortreflicher Natur- A 5 forscher forscher die grossen Phänomene in den Alpen erklären will, nie und nimmer werde befreunden können. Wenn auch diese meine Hartnäckigkeit von keinem erhabenen Geiste zeigen mag — immerhin! ich ringe nicht nach diesem Ehren- nahmen, und Mich überläuft jedesmal ein kalter Schauer, wenn ich die Natur einen safte, rnorr.üs thun lassen soll. Nach allem dem, was ich über die langsamern Schritte der Natur, die sich zu einem beständigen sichtbaren Zwecke lenken, beobachtet habe, ist mir eine Art von Eckcl vor allen den Hypothesen unserer Natur- histvrischen Zeitkrämer aufgestiegen, die mit der Zeit so karg umgehen, als wäre es eine Waare, die man für baares Geld kaufen müßte. Du wirst mir gewiß nicht einwenden, daß der noch vorhandene kleine Bach Breno , dessen Gewalt so vorübergehend als plötzlich ist, und die nach hundert Jahren kaum merklichen Erdansätze, unmöglich ein Thal gebildet haben könnten, welches doch nur ein kleiner Theil der ältern itzt vom Meere bedeckten Holung wäre, die sich zwischen Bergen und kleinen Hügeln bis zu der Vertiefung erstreckte, die nach und nach von dem Asiatischen Meere ertrankt ward. ward. . .'i . Du hast ^u viel natürlichen Vcr> stand, du hast ihn noch dazu durch das unter- richtende Schauspiel der Schweizeralpcn, durch Lektüre, und durch den Umgang mit den berühmten göttingischen Naturforschern zu sehr ausgebildet, als daß ich fürchten sollte, du würdest über das Alter unserer Kugel eben so Lenken, als der grosse Haufen. Stelle dir das Thal Omblq vor, seine engen und im Ganzen genommen sehr steilen Ränder, die auf beyden Seiten corrcspondircn, die abhängige Lage der Schichten, drein der Nachbarschaft des Meeres, und die horizontale Stellung derer, die höher hinaus liegen, und endlich die Trümmer, die dieses Thal unterhalb Giuncdeto versperren-erinnerst Du Dich nicht hierbcy an den langen und engen Vierwaldsrädtcr See, den wir beyde bcschiftcn, als wir aus Graubündtcn nach Schweiz wollten? Wenn du an Geist und Körper gesund und mit nützlichen Kenntnissen bereichert zur Freude deiner Familie zurück kehrst, um das öffentliche Wohl deiner Vaterstadt thätig zu befördern, oder in philosophischer Ruhe den Wissenschaften zu leben; wenn dir der Muth sinkt, 12 sinkt, bey allen den Hindernissen, die dir bald Eifersucht, bald Schläfrigkeit, bald der natürliche republikanische Wankclmuth in den Weg legen-so hoffe ich, wirst du es machen wie Pompsnius Atticus: Bewerber sich bewerben, Ehrgcitzige Plane, schmieden, und Rangsüchtigc nach Rang streben lassen, wahrend du dem Gange und Wesen der Natur mit Friede und Heirerkeit im Herzen, unabläßig nachspürst. Dann wirst Du auch auf das gerathen, was ich Dir jetzt geschrieben habe: Du wirst überall Spuren alter Wasserfalle finden, die jetzt nicht mehr cHstiren können, weil das Klima der Gcbürge nicht mehr alpis nisch ist, wie in frühern Jahrhunderten, und weil sich kein immerwährender Schnee mehr auf denselben halten kann. Alles wird die Beweise liefern, daß die Oberfläche der dortigen Gegend in ältern Zeiten, eine Reihe von Veränderungen durchlaufen sey, die von ihrem jetzigen Zustande gänzlich verschieden waren. Der erste Schritt, den Du in die Dunkelheit vergangener Jahrhunderte zurück thun wirst, dürfte die Ausfüllung der Meerbusen betreffen; der zweite den Einbruch des gegenwärtigen Meeres in die weiten Ebenen und in die die Zwischenräume der Berge, die sie auf den Seiten einschüessen; und der dritte, den ehemaligen Zustand des ungeheuern niedrigen Erdstriches, der itzt von den Adriatischen, Ionischen, Schwarzen und Mittelländischen Meere bis zur Erdenge von Gibraltar, die Du in jenen Zeiten noch nicht von den Gewässern durchbrochen erblicken wirst, über und über unter Wasser gesetzt worden ist. Der vierte wird Dich die unermeßliche Aussicht über die Alpenkettcn bemerken lassest, die mit ewigen Schnee bedeckt und mit tiefen Thälern durchschnitten sind. Die Abtheilungen dieser Thaler werden sich dir ss-rraris ju§is, nach den grossen Ebenen gerichtet, und als ungeheure Dämme wider die Flüsse zeigen, die ihre Gewässer in einen unermeßlichen See und in grosse Sümpfe stürzten, die durch die tägliche Ausdünstung in ihren Ufern und Schranken zurück gehalten wurden. Du wirst bemerken, wie sich an den Seiten dieses Sees, der zu den Füssen zerspaltener Berge liegt, nach und nach mächtige abgerissene Thvnmassen, und mit denselben andere Schichten und Lagen , die mit Vitriol, Schwefel, Steinöl und Asphalt durchdrungen sind, »nid grosse Bänke von Meersalz und Eyps, all- mahlig mahlig anhäufen werden. Die Bestürmung dieser abgerissenen Massen wirst dn auf den ersten Blick einsehen. Sie sind der ewige Zun- der und Ursprung-der warmen Queller des Gestanks der Schwefellcbcr, der tödlichen Mofe- tcn, des Anfsprudelns der Teiche, der Salz- wasser und der Moraste, der wilden Wuth der Feuerberge, und der zerstörenden Uebergcwalt des Erdbebens. Der fünfte Schritt wird Dich in den Stand setzen, den ursprünglichen Zusammenhang der grossen Ketten von Kalkbergen, die allmählig durch Ansätze von Meeresgrund ( stepolmon? marin?) gebildet wurden, zu untersuchen, und zu erforschen, wie sie zu der Zeit beschaffen waren, als das Meer zurück trat, und als gewaltige Regengüsse noch nicht die tiefen Hölungen und unergründliche Wasser- schlünde in und zwischen denselben gegraben hatten. Die Spuren von dein stufenweise» Zurücktritt eines uralten Oceans; die noch unaus- gebildeken Pflanzen und Landthierc, und endlich die Amphibien, die nie auf dem Lande ohne nahes Wasser, und nie im Wasser ohne nahes Land zu leben gewohnt sind, werden dir ein wer, tcs Feld zum Nachdenken darbieten. Der *5 Der sechste Schritt wird dich auf die unermeßlichen und langwierigen Arbeiten der unterirdischen Gewässer leiten, die so unzählige Schichten von Sand und Schlamm — voll von Geschöpfen, deren Originale entweder bis jetzt ganz unbekannt geblieben sind, oder deren Art, nach einem Gesetze der Natur, sein Ziel erreicht und ganz ausgegangen ist -— bildeten und eine über die andere absetzten. Jeder Kiesel im Flusse wird dir Gelegenheit geben, über die grosse Krisis nachzudenken, die unser Globus Lurch Wasser erlitten hat, weil sich in jenen Gegenden auch nicht die mindesten vulkanischen Merkmale finden. Doch bin ich überzeugt, daß Du auch an die Berge und Felsen, die eine unterirdische Glut empor gehoben hat, zuweilen Lenken, und Dich dabey eines Freundes erinnern werdest, mit dem Du zu Vicenza, am Mittelpunkte uralter Entzündungen und Brände, gewohnt hast! O, ich denke wohl tausendmal an Dein Brenoz die kleinsten Umstände treten mir immer wieder vors Auge zurück z ich könnte Dir jeden Stein dieses lieben Landsitzes vorzählen! Wenn Du in Deinem Garten umherwan- delst, oder, wenn Du Dich (was mir noch liebe« ber ist) im Luffwäldchen unter einen Baum Niedersetzest, auf dessen Rinde Verse und Wünsche für den entfernten Freund cingegrabe» sind, so wirst du auf Steine treten, oder sie vor Dir in den Mauern verarbeitet sehen, die fast ganz aus der purpita lenriculsris er uumismalis bestehen. Dies versteinerte Meerprvdukt ist in den Dalmatinischen Bergen sehr häufig, so wie die Lituiten und Ortoceratiten, die sich durch ganz Europa entweder am Fusse, oder in der Mitte, oder auf dem Gipfel der Kalkberge, aber im Meere sich nirgend mehr lebendig finden. Du wirst die verschiedenen Systeme der Geologen mustern; Du wirst bey ihnen Entwickelung der besondern einzelnen Erscheinungen suchen, aber statt Aufklärung nichts als jene Verwirrung finden, durch welche die Hypothesen, die mehr Werke des Genies, als der Beobachtung find, gewöhnlich über den Haufen geworfen werden. Und desto besser, mein, lieber Freund! Du wirst Dich dann hüten, dergleichen weder zu bauen noch zu entwickeln, und Dir mit unerklarbaren geheimnißvvllcn Dingen das Gehirn zu verbrennen; Du wirst Deine Kenntnisse ganz Deinem grossen Zwecke, dem Besten des Vaterlandes und der Mutter der der Künste, widmen, die bey Euch ein wenig zurück gesetzt zu seyn scheint; Du wirst durch Beyspiel und That, die immer belehrender sind, als die grössesten Meisterstücke der Beredtsam- keil, eine bessere und zweckmäßigere Landeskultur und eine geschicktere Verarbeitung der ländlichen Produkte, in Schwung zu bringen suchen, und dies um so leichter bewürben, wenn Du Dich, wie es mir sehr glaublich ist, mit Deinen Büchern aufs Land zurück ziehen solltest. Hielten Dich aber die Umstände in der Stadt zurück, so wirst Du daselbst Anstalten thätig zu befördern suchen, die so angenehm als nützlich, und der Vereinigungspunkt zur Kultur des Geistes werden könnten. Die guten Kö- -pfe, deren Ihr eine grosse Anzahl besitzt, würden sich wechsclsweise elecktrisiren, und herrliche Funken würden aus der Lichtmasse, die bis fetzt verborgen lag, oder auch nicht zweckmäßig verwendet wurde, von alle» Seiten emporschnellen. Den hypothetischen Untersuchungen würdest Du einige Augenblicke von Deiner Müsse schenken, und sie für daS nehmen, was sie sind- sür den poetischen Theil der Naturgeschichte, der darum nicht zu verachten ist! Gut und ge- B nan nau analogisch durchgeführt, können sie von grossem Nutzen seyn. Noch ehe ich das Ragusanische Gebiet ganz verließ, habe ich einen Ausflug nach «Lerpaga und nach Eurem Vt'uchuzn gemacht, dnnnosck (.eui Landgut) hatte uns Deine liebe Schwester, mit Gatten und Kindern, auf einige Tage geraubt, und ich hatte mir es cw.g nicht verzeihen können, wenn ich nicht hinauf gereist wäre, um diese mir so theure Personen noch einmal zu sehen. Auf dem langen Damme, der von dem Meere nach dem Landgute führt, bemerkte ich Klumpen vom pfenninMein (flel- rninlkolirkius ^orpiras numi8Mk>1rs ) deren einige wohl zwey Zoll im Durchmesser hatten. Du könntest eine Menge davon zusammen bringen, um Deine naturforschende Freunde in Teutschland, wo diese Gattung von Versteinerungen selten ist, damit zu versorgen. Das kleine Schloß, mit seinen angenehmen Garten und herrlichen Environs hat mich entzückt. Der mächtige Springbrunnen, die kleinen klaren Silberbäche, die dichten Alleen von riesenhaften Lorbeeren, und die luftigen Plätze, in welchen Orangenduft wehte, belebten -9 Len und durchdrungen Mein Herz. Nie hab* ich solch einer himmlischen Empfindung genossen! Deine kleinen Neffen fcyertett das Fest meiner Ankunft so herzlich, daß das Schloß von ihrer Freude wiederhallte. Ich unterhielt mich lau, ge mit ihnen, ehe ich das Zimmer der Frau vom Hause betrat. Deine Dccia empficnA mich mit dem ganzen herzlichen Ergüsse der Freude, womit Deine theure Mutter und Du, mich immer empfinget, wenn ich Euch unver- machet überraschte. Wir wandelten in dem Alleen auf und ab; wir setzten uns an dem schö» neu Springbrunnen nieder, dem einzigen, des zwischen Triej! und den Dardanellen durch die Kunst verziert ist; wir machten dem platanus unseres Rejri, dem schönsten, stolzesten und prächtigsten Baume, den ich je gesehen habe, einen förmlichen Besuch; täglich würde ich sei, nen Stamm Mit frischen Kränzen umwunden haben, wenn es mir möglich gewesen wäre, an diesem glücklichen für Poesie und Empfindung; geschaffnen Orte, einige Wochen zu verweilen» Aber der bittere Gedanke an Trennung von ss vielen mir so theuern Freunden und Freundinnen in Deiner Familie und Bekanntschaft, hatt« Win Herz durchdrungen; ohne ihn wäre ich in B - die sey 20 diesen wenigen Augenblicken so fröhlich, so glücklich gewesen! Es war mir zur Gewohnheit geworden, im Nagusanischen Gebiete nichts als Steine und Felsen und immer wieder Felsen und Steine zu sehen; deshalb glaubt' ich mich, mitten in dem schönen, dichten, frischen Grün von (Lannosa, bey dem Geräusche der lebendigen Gewässer be- zaubert! Aber wie bald flattern solche Zauber dahin! — Meine Bootsknechte liessen mir keine Ruhe. Ich war gezwungen, mich den Umarmungen Deiner guten Schwester, Deines Schwagers und der Kleinen zu entreissen, die meine schnelle Abreise gar nicht begreifen konnten , und weit mehr Gründe dagegen wußten, als ich. Gegen Abend kam ich nach Stagno, wo Mich der Graf * * und seine junge Gemahlin, mit derjenigen uneigennützigen Hospitalität em- pfiengen, die durch das ganze Gebiet von Ra- gusa gang und gebe ist. Den folgenden Morgen schiffte ich mich auf der andern Seite der Erdenge ein, und stach in das kleine jZZecr, das von grünbekleivcten Ufern angenehm umschlossen ist. Wer an die Stadt gewöhnt ist, dürste diese Gegend zu rauh und zu wild finden z den; aber mir war sie so eben recht! Alles waS sich dort für die Mineralogen findet, ist einförmig; ich habe, indem ich eine Strecke nicht fern vorn Lande Hinschissen ließ, nichts als Ami« ten und (Drtscerarircn in Kalksteinen bemerkt. Aber in den entlegenen kleinen Bayen, in jenen Schlupfwinkeln, die selten eine Barke besucht — was für eine reiche Erndte von Beobachtungen über die Geschichte der Gcethiere erwartet dort Deiner! Diese Gewässer liefern alle die Schaalthiere, die das Meer von Ta« ranto (dem wahrscheinlich noch lange einsichtsvolle Beobachter abgehen werden) in Menge besitzt — alle die Schaalthiere sage ich, die bis jetzt den Naturforschern bekannt geworden sind. Es muß eine Menge Zvophiten und noch völlig unbekannte Seeinsekten daselbst geben; Dn wirst dadurch die Naturgeschichte, deren Notitz von den Wasserthieren (wie des berühmten Pallas cataloZu-, 2oop!r^torum beweißt) noch so beschrankt ist, zu bereichern Gelegenheit haben. Ungefähr eine Meile von Praprata bemerkte ich von meiner Barke aus, eine grosse Schicht, die über und über voll Seekörper war, die sich in einem weissen Kalkspat versteinert B z hatten. hatten. Ich stieg ans Ufer, um sie genauer zu besehen, und fand, daß es größtenthcils der fielmimolüfius bucarfliae war. Diese Schicht schien sich weit auszudehnen; aber sie hatte ihre natürliche, ursprüngliche Lage nicht mehr: ei« Vige ihrer Massen stiegen senkrecht hinauf. Diese Erscheinung, die man nicht selten an den Meer« ufern und an den Einfassungen grosser Thaler findet, scheinen mir durch nichts, als durch unterirdische fließende Gewässer, erklärt wer« den zu können. Ihre Existenz ist unleugbar; auf ihrem Laufe nach dem Meere zu, benagen, trennen und entführen sie almählig die Grund« läge der obern Schichten; daher entstehen mit der Zeit Risse, Verschiebungen, Fälle und Ein« sstürze. Vielleicht irre ich: aber ich gestehe, Laß mir diese Theorie, wenn man sie mit den »orhinerwahnten Erscheinungen zusammcnhalt, zur Erklärung der verschobenen und zerrissenen Schichten, nach der Beschaffenheit des Hrts, wo man sie findet, überaus geschickt zu seyn scheint Diejenigen also, welche glauben, daß Die Schichten sich so verschoben haben, ehe sie die gehörige Harte erreichten,' sehen die Sache, nach meiner Meynung, in einem falschen Lichte. Doch glaube ich auch, daß viele dieser Schichtenein« stürze stürze älter sind, als der Hercinbruch des neuen Meeres. Gleich nach meiner Ankunft in dem frucht» baren Ländchen Terpugu, machte ich mich, vhne auf ein Pferd zu warten, nach Vruct?iZN auf den -Weg. Der enge von hohen Rändern eingeschlossene Holzweg, der in Dein Gebiet führt, erinnerte mich an den Paß von Termo» pilä, der durch den Heldentod des Leonidas und seiner drcyhundert Spartaner so berühmt geworden ist. Du könntest Dein Besitzchum auch mit dreyßig Mann gegen eine ganze tür» fische Armee vertheidigen. Zu Vruchiza, wo mich Dein-guter Vater erwartete, habe ich nichts erwähncnswerthes gesehen, als daß ich die Ruinen des Lustschlosses besah, welches Euer berühmter Dichter, der Ritter von rzuina, vor zweyhundert Jahren, an einer wahrlich sehr schlecht gewählten Stelle, für sich und seine Freunde hatte erbauen lassen. Eine kleine Meile weiter hin kletterte ich zu dem Orte hinan, der die rnmera serri siemanrics ^lvbu- laris liefert, deren sich die Einwohner zu Fliur tenkugcln bedienen. Wenn es wahr ist, was mir die Bauern sagten, daß der Gang dieses Erztes mächtig und ausgedehnt sey, so könntest B 4 Du 24 Du ihn mit der Zeit nutzen, weil Du über- flüßiges Gehölz in der Nachbarschaft, und auch an dem nöthigen Wasser, wenigstens im Frühlinge, keinen Mangel hast. Deine Berge zeigen keine Spuren von unterirdischen Schätzen, haben auch sonst keine natürliche Merkwürdigkeiten; doch bin ich auf die Vermuthung gekommen, daß sich in den Haufen von Kalksteinhügeln an dem Eapo Cu- niuno solche Fischgenppe, wie aus der Insel Lesina den Darboska, finoen dürften. Wenn Du zurückkommst, wirst Du zwischen diesen Bergen den Bau der Pataten, die daselbst unfehlbar gut fortkommen würden, thätig zu befördern suchen. Es würde mir indessen nicht lieb seyn, wenn Du dich lange zu Druchiza aushalten wolltest. Mache es vielmehr so kurz als möglich; denn die Luft, die von der benachbarten IDtarerfta *) inficirt ist, kann für die Gesund-, heit nicht zuträglich seyn. Als ich mein Lebewohl an Dich in die Rinden einiger Oelbäume schnitt, war ich wirklich gemeynt, auch diesen waldigten Gegenden auf immer gute Nacht zu sagen. Sollte ich durch Zufalle, die ich nicht vorher- ) Ein Sumpf. -5 vorhersehen kann, ja in den Staat von Nagusa zurückkommen, so sage ich es Dir im voraus, daß rch nie über Val rdi - Vsoce und Cannoscr einen Fuß hinaussetzen werde. Bey dieser Gelegenheit muß ich eines Phänomens erwähnen, das Deinem Val ^ di- V!c>ce eigen iß; ich kenne es zwar nicht selbst, aber ich kann an seiner Existenz nicht zweifeln, weil mir die Erzählung Deiner vvrtrefiichen Mutter genügsame Bürgschaft leistet. Ich meyr ne die Höhle, die furchtbar heult und brüllr, wenn das Meer von Südostwinden aufgeregt wird. Du weißt, daß die Einwohner von Ra- vigna, Faenza und Forli viel von dem heulenden Felsen zu Premilcsre in Rvmagna - Tvska- na zu erzählen wissen. Man giebt als die Ursache seines Geheuls den Fall eines kleinen Flusses an, der sich zwischen jähen Ufern durch ein enges Thal in die Ebene herabstürzt. Ich hatte nicht Zeit, diesen Ort zu untersuchen, habe auch, als ich neben Faenza und Forli hinreiste, den heulenden Felsen nicht gehört. Die Höhle zu ValrdirNoce, die nahe am Landhause liegt, kannst Du ohne grosse Mühe und Zeit untersuchen und ihre Beschaffenheit aufklären. Du müßtest damit anfangen, daß Du B s dem »6 dem Geheul auf verschiedenen Standpunkten zuhörtest, und den Grad und die Beschaffenheit der Luft bestimmtest, unter welcher es sich am deutlichsten hören läßt. Auch die Untersuchung der innern Beschaffenheit der Höhle müßte interessant seyn. Genug, Du must uns über diese natürliche Posaune ein Licht aufstecken! Ich schmeichle mir mit Recht, daß die' Republick der Naturforscher eine Menge von Aufklärungen über eine Menge Erscheinungen auf der Fläche von Boßina und auf den Inseln des Dalmatinischen Meeres, Dir mit der Zeit zu danken haben wird. Gewiß, diese Vermuthung wird nicht getäuscht werden. Du wirst die Pflichten des Bürgers mit dem Studium der Gegenstände, die Dir näher oder entfernter liegen, geschickt zu verbinden wissen. Wenn es Dir gelänge, Theilnchmung und Wetteifer unter Deinen Landsleuten zu entflammen, was würde dann nicht lehrreiches ans Tageslicht kommen! was für Data zur Aufklärung der Geschichte nicht bloß des Vaterlandes, sondern der ganzen Nation und der benachbarten Völker! Dein würdiger Onkel, Graf Michael von Sorgs, hat einige wichtige Manuskripte von der Hand eines gewissen Abbate Gradi, der -7 der an der Bibliothek des Vatikans stand, Dem Staube und den Motten entrissen. Für die Diplomatik Slavoniens müssen sich in dem Archiv zu Ragusa viele verborgene Schätze finr den, weil Ihr mit den Despoten und unmenschlichen Beherrschern von Servier, Rescia rc. in so viele Handel verwickelt gewesen seyd. Dies ist ein ganz neues Feld, das noch erdfnet werden muß, und zu sehr merkwürdigen und allgemein interessanten Untersuchungen über die alten Denkmäler, Gesetze und Sitten der Nation, führen wird. Man hat guten Grund zu glauben, daß ihr mehr Dokumente, als jeder anderer Ast des Slavischen Dölkerstammes, über die Geschickte Eurer Voreltern auszuweisen habt. Wenn auch das Entziffern her alten Dokumente nur den Nutzen hätte, daß man die Kunst lernte, die prosaischen und vcrsificirten Inschriften zu erklären, welche die rohen mittlern Zeiten vergruben, und die man aus Un- kunde der Schriftlichen nicht mehr versteht; so wäre dieses allein schon ein wichtiger Erwerb» Cure Geschichte besonders, die bis jetzt so schlecht bearbeitet worden ist, würde dadurch Gründlichkeit § Wahrheit und Interesse gewinnen. Euer 28 Euer Staat hat die Einrichtung einer Buchs druckcrey in Ragusa, die bis jetzt noch die einzige in Dalmatien ist, unterstützt und gutge- heisscn: nun fehlte dieser Stadt noch eine Akademie der nützlichen und vaterländischen Gelehrsamkeit, die der Mittelpunkt des Wissens der Nation würde. In vorigen Zeiten hattet ihr wohl drey dergleichen; aber sie beschäftigten sich hauptsächlich mit kleinen poetischen Tändcleyen, wie die Akademien in den italienischen Provin- zialstädtcn fast alle. Ich hoffe, ihr werdet eine Gesellschaft zusammen ziehen, die unsers Jahrhunderts werth ist. Ihr werdet auch einen Poeten in der Qualität eines Akademikers, aber nie einen Akademiker in der Qualität eines Poeten aufnehmen! Die Dichtkunst*) ist bey der Tafel, in fröhlichen Gesellschaften, im Lust- wäldchen zu Breno, in dem reizenden Cannosa, an ihrem rechten Platze; aber nie in ernsthaftwissenschaftlichen Versammlungen. Kunst, Handel, Wissenschaften, vaterländische Alterthümer müssen eure Aufmerksamkeit besonders auf sich ziehen. Die Beredtsamkcit, diese grosse Kunst, f Doch wkdl nur die, welche man jcnt in Italien Dichtkunst nennt, und die sich nur selten über die Soli nette versteigt, d. Uebers. 2 - Kunst, gehört nicht für die Akademie: diese muß den Direktoren der öffentlichen Schulen, für welche sich Eure Regierung so freygebig verwendet, empfohlen werden. Vielleicht gelingt es Dir auch, die Nothwendigkeit, jene unwissende, unnütze und ungesittete klösterliche Müft siggänger aufzuheben, Deinen Mitbürgern begreiflich zu machen, und statt ihrer eine Erziehungsanstalt für die adelichc Jugend Eures Landes und der benachbarten Städte zu errichten. Diese würde viel Gutes stiften, und unter andern den immer schädlich beschäftigten Ahnenstolz, wo nicht ausrotten, doch wenigstens vermindern. Unter tausend Gestalten hat dies Ungeheuer den Saamen zu schleichenden Krankheiten in euern politischen Körper gelegt, und ihm allein hat eure Republick so mancherley Verlust und Schaden zuzuschreiben. Aber, laß uns zur Naturgeschichte zurückkehren! Am Schlüsse dieses langen Briefes, werde ich Dich nicht ermuntern, jenem Mvrla- ckcn psillc» nachzuahmen, der dre Schlangen mit gottesfürchtiger Gastfreundschaft zwischen seinen vier Mauern, sogar in sein Bette aufnahm, und klagte und ein schlechtes Jabr weissagte, wenn ihn diese sonderbaren Gäste nur in geringer ger Anzahl überrascht hakte». Diesem alte» Naturkündigcr sollst Du nicht nachahmen, aber zween andern, die im vorigen August gestorben sind, solltest Du und Dein Vater, Deine Mutter, Dein Schwager, Dein Onkel, Deine Schwester, und Deine kleinen Neffen fleißig in die Karte sehen. Der eine war ein Jude, Namens Abraham Rufst in Ragnsa, der 104 Jahr lebte, und rsz dieser Jahre stark an Körper und Geist zubrachte; verändere, der noch mehr wußte als der erstere, obwohl er ein Dauer war, hieß Rufsan und wohnte in dein Dorfe Cuccichia. Nachdem er rifl Jahr und einige Monate spekulier hatte, entschloß er sich, die Welt mit dem Mücken anzusehen. Zwey Jahre vorher , war er noch nach der Stadt gegangen, die vierzig Meilen von seinem Dorf entfernt liegt; und er betrieb feine häuslichen Angelegenheiten bis zu dem letzten Dage seines Lebens mit dem vollkommensten Bewußtseyn seiner selbst. Noch bis jetzt lebt ein wackercc Greis von io2 Jahren, Namens Hmiza zn St. Stefano d'Ombla, bey guter Gesundheit» Die Anzahl sieinalter Leute, die unter euch leben, ist sehr beträchtlich, uud ist nicht bloß eine Lobrede auf Euer Klmia und Eure unverdorbene Lebens- Lebensart, sondern auch auf den kernhaften, festen Stamm Eurer Nation. Der Morlacke, Raglis, der vor einiger Zeit in seinem i r i flen, die Baurin Lucra aus dem Flecken Scoput, die im i vzten, und die Mutter Eures berühm- ten Boecowich, die auch im ioz Jahre starb, sind eben so viel Beruhigungsgründe füs diejenigen, denen das Leben lieb ,st. Ich wünschte Ursache zu haben, einen Werth darr auf zu setzen; flugs würde ich mich auf eines Küste ansiedeln, die so viel hundertjährige Bewohner auszuweisen hat. O, mein gutes Toms, der Wunsch, Euch im Alter mit dem Ragus und Russan wetteifern zu sehen, wird vielleicht meinem Herzen nie gewahrt, weil Dessen Erfüllung nicht bey Euch steht! Aber dem Beyspiel der Biedermänner, mit denen Du iw der Schweiz und anderwärts heilige Bündnisse geknüpft hast, zu folgen, dies kannst Du, und dies wünscht mein Geist und mein Herz einmü- thig. Ich werde mich herzlich freuen, wenn ich höre, daß Du in den Schovß Deiner Familie und Deines Vaterlandes, die beyde des Ehrfurcht und der Zärtlichkeit eines wackern Mannes so sehr werth sind, glücklich zurück- Scko,m gekommen bist. Dahin zielen die herzlichen Wünsche deines Freundes Fortis. Zweyter Brief. Bm-Ietta, den;tcn Novemb. 178z. !^ie Müsse, welche mir die Conkumaz hier wider mc.ncn Willen schenkt, hat mich auf den Gedanken gebracht, Dir die ersten Grunds linien von der natürlichen Beschaffenheit des Landes zu zeichnen, das neuerlich von dem Erdbeben ,0 schrecklich ist zerrüttet worden, in so fern es nemlich, ohne es selbst noch einmal zu bereisen, geschehen kann. Du weißt, daß ich schon im Jahre 1780., wo ich die gesellschaftlichen Freuden zu Ragusa mit den Beschwerlichkeiten einer naturhistorischen Reise vertauschte, einen Screifzug nach Calabrien unternahm, um von Neapel nach Sicilien zu gehen, gerade zu einer Feit, wo der Aetna und das Erdbeben zugleich wütheten. Die Methode, deren sich die Neapolitanischen Schriftsteller bey - zz bey der Beschreibung dieser traurigen Naturbc- gebenheiten bedienten, war mir nach wiederholten Beobachtungen ein wenig verdächtig geworden. Es fiel mir auf, daß sie die Beschaffenheit des Bodens, der diesen schrecklichen Phänomenen unterworfen ist, nicht mineralogisch und in der Sprache der Naturforscher beschrieben, welches doch, nach meiner Meynung , dabey unumgänglich erforderlich wäre. Jetzt gicng mein Verdacht in Ueberzeugung über, und ich beschloß, ihre Mangelhaftigkeit in diesem Punkte in einigen Briefen an Dich, einigermassen zu ergänzen, doch ohne den stolzen Vorsatz, Dir etwas ganz vollständiges liefern zu wollen. Um diese Absicht zu erreichen, will ich die Bevbochtungcn, die ich in dem Journal meiner damaligen Reise durch Calabrien finde, samm, len und ordnen. Ich thue dies um so lieber, da die Nachrichten von jener Zerstörung, die mir vor Augen gekommen sind, ihren Gegenstand sehr obenhin behandeln, und da selbst Darris, der eine Geschichte seines Vaterlandes herausgab, vieles nicht bemerkt und beschrieben hat. C Dieser Dieser Abriß kann der Leitfaden zu einem Cempendium abgeben, welches man aus den voluminöse» Werfen der Neapolitanischen Gelehrten über diesen Gegenstand herausziehen könnte, und du kannst ihn, wenn du willst, den wackern Männern, unter denen Dn setzt lebst *), mittheilen. Vielleicht kann er auch einige leere Minuten in einer Sitzung der dortigen berühmten Akademie ausfüllen, zu welcher auch ich mit der Zeit zugelassen zu werden hoffen darf. Gabriel Barrio, ein Calabrier, aus Francica, einer Landschaft gebürtig, die durch das letztere Erdbeben gänzlich verwüstet worden, gab unter Pins dem Fünften ein Werk 6a anti^uiraks er iiru E)alal>riae heraus. Er brauchte die Vorsicht, in demselben die Beschreibung des Bodens der verschiedeneir Gegenden zu liefern, und zwar für jene Zeiten ziemlich genau und vollständig. Zwar würdigt der gute Brrrrio sein Buch durch eine starke Dosis frommer Leichtgläubigkeit herab: aber dieses abgerechnet, was man auch seinem Zeitalter gern verzeihen wird, enthält seine Arbeit, eine weitläuftige Gelehrsamkeit und einen hinlang- *) Der Graf »> Bassegli Kar damals in Edttingen. Hinlänglichen Vvrrath gesunder Beurtheilungs- kraft, wenn ihn auch die Vaterlandsliebe, die ja auch auf alle übrige Erdensöhne ihren Einfluß zu behaupten pflegt, zuweilen ein wenig getäuscht haben mag. Calabriens Länge hält ungefähr 190 römische Meilen (davon 7^ auf einen Grad gehen) von Norden nach Süden, und zwar von der Mündung der Flüsse Talno und Siri (jetzt SlVlno genannt) bis zum äussersten Ende des Lspo 6i lpsriivsnto; seine Breite, w» sie am geringsten ist, als zwischen Squillacs und dem 6 ol 5 o 6ie 8. lkukemia (ehmals ssnus lamericus genannt) hält kaum 20; und wo sie am beträchtlichsten ist, als zwischen dem Lspc» ä'^lice und paosir, ungefähr 70 solcher Meilen. Wenn man eine Linie von ungefähr sechs und vierzig Meilen unterhalb der Mündung des Talao und des Siri beschreibt, so kommt man nahe an dem Landgute Lauria vorbey, welches in dem alten Lucanien zwischen Bergen liegt, und jetzt den Nahmen Bnsilicirto führt. Ich erwähne dieses Orts, ob wohl er ausserhalb den Gränzen Calabriens liegt, darum besonders, weil einer der arbeitsamste» C a Natur- Naturforscher, die Italien in unsern Zeiten hervorgebracht hat, im Jahre 1779 sein Leben daselbst beschloß. Es war der gelehrte Ca- valier Joseph Mozzi von Macerata, welcher wiederholte und lange Reisen in den jenseitigen Gebürgen gethan, und beschlossen hatte, ein gleiches in Calabrien zu unternehmen, aber auf den Gränzen dieses Landes mit einem Entzündungsfieber befallen ward, das ihn für die Ehre seines Vaterlandes und für die Erweiterung der Wissenschaften, zu früh der Erde entriß. Ich ward daselbst von Sig. Joseph Ginneri, ohne ihn zu kennen, ohne an ihn empfohlen zu seyn, sehr höflich aufgenommen. Eben dieser vvrtrefliche Mann hatte, wie ich erfuhr, dem wackern Mozzi die letzten Pflichten der Gastfreyheit und Menschlichkeit mit vieler Theilnehmung erwiesen. Won Lauria aus nahm ich meinen Weg nach dem Flusse Lao zu, und kam durch * * * wo rch einen tölpischen und groben Landjunker antraf. Ich wandte mich an ihn, nicht etwa, daß er mich in seinem Hause aufnehmen, sondern , daß er mir nur ein erträgliches Quartier für mein baares Geld verschaffen mögke, wo ich vor den glühenden Stralen der Mittagssonne (es 37 ( es war gerade den lösten Juri.) gedeckt wäre; aber auch diese unschuldige Bitte war er hartherzig genug mir abzuschlagen. Zur Steuer der Wahrheit muß ich bekennen, daß ich in dem ganzen Königreiche Neapel, wo man, wie ich aus Erfahrung weiß, die Gasifreyheit in ihrer ganzen Starke schätzt und ausübt, solch ein Brutum nicht wieder gefunden habe. Eine Meile weiter, sagte man mir, daß die Gemahlin des Herrn Barons eben so artig und gefällig , als ihr Gemahl unartig und unhöflich sey, und daß sie ihn nicht selten zu seiner Pflicht zurückzuführen wüßte. Ich setzte meine Reise fort, während ich an weinen Unstern dachte, und mir fest vornahm, in Zukunft mich immer nach den Gesinnungen der Frauen zu erkundigen, wenn ich fände, daß die Männer unfreundlich wären. Du kannst wohl denken, liebster Toms, daß ich mich bey dieser Gelegenheit aller der lieben Weiber aus unserer Bekanntschaft erinnerte, die mit ihren Männern eben so ungleich zusammen gepaart sind, als diese Freyfrau m>t ihrem Freyherr«. Es ist gewiß, daß diese kleine Episode mit der Mineralogie sehr schlecht zusammenhängt, aber sie gehört doch immer zur natürlichen C z Geschieh- 38 - Geschichte des Thieres, das man Mensch nennt. In der Gegend von Castelluccia beobachtete ich grosse Schichten einer weißlichten Kalkerde, die zur Düngung der Stecker sehr geschickt seyn müßte; in einigen derselben fand ich, ehe ich an das Ufer des Las kam, eine Menge kleiner sehr weisser Conchilien, die den ^ berühmten Conchilien aus Touraine ähnlich waren. Zwischen Castelluccio und dem Meere erheben sich Kalkhügel, in welchen man Steine für die Oelmühlen bricht, dergleichen vormals^ namentlich zu.den Zeiten des Darrio, in dem Gebiethe von Torrora und Ajera gehauen worden. Darrio sagt auch, daß man längs Leu Ufern den Probierstein gefunden habe; aber dies ist vermuthlich falsch, und er hat den schwarzen marmorartigen Kalkstein mit dem Probierstein verwechselt; zu welchem Irrthum ihn die italienischen Steinmezen, die diese Steinart uneigentlich so zu nennen pflegen, verleitet zu haben scheinen. Eben diese Berge erzeugen auch die Steine > art, die in Italien gemeiniglich pietra kunAsj» (Schwammst«!») genannt wird, und allerdings - Z9 -,„gs schwammigt und voll kleiner Steine, aber bey weitem kein Stein ist. Wenn man diese Luffsteinart, wie du weist, von Zeit;u Zeit in warmen Wasser erweichen läßt, so bringt sie, sey sie auch noch so weit von dem Orre ihrer Erzeugung entfernt, ziemlich schmackhafte und völlig unschädliche Schwämme hervor. Ich habe dergleichen Tuffstücke gesehen, die an zwey Fuß im Durchmesser hakten; aber es finden sich ihrer noch grössere, besonders iu Umbrick und im Hcrzogthum Urdino. Darrio nimmt im Laufe seines Werks folgende Ocrker, wo der ^aprs phr^gius erzeugt werden soll; sie sind: die Berge lino, Mu!a, St. Agatha, St. Marco, Faggiairo, Fuscaldo, !7iocera, Laste!» Mikiardo, Monte-Gamo, Monrcros- so, Gaiarro, Aiecci, Santo ^ Glesano, Amendolia, und endlich Boralina. Er Hätte eben so gutsagen können, diese Stein- art fände sich von einem VorgeLürge Calabricns bis zum andern. Ich weiß nicht gewiß, kann auch, da ich keine Dächer zur Hand habe, nicht nachschlagen, ob dieses Produckt des Stein- reichs ausserhalb Italien so häufig anzutreffen sey; Loch ermnere ich mich, daß ausser Umbna C 4 und und Urbino, auch die Landschaften Sabine und Abruzzo dasselbe erzeugen. Die von Lore und von dem Berge Larpinero kommen, sind berühmt« Ueberhaupt ist es ein Er- zeugniß, das die Sorgfalt eines fleißigen Beobachters verdient, da man noch so wenig davon weiß. An der Mündung des Talao befinden sich verschiedene kleine Inseln, bey welchen man ehemals Perlen fischte, und vielleicht noch immer fischt. Die Landstrasse von hier aus hätte mich durch die reizende und fruchtbare Ebene Lam- po Tenese genannt, führen sollen; weil ich aber erfuhr, daß eine Räuberbande dortherum kreuzte, und ich mich nicht versucht fühlte, mit diesen Herrn Bekanntschaft zu machen, so hielt ich mich an den Bergen hin, kam durch einen langen Wald, setzte über den Lao an den Gränzen der Landschaft Laino, die von ihm den Namen führt, und wandte mich darauf nach Mormanno. Ich mußte einige Meilen über einen Bergrücken von glimmerichten Thonschiefer (8cbiftoza micacea) machen; mein Führer sagte mir, daß man ihn Le Sodole zu nennen pflegte. Diese ganze Strecke trug alle alle Zeichen eines mineralischen Bodens an sich, und würkiich redet Barrio von Tleygruben, die sich im Gebiethe von Scalea, welches zehn Meilen weiter unten nach der Küste zu liegt, befunden haben sollen. Thatsache ist es indes, sen, daß der glimmerichte Thonschiefer des So- dole auf Kalkschichten, wie sie sich in den Llp- penninen finden, ruhet. Der Bach, der von Mormanno hcrabkömmt, und sich hier ein tie» fes Thal gegraben hat, setzt diese Bemerkung ausser allen Zweifel. Ich wollte mich durch eine fleißige Untersuchung fest davon überzeugen, um nachher über die weisen Männer, die auf ihren Skudierstuben Systeme bauen, ein wenig zu lächeln. Die Gegend um Scalea erzeugt talkartige Mühl - und Wetzsteine. (macinL calcaris, e core ) Zu den Zeiten des Barrio baute man daselbst Zuckerrohr. Dies geschah auch in einigen andern Gegenden Calabriens, als zu Erretter, S. Ginera, Belvedere, Lüscaldo, Laconia, Bivonna u.'a. a. O. Dieser Zweig des Landbaues ist jetzt, wo nicht ganz. Loch größtenteils vernachläßigt oder gar aufgegeben worden. 42 - Zu Mormanno ward ich von der dasi- gen freyhcrrlichcn Familie * * sehr artig empfangen. Man sagte mir, daß es hier Professoren der Philosophie, Theologie und Jurisprudenz gäbe. Ich war nicht so glücklich, einen von ihnen zu sehen; aber dennoch hielt ich sie mit gläubigem Herzen für eben so viel Aristotele, Santomase und Bartoli. Die Anhöhe von Mormanno, die sich an eine überaus steile Klippe von Kalkstein lehnt, kann man nur mühsam zu Pferde ersteigen, und man muß gewohnt seyn, über den Klüften und Abgründen Dalmatinischer Felsen zu schweben, wenn man hier Muth genug behalten soll, im Sattel zu bleiben. In der umliegenden Gegend findet man kleine blaugrüne Quarzkrystallen, welche Bar- rio fälschlich Beryllen nennt. Von Mormanno aus nahm ich den Weg auf der Landstrasse durch das oben erwähnte Thal, und gelangte zu einem kleinen runden Kessel, il (der See) genannt, der rings umher mit Kalkbergcn umschlossen war, und vor Alters Wasser gehalten zu Haben scheint. Ich bemerkte nach Norden zu, einen kleinen Hügel von sandigen vulkanischen Tuff, der gerade - 4Z rade zu als solcher zu erkennen war. Der Hügel hatte ungefähr eine (italienisch«) Viertel- meile im Umfang und etwa vierzig Fuß in der Höhe. Dieser Tuff ist den Tuffarten von Vi- cenza und Padua ähnlicher, als denen in der Gegend von Neapel. Er ist grau und giebt Feuer am Stahle. Auch giebt es hier grünliche Laven, in welchen sich kugelförmiger kalkars tiger Tropfstein befindet. Hier sah ich also die ersten Spuren vulkanischer Ausbrüche in dem Striche von Eala- brien, den ich berührt hatte. ,Vielleicht hatte ich mehr dergleichen angetroffen, wenn ich Abstecher machen, und die Kreuz und Quere hatte herum schweifen können. Gleichwohl erwähnt, so viel ich weiß, kein einziger Neapolitanischer Schriftsteller etwas davon. Als ich den Berg gegen Ursomarso hinabstieg, um in das Thal des Lao zurück zu gehen, stieß ich nahe am Wege auf eine Schicht, die aus einem harten . Kalksteine bestund, der durch die scharfen schwe- felichten Ausdünstungen völlig durchdrungen war. In dieser Steinart fand ich den ^lelmin- tUolirUum maariporae coralloistis UUulolae. Als ich meinen Weg durch einen Eschen- Wald nahe bey Ursvmarso, immer bergab, fortsetzte, 44 «»— fetzte, bemerkte ich ein grosses Felsenstück an dem Ufer des Flusses, der eben diesen Nahmen führt, welches der Olcarius ni^er albicanrikus veuulis varieZatus war. Er hatte Aehnlichkeit mit dem schwarzen Porphyr, war aber ein voll, kommener natürlicher Kalkstein. Die Ansicht des ganzen vor mir liegenden Thales war völlig vulkanisch. Lava, Bims- stein, und alle übrige unwiedersprechliche Beweise von einer ehemaligen Entzündung, fanden sich hier bey einander. Ein Noviz in der ^ Naturgeschichte würde sich hier in das schwarze Reich des Pluto versetzt zu sehen glauben. Noch ^ leichter könnte man dieses diejenigen glauben j machen, die auf das System, daß alles durch ! Feuer hervorgebracht sey, leben und sterben. Aus eben dieser Gegend kamen wahrscheinlich die schwarzen Steine herab, welche Darrro für Probiersteine hielt, denn der Fluß Urso- marso vereinigt sich mit dem Las kurz vorher, ehe sich dieser ins Meer ergießt. - Indem ich an dem linken Ufer des Urso- warso und nachher des Las bis nahe zu seiner Mündung meinen Weg fortsetzte, bemerkte ich Schichten vom calcarius caerulcseens , welche senkrecht vom Wasser durchschnitten waren. Diese 47 Diese Steinart ist zclligt, und hält in den Hör lungen rveisse Elimmertheilchen, und kleine Quarzkristallen, die denen ähnlich sind, welche zu Tolfa, zu Seloino in Bergamasco u, a. a. O. gefunden werden. Sie ist merkwürdig in ihrer Art: und ich kenne bis jetzt kein Produkt des Mineralreichs, welches Achnlichr kcit mit ihr hätte. Die Olivenbäume gedeihen an dem Flusse Las bewundernswürdig, und können sich getrost mit unsern grossen Maulbeerbäumen messen. Sie stehen ziemlich dicht an einander, und haben Feigenbäume zwischen sich, deren Nachbarschaft ihnen nicht sehr zuträglich seyn kann, weil sie ihre Wurzeln auf eine schwelgerische Art überallhin ausstrecken. Auch zieht man in dieser Gegend einige Arten von Weinreben, säet Getraide und bauet Baumwolle, die vvrtrefiich ausfällt. In den Peruanischen, Vervnesischcn und Vicentinischen Gebirgen, bestellt man das Land auf eine ähnliche Art, und niemand fürchtet, daß sie dem Oelbaum schädlich seyn dürfte. Aber in dem Staat von Nagusa ist dieses leere Vvrurthril eingerisscn, in Gegenden, wo der Verlust, der aus der Leerlassung des Landes enr- 46 -- entsteht/ das man noch dazu so mühsam wie «in Metraidefeld bearbeitet, nothwendig sehr beträchtlich seyn muß. Solche Gegenden sind die schönen Felder von Cannosa. Ich habe den Anbau derselben mit Getraide Deiner würdigen Schwester angepriesen, die meine Gründe wohl einsah; aber vielleicht war es nicht möglich den Vorschlag auszuführen. Nach Eurem System des Landballes erfordert der Oelgarten aller Jahre den Pflug, oder den Karst und den Dünger. Da schießt denn mancherley Kraut hervor, das unnüz oder gar schädlich ist, und auf Kosten des Besitzers wuchert. Warum säet man nicht lieber nüzliche Körner darein? Ich hoffe, daß Erfahrung und bessere Einsicht den alten Schlendrian der Landeskultur, der seine Rechte, wären sie auch noch so albern, so hartnäckig vertheidigt, mit der Zeit noch besiegen werden. In dem Thale, das der ücko durchströmt, sah ich die Bauern den Maiz Korn für KoM stecken. Einer zog mit dem Pfluge ganz kleine Furchen, und ein anderer grub kleine Löcher mit den Fingern, legte das Korn hinein, und deckte es mit Erde zu. So macht dann das Behacken keine Schwierigkeit, weil das Erdreich schon 47 schon vorher ist aufgelockert worden. Wir (d. i. Dcnetianer; der Verfasser ist ein solcher) werden wohl erst dann die Aussaat auf diese Weife betreiben, wenn der Mangel vor der Thür ist; denn bey der jetzigen geht mehr als die Hälfte des ausgestreuten Mai; verlohren. Und doch sind wir aufgeklarte kluge Leute, und die Cala- brier, rohe, unverständige Barbaren! Der Derg Polimo schien mir aus der Ferne ein Kalkberg zu seyn; er theilt sich in zwey Spitzen, wovon die eine der grosse, und die andere der kleine Pollino von dem Volke genannt wird Barrio sagt, daß sich in demselben Goldadern befanden, und es kann seyn, daß sich in den innersten Thälern Belege zu dieser Behauptung zeigten, die aber durch den äusscrn Anschein nicht begünstigt wird. Auch zu Saracena finden sich, nach Barrios Bericht, Bley - und Goldgänge. In eben diese Gegend setzt er auch Gyps, der sich an den Wurzeln jener Berge finden soll, und der in den übrigen Gegenden Italiens nur immer ein Attribut der untern Appenninen ist, und an keine Erzgänge denken läßt. Ganz neuerlich schreibt mir mein gelehrter Freund O. sliro Klmervino von Neapel/ daß man in dem Bezirke des Berges 48 Berges pollino vor kurzem eine Schicht mit Fischabdrückcn entdeckt habe. Dieses wäre denn die fünfte dieser Art, die ich in diesem Königreiche kenne. Die eine und vielleicht die merkwürdigste, befindet sich in der lerra üi Davor» oberhalb EeretS in den Bergen üells ^uarüis, nahe bey dem Dorfe pietraroja; die zweyte ist zu VLmiano bey Benevem; die dritte zn 8. öckarco üi Oavokli im Gebiethe von r.'Nontefüsco; die vierte zuAlessirna an dem C.spo 6i Deuca in der Landschaft Otranto, und die fünfte wäre jene am Berge pollino, wenn sich die Nachrichten davon bestätigen. Auch zu Stabi« sollen sich Skelette foßiler Fische finden, und in dem Kabuict meines vor- hingedachten Freundes habe ich Exemplare davon gesehen; aber wir fanden beyde die Sache dadurch noch nicht ausser allen Zweifel gesetzt. , Kaum war ich aus dem Thale des Lao heraus, als sich eine Reihe von Bergen vor mir erhob, die bis ans Meer hinstrichen, und an deren Wurzeln kleinere Hügel hervorsprangen, die durch zufällige Steinäxten ( mslerisli sv- veuiiLi) gebildet waren. Die Breite dieser Bergkette war nicht von Belang. Nicht weil von derselben sah ich eine andere, die auch nach 49 nach dem Meere hinlief, weit beträchtlicher war, und aus schimmernden marmorartigen Kalkstein (marmo calcario tiiliiw) bestand, der weiß und aschfarbig und der feinsten Politur fähig ist. Verarbeitet sah ich diese Skeinart zu Ei- rella bey dem dortige» Duca, einem sehr ger fälligen Herrn, dessen Gast ich zwey Tage hindurch war. Der Garten hinter seinem Schlosse, der nach dem Meere zu in einer reizenden Terrasse ausläuft, ist ein merkwürdiges Stück des Alterthums, obwohl eS einem nicht sogleich in die Augen fällt; denn Nicht völlig vier Fuß unter dem angebauten Erdreiche finden sich ganze Estriche und Fußboden von mosaischer Arbeit. In der umliegenden Gegend findet man häufig Sarkophagen von Backsteinen; aber edlere Denkmäler des Alterthums sind seltner. Ei- rella war vor Alters eine Stadt, aber gewiß keine der sehenswürdigsten; sie muß, nach Art der alten Städte, in gewisse abgesonderte Marktbejirke abgetheilt gewesen seyn, welches mir ihr Nahme, der in der mehrern Zahl steht, anzudeuten scheint. Ich erholte mich zu Cirelka von meinen sän- gen und Mühseligen Rillen, darum ist es billig, D daß 50 daß auch Du, mein Lieber, Dich hier ein wenig von diesem langen Briefe erholst. Lebe wohl. Dritter Brief. Barietl» den 4 Novemb. 17z;. §^ichtwahr, lieber Toms, meine Briefe war ch.n Dir wegen ihrer Trockenheit und Unendlichkeit ein wenig lange Weile? Ich argwohnte dies,- aber Dir zum Possen will ich doch fortfahren. Weil Du mich lieb hast, wirst Du, vor lauter Furcht mich zu beleidigen, das Gähnen mit aller Gewalt zurückhalten wollen? Ich Litte Dich. Freund, gähne nur, gähne, soviel Dir genug daucht; dafür will ich es über kurz oder lang eben so machen, wenn Du mir von republikanischen Partheyen und Verwirrungen, die Dich zu ihrer Zeit unglücklicherweise inter- eßiren müssen, ein langes und breites vvrere zählen wüst. Von Ceri'l.r aus nahm ich meinen Weg Nicht zu Lande. Es war e,ne erschreckliche Hitze. Meine gefälligen Gastfreunde wiederholten mir dieses unabiaßig, und erklärten es endlich fcyer- lich sich für eine Unbesonnenhelk, wenn ich zu Fusse gehen und mich den schmerzlichen Sonnenstichen aussetzen wollte, um eine kleine einförmige Gegend zu besehen, die ich nachher in einer Barke eben so gut umkreuzen und untersuchen könnte» Ich mußte also wohl auf ihren Rath hören. Darrio hak mancherley Merkwürdigkeiten von dem Innern der Gegend daherum in seinem Werke aufbehalten, und es würde mir jetzt Nicht wenig lieb seyn, wenn ich sie mit eigene»» Augen hätte berichtigen und bestätigen können. Sie stimmen mit der Vorstellung vollkommen übereilt, die ich wir von den Apenninen und Subapcnninen immer gemacht, und durch viele Reisen und Beobachtungen bestätigt gefunden habe. Das Gebieth von Altamsme (welches an dem Fusse des Berges Muia sich empor hebt, und wie Suracena, auch zur Kette der untern Apenninen gehört, die nach dem Adriati- schen Meere sieht) enthält, nach dem Berichte des Darrio, ganze Berge von Steinsalz, die man mit Hauen bearbeiten kann, wie die in Polen, in Spanien, Sicilien u. st w. Hier sind seine eigenen hieher gehörigen Worte: Uunces lünc naüvi lalir, ezuoä la^ieicsingrum D L mosta moöo caeä'irur. Lst pellucistug, öenstus, con- crenone lus aec^uafis, nec lapiöolus (er will gewiß sagen daß sich keine Steine darin befun, den hatten) intur Femma eli lälis canssüi se rranslucisti. Er fügt noch hinzu, daß eben diese Gegend Alabaster und Gyps erzeuge. Hierin ist nichts, das von der gewöhnlichen Regel der Natur abweiche; denn in den Staaten von Parma und Modena, und am N?ontefelrro finden sich eben diese Produkte. Der Bergkri, stall, die Eisenerze und Gold r und Silber, Adern, die sich nach eben diesem Schriftsteller in denselben Gegenden finden sollen, lassen Gänge vermuthen, die von ganz verschiedener Art, und allem Anschein nach, durch eine weit ältere Formation entstanden sind. Eben diese Erscheinung kömmt in einigen andern Gegenden Italiens vor besonders im Gebiethe von Vol, tcrru, wo sich häufig Alabasterbrüche in Thon, gebürgcn finden. In den Thälern trift man Serpentin, ) Schiefer, und Züge metallhaltigen Steines, und auf ihrem Rücken nicht selten Bergkristall und Jaspis an. Diese Aehnlicbkeir mit der Gegend von Volterra macht den Distrikt von Allamvnke sehr interessant. Gewiß giebt es auch noch viele andere Merkwürdig, 5Z Würdigkeiten dafeM, die dem Barns nicht ber konnt geworden sind. In der Gegend um S. Donato finden sich Quarzkristallen und Jaspis. Den Berg Mutn habe ich nicht untersucht, aber Darrio will an ihm kein anderes mine- ralisches Abzeichen gefunden haben, als Rothstein, d. i. einen rothen Eilen-Hker; er macht mich glauben, daß er em Kalkberg sey, wie die ganze lange Kette des Apennincngeb»rges. Die Okrr- und Blutsteinartigen Eiscngange finden sich gewöhnlich, wie Du weißt, in den Rissen und Höhlungen der Kalkschichten, und sondern sich oft die eine von der andern ab. Wirklich arbeitete man ehedem in der Nachbarschaft von Policaff'ellv, welches am Fusse des N7ula liegt, Mühlsteine von Kalk aus, die >man zur Bereitung des Oels und Zuckers, die vorzeiten hier gebauet wurden, zu gebrauchen Pflegte. Nicht weit von policastrello liegt St. Geniro, wo man, nach dem Berichte des Bar- rio, Granit, den er fälschlich Opftires nennt, finden soll. Dieser Wink, daß in der Nachbarschaft Schicferlager befindlich seyn, ssweil der Granit gemeiniglich nicht weit vvm Schiefer gelagert ist) wird noch glaublicher dadurch, D z daß 54 -aß man zu S. Agata und in den Kupfermi- nen bey Mnluiro Vitriol antrift. Malvito hieß (was ich hier im Vorbeygehen anmerken will ) in alten Zeiten Temesir, auch Tempsa und war wegen ihres Kupfers berühmt, womit sie unter der Benennung ^era ID-rnolaea, einen lebhaften Handel trieb. Diese Tcmesaifche Gruben sind nicht mehr in Umtriebe und man sagt, sie waren darum eingegangen, weil ihre Ausbeute die Förderungskvsien kaum abgeworfen hätte. Diese Ursach giebt man auch von allen übrigen in Italien eingegangenen Bergwerken an; aber die wahreste und gewisseste Arsach ist die laßige Unwissenheit, worein die Italiener in Absicht des theoretischen, wie des praktischen Theils der Mineralogie versunken find, und die Unthatigkeit der Fürsten, die sich um einsichtsvolle Männer, die solche in Schwung bringen könnten, nicht bekümmern. Im Kirchenstaate giebt es, allem Anscheine nach, keine nützliche und edle Erzgänge, und soviel ich dort erfahren bin, scheint es, als ob ihm die Natur nichts als Schwefel, Salz und Alaun gegeben hätte. Man baute daselbst einmal, und zwar in der Gegend der Tolsa, eine Grube, welche Kupfer z Bley und Silber lieferte, fette, und von welcher wahre Kenner keinen Vortheil versprachen. Wirklich war das Meld, Las man darauf verwandte, weggeworfen. Im iLcwkanischen Gebiethe, wo die alten Etrusker und die Freystaatcn der mittlern Zeit alle Arten von Er; brachen, findet man jetzt keine einzige beträchtliche Grube. Die reichen Minen zu Arzordo im Gebiethe der Republick Venedig kosteten seit vielen Jahren weit mehr, als sie einbrachte», und hätten nothwendig ganz eingehen müssen, wenn die Herren nicht noch zu rechter Zeit so weise gewesen wären, den wackern und gelehrten Professor Demi.» scher von Schemnitz zu berufen, der sie von neuem in Flor zu bringen gewußt hat. Ich bin überzeugt, daß der König beyder Sicilien, wenn er eine mäßige Anzahl von gelehrten und redlichen Männern bey den Bergwerken in Ca- kabrien und Sicilien anstellen wollte, der glätt« zendstcrr Vortheile gewiß seyn könnte. Man hat feit langer Zeit nicht daran gedacht. Einige unglückliche Versuche, die in der Mitte dieses Jahrhunderts, unter der Aufsicht von Leuten angestellt wurden, die entweder unredlich, oder unerfahren, oder beydes zugleich waren, haben die Regierung schüchtern gemacht« D 4 Noch Noch ganz neuerlich hat der Professor Vakra zu Neapel, der einzige, der dasigen Orts die Wichtigkeit des mineralogischen Studiums kennt, und der als Meister darin arbeiten und davon schreiben kann, mit Mund und Feder «ine Menge vernachläßigter Reichthümer vergee Heus in Anregung gebracht! Indessen scheint 'gans -77s>) finden, find «reit merkwürdig 57 stände, an welchen die Neubegierde der Reisenden haften bleibt, da es doch noch andere eben so merkwürdige und sehenSwei'the giebt. Die Neapolitaner sind durch ihr Clima zu sehr verzärtelt, und durch die ununrerbrochne Kette von Spektakeln aller Art zu sehr zerstreut, als daß sie solche Ocrter wiederholt, besuchen sollten. Auch haben sie noch keine Probe gegeben, daß sie ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkten. Ein Auobruch des Vesuv macht gewöhnlich zwanzig armselige Federn rührig, und man hat mehr als zweihundert Bücher, die über die mannjch- faltigen Phänomene dieses Berges von Zeit zu, Zeit ans Licht getreten sind, aber sämmtlich die gründlichen und nützlichen Kenntnisse, die der Professor Vairo in einem halbstündigen Gespräche mittheilen kann, bey weitem nicht auf- wiegen. Er hat den Vesuv und die Solfa- terra als Mann und nicht als Kind, wie die neugierigen und vorüber flatternden Reisenden, studiert; er hat seinen Blick auf zwey grosse Gegenstände gerichtet, durch die sie beyde den D s Wissen- würdiger, als jener in der oben gedachten Hkle r eben so die Mofetcn zu Tireta, ru Sän Filipro in den Sanestscdeii Bädern und ?u Ansanto. Letztere waren beyden Alten ftkr berubmt, aber ron den Neuern «erden Ke nur selten besucht, der Vers» 58 Wissenschaften und dem Wohlstände der Nation gleich wichtig werden könnenz aber znm Unglück predigt der gute Mann tauben Ohren, so oft er der Regierung Entwürfe von grossen unbezweiselten Vortheilen vorträgt. Deshalb jann er auch seine schönen und fruchtbaren Dc» Wertungen, vorzüglich über die Solfatcrra keinem Fkemden mittheilen. Es gab zudringliche Leute, die einen Theil derselben sich zueignen wollten, aber der scharfsinnige und gelehrte Dairs ward wieder in den Besitz seiner Entdeckungen gesetzt. Seine Abhandlungen über verschiedene Gegenstände der Neapolitanischen Mineralogie liegen seit langer Zeit, wie vergessen in der Staatskanzlcy. Vielleicht kömmt eine Zeit, wo sie, zum Vortheile der Nation und zum Ruhm ihres redlichen und bescheidenen Urhebers, der Vergessenheit entrissen werden. Einer der Entwürfe, auf dessen Ausführung «r vorzüglich gedrungen hat, ist die Errichtung einer Aiaunf.rbrick in den (trertcrn der Svl- saterra, die man ein unerschöpfliches Magazin von diesem Salze nennen kann. Er hat bewiesen , daß man von diesem Prodnckt, so viel man nur wollte, zicben könnte, besonders da die Natur schon für sich die nöthige Wärme zur Ansdün- Ausdünstung der Lauge hervorbrächte, ohne daß man nöthig hatte, auf Holz oder andere Brennmaterialien grosse Kosten zu wenden. Aber, wirst Du es glauben? Die Alaunfabrik auf einem so reichen Grunde ist elend bestellt, und giebt jährlich kaum etwas mehr als sechszig Eeutner, da sie ihrer sechstausend geben könnte, wenn man die Aufsicht darüber einem sachverr ständigen Mann übertragen wollte. So wie die Stadt Tcmesa vor Alters wes gen ihres Kupfers berühmt war, eben so war es ArIenranum, jetzt Ganeo Marco, we« gen seines Silbers. Auch hieven sind jetzt keine Spuren mehr vorhanden, Jene Gegenden, haben viel Gyps, der bis Locio, iLerrato und nähr aus Meer bis La Guardia sich err streckt, wo sich warme Schwcfelwaffer und ein säuerlicher eisenhaltiger Quell befinden. Barr rio merkt an, daß die Einwohner von Ler Guardia, von Lobrico, Gimziano und Taoerna so gut Lateinisch als Italienisch ger sprachen hätten. Er sagt von ihnen: hilinAues lunr, nsrn er lus er laium lingua uwnmr. Man kann in diese Nachricht keinen Zweifel setzen, weil ihr Gewährsmann es wissen konnte, und Lies um so mehr, da er «ine besondere Vorfiel 6a be zur lateinischen Sprache zeigt. Die letztere ist in Italien wett spater, als man gewöhnlich glaubt, eingeschlummert, und eben dieser ^>.rr, xio erzählt die traurige Geschichte ihres gänzlichen Unterganges folgendergcstalt. In der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts liessen sich die Lateinisch - Sprecher zu La Guardia von den Neuerungssüchtigen Lutheranern verführen, und dafür ließ sie der damalige Vice - König von Neapel fast alle henken r a lranspastanis Oal- lis s sagt Barrio) I.utirerana irasross inf^cti ssii Iceieris penäers poeuas, nam ornner fore iÜ8- zpcnstio vitsrn ssnierum« Diese grausame Methode , Verirrte zurückzuführen, giebt einen Beweis, wie drückend das Joch war, welches der grausame und abergläubische Dm Königreiche gesprochen, um so weniger, da die Bildung des Geistes damaliger Zeit als ein Verbrechen bestraft wurde. Unser Barrio merkt an, daß sich zu La Hegma und am U7onrerltc> Gyps, Alabaster, Vitriol und Bley finden sollen. AIs ich von Lirella bis paola zu Wasser reiste, kam es Mir vor, als ob die ganze Küste aus glimmrigr ten Thonschiefer bestünde. Die Gipfel der Berge find Kalk, und ihre Zweige erstreckn sich an drey oder vier Orten bis ans Meer. Den Kalk - Apennin (d. i. den eigentlichen sogenannten Apennin findet man in dem diese,, kigen Calabrien von Lauria bis Cosenza, gemeiniglich naher an dem Mittelländischen als arr dem Adriatischen Meere. Am breitesten ist diese Gebirgskette zwischen beyden Meeren von Co- senza bis zum Vorgebirge Alice. Diese Verschiedenheit, welche die Apenninen in ihrer Breite zeigen, die kleinen Hügel, welche isolirk aus Thvnbergen »der aus dem Meere hervor- siehen, 62 . stehen, die Einschnitte und die lerram deren pltniUS schon erwähnt, sind lauter Ger gcnstände, die der tiefsten Nachforschung würr big waren. Wie weit sind die Gewässer de6 Meers, das den Thon der untern Apenninen abgesetzt hat, von ihrem ursprünglichen Stand» punkte verrückt? Wie viel Jahrhunderte gehör» ten dazu, um diese Umbildung zu bewirken? Wahrhaftig die Zeit, welche zur Aushölung grosser Thäler, zur Trennung aneinander hängender Flächen erfordert wird, ist eine Null gegen jene, die über die Bildung dieser Berge vergangen seyn muß. Denke Du selbst ein wenig hierüber nach, mein lieber'Tomo, und lebe wohl für bwfesmal? Vierter Brief. Barletta, den sten Novcmb. r??;, ^uf meiner Reise von Eirella nach Paola habe ich nicht lauter unfruchtbare Bemerkungen gemacht. Wenn sie auch ihrer Natur nach von denen, die der HaUMegenstand meiner Reise waren, waren, sehr verschieden sind, so will ich sie Dir doch mittheilen. Ganz gewiß hast Du von der heiligen Lap.lle zu paola gehört, worin man, nicht etwa den Körper des hochheiligen Stifters der Minimen, sondern ein paar alte Schuh und einen Stab verehret, die ihm bey Lebzeiten zum Gebrauche gedient haben sollen. Die Ehrfurcht, welche man durch das ganze Königreich Neapel solchen Reliquien erweist, die zufälligerweise einem Heiligen gehörten (auch wohl nicht gehört haben können) ist ein sonderbares Beyspiel der schwärmerischen Erhitzung, die Kopf und Her; der Menschen entzünden kann, und die den Verständigern nothwendig übertrieben dünken muß. So könnten die Italiener, ohne darum für schlechte Ka- tholicken erklärt zu werden, frey ihre Meynung über die berühmte Reife sagen, welche die 8an- ra cala von Bethlehem bis Loretto *) durch die Luft gemacht hat. Der ehrwürdige Bischofs (Lampagnoni hat dies zu seinem ewigen Ruhme schon gethan. Auch der gelehrte Franzose p. L.Brün, und der wahrhaft fromme N7u» ratori haben dem Aberglauben, welchen das Volk *) Gleichsam als ein Typus der neuttfundeiien,Msl>p «olfimn. Der kicherst 64 Volk und die eigennützigen Führer desselben mit der Religion zu verwechseln pflegen, mit festem Muthe den Krieg erklärt; und darum kann es auch einem reisenden Naturforscher wohl erlaubt seyn, von den Beobachtungen, die er über der- gleichen Erniedrigungen des menschlichen Kei» fies gemacht hat, Rechenschaft zu geben, ohne zu fürchten, als ein Ungläubiger ausgezeichnet zu werden. Ich weiß wohl, daß es den ehre würdigen Vatern nicht gefallen wird, wenn ich die Tugenden des heiligen Franciscus von paola nach Verdienst anerkenne, ohne zu seinen Schuhen zu wallfahrten. Weil aber der Pater Mersenno, der Pater Le Güeur und eine Menge anderer Biedermänner aus diesem Orden nicht mehr am Leben sind, so bekümmere, ich mich um die übrigen Herren nicht weiter. Ungeachtet der geringen Zärtlichkeit, die der besagte Heilige gegen sein Vaterland blicken läßt, strömen doch aus allen benachbarten Provinzen Wallfahrer herzu, UM sich alle Arten von Wohlthaten von ihm zu erbittet,. Ich schiffte mich auf einer Felucke ein, die einen volljährigen Freyherr» von Basilicata, seine junge Ehehälfte, sein übriges Haus, und einige Weltpriester aus seinem Gefolge, nach der -. 6s - der heiligen Capelle überzuführen im Begriff stand. Man gieng damit um, einen männlichen Erben zu erflehen, damit der unglückliche Zustand der geplagten Vasallen sich nicht zu geschwinde verbessern möchte. Diesen frommen Zweck sollte die Reise zu dem heiligen Stäbe und den heiligen Schuhen des Patrons von Pavla bewirken. Weder dem Baron noch seinen Priestcrn'fiel es ein, daß sie ein verdienstlicheres Werk stiften würden, wenn sie das Geld, waL die Reise kostete, einer armen Wittwe oder Wayse, oder einem armen kranken Alten gegeben harren! Viel« leicht dachte die Baronesse eben so, wie ich; denn sie sah nicht so aus, als ob sie schuld an ihrer. Kinderlosigkeit wäre! Ein paar grosse schwarze Augen voll Gluth und Flamme erheiterten ihr Antlitz, und liessen m.ch ganz etwas anders darin lesen, als >n dem Gesichte des Barons und der Priester. Einer der letzter» ward desSchwa- tzens gar nicht müde. Er unterhielt die ganze Schiffsgesellschaft mit den ausgesuchtesten Mirakeln, und die Bootsknechte hörten ihm mit weitvffenem Munde zu. Der Baron nickte ihm entweder auf eine gravitätische Art Beyfall, oder stellte kindische Betrachtungen an; seine Ehehälfte lachte — mit den Augen, und ich E Armer Armer wußte nicht, wohin ich die meinigen wenden sollte. Bey solchen Gelegenheiten weiß man nicht immer die beste Parthey zu nehmen; ich half mir diesmal damit, daß ich ein Buch Sus der Tusche zog, und in aller Stille darin las. Der Pfarrer Sprecher hatte die fromme Unverschämtheit, mich anzureden, und mir sein Mißfallen zu bezeigen, daß ich den erbaulichen Geschichten, die er auskramte, meinen Beifall versagte. Ich antwortete ihm, in lateinischer Sprache ganz trocken; daß ich das Unglück hatte, die Landessprache nicht zu verstehen. Der gelehrte Priester blieb einige Minuten stumm; worauf sie mich einmüthig für kitten Einfaltspinsel erklärten. Die Baronesse lachte abermals mit den Augen über ihre grosse Dummheit und über meine kleine Bosheit. Auf eben dieser Ueberfahrt hörte ich auch Las erstemal etwas von gewissen kleinen mcßin- genen Ringen, die durch Berührung der Suppenschüssel und des Bramrinctes der heiligen Mutter, wunderrhätig geworden sind. Diese Reliquien werden mir grossem Prunke zu Perugia aufbewahrt, und gehören auch zu den ärgerlichen Possen, die in unsern Hellern Zelte» durch politische oder kirchliche Klugheit und Macht - §7 Macht entweder zum Feuer verdammt, oder wenigstens entfernt werden sollten, wie es mit der heiligen Vorhaut des heiligen Christoph, und mit den Elefamcnjähncn geschehen ist, welche d,e würdigen Bruder Bartholomäer zu Rom für die Backenzähne eben dieses grossen Heiligen ausgeben. Obgedachke kleine Ringe bewahren die Augen aller dererjenigen, die sie mit herzlichem Glauben am Finger tragen und alle Morgen ihr Ave treulich wiederholen, vor jedem Uebel, und jedem Unfall Welch ein herrliches Präservativ für Naturforscher, die ihre Augen mit dem Mikroskop verdorben! Sollten nicht vielmehr die Priester selbst, statt ibreS Reliquienkrams, der nach dem Heyoenkhume schmeckt, dem Volke lehren, daß es nur von guten Thaten und Werken, und von aufrichtigen Erhebungen zu Gott, die Erhaltung odev Heilung der Augen oder der andern Glieder zn erwarten habe? Fast alle unsere Bvvtsknechte hatten auf ihren Armen schwarze Figuren und Sinnbilder, die in Haut und Fleisch eingeätzt waren. Ich war so neugierig, den einen, der mir am nächsten war, in aller Stille genauer zu betrachten. Er harte seine Arme mit Hieroglyphen, die E 2 denen 68 denen am grossen Obelisk auf dem Platz Na- vona zu Rom gleichen, über und über bedeckt. Auf jedem Finger der rechten Hand hatte er ein Kreutz; auf der Hand einen Fisch; weiterhin ein Schiff in vollen Segeln; dann einen Co- nieten; dann eine Armkette, an welcher ein Her; hieng, das mit einem Pfeil durchbohrt war; dann ein Wappen des Königreichs beyder Sicilien; weiter oben ein Crucifix von Engeln umgeben, und endlich eine mit Sternen be» kränzte heilige Mutter! Und diese ganze Pro- ceßivn auf einem einzigen Arm! Auf dem linken hatte er den Sanct Mrchnel, der über und über bepanzert war, und den Drachen unter die Füsse trat; ferner den Mond, eine Menge Sterne, eine Sirene u. s. f. Diese seltsame Gewohnheit der italienischen Schiffsleute, die sie den Wilden von!77ova Zembln ähnlich macht, findet man auch hier und da in Dalmatien und im Venetianischen Gebiethe. Auch trift man auf dem festen Lande viele Bauern an, die sich ihre Arme so bunt ätzen lassen. Ich weiß nicht, ob sich schon jemand in Untersuchungen über diese barbarische Gewohnheit eingelassen hat; mir scheint sie es zu verdienen. Herrschte sie bey den alten Griechen 69 chen, oder bey andern Völkern? Kam sie aus den Ländern, welche die wilden Parchcyganger nach dem Verfall des römischen Reichs hicher sandten? Oder haben sie ursprünglich dieselbe Veranlassung, vermöge welcher alle wilde Volt kerschaftcn etwas dergleichen thun, ohne daß die eine von der andern etwas weiß? Wirklich wachsen die Schifsleuke auf dem Mittelländit schen und Adrialischcn Meere und die dürftit gen Bauern auf unsern (den venekianischcn) reizenden Ebenen, wie wahre Wilde auf. Als der vorhingedachte Sprecher ein wer nig Alben, schöpfte, nahm ein zweyter Priester das Wort. und unterhielt die Zuhörer auf gleiche Weise. Er gab ihnen eine lange Geschichte von der Seereise zum Besten, die der Körper des heiligen Beams gemacht hatte. Eine schöne Dame, von ihrer Kammerfrau begleitet, machte dcn Ptlvken, und so reiste er, ich weiß nicht genau, ob von dem Persischen Meerbusen oder von dem Palus Mavtidcs, von Küste zu Küste, bis er endlich unterhalb r^tea, einer kleinen Stadt in der Landschaft BasrUcam, anlandete. Hier, als an dem Ort seiner Bestimmung, blieb das Schiff unbeweglich stehen, und der Wind blies vergebens in » E z die die Segel. Man mußte also die heiligen Pier Heine aufladen und nach Buono br»nacn, von wo ex reine Rene nach Maratea weiter fortsetzte. Diese fromme Novelle erinnert Mich an «ine andere, welche d>e Geistlichen zu NO von einem grossen marmornen Kasten erzählen, in welchem der Körper der heiligen Euphenüa gewesen sinn soll. Dieser kam von Calcedon bis zu den Küsten von Istria geschwommen, mit einer Leichtigkeit, als wäre es ein Papierschiffchen gewesen. D>e Einwohner von Maratea rühmen sich nicht, den Körper des heiligen Bealus ganz zu besitzen, sondern gestehen, daß sein Haupt irns einer seiiur Arme sich zu Neapel befanden. Bon den Reliquien zu Raqusa und Venedig sprechen sie mit lächelnder Verachtung, und bedauern Eure und unsre Leichtgläubigkeit. Die chsiste des heiligen Beamü schwitzt jährlich zwölf bis vierzehumal Manna. So nennt man such zu V-rrj ein gewisses Wasser, welches daselbst aus einem Viine des heiligen H'ncolaus hervorsickert. Aber wirst du es glauben? Noch in diesem Jahre führte ein sehr eifriger, aber yicht sehr verständiger Neapolitanischer Schriftsteller ! 7 - stcller das Manna von Maratea als einen Beweis von der Wahrheit der christlichen Religion auf, und verband damit die grossen Quan- tilären von Blut, Fett und Milch, 'die alljährlich i» der katholischen Christenheit bald fiüßig werden, bald schmelzen, bald gerinnen, die in barbarischen Zeiten Betrüger erfanden, und in Hellern Tagen Gcwinnsüchtlge in Ehren und Würden bey dem Volk zu erhalten suchen, das, zur Schande der Vernunft, nur immer nach dem Außerordentlichen und Wunderbaren zn laufen geneigt ist. Unsre gute, gesunde und ehrwürdige Religion hat immer Schaden, und nie Vortheil von solchen albernen, handgreiflichen Bctrügereycn. Zu Maratea, (sieh nur, wie gelehrt ich in meiner Reisegesellschaft geworden bin ) fa- bricirt man auch kleine Brödchcn, die mit dem Bildniß des heiligen Deatus gestempelt sind. Sie vertreiben das Fieber und gebiethen den Stürmen, als eben so viel kleine Aeolusse. Die Schamanen des Barons hatten uns schon versprochen, bey entstehendem Sturme die Wogen des Meeres dadurch zu stillen, daß sie den Fischen einige dieser kleinen magischen Pastet- chen vorwürfen! Zum Glück behielten wir gutes E 4 rmd und heiteres Wetter. Du siehst daraus, wie wenig dazu gehört, die Gesetze der Natur, welche die Philosophen für unwandelbar halten, nach Willkühr zu verändern. Vier Drachmen Mehls mit simplen Wasser gesättigt, stillen die Wuth des Meeres. Gegen Abend hatten wir Musik. Der Priester Sprecher intonierte Loblieder auf die heilige Mutter, die sein eignes Machwerk zu seyn schienen. Das Chor der Ruderer wiederholte mit immer steigender Andacht jede Strophe. Nie habe ich Lieder gehört, die, statt Andacht, so viel Liebe athmeten. Der Enthusiasmus des guten Priesters, der von lauter Inbrunst durch und durch eheftnsirt war, floß in die ganze rudernde Gesellschaft straks über. Mit zitternder Stimme und unter allen Zeichen der innigsten und feurigsten Verliebtheit riefen sie zur gebenedeyten Jungfrau: ,,O heilige Mutter Ich sterbe für dich!« Die höhere Andacht hat unter allen Himmelsstrichen sehr viel Aehnliches mit der Liebe; aber in Ealabrien und Sicilien erreicht diese Ähnlichkeit ihren höchsten Grad. Die Einwohner von Palermo und andern kleinen Städten dort - 7Z dort herum, find in die heilige Rofirlia ( die wahrscheinlich nicht mehr existirt, weil das einzige Ueberbleibsel, das man von ihr zeigt, offenbar untergeschoben ist) so sterblich verliebt und sprechen von ihr mit solchem Feuer, daß man nicht weit von der Wahrheit entfernt ist, wenn man sie für ein wenig närrisch hält. Der, gleichen Erhizungen sind ansteckend; und ich weiß nicht, ob der gründlichste Mann für sich stehen könnte, wenn er eine Weile unter solchen Verliebten leben sollte. Ich wenigstens dachte, daß ich wohl selbst ein solches Loblied auf die Maria verfertigen würde, um es mit solcher Erhebung und Salbung von den guten Schiffs, leuten singen zu hören, und daß ich gewiß am Ende selbst meine Stimme mit der ihrigen vcr- einiget hatte. paola (wo ich mich von meinen Gefährten trennte) ist eine kleine frcyherrliche Stadt, mit ungefähr 4000 Einwohnern. Sw liegt am Abhänge eines Berges und ist nicht übel gebaut. Die umliegenden Gegenden erzeugen nichts als glimmerichten Schiefer, der mit Quarz und röthlichtem oder grauen Granit und Probierstein abwechselt. Die Schichten des letzten nehmen den erhabenem Theil der Küste em; die bcy- E 5 ' vm 74 den Bäche, zwischen welchen paola in der Mitte liegt, führen nichts als obige Steinar» ten, ein Beweis, daß sie nicht weit herkommen. Von der Kirche und dem Kloster der Mi- nimen, die in einem holen Kessel etwa eine Meile von der Stadt liegen, will ich dir nur dieses sagen: Die erstere ist von schlechter Bauart, mit sehr geschmackloser Stukkatur-Arbeit verziert, schlecht unterhalten und hat keinen Quaderstein auszuweisen, der einen Dreyer werth wäre'; das letztere ist mit Drüdern bevölkert , die statt fromme Gastfreundschaft auszuüben, auf eine unanständige Art Schenkend Gastwirthe machen. Ich habe viele Ställe gesehen, die reinlicher waren, als der Vorhof dieser Kirche und die Zeilen dieses Klosters. Mir erweckte dies Eckel und Abscheu; denn Lerter, die durch Gegenstände der Andacht berühmt geworden sind, müssen, wo nicht prächtig, doch wenigstens reinlich seyn. Doch wünschte ich, daß sie beydes zugleich wären, und daß sie von Männern bedient würden, die Lurch Wandel und Lehre sich Verehrungswerth zu machen wüßten. Unanständige und von ungesitteten Leuten bewohnte so genannte heilige Oertee 7Z Oerter, würde ich, wenn es in meiner Macht stände, ohne Umstände aufheben.-Aber Las sind melancholische Betrachtungen! Mogelt die Dinge gehen, wie sie können; die Zeit wird endlich ausrotten, was albern, zwecklos und schädlich ist. — Lebe wohl! Fünfter Brief. Barletta den r;. November »78?. §8enn mich die grosse Hitze nicht abgehalten hätte, so würde ich einen Versuch gemacht haben , der Braunstein r Schicht ( mmera 6i man- Armelo), welche sich nach dem Barrio bey dem Dorfe Cicero, vier Meilen von paola, befunden haben soll, auf die Spur zu kommen. Auf der neuesten Charte des Königreichs Neapel finde ich dieses Niceto nicht. Vielleicht existirt es gar nicht mehr. Das Erdbeben und die durch dasselbe zunächst veranlaßte Entvölkerung, haben gemacht, daß eine Menge Städte, Flecken und Dörfer nach und nach verschwunden sind.. Denn seit der Zeit, in welcher Darrio lebte, erfuhr das dlsseitlge Cala- dricn das schrekliche Erdbeben vom Jahr ,68z. vielleicht ?6 Vielleicht das einzige, welches mit dem diesjäh, riacn verglichen werden kann. Wenn man Lurch Caladricn, Slpulien, Abbruzzo, und durch die Provinzen des Königreichs Neapel rcrset, und alle die zertrümmerten Schlösser und Dörfer siehet, so kann man nicht ohne Schauder daran renken, daß diese schönen Gegenden in weniger ale! vierthalb Jahrhunderten mehr als hundert und zwanzigrausend Bewohner durch das Erdbeben verloren haben. Von Paola aus setzte ich meine Reise zu Pferde fort und zwar längs dem Meere bin, «m der Zugluft zu gemessen. Zu einer Landreise hatte ich bey der glühenden Hitze nicht Muth genug. Die Bäche, deren sich viele längs der Küste mit Ungestüm ins Meer herabstürzen und eine Menge Steine mit sich fortreißen, lassen auf die innere Beschaffenheit der dortigen Gegend sicher schließen. Sie bedecken und verderben sehr oft die angebauten Aecker mit Horn- rmd Glimmer - Schiefer. Das Landstädtchcn Santo - Lucido, an welchem die Strasse vorbey führt, liegt auf einem Hügel, der aus röthlichem Kalkstein besteht, «nd der wahrscheinlich ein Zweig der Apenninen ist. Unter 77 Unter den Bachen, die längs dem Wege zwischen steilen und engen Ufern Herabrauschen, und das Meer von den Wurzeln der Berge gleichsam zurückflössen, ist nur ein einziger, der edle Steinäxten mit sich führt, und zwar derjer nige, der sich zwischen den beyden Dörfern Fmme-Lreddo und Langobardo ins Meer ergießt. Dieser bringt Stücke von einem schö- nen Granit und grosse Klumpen von Hornschic- fer, aus den Gebirgen herab. Zu Bclmome höret der Granit und der Schiefer auf« DaS Bette des Flusses Vere, auf welchen man stoßt ehe man diesen Ort erreicht, zeigt dem aufmerksamen Beobachter, daß sich die Scene verändern werde. Man sieht da schon Hügel, die aus Kalkklumpen, oder aus Grand, Sand und Schaalthieren zusammengesetzt sind; auch findet man hie und da Stücke von Lava, die ich von Mormannv bis hieher nicht entdeckt hatte. Am Meere lag es voll abgerissener Stücke, und aus dem Wasser sahen ganz kleine Klippen eben dieses Pro- duckts hervor. Ich sehe auf der Landkarte einen grossen und kleinen See in dieser Gegend angegeben» Wiewohl ich von der Vorstellung derjenigen Weit 78 - weit entfernt bin, die jedem See einen vulka« Nischen Ursprung geben, oder sie für eingestürzte Krater halten, (eine Meynung die niemand billigen kann, der in den Alpen gereißt ist, oder am Fuß derselben gewohnt hat, wo man in grossen Buchstaben den Ursprung der Seen lesen kann); so glaube ich doch vermuthen zu dürfen, daß solch ein Erdfall, der durch einen innern verzehrenden Brand veranlaßt worden, zu der Bildung der vorhin erwähnten Seen mitgewirkt habe. Diese Vermuthung ist freylich eben so wenig beweisend als alle übrige Conjekturen in diesem Punkt, die nicht durch eine persönliche Untersuchung an Ort und Stelle bestätiget wer« den; aber die Lavatrüuimer, die sich dort herum finden, die nicht weit davon entfernte Insel Aeolier, und ein schwarzer Dcrr, (klon- renegro) wenige Meilen weiter hin, sind doch immer Umstände, die meine Vermuthung recht, fertigen. Aber du weißt, daß solche Combinationen nichts erweisen: denn es ist sehr oft der Fall, oaß Laven in Gegenden verführt werden, wo nie ein vulkanischer Ausbruch war; daß sich grosse Landstriche, die von unterirr- dischen Gewäßern ausgehöhlt sind, unmittelbar bey vulkanische»» Bergen finden; und daß endlich 79 «ndlich ein waldigter Berg eben sowohl em schwarzer Berg genennk werden kann, alL, ein ausgebrannter. Wehe denen, die sich durch Benennungen oder andre natürliche Zufälligkeiten verleiten lassen, grosse Systeme zu bauen» Wenn sie unter tausend Unwahrheiten eine aufbringen, so ist es ein Wunder! — Indessen ist es gut, wenn man von allem getreuen Bericht erstattet; doch ohne sich weder für daS eine, noch für das andere ausschließend zu erklären. In den Gegenden von Padua, von Verona, von Vicenza, von Neapel u. s. w. würde ein schwarzer Berg wahrscheinlich einen vulkanischen Berg bezeichnen. Die Ursache davon ist, daß in diesen Ländern die alren Wergs entweder aus der Flache hervorgestiegen sind, oder in den Wurzeln der höher» Gcbürge auf kleinen Erhöhungen, mithin in Gegenden gebrannt haben, die bewohnbar und anbaufä- ! hig waren, und eben darum den Tannenbauin > und ähnliche Baume nicht wuchern und zu so dicken Wäldern nicht heranwachsen liessen, daß sie einem Hügel den Namen eines schwarze» hätten zu wege bringen können. Die schwarzen Wälder finden sich nur auf hohen, kalten und wenig bewohnten Bergen. Auch bat der jchrvar- schwarze Berg in Calabrien solch eineLage, .daß ich ihn für einen waldigtcn Kalk-Apennin halten zu müssen glaube. Die Küste zwischen Paola und Amantea ! würde aufferordenilich steil und unwcgbar vvm Meere emporsteigen, wenn die beständigen Zufuhren der Dache nicht eine Art von abhängigem Damme gebildet hatten. Aber eben dieser > Damm besteht aus einem Erdreich, das einen traurigen Anblick gewahrt: es ist sandicht, stei» nicht und salpetrichtr dennoch suchen die Einwohner diesen ärmlichen Boden urbar zn machen, und schonen dabey weder Schweiß noch Kosten. Gewöhnlich bepflanzen sie ihn mit schwarzen Maulbeerbäumen, aber ihre Mühe verintereßirt sich schlecht. Die Baume erheben sich höchstens sechs Fuß hoch von der Erde, und haben ein unangenehmes kränkelndes Ansehn. Die armen Calabricr graben und begieffen das Erdreich mit unendlicher Mühe, und säe» dann Korn, Bohnen und andere Feldfcüchte darein. Ich bemerkte im Vorbeygehen einige Landhäuser, die ziemlich gut in die Augen sielen; > aber sie waren sämtlich mit Mauern und Thürm- ^ chen umgeben, wodurch sie ein gothisches Ansehen bekommen. Ich würde sie für Werke des barba- barbarischen Zeitalters gehalten haben, wenn ich nicht auf eins gestvssen wäre, das man sd eben erbaute, und auch mit dergleichen Zierra, ^ thcn umgab, die, wie ich nun erfuhr, nicht müßig dasteht,, sondern zu Schutzwehren wie der die Streifereyen der Seeräuber bestimmt find. Von dem Innern dieser Gegenden sagt Varrio wenig. Unter der Burg von Cotenza giebt es Spuren einer Bleygrubc, zu Migliae no Steinsalz; Gyps zu Crepisitv, Bley und Gold zu Macchiar Germana; Kupfer zu Tessar na und Dvmici. La Si!a, eine Gruppe von Bergen, die ihrer schönen Wälder wegen berühmt ist, bringt den Rubus Idäus, dessen Frucht ich so sehr liebe, im Ueberfiuß hervor. Ich wünschte, daß du ihn bey Deiner Zurückkunft aus Teutsch, land nach unserm Breno übergepflanzt finden möchtest. Deine gute Mutter wird es Dir schon verrathen haben, daß mehr als Ein fremder Baum dich daselbst an Deinen entfernten Freund erinnern werde. Siehe, mein Toms, ich weide mich an dem Gedanken, daß Du und die Deinigen imWer Gegenstände vor Augen habt, F die die Euch an meine zärtliche Freundschaft zurückerinnern müssen. Amanrea, das nach einigen das alte Nepelin seyn soll, itzt aber nichts Antikes mehr-auszuweisen hat, ist eine kleine Stadt am Meere. Ich kam daselbst ohne Empfehlungs- schreiben, ohne irgend eine Addresse, in der hcissen Mittagszeit an. Meine Verlegenheit stieg auf den höchsten Grad, weil ich weder Wohnuirg noch Kost zu finden wüste. Aber ein junger-Edelmanv, Don Nrccoln de Oechis, nahm meine Noth zu Herzen und überhäufte mich mit Höflichkeiten. Ich'dckam schönes Obst, und schlief in seinem eigene» Bette, welches er Mir mit jener herzlichen Willigkeit anboth, die jede Wohlthat doppelt wohlthätig macht. Eine Dame, die ich nicht zu sehen bekam und deren Namen ich bis diese Stunde nicht weiß, schickte mir, ehe ich mich wieder auf den Weg machte, Caffee, weil sie gehört hatte, daß ich ein Ve- rietianev sey. Immer werde ich mich mit der lebhaftesten Dankbarkeit an diese menschenfreundliche Aufnahme erinnern. Sie ward durch kein lästiges Ceremonie! unschmackhaft gemacht und kam gerade zu aus einem guten aufrichtigen un.d wohlwollenden Herzen. Ich bin diesen diesen guten Menschen zwiefachen Dank schul, dig, weil sie, ausserdem Dienste, den sie mir im Augenblicke leisteten, noch einen Fond von Vergnügen in mein Herz legten, der durch die süsse und dankbare Erinnerung an sie immer von neuem lebendig wird. Vier Meilen von Amantea (welches übri» -gens auf einem kalkigten, sandigen und gram digten Boden liegt) finden sich Marmorbrüche, die ich aber nicht untersucht habe. In einiger Entfernung rauscht der Turbido, ein wüthender Bach, der durch viele kleinere, die auS den Thvngebürgen herabfallen, verstärkt wird. Seine hohen Ufer, die weit über die Fläche der umliegenden Gegend hervvrsteigen, gleichen den Ufern des Agno und des Ehiampo iin Venetianischen, auf deren Deiche wir so manchen Zug zu Pferde gemacht haben; aber die Deiche, die den Turbido einschliefen, sind bey weitem nicht mit so grosser Einsicht angelegt als jene. Daher kömmt es, daß sie fast alle Jahre von den Fluthen zerrissen werden, die immer neues Erdreich über die Felder hin- spühlen, und dadurch in der That mehr Blitzen als Schaden bringen. Nicht weit vom Ausfluß des Turbido fand ich am Seeufer von F S neuem 84 neuem den glimmerichten Schiefer, der bald grau, bald röthlich, bald grün war. Ohngefähr sechs Meilen von Amantea führte der Weg über ein Vvrgebürge von Schie, fee, das von den Wogen gewaltig bestritten ward. Die Schieferplatten krümmten sich wellenförmig in einander und machten tausend an, dere kleine Gruppen, die sich nicht beschreiben lassen. Eine Meile weiter hin zeigt sich der Kalkstein von neuem in grossen zertrümmerten Massen; der Weg führte mich zwischen zwey dergleichen hindurch und ich fand ihre Ober, fläche so geglättet, daß ich wenig Werke der Kunst so fein polirt gesehen habe. Diese zer, rißne und zertrümmerte Stelle wird Lorraca genannt, wahrscheinlich von der Menge Raben, die hier haushalten, und besonders nach Stürd- nien überfiüßige Nahrung an den Fischen fin, den, die durch die Wuth der Wellen gegen und ^ zwischen die Felsen geschleudert werden. ^ Ein aufmerksamer Beobachter kann hier, vhne in das Innere des Bodens gedrungen zu seyn, recht wohl sehen, daß längs der Küste Hin der Kalk älter ist, als der Schiefer. An ! einigen Stellen ist es mit Händen zu greifen, daß letzterer sich in den Spalten und Höhlungen der 8s der grossen Kalkmasse angesetzt hat, die mit den Apenninen, wovon sich ein Zweig bis hiehev erstreckt, verbunden ist. Wohin werden nun die voreiligen Systemklitterer ihren Urschiefer versetzen? Werden sie sich endlich übertrugen, daß nur vieljahrigc Beobachtungen, von unbefangenen Augen angestellt, in dieser Sache etwas vermögen? Bis jetzt find wir noch mit wirklichen oder scheinbaren Widersprüchen überhäuft, und wir müssen unsern Urenkeln die Vereinbarung und Entwickelung derselben überlassen. Der Fluß Dliva führt Trümmer von Kalk und glimmerichten guarjigten Schiefer, unr ^ ordentlich durch einander. Das Bette deS Saviko ist voll kleiner Trümmer von Granit und schwarten Scrpentinstein. In Tvskan» find Gyps und Schwefel die treuen Begleiter des Serpentins, also auch in Calabrien: in dem Gebiethe von Castiglivne giebt es Gyps- brüche: und zu S. Euphemia, zu S. Biagiv und Fervlito finden sich heisse Schwefelbäder. Die Lust in der Gegend von Euphemia ist höchst ungesund, wegen der vielen salpetrigem Laachen, die dort herumstehen und stinkend werden. Ich brachte daselbst ohne Abendbrod, F z vhne ?6 ohne Bette , und in einer Stube, die mit mehr als sumpfigten Ausdünstungen verpestet war, Lie traurigste aller Nachte zu. Lebe wohl. In meinem künftigen Briefe sollst du mit mir diejenigen Gegenden deS Lan- deS durchreisen, die der Schauplatz des letzten Erdbebens gewesen sind. Sechster Brief. Barletta den ro Novemb. 178;. ^ast gereuet es mich, lieber Tomo, daß ich es unternommen habe, diese dürftige Beobachtungen über die mineralische Beschaffenheit Cala- briens zusammen zu suchen. Sie sind wahrhaftig von so kleinem Belang, daß ich mich ihrer gern ein wenig schäme. Indessen will ich Loch, trotz diesen kleinen Anwandlungen von Echaam, meine Erzählung fortsetzen, in der Hofnung, Dir mit der Zeit etwas besseres liefern zu können. Ware es auch möglich, daß der mineralogische Zustand Calabriens noch länger eben so unbekannt bleiben könnte, als der «on Sibirien und von Amerika, unter einer Regie- - 87 Regierung, die so sichtbar das Woht einer Nar tivn zu befördern sucht, die sie von so vielen Seiten schon beglückt hat? Das jenseitige Calabrien ist eine Halbim sel, die mit dem festen Lande durch eine niedrige Landenge verbunden ist, welche die Reihe der Kalk-Apenninen nicht mehr fortzupflanzen scheint, wie sie solche vor Alters gewiß -fortgepflanzt hat. Diejenige'Stete, 'die nach dem Mittelländischen Meere hinsieht, ist eine Ebene, die durch Sand und ThvN , welche der Fluß Amato herzuführt, und durch den Bimsstein , welchen das Meer nach einem vulkanischen Brande auf Strombett oder den Lipparir scheu Inseln hier auszuwerfen pflegt, unstreitig ist gebildet worden. Die Seite nach dem Ionischen Meere zu, ist gebürgigt, und soviel ich ohne dort gewesen zu seyn vermuthen kann, sind' die dafigcn Berge kleine Kalkberge, oder wenigstens müssen sie mit andern abwechselnd und unterbrcchungsweise gefunden werden. Die Mitte der Landenge muß sicherlich Kalkberge enthalten, aber allem Anschein nach lauft die Kette der Apenninen daselbst ans. Ich war nicht im Stande diesen LandeSstrich mit aller dazu erforderlichen Genauigkeit zu I 4 «nter- untersuchen- und deshalb will ich eS dir nicht als Gewisheit aufdringen, daß die Apenninen zwischen dem Meerbusen von S. Euphemia und dem von Squillace aufhörten. Ich suchte über diese merkwürdige Aufgabe aus der physischen Erdbeschreibung von emgebohrnen und verständigen Leuten einiges Licht zu bekommen: aber dieser Himmelsstrich scheint keine aufmerksame Beobachter hervorzubringen. Ich erfuhr von ihnen nichts, als die Gewisheit von der ausser- rrdentlich niedrigen Lage der Landenge, und daß man in wenigen Gegenden, die weit genug «on der Temperatur der hohen Berge entfernt liegen, beyde Meere sehen könnte. Hieraus folgt, daß das jenseitige Calabrien vor Zeiten «ine Insel gewesen seyn müsse. Diese Folgerung wird Dir nicht ganz einleuchtend seyn; aber laß sie nur diesesmal durchschlüpfen und erwarte mit der Zeit eine nähere Entwickelung derselben. Wenn man mir Wahrheit berichtet hat, so findet sich auf dem erhabenen Thei.le der Landenge Thonhügel, die höher sind als die Kalkhügel, und Du begreifst leicht, daß sie nicht anders als durch Gewässer, die zwischen den den Unterbrechungen des Apenninen » Gebär» ges hindurch flössen, gebildet seyn können. Auf meiner Reise von Euphemia bis Piz» zv hatte ich das Ländchen Maida, dessen Hügel aus Thon bestehen, immer zur Linkern Bar» rio merkt an, daß sich Brüche von marmvrar» tigem Gyps und eine salzige Quelle daselbst fänden. Die Gegenden um Marcellinara, welches etwas weiter hin liegt, sind von eben dieser Beschaffenheit. Aus diesen Angaben läßt sich sicher schliessen, daß in den tiefer liegenden Schichten Schwefel und Steinöl zu finden seyn Müsse. — Dieses ist die gewöhnliche Beschaffenheit der Berge und Hügel, die sich seitwärts an die Apenninen lehnen; und gerade so findet man sie, nach den Beobachtungen gelehrter Reisen» den, überall, wo die verschiedenen Zweige dee grossen Kalkapenninen, die durch Europa streit chen, ein Ende nehmen. Der trübe Fluß An» gitola (überwelchen man, da ich ihn paßirte, «ine prächtige Drücke führte) zeugt sehr deut» sich von den Bestandtheilen der Berge im Innern der Landenge. Seine Gewässer sind aschgrau, wie die Gewässer des pescara» Flusses in Abruzzo, der wegen seiner schwärzli, Z 5 che» -o - chcir Farbe von den Alten Aternus genannt wurde. Indessen muß es doch im Innern der Landenge auch Granit-und Schiefer - Berge geben, weil auch hiervon der Fluß Angitola unverkennbare Merkmale mit sich führt. Uebcrdies findet sich auch auf der ganzen Strecke von Angitola bis nach dem Städtchen s)i;;o Granit auf der Landstrasse. Ich setzte eilig über den Angitola, und stieg auf einem angenehmen Wege, wo ein frisches Lüftchen wehete, nach pizzo hinan. Auf diesem Wege bemerkte ich an der Seite eines Granithügels einige Stellen, die genau das Ansehe» des dccomponirten Granits hakten. Denn er lag hier zwischen ziemlich harten Massen von gemeinen Granit, unordentlich zerstreut. Eben dieser Hügel zeigt alle Merkmale eines durch vulkanische Gahrung aus dem Meere emporgehobenen Berges, und hat einige Aehnlichkeit mit den Bergen bey Viterbo. Er ist ein neuer Beytrag zar Aufrechthalkung des Systems einiger Naturforscher, die den Granit durch Feuer bilden lassen. Um meiner Sache ganz gewiß zu seyn, habe ich alles sehr genau untersucht. Ich fand längs dem Wege erne eine Masse von Kalk, die rund umher von Granitplatten umgeben war, welche bereits anfiengen zu verwittern. Jene Kalkmassc war von Meerinscktcn durchbohrt und durchlöchert, wie es sich bey Kalk, der im Meer gelegen hat, gewöhnlich zu finden pflegt. Ich konnte mich nicht genau überzeugen, ob sich diese, Masse würklich ganz isolirt unter diesem verwittern» den Granit befinde, oder ob sie unten mit ei» «er verborgenen Kalkspjtze des Apenninenge» bürges zusammen hange. Im ersten Fall wäre dies ein sicherer Beweis für den vulkanischen Ursprung jenes ^Granithügelsz aber man kann diese Erscheinung durch nichts anders, als durch «in Emporschnellen und Herabfallen aus der Hö» lhe erklären. Aus eben dieser Ursach finden sich auch in den vulkanischen Hügeln, die aus Tuff bestehen, sehr oft grosse Stücke von alten Lar ven und Kalkstein: wir selbst haben dergleichen mehr als einmal in den Gegenden von Dicenza beobachtet» Wenn die Kalkmaffe tiefe Wurzeln hat und zu irgend einem unsichtbaren Zweige der Apenn.neu gehört, so könnten uuerfahrne Beobachter, die zumal der Hypothese anhangen, Laß der Granit durch das Wasser gebildet »vor« den, leicht verleitet werden, zu glauben, baß 91 die Materien, mit welchen er umgeben oder unter welchen er begraben ist, einzig und allein von dem Meere ausgearbeitet seyn müssen. Aber nicht also würden die andern schliessen, die feines Auge genug haben, um die plutonischen Merkmale der mineralischen Produkte zu erkennen. Die äussere Schaale dieses Hügels (denn Schicht kann man ihn nicht nennen ) ist ein Haufen von grosten Granitschollen, die nach und nach verwittern und sich in Platten zerlegen, gleichsam als ob sie aus solchen Platten wären zusammengesetzt gewesen. Ihr Kern ist überaus hart, wie in den-Lavaklumpen, die man auf den Viccntinischen Gebürgen so häufig an- trist, und die sich, weil sie den Anfallen der Luft ebenfalls ausgesetzt sind, nach und nach spalten und in Gchülfern zerblattern. Der verwitternde Granit dieses Hügels enthält eine -Menge kleiner Klumpen eines schwarzen leuchtenden Glimmers, der demjenigen sehr ähnlich ist, welchen man in den Laven von Fraskati und noch häufiger in den Laven des Berges Vultu- ra findet; deshalb fehlt es ihnen an Härte. Wenn diese Beschaffenheit der Berge bis weiter hinunter zum Meerbusen von Squillace fort- 9S fortdauert, so ist der Ursprung dieser Landenge bald bestimmt: so ist es bewiesen, daß das jenseitige Calabrien in den ältesten Zeiten eine In» sel war; wie ich dann auch irgendwo gelesen zi» haben glaube, daß hiervon bey den Alten eine Lraditivn im Umlauf gewesen sey. pizzo, welches in dem letzter« Erdbeben, nach den eingelaufenen Berichten, völlig zu Grunde gerichtet seyn soll, war eine Stadt von ungefähr fünf tausend Einwohnern. Letztere trie» den eine lebhafte Schiffarth, und machten sie dadurch zur Stapelstadt für die umliegende Gegend. Der Boden, worauf sie lag , war ein sandiger Tuff, der deshalb bey einem starken Erdbeben nicht zusammenhalten konnte. Nach dem Berichte des Sign. Vioenzio kamen nur 9 Personen dabey ums Leben — o, wie wünschte ich, daß sie sich alle gerettet haben möchten! Auch pizzo verließ ich mit wahrer Zuneigung gegen die Calabrier. Der erste Eindruck entscheidet doch immer über Liebe und Haß. Ich fand daselbst einen grundehrlichen Gastwirth, der mich mit Höflichkeiten überhäufte, und doch nachher solch eine kleine Rechnung machte, daß ich bis diese Stunde glaube, er hat sich z« seinem Schaden verrechnet. Als ich mich am andern §4 andtrn Morgen sehr früh und noch halb im Schlafe auf den Weg machte, ließ ich meine Uhr im Wirthshause zurück. Ich war schon weit von pizzo als ich es erst gewahr ward» Schon wollte ich umkehren, als mir ein Knecht ganz ausser Athem entgegen kam, und mir im Namen seines Herrn die Uhr überbrachte. — Geh und suche mir solche gefällige Redlichkeit in den Gasthöfen unsers gebildeten Italiens; Dieser gute Gastwirlh hieS Bruno di Mars LeUo! Wenn er doch einmal erführe, wie gern ich mich seiner erinnere! Und wenn doch er und seine ganze Familie die schönen Tugenden der Rechtschaffenheit und Gastfreundschaft, zu üben nie müde werden möchten! — Du erinnerst Dich an die herzliche Aufnahme, mein lieber Lomv, die wir in der Brückenschenke in Grau- lbündten fanden? Gewiß erinnerst Du Dich darr an ; denn Herzen, wie das Deinige, vergnügen sich mit dem Andenken guter Menschen. Dir Familie des redlichen Bruno di Murcello war das Gegenstück zu jener! Ich machte auch eine kleine Wasserreise, um die Küste von Bivona zu sehen, die vor Alters Hiponium hieß und diesem Meerbusen, der auch Golfs Lametico und Terineo ger nannt ! - -5 nannt wird, den Namen gegeben hat. Ein reizendes Grün bekleidete diese Küste, obwohl es schon in den heissen Tagen des Jus. war. Die Felder und Fluren, die von oben bis unten angebauet waren, die herrlichen Oclgärten und schönen Weinberge grünten so fruchtbar und frisch, daß man sich keine Aussicht mal« rischer denken kann. Die Alten waren berechtigt zu dichten, daß Proserpina aus Sicilien hieher gekommen sey, um Blumen zn pflücken. An dem Gestade von Bivona finden sich Klüfte von weichem Kalkstein, der mit allerley Seeprvdukten vermengt ,st. Schichten dieser Steinart bleiben biS Trope« und noch weiterhin sichtbar. Die seltsame Beschaffenheit des Strir ches, der das Dorgebürge Zambrone bildet, entsteht hauptsächlich daher, daß er längs dem Meere hin einerley Bestandtheile, aber in seinem Innern eine grosse Mannigfaltigkeit von Produkten zeigt. In der Nachbarschaft von pizzo enksisrinzt eine säuerliche eisenhaltige Quelle, deren sich die Einwohner auf mancherley Weise bedienen. Auch finden sich Schmerzet und einzelne edle Granitmassen daselbst, ohne daß man tief suchen darf. Ueberhaupt müßte diese Gegend, wenn »6 - wenn man sie mit Fleiß untersuchte, eine Menge von angenehmen merkwürdigen und belehrenden Gegenständen darbiethen. Ich hoffe, daß die Akademiker von Neapel, die ausge- fandt sind, die Zerstörung des letzten Erdbebens zu untersuchen, in kurzem viel Gutes über diesen Gegenstand bekannt machen werden. Als ich von Pizzv aus zu Lande nach Mvn, televne reiste, führte mich der Weg, der von Schiefer und verwitterndem Granit durchbrochen war, immer Berg auf; sobald ich aber «uf der Höhe war, breitete sich eine schöne fruchtbare Flache vor mir aus, auf welcher einmal über das andere ansehnliche Bänke eines weichen Kalksteins zu Tage lagen. Aber der -röste Theil dieser Ebene besteht aus «inen» weißlichen Mergel (rnsrZu biancssira) voll ver- kalchter Schaalthiere, die auch mit unter ihr« natürliche Gestalt beybehalten hatten. In den -rossen Rissen, die das Wasser gemacht hat, fanden sich Sandlagen, die auch voller See- thiere waren. Monreleone ist «ine srryherrliche Stadt, «it noch nicht völlig 8O20 Einwohnern. Von aussen macht sie eine ziemlich gute Figur; aber von innen ist sie abscheulich schmutzig. Das letzter« 97 tere Erdbeben hat sie hart mitgenommen; doch haben nur sehr wenig Einwohner ihr Leben das bey eingebüßt. Schon wogte auf den Feldern vor Monrelcorie ein Meer von reifen Achren; aber dieser Anblick wahr mehr prächtig als angenehm, weil nicht Grün genug vorhanden war, um gegen die einförmige Dürre der Halmen vor- theilhaft zu kontrastircn. Nur einige Ulmen- baume am Eingänge in die Stadt, und eine ' Allee, die zum Schlosse gehört, konnten dem Auge eine erquickende Labung verschaffen. Die vulkanischen Ausbrüche, welche die Berge hinter Pizzo emporhoben, müssen bis Delforte wirksam gewesen seyn, wenn man dem umständlichen Bericht des Barrio von den vulkanischen Produkten, die sich dort finden sollen, Glauben beymcssen will. Er sagt, daß sich bey einer Kirche der Cistercicnser der lapis ohficiiauus (vulkanisches Glas) finde, und fügt hinzu, daß man ihn zu seiner Zeit in den Glashütten gebraucht habe. Ich theile Dir seine eigenen Worte mit; sie sind wichtig, weil sie über eine ökonomische und physikalische Manipulation damaliger Zeit Licht verbreiten: 8e- cunäuia ueüem, sagt er, Ispis ofificfiauus nas* cirui-, ex ezuo fit virrum Optimum» Ich weiß, G daß 98 - daß man sich in einigen andern Landern des vulkanischen Glases in den Glasmanufakkuren bedient, und mittelst desselben Waaren verfertigt, die den englischen Glaswaaren beykom- men, und die doppelte Vollkommenheit haben. Laß sich die Liqueurs besser darin halten, daß sie nicht so leicht zerbrechen, als die übrigen. Die besten Karten stellen das Apennincn- gebürge zwischen Belforte und Simbario als ziemlich erhaben vor; aber demungeachtet belehrt uns Barrio, daß auch an dem letztem Orte laxis obssäianus gefunden werde. Aus diesem Umstände kann man schliesset!, daß in alten Zeiten an und um die grosse Kette der Kalkgebürge Vulkane gebrannt haben, so wie ihnen in Campanien und Apulien der Vesuv zur Rechten und der Volture zur Linken brannten. In der Nachbarschaft von Belforte, auf dem Wege, der nach Stilo führt, findet sich auch, nach dem Barrio, Fraueneis (§csso j'xecvlsre). Es ist gewiß kein gemeiner Fall, diese Gypsart und vulkanisches Glas so nahe bey einander zu finden, und ich weiß kein einziges Beyspiel im Grossen davon. Indessen ist gewiß, daß ich in den Bergen von Lugo, und in den an vulkanischen Produkten so reichen Vicem 99 Vicentinischen Versteinerungen von zweyschaali- gen Sccthieren (^scrificarloni cli Livalvi) gefunden habe, die in ihren Höhlungen Gypskri- stallen enthielten. Doch sehe ich nicht ab ^warum in vulkanischen Gegenden sich kein Gyps befinden sollte: giebt es nicht in dem Thale Rvn- ca und anderwärts regelmäßige Schichten hon Kalk, die mit Lava abwechseln? Zu Soriano, wo es Töpferwerkstätten, Gyps - und Schlcifsteinbrüche giebt, fand ich es bestätigt, daß die untern Apenninen ausThon> Gyps und Sand bestehen., Eben so giebt es auch zu Atriparni und Ceano Schenkt (pierra speculare) und in der Nachbarschaft der nun zerstörten Stadt Mileto , arbeitet man in marmorartigen Gyps. Dsese unglückliche Stadt war auf dem Rücken eines Thonhügels, gewiß ohne alle Uebcrlegung erbauet. rDie eisenhal/i« ge Erde zu gesund Serrata, die Salzwaffer zu Srritantsne und ü>e Schwefelquellen Ferolcco, Galarro und Cinfiuefrondi zeugen deutlich von der BrschaWnheit der Kcht^ der untern Apennine/r , so wie die Kalkhügch von Dorello, von Arena, Scrito undivvn Anoja den unregelmäßigen und niedrigen Auslauf der Apenninen beweisen, Gr Leb» 100 Lebt wohl für diesesmahl, mein theurer Freund, lebe wohl! Siebenter Brief. Darlctta, den löten Novemb. ,78z. !^as That, welches der N 7 etuuro durchs stießt, der daselbst die Gewässer der abschüßi- gen Ebene von Montelcone aufnimmt, war damals, als ich es durchreiste, ein überaus reis zender Landesstrich. Einige isolirte Thvnhügcl, die mit einer kunstreichen Nachläßigkeit gleichsam hingeworfen schienen, und größtentheils mit Grün bekleidet waren, auch nicht vulkanischen Ursprungs seyn konnten, weil sie nicht das mindeste Merkmal davon zeigten, bestätigten die Bemerkung von neuem, auf die mich die ketztern Unfälle dieser Gegenden, die durch Erdfälle und Spaltungen hervor gebracht seyn müssen, ganz natürlich leiteten: es sey nehmlich gefährlich auf dem Rücken oder Abhänge von Hügeln dieser Art und Natur zu wohnen. Auch ohne Erdbeben pflegen sie gern einzuschies» > sen und sich stückweise abzulösen, und dieses bringt ihre ursprüngliche und wesentliche Struktur t0l tur so mir sich. Thon und Sand der Berge zweyter Ordnung liegen auf der steinigten er» stern Basis grösserer §und älterer Ketten, die nothwendig einen Abhang nach dem Meere ha» ben müssen. Die wesentliche Verschiedenheit, die zwischen den unzusammenhangcnden Erdarten, Sand und kleinen Steinspitzen, und zwischen den tiefern festen Kalkwurzeln der Apenninen statt findet, ist Ursache, daß letztere gegen alle zufällige neuere Geschiebe ihren Platz als Urgebürge behaupten, und den unterirrdi- schen Gewässern zwischen sich und jenen bald mehr, bald weniger Raum lassen. Diese Gewässer nun verursachen, wenn die Basis der kalkichten Grundgebürge sehr abschüßig ist, und wenn sie nach und nach unabläßig ihr Bette zu erweitern streben, jene grossen Risse, die oft, ohne daß eine Wirkung von aussen dazu kömmt, unversehens entstehen und desto häufiger entstehen, wenn eine fremde Gewalt die im Innern sich stämmenden Gewässer, die langsam abzulaufen bestimmt waren, plötzlich aus einander treibt oder empor hebt. Diese Erscheinungen sind nach einem grossen Regen, oder nach einem jähen Thauwettcr am gewöhnlichsten, weil sich dann die Gewässer mit Macht in die unterirr- G z dischcn dischen Canäle hineinstürzen, die sich immer zu erweitern streben, wenn sie sich m einer weichen Materie befinden. Durch diese übermäßige Ausdehnung veranlassen sie den Sturz der obern Schichten, wodurch dann ihre Auegange verstopft werden; die Gewalt des eingesperrten Wassers vermehrt sich nach Verhältniß, und so entstehen Sturze aus Sturzen und die Gewässer stammen sich immer gewaltiger. Auf diese innere Empörung der Thonberge folgt fast immer die Entstehung neuer Seen, oder stehender Lauchen, oder auch wohl tiefer und weit- lauftiger Sümpfe. Noch häufiger ist das Ein- fchicssen der Ufer, die aus unzusammenhangendem Grand bestehen; aber selten zieht es verwickelte oder merkwürdige Erscheinungen nach sich. Wem das Schicksal ein Land zur Wohnung angewiesen hat, das dem Erdbeben unterworfen ist, der baue sein Haus nicht auf einen Thon- Sand-Tuf-und Grand-Boden; und wenn er es nicht mitten in eine Ebene hinstellen kann, so stelle er es an einen festen lebendigen Felsen: dann kann er unbesorgt und ruhig schlafen. Ich machte diese Bemerkung nach dem Erdbeben im Jahr 1780 zu (Lettaro; dort waren alle auf lebendige Felsen gebaute Häuser un- beschädigt geblieben, aber die auf weichem Boden standen, litten alle. Die abgerissene Stücke des Gestades, die in das Meer hinabgerollt waren, hatten keine andere Bestandtheile als Sand und Meer / Grand. Ich will nicht gera, de zu behaupten, daß der Bewohner eines wvhlbewurzelten Felsens, der sich nahe an dem Centrum eines starken Erdbebens befindet, darum ganz sicher sey; aber gewiß ist es, daß er eine gänzliche, unversehene Zerrüttung seines Wohnplatzes schwerlich zu besorgen haben wird» DaS schöne Thal, welches der Metsuro durchstießt, erzeugt keine zum Verarbeiten taugliche Steine; deshalb muß man zum Bau der neuen Strassen aus der Nachbarschaft von piz- ;o Granit und Hornschiefer Herbeyschaffen. Der Fluß ist nicht tief, halt aber doch Wassers genug um sein Bette auszudehnen, und es giebt «inen schönen Anblick wenn man ihn von oben herab übersieht. Indessen hat doch diese Gegend, trotz ihrer äusscrlichen Schönheit, gleichsam eine innerliche Krankheit, die durch eine Menge stehender Laschen veranlaßt wird. Im hohen Sommer ist daselbst die Luft sogar lebensgefährlich. G 4 Es 104 - Es ist eine wichtige und durch die Erfahr rung genugsam erprobte Bemerkung, daß un- gewöhnlich breite Betten der Flüsse ein entvölkertes, unangebautes und ungesundes Land ankündigen. Gewässer, die keinen weiten Lauf zu machen haben und nicht mit Dämmen eingefaßt sind, pflegen nie tief zu seyn, und fliesten deshalb langsam. Ihre Letten sind ungleich, voll Erhöhungen und Vertiefungen, die, wenn die heisse Jahrszeit hereinbricht, stehende Laschen bilden, worin Insekten und andere kriechende Thiere sich entwickeln und vermehren, und endlich noch, ehe sie durch die Sonne ins Trockne gesetzt werden, an der giftigen Gährung, worin das Wasser durch die Hitze gesetzt wird, sterben und in Fäulniß übergehen. Die pestartigen Ausdünstungen werden durch die Seewinde auseinander und selbst in Gegenden hineingetrieben, die wegen ihrer höhern Lage nichts zu befürchten haben sollten. Wehen dann binnen einigen Lagen diese Winde nicht, so müssen jene Dünste die Luft der niedrigen Gegenden mit einem tödlichen Gift anstecken , das besonders in der feuchten Abenddämmerung gefährlich seyn muß. Die Die Landstadt Rosarna, welche auf ei« nem schmalen länglichen Hügel am Ufer deS Metauro liegt, gewahrt keinen Übeln Anblick. Fünf Arten Mönche haben sich daselbst eingenistet: ein Beweis, daß das Land keinen Mangel an Lebensmitteln habe. Weil ich keine erträgliche Herberge daselbst fand, so entschloß ich mich in die Ringmauern eines der Klöster zu gehen, um mir wider die stechenden Strahlen der Mittagssonne ein Obdach zu suchen. Nie habe ich einen Ort gesehen, der einem Stalle so täuschend ähnlich war, nie solche tölpische unreinliche Leute, als diese Bruder und>Söhne des Hochheiligen Lranciskus. Kaum konnte ich einen plumpen und unreinlichen Stuhl bekommen, und auch diesen ließ man mir auf eine äusserst grobe und verächtliche Art durch einen stmkenden Layenbruder hinstellen, der mir die Thüre vor der Nase zuschlug. Ich weiß nicht wie man Klöster dieser Art dulden kann, und warum man nicht die dazu gehörigen Kirchen, die durch Unanständigkeiten unsere gute ehrwür» dige Religion herabsetzen, ohne Umstände verschließt? Doch glaube ich, daß der Zeitpunkt nahe sey, wo die wohlthätige und aufmerksame Regierung das unglückliche Calabrien von G Z dieser 106 - dieser Menschenart bekreyen wird, die durch ihr böses Beyspiel noch mehr als durch ihre Faulheit ex prosesso, vermöge welcher sie das arme Volk aussaugct, so schädlich geworden ist. Nach den letzten traurigen Unfällen bedürfen die Calabrier besonders Beyspiele einer wirksamen Thätigkeit; Beyspiele der Trägheit müssen ihnen aus den Augen, und diese Blutigel müssen ihnen von der Haut gerissen werden. Hinter Rosarna fand ich eine sandige Fläche. Ich reiste über selbige nach dem elenden kleinen Landstädtchen Gioja, das eine ungesunde Luft hat, nicht weit vvm Meere liegt/ und auf den Trümmern des alten Metauria, der Vaterstadt des Stefrchorus, erbauet seyn soll. Nahe bey derselben bemerkte ich kleine Erhöhungen, bald von Fluß-Tuff^iufo 6u- viarils) bald von Meergrund und andern Seeprodukten. In ältern Zeiten muß der Metau- ro seinen Lauf hierdurch genommen, und der alten Stadt, von welcher auch nicht die kleinste Spur übrig geblieben ist, den Namen gegeben haben. Fünf Meilen von Gioja lag die angenehme Stadt palmi, von welcher, seit dem letzten unglücklichen Erdbeben, nichts als Trümmer mer übrig geblieben sind. Ein nachgebender Boden, der dem von Seminars und Bags nara gleicht, veranlaßte die Zertrümmerung dieser Stadt. Zwischen Bagnara und Scylla dauert daS steile Ufer immer noch fort. Es zeigte abwechs sclnd bald Schiefer, bald Granit, bald Streis fen von meisten Quarz voll schwarzen Schörl. Bey Scylla sah ich Granit in wellenförmigen Schichten auf solche Weise gelagert, daß er den Schieferarten einiger Lander sehr ähnlich sahe. Diese Ähnlichkeit scheint mir einer nähern Uns lersuchung würdig zu seyn; ich habe sie in dies sen Gegenden längst dem Meere öfter als ein, mal bemerkt. Scylla ist die Vaterstadt des thätigsten unter allen Neapolitanischen Naturforschern, des P. Minasi, eines Dominikaners, der sich durch mancherley Schriften bekannt gemacht hat. Er ist zwischen vierzig und fünfzig Jahr alt, und ein Mann voll Feuer und Aemsigkeit. Ms 1er den Schriften, die er bis jetzt herausgeges den hat, handelt die erste von der berühmten Lufterscheinung, Fata Morgan« (die Fee Morgana) genannt, die sich über den Canal von Meßina in -er heißesten Jahreszeit vor Sonnens Sonnenaufgang zu zeigen pflegt; die zweyte ! enthalt interessante Bemerkungen über die gross ! sen See - Krebse; die dritte, die ohne seinen Namen herauskam, liefert ein Verzeichniß von den ! Conchylien des Meerbusens von Taranto, und mancherley Dc-rachtungen über die Conchyliolo- j gie, die hauptsächlich ihre Nuzbarkeit beweisen sollen. Du findest die Schriften des P. Mi» nafr!/ wenn ich nicht irre, zugleich mit nervig« ten Beurtheilungen derselben, in den Oelicüs unsers vortreflichen Lorbes angegeben. Der Pater Minafk hat dem Uebersetzer und Commentatvr des Gedichtes, Oelicias Isren- ^ tinas betitelt und von d'Aquino verfaßt, eine Menge Sachen aus seinem naturhistorischen Schatze mitgetheilt. Eigentlich hat der Verfasser dieses Gedichts seinen Gegenstand nur in ungefähr zweytausend Versen behandelt: aber der gute Lardecci, der es kommentirte und herausgab, verlieh ihm Korpulenz, und fütterte es in einen Quartband von -50 Seiten mit den kleinsten Lettern gedruckt, sorgsam und väterlich ein. Dennoch finden sich in diesem Buche unter tausend ekelhaften Mikrvlogien viel j gute Sachen, die den Minasi zum Urheber haben mögen. Die Noten sind ganz vollständige 109 dige Abhandlungen, z. B. über die Tarantel, über den lTlaurilus, über die Fischerei und die verschiedenen Wohnungen der Thunfische; über die Lebensart und den Fang der Austern; über die Schneckenmuschel (pin- uo); über die Aammuschel (peumo) übev Ebbe und Flurh des Meeres von Taran- to u. dergl. in. Die Lage von Scylla Hai sich seit den Zeiten von Strabo sehr verändert; ihr Hafen ist verfchlemmt, und wo sonst Wasser war, ist jetzt trockenes Land. Zwischen diesem berühmten Felsen und zwischen Reggio ist die Küste größs tentheils sehr steil; aber da, wo die Betriebsamkeit der Calabrier sie nur immer zu nutzen wußte, ist sie ein Wunder der Schönheit und Kultur geworden. Mit was für Augen muß Drydone diese Gegenden angesehen haben, da er in feinen Briefen solch eine traurige Schilderung von ihnen macht! hat er denn die Ebe, ne von Pentimele, und die schönen Garten am Gestade hin gar nicht gesehen? Darrio erwähnt bey der Beschreibung von Fiume-dirMuro eines Pfarrers, der im sechszehnten Jahrhundert daselbst lebte, und die Kunst verstand, unendlich kleine Sachen in Holz t 10 Holz anzuschneiden. Unter andern hatte er eine Kutsche gcschnittelt, die von zwey Ochsen gezogen wurde und demungeachtet nicht grösser als ein Waizenkvrn war. Man sah den ^ut- scher auf dem Bock, und im Wagen selbst Reisende von weiblichen und männlichen Geschlecht aufs deutlichste und feinste ausgedrückt. Eine andere ähnliche Kutsche von seiner Arbeit ward von einem Floh mittelst eines hölzernen Kett» chens gezogen.. Armselige Talente.' Und was für einen Absatz machen sie gegen jene, die unsere thätigen Forscher auf, die Erweiterung unsrer Wissenschafts - Sphäre verwenden, die, weit entfernt, das Grosse zu verkleinern, lieber das. Kleine .groß, das Unsichtbare sichtbar machen! Die Hügel zwischen Scylla und Reggis bestehen, so viel ich bemerken konnte, aus Sand, Schiefer und Grand von Granit und Hornstein. Aber das Eapo stall grün, ungefähr sechs Meilen von Reggio, gehört zum Apenninengebürge und besteht aus sehr festem Kalkstein, der voll versteinerter Sceprodukte ist. In Reggio hielt ich mich nicht lange auf, vielleicht nicht so lange, als nöthig war, um Gegenstände aufzufinden, den, die der Aufmerksamkeit der Naturforscher würdig gewesen waren. Von dem alten Glänze der Stadt Rcggio findet man heut zu Tage kettle andere Spuren, als eine kleine Anzahl von Jnnschrlften, theils in griechischer, theils in lateinischer Sprache. Ein dortiger Gelehrter, Eigner Morisansr, hat sie in einem dicken Quartbande erläutert. Ich hatte Lust das Werk zu lesen, als ich aber gleich anfangs auf eine ewige Abhandlung über die beyden Worte KfieAutts ^uliansidus stieß, die auf einem zerbrochenen Steine waren gefun» den worden, sank mir der Muth, und ich fühlte mich zu solch einer Unternehmung plötzlich zu schwach. In ganz Italien muß keine Gegend reizender und bezaubernder seyn, als das Ufer von Reggio. Es ist über und über mit Citronen - Orangen-und andern edlen Frucht-Bäumen bepflanzt. Der süffe Duft, den ihre Blüthen dech Abends aushauchen, die Kühlung, die sie immerfort unterhalten, die artigen Landhäuser, über die sich ihre Schatten verbreiten, und endlich die Gutmüthigkeit, Artigkeit und Gefügigkeit der Einwohner geben dieser Landschaft einen Reitz, den ich keinem andern mir bekann- 1 IL > bekannten Lande in gleichem Grade zugestehen kann. Ich kann nicht ohne eine gewisse innerliche Beklemmung von Reggio und seinen nachbarlir chen Gegenden schreiben. Die grausamen Verwüstungen des letzten Erdbebens haben fünf Personen aus der würdigen Familie des Mar- chcse Grimaldi, von der Du mich tausendmal mit Entzücken hast sprechen hören, das Leben gekostet! Franz Anton Grimaldi, der Annalist, verlohr vor kurzem seine Gattin, eine angenehme, tugendhafte und verständige Dame, durch eben die Krankheit, die unserm guten Wyttenbach zu Bern die seinige raubte. Alle meine Freunde zu Neapel sind betrübt über diesen Verlust. Donna Aurora Grimaldi war die Seele und die Freude des auserlesenen Cirkels, der das Haus ihres Gatten besuchte. Dieser ist untröstlich, und wir fürchten die traurigsten Folgen seiner gerechten Betrübniß. Du bist noch jung, lieber Tvmo, aber auch Du hast schon erfahren, daß der Verlust einer vortrcfiichen Freundin einen Schmer; mit sich führt, der tief im Herzen wurzelt, und den die Zeit zwar mildern, aber nie ausrotten kann. Wenn es mir frey gegeben würde, eine einzige HZ einzige Gnade von dem Urheber der Natur zu verlangen, so wäre es die: daß er mich mein» Freunde nicht überleben lasse» möchte. Es ist von vielen Neapolitanischen ältern und neuern Schriftstellern bis zum Eckel gesagt und wiederholt worden, daß Reggio seinen Na» men von der grossen Trennung erhalten habe, die durch ein Erdbeben veranlaßt worden, welches Sicilien, das ursprünglich mit Calabrien zusammenhieng , vorn festen Lande dergestalt ab» riß, daß ein Meerkanal zwischen beyden entstein» den sey. Unglaublich ist es, wie eine solche alberne Vorstellung so allgemein hat Platz greifen können. Die Geschichte der allerstarksten Erdbeben hat kein Beyspiel aufbewahrt, das auch nur vermuthen liesse, wie eine bergigte Insel, die im Umkreise mehr als dreyhundcrt, und im Durchmesser mehr als hundert Meilen hat, wie diese Insel, durch Feuer oder eine andere un» terirrvische Gewalt von Calabrien abgerissen und einige Meilen weiter hinhalte getrieben werden können. Einige Schriftsteller haben die Worte avullin und abniprio einiger Alten, die von diesem vorgeblichen Abscest reden, buchstäblich genommen und sie auf obige Weise erklärt. Der älteste von denen, die dieses Mahrchen, in Umlauf brachten, ist Aesck'xlus, dem man eL aber bey dem damaligen schlechten Zustande der Phnsik gern verzeihen wird. Weniger Nachsicht verdient der lateinische Dichter, der irr H vollem vollem Ernste jene Erzählung von dem schrecklichen Phänomen glaubt, welches Ickelporium sseulo latris abt'cielil und durch welches das Meer srvsgus St urbes littor^ äiüuctas anZusta inmrtuic aellu. Aber am allerwenigsten können Gtrabo^ Seneca und Plrnius entschuldigt werden,i die über die Unmöglichkeit, eine so grosse Masse von der Stelle zu bewegen, wenn es nicht durch eine horizontale Gewalt geschehen seyn soll, ein wenig näher linkten nachdenken sollen. Der Auöoruck --- u-ro dessen sich ^trabo bey dieser Gelegenheit bedient,, heißt durch ein Erdbeben abgerissen werden. Eben diesen Sinn verrathen die Worte:.' vieles lotss rs^iones a lurs leciibus revelli, de-' ven sich kAeneca in seinen e^iiLllieinibus unru-' ra'ibus von eben dieser Erscheinung bedient» Wenn nur einer von ihnen die Gewalt, die zur Bewegung , und Fonschaffung solch einer ungeheuren Masse erforderlich wäre- hätte berechnen wollen, er wuroe sich auf der Stelle anders besonnen haben. Ich bin überzeugt, daß jeder gute Beobachter auf den ersten Blick einsehen wird, daß der Canal von Meßina, der höch-i sten Wahrscheinlichkeit nach , eut Werk granev Jahrhunderte und zunäebst der Gewässer sey, die das Mittelländische Meer gebildet haben. So verhalt es sich ja augenscheinlich mit kcil- vieien -- „z vielen Canälen, welche die kleinen Inseln Dal, matiens und der Levante vvm festen Lande trennen , und es ist gar nicht nöthig, überall das Erdbeben zu Hülle zu nehmen. Die Bewohner von Ceylon haben die alte Sage, daß ihr Wohn- platz durch einen unvcrsehenen Einbruch des .Oceans von der grossen Indischen Halbinsel sey getrennt worden. Auch die Malabaren, die sonst keine grosse Philosophen sind, sagen: daß die Maldiven auf eben die Weise vom festen Lände waren abgerissen worden. Die Küste von England zeigt unverkennbare Spuren, daß sie vor Alters mit,Frankreich zusammen gehangen Habe, und nach dem guten Mann Aa^c> scheint keilt verständiger Naturforscher diese Würkung einem Erdbeben zugeschrieben zu haben. Wenn die Natur der Schichten auf beyden Seiten des CanalS von Meßina grosser Aushöhlungen, von un- terirrdischen Gewässern verursacht, empfänglich Hätte seyn können, so dürfte man vielleicht sagen: das Erdbeben habe diese Wölbungen eingestürzt und dadurch dem hereinbrechenden Mee- ve Platz verschaft, u. f. >v. Abepdie Ränder deS Canals sind von ganz anderer Natur, als die aushöhlungsfähige Berge, durch welche stark- Gewässer hinlaufen. Indessen kann es seyn, daß das andringende Wasser, weil es, statt eines Canals^ eine schmale Landenge zwischen Sicilien und Italien vor sich fand, vor derselben sich stemm- H » tt, le, und nur erst nach und nach,- vielleicht auch durch ein zufälliges Erdbeben unterstützt, dies selbe durchbrochen hat. Llnudian scheint dies fer Meynung gewesen zu seyn; — — ponrus er aebius ^ chluravere kuum , rupir consinia hstereus Vicror, er g^leistus inrerluir ae^uois monres. Grrnbo hatte eine doppelte Theorie über den Ursprung der Inseln, die er schlechtweg in zwey Gattungen theilte: in solche, die dem festen Lande nahe, und solche, die von demselben entfernt liegen. Die erstere Art war ihm durch Erdbeben entstanden, Kas sie von dem festen Lande abriß; die andere durch Feuer, indem er eine Erscheinung, die sich im Aegaischcn Meere würklich zutrug, zur allgemeinen Regel machte. Aber mit Corsika und Sardinien verhalt es sich ganz anders, so wie auch mit List« und Lagosta, und mit andern Inseln des Adriar tischen Meeres, die längs den Küsten liegen. Erstere sind gewiß nicht durch unterirrdischcs Feuer emporgehoben, und letztere gewiß nicht durch Erdbeben vom festen Lande abgerissen worden. Ich habe vorhin des Phänomens erwähnt, das unter dem Namen HVra k/ic>rAnna bekannt W. In der Pariser Encyclopädie steht eine Abhandlung darüber, die von Ungereimtheiten starrt, wie mehrere andere, die leider! in diesem sonst respektabel» Werke einen Platz gefun- den "7 den haben. Der Pater Mittust ist der zuverr laßeste Schriftsteller in diesem Punkte- und ich kann ihm getrost folgen, da ich nicht das Glück gehabt habe, diese außerordentliche Erscheinung Mit eigenen Augen zu sehen. Wenn man im Sommer frühmorgens bey ruhigem Meere, die Sonne im Rücken, von einem erhabenen Orte den Eanal übersieht, so erblickt man in dessen Gewässern die Palläste, Balüstradcn, Wälle und Thürme vvn Reggio, die Menschen, die zu Pferde und zu Fusse am Gestade wimmeln, die Thiere und Bäume, und alles was sich regt und bewegt, wundersam vervielfältigt. Das Gewirre von Bildern, Gruppen und Figuren, die sich immer vervielfachen und gigantisch vergrößern, wandelt und wechselt mit ungläubig eher Schnelligkeit, und fliegt gleichsam über den hellen Sp,egcl des Canals dahin. Diese Erscheinung nennt Minast: lVlrwFima Marina. Wenn die Luft durch Dünste verdickt ist, so erblickt man dieses Schauspiel ungefähr dreyßig Fuß hoch über der Oberfläche des Meeres, wie von einer Wolke umschleycrt: dieses nennt Mir nast r kvlor^ana aerea. Wenn endlich die Luft feucht, doch nicht zu nebelicht ist, so ist das ganze Schauspiel mit rothen, grünen, himmelblauen, gelben u. a. Farben rund umzogen, und Mitlast nennt dies ke-lor^sna streZiatL 6'Irifle. Er hat über diese Erscheinung ein eigenes Werk herausgegeben, auch in -ieEncy- H z clopä, uz - clopädie von Aoerdun einen Artikel, wenn ich nicht irre, unter den, Titel, Iris clans le crniril e!a bstelliue, verfertiget, welchen Du, wenn Du Zeit hast, nachlesen kannst. Lebe wohl. Achter Brief. Barletta den -8 Nvvemb. 17z;. Ä^eine Excurston durch Calabrien endigte sich bey Regcno; deshalb bin ich nicht Bürge für Las, was ich dir in diesem Briese sagen werde , in welchem ich dem Barrio und andern neuern Nachrichten gänzlich gefolgt bin. Dn weißt, baß jener Schriftsteller sich wenig Lob bey den Naturforschern verdient hat, der, ohne zu unsern wackern Schweizerischen Freunden Hinaufgestiegen zu seyn, und ohne bewährtere Quellen, als das Gedächtniß Anderer zu haben, ein Buch zu schreiben unternahm, worin er eine geographisch s physikalische Parallele zwischen den Gebürgen der Schweiz und den Gebürgen von Canada (die er auch nie gesehen hatte) ziehen zu wollen sich die Miene gab. Doch weiß ich wohl, daß ich mich solcher Lächerlichkeit nichr schuldig machen werde. Nimm also eine ver erträglichsten Charten von Calabrien zurHand, und folge mir: ich werde dich schneller als gewöhnlich reisen lassen. Das H9 Das erste Dorf von ZZetMi'o aus, ist Carm.rvo, wo sich, nach dem Bnrrio, eine Kupfermine befunden haben sott; und würklich sind die Berge, an welchem Sankt Anafiq liegt, erzhaltig. Jeder Mittelmäßige Beobachter muß, ohne daß man ihm einen Wink darüber giebt, beym ersten Blicke sehen, daß die Berge pittaro, SaIrrrmic» und Surro, wie sie auf der Charte angegeben sind, Kalk, apenninen seyn müssen; falls die Geographen Liesen Landstrich nicht nach blossem Wittkühv und Gutdünken gezeichnet haben. Wenn man über diese Berge hinüber kömmt (ihr äusserstes Ende bildet das Capo dell' Armi, vor Alters -Leucoperra genannt, ein Name, der ihre Natur deutlich bezeichnet) so findet man zwischen den Apenninen« Gebirgen und dem Adria, tischcn Meere gerade dieselbe mineralische Beschaffenheit des Bodens, wie wir sie bisher auf der entgegengesetzten Seite bemerkt und angegeben haben. Birczaladt hat Bley und Silber-Werke, die aber nicht in Umtrieb sind. Durch den Distrikt von Brancaleone streicht ein Zweig der Apenninen, in welchem vor Alters Mühlsteine gebrochen wurden; auch Braunstein giebt es daselbst. Zwischen Bagaladi und Braricaleone, nicht weit vom Meer, liegt An-endolia, ein Ort, der, nach dem Sarrio, deshalb merkwürdig ist, weil er auf den Rui- H 4 nen L20 ncn von Peripolis, der Vaterstadt des göttlichen Praxiteles, ist erbauet worden. Merkwürdig sind die Beobachtungen, die der ^'.n. 2eone in einem seiner berichte von dem Erdbeben, und aufsein Wort der berul-m- te Dtoenzl0 über die patriarchalische Simplicität der Bergbewohner m der (legend von Amendolia mitgetheilt haben. Letzterer sagt: „IN Eandafürt, einem Distrikt von ioz6> „in GuUiciuno von zze, in Racmdr von und in pniizzr von 86z Einwohnern, „weist man nichts von geprägten Münzen;' „aber Handel wird durch Tausch getrieben, wie „bey den ersten Bewohnern der Erde; sie leiben ,n ihren Felsen verschlossen, zu denen weicher Weg noch Steg führt, und halten keine ,,Gemeinschaft mit der übrigen Welt." — Eine genauere Nachricht von diesen Halbwilden müßte Nicht wenig unterhaltend seyn. Ich habe mich vergebens bemüht, über diesen interessanten Gegenstand, so wie über einige andere die Na« turgeschichte Lalabrienü betreffend, mich naher zu unterrichten. Derjenige, an den ich mich diessalls mit einer Art von Zuversicht wandte, Lewicß sich nicht sehr dienstfertig gegen mich. Die Reihe von Bergen, die den Namen Aspromonre führt, muß sehr interessant seyn. Nach den Beobachtungen, die mir einer meiner Freunde (ein erfahrner Ingenieur, der bey dem letzten Erdbeben in Caiabrien war) mitgetheilt I2l getheilt hat, hüben die Wurzeln-nudAeike dieses Alpin,scheu Gebirges einen Uederfluß an Granit nnd erzhaltigem Schiefer. Nach den Beobachtungen eben dieses Mannes findet man auch zu ^smrebelis', s wo ein erzhaltiger Schiefer prädominirt, und Kupfer und Eisen r Mienen vorhanden find) das Faktum aufs neue bestätigt, wovon ich >n einem meiner vorhergehenden Briefe gesprochen habe: nämlich 1vrlksE>lchten unter S-Sieferlar czern. Dieser Kalk ist weiß, marmorartig, sehr fein, an einigen Orten aschfarbig, und für Bildhauer brauchbar. E,n Zweig des Aspromonte, der das Dor- gebürge Bruzzano bildet, soll (nach dem Berichte meines vvrhingedachten Freundes) aus kleinen granitartigen jflippen bestehen. Zn Caraffa und S. Agatha bemerkte er, daß die Dergart aus einem aschgrauen, weikgespren- gclten Granit bestand. Die Masse war von Natur in dicke, an den Winkeln rundlichie, Stücke gespalten, wre die Granitfclsen insgemein zu seyn pflegen. Die Beschreibung, die er mir davon machte, erinnerte mich an die Gipfel des Gebirges Campv auf der Insel Elba. Die Landschaft presusore liegt auf einer Dressier, deren Theile durch einen feste» natürlichen Mörtel unter.einander verbunden sind; zu den Füssen von fünf pyramidenförmigen Klippen liegt das Land perncdamlo. Diese Klip- tz 5 pea 122 pen steigen aus einer Schickt von einem braunen Gestein, das in der Farbe dem Dach- schiefer gleich kommt, aber nicht schulfrigt ist s lcififie). Zwischcnlagcn eines sandigen Tuffs sind daselbst sehr häufig. Das Händchen Bicknco scheint den Namen von seiner Ansicht zuhaben, wie die Berge 2-iancnne im Tvskaiuschen, die aus Thon bestehen, der besonders zur Sommerszeit mit Salzblütben (kinrirura tslina) bekleidet ist, den ihrigen auch erhallen haben. Der Boden von Bavalina ist im Ganzen genommen, thonjgt, deshalb findet man auch Gyps daselbst und Klapperstein (Lrin), ein Produkt, das auch zu Condojanne häufig ist. Dee Berg Condojanne und der Hügel Ardore, der zum Theil aus Sand, zum Theil aus Thon und Gyps besteht, erheben sich zwischen Bianca und Ol'eraci. Weisser Thon bildet die Seiten des erster», auf dessen Gipfel sich auch eine Tuff- schicht befindet, deren größter Theil aus Bröckeln von Schaalthieren besteht. In den Höhlungen dieses Tuffs findet sich eine Menge angeschossenen Salpeters, der die vorzüglichste Aufmerksamkeit der Naturforscher und der Regierung verdiente, demungeachtet aber nur entdeckt ist, um einige arme Individuen in Schaden zu setzen, und.nicht, um der ganzen Nation Vortheil zu bringen. Von hier stammt vielleicht das mumm Minerale, dessen Don- zelli zelli in seinem famosen Geschreibsel über die Pharmacie Erwähnung thut. Auch soll der heilige HüarillS daselbst eine Bley-und Sil- bcrgrube besitzen. Nicht weit von Condojanne, zwischen den Bachen Mcrito und ^lovirs zeigen sich deutliche Spuren von dem alten Lo> kri, der berühmten Vaterstadt des Znlcukus und Timaus. Aus den Ruinen von Lokri ist die benachbarte Stadt Geraci entstanden. Aus den Berichten des Barrio erhellt, daß der Boden daherum thonigt sey: es giebt daselbst Salzquellen, Schwefelbäder, und weiter hin nach dem Berg Esope, der zu den Apenninen gehört, Braunstein und Kalkstein, der zu Mühlsteinen verarbeitet werden kann. Barrio erwähnt bey der Beschreibung dieser Gegenden einer seltsamen Erscheinung: In Irac ora, sagt er, ab a^rn sinc usqria e,,o^n- rdum promonrvrium (Eapn 6i Kilo) er alilii, novüunio terra evomicur, Xlsramuscam v c>- canr, ceu qunm a talpis moia astln^ir ere. Ich suchte mich von dieser Merkwürdigkeit näher zu unterrichten, und hoffe daß es mir zu Cam nolo, wo diese Erscheinung nicht selten ist, gelingen wird-i Von dort aus werde ich dir nähere Nachrichten mittheilen: doch kannst du leicht denken, daß ich über den Punkt, „es erscheine nur immer alle Neumonde" keine Bestätigung erwarte. Z» "4 Zu Grotteria findet sich , nach dem Vatrro, Bley und Gold; zu Giojosa Steinsalz und Was- scrbley (mv'^bile-n» ); zu Rocella, im Flußsande, Gvldkorner; zu Lastelvetere, welches auf den Trümmern des alten Lcmlonia liegen soll, Eyps, Steinsalz, Kupier, Bley und Gold. Die Minen zu Stils liefern Silber, Kupfer, Eisen Bley, Msernc, und die umliegenden Berge einhalte» einen Ucberfluß von Eremit,- (^rsulto riobrle) die Minen zu Bivongi, Bley und Silber und die zu pazzano, Eisen, Silber, Gold, und wahrscheinlich auch Kobold. Die Gegenden um St. «Larharina sind reich au Steinsalz, Schwefel und Vitriol; zu Satriano findet sich G»ps. Squil- lace besitzt, ausser gutem Tbpferkhou, Gypebrü- che, auch Marmorbrüche, Wetzsteine, Vitriol, und sogar, wenn wir dem Barr:o glaube», auch Gold und Silber. Ein anderes Mineral, an dessen dasiaer Existenz man nicht zweifeln kann, ist Lae Wasscrbley (mol^bstsna) das hier noch weit reiner und besser, als das englische, gefunden wird Auch hat man von Seiten der Regierung ein wachsames Auge darüber, und es darf bey schwerer Strafe nicht ausgeführt werden, damit der Vortheil der Verarbeitung dem Lande nicht entzogen werde. Dieses Mineral wird also sorgsamer genutz, als alle übrige natürliche Reichthümer des Königreichs Neapel. In dem Distrikt von Eantazaro findet sich Gyps und wahrscheinlich auch Kobold; der Fluß 2llli, der die Felder desselben bewässert, führt Bröckeln von Aiittmomum und Eisen, und vor den Thore» von Lanta;aro findet man Hyacyn- then, vielleicht auch Granaten; aber nicht so gewiß auch Rubinen, wie andere sagen. Zu Li- rialo, welches Lamazaro gegen Westen liegt, heftn-- befindet sich eine Steinfohlengrube, aber sie wird nicht gebaut. Das Ländchen Skllia, welches ungefähr eine Meile von Lantazaro entfernt liegt, liefcrt das dsl mirabile 6Iauberi, welches der ^ vorrrefiichc Professor Vairo zu Neapel zuerst in Ruf und Ansehen gebracht hat. In der Nachbarschaft von (Lantazaro setzt Barrio einen Anbruch von Waffcrbley. Bey Zageristr und Lelcastro gab es, nach seinem Bericht, Salzquellen, von denen man zu seiner Zeit Gebrauch machte. Das Fraueneis (§esto fpecolare) pflegt immer nicht weit von ihnen entfernt zu seyn. — Töpferthon und Lcrrbenerde trift man häufig zu Mesuraca, und in einem daran stoßenden Walde einige schö, ne Marmora' ten an. Der größte Theil des Gebieths von Crotona, dieser berühmten Stadt, wo pyrhagoras lehrte, ist wegen der ungesunden Luft, die aus Laachcn ausdünstet, gänzlich unbewohnbar. -Topferthon scheint der Hauptdestandkheii des dortigen Bodens zu seyn. Schwefelquellen giebt es, nach dein Barrio, zu Laccuri und. Melissa. Lezkern Ort finde ich nicht auf den neuem Charten des Königreichs Neapel. Ader einen rauchenden Berg finde ich auf denselben sehr deutlich ausgedrückt, und es scheint mir ein merkwürdiger Umstand zu seyn, daß nickt weit von diesem Berge, zwischen ihm und dem Berge Llibano, auch Schwefelwasser quillt, welches, nach dem Barrio, die alaunhalkige Steinart ganz dnrchdringt, die dennoch von den Einwohnern unüberlegt genug zum Häuserbau gebraucht wird. Alle diese Umstände beweisen, daß der Boden hierherum, wo nicht sckon gebrannt habe, doch gewiß eine grosse Disposition dazu zeige. Das Steinsalz und die Schwefel-und Gppöt Höhlen in den Lcn Gegenden nm verzins, Gereuzn und Las soduono bestätigen diese Bchauptui-g., Im Die sinkt der Ictzrern Stadt findet sich Lmianih und .Ceipentin. Auch zu verzins, glauoi mein Ge- wahrcunaun, müsse sich Alaun, Vitriol, Tn.ppel, Eilen und Siiker finden. Sey eS wie es wolle, genug der dasige Boden zeigt alle Merkmale einer Beschaffenheit, welche die Forschbegierdc -er Mineralogen spannen kann; und man darf im vor- aus, ohne selbst an Ort nnd Steile gewesen zu seyn, behaupten, daß eine Reise von einem einsichtsvollen Manne nach diesen Gegenden unternommen, einen glänzenden Ersatz für die Natur-, gcschichte sowohl als für den öffentlichen Vortheil, unfehlbar gewähren würde. Der Ucberrcst von Barrios Buch enthält nur wenig mineralogische Bemerkungen, und Du würdest Dir an den Beobachtungen, die blos die untern Apenninen betreffen, bald einen Eekel lesen. Doch erwähnt er noch eines Judenpeches <(ls- r;ste) von der besten Gute unterhalb Vochiglie- ro; Cilberminen zu Longobuco, die zu seiner Zeit Ausbeute gaben; er sagt: etiani nuuo ar^on- tum ibi ccmslstur in mstlum. Der Fluß Lrati führt nach seinem Bericht Goldsand; auch erwähnt er, auf Autorität der Alten, der besondern Kunst, Lhieihäuten eine schöne Weisst zu geben. Man schreibt sie dem Wasser zu, und cü kann seyn » hakte doch das Wasser des benachbarten SpbariS sogar die Eigenschaft, Alle, die davon tranken, keusch zu machen. Hier muß ich Dir eine meiner Seltsamkeiten vertrauen: ich kann mich nicht entschließen, auch nur den hundertsten Theil von dem zu glauben, was die Alten von der Weichlichkeit, Zügellosig- ttik und dem Reichthum der.Sybariten zu faseln für 127 ! für gut befunden haben« Darf ich es die gestehen? Sie scheinen mir Mährchen zu seyn, die den Kindern - nach ihren grossen Mahlzeiten, von bezau- berten Pallästen, als Lesert von ihren.dienstser- , ligen Wärterinnen sind vorgesetzt worden. Was ; ist es anders, wenn man sagt: ein Sybarit habe l nicht schlafen können, wenn sich auch nur dev Rand eines Notenblatts wider seine Seite gestemmt hätte: es habe eine Frechheit zu Sybaris geherrscht, die nicht nur die schändlichsten.Lhaten ' erlaubte, sondern sogar guthieß: Dreymalhun« Lerrcausend Kl ieger habe Sybaris wider die Lro» roniater ins Feld rücken lassen, ein Heer, das ! «ine ungeheure Volksmenge auf einem unendlich ! kleinen Raum vorausgesetzt hätte: und gegen ein Volk gerührt ward, das nicht mehr als 52 Meisen entfernt war; die Stadt endlich, mit ihren fünfzig Stadien Vorstädten sey unter Sand begraben und von dem Küchlein chrati verschlemmt worden. — Glaube daS, wer es will, mir ist es unverdaulich! Du wirft sagen: aber Gtraby und Dlvdor und andere ehrenfeste Schriftsteller haben dies Zeugniß gegeben! Gut! ich antworte dir: Gott verzeihe ihnen, ausser vielen Uugereimtheircn, auch diese! Die Klaffe der Gelehrten, bilden Griechen Uüv ihren Nachschretbern den Lateinern, alles bis auf die Sylbe glaubt, wird mich wenigstens für einen Ketzer ausschreyen; aber trotz dem werde ich in solchen Sachen eine gesunde Kritik beständig einer kindischen Leichtgläubigkeit vorziehen. Darum behaupte ich getrost von neuem: daß die un- tcrirrdlschen Wohnungen der Cimmerier nicht weniger lächerlich sind, als die Falteten des Nor scnolatts, die dem wollüstigen Sybaritcr den Schlaf raubten. Nach dem Bericht einiger dürren Antiquarier verbarg sich dieses Volk auf eine sehr sei r alberne Weise in Gruiten, lim der Gefahr der steren zu entgehe«,, b>e gerade in wl.PM tz. »' re« au« meiste« zu llessnst:,,- ,md *). ^och lau uus zur N-uing^chichre z nüekkom« nun. Darr«) erwähnt einer Grotte bey Caffano, worin na, nie Bot er lle^anr-en, die durch zwey Quellen, eine schwestichle, Ulla eine reine, Unters H-Nke» wurde«». Qee!> i'- '«cheiut der Zink Liio, jetzr Colda ur genannt, b y seinem Unprunge wann zu seyn. exr fließt nahe l'ey Lerchiar-, aus einer schöne» geraumigen Grotte am Fusse eines Bert ges hervor und führt Schweftitheile mir sich. In den Gegenden dort herum, auch zu padula, findet sich GypS und Steinsalz ^Fc-ja, der letzte Orr in Caladrien, der nach dem Harris mmera» lischcr Natur ist, erzeugt Antimonium. Mehr kann ich Dir, weder aus ei ienem noch fremden Verrathe, über die Naturgeschichte ssala» lörie,is zum Besten gellen. Bekomme ich mit der Zeit mehr «ennimsse darin, so werbe ich ste Dir gewiß mittheilen. Lcoe wohl! *) Man sollte e-i für »nnch ilich halten, das in Nea, pel, wo jedes Knid weiss, daß du Äcff.lrn uiircr der Lide viel baustaer sind als über der Erde, wich eine Ungereimtheit könnte niedergeichriedkv werden: «nb doch ist eö geschehen. »-<901481427 »-<-01481427