Verbrechen aus Liebe ein dramatisches Gemälde in drei Aufzügen von I- Roller. Basel bei Johann Schweighauser. . M—» I79Z. Der Durchlauchtigsten Fürstin vor» Fürstenberg tn tiefster Ehrfurcht gewiedmet. Personen: Baron von Alting, Amalia, seine Tochter. Major von Grüner, ausser Dienst. Pastor Fröhlich, zu Spannheim. Taglin, Wachtmeister. Minnette, Amaliens Mädchen. Flik, des Barons Bedienter. MMM Erster Aufzug. (Zwo Seiten- und eine Mittelthüre.) Erster Auftritt. > Amalie, Minnette. Ämalie (iizt am Tische mit einer weiblichen Arbcie beschäftigt.) Minnette (kömmt nach einigen Minuten, sagt für sich:) Ich weiß nicht, wie ich sie geschikt vorbereiten soll. ( Sezt sich zu Amalien, nimmt gleichfalls eine Arbeit zur Hand; nach einer kleinen Pause:) Warum so stille, Fräulein? Amalie. Wirst du nicht müde werden das ewige Einerlei zu hören? Minnette^ Es ist wahr, Liebende wissen ^ nur einerlei zu reden. Scy's darum. j Amalie. Immer und immer, seit den acht Tagen nach unsrer Zurükkunft von Vicldm- s ^---^ gen war Taglin der Anfang und das Ende unsrer Gespräche. Mmnette. Von was sollten wir auch sonst reden? Sind wir nicht Ihm unser Leben zu verdanken schuldig? Amalie. O wie werd' ich Ihn je belohnen können! Mmnette. Noch immer fährt mir's durch die Seele , wenn ich mir denke, wie wir von Räubern umgeben waren; wenn ich den Fuhrmann binden sehe, dann die Unholde auf uns in der Kutsche losstürmen. — Wir haben uns zwar oft genug erzält, wie Taglin aus den Händen der Mörder uns rettete: dennoch hör' ich die Geschichte immer gern aust neue; und gleich einem Steine wälzt es sich dann von meinem Herzen, und ich athme noch einmal so leicht, wcnn's in der Erzälung auf den Zeitpunkt kömmt, wo ich uns wieder ausser Gefahr weiß. Amalie. Gutes Mädchen, das sind über- standene Dinge; wüßtest du, welche Leiden mir bevorstehen — Minnette. Sie erschreken mich. Amalie. Du weißt nicht, daß mir mein Vater schon einen Gatten bestimmte. 7 Minnette. Woher vermuthen Sie das? Amalie. Er erklärte sich deutlich hierüber in seinem leztern Briefe , den ich noch zu Vieldingen erhielt- Er befahl mir in die Stadt zurükzukehrcn, alles zu seinem baldigen Empfange zuzubereiten , und meldete mir zugleich, daß er gesinnet sey, bald nach seiner Rükkehr von Reifen meine Verbindung zu feiern. Minnette. Nun, das wäre allerliebst! Amalie Sey er auch der rechtschaffenste Mann, er verdiene meine ganze Hochachtung, es sey — doch meine Liebe — Minnette. Hat Taglin? Nicht wahr? — Gestehen Sie es immer. Amalie. Dir, nur dir, meiner einzigen Vertrauten darf ich es bekennen, und Ihm — vielleicht nie! Minnette. Haben Sie Ihn nur erst vis- L-vls, ich wette darauf, er versteht, was Sie Ihm auch nicht erklären, er erfährt, was Sie Ihm auch noch so sorgfältig verschweigen. Amalie. Aber Er, der die Ergiessung meiner Dankempfindungen nicht hören wollte, sollte der wohl ein willig Ohr für die Sprache der Liebe haben? 8 Mtnnette. So ein Zweifel wäre Versündigung an seiner Menschheit. Amalie. Oft nagt in einsamer Abendstunde der Gedanke mir am Herzen: wie! wenn Taglin derjenigen Menschen einer wäre/ welche/ zu erhaben über die weichern Gefühle kleiner Seelen / aus nichts / als Großmut und edlem Stolze zusammengesczt sind? Minnette- Das sind nichts als Träume/ mein Fräulein! Vielmehr glaub' ich / daß — Amalie. Was Minnette/ was glaubst du? Minnette. — Nun weiß ich selbst nicht/ was ich glauben soll — Amalte- Rede/ Mädchen/ rede/ was glaubst du? Minnette. Ja / daß Taglin Sie gewiß lieben wird. Amalte. Also noch nicht liebt? Minnette. Wie Sie einem doch die Worte verdrehen; wirklich liebt / wollt' ich sagen. Amalte. O wenn du wahr sagtest! Minnette. Gewiß/ gewiß liebt er Sie. Ich weiß — Amalte. Was weißt du? Mtnnette. Was ich weiß. Amalie. Täusche mein Herz nicht; nur;u gern glaubt man, was man so sehnlich wünscht. Mmnette. So sehnlich wünscht? und warum suchen Sie es nicht aus seinem eignen Munde zu hören? Amalie. Ich —wie?—nein—doch — Mmnette. Eben izt, da wir ganz allein, und sicher sind, wäre die beste Gelegenheit — Amalie. Versteh ich dich recht? Jchsollce? Mmnette. Unter irgend einem Verwände, versteht sich. Amalie. Nein, nein. Ein Mädchen, das mit seinem Licbcsantrag einem Jüngling zuvorkömmt, wirft sich weg. Mmnette. (All ihren Füssen:) Verzeihung mein Fräulein! Sie schrieben kezthin einen Brief an Taglin, und — Amalie Ich zerriß ihn wieder. Mmnette. Die Stükchen — Amalie. Nun? Mmnette. Sezt ich zusammen. Amalie. Wie! du — Mmnette. Taglin jlas, und (indem sie aussieht und die Thüre öffnet) hier ist die Antwort in Lebcnsgrösse. Zweiter Auftritt. Vorige, Taglin. ; ro Amalie. (Sinkt ,urük:) Gott! Taglin. (Für sich:) Ich hätte nicht kommen sollen! Minnette- Armes Fräulein! Hier — (gibt ihr Wohlriechendes.) — erholen Sie sich- — Gütiger Himmel, wie haben Sie mein Fräulein crschrckt! So eben crzälte Sie mir die Geschichte im Walde, und war an derStclle: „ auf einmal stürzte eine Rotte wilder Räu- „ der und Mörder aus dem Gebüsche, " als ich die Thür öffnete und Sie hcrcintratcn. — Fräulein! — Nun, und Sie stehen da und sehen ganz kaltblütig zu? Taglin. Kaltblütig? Nein, beim Himmel nicht! Amalie. (Erholet sich.) Ha l Minnette. Gott sey's gedankt, Sie erholet sich wieder. Amalie. ( Nach einer Pause:) Du hast Ihn schon wieder fortgelassen Minnette? Hast Ihm nicht gesagt, daß ich Ihn — Minnette. (Leise:) Stille doch, hier ist er ja. -- II Amalie. ( Rasch : ) Hier ? wo? (sieht sich «ach Ihm um und stiegt in semeLlrme:) Taglin! Mmnette. Fräulein! Fräulein! — Sie hat wahrhaftig den Verstand verloren. Amalie. Nun bin ich auf einmal glüklich! Taglin. (Ausser Fassung : ) Sie — Sie—- vergessen sich Fräulein! Amalie. (Jurükgeschrekt: ) Nein, das war Taglins Stimme nicht. — Minnctte, gieb mir deinen Arm; — ich war sehr zerstreut. — Führe mich auf mein Bette; ich bedarf der Ruhe. Mmnette. Ja wohl mein Fräulein. (Für sich:) Sie sucht ihre Uebcreilung wieder gut zu machen. — Kommen Sie. — (FührtSicab.) Dritter Auftritt. Taglin allein. O ich hätte nicht kommen sollen! — Und doch/ bat Sie mich nicht in den glühendsten Ausdrücken / schrieb Sie mir nicht in der zärtlichsten Sprache: ich sollte kommen/ die schwere Last / nicht danken zu können / von ihrem Herzen wälzen? War Sie nicht seit dem Abentheucr der einzige Gegenstand/ womit sich 12 meine Gedanken beschäftigen? Ich komme; und das ist nun alles, warum man mich rufen ließ? — Was soll ich denken? Wie soll ich diese Art des Empfangs deuten? — Ist Sie wahnsinnig; oder war ich wohl gar ein Gegenstand ihres Spotts, weil ich leichtsinnig, oder vielmehr verwegen genug war, eben fo sehr Liebe, als Dankbarkeit von ihr zu hoffen? — Ha, ich Thor! ich glaubte diesem zerrissenen Papiere, das vielleicht in einer schwärmerischen Stunde überschrieben, in einer kältern darauf wieder zerrissen ward; welches ein zu geschäftiges Mädchen zusammensczte, mir überbrachte, in der Hoffnung, einen Theil ihrer Dankschuld für ihre Rettung, durch diese schmeichelnde Einladung an mich abzuzalen.— Wie schnell sich doch der eitle Mensch geliebt wähnt! — Ich hatte schon meiner Armut vergessen. — Das beste Mädchen bleibt immer noch eine Sklavin der Eitelkeit. Liebt ein Mädchen, so ist das nichts mehr, als eine Bittschrift, welche ihr heisses Blut der Eitelkeit überreicht; die Gewährung dieser Bitten steht nur in des Reichen Vermögen, weil nur er die Mittel besitzt, dem Gözen zu räuchern. — Aber die Undankbare soll meiner nicht spotten. — Warum denn nicht? Hab ichs etwa nicht dafür verdient, daß ich mir die -- r; Rettung ihres Lebens bezalen ließ? — Und dennoch — mußt ich das Geld nicht annehme», wenn ich meine Mutter vor dem Hungertode schüzen wollte? — Vierter Auftritt. Taglin, Minnette. Taglin. Mädchen, rede Wahrheit: ist das Fräulein wahnsinnig ? Minnette. Und ich frage Sie: Sind Sie ein Liebhaber? Taglin. Ließ man mich rufen, um feinen Spaß mit mir zu haben? Minnette. Sind Sie ein Liebhaber? Taglin. Wodurch hab ich dicfe Demütigung verdient? Oder — war meine Erscheinung so schrekbar; bin ich zur ungelegenen Stunde gekommen? Hat man etwa einen andern erwartet? Hast du deinen Auftrag an den Unrechten abgegeben? Oder erwartete Amalie von mir, daß ich zu ihren Füssen hinsinken, und verliebte Tändeleien vorfchwazen sollte? Minnette. Auf welche von ihren Fragen soll ich antworten? Mein Herr, vergeben Sie 14 --.. . mir meine Offenherzigkeit, sind auch Sie wahnsinnig ? — So eine Art des Empfangs nicht verstehen/ das ist eine unverzeihliche Unwissenheit eines Liebhabers. Taglin. Sprichst du im Traum? Minnette. Sagte dieses Benehmen nicht alles, was je ein Liebhaber sich nur zu wünschen vermag? Taglin. Ha, ha, ha! Unvergleichlich! Auch das Mädchen hat mich zum Besten! (Will gehen.) Sage deinem Fräulein — Fünfter Auftritt. Vorige, Am alle. AmaUe- Ha! Sie da Taglin? — Minnette ! ( winkt ihr. ) Minnette. (Geht »b ) Taglin. Mein Fräulein — Amalie- < Mit etwas vornehnieN Eone:) Ich habe Sie rufen lassen Taglin, nicht um Ihnen meinen Dank zu sagen, den Sie ja nicht verdient haben wollen: sondern nur, um mich bei Ihnen — zu beurlauben. — Ich werde eine lange Reise antreten, und ich lasse keinen Menschen zurük, dem ich vertrauen dürfte; i; auch ist es ungewiß, ob ich je wieder zurnk kommen werde. Ich habe daher eine Bitte an Sie, die mir ihre Großmut nicht abschlagen wird. Taglin. Fräulein, haben Sie es darauf angelegt, mich ;um Narren zu machen? Amalie- Ich habe mir seit meiner frühen Jugend dieses Geld zusammengespart; wollten Sie es wohl in Verwahrung nehmen, so lange, bis Sie einen Nothleidenden finden, der dieser kleinen Hülfe würdig ist? —Es find nicht mehr als ;o Louisd'ors. — Dafür haben Sie die Güte, ihren Namen hieh.r zu unterschreiben. Taglin (sieht Sie mit forschendem Blikean.) Amalie. Sie wollen mir diesen kleinen Dienst versagen? Taglin. ( Nach einigem Besinnen: ) Wohl; ich schreibe. Amalie. (Gibt Ihm ein Blatt, biegt es «m, und läßt Ihm nur den Raum sehen, wohin er unterschreiben soll:) Hicher Ihren Namen. Taglin. (Hat geschrieben.) —> Geschehen. ' Amalie. Und hier die zo Louisd'ors. — (Den obigen Ton allniälig ins Sanftere verlierend:) — Und nun noch eine Bitte. Ich vertraue r6 -- . mich Ihnen ganz an Taglin. (forschend und gezogen: ) Ich habe — eine heimliche — Liebe. Taglin. (Betroffen:) Ha! Amalie. Und erhalte zuweilen Briefe; wollten Sie erlauben/ daß ich dieselben an Sie adrcssiren dürfte? und wollten Sie her- nach die Briefe an mich fchiken? — Ich gehe wieder nach Vieldingen zu meiner Tante; — die Strasse / hör ich / soll izt ganz sicher seyn. — < Liebreich:) Wollen Sie? Taglin- (Wie betäubt.-) Oja / ich — auch das noch. Amalie. Gut/ sehr gut; Sie verbinden mich sehr. Taglin. ( Verbissen :) Freut mich. (Pause der Verlegenheit.) (Ihre Büke suchen sich indessen öfters/ weiche» aber ertapt einander immer geschämig aus. Endlich kömmt Amalie auf die AuShilssrage:) Amalie. Wie geht's denn sonst? Taglin. Sonst? o sonst ist alles gut. Amalie. Sind Sie gerne beim Militär? Taglin. Muß wohl. Amalie. Das ist hart. Taglm. ' r? Taglin- Manchmal. Amalie. Suchen Sie loszukommen. Taglin. (Bitter:) Ich bin ein Freiwilliger. Amalie. Der muß? Sagten Sie nicht: muß wohl? Taglin. Etwas unternehmen, und ausführen — Amalie. Ist zweierlei, meinen Sie. Also wurden Sie gern, was Sie ungern bleiben? Taglin- (Ausweichend:) Ich klage nicht gern über Schiksal. Amalie. So lassen wir das. Ich wünsche — Ihnen — wohl zu leben. Taglin. Gleichfalls. (Geht unschlüssig.) Amalie. (Eben so unschlüssig:) Taglin! Taglin. Was befehlen Sie? Amalie. Ich habe Sie noch etwas fragen wollen. Taglin. So? Amalie. Ja. Taglin. Nun, fo fragen Sie. Amalie. Aber ich weiß nicht was. Taglin. Ich auch nicht. (Will gehen.) B Amalie. Herausplazend:) A propos! haben Sie auch ein Mädchen? Taglin. Ein Mädchen? Amalie. Das Sie lieben? Taglin. Das wohl. — Amalie. Von dem Sie auch wieder geliebt werden? Taglin. Weiß nicht- Amalie. (Naiv:) Sie müssen Sie darum fragen. Taglin. Ich würde mich schämen. Amalie. Warum das? Taglin- Es ist so kindisch zu fragen: Liebst du mich? Amalie. Was macht das zur Sache? Diese Kindersprache hab' ich wohl herzlich gern. Taglin- Sie? Amalie. Ja, ich. Taglin (Unbesonnen:) Wenn ich Sie also fragte: Lieben Sie mich, so würd' ich mich nicht zu schämen haben? Amalie. Was denken Sie? Im Gegentheile ; ich würde meinem Liebhaber, ohne schamroth zu werden, sagen: ich liebe dich. ^ 19 Taglin. Dennoch wurden Sie so eben roth. Amalie. ( Verlegen :) Ich roth? Taglin. Ja. Amalie- So ists doch gewiß nicht aus Schaam. Taglin- Aus was sonst? Amatte- Aus — ich weiß selbst nicht, was. — Sie sind Schuld daran. Taglin. Ich? Amalie. Ja; denn Sie haben mir so in die Augen gesehn, und da werd ich immer roth. — Aber wieder auf unser Voriges zu kommen, so rath ich Ihnen, ihr Mädchen kühn darum zu fragen. Taglin. Ich benehme mich gar ungeschikt bei so einer Frage. Amalie. Gleichviel, wenn nur verständlich. Wagen Sie es auf meine Gefahr. — Würden Sie ein Mädchen lieben, das sich Ihnen zuerst anträgt? (Zur Seite:) Das war doch verständlich. Taglin. (Einige Augenblike unschlüssig, dann küßt er mit Feuer AmalienS Hand, ruft :) Amalie! (kniet vor ihr, steht schnell wieder auf:) Gott! — Leben Sie wohl. (rennt nach der Thüre.) 2s -.- Amalie. (Ihm schnell nach, und sich ihm um den Hals werfend:) Taglin! (Pause.) Taglin (I» seiner wahren männlichen Starke:) Mädchen! was hast du aus mir gemacht? Amalte. Stolzer, grausamer Jüngling, zu welcher Demütigung nöthigst du mich; in welches Labirint von Lügen hast du mich versinkt ? Taglin. Ich hätte nicht kommen sollen! Amalie. Ich hätte dich darum Haffen können. Taglin. Amalie! >, verbirgt sein Gesicht.) Amalie. Was ist dir? Taglin. O — ! Amalie. Taglin! Taglin. Mich Elenden! Amalie. Rede, entdeke mir. Taglin. Amalie! ich muß es heraus sagen, und sollt es beider Herzen kosten. Amalie! ich bin der Unglüktichste der Menschen, und bin es durch — Sie. Amalie. Verläumdung! Taglin. Genügsam war mein Herz bis hieher; Taglin hatte keine Sorge, als seine Pflicht, und war glüklich. Es sind nun acht ri Tage, seitdem ich Sie aus den Handen der Mörder rettete; ich schrieb mir diese That zu meinem grösten Verdienste an: allein dieses Verdienst raubten Sie mir, denn — Sie bc- zaltcn mich dafür. Dieser Gedanke folterte mich lange; doch, ich konnte nicht anders, ich mußte ihr Geld annehmen, um meiner Mutter damit das Leben zu fristen. Amalie. O mich unaussprechlich Glükliche! Taglin. Ich will alles bekennen. Ich müßte meine Menschlichkeit verläugnen, wenn ich nicht gestehen wollte, daß ich vorn ersten Augenblike an, als ich Sie sah, auch Liebe für Sre fühlte. Ich kämpfte lange, endlich— Amalie. Und endlich? Taglin. Find' ich Gegenliebe, und mein Unglük ist vollkommen. Amalie (Von einem Gedanken überrascht, schweigt einige Minuten. betrachter Laglin genau, bricht endlich in den kläglichen Ausruf aus:) Du liebst eine andre! Taglin. (Mit Wärme:) Wenn der Bettler, zufrieden mit dem Wenigen, und kaum des Armuts Namen weiß, und darum, weil er keinen Wunsch mehr hat, der nicht befriedigt wäre, sich stolz mit einem König mißt; ist er da nicht glüklich? — Nun aber kömmt ein rr ^ ^ reicher Mann , er nennt ihm Güter, die er noch niemal kannte, er schildert seine Armut ihm vcrhassenswerth, er impfet seinem Herzen Wünsche ein, die es quälen. — Izt befriediget der reiche Mann sie ihm; er genießt — und ach! — er hat in dem Genusse schon den Nimmersatten Hunger nach mehrern solchen Gütern sich hineingegessen. — Doch izt tritt der reiche Mann von ihm zurük. — Der Glükliche ist nun wieder Bettler; aber nicht mehr zufrieden mit dem Wenigen; der Bedürfnisse kennt er mehrere; sie quälen ihn, seine Armut aber vermag sie nicht zu stillen. - Amalie! ich weiß, den Bettler bedauren Sie: den Reichen aber — ? Amalie. Würd' ich verabscheuen. Taglm- Geben Sie acht, mein Fräulein! Sie verurteilen sich selbst. Amalie. Desto eher will ich mich meinem Urteile unterwerfen. Taglm- Hören Sie die Anwendung auf mich. -- Ich habe noch nie geliebt, desto feuriger lieb' ich izt, und desto heftiger schmerzt es mich zu lieben — was ich nie besizen kann. Amalie. Ist es nur das? nur das? Du liebst Jüngling, und deine Seele hängt dem Gedanken der Unmöglichkeit nach? O der Liebe hat die Natur unendliche Grenzen verliehen. Ihr ist kein Zwek zu hoch, zu entfernt ; sie erreicht, sie überfliegt alle menschlichen Plane. Liebe schuf und umfaßt die Welten, und ihre treue Freundin heißt — Allmacht. Taglin. Erwägen Sie wohl mein Fräulein , daß der Fall desto gefährlicher ist, je von einer höhern Stuffe er geschieht. Amalie. Weg mit dieser feigen Liebe, weg mit dieser kalten Ueberlegung. O welch ein schwaches Werkzeug ist die Sprache im Dienste eines liebenden Herzens! Für die kalte, langsame Vernunft gut genug, aber nur gegen die leiseste Wallung des Herzens gerechnet, ist der beredtesten Zunge Geläufigkeit — Erstum- men. Noch nie fühlt' ich die Bettelei der Sprache so sehr, als izt- — Wenn du ein Herz hast, das geschaffen ist, das meinige zu verstehen, so verschwinde jede Bedenklichkeit aus deiner Seele bei dem lautersten, innigsten Geständnisse: ich liebe dich. Taglin. Amalie! (Umarmung.!) Also geliebt? Amalie. Du zweifelst noch? Taglin- Vergib mirs Amalie.' Glaubt es 24 "^77-, - doch der Wirkliche vor Freude oft nicht, daß er glüklich ist. Amalie mein? Amalie. Dein. Taglin- Aber ich bin Soldat. Amalie. Du bist ein Mensch, ein guter Mensch, der Retter meines Lebens. Taglin. Ich bin ein Bettler. Amalie. Ich will dich vom Allmosen der Liebe nähren. Taglin. Ich habe eine arme Mutter. Amalie. Sie sey meine Freundin. Taglin. Amalie hat einen Vater. Amalie Dessen Befehle sich nie über mein Her; erstreben können. Taglin. Er wird sich wiedersczen. Amalie. Meine Thränen und Taglins edles Verdienst um seine Tochter werden ihn rühren. Taglin- Er wird allem wider unsre Verbindung aufbieten. Amalie. Die Riesin Liebe wird siegen. Taglin. Die Welt wird Amalicn verlachen, sie eine Thörinn nennen. Amalie. Ich schlinge meinen Arm um dich, und küsse Vergessenheit der Welt von deinen Lippen. Taglin. (Entschlossen:) Geschlossen ist der Bund d^r Liebe. Amalie ( zerreißt das oben von Laglin unter- schriebene Papier.) Taglin. Was machen Sie, warum zer- reissen Sie? Amalie: Weil ich nun keines Zwangmit- tcls mehr bedarf. Taglin. ( Hat gelesen :) Noch ein Geschenk? — Amalie, wie sehr demütigen Sie mich! — Sechster Auftritt. Vorige, Minnette (eilig.) Minnette. Retten Sie sich mein Fräulein! Amalie. Warum? Minnette. Retten Sie sich; der Baron und ein Fremder — Amalie. Was sagst du? Minnette. Reiten so eben in den Hof ein. Hurtig, hurtig mein Herr! Sie müssen sich versteken. Taglin- Versteken 26 Amalte. Welch eine Überraschung! Minnette. Der Baron darf Sie ein für allemal hier nicht finden. Taglin. Ich gehe; Amalie — Minnette. Sie können nicht mehr; es ist kein Ausweg; Sie laufen ihnen in die Hände. — Geschwind in dies Nebenzimmer — Amalie. Gott.' welche Verlegenheit Minnette. Gehen Sie Fräulein, gehen Sie ihnen entgegen und suchen Sie sie etwas zu verweilen. Amalie. Taglin, ich lese in deinem Auge edlen Unwillen. Du findest es niedrig, entehrend für dich, zu dergleichen gemeiner Ausflucht eines alltäglichen Liebhabers zu schreiten. Minnette. ( Sieht durchs Fenster :) Izt steigen fie ab. Amalie. Du schliessest wohl gar nachthei- lig von meiner Liebe? Minnette. Sie stehen und reden miteinander. Amalie. Ich würde nicht nöthig haben, dich vor den Augen meines Vaters zu verbergen , wenn ich dich wahrhaft liebte, — so kannst du schliesset,. Vcrgieb, edler Mann! Verheimlichung unsrer Liebe ist fürs erste aller- - >> — 27 dings noch nöthig. Wisse, mein Vater hat mir schon einen Gatten bestimmt. — Wir haben noch manchen Kampf zu kämpfen; doch wahrer Liebe ist kein Hinderniß zu groß. Taglin- Ruhig, Amalie! Auf alle Fälle bestehen Sie nur fest darauf, daß Sie von mir nichts wissen. Mtnnette. Sie kommen, sie kommen. So gehen Sie doch Fräulein! zum Glük verzogen sie etwas lange. Amalie. Taglin! — rette uns beide- (ab.) Siebenter Auftritt- Taglin, Minnette. Minnette (öffnet das Nebenzimmer:) Hurtig , hurtig, Herr Abrntheurcr! Taglin. Nein, ich darf, ich kann mich nicht zeigen ; ich würde Amaliens Tugend dem Verdachte, vielleicht Mißhandlungen preis geben. (Geht ins Nebenzimmer. ) Minnette. Glük zu Ritter! — O ihr Männer! in welche Verlegenheit bringt ihr uns nicht; was muß man um euch nicht alles wagen! zum Glük wissen wir uns immer zu Helfen. — Ha: Sie kommen. 28 Achter Auftritt. Der Baron von Alting, der Major von Grüner (in Reisckleidcrn ), Amalic, Minnette, Flik. Alting. ( Führt Amalien herein: > Noch einmal herzlich willkommen, theure, liebe Amalie! Amalie. Bester, liebster Vater! dem Him> mcl sey Dank, haß Sie wieder da sind. Alting. Amalie, meine Tochter! wie oft hab ich mich zu dir zurükgeschnt! Major. Und wie viel Schönes svrach der Baron immer von seiner lieben Amalie! Amalie. ( Voll Dankgefühl :) Mein Vater l Alting. Ja, mein Kind, immer warst du der Innhalt unserer Gespräche. Amalie. ( Zur Seite:) Dies wäre also mein bestimmter Gatte! Major. < Zur Seite: ) Sie scheint von meinem Anbüke betroffen zu seyn. Alting (Der indessen ablegte:) Flik! (Giebt ihm seine und des Majors abgelegte Kleidung : ) Nimm das. Geh und besorge die Pferde gut. Sie haben tapfer ausgezogen. Flik. Sehr wohl. (ab.) 2Y 2llting- Ich mache dich hier mit dem Herrn Major von Grüner bekannt, einem-Manne, der meine wärmste Freundschaft erworben hat, und auch die dcinige ganz sicher erwerben wird, sobald du ihn näher kennen wirst. Amalie. (Macht eine geschämige Verbeugung.) Major. Mein Fräulein! ich hoffe die Empfehlung ihres gütigen Vaters in der Zukunft zu rechtfertigen. Ein Ungefär, dergleichen es auf Reifen nicht selten giebt, führte uns zusammen; da wir den ncmlichcn Weg vor uns hatten, so machten wir Gesellschaft, welche bald in so enge Freundschaft übergieng, daß ich es immer dem gütigen Ungefär Dank wissen werde. Amalie. Ich bin diesem Ungefär, wie Sie es nennen, nicht minder dankbar; und da ich weiß, wie sehr mein Vater einen wahren Freund schäzt, so freue ich mich zum voraus, Sie auch zu meinem Freunde zu gewinnen. (Für sich:) Aber ja nicht zum Manne. Major. (Zur Seite: ) Sie hat Lebensart. Amalie. Sie haben wohl diese vier Monate ihrer Abwesenheit eine grosse Tour gemacht , mein Vater? Alting. In der That. ;o — Amalie. Sie haben recht viele Städte und Menschen gesehen? Alting. Mehrere Städte, als Menschen, meine Tochter. Amalie. Sie waren sonst manchmal so traurig, so überdrüssig der Welt und der Menschen; nicht wahr, mein Vater! diese Reise hat Sie wieder froh gemacht, hat Sie wieder ausgesöhnt mit Welt und Menschen? Alting. Wollte Gott! ich hätte gefundm was ich suchte! Amalie. Sie suchten etwas? Alting. O meine Tochter! Amalie. Und fanden es nicht? Alting. Nein. Major- (Für sich:) Warum muß mein Schiksal dem seinigen gleichen! Amalie. (Zur Seite:) Gott sey Dank; er meint gewiß, keinen Mann für mich. Ich athme wieder freier. Alting. Wie hast denn du gelebt indessen Amalie? Amalie. Ich? Wie man leben kann, wenn so ein lieber Vater fern von uns ist. Alting. Du warst doch immer zu Vieldingen bei meiner Schwester? Amalie. Ja. Alting. Du erhieltest doch mein leztes Schreiben? Amalie. Worinn Sie mir ihre baldige An- knnft meldeten, und mir befahlen nach Hause zu kehren? O ja. Gleich andern Tages darauf fuhren ich und Minnette zurük. Alting. Und seyd nun allbereits acht Tage hier? Amalie. Heute sind es acht Tage. Alting. Gut, gut; geht nun, du Amalie und Minnette, bereitet uns Reifenden ein Mahl, wir haben Hunger. Minnette. (Tritt vor:) Herr Baron! ich mache Ihnen meinen herzlichen Glükwunsch zu ihrer Ankunft. Alting. Ich danke dir. Minnette. ( Geht ab.) Amalie. Wollen Sie nicht in den Saal mein Vater? Alting. Nicht doch; du weißt, ich liebe dieses Zirnmer am vorzüglichsten- Amalie. Es ist aber hier so gar nicht aufgeräumt. Alting. Thut nichts. Amalie. Der Herr Major werden nach« thcilig denken. — Major. Ganz und gar nicht. Im Gegentheile, ich sehe, Sie haben dieses Zimmer durch Arbeiten eingeweihet. Ich bin noch einnral so gern in einem Zimmer, wo man sich mit etwas beschäftigt: wo man es aber den Wänden ansieht, daß sie zum Müssiggange ausge- schmükt sind, da quält mich augendliklich die lange Weile. Alting. Geh nun, meine Tochter, und schik uns durch den Flik noch vor dem Essen etwas znm Imbiß; eine Boutcille Rheinwein, und — was ihr sonst vermögt. Amalie. Sogleich mein Vater. (ab, mit ängstlichem Blike auf das Mbenjimmer, wo Tag- lin ist.) Neunter Auftritt. Alting, Major, nachher Flik. Major. (Hat Amalien nachgesehen:) Glük- licher Vater! (Für sich:) Ich hatte auch eme Tochter! —. Alting. - ;; Alting. ( AuSbrechend :) Der höchsten Won» nc, welcher der Mensch hienieden fähig ist, genoß ich nie. Das gutartigste Geschlecht der ganzen Schöpfung, das Weib —machte mein Unglük. Eben das, welches der Schöpfer dem ganzen All zur Krone bestimmt hatte, war die Quelle meines Elends. Was dem Guten das Ucbergewicht geben sollte auf der Wage der Dinge — die Liebe — wurde mein Verderben Major. Ich erstaune; welch jählinger Sturm ihrer Seele? Alting Sie wissen den Endzwek meiner Reise; ich habe Ihnen erzält, welch nagender Wurm an meinem Gewissen nagt, wie viele vergebliche Mühe ich angewendet, Sie in Gottes Welt aufzusuchen. Major. Emilien? Alting. Schon zwanzig Jahre hat sie viel» leicht dahingeweint l Major. War es ihre Schuld? Alting. Ja Herr, meine Schuld ist es. Ein elendes Vorurteil trennte uns. — Wir waren verschiedener Religion; ein jedes wollte die Frucht unsrer ersten Liebe in seiner Reli» gion erziehen. — Sie entfloh und nahm heim» lich meinen Wilhelm mit sich.—Einem Weibe C ist es Vorurteil dieser Art zu vergeben, einem Manne — nie. Vergicb mir Richter! Sieh, ich bin ja bestrafet genug mit dem Verluste kindlicher Liebe! Major. Amalic liebt Sie. Alting- Ja, an ihr allein hoff ich gut zu machen, was ich verbrochen habe. Die Gründung ihrer Glükseligkeit soll die meinige werden. Flik. (Bringt Wein und auf einem Teller was Geschnittenes.) Alting. Stühle.' Flik. (Stellt sie.) Alting Kommen Sie Major l Flik. Befehlen der Baron sonst was? Alting. Nein, geh nur. — Doch, daS Felleisen des Herrn Majors trag' oben hinauf ins grüne Zimmer. Llik. Wie Sie befehlen. ( ab.) Alting. Trinken Sie Freund! Major. (Stößt mit Sem Glase an des Barons seines :) Seelenruhe und Vergessenheit dem Trauernden! ( Sie trinken. ) Alting. Möge dieser Wunsch in Erfüllung gehen; aber leider! — ja dann, dann Major! wenn die Vorsicht meine Emilie. meinen Wilhelm vor meinem Ende noch in diese Arme führet. Major. Lassen Sie das Baron; warum wollen Sie sich vorsezlich selber quälen? Ich könnte Ihnen meine Schiksale crzälen, und Sie fragen, wer von uns beiden mehr zu Klagen berechtiget sey? Allein, was gewinnen wir Menschen dabei, uns das Unglük immer und ewch wiederzukäuen? Lassen wir vergangen seyn, was vergangen ist, und uns ganz der Gegenwart leben- — (Für sich.) Warum wiedcrspricht mein Herz immer dieser Bemühung?— Sie müssen mir vergeben Baron, ich habe von nun an für nichts mehr Sinn, als für Amalien. Ich mahlte mir ein schönes Bild von ihr in Gedanken, indem ich aus all den schönen Zügen, welche mir ihre Erklungen von ihr lieferten, ein Ganzes zusammen» sczte: aber ich muß es Ihnen gestehen, meine Erwartung wurde weit übertreffen. Ein gewisses, mir unerklärbarcs Etwas hat mildem ersten Anblike meine ganze Seele für Sie eingenommen. Alring Amalie ist ein gutes, edles Mädchen, und Ihrer werth- Major. Wem hat sie das zu danken, als Ihnen? Alting. Sie war mein einziger Trost; in ihr hab ich Gattinn und Sohn geliebt. C - ;6 -. . - - » Major. Ob aber Amaliens Herz noch ftei ist ? Alting. Ich wollte dafür bürgen. Major. Dennoch betrügen sich Väter in diesem Punkte so vielmal. Alting Ein gutes Kind hat nichts heimliches vor seinem Vater, und das ist Amalie. Doch ist Vorsorge nicht unnüz. Wissen Sie was? Ich will ihr heute noch sagen, daß sie ihre Frau werden müsse- Ich hab ihr zwar in meinem lcztern Briefe berichtet, daß ich ihr schon einen Mann bestimmt hätte; aber sie vermutet wohl nicht, daß Sie dieser Mann sind. — Ja, ja; heute noch soll sie wissen, daß sie ihre Frau werden müsse. Major. Warum denn so hart? warum müsse? Nicht doch. — Erlauben Sie mir eine Unterredung mit Amalien. Ich cntdeke ihr meine ernste Absicht, wir erfahren — Alting. Wenn Sie wollen, gleich izt. Sie können diese Unterredung gleich izt beginnen. Aber — ich möchte gerne heimlich davon Zeuge seyn. Wie denn das? — Ja, hier, rn diesem Nebenzimmer kann ich Sie behorchen. Sie dürfen nur etwas lauter reden, als wir izt reden, und, wenn ich die Thür etwas offen lasse, so kann ich alles verstehen. — He! Flik! ?7 Major. Ich bins zufrieden. Flik. Herr Baron? Alting. Rufe nur Amalien. Flik. Sogleich. Alting. Sie soll einen Augenblik herein kommen. Flik. Schon gut. ( ab. ) Alting. Bei dieser Gelegenheit hör ich auch, wie ein Biedermann seinen Liebcsantrag macht. Nur tapfer Herr Krieger. Ich wünsche im Ernste, daß Ihnen der Sieg nicht so leicht würde. Major. Ich bilde mir auch gar nicht ein, den Cäsar spielen zu wollen. Einem schamhaften , ehrbaren Mädchen wird keine Antwort so schwer, als: ich liebe dich. Alting. Ich höre kommen. (Geht an die Mittelthür, sieht nach.) Major. (Für sich:) Wie ist mir! —Meine Lage — und in den ersten Augenbliken eine Liebeserklärung! —Ich will mir vorstellen > ich habe meine Tochter gefunden, der ich meine väterliche Liebe antrage. — Alting. Sie kömmt. — Nun mutig Major! (2«S Nebenzimmer ab.) 4 ? . Zehnter Auftritt. Major, Amalie. ^ Amalie. (Schüchtern:) Mcin Vater ließ mich rufen. Major. (Für sich) Wozu eine Einleitung! — (Mir biederer Offenheit:) Amalie! ich liebe Sie. Alting. (Voninnen:) Donner und Wetter! Bekenne Schurke! Amalie. Gott! (ahndend.) Major. Was ist das? Eilfter Auftritt. Vorige, Alting (führt Laglin heraus.) Alting. (Faßt ihn an der Brust:) Willst du bekennen? Taglin. (Giebt eine Uhr hin:) Hier ist alles was ich nahm. Amalie. (Wirst sich Alting zu Füsse» und will bekennen:) Mein Vater! Alting. He! Bediente, Bediente!. Taglin. ( Bittet Amalien durch Blike, nichts zu verrathen.) Zwölfter Auftritt. Vorige, Minnette, Flik, mehrere Bediente. Minnette. Himmel! (Beschäftiget sich mit Amaliei».) Flik. Herr Baron! Alting Ergreift ihn und schlept ihn auf die Wache —Herr Major.' Sie waren Zeuge. Wollen Sie die Güte haben, es dem Wachthabenden Offizier zu melden? — Fort mit ihm! Amalie. Gott! Mein Vater! TagliN- (Giebt ihr einen heimlichen Wink.) Minnette. (Hält Amalten zürük.) Die Bediente (führen Laglin fort.) Major. Ich gehe sogleich. — Sonderbar! (ab.) Amalie. ( Sinkt ohnmächtig nieder.) Minnette. Hülfe! Hülfe! Alting. Grosser Gott! Amaliei 40 Zweiter Aufzug. Erster Auftritt- Alting, Minnette. Alting. Das ist seltsam, höchst seltsiim. Wachtmeister, ein Mann, dem sein ganzes Regiment die besten Zeugnisse giebt, der seine Charge seinen eignen Verdiensten zu danken hat! H'm. — Minnette. Vielleicht ist er ein Spieler, hat Schulden, wer weiß was ihn zu diesem Schritte verleitete. (Für sich.-) Ich weiß es wohl, Alting. Warum nahm er aber nicht mehr, als eine Uhr? warum kein Geld? Minnette. Er wollte nicht mehr, als er nöthig hatte, um sich aus seiner gegenwärtigen Verlegenheit zu reisten. Alting. Aber Amaliens Betragen dabei? Sank sie nicht zu meinen Füssen? Schien es nicht, als schwebte ihr ein Bekenntniß auf der Zunge? Minnette. Das schien Ihnen so; es war nichts, war blosse Wirkung des Schrckcns 4 ! und Mitleids, das sie für den Verbrecher fühlte. Alting. Der Mann hat sich selber unglük- lich gemacht. Mir ist es leid, daß der Zmall mich bestimmte, ihn der Strafe zu überliefern. Ninnette. Vielleicht gut für ihn, daß ihm der erste Versuch mißglükte. Wer weiß, obs dabei geblieben wäre? Alting- Geh sie zu Amalicn und bleibe sie bei ihr. Minnette. Das Fräulein ist von einem sehr schwachen Nervensisteme; dieser Auftritt hat so sehr auf sie gewirkt, daß sie langK nichts um sich selber wußte. Alting- Ich bin wahrhaftig nicht minder dadurch ausser Fassung, gebracht worden. Gch sie nun. Minnette. (Ab.) Zweiter Auftritt. Alting allein ( Nachdem er einigemale nachdenkend auf und ab gegangen r) Was bin ich Willens zu thun? — Amalie, ein junges, empfindsames Mädchen, der Major ein ernsthafter, bejahrter Mann! — Das Spiel ist ungleich. — Dennoch fahren die Mädchen meistens besser, wenn sie Männer Heuraten, als dergleichen arkadische Schäfer, Stuzer, oder Brauseköpfe, wovon izt'unsre Gesellschaften wimmeln. — Amalicns Glükzu machen, das ist meine ernsthafte Absicht. ^ Aeht an sein Sckreidepult, rechnet in einem Buche nach:) Wenn ichs noch reifer überlege, so machen meine eignen Umstände mir diese Verbindung nothwendig. — Mein Vermögen reicht nicht hin, der Aussteuer des Mädchens etwas nahmhaftes beizusezcn. — Der Major hat seine Dienste verlassen, hat ein einträgliches Kapital, ist.Lin ehrlicher Mann, hat Welt, Men- schenkcnntniß, und ich hab ihm mein Wort gegeben. Es bleibt dabei. Heute noch. — He Flik, Flik! Dritter Auftritt. Alting, Flik. Flik. Herr Baron? Alting Wo ist der Herr Major? - Flik- Unten im Garten spaziert er umher, und schmaucht eine Pfciffe Tobak. Alting Bitt' ihn zu mir, wenn sie ausgebrannt sey. Flik. Wie sie befehle«, (ab.) 4 ; Vierter Auftritt- Alling allein. Aber wie! übereile dich nicht Alting! Ist das redlich gehandelt? Du willst sie dem Major als deine eigene Tochter zuführen? — Nein, das sollst du nicht. — Wessen Tochter ist sie denn drese Amalie? — Das weiß ich selber nicht , mein lieber Major! Nur soviel kann ich Ihnen zur Nachricht geben, daß Amalicn vor achtzehn Jahren ein Fremder meinem Ver, Walter übergab. Als der Verwalter sechs Jahre nachher starb, so nahm ich mich des Kindes an, erzog es als das mcinige, und dankte Gott dafür, die Vatcrpflichtcn wenig, stcns an einem fremden Geschöpft erfüllen zu können — Doch — so eben besinne ich mich; ein Kästchen, welches mir der Verwalter hinterließ , und an dem Tage ihrer Verlobung zn öffnen erlaubte, kann uns über ihre Herkunft nähern Aufschluß geben. — Aber der Schlüssel zu dem Kästchen soll der Fremde zurükbehaltcn haben? Hm! Noth bricht Eisen. Ich muß doch eher dieses Kästchen befragen, als ich mich gegen den Major etwas davon verlauten lasse. — Ich höre kommen. Fünfter Auftritt. Alting/ Major. Alting. Nun Major / Sie sind auf eine unangenehme Weise in ihrer Liebeserklärung unterbrochen worden. Major. (Etwas finster:) In der That. Alting. Glauben Sie / daß es mir so unangenehm/ als Ihnen/ war. Indessen soll uns dieses Zwischenspiel nicht stören. Sie haben mein Wort: Amalie soll die Ihrige werden. Major. Ich sehe sehr grosse Schwierigkeiten voraus. Alting. Die ich nicht einsehe. Major. Unter andern diese. Ich bin schon über die Jahre hinaus / in denen ein Mann Fähigkeiten besizt/ Eindruk auf ein Mädchen zu machen/ welches noch in der schönsten Blüte ist. Sie wissen/ ich war schon verheuratet. Alting. Herr Major! von dieser Seite fürcht ich nichts. Ihre Erziehung läßt mich von daher keine Einwendung erwarten. Major. Ich Verslehre Sie hoch und theuer; ich wünsche Amaliens Glük zu machen. Vielleicht bin ich in diesem Stüke ein wenig zu eitel/ daß ich in meinen Jahren noch einigen Anspruch auf Liebe mache. Ich habe mich hie und da in der Welt umgesehen unkt manche trübe Stunde erlebt, daß ich mich nun des Glüks nicht so ganz unwcrth achte, wenigstens die lezte Hälfte meines Lebens an der Seite eines liebevollen weiblichen Geschöpfes zu gemessen. Sie wissen meinen Entschluß auf diesen Fall hin. Ich kaufe mir irgend ein Landgütchen, und lebe sodann in stiller Einsamkeit, ganz nach meinem Herzen. Alting. Möcht es mir vergönnt seyn noch Theil an ihrem Glüke zu nehmen! Major. Ich hoffe man werde mich darum nicht des Müssigganges beschuldigen. Ich habe meine besten Lebensjahre dem Vaterlande gewicdmet; es wird einem ehrlichen Manne erlaubt seyn, die schwächere Hälfte für sich selbst zu leben? Alting. Immerhin; lassen Sie uns unsre künftigen Tage ungctrcnnt gemessen. Ich habe nur noch zween Wünsche, nach deren Erfüllung ich auf alles Verzicht thun will. Major. Diese Wünsche wären — ? Alting Amalien in ihren Armen, und dann noch Emilien und meinen Wilhelm zu finden. Der Erfüllung des ersten Wunsches seh' ich freudig entgegen — aber des leztcrn — Major. Auch des leztcrn, Baron; man 46 ------ muß die süssen Hoffnungen nicht sogleich aufgeben. (Für sich:) Ich habe sie aufgegeben! Alting. Könnt ich wenigstens an Wilhelm noch gut machen, was ich an Emilien verschuldete. Major. Sorgen Sie nicht, Baron, der Himmel kasiirt von uns, so lange wir leben, noch alle Schuldfordcrungen ein. Auch Sie werden noch dczalcn, was Ihnen ihr Gewissen ins Schuldbuch schrieb. — Izt noch eine von den Schwierigkeiten, die ich voraussehe. Alting. (Empfindlich:) Herr Major! Sie sind sehr sinnreich. Major. Ich halte mich für verbunden, Ihnen eine Vermutung mitzutheilen. Alting. Welche Vermutung? Major. Ich vermute, Amalie liebt schon. Alting. Woher, warum, wen? Major. Eben diesen Wachtmeister, den Sie — Alting. Nicht möglich.' Major. Ich war auf Amaliens Zimmer, eh ich im Garten gieng; sie war noch nicht wieder zu sich gekommen; in der Phantasie sprach sie öfters: er ist unschuldig, er ist un. schuldig. Alting. Hm, hm! — Ich muß Ihnen aufrichtig eingestehen, daß mir selber schon die 47 Vermutung kam. Allein — wenn auch, wenn Sie ihn auch liebt? Major. So hab ich wenige Hofnung übrig. Erste Liebe dringt zu tief in die Seele ein, als daß irgend eine Macht sie entwurzeln könnte. Alting. Wahr, aber — darüber muß ich Amalicn zu Rede stellen. He, Minnette! Doch nein, sie wird sich kaum erholet haben. — Was seh ich? Amalie! Sechster Auftritt- Alting, Major, Amalie (traurig und blaß.) Amalie. (Zu dessen Füssen :) Vergebung mein Vater! Alting. Was willst du Amalie? Amalie. Taglin ist unschuldig; er hat mir ja das Leben gerettet. Alting. (Hebt sie auf.) Kind! deine Phantasie ist crhizt. Gieb dich zufrieden. Das Mitleid macht deinem Herzen Ehre; aber solche Verbrechen verschonen wollen, wäre ein weit grösseres. Amalie. Sie kennen ihn noch nicht den edlen Verbrecher. O wenn Sie ihn kennen, 48 Sie werden ihn ihres Schuzes, ihrer Hoch, schäzung, ja selbst ihrer Bewunderung würdig achten. Major. Nun Herr Baron? Alting. Arme Kranke/ in deinem Kopfe jsts nicht richtig. Amalie. O hören Sie mich. Alting. Sez dich nieder; rede dich leichter ums Herz Amalie! — Herr Major! (Deutet ihm, Plaz zu nehmen. ) Nun, rede inein Kind l Amalie. Eh Sie ihre Reise antraten/ er, suchten Sie meine Tante/ mich nach Viel- dingen zu sich zu nehmen / weil Sie mich nicht gern allein lassen wollten. Meine Tante kam/ mich abzuholen. Minnctte begleitete mich. — Ganzer vier Monate waren wir bei ihr. Die leztcrn acht Tage erhielt ich ein Schreiben von Ihnen aus Brüssel: ich sollte wieder zurükkehren/ und unterdeß im Hause alles zu ihrem baldigen Empfange bereiten/ denn binnen acht Tagen würden Sie hier seyn. Ich nahm also von meiner Tante Abschied/ die mich und Minnetke allein fortfahren ließ / weil sie uns Unpäßlichkeit halber nicht begleiten konnte/ so sehr sie es wünschte. Alting. Amalie! liebes Kind! sieh/ wie hängt das mit Taglins Unschuld zusammen? Amalie. „ 4S Amalie. Sehr wohl, mein Vater! Hören Sie mich nur weiter. — Ruhig und sorglos fuhren wir in unsrer Chaise, sprachen von diesem und jenem. Izt schwiegen wir eine Weile, entzükt von der feierlichen Stille des Waldes. — Nur zuweilen raschelte ein Blatt, nur zuweilen zwitscherte eine Kehle. Sanft und stille wogten die Wipfel der Tannen. — Mein Herz zerfloß in Wonne; Jahrhunderte träumte mcdue Phantasie sich vor und rük- wärts; meiner Kindheit goldene Tage gingen in meiner Seele anschaulich vorüber; gleich dem ebenen, früchtegesegneten Lande, lächelte die schönste Zukunft meinen Augen. Alting. Du schwärmest mein Kind! Amalie. Auf einmal stürzte eine Rotte wilder Räuber und Mörder aus dem Gebüsche. Alting. Was sagst du? Amalie. Einige banden den Fuhrmann—- Alting. ( Erschüttert :) Ha: diese Geschichte (winkt dem Major.) Amalie. Andere rissen mich — Alting. Gott! Major. Sie? Amalie- Rissen mich und Minnetten aus dem Wagen. Ihre Mordgewehre uns vorhaltend D verlangten sie unser Habe. — Wir weinten, baten, flehten, schrien umHülfe, vertheidigten uns so gut wir konnten. Und izt kam er dahergeflogen — Alting- Wer, Amalie, wer? Amalre. Schon von Ferne mußt er unser klägliches Rufen vernommen haben. Er spornte sein Pferd, und izt war er da, stürzte mit entblößtem Schwerdte grimmig unter die Rotte, und zerstieb sie- — Alting Mädchen, sprichst du im Wahnsinne, oder ist das Wahrheit? Amalie. Wahrheit, mein Vater. Sehen Sie, ich bin ja ruhig, so ruhig, als man beym Andenken an eine solche Begebenheit, an einen so edlen Menschen seyn kann. — Taglin, mein Vater, Taglin ist es, dem ihre Tochter das Leben verdankt- Alting. Major. Nun? Amalie. D mken Sie sich nun meine Empfindungen, nachdem ich mich erholt hatte. — Von einem Unbekannten gerettet, von einem Manne, der izt mit dem ruhig sten Tone mir Muth zusprach. O m in Vaterwelch ein Erwachen von Betäubung, welche Empfindungen bei diesem Erwachen! Es war eine Ausübung vom Nichts ins Seyn. — Und den, der mich vom Tode gerettet, der mich izt als Beschüzer in seine Arme schloß, wie konnt ich anders, als ihn von diesem Augenblike an, unaussprechlich lieben? Alting Welch ein Mensch! Er rettete dir großmütig das Leben, und war dennoch niedrig genug — Amalie. O sprechen Sie nicht aus mein Vater! Kaum vermocht ich ihn zu bereden, mein Ersparniß statt eines Geschenks zu nehmen. Er nahm es endlich, bloß um eine kranke Mutter damit zu, unterstüzen. — Ich will alles bekennen mein Vater! ich war es, die ihn einlud, zu mir zu kommen. Altmg. Wie, du warst — Amalie. Ich. Er kam. — Wir schwuren uns ewige Liede. — Sie überraschten uns. . Taglin sah meine Verlegenheit. Sein edles Herz ließ es ihm nicht zu, einen Verdacht auf meiner Ehre liegen zu lassen. Wir wagten es nicht, im Angesichte Ihrer unsre Liebe zu bekennen. Taglin konnte nicht mehr entkommest ; er verbarg sich. Und nur darum zog er sich die Schuld eines Diebstahls zu, um allen Verdacht irgend eines Verständnisses von uns abzuwälzen. (Pause.) D « (Der Baron und der Major sehen einander erstaunt an. Der Major steht auf, scheint eine» Entschluß gefaßt zu haben, nimmt Degen, Hut «nd Stok, giebt dem Baron die Hand:) Major. Zum General. — Auf Wiedersehen. (ab.) Siebenter Auftritt- Alting, Amalie. Alting. (Nachdem er auf und niedergegangen, bleibt er nachdenkend stehen.) Amalie. Nicht wahr mein Vater, er ist ihrer Bewunderung werth? Alting. Er ist es. Fürs erste ziemt es mir seine Ehre zu retten, und seine Unschuld zu entdeken beim Regimente, sodann will ich ihm vor der Hand antragen, was in meinem Vermögen steht. Amalie. ( Furchtsam bittend :) Mein Vater! Alting. Rede nicht weiter; ich sehe voraus, was nachfolgen wird. Taglin ist ein edler Mann, allein — Amalie. Ich werde nur mit ihm glüklich seyn können. Alting Amalie! du mußt dein Herz von ihm frei machen- Ueberlaß die Wahl deines .. n künftigen Gatten deinem Vater, der dich liebt, und darum für dich nicht schlecht wählen wird. Amalie. Sie lieben mich mein Vater, das weiß ich; aber eben darum beschwör ich Sie, lassen Sie diese ihre Liebe nicht in die Rechte meines eignen Selbst eingreiffen, und mir zum Verderben gereichen. Hat der Schöpfer nicht meine Seele mit dem Vermögen, frei zu wählen, ausgerüstet? Gab er mir nicht ein Herz, und diesem Herzen die Fähigkeit von einem ähnlich geschaffenen, übereinstimmenden gerührt und mit Liede entzündet zu werden? Altirig. Amalie, betrüge dich nicht selbst. Ich vergebe dir diese Empfindungen für ihn; aber dein Vater sieht in die Zukunft. Amalie. Nicht Güter, nicht Adel, nicht Ansehen sind des Lebens Würze; Genügsamkeit, ein zufriednes, schuldloses Herz versässen uns die Umarmungen des Geliebten; mit ungetrübtem Blike sieht unser Auge der lezten Stunde entgegen, und spricht noch Zufriedenheit , wenn sie schlägt. Alting. Kind! Taglin kann nie der Deinige werden. Amalie. Vater! der guten Tage im Leben des Menschen sind wenige; immer stehen die Thränen im Auge , eine rollt über die andere: des Weibes Antheil ist — dulden. — Vater! wollen Sie ihrer geliebten Tochter auch noch diesen einzigen Ueberrest von Glükseligkeit rauben, den Freund ihres Lebens sich selber zu wählen? Alting. (Für sich:) Ha! ich muß! da Güte nichts vermag, so muß'ich mit Ernst. — Amalie! der liebende Vater bittet dich noch einmal, dein Her; von einem Menschen frei zu machen, den er dir nimmer zum Manne geben kann. — Wisse, daß der Major um dich geworben hat; er ist ein rechtschaffener Mann, von Vermögen, und ich gab ihm mein Wort. Bezeige dich demnach von nun an gegen ihn, als gegen den Freund deines künftigen Lebens, und verschaffe mir den Trost, dich gut versorgt zu haben. Amalie Gott! ich kann nicht! Alting. ( Liebreich :) Amalie! Amalie. Ich kann nicht mein Vater! Alting. ( Ernst, aber mit schmerzlichem Zwange:) Kind! — du mußt. (ab.) — ;; Achter Auftritt- Amalie allein. f Nach einer Pause:) Du mußt ? — Das die Worte eines Vaters! eines Vaters, der seine Tochter zu lieben vorgiebt! — O Gott! schon frohlokte ich in meinem Herzen, schon schuf ich mir das reizendste Bild der Zukunft. An seiner Seite die wenigen Stunden des Lebens hinzuträumen, Gott, ihn und jeden guten Menschen zu lieben, recht zu thun und mit wenigem zufrieden zu seyn — dies war ja alles, was mein Herz verlangte. — Und ich soll ihn verlassen, muß ihn verlassen, ihn, der mir alles war und alles ist! — Diesem Major soll ich meine Hand geben? — O wir werden beide höchst unglüklich seyn. — Das wolltest du doch nicht guter Gott, als du mein Dasein mir gabst! So wäre denn kein Mittel mehr? Neunter Auftritt. Amalie, Minnette. Amalie. (Minnetten entgegen:) O rathe, hilf du mir; sag, welche Mittel muß ich ergreifen , um Taglin zu erhalten? -------- Minnette. Ich denke die allernatürlichstcn. Sie entdekcn ihrem Vater die ganze Geschichte, bitten und beschwören — Amalie. Wenn aber das alles nichts hilft'? Minnette. Nichts? — So — so bleibt Ihnen immer noch ein sicheres Mittel übrig. Amalie. O stille; nenn es nicht; es ist entehrend. Taglin ist bieder und rechtschaffen, und Amalie soll keinen Schritt thun, der sie seiner unwürdig machte. Minnette. Wer sagt denn, daß Sie diesen Schritt thun sollen? Dieser ziemt immer zuerst dem Liebhaber; wir Mädchen haben uns dabei nur leidend zu verhalten. Amalie. Versteh ich dich recht, so sprichst du von einer Entführung? Minnette. Sie haben also wohl selber schon daran gedacht? Amalie Wie kannst du das schließen? Minnette. Weil Sie mich sogleich verstehen. Ich sprach von einem lezten, sichern Mittel, und ihr nächster Gedanke ist — Entführung— Aber ist denn dieses Mittel, etwas näher betrachtet, so gar entehrend, wie Sie es nennen? Amalie. O wie gerne liesse sich meine Vernunft von dem Gegentheile überführen! Minnette. Lieben Sie Taglin ernstlich? Amalie. Dn kannst noch fragen? Minnette. Weder ihr Herz, noch ihre Vernunft machen Ihnen Vorwürfe über diese Liebe? Amalie. Ist Taglin nicht edel und gut? und verpflichtet mich zu dieser Liebe nicht die höchste Dankbarkeit? Minnette. Was heißt aber lieben? Was will das Gefühl in Ihnen, das Sie Liebe nennen? Amalie. Was es wolle? was anders, als ihm alles Gute? Minnette. Nicht auch Ihnen? Amalie. Ihm und mir. Minneire. Liebm Sie etwa blos — um zu lieben? oder hat das sehnende Gefühl nicht einen Endzwek zum Gegenstände? Amalie. Ich wüßte keinen, wenn es nicht dieser wäre, all mein Glük mit ihm theilen zu können. Minnette. Werden Sie das im Stande seyn, ohne ihn zu besizcn? Amalie. Nie. Minnette- Es ist Ihnen also recht sehr «m diesen Besiz zu thun? Amalie. Weil er das einzige Bedingniß, das Band unsers wechselseitigen Glüks ist. Minnette. SezenSie nun, es bleibe Ihnen ?3 kein anderes Mittel übrig dieftn Endzwek zu erreichen, als die — Flucht? Amalie. ( Ueberrascht.) Minnette- Nun? Amalre- Mädchendu hast mich »erstritt. Minnette Würden Sie lieber versinken, als ihre Hände nach dem einzigen Rettungs- mittcl ausstrekcn? Amalre. O ich fühl es nur zu sshr, daß ich ohne ihn nicht leben kann. Minnette. Wie kann nun das Mittel entehrend seyn? Her; und Kopf billigen den Endzwek, den Sie erreichen müssen, weil er das einzige Band ihres Glüks ist; bleibt Ihnen nun kein anderes Mittel mehr übrig, als die Flucht, fo — Amalie. Geh, verlaß mich ; ich will nichts mehr hören. Minnette- Befehlen Sie, daß ich den Tifch zum Schreiben zurichte? Ein Wort, und Taglin — Amalie. ( In heftiger Unruhe:) Fort, sag ich dir, kein Wort mehr. 59 Zehnter Auftritt. Der Pastor, die Vorigen. Pastor. (Mit Verbeugung:) Ihr Diener Fräulein Amalic! Amalie. (Etwas in ihrer Situation überrascht:) Ihr Diener Herr Pastor! Geben Sie uns auch wieder einmal die Ehre und besuchen uns? Es ist schon langt. Pastor. Beinahe fünf Monate. Amalie. Wie leben Sie immer? Pastor. Wie man auf dem Lande lebt: schlecht und recht. Ich habe vernommen, daß der Herr Baron heute von Reisen zurückgekommen. Amalie. Erst vor einigen Stunden. Pastor. Ich habe Klage wider Sie, und den Herrn Baron. — So neben meinem Hausgen vorbeizufahren, ohne einzukehren Amalie. Sie müssen das der begierigen Eile zu gute halten, womit man gerne seine Reise beschleuniget, je näher man seinem Vaterstädtchen kömmt. Pastor. Wahr; ich erinnere mich dessen von meinen Studierjahren her, daß ich immer desto mehr eilte, je mehr ich mich zur Zeit der Ferien meiner Heimat näherte- — Sie befinden sich doch allerseits recht wohl? Amalie. Ja und nein. Pastor. Ja und nein? — Je nun, nach unserm Wunsche geht freilich nicht immer alles. Wir haben doch nicht Ursache darüber unzufrieden zu seyn. Amalie Wenn sich aber gerade dem vornehmsten unsrer Wünsche alles wtdcrsezt? Pastor. Das ist hart. Amalie. Herr Pastor, man kennt Sie überall als einen edlen, rechtschaffnen Mann. Pastor. Ich-Sie beschämen mich mein Fräulein! Amalie. Darf ich mich Ihnen anvertrauen ? Pastor. Wenn ich — es wird blos Güte von Ihnen seyn. Amalie. Haben Sie nichts gehört von einer Geschichte? Es find erst acht Tage vorüber. Pastor. Ja. — Sie meinen den Anfall, den ein Räubergefindel auf ein Frauenzimmer machte? welches aber von einem Wachtmei- meister, der zufällig hinzugeritten kam, befreit wurde? Amalie. Das Frauenzimmer war ich. ->' - - ---- 6i Pastor. Sie? Ists möglich? Sie Fräulein? Sie selbst? — Amalie. Der Wachtmeister ist mein Geliebter. Ich kann nur mit ihm glüklich seyn. Unsre Liebe hab ich kurz vorher meinem Barer enrdekt. Allein er hat mir schon einen Gatten bestimmt, den er von der Reise mit sich brachte; einen Mann, den ich um der Freundschaft willen meines Vaters zwar hoch« schäze, aber nie werde lieben können. — Si, Herr Pastor, beflzcn die Hochachtung meines Vaters, Sie vermögen viel über ihn. Ihr Vorwort bester Mann! Pastor. Sie sezen mich in Verlegenheit. Doch — ihr Zutrauen legt mir die Pflicht auf, alles zu versuchen, was ich etwa vermag. — Darf ich bitten, mich dem Herrn Baron zu melden? Amalie. Minnette, melde den Herrn Pastor. Minnette. Sogleich, (ab.) Eilfter Auftritt. Amalie, Pastor. Amalie. Sie verlassen uns doch heute nicht? Pastor. Ich muß es Ihnen gerade geste- hen, ich habe mir vorgenommen in ihrem Hause zu übernachten. Amalie. Brav lieber Pastor! — O möcht ich Ihnen einst mein Glük zu verdanken haben ! Pastor Glauben Sie mirs Fräulein, wenn ich so ein liebendes gutes Pärchen zusammen bringen kann, das nachher die Stunde seiner Verbindung segnet, so thue ich ganz und gar Verzicht auf irgend einen Dank; denn das süsse Bewußtsein im Herzen; zur Gründung des Menschcugiüks auch nur ein klein wenig beigetragen zu haben, ist Dankes genug. Amalie. Edler Mann! — Ich höre kommen; ich verlasse Sie izt. Pastor. Seyn Sie gutes Muths. Amalie. c. Für sich:) Hilft dieses Nicht, so ist mein Entschluß schon gefaßt. (Mit einer Verbeugung ab.) Zwölfter Auftritt. Pastor allein. (Geht umher.) Doch überall und immer eine und dieselbe Geschichte der Liebenden! Väter, die ihre eignen Pläne machen, ohne das Herz ihrer Kinder darum zu Rathe zu ziehen! 6 ; Mädchen und Jünglinge, die mit diesen Klanen niemals zufrieden ftyn wollen! Und dann ein Mittler! Die lczte Rolle möchte wohl immer die schwerste ftyn. — Entweder der unbeugsame Vater, oder die liebende Person, die auf Vermittelung harret und keine erfährt, lohnet den Mittler mit Abneigung. — Wir wollen sehen, was in diesem Falle erfolgt. Dreizehnter Auftritt- Pastor, Alting. Alting- Willkommen lieber Pastor! Das freut mich, daß Sie mich besuchen. Pastor. Ich gratuliere von Herzen, Herr Baron zur glüklichen Wiederkehr. Alting Habe Dank lieber Mann Gottes l Was bringen Sie guts neues? Pastor. Neues? — Ja doch, ich bringe Ihnen wirklich was neues; ob auch gutes — das müssen Sie selber entscheiden. Alting. Lassen Sie hören. (Bietet eine» Siz an.) Pastor. (Indem er Plaz nimmt:) Vor ungefähr acht Tagen kam eine arme kränkliche Frau nach Spannheim. Sie war Willens in die Stadt zu gehen, aber ihre Füsse wollten sie nicht mehr weiter tragen. Sie wurde von einer Krankheit ergriffen, welche aber mehr die Folge von Kummer und Noth ;u seyn schien, als von irgend einer andern Ursache. Ein gutherziger Taglöhner nahm sie bei sich auf, theilte mit ihr seinen täglichen Gewinnst, und pflegte ihrer, so viel in seinen Kräften stund. Allein die Krankheit der armen Frau nahm überhand, und ich wußte noch nichts von ihr. — Endlich verlangte sie nach dem Pfarrer des Orts. Man schikte nach mir. Ich gicng sogleich. Wie ich in die Stube des Taglöhners hineintrete, so seh ich, daß sie schon mit dem Tode ringt. Kaum vermochte sie noch die Bitte über ihre sterbenden Lippen zu bringen, ich möchte dieses — ( zieht einen Brief hervor:) — Ihnen eigenhändig zustellen; und kaum empfing ich dieses Schreiben von ihrer Hand, als die Seele schon ihren Körper verlassen hatte. Altittg. ( Oeistret den Brief mit banger Ahndung -) „ Liebster Ferdinand! Wenn du diese Zeilen, die ich mit sterbender Hand schrieb, „ lesen wirst, so dekr schon ein Häufigen Erde „ die Gebeine deiner — Emilie.-(Er steht auf, gebt mit vor die Augen gehaltenem Luche in den Hintergrund, kömmt und überzieht dem 6 ; dem Pastor den Brief, sagt:) Lesen Sie weiter ! — Pastor. (Liest:) „Ein elendes Vorur-, „ theil hat uns getrennt, welches eher mir, „ als dir zur Last fällt. Ich habe lange ge- „ büßt, und es endlich einsehen gelernt, daß „ nicht Glaube, sondern Werke den Christen „ ausmachen. — Unsern Wilhelm erzog ich „ zwar kümmerlich, aber — Gptt sey Dank, „ er ist brav geworden und hat seine Mutter „ kindlich geliebt. Um mir in einer Krank, „ heit zu helfen, hat er Handgeld genommen, „ durch eignes Verdienst ist er Wachtmeister „ geworden — Alting. Wie sagen Sie? Pastor. „ Wachtmeister geworden. —> Alting. Ha! wär es möglich! — Er? Pastor. „ Mir Hai er seinen lezten Pfen- „ ning mitgetheilt. — Ferdinand! verstoß dei- „ nen Wilhelm nicht; es ist dein Blut; nimm ,, ihn auf zu deinem Sohne- In der Stunde „ des Todes bittet dich deine Emilie darum. „ Sei ihm Vater; er wird dich wie ein Sohn „ lieben. — Alting. Ich könnte dich verflossen.' O mein Wilhelm! E es ---------- Pastor. „Du wirst ihn unter dem Nazi men Taglin, Wachtmeister, erfragen. " — Alting. (Sicht in den Brief. ) Taglin! Er? Er ists? Mein Sohn? Mein Wilhelm? — Dank dir! ( gen Himmel.) Vierzehnter Auftritt. Vorige, Minnette. Minnette. Ich wollte nur fragen, ob der Herr Pastor beim Nachtmale bleiben? Alting. (Indem er sich auf einen Sessel wirft:) Ja. Minnette. (Leise znm Pastor:) Was kann ich dem Fräulein sagen? Pastor. — Daß meine Fürsprache nun Vergeblich sei. Minnette. Dacht ichs doch. (ab.) Fünfzehnter Auftritt- Alting, Pastor. Alting- (Hat seither den Brief durchlesen; sieht starr vor sich hin:) Emilie todt! — nur ein Taglöhner nahm sich deiner an; und mir vergönntest du nicht, dir wenigstens die Augen zuzudrücken! — In Kummer und Noth hast du gelebt, in Kummer und Noth hast du vollendet! (Tröknet fich die Thränen; dann mit tröstlicher Vaterfreude r) Aber mein Wilhelm ist brav geworden, ist eben dieser Wachtmeister! Und er wird wie ein Sohn mich lieben! —> Gott! wie du jedes Leiden des Menschen wieder mit Freuden aufwiegst und versüsscst. Gieb Stärke, der Leiden und Freuden schwerstes Gewicht zu ertragen, das zu gleicher Zeit in meiner Seele fich drängt! Emilie todt: aber mein Wilhelm lebt und ist brav geworden!— O Herr Pastor! welch eine Neuigkeit haben Sie mir gebracht! Pastor. Ich begreiffe noch nicht. Diese Emilie, diese Elende, Verlassene war ihre Gattinn? Uting. Kaum war ich vier Jahre mit ihr verbunden, als sie mit meinem Wilhelm davon floh. Pastor. Dieser Brief redet von einen» Vorurteile. Alting. Emilie war einer andern Religion; Sie wollte ihren Wilhelm nach ihren und ich nach meinen Grundsäzen erziehen. Pastor. Guter Gott! als wenn eö nicht eines wäre, ob man dich auf diese, oder jene E - 68 '.- 77 —-- Art lieben lernte! als wenn nicht jede Religion die Tugend zum Endzweke hätte! Alting. Welche Folgen hatte nicht dieses einzige blinde Vorurteil! zwanzig Jahre guter Pastor! hab ich dafür, hat sie, hat mein Wilhelm dafür gelitten! Der füssesten und reinsten Freuden, des Gatten und Vaters beraubt ging mir jeder Tag trübe vorüber; Reue, Sclbstvorwurf und eigene Verachtung verfolgten mich unaufhörlich. Pastor Wann werden es die Menschen fassen, daß ihr gröster Stolz darum bestehe, gute Menschen zu seyn! — Alting. Gott! gieb mir langes Leben, um das gut zu machen. was ich in deiner Schöpfung verdorben habe! — Ich habe also meinen Wilhelm wieder! Dieser Gedanke soll von nun an meine ganze Seele füllen. — Wilhelm , er, der meine Amalie rettete, der für ihre Ehre die seinige opferte, der — (stokr) der sie liebt? (gehl unruhig umher, überlegt ) Pastor. (Für sich:) Ich sollte zu eurer Verb.ndung beitragen. Nun ja; ich werde Amalien ihrem Bruder zuführen. Alting. (Steht auf einmal stille:) Nein, nein. Der Major hat mein Wort. s Sechzehnter Auftritt- ^ Vorige, der Major- Major. Ich bringe Ihnen eine wichtige Entdekung. ( Begrüßt reu Pastor. i Alting. Wie! Sie wissen schon? Major. Ich komme diesen Angenblik vom General, dem ich die Geschichte des Wachtmeisters ermltc, um ihm seine Ehre wieder zurükzustellen Wie ich die Treppe hinaufgehe, springt Minnette über den Gang und läßt die- ^ scs Billet fallen. Ich hebe es auf, rufeMin- » netten, um ihr das Verlohrne wieder zu ge- ' ben, aber sie hörte nicht mehr; ich eröffne, indem es unversiegelt und ohne Ueberschrift war, lese, und — nehmen Sie. (Giebt es Alting ) Alting. Wieder ein Brief! (Liest.) „Kein „ anderes Mittel zu unserer Vereinigung ist „ uns ferner übrig, als — Flucht. Wenn „ du mich wahrhaft liebst, so komm. Ich „ mache mich diesen Abend noch reisfcrtig. „ Um Mitternacht erwart ich dich auf me i „ nem Zimmer. Minnette wird dir die Hin- . „ tcrrhüre des Hanfes offen lassen. Amalie— ' Major. Was sagen Sie dazu? Alting. Das hätt ich nicht erwartet! f ?<> . Major. Können Sie mir noch Hoffnung auf Amaliens Hand geben? Alting. Bessere und gewissere , als je. Hören Sie, und wünschen Sie mir Glük. Ich habe meinen Wilhelm wieder gefunden. Major. Wie! wärs möglich; wo ist er? Alting. Eben derjenige, dessen Geschichte Sie dem General erzälten. Major. Wachtmeister Taglin? Alting. Der diesen Vorschlag der Flucht gewiß nicht annehmen wird, auch eh er eS weiß, daß er mein Sohn ist. Major. Westlicher Vater! — Nur ich — — ach! — Aber wie -—? Alting. Sie sollen alles erfahren. Izt gehen Sie Major, legen Sie das Briefchcn wieder an seine vorige Stelle. Minnette wird es suchen, und wieder finden. Lassen Sie uns sehen, ob mein Sohn zu dieser Entführung einstimmen kann. Pastor. Ich habe auch ein Schreiben an Taglin zu bestellen. Altrng. Nun gut. Wir bleiben zusammen diese Nacht. Erscheinen wird Taglin auf alle Fälle. Sie Herr Pastor! treten dann ins Zimmer, unter irgend einem Vorwande, und übergeben ihm das Schreiben. Major. Wir wollen sehen. 7i Alting. Bei Tische meine Herren! bitt ich Sie, vom Vorgefallnen im geringsten nichts merken zu lassen. Kommen Sie. — Amalie! das hätt' ich von dir nicht erwartet; — aber mein Willhelm wird nicht entfliehen; denn, sehen Sie Herr Major! hier steht es: — Gott sey Dank! er ist brav geworden. Er wird nicht entfliehen. Kommen Sie. 7 - Dritter Aufzug. Erster Auftritt- ( Der Lisch steht »och gedekt; einige Lichter brennen zu Ende. — Flik sizt am Tische und läßt sichS schmekm.) Minnette ( tritt nach einigen Minuten her« ein.) Man sehe doch den grossen Herrn, wie er-da sizt und sichs schmeken läßt, indeß unser eins die Hände voller Geschäfte hat. Flik- (Troken vor sich hin, indem ertrinkt:) Es ist nicht wahr. Minnette. Was ist nicht wahr? Flik. Daß Sie die Hände voller Geschäfte hat. — Das Maul voller Geschäfte hat Sie. Minnette. Umgekehrt; ich glaube, er hats Maul voller Geschäfte. Flik- Es ist nicht wahr; ich Habs Maul voller Wein. Minnette. Ei! wer hak denn ihm ein Privilegium gegeben, so allein da zu sizen? (Sezt sich neben ihn, ißt und trinkt ) Flik. So mein Scha z! Ich sags auch immer : es ist nicht gut, daß der Mensch allein sey. — 7; Minnette. Drum führt er immer einen Rausch mit sich. (Trinkt.) Ein nobler Gesellschafter ! Flik. Schnurr' Sie nicht so, liebes Kind k — Wie oft hab' ich ihr nicht schon den Vorschlag gethan, nicht so viel zu reden? Sie nüzt ja ihr süsses Mäuichcn ab, daß es so roh wird, wie ein Schleifstein. Minnette. Ich habe mein Maul zum — (trmkt) — reden. Flik. Und, wie ich sehe, auch zum trinken. — So recht, so — Sie ist doch ein Mädchen — zum küssen, (will sie küssen.) Minnette. Pfui! — Er nüzt ja sein Maul ab, daß es so roh wird, wie ein Schleifstein. Flik. Ich habe mein Maul zum küssen. Minnette. Da mag ers auf seiner Reise mit dein Baron wohl ziemlich abgenüzt haben. Flik. Drum möcht ichs gern an dem ihrigen polieren. — Nun — es lebe — (sagt ihr was ins Ohr.) Minnette. ( Giebt ihm einen Schlag und geht ab mit einigm Plattem ) ' Flik. Das war meiner Treu nicht gar ' zärtlich: Wart nur, du Hexe du!, 74 Zweiter Auftritt. Amalie, Flik. Amalie. (Kömmt aus ihrem Zimmer mit einem Kleidungsstük :) Dek er ab Flik und räum er auf. ( ao durch die Mittelthür.) Flik- Ich räume wirklich auf. Dritter Auftritt. Flik allein. ( Sieht Amalie» nach:) Mit der hat sich auch eine Veränderung zugetragen, während wir i auf Reisen waren. Das war sonst ein Gc- ! plapper und ein Geschnatter, ein Singen, ein Springen; und izt — izt ist sie dir so still, als wenn sie irgendwoher aus dem Noviziat käme. — Ueberhaupt giengs bei dem Nachtessen so feierlich zu. Da fassen sie alle, der Baron, der Major, der Pastor, das Fräulein, sahen einander an, als wenn sie stille , Musik spielten. — Mir schmekt kein Bissen, ! kein Trunk, wenn ich nicht eins dazu plaudern kann. Hm, hm! — Etwas muß vorgegangen seyn, das merkt ich an der Austa- i peztcrung ihrer Gesichter. — Ich dummer Teufel! Nun hab ichs weg! Nun klärt sichs / - H"' 7? auf, nun zerreißt sich der Vorhang der Dunkelheit! Der Pastor soll Amalien mit dem Major verknüpfen! Und Amalie — so ists. „ Wenn der Winter mit dem Frühling sich « galtet, da herrscht tiefe Trauer in der gan-- „ zen Natur. " — Sie ist nicht alt und er ist nicht jung; hu! das ist freilich ein trauriger Umstand für ein Frauenzimmer! — Vierter Auftritt. Amalie, Flik. Amalie. Ist er noch nicht fertig? Flik. Wirklich. Amalie. Geb er mir ein ganzes. Licht» Flik. Den Augcnblik. (ab.) Fünfter Auftritt. Amalie allein- Cr wird kommen! — und ich werde mit ihm entfliehen! — Dies waren also die lezten Stunden, die ich in meinem väterlichen Hause zubringe! Wie ist mir? Diese Bangigkeit, dieses wilde Klopfen hier? — Hab ich ein Unrecht vor?-O Gott! lieb ich nicht? Ist nicht gesezmässige Vereinigung mit dem Geliebten mein einziges Vorhaben 7 — Vater! ich liebe dich, aber Ihn lieb ich mehr. — „ Barer und Mutter werden sie verlassen und „ ihrem Geliebten folgen; " das, hört ich oft/ habe Gott selber gesagt. Sechster Auftritt- Amalie, Flik. Flik- Hier ist ein Licht gnädiges Fräulein! Amalie, Gute Nacht Flik! Flik, Gute Nacht. Amalie. Stell er die Tische zu beiden Seiten. Flik. — Befehlen Sie nichts mehr? Amalie. (Erblaßt.-) Nichts mehr? — Nein — nichts mehr; geh , leb, schlaf er wohl. Flik. Hm! hm! ( ab.) Siebenter Auftritt. Amalie allein. War mirs doch, als wüßt er mein ganzes Vorhaben. Nichts mehr? — Wie leicht verraten sich oft unsre verborgensten Entschlüsse 77 durch ein einziges Wort! — Warum auch diese feierliche Stille bei Tische? Sollte mein Vater — ? Unmöglich! Weg, weg mit diesen Vermutungen, die eitel Geburten der Furcht sind ! — Wo Minnette so lange bleibt? — Sonst wäre nun für alles gesorgt? Ein- gepakt und eine Kutsche bestellt- — Achter Auftritt. Amalie, Minnette (mit einigen Klei- dungLstäken.) Amalie. Kömmst du nun endlich? Sag, wie stehts? Minnette. Der Brief ist bestellt- (Für sich:) Aber sagen darf ich ihr nicht, daß ich ihn verloren hatte. Amalie. Was sprichst du da mit dir selber? Minnette. (Hustet.) Ueber den bösen Husten ! Der Brief, fag ich, ist bestellt, das Nötige cingcpakt, und der Fuhrmann wird ihrer vor dem Martinsthore warten. Meiner Sche- ster Mann führt Sie. Amalie. Du hast doch nicht vergessen, die Hinterthüre offen zu lassen? Minnette. Nichts hab ich vergessen; kurz, 78 alle Anstalten sind getroffen. — Der Baron - der Major und der Pastor sitzen noch ganz ruhig im Hintern Saale, trinken und plaudern eins. Amalie. Wozu sollen diese Klcidungssiüke? Mmnette. Wozu? Mein Gott! Wenn ich mit Ihnen soll, so muß ich ja — Amalie. Mit/ also mit; und du sollst? Wer sagte denn / du sollst? Mmnette. Meine Liebe zu Ihnen Fräulein ! Amalie. Was doch die Liebe nicht alles sagt! Mmnette. Sie thut noch weit mehr, als sie sagt. Amalie. Laß gut seyn. Je nun: du sollst! — Aber was fangen wir indessen an Min- nctte? Mir ist so bang. Erzäle was. Mmnette. Du liebster Gott! ich bin so arm am Geiste, als ein Prediger, der mehrere Jahre hintereinander an dem nämlichen Festtage predigen soll. Amalie. Liegt auf dem Tischchen dort nicht ein Buch? — Bring mirs. Mmnette. Ihr Lieblingsbuch: Rnigge über den Umgang mit Menschen. Amalie. Gieb her. Mmnette. Hier. — Ich will indessen in 79 meinem Siegwart lesen. (Sezt sich zur einen Seite an den Lisch und liest-) Amalie. (Sizt zur andern Seite am Lüche, liest: „ Das erste und natürlichste Band un- „ ter den Menschen —-ist von jeher „ das Band unter Eltern und Kindern ge- „ Wesen. " — Und du willst es zerreißen? ( Blättert weiter :) „ Die Kinder vergessen , wie „ viel schöne Stunden sie ihren Eltern durch „ betäubendes Geschrey verdorben, wie viel „ schlaflose Nächte sie dem sorgsamen Vater „gemacht haben, der alle Kräfte austwth, „ für seine Familie zu arbeiten, sich manche „ Bequemlichkeit entziehen; vor manchem „ Schurken sich krümmen mußte, um Untcr- „ halt für die «Deinigen zu erringen. Gutge- „ artete Gemüther werden indessen nie so sehr „ das Gefühl der Dankbarkeit erstiken, daß „sie meinen Ermahnungen bedürften, und „ für — niedere Seelen schreib ich nicht. — Gott !, ( Legt das Buch weg, geht umher. ) Minnette- Was ist Ihnen Fräulein? Amalie. Also für mich hast du nicht geschrieben guter Maun! — Doch — du sollst dennoch für mich geschrieben haben. Ich will nicht undankbar seyn. Minnette. Amalie! Amalie. (In sich versenkt:) Er hat mich 8 » " so väterlich geliebt, meine Glükseligkeit war immer sein innigster Wunsch! — Und ich könnte ihn verlassen! ich könnte so schändlich entfliehen! — Nein, nein; ich will nicht undankbar seyn. Gott vcrgieb mir! — Minnette. Fräulein! was reden Sie? Amalie. Es ist beschlossen Minnette, ich fliehe nicht. Minnette. Was hör ich? Amalie. Ich fliehe nicht. Minnette. Nun, da sehe man, was das Lesen vermag— Amalie Geh, benachrichte Taglin, sag die Chaise ab, verschließ die Hinterthure und pake alles wieder aus. Minnette. Wie Sie befehlen. — Aber ich begreifst die schnelle Aenderung nicht. Amalie. Genug, daß ich sie begreifst. — Ich war betäubt, von meiner Leidenschaft, von deinem Gefchwäze betäubt. Minnette. Also lieben Sie nicht mehr? Amalie. (Edel:) Ich liebe mehr, als vorher; ich liebe meinen Vater, meine Ehre. Minnette. Viel Glük zur Hochzeit! Amalie. (Aufgebracht: - Mädchen! Minnette. Ich gehe schon. — Was soll ich Taglin sagen? Amalie- -------------- 8- Amalie. (Verwirrt:) Was? — Sagihm, ich habe, — sag ihm — horch! —wer kömmt? Minnette. ( Oeffnct die Lhür :) Sagen Sie. ks ihm selbst, (ab mit ihren KleidungSftüken.) Neunter Auftritt. Amalie, Taglin. Amalie. (In Verwirrung. ) Taglin. (Mit erzwungener Kälte:) Nehmen Sie ihr Schreiben zurük Amalie!—Ich kam, um Abschied zu nehmen. Amalie. ( Ueberrascht und beschämt :) Taglin! Taglin. Ich liebe Sie Amalie, ganz um Ihrer selbst willen. Aber eben darum darf ich ihren Antrag zur Flucht nicht annehmen. Heute noch macht ich mir es zur Pflicht, ihre Ehre mit dem Verluste der meinigen zu retten. Mein gutes Bewußtseyn würde mich genugsam schadlos gehalten haben. — Wollen Sie nun verdiente Schande mit mir theilen? O es würde eine Zeit kommen, wo Sie mir fluchen würden! — Wir wollen das so reine Gefühl der Liebe erhalten, seinem Ursprünge gleich. — Das Schiksal gebietet mir zwar meine Hoffnungen auf ihre Hand aufzugeben— F / 8S --7 -7^---- - Amalie. O Gott! ' Taglin. Vergeben Sie mir Amalie! Ich weiß, ich hätte mich damit begnügen sollen, mich um Sie verdient gemacht zü habend aber — ich wurd,^ zu sehr dghingcrisscn von dem allgewaltigen Gefühle; der Gedanke der Liebe, Hoffnung der- Gegenliebe' war zu reizend , als daß ich es vermocht hätte,, ein Bekenntniß zurükzuhalten — Amalie. (Fährt mit der Hand über die Stirne: )Meg wäre der schöne Morgentranm! Taglin. Sie haben mir viel Gutes gethan Amalie! Sie haben mich in Stand gesiezt meiner Mutter damit auf längere Zeit zu helfen. Ich bin nun iin Begriffe, sie zu besuchen, und ihr mein zeitheriges Erfparniß zu überreichen. Ueberdics erhielt ich feit drey Wochen keine Nachricht von ihr. Auf die Entdckung des Herrn Majors von Grüner würd ich frei gestellt , und habe nun auf ei- nige Wochen Urlaub erhalten. — Meinen innigsten Dank Amalie! den Dank des Sohnes und der Mutter l — Leben Sie — ewig wohl. < will gehen.) Amalie. (Fliegt in seine Arme:) Taglin! ich lasse dich nicht, kann dich nicht lassen, ohne deiner Liebe gewiß zu seyn. Liebst du mich nicht mehr? — 8 ? Taglin. (Schweigt unter streitender Empfindung. ) Amalie. Taglin! hast du unsers Bundes ycrgessen? Taglin. Amalie! (umarmt sie mit Cnt» züken.) Amalie. Du liebst mich noch und willst mich dennoch verlassen? Taglin. O daß ich geboren wurde! Amalie. Du willst mich verlassen? Taglin. Muß ich nicht ? Amalie. Du müßtest? — Niemand muß! Taglin. Als Amalie und Taglin! Amalie. Wie? Taglin. Amalie muß dem Major ihre Hand geben. O ich weiß alles! Amalie. Und Taglin muß die hülflose Amalie verlassen; muß das arme Mädchen der Konventen; Hinopfern sehen, dem er ewige Liebe schwur? Taglin. (Reißt sich los.) Lassen Sie mich. Amalie. Nimmermehr! Umschlingen will ich dich , die Schwache den Starken, mit Liebe dich festhalten, so lange, bis der Tod aus deinen Armen mich reißt. — Taglin! sich ! das Leben will ich wegwerfen, gleich einer zerbrochenen Steknadel, wenn du die Liebe deines Mädchens wegwirfst. F s Zeh Er Auftritt. Vorige, der Pastor (mit einer Kerze.) Pastor. Verzeihen Sie mir Fräulein ! Als ich da über den Gang her ging, blies mir der Wind das Licht aus. Erlauben Sie? (will anzünden.) Amalie. (Ueberrascht:) O Herr Pastor! — ich — ich bin eine Verbrechen». — Sehen Sie hier den edlen Mann, der mir das Leben, und was mehr als Leben ist, der mir meine Ehre gerettet. Ich war Willens zu entfliehen. . .. Pastor- Das hatte Amalie thun können? Amalie. Noch mehr; ich habe den Vorschlag gethan, ich habe Taglin hieh.er bestellt. Pastor. Wie ! Taglin, sagen Sie? Taglin? Amalie. Nun ja; er, den ich liebe, und der mich nun verlassen will. Pastor. (Sucht den Brief:) Taglin! — Ich hab.e hier einen Brief an einen Taglin. — Wachtmeister ? — Wilhelm Taglin? — Nicht so? . . Taglin. (Nicht begrasend : ) Ja. — . Pastor. (Trittzwischen sie:) Muth, meine Lieben! Hicnicden reift sie ja doch nicht des Menschen Giükieligkeit; nur durch das Grab geht uns Armen die Sonne auf, welche den schönen Morgen der Ewigkeit herausbringt. Warum sollen wir untröstlich seyn, daß unsre Gcliebtestcn uns vorangingen, da wir sie doch einmal, früh oder spat — einholen werden? Lassen Sie uns eine gute That thun, das wird uns wieder froh machen. Amalie und Taglin (sehen einander bctrvf-. fen an.) Pastor. (Uebergiebt Taglin den Brief:) Nehmen Sie. — Taglin. (Mit zittern:) — Ha! die Hand meiner Mutter! Aber, wie kommen Sie — ? Pastor. Lesen Sie. Taglin (ließt, erblaßt, sinkt zusammen:) Allmächtiger Gott! Amalie. Gütiger Himmel. (Eilet ihm zu Hülfe.) Pastor. Was hab ich gethan? — Die Nachricht kam zu plözlich! Amalie. Taglin! — Herr Pastor! — Was -soll ich? — O, rufen Sie, gehen Sie, bitten Sie. Gott! mein Taglin! Pastor. Muth Fräulein! Er wird sich erholen. Ich eile. (Ab mit dem Lichte.) 86 Eilftev Auftritt. Amalie, Taglin. Amalie Erhole dich mein Lieber! Theile deinen Schmerz mit mir! Taglin- (Erholet sich, sieht Amalien wehmütig an, giebt ihr das Schreiben, sagt mit gebrochener Stimme:) Lies. — Amalie. (Ließt:) „Wilhelm, mein Sohn! »Ich habe für gut gefunden, dich nicht frü- „ her, als vor meinem Tode, mit dem Na- „ men deines Vaters bekannt zu machen, » damit du dich angewöhnest, nie auf Her- „ kunft, sondern auf eigene Verdienste stolz „ zu seyn. Um dich aber gegen eine hülflofe ,, Zukunft zu fchüzen, fo ist es nöthig, daß „ du deine Anfvrüchc kennest. Das Ende mei- „ nes Lebens ist nahe; die lezten Kräfte hab „ ich zufammen genominen, dir und deinem „ Vater zu fchrciben. Wisse demnach, daß „ der Baron von Alting mein Gcmal und „ dein — Vater ist. " — (Läßt den Brief fallen, steht betäubt, schwankt nach einer Pause zu Laglin hin.) Taglin. (Käst sich auf, Amalie,, entgegen.) (Sie fallen einander in die Arme, rufen mit all dem Gefühle dieser Situation:) " r- Amalie- Mein Bruder Taglin. Meine Schwester! Pause. Zwölfter Auftritt. Amalie, Taglin, Alting, Major, Pastor (mit dem Lichte.) Alting. Meine Kinder! Amalie (wirft sich Alting zu Füssen:) Mein Vater! Alting (eilt mit voller Freude auf Laglin zu:) Mein Sohn, mein Wilhelm! Taglin. (Ohne die Umarmung anzunehmen:) Wie sdll ich Sie nennen? Alting. Deinen Vater. Taglin. Vater ? — O diesen theuren Namen, um dessen Seligkeit willen der Gvige Welten schuf, durft ich nie aussprcchen; mit keinem Auge sah ich den in meinen Knaben- Jahrcn, der mir mein Daseyn gab; nie ward meinem Herzen die Seligkeit zu Theil, die Regungen des Sohnes gegen den Vater zu fühlen. AlS ich noch ein Kind war, und von andern Kindern den Vater-Namen nennen hörte, da fragt ich weinend meine Mutter: Hab ich nicht auch einen Vater? — 88 Alting O vergieb mir, vergieb mir Wilhelm! Wer war unglüklicher, als ich? Du würdest deinen Vater bemitleiden, wenn du wüßtest, wie theuer seinem Herzen der Verlust der Gattinn und des Sohnes zu stehen kam. Nicht Bosheit, nicht unmenschliche Grausamkeit entriß euch mir; sondern ein verabscheu, ungswüvdigcs Erbteil einer bigottischen — Erziehung, der thörichte Glaube, man könne nur in einer Religion den Weg der Tugend wandeln — dieses verderbliche Vorurteil hat euch und mir 20 Jahre ein Leben voll Elend bereitet. Aber — seht da, mein Wilhelm ist brav geworden! Und — Herr Major, Herr Aastor, sagt ich nicht, mein Wilhelm würde nicht entfliehen? Amalie. Wie! Sie wissen mein Vater—? Alting- Ich nicht allein, alle wissen es. Amalie. Werden Sie mir vergeben können r Alting- Sieh Amalie, so weit kann eine Leidenschaft auch die besten Kinder verleiten! Eben darum sollen sie jederzeit ihren Eltern gehorsamen, um eine sichere Stüze ihrer Tugend zu haben. (Läutet.) Amalie, Bester, gütigster Vater! 8 - Dreizehnter Auftritt- Vorige, Minnette. Altmg. Trete Sie näher. — Ein Dienst» Mädchen, das sich zur Unterhändlerin unerlaubter Unternehmungen brauchen läßt, ist wohl noch mehr fähig. — Hier ist ihr ganzer Jahrlohn. Morgen mit Tages Anbruch zieht Sie fort. — Amalie. (Bittend:) Mein Vater! nur mein ist die Schuld. Altmg. Ich weiß alles. — Fort! Minnette. (Weinend küßt fle Ainaliens Harri» und geht.) Vierzehnter Auftritt- Vorige, (ohne Minnette.) Alting. Und nun Amalie l hab ich dir em wichtiges Geheimniß zu entdecken, welches mir sehr schwer fällt, weil ich nichts fo sehr wünschte, als, langer mit denjenigen Augen von dir angesehen zu werden, mit welchen du mich bisher ansahst. — Doch — dir vielleicht eine angenehme Entdeckung zu machen, dann auch, um gegen den Herrn Major nicht un- 9 ° - . — edcl zu handeln — in dieser Rüksicht fordert mich '«allerdings meine Pflicht dazu auf. Amalie- O reden Sie mein Vater! A!ting. Wollte Gott! ich wäre auch — dein Barer. Major. Amalie nicht ihre Tochter? Amalie. Sie nicht mein Vater? TagUn- Amalie nicht meine Schwester? Alting. Es sind nun achtzehn Jahre, seit ein kaiserlicher Offizier meinem verstorbenen Verwalter, eh er noch in meinen Diensten war, dich übergab. Dieselbe Gegend, wo mein Verwalter sich aufhielt, war ein Schauplatz kriegerischer Verheerungen. Der Offizier verlor seine Gattinn, als du kaum zwei Jahre alt warst. Er mußte dem Heere folgen, hinterließ dir aber ein Kapital von 20,000 Gulden , und übergab dem Verwalter ein Kästchen , worinn, nach des Offiziers Aussage, dein Geburtsbrief, deine Herkunftsurkunde enthalten sey, und welches Kästchen, falls der Offizier nicht mehr zurükkommen und dich abholen sollte, an dem Tage deiner Verhcurat- ung sollte eröffnet werden. Major. Ein Kästchen? — Darf ich meiner Ahndung trauen? — Taglin- Wie! ich dürfte noch hoffen, Amalicns Hand zu erhalten'. 9l Amalie- Mein Vater! (Sie sind doch nun mein Vater) o machen Sie ihre Tochter ganz glüklich! Alting. (Mit einem fragenden Blike:) Herr Major? Major. (Kaum erwartend:) Haben Sie das Kästchen noch? Alting. Ja. Major. Und haben es noch nicht erbrochen ? Alting. Nein. Hörten Sie nicht, daß es mir nicht eher, als am Tage von Amal ens Verbindung erlaubt wurde? Major. Haben Sie einen Schlüssel zu diesem Kästchen? Alting. Nein. — Wahrlich, daran dacht ich nicht mehr. Wir müssen es erbrechen. Major. (Freudig:) Ich habe den Schlüssel Baron, ich hab ihn ! O es ist schon allzu gewiß! — Alting. (Nicht begreiffrnd:) Wie! — Herr Major! — Sie? Major. ( Zieht den Schlüssel aus seiner Brieftasche :) Hier, hier; sehen Sie. Alting. ( Sich besinnend: ) Sie erzältcn mir auf unsrer Reise von einer geliebten Person, die Sie verloren? — Sollte — ? 92 Major. Es ist, cs ist. Das Kästchen Herr Baron, das Kästchen! Alting- Sie sollen cs sehen. (ab.) Fünfzehnter Auftritt. Vorige, (ohne Alting.) Major. Wohl mir, daß ich diesen Schlüssel gleich einem Hciligthum immer bet mir trug! — ( Amalicn betrachtend, für sich:) Ja, ja; es sind Züge ihrer Mutter! — Amalie. Gott, wie wunderbar sind deine Fügungen! Taglin. Was wird endlich mein Los seyn? Pastor. Die Vorsicht lohnet immer, die ihr vertrauten und recht thaten. Pause. (Aller Erwartung ist gespannt, und zeigt sich nach Verschiedenheit des Interesse in eines jeden Gesichte und Stellung.) Sechzehnter Auftritt- Vorige, Alting (mit dem Kästchen.) Alting- Hier, Herr Major! Major- (Erkennt es,) Ha! —(öffnet es -- "" . 9Z mit seinem Schlüssel, zieht eine Urkunde und sei» Portrait heraus/,,giebt cS Altingr) Sehen Sie ob das mir gleicht! (Umarmt Amalien.) O meine Tochter! — Ich habe dich wieder! Nun, nun bin ich glücklich! Amalie- Sie mein Vater? Major. Fällt dirs seltsam mein Kind? Kein Wunder. Der Vater warb um seine Tochter.— ist das nicht seltsam? Es soll dir denn doch angenehmer seyn in mir deinen Vater, als deinen Mann zu erkennen. Nicht? Alking. Aber liebster Major! noch begreif ich kaum! Major. Wenig Warte, und es wird Ihnen alles klar seyn. — Seit den achtzehn Jahren, als ich meine Amalie Thomas Bergern übergab — Alting. So hieß mein Verwalter. Major. Seit dieser Zeit wollte es das Schiksal, daß ich immer von einem Orte zum andern in weiter Entfernung Herumziehen mußte. Die ersten sechs Jahre erhielt ich von Zeit zu Zeit Nachricht von meiner Tochter. Spater aber konnt ich, ohngeachtet aller mir gegebenen Mühe nichts mehr erfahren; denn die eine Hälfte der Zeit war ich krank, die andere im Felde, endlich gar in Gefangenschaft, wo es mir unmöglich ward durch ein Schreiben, 94 ' -— oder Nachforschen Erkundigung einzuziehen.— Nach erhaltener Frchheit endlich schrieb ich. Mein ich erhielt keine Antwort. Ich entsagte meinem Dienste, nam mir vor, sie anfzuM chcn, wenn sie noch am Leben wäre. — Ich komme an den Ort ohnweit Brüssel , wo ich diesem Thomas Bcrger meine Amalie übergeben hatte. — „ Er wäre seit zehn Jahren „ von da fortgezogen ,,, war alles, was ich erfuhr. — Denken Sie sich nun meine Lage,. Doch Sie wissen jass in lvelcher-iKeiMD- Verfassung Sie mich in Brüssel antrafen. Sie waren ohngefär in gleicher Stimmung mir wir, und das machte mir ihre Bekanntschaft wünschenswert. Das übrige — Alting. Weiß ich nun. — Gott! und das wäre nichts, als Mall! Oder, giebt es'wohl einen Zufall? Nem, nein ; die Vorsicht, die über uns waltet,'führte Amalien, die Vaterlose, führte Sie Major, den trostlos Suchenden, führte bich Wilhelm, den Verlornen in meine, führte meine Emilie, in Gottes Arme-—Freunde! Gott ist gütig. Umarmet mich meine Lieben! — Herr Major! unsre Wünsche sind erfüllt. Izt, nicht wahr , izt bleiben wir so beisammen? Major- Meine Hand darauf. Altmg. Ja? ja? — O das ist mehr, als - -- y; ich zu wünschen vermag. — Wie wir izt leben wollen. — Ich möchte diesen Augenblik all mein Vermögen einem Armen schenken. —- Euer meine Kinder sey alles. Ernährt mich, pflegt mich, leitet mich nach eurer Willkür; und einst — drüket mir die Augen zu: aber laßt cuchs nicht zu sehr betrüben. Sprecht: Friede sey mit Ihm — und lebt nach, wie vor, — glüklich. Major. ( Legt Laglins und AmalienS Hände ineinander:) O meine Kinder! Amalie. (Knieend:) Mein Vater! Taglin- Amalie mein! Major. Meinen besten Segen.' Pastor. So ein Augenblik, und war er auch der einzige in der Reihe der Tage, lohnt er nicht des Lebens schwerste Leiden? -.f, ' 8z --r Ls-'t: -.^ -7 ..- -. - 7 ?-..- ' ,r»L- ^ 7 , - SMi -7j