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Document 52016IR3691

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Effiziente Bewirtschaftung der Wasserressourcen: ein Konzept für innovative Lösungen

ABl. C 207 vom 30.6.2017, pp. 45–50 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.6.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 207/45


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Effiziente Bewirtschaftung der Wasserressourcen: ein Konzept für innovative Lösungen

(2017/C 207/09)

Berichterstatter:

Cees LOGGEN (NL/ALDE), Mitglied der Deputiertenstaaten der Provinz Noord-Holland

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

betont, dass sauberes Trinkwasser in ausreichenden Mengen als Quelle allen Lebens für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen unentbehrlich ist. Wasser bietet viele Entwicklungschancen, ist jedoch auch eine Bedrohung. Überschwemmungen, Dürren und schlechte Wasserqualität bedrohen unser Leben, unsere Gesundheit und unseren Wohlstand;

2.

zollt der Europäischen Kommission für die Einführung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im Jahr 2000 Anerkennung, mit der — flankiert durch spezifischere EU-Rechtsvorschriften (1) — ein Großteil der älteren Rechtsvorschriften verschlankt, die Wasserbewirtschaftung auf der Grundlage von Einzugsgebieten geregelt und ehrgeizige langfristige Ziele für den Gewässerschutz eingeführt wurden;

3.

weiß, dass die Europäische Kommission derzeit an den folgenden Elementen der europäischen Wasserpolitik arbeitet:

a)

Überarbeitung der Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG), geplant für 2019: Der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS) hat in dem Bericht „Water Regulation — Cost of Non-Europe“ eine Analyse vorgenommen, in dem die Probleme bei der Umsetzung aufgezeigt werden;

b)

Maßnahmen, u. a. ein Vorschlag für ein Rechtsinstrument zur Förderung der Wiederverwendung von Wasser: Die Wiederverwendung von Wasser ist eine Schlüsselkomponente der ökoindustriellen Landschaft der Union. Die Initiative zur Förderung der Wiederverwendung von Wasser ist ein wichtiger Bestandteil des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und erfordert einen Legislativvorschlag zu den Mindestqualitätsanforderungen für wiederverwendetes Wasser, beispielsweise für Bewässerung und Grundwasserneubildung;

c)

die anstehende Überarbeitung der Trinkwasserrichtlinie (Richtlinie 98/83/EG), geplant für 2017: In den Konsultationen und Vorstudien wurde die Notwendigkeit einer Verbesserung der EU-Trinkwasserpolitik in Verbindung mit der Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser und Sanitärversorgung hervorgehoben;

d)

die mögliche Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (Richtlinie 91/271/EWG);

4.

weist darauf hin, dass die Wasserbewirtschaftung in den meisten Mitgliedstaaten in den institutionellen und politischen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften fällt, die somit die meisten EU-Rechtsvorschriften im Wasserbereich konkret ausgestalten. Häufig sind sie außerdem auch für Politikbereiche zuständig, die für eine nachhaltige Wasserwirtschaft relevant sind, u. a. Raumplanung, Infrastruktur, Mobilitätspolitik, Genehmigungen, Landwirtschaft und Landschaftspflege, Wasserversorgung, Schutz des Grund- und Oberflächenwassers, Anpassung an den Klimawandel und Hochwasserschutz;

5.

nimmt die Schlussfolgerungen des Rates (Umwelt) vom 17. Oktober 2016 zur nachhaltigen Wasserwirtschaft zur Kenntnis. Der AdR unterstützt die Schlussfolgerung des Rates, dass Wasser höchste Priorität hat, und pflichtet dem Hinweis darauf bei, dass sich die Aufgaben und Zielsetzungen in Bezug auf die Wasserwirtschaft in der EU unterscheiden, weswegen Flexibilität in Bezug auf die zu ergreifenden Maßnahmen erforderlich ist, zu denen u. a. die notwendige Einführung von Infrastrukturen zur Regulierung der Wasserressourcen zählt, um einen guten Zustand der Umwelt und der Wasserkörper zu erreichen und die Versorgung zu gewährleisten;

6.

weist daher auf die Bedeutung der Einhaltung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips hin. Der nationale, regionale und lokale Kontext ist zum Beispiel bei Maßnahmen im Zusammenhang mit der Wiederverwendung von Wasser oder Effizienzverbesserungen auf der Nachfrageseite (Wassersparen) entscheidend, da sich der Grad der Wasserverfügbarkeit unterscheidet. Deshalb ist es wichtig, diese Problematik unter Zugrundelegung eines europäischen Rahmens auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene untersuchen und auf diesen Ebenen die notwendigen Maßnahmen festlegen zu können;

7.

anerkennt die sehr ehrgeizige, freiwillige Agenda für die städtische Wasserwirtschaft für 2030, die auf der Konferenz „Cities and Water“ im Februar 2016 in Leeuwarden aufgestellt wurde, und fordert die europäischen Städte auf, diese zu unterzeichnen;

8.

unterstützt die Absicht der Europäischen Kommission, 2017 im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft einen Vorschlag zu qualitativen Mindestanforderungen für wiederverwendetes Wasser vorzulegen und eine Überarbeitung der Trinkwasser-Richtlinie im Nachgang zur REFIT-Evaluierung vorzunehmen (2), wobei darauf zu achten ist, dass sich mögliche negative Effekte nicht unverhältnismäßig auf andere Sektoren wie z. B. die Landwirtschaft auswirken;

9.

unterstreicht, dass regionale Unterschiede in Bezug auf die Wasserverfügbarkeit berücksichtigt werden müssen. Es sollte nicht grundlos eine Verpflichtung zur Wiederverwendung von Wasser geschaffen werden; diese könnte am ehesten eine Lösung für solche Gebiete sein, in denen die Wasserverfügbarkeit problematisch ist;

10.

fordert in diesem Zusammenhang die Europäische Kommission im Sinne eines ausgewogenen und kohärenten Konzepts auf, zu gewährleisten, dass die Wiederverwendung von Wasser nur als zusätzliche Wasserversorgungsoption und gleichzeitig mit Effizienzverbesserungen auf der Nachfrageseite einhergeht und mögliche Auswirkungen einer geringeren Wasserverfügbarkeit untersucht und berücksichtigt werden;

11.

erachtet es als grundlegend wichtig, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Form dieser Initiativstellungnahme Empfehlungen für eine bessere Umsetzung der geltenden EU-Wassergesetzgebung aussprechen und weiterhin eng an der künftigen europäischen Wasserpolitik Teil haben;

Kontext und inhaltliche Abgrenzung der Initiativstellungnahme

12.

hat in der Vergangenheit bereits mehrfach zum Themenkomplex Wasserwirtschaft Stellung genommen. Diese Initiativstellungnahme schließt an diese früheren Stellungnahmen an:

a)

Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2000/60/EG und 2008/105/EG in Bezug auf prioritäre Stoffe im Bereich der Wasserpolitik“, CdR 1120/2012 (3);

b)

Stellungnahme zu dem „7. Umweltaktionsprogramm“, CdR 593/2013 (4);

c)

Stellungnahme zur „Konzessionsvergabe“, CdR 100/2012 (5);

d)

Stellungnahme zum Thema „Die Rolle lokaler und regionaler Gebietskörperschaften bei der Förderung eines nachhaltigen Wassermanagements“, CdR 5/2011 (6);

13.

unterstreicht in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserpolitik die Notwendigkeit, die Kohärenz der europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Maßnahmen mit den Maßnahmen in Verbindung mit der EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel sicherzustellen, und verweist diesbezüglich auf die Stellungnahme „Auf dem Weg zu einer neuen EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel: ein integrierter Ansatz“, CdR 2430/2016;

14.

ist sich sehr wohl bewusst, dass Wasser ein sehr umfangreicher Politikbereich ist, und vertritt die Auffassung, dass im Mittelpunkt dieser Initiativstellungnahme die Binnenwasserwirtschaft stehen muss, d. h. die Wasserqualität, der Süßwassermangel und der Hochwasserschutz. Die Bewirtschaftung des Meerwassers und in Verbindung damit die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und die Richtlinie zur maritimen Raumordnung, die Gegenstand früherer Ausschussstellungnahmen waren, werden in dieser Stellungnahme nicht behandelt;

Die Bedeutung einer guten Wasserbewirtschaftung

15.

verweist auf die großen künftigen Herausforderungen für die Wasserbewirtschaftung infolge des Klimawandels und der immer intensiveren Landnutzung:

a)

Kurzfristig erhöht die immer stärkere Veränderung der Niederschlagsverteilung die Gefahr von Überschwemmungen und Dürre. Der Anstieg der Wassertemperatur und die Bandbreite extremer Wetterereignisse wie beispielsweise Hochwasser und Dürre beeinträchtigen die Wasserqualität; die Änderungen in Bezug auf Wassermenge und -qualität ihrerseits wirken sich auf die Verfügbarkeit, Stabilität und Zugänglichkeit von Wasser und in der Folge sowohl auf die Funktion wie auch die Nutzung der bestehenden Infrastrukturen und die Wasserbewirtschaftungspraktiken aus;

b)

mittelfristig besteht die Herausforderung darin, die angestrebten Ziele für die Wasserqualität auch tatsächlich zu erreichen;

c)

langfristig werden die größten Herausforderungen die Folgen des Anstiegs des Meeresspiegels und die (Süß-)Wasserknappheit sein, die u. a. durch die Migration aus Gebieten, die überflutet sind und/oder in denen Süßwasserknappheit herrscht, erhebliche sozioökonomische Folgen haben. Die prognostizierten Veränderungen der Niederschläge und Temperatur werden sich wahrscheinlich ebenfalls auf die Häufigkeit von Überschwemmungen auswirken und somit zu erheblichen sozioökonomischen und gesundheitlichen Folgen führen;

16.

unterstreicht den wirtschaftlichen Wert des Wassersektors und die wirtschaftliche Bedeutung einer guten Wasserbewirtschaftung. Hier einige Beispiele:

a)

Der globale Wasserversorgungs-, -aufbereitungs- und -verteilungssektor ist eine kritische Voraussetzung für unser Zusammenleben: Wasser sichert Nahrungsmittel, Sanitäreinrichtungen, Gesundheit und Wohlergehen. Ca. 63 Billionen EUR der globalen Weltwirtschaft mit ihren insgesamt ca. 70 Billionen EUR sind direkt von Wasser abhängig (7).

b)

In einem vor Kurzem veröffentlichen UN-Bericht wird berechnet, dass weltweit eine Milliarde Arbeitsplätze, d. h. 40 % aller Arbeitsplätze, in hohem Maße von Wasser abhängig sind und eine weitere Milliarde Arbeitsplätze teilweise von Wasser abhängig sind. Das bedeutet, dass insgesamt 80 % der Arbeitsplätze weltweit von Wasser abhängig sind (8).

c)

Der europäische Wassersektor besteht aus 9 000 aktiven kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und schafft 600 000 direkte Arbeitsplätze allein im Bereich der Wasserversorgung (9).

d)

Die geschätzte Bruttowertschöpfung des Abwasserentsorgungs- und Wasserversorgungssektors insgesamt belief sich im Jahr 2010 auf 44 Mrd. EUR, was rund 500 000 Arbeitsplätzen entspricht (10).

e)

In den letzten 15 Jahren verursachten Überschwemmungen versicherte Schäden in Höhe von mindestens 25 Mrd. EUR; hinzu kommen noch die nicht versicherten Schäden. Das jährliche Schadensvolumen wurde allein 2014 auf knapp 5 Mrd. EUR geschätzt, ein Wert, der sich laut Prognosen bis zum Jahr 2050 auf das Fünffache erhöhen kann (11);

Die Notwendigkeit einer anderen Politik

17.

weist darauf hin, dass aufgrund der beträchtlichen Ungewissheiten betreffend das Ausmaß und die Folgen künftiger Wasserprobleme sowie der unterschiedlichen Regelungsrahmen die Gestaltung dieser Politik auf der Grundlage einer „Blaupause“ als guter Ausgangspunkt für die Verbesserung der Beziehungen zwischen den verschiedenen Institutionen und die Auslotung neuer innovativer Arten der Politikgestaltung erachtet werden kann, die die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sektoren ermöglichen, indem Synergien gesucht und Konflikte vermieden werden. Es bedarf somit einer „adaptiven Politik“. Die nachstehende Tabelle veranschaulicht die verschiedenen Optionen. Die nachstehende Tabelle veranschaulicht die verschiedenen Optionen.

 

Normen und Werte

Übereinstimmend

Unterschiedlich

Wissen

Konsens

Politik nach Plan

Normen als Verhandlungsbasis

Kontroverse

Wissen als Verhandlungsbasis

Adaptive Politik

18.

fordert die Europäische Kommission auf, im Zuge der geplanten Überarbeitung der Trinkwasserrichtlinie, der Ausarbeitung der Maßnahmen zur Wiederverwendung von Wasser, der möglichen Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser und letztlich der Überarbeitung der Wasserrahmenrichtlinie die Möglichkeiten für eine adaptive Politik im Bereich der Wasserpolitik zu prüfen. Im Mittelpunkt müssen dabei die grundlegenden Voraussetzungen für eine adaptive Politik stehen, namentlich Integralität, Informationsaustausch, Flexibilität und Differenzierung bei Zielsetzungen und Anstrengungen sowie Innovation. Bei ihrer Untersuchung von Möglichkeiten für eine neue Politik sollte die Europäische Kommission die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften konsultieren, um sicherzustellen, dass künftige Vorschläge im besten Interesse der Gebietskörperschaften sind, anstatt ihre Zuständigkeiten zu beschneiden;

Integrale Politik

19.

fordert die Europäische Kommission auf, ihre vielfach sektorspezifische Wasserpolitik zu einer integralen Politik umzugestalten; fordert die Europäische Kommission außerdem auf, in diesem Zusammenhang darauf zu achten, dass die Wasserwirtschaft als übergreifendes Element in die Erarbeitung von Rechtsvorschriften in anderen, für diese Ressource wichtigen Themenbereichen wie Trinkwasser, Energie, Landwirtschaft, Fischerei, Tourismus, Umwelt usw. berücksichtigt wird;

20.

ist der Ansicht, dass das Vorsorgeprinzip und das Verursacherprinzip die Wasserpolitik auch weiterhin prägen müssen. Im Rahmen eines differenzierten Ansatzes sollten jedoch alle Möglichkeiten gewahrt werden, um die wirksamsten und effizientesten Lösungen zu finden und — in Ausnahmefällen — von diesem Ausgangspunkt abweichen zu können. Diese Lösungen beruhen auf innovativen, spezifischen und ökologisch nachhaltigen wissenschaftlichen Konzepten;

21.

weist diesbezüglich darauf hin, dass Energie bzw. die Energiekosten ein großes Hindernis für die Umsetzung von Innovationen und unkonventionellen Lösungen für Wassermangel wie die Beförderung von Wasser in Dürregebiete oder Entsalzungsanlagen sein können, und betont, dass die Nutzung erneuerbarer Energien in diesem Kontext sowie das Potenzial von Wasser selbst als Energiequelle bei der Gestaltung der EU-Politik berücksichtigt werden muss;

22.

betont, dass der zunehmende Verbrauch von Medikamenten wie beispielsweise von Antibiotika berücksichtigt werden muss: Die Wirkstoffe werden über Abwässer in das Oberflächenwasser eingeleitet, wodurch größere Anstrengungen zur Trinkwassererzeugung aus Oberflächenwasser erforderlich sind und gleichzeitig auch das Risiko einer Bakterienresistenz steigen kann. Die Lösung dieses Problems besteht in einem Konzept, das an den diffusen Quellen von Arzneimittelrückständen ansetzt: Arzneimittelrestbestände und Arzneimittelstoffe in Urin und Fäkalien;

23.

fordert die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, die Konzepte der „grünen Infrastruktur“ und von Maßnahmen zur Förderung der natürlichen Wasserrückhaltung in ihre Wasserpolitik in Ergänzung und als Alternative zu herkömmlichen Strukturmaßnahmen (z. B. die Verringerung der hydromorphologischen Belastungen in den Flusseinzugsgebieten) in ihre operationellen Programme im Rahmen der ESIF-Finanzierung (z. B. für die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Wäldern) oder in die Stadtplanung (z. B. für die Speicherung von Regenwasser (zur Wiederverwendung) oder zur Verbesserung der Wasserrückhaltung zur Verringerung der Auswirkungen von Überschwemmungen) aufzunehmen;

24.

weist auf die Notwendigkeit hin, die Wasserbewirtschaftung dahingehend zu verbessern, dass zur Sicherung der Versorgung mit sauberem Wasser im Falle von Naturkatastrophen beigetragen wird (12);

25.

fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, mit Versicherungsunternehmen und den nationalen Regierungen zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass von Überschwemmungen bedrohte Haushalte, landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen Zugang zu einer erschwinglichen Versicherung haben. Außerdem sind weitere Maßnahmen erforderlich, damit alle Interessenträger begreifen, dass die wirksamste Möglichkeit zur Risikominderung und zur Senkung der Langzeitkosten von Naturkatastrophen darin besteht, von Anfang an die Resilienz zu stärken;

Informationsaustausch zwischen den Praktikern und den politischen Entscheidungsträgern

26.

hält fest, dass die Ziele der einzelnen Politikbereiche für sich alleine erreichbar sind („Politik nach Plan“), die notwendigen Maßnahmen in der Praxis jedoch häufig miteinander im Widerspruch stehen; merkt an, dass die Regionen und Städte, die die Maßnahmen umsetzen, oftmals eine Abwägung zwischen derartigen widersprüchlichen Maßnahmen vornehmen müssen;

27.

fordert die Europäische Kommission auf, den Informationsfluss von den Praktikern der Wasserpolitik, d. h. den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, her hin zu den politischen Entscheidungsträgern in Brüssel zu stärken und die Informationen über beispielsweise widersprüchliche Zielsetzungen in ihrer neuen Politik bzw. bei der Anpassung ihrer aktuellen Politik zu berücksichtigen;

Überarbeitung und Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften

28.

erwartet, dass im Rahmen der geplanten Überarbeitung der Trinkwasserrichtlinie die Überwachungssysteme und Analyseparameter verbessert, ein besserer Zugang zu Informationen über die Trinkwasserqualität für die Bürger gewährleistet, Leckage-Probleme angegangen, ein Rechtsrahmen für kleine oder individuelle Trinkwasserversorgungssysteme entwickelt, Lösungen für die Probleme aufgrund von Materialien im Kontakt mit Trinkwasser vorgeschlagen und die bestehenden Ausnahmen von den Rechtsvorschriften aktualisiert werden;

29.

pocht darauf, dass eine künftige Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser insbesondere auf die Verbesserung der Überwachung, Berichterstattung und Veröffentlichung von Daten sowie auf die Berührungspunkte mit der Kreislaufwirtschaft und der Ressourceneffizienz in der EU ausgerichtet sein sollte. Bei der Berichterstattung sollten die Mitgliedstaaten zumindest in dem Maße entlastet werden, wie sie ihre Verpflichtungen bereits erfüllt haben;

30.

begrüßt den neuen Ansatz der Europäischen Kommission zur Bewertung des „Grads der Einhaltung“, bei dem der Schwerpunkt auf der Bewertung der noch bestehenden Lücken in Sachen Sammlung, Behandlung und Anschluss beim Abwasser liegt. Dieser Ansatz ergänzt die offizielle Bewertung der Einhaltung, mit der die Einhaltung von gesetzlichen Verpflichtungen aufgrund der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser beurteilt wird; begrüßt ebenfalls, dass die Europäische Kommission in ihrem achten Bericht über den Stand des Vollzugs dieser Richtlinie zum ersten Mal auch Ergebnisse auf regionaler Ebene verarbeitet und berücksichtigt hat und fordert die Europäische Kommission auf, sowohl den neuen Ansatz des „Grads der Einhaltung“ als auch die regionalen Ansätze beizubehalten und sie in Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Akteuren weiterzuentwickeln;

31.

fordert die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, insbesondere durch folgende Maßnahmen die Wasserknappheit zu reduzieren und die Wassereffizienz zu erhöhen:

a)

klarer Vorrang für die Steuerung der Wassernachfrage sowie die Wassereffizienz in den Bereichen Bewässerung, Gebäude und Energie;

b)

Bekämpfung der Übernutzung von Wasser durch die Überprüfung von Genehmigungen oder die bessere Durchsetzung im Einklang mit der Wasserrahmenrichtlinie;

c)

Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt in der Produktpolitik, u. a. auch künftige Rechtsvorschriften zur Verbesserung der Wassereffizienz von Geräten in den Arbeitsplänen gemäß der Ökodesign-Richtlinie;

d)

kontinuierliche Förderung der Wassermessung in allen Sektoren und für alle Nutzer;

e)

Bekämpfung von Wasserverlusten aufgrund von Leckagen durch die Förderung von Infrastrukturinvestitionen, die auch durch angemessene Wasserpreise und geeignete Durchsetzungsmaßnahmen finanziert werden;

Flexibilität und Differenzierung bei Zielsetzungen

32.

weist auf das Spannungsfeld zwischen den Zielsetzungen für die Wasserqualität und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hin und fordert die Europäische Kommission auf, eine bessere Abstimmung dieser beiden Politiken zu gewährleisten. Die EU sollte derartige Widersprüchlichkeiten und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand aufgrund der Umsetzung potenziell widersprüchlicher Rechtsvorschriften nicht noch verfestigen, sondern vielmehr die wirksamsten, kosteneffizientesten, sich gegenseitig verstärkenden Kompromisse suchen;

33.

erachtet es für sinnvoll und notwendig, auf die Aufnahme der Richtlinie 91/676/EWG vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen in die Wasserrahmenrichtlinie hinzuarbeiten, um die Maßnahmen für die Erreichung eines guten Zustands der Wasserkörper und einer für den menschlichen Verzehr geeigneten Qualität zu vereinheitlichen;

34.

fordert die Europäische Kommission darüber hinaus auf, die Möglichkeiten für eine flexiblere und differenziertere Wasserpolitik zu untersuchen. Aufgrund der Ungewissheiten in Bezug auf künftige Wasserprobleme ist Flexibilität ein Muss. Daher wird die Wasserpolitik in puncto Zielsetzungen und Konzept ein Gleichgewicht zwischen zum einen der erforderlichen Rechtssicherheit für die langfristige Planung und die mehrjährigen kostenintensiven Investitionen und zum anderen den ggf. notwendigen Anpassungen an neue Gegebenheiten finden müssen. Differenziertere Zielsetzungen je nach Zeit und Ort sind deshalb notwendig, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu stärken und ihre Akzeptanz zu erhöhen (13), ohne indes ihre ehrgeizige Ausrichtung zu schmälern;

35.

fordert die Europäische Kommission ferner auf, eine Alternative zu der sogenannten „one out, all out“-Regel für die Überwachung in der Wasserrahmenrichtlinie zu entwickeln. Diese Regel gibt kein besonders aufschlussreiches Bild des tatsächlichen ökologischen und chemischen Zustands und der Anstrengungen, die zur Verbesserung der Wasserqualität unternommen werden. Für die Akzeptanz der notwendigen Maßnahmen muss ein Überwachungsinstrument entwickelt werden, dass den bereits erzielten Ergebnissen der Mitgliedstaaten gerecht wird;

Forschung und Innovation

36.

ist davon überzeugt, dass neben der politischen Innovation auch grundlegende technische Innovationen wichtig sind, um aktuellen und künftigen Wasserproblemen die Stirn zu bieten (14). Der Ausschuss betont zur Förderung dieser Art von Innovation die möglichen Vorteile eines europäischen Wasserinnovations-Aktionsplans auf EU-Ebene für die Entwicklung hin zu einer auf Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und die intelligente Nutzung von Wasser ausgerichtete Gesellschaft. Ein derartiger Rahmen würde dazu beitragen, die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu bestärken, mit Unterstützung der Europäischen Kommission systemische Innovationskonzepte umzusetzen und Partnerschaften für Wasserinnovationsprojekte einzurichten bzw. zu fördern. Trotz der beträchtlichen Weiterentwicklung, Konsolidierung und Ausweitung der bestehenden Wissensplattformen und Finanzierungsmöglichkeiten für Innovationen gibt es aus Sicht des AdR zwei zentrale Hindernisse für die Einführung innovativer Lösungen. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission daher auf:

a)

den bürokratischen Aufwand für den Zugang zu den europäischen Innovationsfördermitteln durch Zusammenarbeit und Investitionen zur Prävention grundlegender langfristiger Herausforderungen für die Wasserbewirtschaftung in der EU weiter zu verringern. Dies betrifft insbesondere widersprüchliche Rechtsvorschriften für staatliche Beihilfen und den schwierigen Zugang zu Innovationsfördermitteln für Unternehmen;

b)

die Möglichkeit zu prüfen, einen Versuchsspielraum zu lassen, wenn Restriktionen aus anderen Politikbereichen die Durchführung innovativer Lösungen behindern;

Schlussfolgerung

37.

betont, dass die Wasserbewirtschaftung ein kapitalintensiver Politikbereich ist, in den beträchtliche Mittel investiert werden. Diese Investitionen werden in Zukunft weiterhin steigen. Indem die Problemstellung und die Lösungsansätze auf eine breitere Basis gestellt werden und auch die bereits in den geltenden Vorschriften vorgesehene Einbindung der damit verbundenen Politikbereiche (wie Landwirtschaft, Energie und Gesundheit) verbessert wird, können die Gefahren von Desinvestition verringert, neue Chancen eröffnet und somit wiederum der Boden für Innovationen bereitet werden. Die Schwierigkeit liegt darin, vernünftige Entscheidungen zu treffen, die zum einen dem gerecht werden, was wir heute bewahren wollen, zum anderen aber ausreichend Spielraum bieten, um auch den ungewissen künftigen Herausforderungen zu begegnen: Manage the source of life!

Brüssel, den 9. Februar 2017

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Markku MARKKULA


(1)  Die Grundwasserrichtlinie (2006), die Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (2008), die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (1991), die Nitratrichtlinie (1991), die neue Badegewässerrichtlinie (2006), die Trinkwasserrichtlinie (1998), die Hochwasserrichtlinie (2007), die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008) und zwei Entscheidungen der Kommission (2005 und 2008) zum ökologischen Zustand.

(2)  Arbeitsprogramm der Kommission 2017 (COM(2016) 710 final, Anhang I).

(3)  ABl. C 17 vom 19.1.2013, S. 91.

(4)  ABl. C 218 vom 30.7.2013, S. 53.

(5)  ABl. C 277 vom 13.9.2012, S. 74.

(6)  ABl. C 259 vom 2.9.2011, S. 13.

(7)  Water Vision 2030 „The Value of Water — Multiple Waters, for multiple purposes and users: Towards a Future proof model for a European water-smart society“, WssTP, Oktober 2016.

(8)  The United Nations World Water Development Report 2016.

(9)  COM(2012) 216 final.

(10)  Eurostat (2013) in COM(2014) 363 final.

(11)  „Multi-hazard assessment in Europe under climate change“, Giovanni Forzieri et al., Climatic Change, Juli 2016, Band 137, Ausgabe 1, S. 105-119.

(12)  CdR 2646/2014.

(13)  So ist es beispielsweise in einem Einzugsgebiet weitaus wirksamer, flussaufwärts Maßnahmen für den Hochwasserschutz oder die Verbesserung der Wasserqualität zu ergreifen als flussabwärts. Dabei tragen die flussabwärts gelegenen Regionen selbstverständlich zu den Maßnahmen in den flussaufwärts gelegenen Regionen bei.

(14)  So ist Abwasser nach der Sekundärreinigung eine gute Quelle für die Trinkwasseraufbereitung. Allerdings muss diesbezüglich die öffentliche Akzeptanz gewonnen werden.


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