^KMWÄiMUMWM UMMM B l^is Lonrad ^ Neueste Gedichte Betly Paoli. Wien. Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn. 1870 . Widmung» An Ada. Daß ich, als.jeder Traft mir fern gelegen, And meiner Hand der Hoffnung Stab entwunden, Inmitten all der Larven dich gefunden, Ich nenn' es meines Lebens höchsten Segen! Jetzt wandeln wir schon lang aus gleichen Wegen, Die heitern theilend und die trüben Stunden, Und schreiten, fester, inn'ger stets verbunden, Dem letzten, nachtuerhülltrn Ziel entgegen. Vor dir, so hoff' ich, werd' ich es erreichen! Vor dir, wird des Befreiers milde Hand Mich aus dem Buche der Lebend'gen streichen! ÄS And, wenn im Grab ich deinem Blick entschwand, Dann sei dir dieses Buch ein Liebes;richen, Ein stiller Gruß aus fernem Geisterland! Verzeichnis Erstes Auch. I. Lyrische Gedichte. Seite Das Entscheidende. 1 Den Poesieverächtern. 3 Rath. 4 Der Minotaurus. 6 Nachruf. 9 Ein Abendgang. 1t Indische Sprüche. 15 Richtige Deutung. 23 Einem Unzufriedenen. 25 6»rxs äioin. 26 Am Morgen. 27 Nimm dich zusammen!. 28 Antik und Modern. 29 Entweder oder. 30 An Gastein. 31 Einem Künstler. 32 Rückblick. 35 Nur Eines nicht! . 39 An Julie Rettich. 40 Ich dien'!. 45 Einem Selbstling. 48 Es war zu leicht!. 50 Strafe des Irrthums . 51 Die Vergangenheit. 52 Meine Grabschrift. 54 Au Helene. 55 VI Seite Einem Samariter. 63 In das Gedenkbuch einer Künstlerin. 66 Bei der Enthüllung des Schwarzenberg-Monumentes 68 Prolog zu Otto Ludwig's GedLchtnißfeier. 71 Choral. 74 Soldatenbegräbniß. 77 Hochländisches Kriegslied . 79 Der Freundin. 81 Am S. September. 82 An die Entfernte. 84 Mahnung. 85 Illoritnri ts salutniit. 87 II. Sonette. Ouietiv . 93 An Jan Matejko.. 94 An Heinrich Auschütz. 95 Die besten Stunden . 96 Die historischen Schulen , . . 97 In Nürnberg. 98 Den Zukunftschwärmern. 99 Verblendung. 100 Gebotene Strenge. 101 An einem Sarge. 102 Bescheid. 103 Die Pflicht. 104 Grenze . 105 Treue. 106 Bruch der Freundschaft. 107 An Ivan Turgenieff. 108 Die unbekannten Freunde. 109 Unsere Zeit. llO An die Natur. 111 VII Zweites Wuch. Erwählende Gedichte. Seile Aus dem Talmud. 115 Kleopatra. 121 Ein Ban». 133 Der Talisman. 141 Ein Brautpaar. 150 Rabbi Löw. 156 Herr Adebar. 163 Aus der Vendse. 175 Andreas Baumkircher. 199 Nadara. 224 Selbsterlebtes. 235 Erlies Buch. Lyrische Gedichte, Das Entscheidende. Alinn ein Gedanke dich durchhellt, Bei dem du zweifelnd dich mußt fragen. Ob, ausgesprochen, er der Welt Verderben oder Heil wird tragen: Dann lass' die mögliche Gefahr Ähm nimmermehr sein Recht bestreiten! Nur Eines prüfe: Ob er wahr? Nur dieß, nichts And'res darf dich leiten. Ertragt er deines Geist's Gericht, Frei lass' sodann sein Banner wehen! Der Rest ist deines Amtes nicht, Nicht du hast dafür einzustehen. Und tauchte er auf seinem Gang Die Welt in Blut auch und in Flammen: Wenn schließlich er den Sieg errang, Wird doch nur Segen ihm entstammen. Denn sieh! ein Zauber, tief und still, Ist mit der Wahrheit stets verbunden, Und, gleich dem Speere des Achill, Heilt sie auch, die sie schlug, die Wunden. B. P a o N , Neueste Gedichte. Nicht sie, die, ewig treu und rein, Zusammenhalt der Welt Gefüge, Gefährlich ist der Wahn allein, Verderben bringt allein die Luge. Den Woelreverächtern. ^Ihr scheucht die Poesie Von eu'rem Herde, Und ahnet nicht, daß sie Das Salz der Erde! Daß Nebel nur und Rauch, Was ihr beginnet, Wenn's nicht durch ihren Hauch Bestand gewinnet! Kein Traumbild, sremd und sern, Entrückt dem Streben, Sie ist der tiesste Kern Von allem Leben! Der Kern, deß Gluth und Licht Es sroh durchflammen! Zermorschet er, dann bricht Das Sein zusammen. i» Y a t y. Sollst du von einem Ort In Bälde scheiden, Wird er sich dir sofort Mit Reiz umkleiden! Was dir an ihm verhaßt. Du weißt es nimmer! Dein Auge sieht und faßt Nur Glanz und Schimmer. Und seine kleinste Zier, Sonst nicht beachtet, Wie wird sie jetzt von Dir Liebvoll betrachtet! — Du armes Menschenherz, Voll Wahnbegehren! Kann nur der Trennung Schmerz. Dich Liebe lehren? Und muß erst der Verlust Dich quälend pressen, Eh' dir das Glück bewußt, Das du besessen? — Wohlan! wenn dem so ist, Wend' es zum Segen! Du wallst zu jeder Frist Auf Scheidewegen. Das sage dir! dann wird Dein Groll sich schlichten, Und Liebe, unbeirrt, Dich ganz durchlichten! Was er dir bringen mag Im dunkeln Schleier Denk' nur an jedem Tag Der letzte sei er. Des Guten wirst du dann Dich doppelt freuen, Den kurzen Schmerz fortan Nicht kindisch scheuen. Dann findest du schon hier Auf Erden Frieden, Eh' noch den seinen dir Der Tod beschieden. Der Winotaurus. Die Mythe lehrt: von Thesens Hand Ward jenes Ungethnm bezwungen, Das, unersättlich, gierentbrannt, Die Opfer ohne Zahl verschlungen, Die in des Labyrinth's Verließ Athen, ihm zum Tribute, stieß. Wohl rang der götterstarke Held Im heißen Kampfe es zu Boden! Doch, ob zum Schein von ihm gefällt, Erstanden ist es von den Todten, Und fordert mit erneuter Wuth Den Zoll von unserm Fleisch und Blut. Im dunkeln Labyrinth nicht mehr, Es hauset jetzt in unsrer Mitte! Sein Antlitz dräut, verderbenschwer, Entgegen uns auf jedem Schritte. Sein früh'rer Name nur entschwand, — Das Elend wird es heut genannt! Das Elend, der lebend'ge Tod, Sein Gift in jeden Tropfen mischend. Der Wangen jugendliches Roth, Der Augen heitern Glanz verwischend! Das Elend, grimm, erbarmungslos, Der Sünde tück'scher Bund'sgenoß! Dem Manne ruft es lockend zu: „Seh' Jeder selbst, was er erraffe!" Der Jungfrau: „Hold und schön bist du Gebrauche deinen Reiz als Waffe!" O Gott, noch mehr! wie oft entweiht: Die Unschuld es der Kinderzeit! Und ries'ger stets wächst es empor. Gleich einer Flamme lohem Wallen; Das Unthier ist's, dem nach wie vor Noch immer Hekatomben fallen! Der Minotaurus, wüthend blind, — Europa jetzt sein Labyrinth! Die ihr im Rath der Weisen sitzt, Und ihr, die Mächtigen, die Reichen, Gedenket ihrer Qual! beschützt Die Qpfer, die Verzweiflungsbleichen! Wähnt nicht schon Alles wohlbestellt, Sagt ihr: „Es ist der Lauf der Welt!^" 8 Wißt ihr, wohin der Lauf uns führt? Zum Kampf der Reichen und der Armen? Weh' euch, wenn diesen ihr erkürt! Kein Recht gilt da, wo kein Erbarmen. O zahlt, von milderm Geist erhellt, Für sie und euch das Lösegeld! Nachruf. Des Wintermorgens fahles Licht Spielt um dein bleiches Angesicht, Und Jeder, der dich kannte, spricht: Gottlob! er leidet langer nicht! Dein Herz, für welches bis zuletzt Der Kummer seinen Dolch gewetzt, Das Sorge wie ein Wild gehetzt, Zur Ruhe kam es endlich jetzt! Ob dich auf deinem Erdenzug Die eig'ne Hand mit Unglück schlug, Ob alle Schuld das Schicksal trug? — Du littest! — das dünkt mich genug. Ich weiß, wie dumpf die Kette klirrt, Wie leicht der Fuß des Weges irrt! Der dunkle Fluch der Zweiheit wird Nur von des Todes Hand entwirrt. Doch wie auch deine Thräne floß, Wie schwer die Schuld, das Leid wie groß: Jetzt sinkst du, neidenswerthes Loos! Zurück in deiner Mutter Schooß! I« Die Glocken tönen in dem Wind, Wie wenn ein Feiertag beginnt. Es nimmt, erbarmend und gelind, Die Erde auf ihr müdes Kind! Hin Aöendgang. Gesunken war der Tag, Sein letzter Pfeil verschossen; Im Dämmerscheine lag Die Gegend traumnmflossen. Nur dort im Westen, dort am Damm, Wo Tannen sich und Fichten breiten, Sah man um ihren dunkeln Stamm Noch schwanke Purpurlichter gleiten. Aus Feld und Strom und Kluft, Aus jedes Baumes Zweigen, Schien es wie Opferduft Zum Himmel aufzusteigen. Ein Sehnen, tief, ob unbewußt, Natur! schien durch dein Herz zu fliegen, Die Sehnsucht, dich an Gottes Brust, Ein dankbar frohes Kind, zu schmiegen. 12 Ich sah im Dunkel dicht Den Dämmerschein zerwallen! Da winkte mir ein Licht, Ich hörte Stimmen schallen. Vom Zufall hergeleitet, stand Ich vor der kleinen Waldkapelle, — Roth glühte d'rin der Ampel Brand, Und Bether knieten auf der Schwelle. Manch' silberweiß Gelock, So manche schmucke Dirne, Manch' buntgeflickter Rock, Manch' frühgefurchte Stirne! Ein armes Völklein, das seit früh Der sauern Arbeit obgelegen, Und das sich nach des Tages Müh' Nun hier vereint zum Abendsegen. Da knieten sie im Kreis, Das Haupt in Andacht neigend, Gebete hört ich, leis' Von ihren Lippen steigend. Ein Murmeln war's, wie wenn am Strand Die nächt'ge Fluth kommt angeschritten, Indeß durch ihre schwiel'ge Hand Des Rosenkranzes Kugeln glitten. 13 Wie trüb und vielfach auch Von Traum und Wahn umfangen, Es war dein Sehnsuchtshauch, Du brünstig Gottverlangen, Das, wie es dort in der Natur In Opferdüften aufwärts strebte, Nur mächtiger und tiefer nur Die Menschenherzen hier durchbebte! — Gefühl, so tödlich bang, Der irdischen Begrenzung! Unstillbar heißer Drang Nach seliger Ergänzung! Seid ihr in dunkler Nacht die Spur Des Lichts, dem wir entgegen wallen? Seid ihr der Fluch der Kreatur, Die von der Gottheit abgefallen? Ein traumentfloss'ner Stroni, Der in sich selbst nur mündet? Ein feineres Arom, Das sich dem Stoff entwindet? Ein Ton, ach, ohne Wiederhat!! Der, wenn die Saite sprang, verklinget? Der Geist, der, schlummernd in dem All', Nach des Bewußtseins Freiheit ringet? — 14 „Gegrüßt seist du, Marie!" Verklang es in der Ferne. Nach Hanse gingen sie Beim klaren Schein der Sterne. Rings Stille; — nur der Nachtwind sang Das wehmuthvollste seiner Lieder, Und schweigend starrte ich noch lang In der Gedanken Abgrund nieder. Indische Sprüche. I. Dichter, sprich! wie magst du klagen, Daß die Welt dich nicht versteht? Daß mit dumpfem Unbehagen Sie dir aus dem Wege geht? Lass' beim Spiel wie beim Geschäfte Folgen sie der eig'nen Spur! Des Magnets verborg'ne Kräfte Wirken auf das Eisen nur. Ob auch noch so silberhelle D'rauf der Strahl des Mondes ruht: Nicht des Flußes zahme Welle, Nur das Meer hat Ebb' und Fluth! Das Alltägliche, Gemeine, Einem Jeden ist es nah', Während, ach! das Hohe, Reine Stets für Wenige nur da. lk II. Es geht in Purpur stralend. Die Sonne morgens auf; Das Meer mit Purpur malend Beschließt sie ihren Lauf. So bleibt im Schicksalsdrange In Wonne und in Schmerz, -Im Auf- und Untergänge Sich gleich ein großes Herz. III. Tändelnd seh' ich sie mit Schlangen spielen, Die nach ihnen mit dem Giftzahn zielen; Sehe sie dem flücht'gen Sinn der Frauen Ehre, Glück und Leben anvertrauen; Sehe sie in eitler Habgier Streben Einem Fürsten sich zu eigen geben, Bis sich ihnen endlich offenbaren Solchen Handelns tödtliche Gefahren, Bis der Gegner einem sie erlegen, — Ach was sind die Männer doch verwegen! IV. Der Krähe Schnabel magst du netzen Mit flüss'gem Gold von Malabar, Die schwarzen Füße ihr besetzen Mit Gluthrubinen wunderbar, 17 Verschwenderisch mit Perlenschätzen Bestreu'« ihr rupp'ges Flügelpaar: Wie reichen Glanz und Schmuck und Schimmer Ihr künstelnd deine Hand verlieh, Sie bleibt doch eine Krähe immer, Und ein Flamingo wird sie nie! V. Wagt sich mit flehendem Begehr Dein Feind anf deines Hauses Flur, Dann sieh in ihm den Feind nicht mehr, Nein! einen werthen Gastfreund nur. Geschützt sei vor Gefahr und Gram Er in dem dir gehörigen Raum! Selbst dem, der ihn zu fällen kam, Leiht seinen Schatten mild der Baum. VI. Leicht wird als deines Liedes Preis Der Beifall dir der schlichten Geister; Noch sich'rer zollt ihn dir der Kreis Der großen, kunstersahr'nen Meister. Bon Jenen, die in Dämmernissen Sich wähnen im Besitz des Lichts, Die Etwas, doch nichts Rechtes wissen, Von ihnen nur erwarte nichts! B. P -.1 oli, Neueste Gedichte. 2 Mit diesem klügelnden Geschlecht, Das, weil ihm trüb ein Sternlein blinket, Sich aller Weisheit Urquell dünket, Kommt Brania selber nicht znrecht. VII. O sieh den Teich im gold'nen Glanz Der Morgensonne liegen, Und auf der Lotusblumen Kranz Sich die Flamingos wiegen! Scheint nicht der Ort ein Spiegelbild Von sel'gen Himmelsfluren? In staunendem Entzücken schwillt Das Herz der Kreaturen. Da kommt der Storch, der kluge Mann, Schier wie auf Stelzen gehend, Und in der Schönheit Ocean Nach Würmern emsig spähend. Er sieht die Lotusblumen nicht, Noch der Flamingos Prangen, Den Stral nicht, der im Teich sich bricht, Gewürm ist sein Verlangen. — Dem Storche gleicht der auf ein Haar, Der in den Tabernakeln Der Poesie nur immerdar Nach Fehlern späht und Makeln! Ist Der im Gedichte, dessen Macht Unzählige empfinden, Nur immerfort daraus bedacht, Auch Mangel auszusuchen. VIII. Gewohnheit stumpft uns für das Schönste ab, Für höchsten Reiz macht sie das Aug' erblinden, Läßt matt und schaal uns jede Würze finden, — Sie ist der Liebe, ist der Freundschaft Grab. Wo Namounah und Ganges sich so hell Vereinigen nach laug getrennten Pfaden, Verschmähen die Bewohner sie und baden, Statt in dem heil'gen, in gemeinem Quell. IX. Würd'ge siehst der Arbeit Joch du tragen, Stete Mühen sind ihr Loos, Während in des Müßiggangs Behagen Sorglos schwelgt der nied're Troß. Doch, daß ihnen dieß Geschick gefallen, Zeugt für ihren Werth und ihren Ruhm! Eingefangen werden Nachtigallen, Krähen fliegen frei herum. X. Den fremden Vorzug weiß allein Der Edle nach Gebühr zu schätzen; Wer selber niedrig und gemein, Wird nimmermehr sich d'ran ergetzen. Die Biene sieht am klaren Teich Sich schaukeln blüh'nde Wasserrosen, Und sie verläßt ihr grün Bereich, Mit ihnen liebevoll zu kosen. Es sieht der Frosch im Sonnenschein So gut wie sie die Rosen schimmern, Doch sällt's ihm nicht im Traume ein. Sich weiter um sie zu bekümmern. XI. Zu preisen dünkt mich jener Baum, In dessen Schatten ruh'n Gazellen, In dessen ausgehöhltem Raum' Die Bienen bauen ihre Zellen, In dessen Zweigen, drollig kühn, Die Affen durcheinander springen, Dieweil in seines Laubes Grün Die Bögel munt're Lieder singen. 21 Gesegnet sei er, der die Last Den andern Bäumen abgenommen! Gesegnet er, der jedem Gast Entbiethet freundliches Willkommen! Der Thierwelt tranter Zufluchtsort Und ein Gezelt für müde Waller, Grün' er noch lange, lange fort, Der milde Schutz- und Schirmherr Aller! XII. Die Gazelle hat das Netz zerrissen, Fortgeschleudert die gelegten Schlingen. Aus des Waldes grünen Dämmernissen Flieht sie eilig wie mit Sturmesschwingen. Auf der Flucht verfolgen Jagdgesellen Athemlos die zierlich leichte Beute, Die sie nah und näher stets umstellen Beim Gebell der ungeduld'geu Meute. Sie erreicht den Strom, im weiten Bogen Zwischen Felsenufern eingebettet, Springt kopfüber in die kalten Wogen, Schwimmet an den Strand und ist gerettet. Und sie jauchzt, daß sie dem Feindesschwarme, Den Verfolgern glücklich doch entronnen! Da, in ihrem Jubel, fällt die Arme Unversehns in einen tiefen Bronnen. — 22 Hoffe nicht, das Schicksal abzuwenden, Das bestimmt dir ward vvm Anbeginne Wollend oder nicht mußt dn's vollenden, Lern' es tragen denn mit festem Sinne! Wichtige Deutung. Du rühmst an mir mit feuchtem Blicke, Daß Zorn und Haß mir ferne blieb, Als der Verrath mit feiger Tücke Den Dolch in meinen Busen trieb? So wisse denn aus welchen« Born Die Milde, die dich rührt, gequollen: Nicht der Gemeinheit kann ich grollen! Stolz wendet sich von ihr mein Zorn. Für Jene mag man Haß empfinden In deren Freveln noch die Spur, Ein leiser Schimmer noch zu finden Der ewig menschlichen Natur. Allein der Schlangen falsch Gezücht, Das, wenn es giftig uns verwundet, Nur seine Eigenart bekundet, Zertritt man, doch man haßt es nicht. Und Wesen gibt es, deren Züge Die Menschenform sich frech geraubt! Wär' nicht ihr Antlitz eine Lüge, So trügen sie ein Schlangenhanpt. 24 Nicht Haß, nein! Ekel nur und Graus Erweckt so niedern Seins Betrachtung, Und in dem Meere von Verachtung Lischt jede Zornesflamme aus! 2 - Ginem A«zufriedenen. Was dir zumeist am Herzen nagt? O Prüfe dich! du wirst gestehen, Das Leid nicht ist's, das dir geschehen, Und nicht die Sorge, die dich plagt. Du könntest sie zur Noth vergessen, Doch nimmermehr das Traumbild dessen Was dein Geschick dir streng versagt. Nur dieses, und nur dieß allein, Steht immerdar vor deinen Augen, Es darf dir Kraft und Muth entsaugen, Zerrütten dir dein innerst Sein; O Thorheit! Thorheit, unermessen! Für Güter, die du nie besessen, Erträgst du des Verlustes Pein! —- Verzeichne ich der Trennung öde Tage, Doch zähl' ich sie zu meinem Leben nicht! Waymmg. Denke der eigenen Fehler und Schwächen, Wenn du dem Freunde, dem irrenden, grollst! Schwanke nicht erst, ob die Unbill du rächen, Ob du in Milde vergeben sie sollst! Was dir zum Trost und zur Freude gegeben, Selber verkehrend in Unheil und Fluch, -Bringest du sonst in dein innerstes Leben, Störrischen Sinnes, den qualvollen Bruch. -Fort mit der dünkelhaft thörichten Frage, Ob du, vergebend, dir selbst nichts vergiebst! Standhafte Treue im Wirrsäl der Tage Schuldest du ihni, den du zürnend noch liebst! Würdest du nicht ihn zu pflegen verlangen, Traf' ihn des Siechthums vergiftender Graus? Läg' er ini finstersten Kerker gefangen, Hieltest du nicht ohne Wank bei ihm aus? Wisse denn! nimmermehr hätt' er in Wahrheit Frevelnd gerüttelt an euerem Bund, Wäre in heiterer Fülle und Klarheit Frei sein Gemüth, seine Seele gesund. Meinst du, daß er dich zu kränken vermöchte, Fühlte er sich nicht in Ketten und krank? Lichte, so gut du es kannst, seine Nächte! Reiche dem Siechen den lindernden Trank! Lasse kein Grollen, kein Zweifeln, kein Zagen Hemmen des Herzens nie irrenden Zug! Was wir aus Liebe erdulden, ertragen, Immer noch, immer noch ist's nicht genug! In dem entfesselten Sturm der Gefühle, Glorreichen Sieges geheiligtes Pfand, Rausche sie auf wie die Meer'sfluth und spühle Jegliche irdische Trübung ans Land! >I»rituii tv Gslutsilt! Du ernster Gruß voll stiller Todesweihe, Du schmerzen- und erhebungsreiches Wort, Durch der Geschlechter endlos lange Reihe, Durch alle Zeiten tönst du siegreich fort! Sie Alle, die, berührt von Gottes Strale, Ein Höh'res kennen als ihr enges Ich, Sie jauchzen freudig auf zum Ideale: Dje Todgeweihten grüßen dich! — Kanonendonner macht den Grund erbeben; Da ist kein Mann, der von dem Gegner läßt! Verbluten müssen hier viel tausend Leben, Es halt der Tod ein großes Erntefest. Doch, ob zertreten von der Rosse Hufen, Bom Blei gefällt, durchbohrt vom Lanzenstich, Nach ihrer Fahne blicken sie und rufen: Die Todgeweihten grüßen dich! Es suchet durch die öde Wasserwüste Der kühne Weltumsegler seine Bahn. Auffinden wollt' er unbekannte Küsten Und findet nur ein Grab im Ocean! 88 Doch nach dem Land, das er im Geiste schauet Den Blick gewandt, erhebt er gläubig sich, Und rufet, schon vorn Untergang umgrauet: Die Todgeweihten grüßen dich! Der Forscher fühlt in mitternächt'gen Stunden Um welchen Preis das Wissen sich erkauft! Und welcher Dichter hat es nicht empfunden. Daß Poesie mit Blut und Feuer tauft? Doch lächeln lehret sie jedweder Wunde Die heil'ge Kraft, die nie von ihnen wich, Und leise tönt's von ihrem bleichen Munde: Die Todgeweihten grüßen dich! Sie, die mit tiefem, schwindelndem Entzücken Der Zanbermacht der Liebe sich bewußt, Begeistert schauen sie empor und drücken Den Dolch des Schmerzes willig in die Brust! Und heißt sie das Geschick mit ihrem Blute Den Traum bezahlen, der ihr Herz beschlich, So sprechen sie mit ungebeugtem Muthe: Die Todgeweihten grüßen dich! Und nimmer wird's der Welt an Helden fehlen, Triumpheslieder singend in der Qual, So lange du lebendig in den Seelen, Hochheil'ger Glaube an das Ideal! 8 !> In alle Lüfte laß dein Banner wallen. Dem nie ein irdisches an Reinheit glich! Die für dich kämpfen, leiden, siegend fallen, Die Todgeweihten grüßen dich! Sonette. chuietiv. Ein Mittel weiß ich, mich zur Ruh' zu bringen, Wenn grimme Sorgen mir am Herzen nagen, Ein lang gehegter Wunsch mir fehlgeschlagen, Und lauernde Gefahren mich umringen. Zur Fassung mich dann wieder aufzuschwingen, Brauch' ich nur dieses Eine mir zu sagen: „Und wenn du sie zu Grabe müßtest tragen?" Das lehrt mich jedes andre Leid bezwingen! Was sonst mir droht, für Spiel nur kann ich's halten, Vergleich ich es mit jenem Todesstreiche, Deß Ahnung schon genügt mein Herz zu spalten! O jedem Sturme will ich steh'n als Eiche, Im Froste selber Blüth' um Blüth' entfalten, So lange du mir bleibst, du Sondergleiche! An Jan Matezko. Dem Vaterland hast du die Kraft geweiht, Von der im tiefsten Wesen du durchdrungen, Und Färb' und Form sind dir nur Flaimneuzungen, Zu künden deiner Heimat Ruhm und Leid! Du zeigst uns ihre alte Herrlichkeit, Den Lorbeer, der einst ihre Stirn umschlungen, Und wieder dann, wie nieder sie gerungen, Der eig'nen Söhne fluchbelad'uer Streit. Dich locken keine andern Siegeskronen! Nur an der Statte, wo sie aufgebahret, Willst du als Hüther ihres Grabes wohnen. Ich aber segne dich, du starkes Herz! Das selbst dem Tode Treue noch bewahret, Und dessen Muse ein crhab'ner Schmerz! An Keinrich Arischntz zu sciuein achtzigsten Geliurtstagr, I 8 k S. Des innern Frühlings zaubervolle Blüthe, Der Frost des Alters macht sie nicht erbleichen! Deß bist dn selbst ein hochbegnadigt Zeichen, Du Greis an Jahren, Jüngling im Gemüthe! Als die Natur dich schuf, in ihrer Güte Ausstattend dich mit Gaben sonder Gleichen, Da mochte bange Sorge sie beschleichen. Wie sie ihr herrliches Gebild behüte. Und also sprach sie, zu der Zeit gekehrt: Nicht rühre an dieß Haupt mit deinen Schwingen, Laß mir mein edles Kunstwerk unversehrt! Wie hier der Gaben Fülle zu durchdringen, Daß eine stets der andern Glanz vermehrt, Es wird mir nicht zum zweitenmal gelingen. Die Lösten Stunden. Was waren meines Lebens beste Stunden, In denen ich von Gram und Leid genesen? Die stillen, unscheinbaren sind's gewesen, Die bei getreuer Arbeit mich gefunden! Und jene, reicher noch an Himmelskunden, Wann ich ein hilflos und verlass'nes Wesen, Das sich der Schmerz zum Opfer auserlesen. So gut ich's konnte, seiner Macht entwunden! D'rnm sei fortan mein ganzes Sinnen, Streben, In diesem Schacht wahrhaftigen Glücks zu schürfen, Von diesem reinsten Freudenquell zu schlürfen! Vor keiner Zukunft brauch' ich dann zu beben, Denn Arbeit wird's auf Erden immer geben, Und immer Herzen, welche Trost bedürfen! Die Historiker. Die Einen rühmen uns die Herrlichkeiten Des Mittelalters mit verschwomm'nem Blick; Sie bieten uns die Hand, um uns zurück Zn seine traute Dämmerung zu leiten. Daß thöricht sie, wer möchte es bestreiten? Den alten Moder preisend, Stück für Stück, Vergessen sie, daß es der Welt Geschick In rastloser Entwicklung fortzuschreiten. Doch thöricht dünkt mich's auch, des Zornes Stral kost tsstnm noch aus jene Zeit zu schnellen, Weil sie human nicht war, noch liberal! Sie war, wozu sie die Natur gemacht, Die auch dem gold'nen Tag, dem sonnig hellen, Voranschickt eine lange, finstre Nacht. B. Paoli, Neueste Gedichte. 7 In Würnverg. Ehrwürd'ge Stadt! wie herrlich offenbart Im Reiz, der unvergänglich dich umlichtet, In jedem Denkmal, das du aufgerichtet, Das deutsche Wesen sich, die deutsche Art! Der kluge Sinn, der sich der Gegenwart Zu schuldigem Tribut und Dienst verpflichtet Der Fleiß, der rastlos schafft und strenge sichtet, Mit kühnstem Schwung der Phantasie gepaart! Die Kunst, die anderwärts das Machtgeheiß Der Fürsten nur verpflanzt aus fremden Landen, Im cig'nen Grund trieb sie hier Reis um Reis! Was Andere nur in weiter Ferne fanden, Ist zu des deutschen Namens Ruhm und Preis, Hier aus des Volkes hohem Sinn erstanden. Den Zttkrmstschw ärmer«. Ein neues Leben, meint ihr, wird beginnen, Wenn vor dem Licht, das eifrig ihr entfachtet, Der Wahn, von dem die Welt jetzt noch nmnachtet. Wie Nebel vor der Sonne wird zerrinnen? „Weht einst der Freiheit Banner von den Zinnen, „Wird Jeder einst dem Andern gleich geachtet, „Dann flieht der Schmerz, in dem die Menschheit schmachttt, „Flieht alle Qual und alle Noth von hinnen?' Bermeßt euch nicht zu viel! Ob, muthgeschwellt, Im Kampfe wider Pfaffen und Tyrannen, Ihr einst die letzte ihrer Burgen fällt: Der Schmerz, er flieht darum doch nicht von bannen, ES wäre denn ihr könntet aus der Welt Der Leidenschaft Dämonen auch verbannen. Verblendung. Wer liebt noch Poesie in unsern Tagen? Wer läßt sich noch von ihrer Macht bezwingen? Doch, mag sein Wort auch ungehört verklingen. Der Dichter hat nicht Grund, darob zu zagen! Wenn er der Seele Jubel, ihre Klagen, Gen Himmel sendet auf des Liedes Schwingen, Fühlt er der Gottheit Hauch sein Herz durchdrungen, Und seinen Lohn hat er davongetragen. Mein ganzes Mitleid gilt nur dem Geschlechte, An dem verloren sind des Dichters Spenden, Und dem der Stern erlosch der ird'schen Nächte! Das, um sich nicht'gem Tande zuzuwenden, Die heil'ge Quelle, die ihm Labung brächte, Thöricht verschüttet mit den eig'nen Händen! to, Gebotene Strenge. ^Äild sei dein Spruch und Urtheil, wenn es gilt, Das Thun und Lassen Anderer zu richten, Denn frei ist unser Wille, ach! mit Nichten, Wenn grimm empor die Muth des Lebens schwillt. Doch giebt's ein seiner Macht entrückt Gefild, Ein sellges, wo kein Widerstreit der Pflichten, Kein Zwiespalt zwischen Herz und Welt zu schlichten, Und hier sei nur gereckt, nicht länger mild! Es ist die Kunst. Wer sie nach Würden ehrt, Der Nachsicht wird und muß er sich entschlagen. Sieht er ihr heiliges Gesetz versehrt. Und will sich das Gemeine an sie wagen, Dann ziemt es ihm, mit seines Zornes Schwert Die Schacher aus dem Tempel zu verjagen. An einem Sarge. Rnsel'ger du! der Dichter sich genannt, Ohn' daß die heil'ge Flamme ihn durchdrungen! Für einen Traum, der trugvoll dich bezwungen Hast du dich von der Wirklichkeit gewandt! Das Irrlicht, dem du hoffend nachgerannt, Zum Abgrund führte es, der dich verschlungen! Umsonst hast du gelebt, umsonst gesungen! Bom Loos des Dichters nur den Schmerz gekannt. Sieh! jenen Kranz nach dem du Jahr' um Jahre So heiß gekämpft auf dornenvoller Bahn, Das Mitleid legt ihn jetzt auf deine Bahre! Fern sei's von mir, daß ich die Spende rüge! Doch, wie dein Streben nur ein eitler Wahn, So folgt dir nun in's Grab auch eine Lüge. Wescheid. „Was einst so heiß, so stürmisch mich durchlebt, „Die Wonnen, die mich himmelan getragen, „Das Weh, das glüh'nde Wunden mir geschlagen, „Wie ferne sind sie meinem Geist entschwebt!" „Und waren's Träume nur, die mich umwebt, „Dann hab' ich wohl ein bitt'res Recht zu fragen: „Wenn mir von nieines Lebens Lust und Klagen „Nichts bleiben soll, wozu hab' ich gelebt?! — Das fragst du noch? So wisse denn! das Walten Von Glück und Leid hat nur den Zweck, den einen, Des Menschen tiefste Kräfte zu entfalten. Mag dir auch der entschwund'nen Tage Saat Verloren, ohn' Ertrag und Ernte scheinen: Du selbst bist deines Lebens Resultat! Wie Micht. An einem Ideale halte fest, Wenn abgewelkt der andern Blüthenranken! Es ist die Pflicht, die, selber ohne Wanken, Den, der ihr treu bleibt, nimmer sinken läßt. Sie ist, gleich dem Gewände von Asbest, Ein sich'rer Schutz, wenn Flammen dich umschwanken, Beschwicht'gend Oel im Sturme der Gedanken, Sie ist die Freiheit, — Sklaverei der Rest! — O reiche Keinem deine Hand zum Bunde Der nicht in ihr, die ewig wahr und ächt, Das Höchste ehrt auf diesem Erdenrunde! Wie jedes and're, so der Freundschaft Recht, Verleugnen wird's in der Versuchung Stunde Des flücht'gen Eindrucks willenloser Knecht. Grenze. Gelang dir's, einen Freund dir zu erringen, Dann dulde nicht, daß eine Welt euch scheide! Ob blutig es in deine Seele schneide, Der Freundschaft sollst du jedes Opfer bringen! Zu einem nur darf nimmer sie dich zwingen: Zum Bruche der dir selbst geschworenen Eide. Von keiner Liebe lass' und keinem Leide Ein Theilchen deines Ichs Herunterdingen! Ein heilig Pfand ward es dir übergeben. Vor jedem Eingriff mußt du es beschützen, Es höher halten als dein Glück, dein Leben! Weh dir, wenn du in ihm ein Fremdes duldest! Ja selbst dem Freunde kannst du nicht mehr nützen, Brichst du die Treu', die du dir selber schuldest! Freue. Älas macht so edel und so schön die Treue, Womit ein standhaft Herz die Welt bezwingt? Der dunkle Zug ist's, welcher es bedingt, Daß gern am Wechsel sich der Mensch erfreue, Uns Alle lockt verführerisch das Neue. Nur Wen'ge giebt es, denen es gelingt, Vom Reiz, der schmeichelnd ihren Sinn umschlingt, Sich abzuwenden, ernst, mit frommer Scheue. D'rum zürne nicht, und lerne es vergessen, Wenn dir ein schwach Gemüth die Treue bricht! Wer hieß dich, es nach höchstem Maße messen? Doch fand'st du ein's vom echten Mark und Stamme, Dann neige dich vor seinem reinen Licht, Still, wie der Parse vor der heil'gen Flamme! Bruch der Freundschaft. NtzLSUQ urLtAAior äoiors. auch nur schwer, doch läßt es sich verwinden, Wenn Liebe ihren flüchtigen Schwur uns bricht. Wie sollten mit dem Lebeusfrühling nicht Auch seine Düfte und sein Glanz verschwinden? Ich weiß ein bänger, schmerzlicher Empfinden: Der Freundschaft, die einst unsrer Seele Licht, Zu starren in das todte Angesicht, Und wieder einsam sich im All zu finden. Was sonst dein Herz an Freuden auch verlor, Verglichen mit so ungeheuerm Wehe, Schnellt jedes andern Schale hoch empor! Dort ward doch nur Vergängliches zerschlagen; Hier starb ein Göttliches, und schaudernd sehe Ich die Vernichtung sich an Ew'ges wagen. An Ivan Gnrgenieff. ^n Ehrfurcht lass' mich diesen Gruß dir senden, Du großer Meister, dem die Macht gegeben, Den wirr verschlung'nen Knoten, Menschenleben, Zu lösen mit den sichern, weisen Händen! Des Zufalls Mißgunst nicht, noch seine Spenden, Nein! nur der angebor'nen Kräfte Weben, Des eignen Willens unbezwinglich Streben, Sind unser Schicksal! Keiner kann es wenden. Das ist der Bann, von dem wir festgehalten, Die Haft, der nun und nimmer wir entrinnen, Was wir versuchen mögen und beginnen! Du aber bist der Dolmetsch der Gewalten, Die in dem dunkeln Menschenherzen schalten, Und, parzengleich, den Schicksalsfaden spinnen! Die i,«bekannten Kreunde. An Fürstin Cnroiinc WiNgenftein. Der Dichter wandelt einsam durch das Leben! So ist es und so war's zu allen Zeiten. Entsagung nur darf ihm zur Seite schreiten, Wenn holde Bande sich um And're weben! Doch ein Ersatz ist ihm dafür gegeben: Daß Herzen ihm, in unbekannten Weiten, Entgegen schlagen und wie Harfensaiten Vom Hauche seiner Lieder sanft erbeben. Und wurden solche Freunde dir zu Theil, Betrachte sie als höchste Schicksalsspenden, Die für kein flücht'ges Gut der Erde feil! Zweifach gesegnet ist, der sie gewann! Denn in dem stillen Gruß, den sie ihm senden, Fängt auch bereits die Nachwelt für ihn an! Unsere Zeit. Die Schaar der Frommen hör' ich seufzen, klagen, Daß von dem Sturm, der jetzt die Welt erschüttert, In Schutt und Trümmer Christi Reich zersplittert, Mit allem Segen, den es je getragen. Mir aber scheint es höher nur zu ragen, Seit es, von Dogmen länger nicht umgittert, Als Stral der Liebe durch die Seelen zittert, Wie nie zuvor in den vergang'nen Tagen. Sagt an! wann griff das fremde Leid so hart, So drängend an die Herzen der Beglückten, Wie in der vielgeschmähten Gegenwart? Im ächten Sinne christlich ist die Zeit, Die ihre Kraft dem Schutz der Unterdrückten, Dem Dienst der Armen und Berlass'ncn weiht! III An die Watnr. Es pfleget die gedankenlose Gilde, Zum Jubel stets bereit wie zum Verzagen, Jetzt kalter Grausamkeit dich anzuklagen, Und wieder dann zu preisen deine Milde. Sie messen dich nach ihrem eig'nen Bilde, Und können sich des Wahnes nicht einschlagen, Daß Lieb' und Haß, wie sie im Herzen tragen, Bald segne, bald verwüste ihr Gefilde. O Thorheit, Strenge, Hnld dir anzudichten! Du kennst nur der Nothwendigkeit Gesetz, Und bleibst ihm treu beim Schaffen und Vernichten. Ob Heil, ob Fluch in deines Mantels Falten Sich berge, Ewige! mir bist du stets, Was einst das Fatum war den frommen Allen. Zweites Buch. Erzählende Gedichte. B. Paoli, Neueste Gedichte. Aus dem Fatirmd. Das Werk der Schöpfung war vollbracht, Es lobte der Gestirne Pracht Den Herrn mit lichten Flammenzungen. Gesondert waren Fluth und Land, Der blaue Aether ausgespannt, Der Stoff von Gottes Hauch durchdrungen. Die Vogel schwirrten in der Höh', Von Fischen wimmelte die See, Der Wald von Thieren aller Arten, Und, selber noch ein Räthsel sich, Im halben Traume noch, durchstrich Der erste Mensch den Edensgarten. Die Kreaturen sonder Zahl, Wie fühlten sie den Lebensstral So warm sich in ihr Blut ergießen! Ein Wonnemeer schien ihrem Blick Die Welt! das Dasein schon ein Glück, Und jeder Pulsschlag froh Genießen! Und nun begann der Herr die Frist, So jedem zugemessen ist, Den Wesen allen zu bestimmen, Feststellend, wann in ew'ger Nacht Der Funke, den er jetzt entfacht, Erlöschen solle und verglimmen. Nach Thieren viel und mancherlei Kam auch der Esel an die Reih'; Ihm wurden dreißig Jahr beschicken. Als so sein Urtheil war gefällt, Da bat er: „Sag, o Herr der Welt! Welch Loos harrt meiner wohl hienieden?" „Dein Loos," erklang des Schöpfers Wort, „Ist Müh' und Arbeit fort und fort. Der schmalen Kost nicht zu vergessen!" Voll Schrecken rief das arme Thier. „Für solch ein Dasein wären mir Der Jahre dreißig zugemessen?" „Ist nicht die Hälfte schon genug? Nicht schon zu viel, dem der sie trug? Erlasse mir der andern Wehe! O kürz' ihn ab, den schweren Bann!" Erbarmend sah der Herr ihn an, Und nickte lächelnd: „ Es geschehe!" 117 Jetzt nahm den Hund der Schöpfer vor. „Die Frist, die Jenem ich erkor, Dir soll sie ungeschmälert werden!" Allein, gewitzigt sprach der Hund: „O Herr! vor Allem thu' mir kund, Was wird mein Schicksal sein auf Erden?" „„In Winterfrost und Sommerbrand Zu liegen an der Kette Band, Als Wächter bei des Menschen Schätzen."" Da jammerte der Hund und schrie: „Zu lang die Frist! O wolle sie Herab doch auf die Hälfte setzen!" Und wieder lächelte der Herr Gewährung mild; dann wandte er Sich, also sprechend zu dem Affen: „Dir wend' ich dreißig Jahre zu. " Der Affe bat: „„Erst lasse du Mich wissen, wozu ich erschaffen!"" „Das Loos, das dir zu eigen fiel, Es ist, durch deiner Launen Spiel Den Andern zum Gespött zu dienen." „ „ Ein Fangball fremden Uebermuths T urch dreißig Jahr' ? Die Hälfte thut's!"" Der Affe sprach's mit Flehensmienen. 118 Auch ihm ward ein geneigtes Ohr. Jetzt aber trat der Mensch hervor, Daß ihm sein Spruch und Urtheil werde. Sie lauteten auf dreißig Jahr'. „„O Herr! so bat er, sag' mir klar, Was meiner harrt auf dieser Erde!"" „Ihr Herr und König wirst du sein! Aus der Geschöpfe dunklen Reih'n Empor in stolzer Hoheit ragen! Was kreucht und fleucht, was geht und schwimmt. Zu deinem Dienst ist es bestimmt, Und wehrlos wird dein Joch es tragen." „„Mein wäre solch ein herrlich Loos?! Doch kurze dreißig Jahre bloß Um durchzukosten seine Freuden? Ich sollte von des Daseins Glanz, Nur mir beschieden voll und ganz, Ach! schon nach drei Jahrzehndell scheiden?"" „ ..Der du der Milde Urquell bist, Verläng're meines Lebens Frist! Brich mir nichts ab von deinem Segen! Was kostet dir's, die Jahre, so Du Jenen abnahmst, spendenssroh, Den meinen gnädig zuzulegen? "" II« „Du weißt nicht, was du dir erflehst! Allein, wenn du darauf bestehst, Will ich den Wunsch dir nicht versagen. Die Zahre, welche diese hier Verschmäht, wohlan! sie seien dir Zu deinem Antheil zugeschlagen." — Was sich an jenem Tag erfüllt, Ach! allzu deutlich nur enthüllt Es uns das menschliche Verhängniß! Dem Jugendglück, der Jugendlust Folgt Plage, folgt der Sorgen Wust, Zuletzt der Greisenzeit Bedrängniß. Nur bis zu dreißig Jahren ist Der Mensch er selbst; dann kommt die Frist, Die er gewann, sich zum Verderben! Zum Lastthier wird er, Tag und Nacht In harter Frohne, nur bedacht Auf Sammeln, Sparen und Erwerben. Und wenn in solcher bittern Haft Des Goldes er genug errafft, Selbst dann noch kommt er nicht zur Ruhe. Stets Arglist witternd und Verrath Bewacht als Hund er früh und spat Den Schatz in seiner Eisentruhe. 120 Das Alter naht, mit ihm der Gram. Der Sinn wird stumpf, der Wille lahm, Dem Murrkopf will nichts mehr gefallen. Die Neuzeit ärgert und verwirrt Ihn nur, und gleich dem Affen wird Ein Gegenstand des Spott's er Allen. — Das ist des Lebens trüber Gang! Verdient ers, daß der Mensch so bang Der Jahre volles Maß ersehne? Sein Unheil ist's, was er erfleht! O glücklich, wer von hinnen geht Zn seines Daseins voller Schöne! 121 Kkeopatra. I. Heiß brennt die Sonne im Zenith herunter, Der Palmen Wipfel stehen regungslos, Die Pyramiden schimmern bunt und bunter Im Gluthmeer, das sich über sie ergoß. Doch ein Asyl giebt's vor des Tages Schwüle, Wie noch kein Auge je ein hold'res sah; Dort ruht, in ihrer Gärten Schattenkühle, Egyptens Königin, Kleopatra. Dem Bade ist sie eben erst entstiegen, Noch blitzt in ihrem Haar der Wellen Thau, Nur leichte, duftige Gewänder schmiegen Sich sehnend um der Glieder edlen Bau. Wie flammt ihr Aug'! wie blüht die dunkle Wange! Wie scheint ihr ganzes Sein in Reiz getaucht! Sie ist's! des alten, gelben Nilstroms Schlange, Die Götterwonne und Verderben haucht! Entfernt hat ihr Befehl die Dienerinnen, Sie ist allein, und weiß es selber kaum. Versunken in ein träumerisches Sinnen Gleicht sie der Sphynx am dunklen Wüstensaum. 122 Die Schatten, die sich um ihr Antlitz breiten, Sie sprechen nicht von Sehnsucht nach Genuß, Von Trauer nicht um todte Seligkeiten, Nein! nur von kaltem, finstern Ueberdruß. Der Freuden Kranz wand sie um ihre Schläfe Bis abgewelkt der letzte Blüthentrieb! Den Kelch der Lust, sie leerte ihn zur Hefe, Bis ihr kein Wunsch und kein Verlangen blieb. Wie Tantalus ani nie erreichten Quelle, Sieht sie die süße Labung sich verwehrt! Doch hoffnungsloser noch ist ihre Hölle, Denn Durst nach Durch ist es was sie verzehrt. Nicht frommt es ihr, daß vor ihr ausgeschüttet Der Ueberfluß sein unerschöpflich Horn! Ihr Herz, in seinem tiefsten Grund zerrüttet, Spürt nicht der Rosen Duft noch ihren Dorn. Jui finstern, gegen sich gekehrten Grimme Die Hand gepreßt an dieß erstorb'ne Herz, Stöhnt sie mit leiser, halberstickter Stimme: „Nur ein Entzücken noch, und einen Schmerz! Und wie sich ihrem Mund dieß Wort entrungen, Sieht sie im Dickicht zweier Augen Blitz. Wer ist der Frevler, der hier eingedrungen? Erzürnt springt sie empor von ihrem Sitz, 123 Ihr Angesicht umwölket sinst're Strenge, Von ihren Lippen hallt ein lauter Schrei Und eilig stürzen durch die grünen Gänge Die Frauen und die Wachen schon herbei. „Heran! um den Verweg'nen aufzusuchen, Dem das Gebüsch dort eine Zuflucht bot!" Dem Wink der Fürstin folgen die Eunuchen, Doch ihre Mühe thut hier nicht mehr Noth, Denn, eh noch ihre Blicke ihn erspähen, Tritt rasch und kühn der Schuldige hervor. „Hieher! zu mir! du sollst mir Rede stehen!" Des Jünglings Auge leuchtet hell empor. „Welch Werk des Unheils wolltest du hier schaffen? „Hast du zum Mord die Schritte hergelenkt?" „„Du siehst ja, Fürstin! Aaß ich ohne Waffen."" ^ „So hast du toll dein Leben weggeschenkt? „Kennst du die Strafe nicht, bei der verboten „Hier einzudringen ohne mein Geheiß? „Du wagtest besser dich ins Reich der Todten!" Der Jüngling lächelt ruhig ernst: „„Ich weiß."" „Ich seh', du bist so schweigsam wie vermessen! „Doch, was die Lippe nicht gestehen mag, „Die Martern werden es von dir erpressen. „Sie bringen Tiefverborg'nes an den Tag!" 124 „„Das hoffe nicht! Mich wird die Qual nicht beugen. „„Allein willst klar du in mein Inn'res seh'n, „„So gönne mir, o Fürstin! ohne Zeugen, „„Minutenlang genüber dir zu steh'n."" „Mir willst du dein Geheimniß anvertrauen?" Fragt, seltsam lächelnd, ihn Kleopatra, Die Schlange, schön und schrecklich anzuschauen. Von seinen Lippen tönt ein festes „„Ja!"" „Es sei darum! Allein mich zu bethören, „Das wähne nimmer! Um ist deine Zeit! „Bringt ihn nach dem Palast! ich will ihn hören. „Der Henker mache sich indeß bereit!" II. Die Sonne eilt nach Westen hin, Schon wird das Licht des Tages trüber; Im Saale steh'n sich gegenüber Der Jüngling und die Königin. Ein Dolch, wenn er zum Ziele sich Das Herz des Gegners auserkoren, Will Auge sich in Auge bohren, — Gebietend mahnt die Fürstin: „Sprich!" „„Wer hätte je mir prophezeit, „„Daß du mit deinem eigenen Munde „„Verlangen werdest nach der Kunde „„Bon meiner Seele Lust und Leid?! „„Gesegnet sei die Stunde mir, „„Ob sie auch meine Sterbestunde, „„In der ich meines Herzens Wunde, „„Enthüllen darf vor dir! vor dir! „„Es stockte meiner Pulse Schlag, „„Als du, der selbst die Götter dienen, „„Zum erstenmale mir erschienen. „„Ich liebe dich seit jenem Tag! „„Die Welt hatt' ich wie nicht'gen Tand „„Für deinen Anblick hingegeben! „„Ich hatte nichts als nur mein Leben, „„Und warf es in den Opferbrand. „„Du weißt nunmehr, warum mein Schritt „„Den Weg sich zu der Stätte bahnte, „„Wo ich der Sel'gen Wonnen ahnte, „„Die Qualen der Verdammten litt. ,,„O süßer Raub, der mir nicht feil „„Für abertausende von Tagen! „„Jetzt mag die letzte Stunde schlagen, „„Und fallen mag des Henkers Beil!"" Der Jüngling schweigt; doch was er sprach, Aus todter Kohle schlug es Funken! Die Fürstin steht in sich versunken, Als sänn' sie einem Räthsel nach. Jetzt kehrt das schöne Angesicht Sie langsam zu dem Todgeweihten: „Dein Loos sollst du dir selbst bereiten, — „Nach deinem Blute dürst' ich nicht! 127 „Nein! wählen magst du unbeschränkt! „Gelobst du mir mit heil'gen Eiden „Mein Antlitz fürderhin zu meiden, „So sei das Leben dir geschenkt. „Doch wenn so heiß dein Lieben loht, „Daß es nur mit dir selbst kann enden, „Empfange dann aus meinen Händen „Der Wonnen Fülle und — den Tod!" „„Was höhnst du mein gequältes Herz? „„Nicht lange mehr hat es zu pochen! „,,O Königin! was du gesprochen, „„Es war ein frevelhafter Scherz!"" „Ich scherzte nicht. Was ich dir bot, „Ich biet' es dir zum zweitenmale, „Noch schwankt in deiner Hand die Schale „Wähl' zwischen Leben oder Tod!" „,,O dann! was ist des Lebens Schein „„Mir länger? was des Todes Grauen? „„Mein Leben ist nur dich zu schauen, „„Mein Tod ist nur dir fern zu sein! „„In deinem Kusse zu vergessn, „„Der mich so oft im Traum durchglühte, „„Gepriesen sei der Ew'gen Güte, „„Die solch ein Loos mir zugesteh'n!"" 128 Durchlodert von der Sehnsucht Brand, Hält er die Reizgestalt umfangen. Wie flammen plötzlich ihre Wangen! Wie zuckt und zittert ihre Hand! Sie stammelt, zwischen Lust und Pein Getheilt: „Es ist dir nicht verborgen, Daß du" — „„Gewiß! Äch gehe morgen. Ein Gott, zu allen Göttern ein!"" 128 III. Goldene Sterne im Aether, dem reinen, Seid ihr von doppeltem Glanz nicht verschönt? Ob der Gesang in den blühenden Hainen Heute nicht doppelt so schmelzend ertönt? Himmel und Erde, sie wechseln und tauschen Heimliche Grüße voll holder Gewähr! Hin durch die Nacht mit melodischem Rauschen Woget der Lust unergründliches Meer! Schwellend Gefluthe von Düften und Tönen! Trunk'nen Genusses eleusisches Fest! Klage voll Zubellaut! wonnevoll Stöhnen, Von der Entzückungen Taumel erpreßt! Seufzer, die glühend in Seufzer verschwamme«, Blicke, von seligen Thränen verklärt, Lodert empor in vereinigten Flammen, Bis ihr im eigenen Brand euch verzehrt! Thoren, die fragen und klügeln und sorgen. Was die verschleierte Zukunft wohl webt! Tage dir nimmer und nimmer ein Morgen, Wenn dich das Heut zu den Göttern erhebt! B. Pa o l i, Neueste Gedichte. 9 Mag doch die Zukunft die Blumen entblättern, Sogst ihren Duft du, den köstlichen, ein! Mag sie den Becher im Grimme zerschmettern, War nur sein perlender Inhalt erst dein! IV. Hell tritt der Morgen aus des Ostens Thor, Schon ist der Dämm'rung Nebelstor zerrissen. Kleopatra erwacht, — sie fährt empor Bon ihres Lagers weichen Purpurkissen. Aus ihren heißen Wangen flieht das Blut, Denn wie verzaubert muß ihr Auge hangen An Hiram, der, von holdem Traum umfangen, An ihrer Seite sanft und lächelnd ruht. Des eig'nen Wollens sich nicht mehr bewußt, Sich selbst entrückt, starrt sie auf ihn hernieder. Es wendet sich das Herz in ihrer Brust, Ein kalter Schauer fliegt durch ihre Glieder. Wenn auch Kleopatra, sie ist ein Weib! Es zagt ihr Herz, ihr Sinn beginnt zu wanken. Soll sie zerbrechen dieses Lebens Schranken? Dem Staub vereinen diesen Götterleib?— Sie sinnt, erwägt, —ein menschliches Geschick Wie die verhüllte Parze überdenkend, — Und düster, immer düst'rer wird ihr Blick, Zurück sich in vergang'ne Tage senkend. s* 132 „Was folgt der Wonnen allzu flücht'gem Gruß „So sicher wie dem Körper folgt sein Schatten? „Es ist der Übersättigung Ermatten, „Der öde, finst're, dumpfe Ueberdruß! „Und solchem Loos ging'st du entgegen? Nein! „Den Tropfen Gift, in diesem Ring enthalten, „Ich flöß' ihn dir in deinem Schlummer ein! „Dein Herz soll lieber brechen als erkalten. „Ich todte dich! doch wenn du todt, dann laß, „Mit Thränen mich benetzen deine Leiche! „Stirb als Gesegneter! dein Schicksal gleiche „Dem Schicksal nicht Kleopatra's!" — Kirr Mann. An Alfred Leniiyson, den Dichter der ok Slinlott." An jenem Lied, dem wundersamen, Das süß von deiner Lippe floß, Enthüllst du, in des Mahrchens Rahmen, Des Dichters glanzvoll traurig Loos. Mag Andern das Symbol genügen, In seiner bunt phantastischen Pracht! Mir dämmert aus den holden Zügen Ein Geist, der mich erzittern macht. Der Geist, der, ob ich mir's verhehle, Auch mich vom warmen Leben schied, Und schmerzlich tönt aus meiner Seele Ein Wiederhall von deinem Lied! Aus des Stromes grüner Fläche hebt Sich ein Eiland, träumerisch und eigen. Nur der Bögel muntres Lied belebt, Nur des Windes Hauch das tiefe Schweigen. 134 Unnahbar, geheimnißvoll umflort, Fern und fremd dem lauten Menschentrosse, Weilt des Eilands schöne Herrin dort, Einsam, einsam stets! in ihrem Schlosse. Bis des Tages letzter Stral versiegt, Sitzt und schafft sie an dem Webestuhle; Ohne Ruh' und Rast das Schifflein fliegt, Emsiglich verbraucht sie Spuhl' um Spuhle. Düster blickt sie jetzt, dann wird der Schein Ihrer Augen wieder lichter, milder, Und dem bunten Teppich wirkt sie ein Tausend heit're, tausend trübe Bilder. Bilder aus dem blüh'nden Erdenland, Bilder einer Welt, die ihr verschlossen, Tiefsten Jammers, den sie nie empfand, Höchster Wonnen, die sie nie genossen! Zu der Arbeit still hinabgeneigt Schildert sie, in Heller Farben Prangen, Nur was ihr der Zauberspiegel zeigt, Der ihr gegenüber aufgehangen. Denn in seinen starken Banden hält Sie ein Bann, den nichts vermag zu trennen „Statt des Glückes und des Leid's der Welt „Werde dir nur einzig das Erkennen. „Stille Schatten seien dein Geleit, „Und ein Traum das Leben, das du lebest! „Abgelöst sei von der Wirklichkeit, „Daß du, freien Sinns, sie wiedergebest!" So ergieng an sie ein Geisterruf, Und wie Nebel sank es um sie nieder. Her vom Ufer schallet Rosseshuf, Klagen Seufzer, tönen frohe Lieder! Aber eine Grenze, streng und scharf, Trennt sie von den irdischen Geschicken, Und nur in dem mag'schen Spiegel darf Sie des Lebens wechselnd Bild erblicken. Was vorüberzieht am grünen Strand Läßt sein Zauberschimmer sie gewahren: Ritter jetzt im rauhen Stahlgewand, Hirten dann, dann fromme Pilgerschaaren; Auf dem weißen Zelter, hoch und schlank, Schöne Frauen, Lil'jen zu vergleichen, Und daneben, müd und bleich und krank, Bettler, die an ihrer Krücke schleichen; Krämer hier, nur vom Gewinn gelenkt, Kinder dort mit blondem Lockenhaare, Liebende, still in ihr Glück versenkt, Trauernde an einer Todtenbahre. 13 « Und den langen, stets erneuten Zug All der rasch verschwindenden Gestalten Weiß auf dem Gewebe sie im Flug Für die fernsten Zeiten festzuhalten. Da geschieht es wohl, daß ihre Haft Himmlisch süße Tröstungen verklären, Daß sie, im Gefühle ihrer Kraft, Nichts zu missen glaubt noch zu entbehren. Ob auch, von dem blüh'nden Sein getrennt Einsamkeit ihr Loos und dunkle Stille, Ward ihr Eins, das Höchste! doch gegönnt: Nachzubilden allen Lebens Fülle! Aber andre Stunden kommen auch, Stunden ohne Weihe, ohne Glauben, Die mit giftig kaltem Zweiselhauch Ihr die Lust am eig'nen Werke rauben; Aermlich dünkt sie dann des Schaffens Preis, Ihre tiefste Seele will ermatten, Und ihr banger Seufzer stöhnet leis': „Schatten! Schatten! ewig nichts als Schatten Von den Höhen wallt's wie Opferrauch, In den Zweigen flüstern Abendwinde, Düfte fluthen, und ein frenider Hauch, Weht sie an so linde, o wie linde! Nach dem Zauberspiegel an der Wand Hält sie sinnend still den Blick gewendet, Aber plötzlich zuckt sie mit der Hand Nach den Augen, wie von Glanz geblendet. Reich mnlichtet von dem Abendrots), Und gefolgt von kampferprobten Schraren, Reitet längs des Ufers Lancelot, Beim Geschmetter fröhlicher Fanfaren. Er, die Blüthe aller Ritterschaft, Er, der herrlichste von Arthur's Helden, Höchstes Bild der Schönheit und der Kraft, Dessen Ruhm der Barden Lieder melden! 1S8 Und, entlodernd in unsel'ger Gluth, Denkt sie nicht mehr, daß ihr Loos Entsagen! Heiß und stürmisch fühlet sie das Blut Durch die Adern nach dem Herzen jagen! Sie vergißt, daß es ihr nicht erlaubt. Jemals die Erscheinung selbst zu schauen, Hingerissen wendet sie das Haupt, — — Da durchrieselt sie ein tödtlich Grauen! Denn, berührt vvn unsichtbarer Macht, Fällt der Spiegel und zerklirrt in Scherben! Der Gewebe frühlingsheitre Pracht Sieht sie schnell zu Moder sich entfärben. Marmorbleich, im Auge kalten Glast, Ahnet sie den Fluch, dem sie verfallen; Fort, von hinnen, drängt es sie mit Hast, Und sie schreitet aus den öden Hallen, Nieder steigt sie zu dem grünen Strand; Menschenleer und einsam ist die Stätte. Näher tritt sie an des Flusses Rand, Einen Nachen löst sie von der Kette, Und sie ruft: Ich komme, Lancelot! — Von des Mondes bleichem Stral Hinschwömmen, Sanft geschaukelt von dem schwanken Boot, Schiffet sie des Wegs, den er genommen. IZ9 Blumen, wunderbar und silberlicht, Sieht sie auf dem Wasserspiegel schwanken, Und sie pflückt sie; seltsam lächelnd flicht Sie ins dunkle Haar die blüh'nden Ranken. Nieder blickt sie in der Wellen Schooß, Aufwärts dann, wo hell die Sterne schreiten! Mit verschränkten Armen, regungslos, Läßt den Nachen sie stromabwärts gleiten. Camelot, die hohe Königsstadt, Arthur's Sitz erschallt von trüben Kunden: Frühe in der Morgendämm'rung hat Eine Leiche man am Strand gefunden, Schön bekränzt, geschmücket wie zum Fest, Holder als ein Weib in diesen Tagen, Und nicht fern von ihr den Trümmerrest Eines Nachens, der sie hergetragen. Lancelot auch kommt des Weges her Und er spricht mit frommen Mitleids Schauern „Wie so schön sie war! Ach! und wie sehr Mag der, den sie liebte, sie betrauern! 14 » Wolle Gott nach all dem ird'schen Streit In daS Reich des Friedens sie geleiten!" Spricht's und geht, denn schon ist's hohe Zeit, Mit Ginevra auf die Jagd zu reiten. Der Talisman. Die zehnte Stunde hallt vom Thurm In dumpfen, langgezog'nen Schlägen; Den Wald durchschnaubt der wilde Sturm, In kalten Güssen strömt der Regen. Gott schütze den, der diese Nacht Auf banger Irrefahrt durchwacht Anstatt sein Haupt zur Ruh' zu legen! Da, horch! was ist's? was regt sich dort, Wo Oede mit der Nacht im Bunde? Ein Schatten gleitet dämm'rig fort Es knistert in dem Waldesgrunde, Jetzt huscht es hin auf steiler Höh', So scheu, so flüchtig wie ein Reh, Wenn hinter ihm die grimmen Hunde. 142 Ein Mädchen bahnt sich hier den Weg, Trotz bietend all dem nächt'gen Grause. Nicht schrecket sie der Schwindelsteg, Des Gießbachs donnerndes Gebrause, Der Sturm, der durch die Lüfte streicht! Nun endlich ist ihr Ziel erreicht, Sie pocht an Fatme's dunkle Klause. Einlaß gewährend öffnet sich Die Thür der schwacherhellten Halle. Geräthe, seltsam, schauerlich, Bedecken rings die Wände alle. Es zeigt der Ampel trüber Schein Den Todtenkopf, das Thiergebein, Den Wolfszahn und des Uhu's Kralle. Aus jedem Winkel nickt und grüßt Ein Heer phantastischer Gestalten, Und in dem Kreise, wirr und wüst, Sieht sie ein Weib geschäftig walten. Trotz Alter, Kummer, Mißgeschick Flammt aus des Weibes Aug' ein Blick Eindringend in der Seele Falten. 143 Sie wendet sich. Estrella's Herz Pocht angstvoll unter ihrer Schande. Doch Jene ruft mit grellem Scherz: „Kein Wunder, d'ran ich jetzt nicht glaube! Was führt bei Regen, Nacht und Wind Au mir das schöne Grafenkind? Ins Eulennest die weiße Taube?" Mit leisem Ton beginnt die Maid: „„Mir ist ein selig Loos gefallen! Mit ihm, dem ich mein Herz geweiht, Soll morgen zum Altar ich wallen! Erreicht hab' ich der Wonne Höh'! Doch hört ich oftmals: Schmerz und Weh, Sie droh'n den Erdenkindern allen! „„Und diese Angst ist's, die zu dir Mich heimlich in der Nacht getrieben! Was frommt mir jede Lebenszier, Was frommt mir selbst Rodrigo's Lieben, Wenn ich mir zitternd sagen muß, Nur flüchtig sei des Glückes Gruß, Und könne wie ein Traum zerstieben?!"" !44 „Benutze denn die Gnadenfrist! Was soll ich sonst dir offenbaren?" ,,„O hör' mich! hör' mein Fleh'n! du bist In jeder Zauberkunst erfahren: So lehr' mich einen mächt'gen Bann, So gieb mir einen Talisman, Mein Glück auf ewig mir zu wahren!"" Es glüht ihr schönes Angesicht, Zur Bitte faltet sie die Hände, Der feuchte Glanz des Auges spricht: Gewähre mir die Wunderspende! Ein Lächeln spielt um Fatme's Mund, Mit Wehmuth und mit Spott im Bund: „Du willst ein Glück, das nimmer ende? „In dieser stets bewegten Welt, Wo, gleich der Muth im Meeresschoße, Des Schicksals Woge steigt und fällt, Suchst du das ewig Wandellose? Viel ist's, was du begehrst! — Wohlan! Empfange hier den Talisman Aus meiner Hand, du junge Rose! I4L Gering an Werth scheint er dir wohl. Doch muß selbst der Demant ihm weichen! Es grub in diesen Karneol Ein Magier geheime Zeichen. Der Sterbliche, der ihn besitzt, Ist vor des Unglücks Macht geschützt. Und nimmer wird sein Stern erbleichen! „Dein ist er! wenn nun Dornen auch Sich scheinbar nm dein Leben winden, Du weißt: wie Dunst und Nebelhauch Wird jede Trübung bald verschwinden! Obsiegen wirst du jedem Feind, Und was dir schon verloren scheint, Du wirst es schöner wiederfinden! „An deiner Brust verbirg den Stein! Kein fremdes Auge darf ihn sehen! Er labe deinen Blick allein, Sonst ist's um seine Kraft geschehen." „„Hab' Dank! hab' Dank! Nimm hier dieß Gold Es ist ein allzu armer Sold Für meines Glückes Fortbestehen!"" B. Paoli, Neueste Gedichte. 10 148 Sie eilet heim. Des Morgens Licht Stralt ihres Lebens schönstem Feste. Mit treubesorgter Liebe spricht Das Mntterherz, das angstgepreßte: „Welch Loos wird meinem Kind zu Theil?" ,,„O zittre nimmer für mein Heil! Mein Glück ist eine sich're Beste!"" Es gleitet Jahr auf Jahr dahin, Dem Heute gleicht nicht stets das Morgen, Doch heiter bleibt Estrellas Sinn, — Was hätte sie auch zu besorgen? Wenn rauh und ungleich ihre Bahn, Da blickt sie auf den Talisman, Und fröhlich fühlt sie sich geborgen. Wohl ist's ein großer, heißer Schmerz, Der sie im Innersten durchschüttelt, Als, wankelhaft, Rodrigos Herz Von neuer Liebe Hauch erzittert! Allein ihr muthig Hoffen spricht: „Ob auch der Sturm manch Zweiglein bricht. Den Stamm läßt er doch unzersplittert." 147 Und also kam's. Er, der, bethört, Ein eitles Wahngebild umschlungen, Zurück in ihre Arme kehrt Er bald, von ihrem Werth bezwungen. Nicht Groll und Harm, nicht Kampf und Müh', Nein! Hoffnung war die Waffe, die Ihr diesen werthen Sieg errungen. —- Von Feinden, Neidern rings umstellt, Erliegt Rodrigo ihrer Tücke; Im Kerker schmachten muß der Held, Damit fein Glanz die Gegner schmücke. Nicht wankt noch weicht Estrellas Muth! Sie schwöret ihm bei Christi Blut: „Ich baue dir die Rettungsbrücke!" Mit starkem Herzen, festem Sinn, Mit Worten, kühn wie Flammenschwingen, Tritt vor des Königs Thron sie hin, — Sie weiß, mit ihr ist das Gelingen! Das stärkt, das kräftigt ihren Geist, Und ihre zarte Hand zerreißt Des Truges schlau gewob'ne Schlingen. 10 * Nur einmal will die heitre Kraft, Der sichre Muth sich ihr entwinden: Ihr liebes Kind wird ihr entrafft, Im Grabe sieht sie es verschwinden! Doch sagte nicht die Zaub'rin einst: Was als verloren du beweinst, Du wirst es schöner wiederfinden?! Aus Fatme's Mund sprach das Geschick! Wie dürfte sie zu zweifeln wagen? Und unter Thränen hebt ihr Blick Sich himmelan, es flieht das Zagen. Bon still geheimem Trost erhellt, Fühlt sie in einer Hähern Welt Die Seele ahnend Wurzel schlagen. So hat der mächt'ge Talisman Ihr Schicksal stets zum Heil gewendet! Jetzt tritt der Tod an sie heran, Er winkt, — sie stirbt! sie hat vollendet. Und von dem Antlitz, bleich und schmal, Ergießet sich ein Siegesstral, Der glorienhaft das Auge blendet. Noch lag auf ihrer Brust der Ring. „Was mag es zu bedeuten haben, Das wirr und kaus beschriebt Ding?" So fragten, die den Sarg umgaben. Ein weiser Maure fand sich ein Und sprach: „Es ist in diesen Stein Das Wort nur „Zuversicht" gegraben Gin Brautpaar. Aus dem metallnen Munde Der Glocken tönt es laut: Es werden sich zur Stunde Zwei Herzen angetraut. Die Menge sieht mit Schmunzeln Sich nah'n das Hochzeitspaar, Den Bräutigam voll Runzeln, Die Braut mit grauem Haar. Ein Flüstern geht im Kreise, Ein Spötteln, scharf und schrill: „Ein Thor, der unterm Eise Noch Rosen pflücken will!" „Die Liebe ist ein Falter, Der mit dem Frühling stirbt! Wie närrisch, wenn ein Alter Um ihre Freuden wirbt!" „Man könnt' es ernster nehmen, Wirft Einer hüstelnd ein; Wie würde ich mich schämen, Im Alter noch zu frei'n! ist Es zeigt, daß wir den Schimmer Der Wahrheit nicht erstrebt, Und daß in uns noch immer Der alte Adam lebt!" Frau Käthe seufzt beklommen: „Es ist nicht wohlgethan! Wenn spat noch Kinder kommen, Was wird aus ihnen dann?" „Davor sind die geborgen, Versetzt ein alter Faun, Glaubt mir! dergleichen Sorgen Sind überflüssig, traun!" — Doch sie, um welche schäumend Des Spottes Welle schlägt, Sie stehen still und träumend, Im Innersten bewegt, Dem Zug sich überlassend, Der leise sie beschleicht, Beglückt, und doch kaum fassend. Daß sie ihr Ziel erreicht. Auftaucht vor ihrem Blicke Die ferne Jugendzeit, Mit ihrem herben Glücke, Mit ihrem süßen Leid! IZ2 Ihr erstes Sichbegeguen Am lenzesgrünen Haag, Und ihre Lippen segnen Noch heut den fernen Tag! In jugendlichem Prangen, Wie blühten da so hold Die jetzt erblaßten Wangen! Wie floß der Locken Gold! Blitzähnlich, wie vvm Bogen Der Pfeil sich schnellt im Nn, So sehnsuchttrunken flogen Sich ihre Herzen zu! O wie so gerne hätte Schon damals ihre Hand Die flücht'ge Rosenkette Erhöht zum Eheband! Doch anders war's beschlossen,— Der Weg zum Glück ist weit! Hinwelkte, ungenossen, Des Lebens gold'ne Zeit! Wie heiß die Herzen schlugen, Wie stürmisch ihr Begehr, Am Fluch der Armuth trugen Sie Beide allzu schwer! Nur knapp sich durchzuwinden Erlaubt so schmale Bahn, Doch, einen Hausstand gründen, Ach Gott! das ging nicht an! Die Jahre kamen, gingen, Und jedes neue fand. Trotz Sehnen, Streben, Ringen, Das Paar im alten Stand: Beim Aktenstoß ihn schwitzend Und schreibend unverwandt, Sie an dem Nähtisch sitzend, Die Nadel in der Hand. Da endlich ward in Hulden, — Sie dachten's selber kaum, — Belohnt ihr treues Dulden, Erfüllt ihr schönster Traum! „Glückauf, du meine Hanne! Mir ward ein Amt bescheert, Das neben seinem Manne Auch dessen Frau ernährt!" Und srendeweinend sanken Sich beide an die Brust, Zum erstenmale tranken Sie volle, reine Lust! 154 Nicht lange möcht es währen Bis Alles war bestellt, Und jetzt ist sie in Ehren Sein Weib vor Gott und Welt. Im heil'gen Gnadenbronnen Ward nun ihr Bund geweiht! Doch mischt in ihre Wonnen Sich ein geheimes Leid. Verschwiegner Sorge Drücken Stört ihres Herzens Ruh': Den Andern zu beglücken Traut Keines sich mehr zu! Bom schweren Flug der Jahre Die Blüthe abgestreift! Die gold'uen Lockenhaare Mit Silber jetzt bereift! Im Aug', dem trüben, matten, Verwischt die Flammenspur! Sie fühlen sich als Schatten Dess', was sie waren, nur! Da, wie mit stiller Trauer Ihr Auge sich erhebt, O tiefer Wonneschauer Der plötzlich sie durchbebt! O Wunder, das die Tücke Der Jahre selbst bezwingt: In des Geliebten Blicke Sieht Jedes sich verjüngt! Denn niit verklärtem Schimmer Spricht dieser stumme Blick: Du bist und bleibst mir immer, Des Lebens Ziel und Glück! Sie reichen sich die Hände, Die sahle Wange blüht, Ein Frühling ohne Ende Dnrchduftet ihr Gemüth! — Mit Segen auf der Lippe Blick' ich dem Paare nach, Das sich vom Dorngestrüppe Die schönste Rose brach! Die nimmer von sich ließen, O mögen sie noch lang Den werthen Lohn genießen, Den ihre Treu errang! Hlaööi 1 »,', Und Führer, ohne Gleichen In aller Herren Reichen, Die wurden uns zu Theil! Wenn sie voran uns schreiten, Zur Lust wird dann das Streiten, Kein Weg dünkt uns zu steil! Da steht in erster Reihe Herr von Bonchanip! die Weihe Des Ruhm's empfing er lang, Als er, noch sung an Jahren, Mit grimmig wilden Schaaren Im Morgenlande rang! *) Ungläub'gem Heidenvolke War er die Wetterwolke, Daraus der Blitzstral bricht! Jetzt geht nnt schlimmern Heiden, Die selbst vom Heil sich scheiden, Er strafend ins Gericht! Ihm ist, der unserm Kreise Entsproß, der gute, weise Cathelineau gesellt. *) Bonchamp diente in seiner Jugend mit Auszeichnung, unter Suffren, in Ostindien. 13 * Als Bauernkind geboren, Führt er, von Gott erkoren, Jetzt Heere in das Feld! Des Amt's weiß er zu walten! Weiß Jedem Treu' zu halten, Der Schutz von ihm erhofft! Mit seinem Leibe deckte, Wenn unser Zorn sie schreckte, Er die Gefang'nen oft! — Wie Gold, erprobt im Feuer, So werth ist uns, so theuer, Lescure, der edle Graf! Es schmerzet keine Wunde, Hört man aus seinem Munde Das Lob! „Ihr kämpftet brav!" Sein Herz ist ohne Listen, Das Herz des ächten Christen, Dem Furcht und Sünde fremd. Scharf seines Degens Schneide! Doch unter seinem Kleide Trägt er ein här'nes Hemd. — Wer aber ist's, deß Nähe Den Sieg verbürgt, noch ehe Sein Arm ihn uns verlieh? IS7 Wer ist's, für den das Leben Wir Alle freudig gäben? Es ist Monsieur Henri! *) Mit seinen blonden Haaren, Mit seinen zwanzig Jahren, Scheint er noch halb ein Kind. Doch seht sein Antlitz glühen, Seht seine Augen sprühen, Wenn das Gefecht beginnt! Kein Kind, ein Mann und Ritter, Schlägt zürnend er in Splitter Die finstre Höllenmacht! Wer, der im Schlachtentosen Ihn sah, hat nicht des großen Sanct Michael gedacht?! — Der Graf Montrey, an Treue Und kühnem Muth ein Leue, Der tapfre Herr d'Elbse, Die Starken, die Gerechten, Sind in des Unglücks Nachten Die Sterne der Vendoe! *) So pflegten die Bauern den jungen Marquis de Laroche jacquelein zu nennen. l»8 Von manchen andern Helden Wußt' ich wohl noch zn melden, Doch sei's für heut genug! Schon formen sich die Reihen, „Macht fertig!" hör' ich schreien, Nach Nantes geht unser Zug! Andreas Waumkircher. 1471 . I. Das also der Lohn für stete Treu, Für Hilfe in Todesnöthen, Daß, spottend jeglicher Scham und Scheu, Mein Recht sie mit Füßen treten? Dem Kaiser zu helfen, hab' ich mein Schloß, All' meine Güter verpfändet, Dem Kaiser, deß schuft'ger Schreibertroß Mich tückisch beraubt und schändet! Nachdem sie mich wie ein Wild gehetzt, Genarrt mich hüben und drüben, Erklären sie meine Ford'rung jetzt, Die Schurken! für übertrieben! Zu Deutsch besagt dieser Worte Sinn, Ich habe den Kaiser betrogen, Aus seinem und des Landes Ruin Gewinn und Vortheil gezogen! > „Als Netter aus der höchsten Gefahr Begrüßt' er mich einst in Hulden; Jetzt läßt er mich mit ergrautem Haar Die schwerste Unbill erdulden! Verlustig deiner irdischen Hab', An deiner Ehre geschädigt, Baumkircher! lege dich nur ins Grab! Dein Tagewerk ist erledigt!" — Mit kaiserlichem Siegel den Brief Wirft er zerknüllt in die Ecke, Dann stöhnet er auf, so schwer, so tief, Und starret empor zur Decke. Es fliegt sein Herz, es fiebert sein Hirn Von finstrer Gedanken Schwalle; Von heißem Zorn geröthet die Stirn, Durchmißt er ruhlos die Halle. Und wie er ins stolze Herz zurück Gewaltsam dränget die Klage, Da steigen empor vor seinem Blick Die Bilder vergang'ner Tage. Er denkt der Zeiten in denen er Mit jugendlich kühnem Wagen, Ein Wetterstral, das Magyarenheer Bei Neustadt zurückgeschlagen. Er denkt, wie am Wienerthor er dort, Beim Anprall der Feindes banden, Nur er der Stadt und des Kaisers Hort, Den blutigen Strauß bestanden! Er sieht sich, als, im Tods noch grimm, Die Seinen im Staube lagen, Allein noch kämpfen, bis hinter ihm Die Brücke war abgetragen! O wie die wechselnden Bilder ihn, Ein Zauberreigen, umschweben! Der Kaiser in seiner Burg zn Wien Belagert, von Feinden umgeben! Mit seinen Bürgern in schwerem Streit, Bedroht mit Speeren und Spießen, Gebrochnen Muthes, schon halb bereit Schmachvollen Frieden zu schließen. Wer war's, der ihn da mit starker Hand Geschirmt vor Rebellenschaaren? Wer war es, der ihn flehend vermahnt, Die Würde des Throns zu wahren? 2«2 Wer hielt bei ihm aus mit Rath und That, Ein Felsen im Braus der Wogen, Bis, Hilfe bringend, Herr Podiebrad Aus Böhmen herangezogen? Und als, da die lange Kriegesfrohn Des Schatzes Truhen geleeret, Die Söldner den rückständigen Lohn, Mit Abzug drohend, begehret: , Wer hielt sie mit freud'gem Opfermuth Im Dienste Friedrichs zurücke? Wer wagte sein, seines Kindes Gut An Habsburgs schwanke Geschicke? Er war es! er selbst! Und jetzt! o Gott! Kaum weiß er sein Elend zu fassen! Bon Gläub'gern bedrängt, der Feinde Spott, Von stinem Kaiser verlassen! Die Wahrheit in schnöden Trug verkehrt, Das Recht in Unrecht verwandelt, Und er, wenn er das Seine begehrt, Als frecher Bettler behandelt! „Weh euch, die ihr mir mein Recht verwehrt! „Ich schwör's mit heiligem Eide!" Er zuckt mit der Rechten nach dem Schwert, Und reißt es halb aus der Scheide. 203 Des Greises Augen funkeln und glüksn Gleich unheilkündenden Sternen, Und finster murmelt er vor sich hin: „Sie sollen mich kennen lernen!" 2»4 II. Daumkircher! welcher Verblendung Nacht Hielt dir die Sinne umwoben, Als du, der Sieger in mancher Schlacht, Des Aufruhrs Fahne erhoben? Als du, für kurzer Rache Gewinn, Den Feind gewählt zum Genossen, Und mit dem Ungarkönig Corvin Ein frevles Bündniß geschlossen?! Unseliger du! trotz Acht und Bann Des Rachewerkes beflissen! — Hans Stubenberg, seinen Tochtermann, Hat er mit sich fortgerissen, Die mächt'gen Herren von Liechtenstein Sie stehn zu Baumkirchers Fahne, — Zum Heer verdichten sich seine Reih'n, Der Sturm schwillt an zum Orkane! — Zn Rom, wo er dem Papste sich neigt, Erreicht den Kaiser die Kunde, Und als er sie vernommen, besteigt Sein Pferd er zur selben Stunde. Er spricht kein Wort, er hat keinen Blick Für Welschlands Schönheit im Lenze; Im Fluge geht's nach Deutschland zurück, Bis überschritten die Grenze. Nicht länger soll der Empörung Graus Im Herzen des Reiches walten! Er schreibt in Eil' einen Landtag aus, Zu Völkermarkt abzuhalten. Dem Landtag halten sich klüglich fern, Die gegen Friedrich in Waffen, Doch auch die ihm treu geblieb'nen Herr'n, Sie können nicht Hilfe schaffen. „Die Länder verwüstet, weit und breit, Die Grenzen von Feinden starrend, Die Söldnertruppen seit langer Zeit Vergeblich auf Löhnung harrend, Vom Brand ergriffen das eig'ne Haus, — Da ist kein Rath zu ersinnen, Als: gleicht euch mit den Rebellen aus, Und trachtet sie zu gewinnen." — Daß nicht ohnmächtigen Zornes Qual Das Eis seines Stolzes schmelze, Verläßt der Kaiser schweigend den Saal Und wandelt nach dem Gehölze. 20k Verstohlen folgt ihm auf seinem Pfad Ein Mannlein mit weißen Haaren, Herr Puchau, sein vielvertrauter Rath, In allen Ränken erfahren. Rings Stille, so tief, so frühlingsklar! Im Holze pickt nur der Häher. Der Kaiser wird den Alten gewahr Und winkt ihm gebietend: Näher! Er spricht, — o wie vorn verhaltenen Groll Die Lippen ihm fahl erbleichen! „Vernahmst du den guten Rath? Ich soll Mich mit Rebellen vergleichen!" Ein schwer unterdrückter Haß erglimmt Im Aug' des alten Gesellen: „Mein gnädigster Herr! 's ist, wie man's nimmt Ich weiß nur von einem Rebellen. Baumkircher ist's! der gefährliche Mann, Der all' die Andern umsponnen! Wär' er beseitigt, wie bald wär' dann Der Aufstand in Sand verronnen!" Das Röslein, das ihm zu Füßen sprießt, Stampft wild der Kaiser zu Boden: „Wohl redest du wahr! Baumkircher ist Des Aufstands Seele und Odem! 207 Doch weil er es ist, und weil er allein Sich kühn gegen uns mag stemmen, Verschwindet der letzte Hoffnungsschein, Den Lauf des Unheils zu hemmen." „Ich meine, lächelt Herr Pnchau kalt, Ein Mittel wird es doch geben! Weit festere Schlingen als die Gewalt Versteht die Klugheit zn weben. Ihn trieb erlittene Kränkung allein Die Majestät zu beleid'gen; — So ruft ihn an Euer» Hof, um sein Angeblich Recht zn vertheid'gen! „Das ist mein Rath, Herr! kurz und schlicht. Seht selber zu, ob er tauge." Als traue er seinen Sinnen nicht, Hebt rasch der Kaiser das Auge. Er steht, von dem Gedanken erschreckt, Der jetzt in ihm aufgegangen, Und eine dunkle Rothe bedeckt Die erst noch so bleichen Wangen. „ Nein! murmelt er, nichts, o nichts davon! Willst Gift ins Herz du mir streuen? Baumkircher hat mir und meinen! Thron Durch Jahre gedient in Treuen!" 208 „Längst hat sein Verrath das wett gemacht, Spricht Jener, gebückt zur Erde. Jetzt, gnädigster Herr, seid nur bedacht, Daß wirklich sein Recht ihm werde." Zu schlichten den arg verworr'nen Streit, Soll selbst er zu Graz erscheinen. Entbietet ihn! gebt ihm frei Geleit! So geht es wohl, sollt' ich meinen." Scheu wendet der Kaiser das Gesicht, Er flüstert bang und beklommen: „Und wenn er nicht käme?" Puchau spricht: „Seid ruhig, Herr! er wird kommen!" III. /ran Marthe, Baumkirchers einzig Kind, Mahnt ab, mit ahnendem Grauen: „Ihr wißt, wie böse sie Euch gesinnt. Und wollt Euch ihnen vertrauen? Ich sähe Euch lieber von Priesterhand Gesalbt schon mit heil'gem Oehle! Ihr waget Euch an des Abgrund's Rand, Ihr geht in des Drachen Höhle!" Baumkircher blickt sie mit Strenge an: „Wie magst du so thöricht sprechen? Sein Wort hält jeder ehrliche Mann, Wird seines der Kaiser brechen? Sein Schutzbrief sichert mir frei Geleit; Was magst du noch mehr verlangen? Wenn einer, gilt eines Fürsten Eid! Drum laß das Zagen und Bangen." B. Paoli, Neueste Gedichte. 14 21 « „Schon einmal saht Ihr mit seinem Wort. Nach Willkür den Kaiser schalten! Trotz aller Mahnung ihn fort und fort Das Eu're Euch vorenthalten!" Baumkircher fährt auf voll Ungeduld: „Da war er nur schlecht berathen! Der Schranzen war's und der Schreiber Schuld Er war nicht Herr seiner Thaten! „Jetzt endlich hat er die Schliche erkannt Der Lügenbrut, der gemeinen! Ich fasse die mir gebot'ne Hand Und halte sie fest in der meinen. O schwer und bitter hat mich's gedünkt, Mich gegen den Herrn zu wenden! Doch nun mir neu seine Gnade winkt, Wird all dieses Wirrsal enden!" Frau Martha senket das Haupt im Harm, Sie kann die Sorge nicht bannen. Beschwörend faßt sie des Vaters Arm, Und fleht: „O zieh nicht von bannen! Daß tückisch lauernd das Unglück wacht, Deß ward mir sichere Kunde: Es schrie das Käuzlein die ganze Nacht, Im Hofe heulten die Hunde! 21t Der Ritter lacht. „Das arme Gethier, Das also jämmerlich klagte! Ein Zeichen scheint mir's, untrüglich schier, Daß arger Hunger es plagte. Doch nun lebe wohl! sei froh gefaßt! Bald siehst du, von hoher Warte, Mich wiederkehren in freud'ger Hast! Leb wohl, meine traute Marthe!" Er küßt sie zärtlich aus Stirn und Wang', Er winket und grüßet munter, Dann sprengt er vom steilen Felsenhang Der Burg in das Thal hinunter. Es zieht sich der Weg bergauf, bergab, Die Sporen gibt er dem Rosse, Und reitet im lang gestreckten Trab Nach Graz, nach dem Kaiserschlosse. 14 * IV. Raum hat der purpurne Morgenstral Vom Schlummer geweckt die Erde. Da halt er vor des Schlosses Portal Und schwingt sich herab vom Pferde. Warum er also hastet und jagt, Er weiß sich's selbst nicht zu deuten! Ist frei Geleit ihm doch zugesagt Vom Früh- bis zum Abendläuten! Er pochet, lächelnd ob seiner Hast, Jetzt an die eichene Pforte. Geöffnet wird sie dem frühen Gast Mit lässig zögerndem Worte. Er schreitet hin durch der Diener Reih', Die, halb noch im Schlafe, stammeln: „Wohl manche Stunde schleicht noch vorbei Bis sich die Herren versammeln." „Ich denke, deß hat es keine Noth! Sie werden so lang nicht bleiben. Des Kaisers Befehl, der mich her entbot, Wird sie auch zur Eile treiben. 213 Geht! bringet mir einen frischen Trank, Nach alter, gastlicher Sitte! Ich will indessen auf dieser Bank Ausruhen vom langen Ritte!" Umsonst! zur erwünschten Ruhe läßt Ihn Ungeduld nicht gelangen. Er murmelt, die Hand zur Faust gepreßt: „Ist das ein Hangen und Bangen!" Zwei Stunden »erschleichen. Die Sonne flammt Schon hoch am azurenen Sitze, — Da endlich kommen sie allesammt, Herr Puchau an ihrer Spitze. „Wo ist der Kaiser? mein gnäd'ger Herr?" Baumkircher erhebt die Frage. „Ach! leider befiel ein Siechthum schwer Den Kaiser am gestrigen Tage. Von Fiebergluth das Auge getrübt, Muß sorgliche Ruh' er halten. So wollen wir nun, wenn's Euch beliebt, Ohn' ihn der Geschäfte walten." Baumkircher tritt an den Sprecher dicht, Es zucket um seine Brauen. „So soll ich sein theu'res Angesicht, Das lang entbehrte, nicht schauen?" 214 „Ihr hört ja: ihn hält die Krankheit gebannt. Nothwendigem muß man sich fügen! Doch hat er uns statt seiner entsandt, — Ich denke, das mag genügen." Baumkircher zögert; er prüft und sinnt, Ob er sich dem unterwerfe, Doch, rasch sich setzend, Puchan beginnt Mit näselnder Stimme Schärfe: „„Erleuchtung wünschend bei ihrem Thun Den Herren all', die da kamen. Beginne ich die Verhandlung nun In Kaisers Auftrag und Namen! „„Ihr wisset, Ritter, warum er Euch Vor dieses Gericht beschieden: Mit Aufruhr verstörtet Ihr das Reich, Verletztet den Landesfriedeu. Doch will der Kaiser in seiner Huld Nicht hoffnungslos Euch vervehmen! Ein reuvoll Geständniß Eu'rer Schuld Kanu sie vom Haupte Euch nehmen!"" Mit festem Muth Baumkircher versetzt: „Wohl habe ich mich vergangen! Doch wer ward schwerer als ich verletzt? In ärgern Schlingen gefangen? Beging ich Unrecht, so wird davon Die Schuld nur Jener gesteigert, Die, jahrelang, unter Spott und Hohn, Mein gutes Recht mir verweigert!" „„Ihr spielt auf Eu're Forderung an? Nicht rühmlich ist solch' Verlangen! Sagt! ziemt sich's für einen Rittersmanu So gierig am Gold zu hangen?"" „Am Golde? ich? Nun bei Christi Blut! Wem da die Geduld nicht endet! Hab' ich denn nicht all mein Hab und Gut Zum Dienst des Kaisers verwendet?" „Und hätte der Feind das Purpurkleid Von seinen Schultern gerissen, Mir wär' um meinen Verlust nicht leid! Gern wollt' ich den Bettel missen. Die nicht von ihm verschuldete Noth Ertrüge ich fest und heiter, Und willig suchte ich mir mein Brod Als Landsknecht oder als Reiter." „Nur daß er, nachdem der Sieg ihm ward. Mich kalt von sich abgeschüttelt, Die schlimme Kränkung hat allzu hart An meiner Treue gerüttelt. 21 « Ein Wort aus des Kaisers Munde bricht Mein Bündniß mit Ungarns Horden! Doch wisset: eher ruhe ich nicht Bis volles Recht mir geworden/' „„Wohlan! so thut uns vor Allem kund, Wohin jene Summen geflossen, Die Ihr, hat Eure Behauptung Grund, Dem Kaiser einst vorgeschossen?"" „Das fragt Ihr mich noch? Bei meinem Schwert Die Antwort liegt nah' zu Handen: Die Söldner hab' ich damit ernährt, Die für ihn im Felde standen!" „„Gemach! zum Worte, das Einer spricht. Muß sich der Beweis gesellen, Drum frag' ich Euch: könnt Ihr dem Gericht Glaubwürdige Zeugen stellen?"" „Zwar bin ich gewohnt, daß männiglich Sich meinem Ritterwort beuge, Doch, muß es sein, so füge ich mich: Der Eggenberg ist mein Zeuge," „„Wen, Ritter, habt Ihr uns da genannt? Fragt Puchau mit Truggeberden, Herr Eggenberg weilt in fernem Land, Kann hier nicht vernommen werden. 217 Verzichtet auf seine Zeugenschaft, Wie gerne er sie Euch gönnte, Und sucht nach andrer Beweiseskraft, Bringt Schriften und Documente!"" Baumkircher zieht aus des Gurtes Huth Ein Täschlein mit Goldgespänge. „Sind Documente zu Etwas gut, Da habt Ihr deren die Menge! Genügt der Beweis Euch. wirr und kraus, Dem Tintenfasse entquollen?" Und auf den Rathstisch streut er aus Die pergamentenen Rollen. — Die Stunden enteilen wie im Flug Beim Forschen und beim Vergleichen; Geprüft wird jeglicher Strich und Zug, Geprüft jedes Siegel und Zeichen. Die Räthe schauen sich müd' und matt, Daß ihnen die Augen schwimmen! Hier fehlt das Datum auf einem Blatt, Dort will die Rechnung nicht sümmen! Wann sah man wohl jemals ein Gericht So eifrig wie dieses tagen? Die wackern Herr'n beachten es nicht, Daß längst es zwölf Uhr geschlagen. 218 Gewissenhaft ist Jeder bestrebt. Den Werth der Ford'rung zu schätzen, Bis endlich sich Herr Puchau erhebt, Dem Fleiße ein Ziel zu setzen. „„Bleibt uns auch Manches und Vieles noch Zu sichten, zurecht zu legen, So mein' ich, wir sollten vorher doch Ein Bischen des Leibes pflegen. Ein Stündlein sei der Geschäfte Last Von unsern'Schultern genommen! Ihr, Ritter Baumkircher, seid als Gast Des Kaisers uns hochwillkommen!"" „Herr Puchau! laßt uns die werthe Zeit Vergeuden nicht beim Bankette! Ihr wißt es ja selbst: mein frei Geleit Gilt nur bis zur Abendmette." „„Wir halten dran nicht so peinlich fest. Seid deßhalb ganz außer Sorgen! Mit wenigen Federstrichen läßt Es sich verlängern bis morgen."" „Das wolltet Ihr thun?" „„Gewiß! gewiß! Zum beiderseitigen Frommen! Unmöglich dünkt es mich ohnedieß Noch heut' zu Ende zu kommen. 21 !» Doch morgen fällen wir, Euch zu Dank, Den Spruch nach bestem Ermessen. Nun aber folgt mir, bei Speis' und Trank Der Sorgenlast zu vergessen!"" Wie duften die Speisen würzig fein In silbergetrieb'nen Schalen! Wie schäumt und perlet der edle Wein In dunkelgrünen Pokalen! Als sorglicher Wirth hat Puchau baß Beim Gast seinen Platz genommen. Er legt' ihm vor, er füllt ihm vas Glas, Wohl mög' es dem Ritter bekommen! Vertraulich rückt er ihm näher und schwört. Wie sehr ihm's am Herzen nagte, Daß man so lange, vom Scheine bethört, Dem Treuen sein Recht versagte. Und leiser flüstert er ihm ins Ohr: „So sind die Fürsten, die besten!" Baumkircher! Baumkircher! sieh dich vor! Schon neigt die Sonne nach Westen! Da, endlich auf Sicherheit bedacht, Zieht er Herr Puchau bei Seite: „Verlängert, wie Ihr's vorhin verspracht, Mir schriftlich mein frei Geleite!" 220 „„Auf meine Gefahr? das geht nicht an! Zwar diente ich Euch mit Freuden, Doch über den geächteten Mann Darf nur der Kaiser entscheiden."" „Der Kaiser? Sagtet ihr nicht er sei Für Niemand zu sehen, zu sprechen?" „„Für mich ist er's Wohl! Mir steht es frei Die strenge Klausur zu brechen. Ich eile zu ihm, ihm nach Gebühr Der Dinge Stand zu erklären. Harrt meiner indeß im Saale hier, Bald seht ihr mich wiederkehren!"" Fort eilt er. — Baumkircher blickt ihm nach, Verwirrt, mit sich selbst im Streite. Den Blick gesenkt, durchmißt das Gemach Er sinnend die Läng' und Breite. Der Argwohn faßt ihn, mit gift'gem Blick Das fromme Vertrauen lähmend, Allein der Ritter weist ihn zurück, Im Herzen sich seiner schämend. „Nein! denkt er, noch gilt des Eides Band, Und dieses hält sie gebunden! Ich bin in einem christlichen Land, Bin nicht unter Türkenhunden! Ein Wortbruch? O rettungslose Schmach, Vor der selbst der Räuber schaudert!" Und, wieder durchschreitend das Gemach: „Wie lang doch der Puchau zaudert!" Baumkircher! siehst du die Berge nicht, Die schirmend die Stadt umkränzen, Im weithin stralenden Purpurlicht Des scheidenden Tages glänzen? Blick auf, und sieh die Wellen im Strom Wie flüssiges Gold erglühen, Die steinernen Blumen dort am Dom Im Abendschein farbig blühen! Jetzt fahrt er empor! Ein wilder Schrei, Ein Fluch, —' und fort aus dem Saale, An Marschalk und Trabanten vorbei, Stürmt er hinab zum Portale. Er schwingt sich mit einem Sprung aufs Pferd, Er drückt ihm den Sporn in die Weichen, Er rast dahin wie der Sturmwind fährt, Wie eilende Wolken streichen! Schon ist der äuß're Zwinger erreicht! Gottlob! das Pförtlein noch offen! Sein stürmisch fliegendes Herz beschleicht Aufs neue ein frohes Hoffen. 222 Wie jagt er! wie flattern silberweiß Im Winde des Greises Locken! Da, horch! ertönt in den Lüften leis' Das Läuten der Abendglocken Und eh' noch des Wächters Hornruf gellt Ist an dem Pförtlein der Ritter! Weh! vor den Nüstern des Rosses fällt Herunter das Eisengitter. Jetzt schmettert auch des Hornes Signal, — Es singet ihm Sterbelieder! Doch nein! noch dämmert ein Hoffnnngsstral! Den Rappen wendet er wieder. Greif aus! greif aus! — Auf felsiger Bahn, Von Abendnebeln umflossen, Sprengt er zum obern Thore hinan, — Auch dieß, auch dieses verschlossen! Es zuckt noch über sein Angesicht Ein tiefstes, ein letztes Wehe, Dann faltet er die Hände und spricht; „Mein Gott! dein Wille geschehe!" Die Schlüssel kreischen, der Riegel knarrt, Aufthut sich des Thores Weite, Die Schergen, die schon des Fangs geharrt, Umstellen die edle Beute. 223 Voran ein Priester, des Heiles Pfand, Das Crucifix in der Rechten, Und hinter ihm, im rothen Gewand, Der Henker mit seinen Knechten. — Baumkircher! du Held, vorn Ruhm erkiest Auf seinen Bahnen zu wallen! Trotz Schuld und blutiger Sühnung ist Das bess're Theil dir gefallen! So grimm kann die Axt des Henkers nicht Des Lebens Mark unterwühlen, Wie ihres eigenen Gewissens Gericht Die Meuchler auf seid'nen Pfühlen! Madara. Indische Legende. I. Das ist ein Treiben und ein Schaffen Im Königsschloß zu Madrapur! Die Krieger steh'n im Schmuck der Waffen, Von Roßgestampf erdröhnt die Flur. Doch gilt es heut kein feindlich Streiten, Es ist ihr Auftrag and'rer Art: Nadara sollen sie begleiten. Des Königs Sohn, auf seiner Fahrt, Daß ein Gefvlg, wie seines Ranges Höhe Es heischt und fordert, ihm zur Seite stehe. Denn seiner Heimat stillen Frieden, Das engumgrenzte Blüthenthal, Dem wandellosen Lenz beschicken, Verläßt er heut zum erstenmal! Nadara! o in dieser Stunde 225 Zerfließt für dich des Traumes Wett! Den Becher führst du froh zum Munde, Und ahnest nicht, was er enthält! Wenn bald nun seines Schaumes Perlen schwinden, O mögest du den Trank zu herb nicht finden! — Sie haben liebvoll ihn betrogen Um der Erkenntniß Theil; ihm ward Der Anblick jeden Weh's entzogen, Die Ahnung selbst der Qual erspart. Vom Himmel bis zur Erde nieder, Sieht er nur Lust an Lust gereiht, Nie hallte ihm ini Herzen wieder Das Donnerwort: Vergänglichkeit! Kein Schalten trübt das Licht, das ihm entglommen: Von Tod und Sünde hat er nie vernommen! Und jetzt tritt er aus seinem Eden In diese Welt voll Kampf und Fluch! Jetzt soll, statt in den heil'gen Beden, Er lesen in des Lebens Buch! Des greisen Vaters Wunsch und Wille Hat diese Lehrzeit ihm bestimmt; Er segnet aus des Herzens Fülle Den Sohn, der von ihm Abschied nimmt. „Dem Kind durft ich die Wahrheit mild verhüllen, — „Der Jüngling muß sein Menschenloos erfüllen! D. Paoli, Neueste Gedichte. 15 226 Vom Geist Nadara's unbegrissen, Verhallt die Warnung ohne Spur. Was weiß von Stürmen und von Riffen, Wer nie das dunkle Meer befuhr? — Erfüllt von seligem Vertrauen Schwingt er sich auf ves Rosses Bug, Und durch die Morgenhellen Auen Trabt stattlich hin der Reiterzug. Lang ehe im Zenith die Sonne glänzet, Steh'n sie am Flusse, der das Thal begrenzet. Aus leichten Flößen hingetragen Erreichen sie den andern Bord; Dort landen sie, und flüchtig jagen Sie auf der weiten Eb'ne fort, Bis sengend heiß des Mittags Schwüle, Bon Flammenschwingen angefacht, Nach eines Obdachs frischer Kühle Die Lechzenden verlangen macht. Dem Palmenhain, nicht fern vom Weg gelegen, Sie sprengen ihm mit froher Hast entgegen. Schon wölbt sich, wie ein grünend Hoffen, Ob ihre!« Haupt der schatt'ge Tann, Da, Plötzlich, wie vom Blitz getroffen, Hält seine» Hengst Nadara an. Welch' dunkles räthselhaftes Bangen 227 Hat ihn so jählings übermannt? Das Blut gescheucht aus seinen Wangen, Gelähmt die jugendkräft'ge Hand? Er, dessen Herz stets nur vor Lust erzittert, Was sah er, das ihn also tief erschüttert? Im Wald, wo traulich und verschwiegen Der Sonnenstral mit Blüthen kost, Sah er den kranken Bettler liegen, Geschüttelt hart vom Fieberfrost! Matt senkt sein Haupt zur Brust sich nieder, Sein Arm ist flehend ausgestreckt, Es sind die abgezehrten Glieder Mit Lumpen kümmerlich bedeckt. Mit Armuth und mit Siechthum schwer geschlagen, Zählt seine Stunden er nach seinen Plagen. — Als Rath Nadara beigegeben Folgt ihm ein heiliger Braman, Rein so im Denken wie in Leben, — Den winkt er jetzt zu sich heran. „Was, ob es meine Augen sehen, Mein Geist doch nicht zu fassen weiß,/ O lehre du mich es verstehen ! Sag' mir, was ist's mit diesem Greis?" „„Es spricht zu dir aus seinen Gramgeberden Das Elend, wie es wandelnd geht auf Erden!"" 15 * 228 Tief in Nadara's Seele nieder Sinkt dieses Wort und scheucht den Wahn. Nach langem Schweigen fragt er wieder: „Und kann auch mir das Elend nah'n?" „„ Es kann! — Ob selten es geschehe, Schon mehr als einmal sah die Welt, Gestürzt von gold'nen Thrones Höhe, Die Kön'ge Bettlern beigesellt!"" Nadara spornt sein Roß. Will er dem Sinnen, Das ihn bedrängt, durch rasche Flucht entrinnen? II. Purpurschein erglüht der Himmel, Melodisch rauscht der Roknabad, Ein glanzvoll heiteres Gewimmel Durchwogt die alte Königsstadt. Wohin der Blick erstaunt sich wendet, Trifft er auf Pracht und Ueberfluß, Das ganze Sein scheint hier verpfändet Dem sorglos schwelgenden Genuß. Befremdet steht Nadara sich inmitten Des tollen Treibens und der üpp'gen Sitten. Er folgt der dichten Menschenmenge Nach einem blühenden Gartenhain; Sein Ohr umschmeicheln süße Klänge, Wie Zauber dringt es auf ihn ein! Und, daß sein Taumel sich noch mehre, 230 Entfaltet in der lauen Nacht Des Landes schönste Bayadere Im Tanze ihrer Reize Macht. Sie zwingt des Jünglings Aug' an ihr zu hangen. Mit dunklem Grauen halb, halb mit Verlangen. Sie neigt und bückt und hebt sich wieder, Hingaukelnd auf dem blum'gen Grund, Sichtbarer Wohllaut ihre Glieder, Wollüst'ger Sehnsucht Thron ihr Mund! Die rabenschwarzen Locken wehen, Jni Nachtwind flattert ihr Gewand, Ein Hauch scheint von ihr auszugehen, Der glüh die Sinne übermannt! Jetzt trifft der Königssohn ihr dunkles Auge, — Ihm ist, als ob es in sein Herz sich sauge! Er ahnt in dieses Weibes Nähe Ein überschwänglich reiches Glück, Und dennoch, wie vor einem Wehe, Bebt schaudernd er davor zurück! Verstört in seinem tiefsten Leben, Ergreift er des Bramanen Hand: „Du sollst, du mußt mir Aufschluß geben, Mich lösen aus des Zweifels Band. Wer ist sie, die, will ich ihr scheu entfliehen, Mich übermächtig weiß an sich zu ziehen? 231 „„Die Sünde ist es! Graus von innen, Und außen lockende Gestalt/"' Nadara fragt in tiefem Sinnen: „Hat sie auch über mich Gewalt?" „„Die hat sie! denn in trüber Zweiheit Befehden Körper sich und Geist, Und früher nicht stralt uns die Freiheit, Als bis der Maya Schleier reißt!"" Der Jüngling hat zum Gehen sich gewendet, — Fahl scheint ihm jetzt, was erst fein Aug' geblendet III. Die gluthversengten Halme trinken Sich an dem Thau des Himmels feucht; Benares' Tempelzinnen blinken, Schon ist die heil'ge Stadt erreicht. Doch wie Nadara mit den Seinen Sich naht dem erzgetrieb'nen Thor, Wallt unter lautem Klagen, Weinen Ein Menschenzug daraus hervor, Gesenkten Haupts, mit kummerschwerem Schritte, Und eine Bahre in des Zuges Mitte. Nadara will den Müden schauen, Der auf der dunkeln Bahre ruht. Jetzt sieht er ihn,-o Schreck! o Grauen! In diesen Wangen wohnt kein Blut! Von strenger Starrheit übergössen Die unbewegliche Gestalt, Die Lippe stumm, das Aug' geschlossen, Die bleiche Hand so schaurig kalt! „Was ist's mit Diesem? fragt Nadara leise. „„Das ist der Tod!"" entgegnet ihm der Weise. 233 Dieß Wort, von Schrecken überschäumend, Bis an sein Herz dringt es hinan. „Der Tod?" — so wiederholt er träumend, Und trifft auch mich des Todes Bann?" „„Gewiß! die da auf Erden leben, Sind unterworfen seiner Macht, Er reißt sie, wie sie widerstreben, Hinunter ehe ste's gedacht. Du magst die Spanne Zeit mit Glanz dir färben Doch Eines nur ist sicher: Du mußt sterben!"" Da schwingt Nadara sich vom Pferde, Er wirft von sich sein Goldgewand, Und mit verachtender Geberde Löst er der Stirne Kronenband „Nicht länger täuscht mich euer Gleißen, Erlogner Herrschaft Zeichen ihr! Zum Spotte nicht will Fürst ich heißen Will prunken nicht mit eitler Zier, Indessen grimm auf allen meinen Wegen, Mir Elend, Tod und Sünde tritt entgegen!" „Sie sind der Erde wahre Fürsten, Zum Herrschen über sie bestellt! Und ich, ich sollte thöricht dürsten Nach einem Thron in ihrer Welt? Ein Glied der menschlichen Gemeine, 234 In der das Weh sich fortvererbt, Sollt' ich erfreuen mich am Scheine, Der meine Ketten goldig färbt? Demselben Joch wie meine Bruder fröhnig, Sollt' ich mich fühlen als ihr Herr und König?" „Der Kreatur sündhafte Schwachen, Ihr Leid, ihr schnell verrauschtes Sein Sie mahnten, wie an ein Verbrechen, Mich stets an meiner Ohnmacht Pein! Drum laß mich, Welt, auf dich verzichten! Entsagung, mache du mich frei! Zum Himalaya will ich flüchten, Und dort in einer Siedelet, Niemals von eines Menschen Fuß betreten, Fiir's Heil der Welt und für das meine beten!" Selösterkeötes. Ein grimmer Jammer nagte mir am Herzen, Ein Leiden tiefer als es Worte künden, Warf seinen dunkeln Schatte» auf mein Leben. Das ist nun lang vorüber. Frei erhebt Mein Blick sich wieder zu dem gold'nen Aether, Die Seele athmet wieder Morgenluft. Und doch! gedenk' ich jener fernen Zeit, Fühl' ich noch jetzt ein räthselhaftes Grauen. Das Weh, deß letzte Spur schon längst entschwand, In der Erinnerung macht es mich erbeben! Mir geht's damit, wie's jenem Mann erging, Der einst zur Winterszeit, auf seinem Rosse, Durch Nacht und Schneesturm seinen Weg gesucht. Gefahren drohten ihm bei jedem Schritt, Und jeder Schritt erheischte neuen Kampf Mit den erbarmungslosen Elementen. Eisnadeln ritzten blutig sein Gesicht, Des Sturmes Wuth entzog ihm schier den Odem, Die Weißen Wirbel blendeten sein Auge, Und ballten dicht und dichter sich um ihn, Als wollten sie zu seinen! Bahrtuch werden. Und, mit den Todesmächten rings im Bund, 23V Beschlich den Abgemüdeten die Sehnsucht Nach Ruh und Schlaf, nach tiefem, stillen Schlaf, Sollt' ihm auch nimmer ein Erwachen folgen. Er aber raffte muthig sich empor, Statt dem Syrenenrufe zu gehorchen, Faßt' er was ihm an Kraft noch blieb zusammen, Und nahm den Kampf aufs neue wieder auf. Als Sieger ging er glücklich draus hervor. — Es dämmerte. Aufathmend sah der Reiter Sich in der Nähe eines schmucken Dorfes. Ein Lächeln überflog sein Angesicht! Sich aus dem Sattel schwingend, führte er Das müde Thier am Zügel nach den Häusern, Die blank im Morgenschimmer vor ihm lagen. Geschäft'ge Menschen kamen ihm entgegen, Und blickten ihn, ihm schien's verwundert, an. „Woher des Weges?" fragte, näher tretend Ihn Einer nun. „„Von Rorschach,"" war die Antwort, Und mit der Hand bezeichnete der Reiter Die Richtung ihm, aus welcher er gekommen. „Um Gott! rief Jener, welch ein tolles Wagniß, „Bei Nacht und Nebel über'n See zu reiten, „Deß Eis an hundert Stellen kracht und birst!" „„Den See?"" erbleichend stammelt es der Wand'rer. „„Ich wäre auf dem See?"" — „Wie anders denn? „Von Rorschach führt kein andrer Weg hieher. „Ihr wußtet's nicht? Traun! Euch hat Gott beschützt, „Und durch ein halbes Wunder Euch gerettet! „Auf beiden Knien mögt Ihr ihm dafür danken! 237 „Wie starr Ihr seid! Kommt Euch am Herd zu wärmen Der Reiter aber stand vor Schreck gelähmt, Die Größe der Gefahr, der er entronnen. Durchzuckte wie ein Blitzstrahl sein Gehirn. Ihm war, als fühlt' er unter seinen Füßen Den festen Boden plötzlich wanken, weichen, Als griff' der Tod mit kaltem Arm nach ihm, Hinunter ihn ins Wellengrab zu ziehen, Und schaudernd brach der starke Mann zusammen. — So zucket auch durch mein beschwichtigt Herz, Das sich durch Kampf des Friedens Gut errungen, Noch jetzt ein dunkler Schreck, wenn ich bedenke, Wie nah ich in der finstern Nacht des Jammers Dem Tod, wie nahe dem Verderben war! Genug davon! nicht darum handelt sich's. Erwähnt' ich dessen, so geschah es nur, Damit ihr an dem Grau'n, das noch der Rückblick Auf jene Zeit in meiner Brust erweckt, Nach seinem vollen Maße messen lernet, Was ich in ihr gelitten haben muß. Wer nicht die Wunde sah, der weiß auch nicht Den linden Balsam, der sie kühlt, zu würd'gen. — — Den langen, endlos langen Sommertag War ich m meinem Haus allein geblieben, Im liebeleeren, glückverwais'ten Haus. Versucht, begonnen hatt' ich Mancherlei 238 Den trägen Gang der Stunden zu beflügeln, — Es war umsonst! Wie der Magnet zum Pol, So strebte all mein Denken und Empfinden Nur immer einem, einem Ziele zu, Und wollte nicht mit Andern: sich befassen. Ein Gran'n befiel mich in der Einsamkeit, Mir bangte vor mir selbst, es zog mich fort, — Ins Freie eilte ich, mir zu entfliehen. Dem Westen neigte sich die Sonne zu. Von seitwärts nur noch in die Straßen lugend, Durch die ein bunter Schwärm von Menschen wogte. Die Einen hastig, mit beeilten: Schritt, Noch bis zum Abend des Geschäfts beflissen; Die Andern schlenderten gemächlich hin, Die Abendkühle suchend, und in ihr Ausruhend von des Tages Müßiggang, Indeß, erschöpft und müd' von schwerer Arbeit, Die Hörigen der Armuth heimwärts schlichen, Der Ruhe süßes Labsal zu genießen, Das ihnen nur die Nacht allein gewährt. Sie alle zogen ihres Weg's, mit sich Allein, dem eig'nen Vortheil und Behagen, Dem eig'nen Wunsch und Drangsal nur beschäftigt. Wie einsam fühlte ich mich unter ihnen! Als wären sie Geschöpfe and'rer Art, Bewohner eines anderen Planeten, So fremd schien mir ihr Thun und ihr Gebühren, So losgetrennt mein Wesen von dem ihren. Es war der Hochmuth eines großen Schmerzes, 23 !» Der trotzig fordert, daß ein jedes Haupt Vor seiner düstern Majestät sich beuge, Und alle Welt sein Herrscherrecht erkenne. Wie thöricht, wie verkehrt ein solch Verlangen, Jetzt weiß ich's wohl, doch damals ahnt' ich's nicht, Und dünkte mich ein Blatt, vom Sturmeswehen Getrieben durch das schaurig öde All! Gesenkten Aug's schlug ich den Rückweg ein, Die Menschen ringsum länger nicht beachtend, In dumpfes Brüten tiefer stets versinkend. Da, Plötzlich, fand ich mich im Geh'» gehemmt Ich blickte auf, und vor mir stand ein Knabe, — Zwölf Jahre möcht er zählen, — schlicht, fast ärmlich Gekleidet, schien er kleiner Leute Kind, Doch solcher, die die Armuth nicht erniedrigt Und in den Pfuhl nicht der Gemeinheit stößt, Denn in des Knaben weichen Zügen lag Der holde Ausdruck inn'rer Sittigung. Er stand vor mir, die klaren, braunen Augen Mit einem Frageblick auf mich geheftet Als sollten sie ins Innerste mir schau'n. Befremdet blieb ich steh'n und sann vergeblich, Ob ich dem Kleinen früher je begegnet, Doch keine Spur wies mein Erinnern auf. So fragt ich ihn nun, was er von mir wolle, Und ob er mich denn kenne. „Nein, das nicht!" Erwiederte er schüchtern, „doch Sie sehen So traurig aus, daß mir's zu Herzen ging. 24 « -Ich möchte Ihnen gar so gerne helfen, Wenn ich's nur könnte!" Rührung faßte mich, Und Wehmuththränen traten mir ins Auge, Nach langer Dürre milder Himmelsthau! „„Du kannst es nicht, mein Kind! kein Mensch vermag's."" „Gewiß nicht?" „„Nein."" Ein Schatten überflog Des Knaben Antlitz und er sagte leise: „Vielleicht hilft Gott! Ich will ihn darum bitten. Nur länger nicht so traurig, arme Frau!" Noch einen Blick voll Mitleid auf mich werfend, Winkt' er mir freundlich, lüftete das Mützchen Und ging. Nicht wieder hab' ich ihn geseh'n Nicht wieder hab' ich ihn geseh'n, allein der Hauch, Der Liebeshauch, der dieser jungen Seele So warm entströmte, duftet durch mein Leben, Und Rettung bracht' er mir in jener Zeit! Er löste meines Innern starren Krampf, Die Eisesrinde schmolz, mit der die Selbstsucht Des Schmerzes mein Gemüth umgeben hatte, Und nicht mehr einsam dünkt' ich mich im All'! Den Herzschlag fühlt' ich wieder, der elektrisch Hinfliegend durch der Wesen ganze Kette, Zu einem Leben Aller Leben macht! Nicht mehr vom Sturm fühlt' ich mich fortgetrieben, Nein! unzertrennlich mit dem Baum verwachsen, Deß Lebensmark, aus tiefen Wurzeln quellend, Geheimnißvoll durch Stamm und Zweige fließt. Ltl Um jede Blüthe, jedes Blatt zu nähren. Die Menschheit ist der Baum; die Wunderkraft, Die unverwüstlich sich durch ihn ergießt, Die heil'ge Kraft der Kräfte, ist die Liebe! Du aber, Kind! das, ohne es zu ahnen, Sie mir gezeigt in ihrer ganzen Fülle, Sei mir gesegnet, jetzt und immerdar! Vergessen hast du mich, nach Kindesart, Ich aber denke dein mit stiller Rührung, Und rufe mir dein liebes Bild zurück. Oft sinne ich: wie wird in küuft'gen Tage» Das Schicksal dieses Knaben sich gestalten? Doch müßig ist und eitel diese Frage. Wem die Natur ein Herz wie dein's verlieh, Wer so wie du den innigen Verband Von Allem was auf Erden lebt, empfindet, Dem werden seine eig'nen Bürden leicht! An jedem sreniden Glück sich still erfreuend, Erbarmen lächelnd jedem fremden Schmerz, Entringt er siegreich sich der dumpfen Enge Des Einzelthmns, aufgehend in der Menschheit, Ein Stral, der heim zu feiner Sonne kehrt! — Ml— B. Paolj, Neueste Gedichte.